Sichtweisen - Landkreis Esslingen

Transcription

Sichtweisen - Landkreis Esslingen
Sichtweisen
Heft 15 | Freizeit und Behinderung
Berichte, Meinungen, Informationen, Themen
aus der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie
Sichtweisen 15/2014
Sichtweisen
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
mit der Nummer 15 erscheint unser neues Heft
der Sichtweisen, das wir Ihnen als engagiertes
Redaktionsteam hiermit überreichen. Wir, das
sind in erster Linie ehrenamtlich Engagierte und
Betroffene. Die Koordination erfolgt durch mich,
den Sozialplaner der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie des Landkreises Esslingen.
meist recht schnell, unsere Vorstellungen und
Bedürfnisse zu verwirklichen. Reisen, Sport,
Kultur, Bildung, die Angebotslandschaft ist weitläufig. In der Freizeit schaffen wir uns einen Ausgleich, ermöglichen Begegnungen und pflegen
Freundschaften, öffnen damit die Tür zu sozialen
Kontakten.
Wir hoffen, Sie als interessierte Leserschaft ansprechen zu können. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Kritik entgegen. Vielleicht haben Sie
beim Lesen Lust verspürt, einmal selbst etwas zu
schreiben. Dazu laden wir Sie herzlich ein. Setzen
Sie sich einfach mit uns in Verbindung.
Aber gilt dies auch für Menschen mit Behinderungen? Eindeutig ja, wenn sich auch die Voraussetzungen und Zugangschancen durchaus unterscheiden oder unterscheiden können. Es gibt
eben doch einige Hindernisse, nicht nur was
die Mobilität anbelangt, sondern insbesondere
die sozialen Kontakte und die kommunikativen
Bereiche betreffend.
Das Thema des neuen Heftes lautet „Freizeit und
Behinderung“. Ein leichtes Unterfangen, könnte
man meinen. In unserer Freizeit gelingt es uns
Der Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention beschreibt grundsätzlich die gesellschaftlichen
Anforderungen, um die Teilhabe von Menschen
Freizeit und Behinderung
2
Sichtweisen 15/2014
mit Behinderungen am kulturellen Leben, sowie
an Erholung, Freizeit und Sport zu ermöglichen.
Die Umsetzung wird der Gesellschaft übertragen,
also uns allen, getreu dem Motto „Barrieren abbauen und Vielfalt bereichern“.
Das vorliegende Heft versucht einen kleinen
Beitrag dazu zu leisten, in dem das Thema
„Freizeit und Behinderung“ aus unterschiedlicher
Sicht beleuchtet wird. Es will im Landkreis
Esslingen und darüber hinaus bestehendes
beschreiben, informieren, Entwicklungen
aufzuzeigen und Anregungen geben.
Ein Informationsteil rundet das Heft ab.
Im Namen des Redaktionsteams danke ich allen
Mitwirkenden, insbesondere den Co-Autorinnen
und –Autoren für die interessanten Beiträge und
das zur Verfügung gestellte Bildmaterial. Auf Ihre
Reaktionen sind wir wie immer gespannt.
Mitglieder der „Sichtweisen“ im Johanniterstift in Plochingen
– dem langjährigen Domizil von Redaktionsbesprechungen.
Liebe Leserinnen und Leser, Ihnen wünsche
ich beim Lesen Neugier und Interesse.
Ihr Michael Köber
Inhalt
Vorwort...........................................................2–3
Inclusive Freizeiten .............................20–21
Die Redaktion stellt sich vor ................................4
Freizeitangebot in der
Lebenshilfe Esslingen ..............................22
Freizeit und Behinderung....................................
Kontaktgruppe Kirchheim ...................23–24
Freizeit und Behinderung
aus Sicht des
Landesbehindertenbeauftragten ............6–7
Freizeitangebote für psychisch
kranke Menschen ...............................25–26
Psychisch krank und Freizeitgenuss ...26–27
Sport und mehr – ein Interview..............8–9
Barrieren überwinden .........................10–12
Infoteil ..................................................................
Der Inklusion auf der Spur ..................12–13
Freizeitgruppe Kirchheim ....................28–29
Mit dem Club in die Ferien .......................14
Freizeitangebote SpDi Nürtingen .......28–29
Freizeit ohne Grenzen .........................15–16
Filmtipp ..............................................30–31
Eine geglückte Urlaubsreise ...............17–18
Von Alsterdorf in die weite Welt
der Musik .................................................31
Meine jährliche Freizeit in Ellwangen .......19
Schönenbergkirche...................................19
Sichtweisen 15/2014
Impressum.................................................5
3
Sichtweisen
Die Redaktion stellt sich vor
Michael Köber
Die „Sichtweisen“ sind
ein Forum für einen Gedanken- und Erfahrungsaustausch zum Leben
mit Behinderungen, wesentlich getragen von ehrenamtlich engagierten
Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis Esslingen. Kreativität, Ideenvielfalt, persönliche Verbundenheit und Begeisterung
zeichnen das kleine Redaktionsteam
aus. Die gemeinsame Arbeit in der
Redaktion bereitet mir Freude, sie
stellt eine besondere Ebene in den
Aufgaben der Behindertenhilfe- und
Psychiatrieplanung dar. Die „Sichtweisen“ regen für Veränderungen an, sie
bilden Erfahrungen aus dem Alltag
und der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderungen ab. Sie sind
auch ein Medium für einen fachlichen
Austausch. Ich bin auf die nächsten
Ausgaben gespannt.
Annerose Klingmann
Über die Sichtweisen
freue ich mich besonders, weil ich von
Anfang an dabei bin.
Ich bin selbst durch Behinderung betroffen und
engagiere mich bei den
Sichtweisen, weil mir
der Austausch mit anderen Menschen wichtig ist und ich
etwas Positives für behinderte
Menschen beitragen möchte. Ich
war früher sehr aktiv bei der „Amsel“
tätig, über die ich dann zu den Sichtweisen gekommen bin. Die Arbeit bei
den Sichtweisen ist mir sehr wichtig
und ich wünsche mir, dass noch viele
Ausgaben dazu kommen, an denen ich
mitarbeiten kann.
4
Daniela Goth
Ich arbeite gerne in der
Redaktion mit und gehe
seit 2004 in eine Werkstatt in Zell. Grundsätzlich möchte ich auf die
Lebenssituationen behinderter Menschen hinweisen. Es beschäftigt
mich besonders, dass behinderte Menschen
so große Probleme haben, Arbeit zu finden.
Über Integration darf nicht nur gesprochen
werden. Handeln ist angesagt!
Petra Besemer
Ich bin seit 13 Jahren
psychisch krank und erlebe immer wieder in
meinem Alltag als Behinderte hier in Deutschland Diskriminierung und
Ausgrenzung. Durch die Sichtweisen kann
ich mich artikulieren und möchte ganz gerne
Aufklärungsarbeit im Bereich der psychischen Erkrankungen leisten. Seit 2012
wirke ich bei der Redaktion Sichtweisen
mit. Ich arbeite als EX-IN Genesungsbegleiterin beim Sozialpsychiatrischen Dienst
in Kirchheim und habe eine SelbsthilfeWir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen zu
den „Sichtweisen“ Nr.15. Leserbriefe mit Ihren
Meinungen und Rückmeldungen, mit Lob und
Kritik sind uns immer willkommen.
Wir freuen uns weiterhin über Beiträge „externer“ Schreiberinnen und Schreiber, die auch in
dieser Ausgabe die „Sichtweisen“ mit interessanten Artikeln bereichert haben. Und sollten
Sie sich vorstellen können, regelmäßig bei den
„Sichtweisen“ mitzuwirken, möchten wir Sie
gerne als neues Redaktionsmitglied begrüßen.
Wenn Sie uns schreiben wollen oder wenn
Sie Fragen zu unserem Projekt haben,
wenden Sie sich bitte an die
Sichtweisen 15/2014
gruppe für psychisch kranke Menschen und
deren Angehörige gegründet. Auch beim
Schulprojekt des AKL Nürtingen / Kirchheim
wirke ich als Lebenslehrerin mit.
Manfred Tretter
Mit der Literatur bin ich in
fremden Ländern und anderen Zeiten schon ganz
schön weit herumgekommen. Von Jugend an begleiten mich Bücher. Im
Beruf gab es viele Gelegenheiten für mich zum
fachbezogenen Schreiben.
Jetzt entdecke ich die vielfältigen Anregungen aus dem Bereich des kreativen Schreibens, um zur eigenen literarischen Produktion zu gelangen. Für die „Sichtweisen“ fühle
ich mich doppelt vorgeprägt: Ich bin blind und
kann mich als behinderter Mensch äußern
und ich kann meine beruflichen Erfahrungen
aus der Sozialarbeit damit verbinden.
Willi-Gerhard List
Ich freue ich mich, meine Erfahrungen und
Eindrücke von meiner Arbeit als „Behinderter mit Behinderten“ einbringen zu dürfen.
In der Tagesstätte für psychisch kranke MenRedaktion »Sichtweisen«, Michael Köber
c/o Dagmar Neumann, Alisa Nikolic
Landratsamt Esslingen
73726 Esslingen am Neckar
Telefon (0711) 3902-2634
Sekretariat (0711) 3902-2503
E-Mail: koeber.michael@lra-es.de
neumann.dagmar@lra-es.de
nikolic.alisa@lra-es.de
Sichtweisen 15/2014 (November 2014)
ein Projekt der Behindertenhilfeund Psychiatrieplanung
des Landkreises Esslingen
Herausgeber: Landratsamt Esslingen
Redaktion:
Gesamtverantwortlich: Michael Köber
Sichtweisen 15/2014
schen gehören auch Freizeit- und Wochenendangebote sowie Büroarbeit
zu meinen Aufgaben. Ich
bin dankbar, dass es dieses Forum gibt. Gerne
möchte ich zu der Sichtweise beitragen, dass
Menschen mit Behinderung ganz normale Bürger sind, wenn auch
mit speziellen Bedürfnissen.
Karsten Lindner
Ich schreibe gerne Tagebücher, Aufsätze,
Gedichte, Referate,
Geschichten und halte
mich für lebendig genug,
um meine Erfahrungen
weitergeben zu können.
Mir macht das Schreiben
Spaß. Und ich weiß, dass man sich dann –
besonders als Mitglied einer Redaktion –
gut mitteilen kann. Ich bin auch ein Mensch,
der sehr auf Selbsterfahrung aus ist und
darauf achtet, sich weiter zu entwickeln.
Denn, „der Mensch lernt nie aus“, diesen
Satz höre ich immer wieder. Außerdem
weiß ich: „Das Leben hält viele Überraschungen für mich bereit.“
MitarbeiterInnen:
Petra Besemer, Daniela Goth,
Annerose Klingmann, Karsten Lindner,
Willi-Gerhard List, Manfred Tretter
Satz und Gestaltung:
www.logowerbung.de
© Landratsamt Esslingen:
Nachdruck oder Vervielfältigung, auch
auszugsweise, sind nicht gestattet.
Abbildungsnachweis:
Monika Keufer (1,15,16) Michael Köber
(3,8), Gerd Weimer (6), Martin Beer
(10,11,12), Jürgen Kurz (14), SpDi Nürtingen (17,18), Annerose Klingmann (19),
Annette Weißenstein (20,21), Erika Synovzik (22), Dorothee Ostertag-Sigler (23)
5
Freizeit und Behinderung
Lebe Deinen Traum
Erfordernisse
aus der Sicht
des LandesBehindertenbeauftragten
und der
Regionalkonferenzen
Lebe deinen Traum
„I have a dream“ ist der Titel der berühmten
Rede von Martin Luther King, die er während
des Marsches der Bürgerrechtsbewegung für
Gleichberechtigung und Chancengleichheit
hielt. Dabei verstand er es, durch seine Vision
eines selbstverständlichen Miteinanders in Frieden und Freiheit und ohne Diskriminierung die
Gesellschaft für notwendige Veränderungen im
Denken und Handeln wachzurütteln. Im Grunde
genommen ging es ihm darum, dass jeder
Mensch seinen Traum leben kann. Und genauso
ist es mit der Inklusion, mit der selbstbestimmten und gleichberechtigen Teilhabe am Leben in
der Gesellschaft. „Lebe deinen Traum“, das ist
meine Aufforderung als Landes-Behindertenbeauftragter an die Menschen mit einer sogenannten Behinderung, „macht dies möglich“,
lautet mein Appell an Politik und Gesellschaft.
Daran ändert auch die Haltung des von mir ansonsten sehr geschätzten Altbundeskanzlers
Helmut Schmidt, der einmal gesagt hat „Wer
Visionen hat, soll besser zum Arzt gehen“
nichts. Der Meinung war ich nie! Unsere Gesellschaft und jedes einzelne Mitglied braucht
Ziele und Visionen, erst recht, wenn es um
Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen geht. Menschen mit Handicaps
haben noch lange nicht dieselben Teilhabemög-
6
lichkeiten wie Menschen ohne Behinderung!
Der Weg in eine inklusive Gesellschaft ist noch
weit, aber wir müssen uns aufmachen. Und
hierbei bietet sich der Bereich Kultur, Freizeit
und Sport als ideales Medium der Inklusion an.
Wir müssen nur die Menschen mit Handicap
fragen, was sie brauchen und wollen, um wie
alle anderen auch entscheiden zu können,
welche Freizeitangebote sie nutzen möchten.
Vier Regionalkonferenzen im Land –
jeder Beitrag zählt
Im Zeitraum November 2012 bis September
2013 habe ich daher als Landes-Behindertenbeauftragter einen bundesweit einmaligen
Beteiligungsprozess als Grundlage für die
Erarbeitung eines Landes-Umsetzungsplans
zur UN-Behindertenrechtskonvention organisiert. Betroffene Menschen konnten sagen
was sie wollen und brauchen. Mir war wichtig,
dass das Fundament für den weiteren Prozess
die ganz persönlichen Erfahrungen und Wünsche betroffener Menschen mit Behinderungen
sind.
Und weil die Teilhabe am kulturellen Leben
sowie an Erholung, Freizeit und Sport elementar für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist, widmet die UN-Behindertenrechtskonvention diesem Bereich sogar einen eigenen
Artikel (Artikel 30). Die Vertragsstaaten werden
verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu
treffen, damit Menschen mit Behinderungen
gleichberechtigt mit anderen am kulturellen
Leben teilnehmen können.
Bei den Regionalkonferenzen wurde ganz allgemein gefordert, dass Menschen mit Behinderungen barrierefrei, selbstbestimmt und gleichberechtigt Kultur-, Sport-, und Freizeitangebote
nutzen und am Vereinsleben sowie am kirchlichen und kommunalpolitischen Leben teilnehmen können. Wie in allen Lebensbereichen sind
hierfür eine umfassende Barrierefreiheit und
notwendige Assistenzen von entscheidender
Bedeutung. Ganz konkret wurde zum Beispiel
gefordert dass
Sichtweisen 15/2014
• Kulturanbieter lokale Teilhabepläne unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen
erstellen sollen
• Anbieter bei ihren Programmen und Rahmenbedingungen die Bedürfnisse von Menschen
mit Behinderungen berücksichtigen
• Mitarbeiter der Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit Blick auf die besonderen Bedarfe
unterschiedlicher Zielgruppen sowie auf den
Umgang mit Menschen mit Behinderungen
und den Einsatz angemessener Vorkehrungen
und Hilfsmittel geschult werden müssen
• alle Menschen an den Angeboten der gemeinnützigen und öffentlich geförderten Vereine
teilhaben können
• Vereine zielgruppenorientierte Angebote
machen, um das Wunsch- und Wahlrecht
zu gewährleisten
• Freizeit- und Tourismusangebote aus Steuermitteln nur noch unterstützt werden dürfen,
wenn Mindestanforderungen an die barrierefreie Zugänglichkeit bzw. Nutzbarkeit eingehalten werden und
• die Teilhabe am kommunalpolitischen Leben
verbessert wird, zum Beispiel durch eine kritische Prüfung geltender Wahlrechtsausschlüsse im Lichte der UN-Konvention.
Inklusion ist im hier und jetzt möglich
Die vielfältigen Forderungen aus den Regionalkonferenzen bilden eine wichtige Grundlage für
die Aufstellung des Aktionsplans des Landes
zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. In der aktuellen Diskussion werden
Inklusion und Teilhabe in der öffentlichen Wahrnehmung auf den Bereich der schulischen
Bildung reduziert. Dabei hat der überregional
von den Medien aufgegriffene Fall Henri nicht
nur für den gymnasialen Bereich ein Bewusstsein geschaffen, dass Inklusion alle angeht und
keine Zuschauer kennt. Es wurden auch zwei
Sichtweisen 15/2014
Ebenen der angewandten Inklusion deutlich:
Einerseits ist Inklusion ein auf Dauer angelegter
Prozess, der für alle Lebensbereiche organisiert
werden muss. Ganz besonders kommt es hierbei auf die Planung, Bereitstellung und Steuerung notwendiger Ressourcen an. Der Aktionsplan des Bundes und der geplante Landesaktionsplan sind solche Planungsinstrumente
und auf Nachhaltigkeit angelegte Fahrpläne
der Inklusion. Bei der zweiten, der persönlichen
Ebene, nehmen alle Beteiligten die Herausforderungen der Inklusion im konkreten Einzelfall an und suchen gemeinsam nach einer
passgenauen inklusiven Lösung. Inklusion
wird so möglich, wenn alle Beteiligten dies
wollen und vor dem Hintergrund der bestehenden Rahmenbedingungen die Prioritäten
entsprechend setzen.
Und dieses „Sich auf den Weg machen“ ist ein
Schlüssel zum Erfolg für die volle und gleichberechtigte Teilhabe im Freizeitbereich. Ein gutes
Beispiel ist der Sport, wo das Miteinander von
Menschen mit und ohne Handicap in vielen
Disziplinen möglich ist. Dies bestätigt auch das
bei meiner Geschäftsstelle angedockte Projekt
„BISON - Baden-Württemberg inkludiert Sportler ohne Norm“. Für BISON sind die Wünsche
und die Selbstbestimmung von Menschen mit
Behinderungen handlungsleitend, sie sagen
was sie wollen, und wir versuchen Antworten
zu geben, wie das geht.
Wenn sich von diesem Ansatz die Verantwortlichen in den Vereinen und die Anbieter von
Kultur- und Freizeitangeboten leiten lassen,
ist Inklusion bei gutem Willen im hier und jetzt
möglich. Dies schließt selbstverständlich nicht
aus, für die übergeordneten gesellschaftlichen
Bereiche Anpassungsprozesse zur Umsetzung
der UN-Konvention auf allen Ebenen zu organisieren, auf Nachhaltigkeit anzulegen und notwendige Ressourcen langfristig bereitzustellen.
Gerd Weimer
Beauftragter der Landesregierung für die
Belange von Menschen mit Behinderungen
7
Sport und Mehr
Interview mit Matthias Berg
Am 12. Mai 2014 bot sich uns die Gelegenheit
zu einem einstündigen Gespräch mit dem stellvertretenden Landrat und Paralympioniken Matthias
Berg. In angenehmer Atmosphäre und gut gelaunt
kam es zu einem regen Gedankenaustausch mit
Herrn Berg.
Sichtweisen: Unsere Leser interessieren sich für
Ihre so außergewöhnliche, persönliche Lebensgeschichte.
Matthias Berg: Ich bin Jahrgang 61 und habe
bis zu meinem 10. Lebensjahr in Detmold an
der Lippe gewohnt. Als mein Vater Gründungsdirektor der Bundesakademie für musikalische
Jugendbildung wurde, zogen wir nach Trossingen. Trossingen ist ja überall als Musikstadt
bekannt.Nach meinem Abitur ging ich nach Freiburg, um Jura und Musik zu studieren. Mein
Instrument ist das Horn, das ich bis heute
spiele. Ich war in dieser Zeit schon in zwei
Nationalmannschaften des Behindertensportverbandes, als Sprinter und als Springer
(Leichtathletik) und im Ski-Alpin.
Anmerkung der Redaktion: Herr Berg ist als
Conterganopfer körperbehindert.
Sichtweisen: Wie sind Sie mit Sport in Berührung
gekommen?
Matthias Berg: Ich war - wie meine ganze Familie
- schon immer sportlich. Als ich 13 Jahre alt
war, rief jemand vom Versehrtensportverband
(wie es damals hieß) an. Ihm war bekannt,
dass es in unserer Familie ein behindertes Kind
gibt. Seine Familie war von der gleichen Situation betroffen. So kam ich zu einer Einladung
für eine Skifreizeit. Dies hat viel Spaß bereitet
und ich bekam Lust, Rennen zu fahren.
Die württembergischen Meisterschaften
8
waren mein erster Wettbewerb, so bin ich zum
Leistungssport gekommen und über die gleichen Kontaktpersonen auch zur Leichtathletik.
Langsam steigerte ich mein Training und 1980
in Geilo (Norwegen) war ich erstmals bei den
Paralympischen Winterspielen dabei – und im
Sommer in Arnheim (Niederlande). Die Paralympischen Spiele 1988 in Seoul waren die ersten, die am selben Ort ausgetragen wurden
wie die Olympischen Spiele.
Sichtweisen: Wie haben Sie Studium und Sport
verbinden können?
Matthias Berg: Dies ließ sich gut vereinbaren.
Beim Uni-Sportclub Freiburg habe ich als Behinderter mit Nichtbehinderten gemeinsam
trainiert. Ich brauchte immer den Anreiz starker
Konkurrenz, um meine Leistungen zu verbessern. Inzwischen gibt es im Leistungssport gemeinsame Leistungszentren von Behinderten
und Nichtbehinderten.
Sichtweisen: Wie war Ihr beruflicher Werdegang?
Matthias Berg: Nach dem Staatsexamen in Jura
war ich noch unentschlossen, was ich machen
sollte. Ich habe mich dann für die Verwaltung
entschieden. Der Landrat von Tuttlingen, der
die Sportlerehrungen vornahm, brachte mich
auf die Idee, in die Verwaltungslaufbahn einzusteigen, was ich bis heute nicht bereut habe.
8 Jahre lang, bis 2000, war ich dann im Landratsamt Tuttlingen beschäftigt. Von 2000 – 2003
dann im Staatsministerium unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Seit
2003 bin ich hier in Esslingen Stellvertreter
von Landrat Heinz Eininger und leite das Dezernat für Umwelt und Technik.
Sichtweisen: Wie kam es vom Freizeitsport
zum Leistungssport?
Matthias Berg: Der Antrieb für mich war Spaß.
Ich merkte, dass ich mit relativ wenig Training
schnell nach vorne kam und dann, mit viel
mehr Training, es auch nach oben aufs Treppchen schaffte.
Sichtweisen: Wo haben Sie Ihre größten Erfolge
gefeiert?
Matthias Berg: Beim Sprint über 100 m / 200 m.
Im Hochsprung und Weitsprung halte ich bis
heute die Weltrekorde. Vor 20 Jahren habe
ich mich vom Leistungssport verabschiedet.
Sichtweisen 15/2014
Die Winterparalympics in Lillehammer 1994
waren meine letzten Spiele als Aktiver. Die
Spiele in Norwegen waren mit die Schönsten.
Anmerkung der Redaktion: Medaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften Insgesamt
27 Medaillen, davon 11 Gold, 10 Silber und
6 Bronze
Sichtweisen: Nun sind Sie, wie wir gehört haben,
als Reporter fürs Fernsehen tätig?
Matthias Berg: Ich bin seit Sydney 2000 als
Experte beim ZDF im Einsatz. Das ZDF suchte
jemanden, der aus dem Behindertensport
kommt, sich gut auskennt und gut erklären
kann. Sotschi in diesem Jahr waren meine
siebten Paralympics für das ZDF.
Sichtweisen: Und Brasilien 2016 wartet schon?
Matthias Berg: Ich hoffe sehr, dass ich wieder
dabei sein kann.
Sichtweisen: Kennen Sie die Bundesbeauftragte
für Behinderte – Verena Bentele – die ja auch
eine sehr erfolgreiche Athletin war?
Matthias Berg: Verena kenne ich seit 15 Jahren.
Meine Frau ist Lehrerin und hatte sie in den
Schulunterricht eingeladen, um zu erzählen,
wie sie mit Ihrer Behinderung zu Recht kommt.
Ich finde es gut, wenn Jugendliche Gelegenheit
bekommen, alles fragen zu dürfen. Sie hat
übrigens gerade ein neues Buch veröffentlicht
mit dem Titel „Kontrolle ist gut – Vertrauen ist
besser “. Ich finde es unbedingt lesenswert.
Sichtweisen: Wie ist heute die Situation im
Behindertensport? Wie steht es um die
Finanzierung?
Matthias Berg: Unser hauptsächlicher Geldgeber
ist das Bundesinnenministerium. Sponsoren
geben für den Behindertensport deutlich
weniger als für den allgemeinen Sport, weil
der sich besser vermarkten lässt. Unser Dachverband – der Deutsche Behindertensportverband, ist zuständig für alle im Behindertensport
aktiven Vereine. Wir sind dringend auf weitere
Mittel angewiesen und ich hoffe, dass es zu
keinen Kürzungen der Gelder kommt.
Sichtweisen: Wie steht es mit Sport im Alter?
Matthias Berg: Der REHA-Sport ist die am deutlichsten wachsende Gruppe – über Rehamaßnahmen finden viele zum Sport. Unsere Forderung ist, dass REHA-Sport nicht befristet sein
Sichtweisen 15/2014
soll. Die Krankenkassen sollten den REHASport dauerhaft finanzieren.
Sichtweisen: Gibt es genug kompetente Trainer?
Matthias Berg: Vor ca. 10 Jahren wurde im Deutschen Behinderten Sport eine Akademie für
Trainer und Übungsleiter gegründet. Hauptaufgabe der Akademie ist es, Ausbildung und
Fortbildung zu organisieren.
Sichtweisen: Wie stehen Sie zu den Forderungen
der Inklusion?
Matthias Berg: Durch das aktuelle Thema Inklusion ist der Aktivsport noch bekannter geworden. Die Kursangebote werden gut nachgefragt. Das selbstverständliche Miteinander
zwischen Behinderten und Nichtbehinderten
ist das A und O jeder erfolgreichen Inklusion.
Es ist nicht einfach, interessierte Behinderte
zu erreichen – auch der Datenschutz erschwert
dies. Man ist auf die Schulen, die Lehrer/-innen
angewiesen, dass sie Talente erkennen und
Kontakt zu den Vereinen herstellen.
Sichtweisen: Und wie wird trainiert?
Matthias Berg: Es hängt von den Vereinsstrukturen ab, ob Behinderte und Nichtbehinderte
gemeinsam trainieren können. Grosse Vereine
haben extra Abteilungen für den Behindertensport. Ich finde es vorteilhaft, wenn Behinderte
und Nichtbehinderte zusammen trainieren.
So gibt es beispielsweise beim Schwimmen
oder auch in der Leichtathletik keinen Grund
zur Trennung.
Sichtweisen: Kennen Sie auch den neuen deutschen IOC Präsidenten Thomas Bach?
Matthias Berg: Ja, schon gut 10 Jahre, so saß
ich auch im IOC-Gremium „ sport and law “,
welches von Thomas Bach geleitet wurde.
Sichtweisen: Haben Sie selber noch Gelegenheit,
Sport zu treiben?
Matthias Berg: Mit meiner Familie mache ich
noch häufig Freizeitsport. Wir sind auch viel mit
dem Fahrrad unterwegs und es macht mir noch
sehr viel Spaß. Mein Motto im Leben wie im
Sport heißt Freundlichkeit und Hartnäckigkeit.
Sichtweisen: Herr Berg, wir bedanken uns
für dieses Gespräch und wünschen Ihnen
persönlich alles Gute.
Beitrag der Redaktionsmitglieder:
Manfred Tretter und Willi-Gerhard List
9
Barrieren überwinden
Angebote für Menschen mit Behinderung im Freilichtmuseum Beuren
lichtmuseum ein solcher Ort für Menschen mit
und ohne Behinderung gleichermaßen ist.
Schmale und steile Treppen, schlecht beleuchtete
und enge Räume, Türschwellen, Wegsteigungen
und -gefälle, Geländeunebenheiten – das klingt
wiederum eher nicht danach und wäre ein ernüchterndes Attest. Um es jedoch vorwegzunehmen,
das regionale ländliche Freilichtmuseum in Beuren
begreift sich als ein Museum für alle Menschen
und damit auch für Menschen mit Behinderung.
Es versteht dabei Barrieren nicht allein im gegenständlich-baulichen Sinne, sondern auch in Form
von Inhalten, Sprache und Mentalitäten.
Integration, Inklusion, kulturelle Teilhabe, Barrierefreiheit – Schlüsselbegriffe, Reizworte oder Phrasen? Debatten, die um die bisweilen inflationär
gebrauchten Begriffe kreisen, haben derzeit Hochkonjunktur, sie fordern heraus, spornen an, erregen, spalten, führen zusammen. Die Aufgabe mit
menschenrechtlicher Begründung im Bildungsbereich umzusetzen, ist für Kultureinrichtungen wie
Museen trotz Selbstverpflichtung oft keine einfache. Dieser Beitrag möchte Einblicke in die praktische Annäherung der angestrebten Barrierefreiheit im Freilichtmuseum Beuren geben.
Das Freilichtmuseum –
eine barrierefreie Einrichtung?
Malerisch könnte man es beschreiben, das
Museum des Landkreises Esslingen für ländliche
Kultur in Mitten der Streuobstlandschaft am Rande
der Schwäbischen Alb mit eingerichteten Gebäuden aus etwa 550 Jahren, die ursprünglich aus
dem Neckarland und von der Schwäbischen Alb
stammen. Äcker und Gärten werden mit historischen Pflanzensorten bestellt. Ziegen, Schafe,
Hasen, Federvieh und andere Tiere um Haus und
Hof beleben das Dorfbild, welches die bäuerliche
Lebens- und Arbeitswelt nachzeichnet. Spielmöglichkeiten, Picknickplätze und die Museumsgastronomie laden Kinder und Erwachsene zusätzlich
zum Verweilen ein. Eine Vielzahl von Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art und für alle Altersgruppen knüpft daran an und schlägt Brücken
zwischen Gegenwart und vergangener Welt.
Für den vorgeblichen „Normalgast“ hört sich das
nach dem richtigen Ort zum Erleben, Lernen und
Erholen an. Kritisch wäre zu fragen, ob das Frei-
10
Zusammenarbeit als Schlüssel
Die Kooperation mit Institutionen und Vereinen,
Fachleuten und Menschen mit Behinderung
wurde erprobt. Sie hat sich bewährt und wird fortgesetzt. Die Frage, was können wir für Menschen
mit Behinderung tun, hat sich dabei oft ins Gegenteil verkehrt. Denn in dem Sinne konnten und
können die Expertinnen und Experten in eigener
Sache eine ganze Menge für das Museum tun.
Gespräche und gemeinsames Ausprobieren sensibilisiert und schult Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlicher Weise für Führungen
und museumspädagogische Mitmachaktionen,
in Kommunikation und Umgang sowie für die
Öffentlichkeitsarbeit – Gewinn und Bereicherung
für beide Seiten.
Führungen für alle
In jeder Museumssaison bietet das Freilichtmuseum öffentliche Führungen an. Sie verstehen sich
in gewisser Weise als Möglichkeit zum Schnuppern und sind deshalb im Museumseintritt inbegriffen. Seit 2010 gibt es auch Führungen, die auf
die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung
eingehen. Den etwa einstündigen Rundgang können behinderte und nicht behinderte Menschen
aller Altersgruppen
gemeinsam nutzen.
Die Teilnehmer der
Führung für blinde
und eingeschränkt
sehende Menschen
können sich hörbar
und fühlbar, mit der
Sichtweisen 15/2014
Nase oder im Geschmacktest das aneignen, was
mit den Augen nicht oder nur schlecht wahrzunehmen ist. Beim Museumsrundgang für schwerhörige und gehörlose Menschen werden die Ausführungen in Deutsche Gebärdensprache (DGS)
übersetzt. Die sehr heterogene Gruppe der Menschen mit einer kognitiven Behinderung, psychischen Erkrankung oder mit Lernschwierigkeiten
lädt eine Führung ein, die neben kleinen Geschichten in Leichter Sprache die Möglichkeit bietet,
historische Gegenstände in die Hand zu nehmen,
Gedanken und Empfindungen zu äußern. Die
Führung für Menschen mit Mobilitätseinschränkung, d. h. besonders für Menschen im Rollstuhl
bzw. mit einer Geheinschränkung, meidet unwägbare Stellen und ermöglicht den Blick ins Hausinnere über leichte Zugänge und einen visuellmedialen Teil. Diese Angebote können außerdem
individuell für Gruppen gebucht werden. Dabei
werden spezielle Wünsche und Bedürfnisse
berücksichtigt, um einen angenehmen Aufenthalt
im Museumsdorf zu ermöglichen.
Mitmachen als Chance
Neben dem Führungsangebot können im Freilichtmuseum für alle Altersgruppen museumspädagogisch angeleitete Mitmachaktionen gebucht
werden. Einige bieten sich besonders für Menschen mit einer sensorischen, motorischen,
kognitiven oder psychischen Behinderung oder
mit einer Lernschwierigkeit an. Bei der museumspädagogischen Aktion „Von der Wolle zum Filz“
sind die Teilnehmer Schafen, Schäfern und Schafwolle auf der Spur. Neben dem Kontakt zu den
Tieren im Museum kann unter Anleitung eine der
ältesten Kulturtechniken der Welt ausprobiert und
der selbst gefilzte Gegenstand anschließend mit
nach Hause genommen werden. Die Mitmachaktion „Vom Korn zum Brot“ vermittelt praktisch und
leicht den Weg vom Getreide zum gebackenen
Kontakt Freilichtmuseum Beuren
Museum des Landkreises Esslingen
für ländliche Kultur
In den Herbstwiesen, 72660 Beuren
Infotelefon 07025 91190-90
Telefax 07025 91190-10
Sichtweisen 15/2014
Nahrungsmittel. Die Teilnehmer erleben und probieren, wie ein Backhaus angefeuert wird, und
backen darin ihre selbst hergestellten Brötchen
oder Kuchen, die anschließend verkostet und
mitgenommen werden können. Offene Mitmachangebote zu Familiensonntagen und an den Veranstaltungstagen lassen weitere Möglichkeiten
der gemeinsamen Teilhabe für Menschen mit und
ohne Behinderung zu.
Neuer barrierefreier Empfang
Mit der Inbetriebnahme des neuen modernen
Empfangsgebäudes am 1. Juli 2014 bietet sich den
Gästen der barrierefreie Zugang zum Museum.
Von den Parkplätzen für Menschen mit Behinderung führt ein neuer barrierefreier Weg zum Museumseingang. Auf Anfrage können zudem Hilfen
zur Verfügung gestellt werden. Mit der Eröffnung
des Hauses Bühler aus Gäufelden-Öschelbronn im
Frühjahr 2015 ergeben sich weitere Möglichkeiten
im Hinblick auf Barrierefreiheit: Im Gebäude stehen Vortrags-, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume zur Verfügung, die ohne bauliche Barrieren
und mit einem Aufzug zugänglich sind. Von diesen
Verbesserungen werden zukünftig nicht nur mobilitätseingeschränkte Gäste profitieren.
Öffnungszeiten
Ende März bis Anfang November
Dienstag bis Sonntag 09:00–18:00 Uhr
(an Feiertagen auch montags geöffnet)
E-Mail info@freilichtmuseum-beuren.de
Homepage www.freilichtmuseum-beuren.de
11
Barrieren überwinden
Angebote für Menschen mit Behinderung im Freilichtmuseum Beuren
Herausforderung als ständige Aufgabe
Barrierefreiheit und Freilichtmuseum – das scheint
sich auf den ersten Blick zu widersprechen. Barrieren bestehen jedoch in erster Linie in den Köpfen
von Menschen. Sie ein Stück weit abzubauen,
Offenheit und Bereitschaft zu fordern und zu fördern, um gegenseitiges Begegnen und Bereichern
zu ermöglichen, ein Ort für Wissensvermittlung,
Erlebnis und Erholung zu sein, ist Anspruch und
Aufgabe des Freilichtmuseums des Landkreises
Esslingen. Die absolute Barrierefreiheit in allen
Bereichen wird es aufgrund des historischen
Gebäudebestandes, der Geländegegebenheiten
und unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen
nie geben können. Ziel des Museumsteams ist es
jedoch, immer wieder Angebote und
Möglichkeiten im
Freilichtmuseum zu
schaffen, um bestehende Barrieren abund Barrierefreiheit
auszubauen oder
Alternativen anzubieten. Hierfür erhoffen sich die Verantwortlichen auch weiterhin
Hilfe, Anregungen und Hinweise der Besucherinnen und Besucher, der Einrichtungen und Sachkundigen, um den begonnenen Weg der Inklusion
weiter voranzugehen.
Beitrag: Martin Beer
Freizeit und Behinderung
Der Inklusion auf der Spur
So titelte eine Veranstaltungsreihe des Kreisjugendrings Esslingen e.V., die dieses Jahr um den Europäischen Protesttag der Menschen mit Behinderung stattfand, der alljährlich am 5. Mai begangen
wird. Und tatsächlich: der Inklusion auf der Spur
ist der KJR seit Juni 2012.
An zunächst vier, dann sechs Standorten im Landkreis, sind seither Teams in unterschiedlicher Zusammensetzung und auf unterschiedlichen
Wegen dabei, sich selbst, ihre Einrichtung und
ihre Angebote so umzugestalten, dass sie auch
für Menschen mit Behinderung geeignet sind und
dass sie Menschen mit und ohne Behinderung
Begegnungsmöglichkeiten schaffen.
Es ist ein dickes Brett, das alle Beteiligten gemeinsam bohren. Nur wer sich auf den Weg macht,
stellt fest, wie vielseitig das Thema „Inklusion“ ist
und wie unterschiedlich auch die Blickwinkel sind,
je nachdem, aus welchem man es betrachtet. Es
gibt natürlich die Perspektiven der Menschen mit
unterschiedlichen Behinderungen und ihren Eltern,
der Fachkräfte aus der Behindertenhilfe und nicht
zuletzt der Haupt- und Ehrenamtlichen und der
bisherigen Besucherinnen und Besuchern aus den
Einrichtungen, deren Bedarfe und Wünsche sich
unter Umständen gegenseitig widersprechen.
12
Auch die Themen, um die es geht, sind zunächst
ganz normal: Wie verbringe ich meine Freizeit? Wo
kann ich andere Jugendliche treffen? Wie sieht
mein weiterer Lebensweg nach der Schule aus?
Aber die Antworten auf diese Fragen sind manchmal gar nicht so einfach, wenn man sie Menschen
mit Behinderung stellt. Denn dann geht es nicht
nur um die eigenen Interessen oder ob man sich
ein Angebot finanziell leisten kann. Es geht auch
darum, ob der Ort an den ich gehen will, für mich
erreichbar ist und wenn ich dort bin, ob ich mich
dann auch im Gebäude oder Gelände so bewegen
kann, wie ich will und kann. Wichtig ist, ob es jemand vor Ort gibt, der weiß, dass ich besondere
Unterstützung brauche und auch wie dies geht.
Vor allem aber geht es darum, dass ich weiß, dass
ich dort wo ich hin will auch willkommen bin und
die Menschen dort auf die besonderen Bedürfnisse, die ich habe, eingehen. Und dass sie, wenn
sie noch nicht wissen wie es geht, bereit sind
das zu lernen und keine Angst davor haben, einen
Fehler zu machen und deshalb lieber nichts tun.
Genau das ist es, was im Augenblick in den
Modelleinrichtungen des Kreisjugendrings
geschieht: Die Verantwortlichen lernen Stück
Sichtweisen 15/2014
Freizeit und Behinderung
Veranstaltungen der Städte nach dem Alphabet
Zehntscheuer Deizisau
Im Kelterhof 7, 73779 Deizisau
Heike Banzhaf-Frasch
07153/ 701370
info@zehntscheuer-deizisau.de
Kinder- und Jugendbeauftragte
für Lenningen, Owen und Erkenbrechtsweiler
Tobelstraße 5, 73252 Lenningen
Heike Deigendesch, 07026/ 9101176
heike@oja-lenningen.de
Jugendhaus Esslingen-Metingen
Altenbergweg 15, 73733 Esslingen
Danielle Gehr
0711/322560
jh_mettingen@gmx.de
Zentrum Zinsholz
Kirchheimer Str. 123 73760 Ostfildern
Sabine Säger
0711/90037494
sabine-saeger@kiju-ostfildern.de
Mehrgenerationhaus Linde Kirchheim
Alleenstraße 90, 73230 Kirchheim
Daniela Egner
07021/44411
d.egner@linde-kirchheim.de
Ganztagesschule Reichenbach
Schulstraße 29, Reichenbach an der Fils
Elke Stockburger
07153/984475
ganztagesschule@reichenbach.de
für Stück, an was sie alles denken müssen, wenn
ihre Angebote und Räume von Menschen mit Behinderung genutzt werden. Sie versuchen zu erfahren, wie sie mit Menschen mit Behinderung in
Kontakt kommen können, um mit ihnen gemeinsam neue Wege zu gehen. Fragen, die überall
auftauchen sind dann: Wo sind die (jungen) Menschen mit Behinderung? Welche Behinderung
haben sie? Was müssen wir bei welcher Behinderung beachten? Was würden junge Menschen mit
Behinderung gerne machen? Was für Themen bewegen sie und wo können wir etwas für sie bieten? Was halten unsere bisherigen Besucherinnen
und Besucher von der Idee, mehr Menschen mit
Behinderung bei uns dabei zu haben? Wie können
wir die Barrieren in unserer Einrichtung überwinden? Was kostet das alles? Wie schaffen wir das
alles neben unserer sonstigen Arbeit? Was müssen wir alles lernen, dass wir gut mit Menschen
mit Behinderung in Kontakt treten können? Auf
solche und viele weitere Fragen müssen Antworten gefunden und Lösungen für auftauchende
Probleme gefunden werden.
inklusiver Sportangebote und mehrere inklusive
Karaoke-Partys statt, in Lenningen gab es Blindenfußball und Rollstuhl-Rugby, in Deizisau organisieren Ehrenamtliche regelmäßig einen „Eins für
alle“-Tag und ein verschiedene Sensibilisierungsaktionen, in Kirchheim einen „Tag der Vielfalt“ und
regelmäßige inklusive Begegnungsangebote im
Mehrgenerationenhaus Linde, in Mettingen wird
Assistenz für junge Menschen mit Behinderung
organisiert, in Reichenbach und anderswo wurden
Haupt- und Ehrenamtliche geschult.
Und dies geschieht am besten im Tun und in der
Begegnung! Deshalb probieren wir Dinge aus.
Hier einige Beispiele: So fanden in Ostfildern auf
dem Trendsportfeld ein Aktionstag mit Angeboten
Die Einrichtungen der Inklusionsoffensive aber
auch andere Einrichtungen des Kreisjugendrings
Esslingen sind der Inklusion auf der Spur!
Beitrag: Frank Baumeister
Sichtweisen 15/2014
Wir haben schon einiges gelernt, manches ausprobiert und freuen uns über das, was wir schon
erreicht haben. Vor allem aber freuen wir uns,
wenn sich Menschen mit Behinderung oder ihre
Eltern bei uns oder in den Einrichtungen des Kreisjugendrings melden, wenn sie Lust auf unsere Angebote oder eigene Ideen haben, was getan werden könnte. Dann werden wir uns darum bemühen, Dinge möglich zu machen, die bisher noch
nicht möglich waren, oder an die wir bisher einfach noch nicht gedacht haben.
13
Freizeit und Behinderung
Mit dem Club in die Ferien
Jeden ersten Samstag im Monat gibt es eine
Unternehmung mit unterschiedlichem Schwerpunkt und Motto wie beispielsweise „Zaubern
eines fünfgängigen italienischen Menüs“, „Singen
und Musizieren“, „Sportliche Bewegungsspiele“
oder „Die spannende Arbeit am Filmset“. Zudem
ist stets ein biblisches Thema Bestandteil jedes
Club-Nachmittages. Beim gemeinsamen Theaterspielen oder durch Erzählungen wird eine biblische Geschichte erlebbar.
Zudem gibt es
einen eintägigen
Ausflug für die
gesamte FreizeitGruppe mit einem
großen Bus.
Ziel kann beispielsweise eine
Stadtführung mit
Schaufensterbummel oder auch
die Besichtigung
eines Museums
oder einer Burg
sein.
Ein Höhepunkt des Club-Jahres ist die Sommerfreizeit, die jedes zweite Jahr durchgeführt wird.
25 „Clubser“ und Betreuer verbringen 10 Tage in
einem Freizeitheim der näheren Umgebung. Die
Club-Mitarbeiter wählen bewusst Unterkünfte in
der Region, um die Kosten der Freizeit niedrig und
gut kalkulierbar zu halten.
Wichtiger Bestandteil der Club-Freizeit ist stets
Musik in allen Varianten: Vom gemeinsamen
Singen mit – zum Teil sogar selbstgebastelten –
Instrumenten über einen Karaokeabend, bei dem
die Clubmitglieder ihre Lieblingslieder mit großem
Elan vortragen, bis hin zur Disco mit Musik und
Tanz.
Das von den ehrenamtlichen Betreuern vorbereitete und durchgeführte Freizeitprogramm ist sehr
vielseitig: Es wird gemeinsam gespielt, gebastelt,
gelacht und gekocht - und natürlich bleibt auch Zeit
zum sich erholen und genießen. Mit dem kleinen
Bus, der stets vor Ort ist, werden in Kleingruppen
Ausflüge durchgeführt. Den Vorlieben der Ausflugsgruppe entsprechend enden diese eher gemütlich mit Kaffee und Kuchen oder aber auch
sportlich mit Minigolf oder anderen Aktivitäten.
Viele weitere kleine und große Rituale prägen
die Freizeit: Dazu gehört ein Filmabend, VerwöhnMomente, sportliche Wettbewerbe und natürlich
der traditionelle Abschluss der Freizeit mit einem
„bunten Abend“.
Der Club ist eine Gruppe des Christlichen
Vereins Junger Menschen (CVJM) Denkendorf,
in der Menschen mit und ohne Handicap
gemeinsam ihre Freizeit gestalten.
Für die anderen
Teilnehmer werden während dieser Zeit im Haus
Hobbygruppen
mit unterschiedlichen Maltechniken oder Bastelarbeiten wie zum
Beispiel Kaleidoskope oder Steinmännchen angeboten.
14
Nach diesen zehn intensiven gemeinsamen Tagen
mit all den schönen Erlebnissen und Begegnungen fällt es den Teilnehmern ebenso schwer wie
den Betreuern, Abschied zu nehmen ... doch
gleichzeitig steigt die Vorfreude - denn am nächsten Club-Nachmittag sieht man
sich wieder und
in zwei Jahren
steht ja schon
die nächste ClubFreizeit an.
Beitrag und
Ansprechpartner
Jürgen Kurz
club@cvjmdenkendorf.de
Sichtweisen 15/2014
FROG
Freizeit ohne Grenzen für Menschen mit Behinderung e.V.
Freizeit – ein Zauberwort, das sofort
die Gesichter erstrahlen lässt, wenn es
ausgesprochen wird.
Dieses Strahlen sehen wir jedes Jahr aufs Neue,
wenn wir bei unserer Jahresabschlussfeier bekanntgeben, wann und wohin die Reise im nächsten Jahr geht. So auch im Dezember 2013, als
wir berichteten, dass die Freizeit 2014 auf dem
Reiterhof stattfinden wird. Der Jubel war groß.
Es sollte unsere 5. Reiter-Freizeit auf dem Härtsfeldhof bei Bopfingen werden.
Bald lagen die Anmeldungen von insgesamt 42
Personen vor, davon 8 Betreuer. Am 23.05.2014
brachte uns ein Reisebus ans Ziel. Die meisten
Teilnehmer kannten den Hof schon von früher
dort verbrachten Freizeiten.
Zur Begrüßung spendierte Frau Bruckmeyer, die
Eigentümerin und Betreiberin des Härtsfeldhofes,
Kaffee und Kuchen für alle. Eine schöne Überraschung, die alle sehr genossen.
So frisch gestärkt, wurden die Koffer in die
Sichtweisen 15/2014
verschiedenen Stockwerke getragen. Die Zimmer
waren schnell bezogen und so konnte sich jeder
noch ein wenig im Stall oder auf dem Gelände
umsehen. Schließlich wollte man sehen, ob das
Lieblingspferd von der letzten Freizeit auch noch
da ist. Neue Pferde mussten begrüßt und gestreichelt werden. Auch auf dem Gelände gab es
Neues zu entdecken und aus zu probieren.
Am nächsten Tag konnten gleich nach dem Frühstück die ersten Reiter aufsitzen. Geduldig wartete jeder, bis er zu „seinem“ Pferd gerufen
wurde. Mit Hilfe einer Leiter und 2 Betreuern
wurde aufgesessen. Auch wenn es dem einen
oder anderen beim ersten Mal ein wenig schwer
fiel, klappte es fast immer beim zweiten Anlauf.
Und dann saßen stolze Reiter im Sattel.
Besonders wenn der Ritt dann aus der Halle
hinaus ins Gelände ging, war die Freude groß.
Aber nicht nur das Reiten machte Spaß, auch
Pferde striegeln, Stall kehren oder das Spritzen
der Hallenböden wurde von unseren Freizeitlern
gerne übernommen. Mit großem Schwungtuch
und Bällen wurde für Bewegung im Freien gesorgt.
15
FROG
Freizeit ohne Grenzen für Menschen mit Behinderung e.V.
haus stehenden Bänken. Während die Grillmeister
an ihrem Feuer mächtig schwitzten, vertilgte die
Gruppe genüsslich Wurst, Fleisch, Salat und Brot.
Auch Getränke fanden reißenden Absatz.
So frisch gestärkt ging es dann wieder zurück zum
Härtsfeldhof. Einige, vom Spielen im Freien müde
geworden, wurden mit dem Shuttlebus zum Hof
zurück befördert.
An den Abenden ging es dann beim Kartenspielen, Malen, Puzzeln und Basteln munter weiter.
Ein tolles Erlebnis war auch die Wanderung zum
Grillplatz, der herrlich am Waldrand liegt. Mit viel
Holz bestückt, wurde der Grill angeheizt. Wurst
und Fleisch dufteten bald und lockten die hungrige
Schar vom nahen Spielplatz oder den ums Grill-
FROG – Freizeit ohne Grenzen
Der Name des Vereins verspricht viel. Ist das
tatsächlich möglich und durchführbar? Gibt es
nicht doch Grenzen und wenn ja, wo sind sie?
Der Verein führte schon sehr viele unterschiedliche Freizeitreisen sowohl im In- als auch im Ausland durch. Die Gruppengröße reichte von 20
Personen bis zu 45 Teilnehmer mit und ohne Behinderung. Reisen erfolgten nach Ungarn, auf
Ibiza, Mallorca, Kreta, Kos und Rhodos, an die
Nord- und Ostsee, ins Weserbergland oder nach
Berchtesgaden.
Von den Zielen der Freizeiten gibt es kaum eine
Grenze. Egal, ob in Jugendherbergen, Ferienanlagen oder Hotels, die Gruppen wurden sehr gut
angenommen. Es ergaben sich auch sehr
schöne Freundschaften zwischen unseren Teilnehmern und anderen Gästen. Viele Male
wurde beim Abschied versichert, dass die Reise-
16
Leider geht so eine Freizeit immer viel zu schnell
vorbei. Am Abend vor der Abreise, als alle Koffer
gepackt waren, trat unser DJ in Aktion! Er heizte
mit flotter Musik ein und so mancher, der vorher
müde war, schwang munter das Tanzbein. Bei der
Polonaise zog eine lange Schlange durch das Reiterstübchen, von dort ins Freie und wieder zurück.
Als es dann am folgenden Morgen nach dem Abziehen der Betten und einem ausgiebigen Frühstück auf die Rückreise ging, waren sich alle einig:
Wir wollen bald wieder eine Freizeit auf dem
Härtsfeldhof erleben.
Beitrag: Monika Keufer
gruppe sehr angenehme Gäste waren, die hoffentlich bald wieder einmal kommen.
Grenzen sind aber trotzdem vorhanden: So ist
es schwierig, Menschen mit schwerer körperlicher oder mehrfacher Einschränkung in längere
Freizeiten mit zu nehmen. Leider fehlt es vor
allem an jungen Betreuern, die in der Lage sind,
z. B. Rollstuhlfahrer gut zu versorgen. Das notwendige Umsetzen vom Bett in den Rollstuhl,
zum Duschen oder auch auf die Toilette, erfordert Kraft und Pflegeerfahrung. Das können die
Betreuer von FROG, die zum Teil schon im Rentenalter sind, nicht leisten und junge Betreuer
sind durch Verpflichtungen in der Ausbildung
oder durch familiäre Bindungen kaum länger abkömmlich. Auch die Zahl der Betreuer lässt eine
1 zu 1-Betreuung, die hier oft nötig ist, nicht zu.
Trotzdem wird regelmäßig jedes Jahr eine Freizeit angeboten. Eine frühzeitige Planung ist erforderlich.
Sichtweisen 15/2014
Freizeit und Behinderung
Eine geglückte Urlaubsreise
Bekannte Künstler wie etwa André Heller konnten
hier ihre Ideen frei verwirklichen. Unsere Betreuerin wies auf den am Eingang groß leuchtenden
Satz hin „ Lebe Deine Träume “ (na ja, dachte ich;
sicher ein guter Gedanke – doch gewiss viel
leichter gesagt als getan …).
Im Juni kam ich in den Genuss einer einwöchigen
Urlaubsfreizeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes
Nürtingen in Tirol. 12 Klienten/innen begleitet von
Mitarbeitern des SpDi Nürtingen waren spürbar
gespannt, was uns erwarten würde.
Samstagvormittag bewegten sich dann unsere
beiden Fahrzeuge – Stau um Stau – dem Ziel entgegen, was unsere Vorfreude noch etwas verlängerte. Am späten Nachmittag erreichten wir unser
Ziel – ein Hotel in der Gemeinde Walchsee (am
gleichnamigen Gewässer).
Etwas große Augen machte ich schon, als ich die
Hotelhalle betrat und mich umsah. Da ich weder
ein geübter Reisender, geschweige denn ein erfahrener Hotelgast bin, staunte ich, wie nobel und
vornehm es hier war – fast feudal.
Dieser erste Eindruck wurde noch verstärkt, als
uns abends ein mehrgängiges Menü aufgetischt
wurde. Etwas irritiert dachte ich, dann lass ich
mich halt mal verwöhnen…
Auch die vielen schönen Wanderwege in den
Bergen Tirols wurden von einem Grossteil der
Gruppe ausgiebig genutzt, während ich mich,
mangels Kondition, lieber im hoteleigenen
Schwimmbad versuchte oder in netter Damenbegleitung im Boot den See erkundete.
Besonders gern in Erinnerung werden mir die
oft langen geselligen Abende im Hotel bleiben,
in denen es ausgiebig Raum für Small-Talk,
aber auch anregende Diskussionen gab.
Sehr schön empfand ich, dass unser Begleiter
und unsere Begleiterin auch hier wie selbstverständlich dabei waren und wesentlich dazu beitrugen, dass Spaß und Humor nicht zu kurz kamen.
Unser Urlaub bot überhaupt die Möglichkeit, sich
im Kleinen wie im Großen auszutauschen, sich
besser kennenzulernen, Gemeinsamkeiten zu
entdecken oder einfach Freude und Frohsinn zu
teilen. Für mich als eingefleischter Single war es
aufregend, schön, manchmal aber auch ein wenig
anstrengend, fast den ganzen Tag soviel Gesellschaft um einen herum haben zu können.
An den folgenden Tagen genoss ich das Wechselspiel von Relaxen und unserem attraktiven Programm. Starke Eindrücke hinterließen bei mir
zwei Ausstellungen, die wir gemeinsam besuchten. Bei einer Inkaausstellung im bayrischen Rosenheim konnte ich mein Wissen über die Kulturen auffrischen und ergänzen. Ein Museum ganz
anderer Art waren dann die Kristallwelten nahe
Innsbruck. Ein ganzes Dutzend ganz unterschiedlich gestalteter Räume sprachen wirklich alle
Sinne an und bot der Phantasie viele Möglichkeiten, sich auszubreiten.
Sichtweisen 15/2014
17
Freizeit und Behinderung
Eine geglückte Urlaubsreise
Ich finde derartige Urlaubs- bzw. Freizeitangebote
mit Leuten ähnlichen Handicaps und oft ähnlicher
Biographie eine äußerst sinnvolle und hilfreiche Ergänzung zu herkömmlichen Therapieangeboten
(wie etwa dem Einzelgespräch).
Wichtig war für mich auch, dass in diesem Jahr
der SpDi Nürtingen einen erheblichen Anteil der
Reise- und Hotelkosten übernommen hat. Möglich
wurde dies durch Gelder aus der Verwaltungs- und
Spendenaktion „Licht der Hoffnung“ der Nürtinger
Zeitung. Dem SpDi (und natürlich allen Spendern
und Künstlern) möchte ich auch hier nochmals
gerne „ Danke “ sagen.
Schön fände ich es, wenn es für derartige Angebote öfters finanzielle Hilfen geben könnte, sonst
blieben bei solchen Freizeiten ein Großteil der
Klienten von vorneherein außen vor.
Ein ganz spezielles, unvergessliches Highlight war
für mich, als wir alle gemeinsam das jetzt schon
legendäre Halbfinalspiel bei der Weltmeisterschaft
Deutschland gegen Brasilien 7:1 anschauten.
Die Stimmung in unserer Gruppe war so einmalig
18
wie dieses Fußballspiel. Sogar die Österreicher
waren total aus dem Häuschen.
Für eine Woche konnte ich manche Sorgen und
Beschwernisse des Alltags hinter mir lassen und
meine Krankheit bzw. Behinderung vergessen.
Das Gefühl, angenommen zu werden, wie man
ist, sich dazugehörig fühlen zu können, war für
mich selten so intensiv erfahrbar wie in diesem
Urlaub.
So bin ich nach einer Woche mit einem prallen
Sack schöner Erinnerungen heimgefahren und
nehme immer wieder ein kleines „ Glückspäckchen “ heraus. Auch zu Hause achte ich jetzt
mehr, immer wieder was Schönes und Angenehmes einzusammeln.
Diese gesammelten Glücksmomente geben mir
Kraft und Sicherheit – und das Vertrauen in mein
Gegenüber. Und vergessen Sie nicht, immer
wieder einen Glücksmoment einzufangen.
Reisebericht von Willi-Gerhard List
Sichtweisen 15/2014
Freizeit und Behinderung
Meine jährliche Freizeit in Ellwangen
Dieses Jahr war ich schon das 16. Mal in Ellwangen. Da treffe ich viele Bekannte, aber leider sind
schon einige verstorben.
der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd
mit da und hat gesungen und uns seine schicke
Garderobe für die Gartenschau vorgeführt.
Wir sind immer so um die 90 Personen. Die Helfer
kommen aus den Nachbarorten.
Wenn schönes Wetter ist, machen wir gerne einen
Ausflug nach Rattstadt. Aus Rattstadt ist uns der
Musikverein sehr zugetan und wir werden mit
Musik, Landleberwurst oder Leberkäse verwöhnt.
Weil es eine katholische Freizeit ist, nehmen wir
täglich am Gottesdienst teil. Unter anderem findet
in der Kirche nebenan eine Krankensalbung statt.
Immer am Sonntagabend kommt der Gesangsverein aus Stödtlen. Er singt dann in der Kirche
für uns.
Ein Grillabend ist auch immer dabei. Dieses Mal
hat das Wetter mitgemacht und ich habe mir erlaubt, bis 23:45 Uhr dabei zu sein. Es ist immer
Musik dabei und gute Unterhaltung.
Danach gehen wir in das Gemeinschaftshaus
St. Anton, dahin kommt ein Freund von Schwäbisch Gmünd, er bringt immer eine bekannte
Persönlichkeit mit. Es gibt dabei meist lustige
Aktivitäten: So hat diesmal der Landtagspräsident
Xylophon für uns vorgespielt. Vor 2 Jahren war
Mit den Helferinnen komme ich sehr gut klar.
Ich habe eine Helferin für mich alleine, eine für
morgens und eine für nachmittags. Jedes Jahr
ist wirklich schön. Es sind 8 schöne Tage.
Ich freue mich schon wieder auf’ s nächste Jahr.
Beitrag: Annerose Klingmann
Schönenbergkirche
12.07.2014-19.07.2014
Ellwangen an der Jagst
Ich war an der Schönenbergkirche mit Haus
Schönenberg. Es hat mir sehr gefallen
Bei der Führung der Wallfahrtskirche hat der
Mönch uns das Wandelbild von Maria gezeigt.
An Weihnachten wird das Bild gedreht. Man
sieht Maria mit geborenem Kind, Esel, Rind
und Schafe.
An Himmelfahrt wird wieder gedreht und
man sieht Jesus gegen den Himmel steigen.
Heute am 15.07. wird gezeigt:
Maria mit Jesus und sein Wirken.
Plötzlich hat der Mönch gefragt,
ob jemand Florian heißt. Ja!
Leider gab’s damals den Heiligen Florian nicht,
denn der verheerende Brand im Jahre 1681
hat gewütet.
Sichtweisen 15/2014
Bis auf die Grundmauern wurde die Schönbergkirche niedergebrannt.
Endlich 1711 war die Kirche wieder aufgebaut
worden. Und noch schöner, wie vorher.
Am liebsten war mir der Glockenklang
der Wallfahrtskirche, hat mich sehr an
daheim erinnert.
Ich wollte gar nicht mehr weg von Ellwangen,
aber am 19.07. hieß es Abschied nehmen von
der Schönbergkirche. Beitrag: Daniela Goth
19
Ferien am Kirchheimer Albtrauf
all inclusive
nen kreativen Workshops mit Bastel- und Spielangeboten wählen und viel Neues ausprobieren.
Auch im Ferienprogramm vom Verein Brückenhaus wurde eine Kinderspielstadt eröffnet. Jeder
Tag startete mit einem Termin im Arbeitsamt der
Stadt „Kripropoli“, wo sich die Kinder einen Beruf
aussuchten. Ob Schreinerarbeiten in der Holzwerkstatt, das Mixen von Snacks und Getränken
in der Snackbar, eine Aufgabe als Journalist oder
das Anlegen von Beeten in der Gärtnerei – für
jeden war etwas dabei.
Kirchheim und sein Umland sind schön – Kinder
und Jugendliche können hier einen echten Traumurlaub erleben. Nicht nur die Landschaft mit ihren
Felsen und Hügeln des Albvorlands lädt zum Entdecken ein – auch unser historisches Städtle mit
seinen Fachwerkhäusern hat besonderes Flair.
Und weil Kirchheim ein lebendiges Vereinsleben
hat, ist auch immer irgendwo etwas los. Wer sich
am liebsten zusammen mit anderen Kindern ins
Abenteuer stürzt, kann sich ein passendes Angebot aussuchen, denn zum Glück gibt es in Kirchheim die Ferienprogramme verschiedener Träger.
Inklusion wird hier groß geschrieben. Von seiner
Behinderung muss sich kein Kind (be-)hindern lassen. Dafür sorgen die engagierten Mitarbeiter des
Familienentlastenden Dienstes der Lebenshilfe.
Sie begleiten das ihnen anvertraute Kind durch
den Tag und geben ihm genau die Unterstützung,
die es braucht.
Unser Sommerferien-Klassiker Ferienwaldheim
der Evangelischen Kirche war natürlich wieder
ein Highlight für junge und erlebnishungrige Leute.
Die Kirche hätte nur ungern auf die Teilnehmer und
Mitarbeiter der Lebenshilfe verzichtet. Seit über
30 Jahren gehören wir schon mit in die große,
bunte Gemeinschaft, die viel erlebt: Spiele, Sport,
Basteln, Grillen, ein Besuch bei der Feuerwehr
und jeden Tag Lieder und biblische Erzählungen.
Natur mit allen Sinnen erfahren konnten Kinder
beim Ferienprogramm vom Waldkindi Kirchheim:
klettern, fühlen, riechen, tasten, basteln oder
bauen und beim Picknick unter den Bäumen einen
krabbelnden Käfer beobachten.
Und alle, die tatsächlich raus aus Kirchheim wollten, fuhren jeden Tag ein bisschen Richtung Osten.
In idyllischer Lage am Waldrand findet man dort
die anthroposophische Jugendfarm Eckwälden.
In den Pfingstferien wurden Kinder im Mehrgenerationenhaus LINDE zu Bürgern der Kinderspielstadt. Dort hatten sie einen richtigen Beruf wie z.B.
Bäcker, Verkäufer oder Postangestellter. Und in den
Herbstferien konnten die Kinder unter verschiede-
20
Sichtweisen 15/2014
Ponys hat es hier, Katzen, Hasen und Hühner –
und das Beste daran: alle sechs Wochen in den
Sommerferien sind vollgepackt mit Entdeckungsreisen, faszinierenden Geschichten, Spielen, Musik
und Bastelideen.
Jeder weiß, wie heiß begehrt die Ferienprogramme in Kirchheim sind, meistens sind sie viel
zu schnell ausgebucht. Kinder mit Behinderung
müssen aber keine Sorge haben. Die Lebenshilfe
hat mit den Trägern „Kontingentplätze“ vereinbart,
die bis zum jeweiligen Anmeldeschluss für Kinder
mit Behinderung freigehalten werden. An dieser
Stelle möchten wir allen Kooperationspartnern
für die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit
der Lebenshilfe danken. Es freut uns sehr, dass
Kinder mit Behinderung bei ihren Ferienprogrammen ausdrücklich willkommen sind!
Kennen Sie eine Ferienfreizeit, an der Ihr Kind
oder Jugendlicher im nächsten Jahr gern teilnehmen möchte? Gern bieten wir unsere Unterstützung an, z.B. beim Kontakt mit dem Veranstalter
der Freizeit, bei der Suche nach einer Begleitperson oder bei Fragen zur Finanzierung.
Beitrag: Annette Weißenstein
Leitung Offene Hilfen, Telefon: 07021 97066–12
a.weissenstein@lebenshilfekirchheim.de
Inklusive Kanutour in der Tarnschlucht
Jugendliche der evangelisch-methodistischen
Kirche in Kirchheim paddelten in den Sommerferien eine Woche lang durch die wildromantische Tarnschlucht in Südfrankreich. Mit im
Boot ein 13-jähriges Mädchen, das vom
Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe
Kirchheim unterstützt wird.
Am 24. August ging es früh morgens um
4:44 Uhr in Kirchheim los. In zwei Kleinbussen
fuhren wir Richtung Süden. Schon unterwegs
war die Stimmung gut und wurde noch deutlich
besser, als wir nachmittags am Campingplatz
ankamen. Nach einer kurzen Einweisung bauten
wir unsere Zelte auf und kochten uns gute
schwäbische Maultaschen. Den Abend verbrachten wir mit Volleyball, Slackline und Singen.
Am nächsten Morgen standen wir früh auf und
genossen erst mal das frische französische Baguette. Wir bauten unsere Zelte ab, dann ging
es schon aufs Wasser. Zuerst wurde uns gezeigt, wie man am besten rudert und Hindernissen ausweicht. Das klappte sehr gut und so
starteten wir voller Begeisterung. Es machte
großen Spaß durch die fantastische Tarnschlucht
zu paddeln und uns im Wasser zu erfrischen!
Als wir am Abend auf dem Campingplatz
ankamen, freuten wir uns alle auf eine heiße
Dusche. Den zweiten Abend erlebten wir mit
Singen und einer tollen Andacht.
Sichtweisen 15/2014
Voller Motivation starteten wir in unseren zweiten Tag auf dem Wasser. Nach wenigen Minuten
kam eine ca. 10 Meter hohe Felswand in Sicht,
ein schmaler Pfad führte hinauf. Alle, die sich
trauten, kletterten hinauf und sprangen aus dieser Höhe ins Wasser!
Am Pausentag hatten wir viel Zeit zum Schwimmen und für andere Aktivitäten. Abends erlebten
wir tolle gemeinsame Stunden mit guten Gesprächen. Die folgenden Tage waren für alle ein
schönes Erlebnis voller Spaß.
Am Freitagabend war leider schon ein bisschen
Aufbruchsstimmung. Wir feierten zusammen
Abendmahl und gingen abends sehr spät ins
„Bett“. Der nächste Morgen begann mit Aufräumen und Zusammenpacken und dann begann
auch schon die lange Heimreise. Es war wirklich
eine richtig coole Zeit für alle, in der wir viele
tolle Erfahrungen gemacht haben. Leider ging
die Freizeit viel zu schnell vorüber. Sie wird uns
allen in super Erinnerung bleiben.
David und Simon Mauch
(Teilnehmer der Kanufreizeit)
21
Freizeitangebote und Familienentlastung
in der Lebenshilfe Esslingen
Erika Synovzik, Sozialarbeiterin in der
Lebenshilfe Esslingen, gibt Auskunft:
Früher sah es mit ambulanten Diensten für
Menschen mit Behinderungen nicht sehr gut
aus. Erst nach und nach hat das Land Baden
Württemberg und der Landkreis Esslingen dafür
finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Seither
sind die Angebote zum Glück stetig gewachsen.
Es geht dabei um das Schlagwort Familienentlastende Dienste, wir sagen auch offene Hilfen.
Dazu gehört die Beratung und Unterstützung von
Menschen mit verschiedensten Behinderungen.
Wir vermitteln Helfer für die Einzelbetreuung und
wir haben vielfältige Gruppenangebote (Freizeit,
Sport, Bildung). Diese Gruppen finden regelmäßig statt. Daneben gibt es Freizeiten und
Ferienprogramme.
Die Nachfrage nach diesen Angeboten ist sehr
groß. Für die Aktivitäten steht uns das Erdgeschoss in der Flandernstraße 49 in Esslingen zur
Verfügung, das auch ein Wohnheim beherbergt.
Unsere Angebote richten sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Wir gehen auch nach
draußen, so dass Kontakte zu anderen entstehen
können. Neben den regelmäßigen Gruppen
bieten wir auch Ausflüge und machen kurze
Freizeiten mit Übernachtungen. Wir dürfen laut
Landesrichtlinien in diesem Programm leider nur
höchstens drei Übernachtungen planen. Oft wird
22
von Angehörigen an uns herangetragen, längere
Freizeiten anzubieten. Vielleicht findet man dafür
eine finanzielle Lösung, wenigstens hat der
scheidende Sozialdezernent des Landkreises,
Dieter Krug, Hoffnungen geweckt.
Wir haben etwa 30 Gruppen, die sich wöchentlich Treffen. Dann gibt es den die Kindersamstagsbetreuung einmal im Monat und schließlich
die Ferienprogramme für Kindergartenkinder
und für Schulkinder, die zwei Wochen dauern.
Außerdem gibt es acht Kinderwochenenden
im Jahr und eine Familienfreizeit.
Dazu kommen drei Wochenenden für Erwachsene, wobei man meist Esslingen verlässt
und neue Ziele kennen lernt. Ein sehr großer
Schwerpunkt ist für uns seit einiger Zeit die Kooperation mit Freizeitanbietern aus der Jugendhilfe. Wir vermitteln Assistenten, die es behinderten Kindern und Jugendlichen ermöglichen
z.B. auch bei Angeboten vom Stadtjugendring
oder bei kirchlichen Freizeiten mitzumachen.
Getragen wird die Arbeit von festangestellten
Fachkräften und vielen Mitarbeitern mit Aufwandsentschädigung in Honorartätigkeiten.
Das war jetzt ein kurzer Überblick zur schnellen Orientierung. Man kann jederzeit bei uns
anrufen. Natürlich gibt es auch schriftliche
Informationen. Telefon: 0711/93788813.
Sichtweisen 15/2014
Freizeitangebote für psychisch kranke Menschen
Kontaktgruppe Kirchheim
Unsere „Kontaktgruppe“ ist ein Angebot für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Diese
Gruppe war die erste im Landkreis Esslingen in
dieser Form und wurde schon 1973 gegründet.
Ziel ist es, wie der Name schon sagt, Menschen
miteinander in Kontakt zu bringen, die sonst
wenig Alternativen haben, sie aus der Isolation
zu holen, die leider immer noch oft mit dieser Art
Erkrankung einhergeht. Wir wollen miteinander
einen Teil der Freizeit verbringen, soziale Kompetenzen erlernen, mal etwas anderes hören oder
erleben, Dinge unternehmen und Spaß miteinander haben.
Ziel unserer Gruppe ist es auch, eine Stätte der
Begegnung zu bieten, zu der Menschen wie sie
sind, mit ihren Unsicherheiten, Ängsten, Sehnsüchten, Belastungen, Freuden, Ärger, Wut….
ohne Maske kommen können.
An unserer Gruppe, die wöchentlich stattfindet,
nehmen etwa 20 Menschen teil. Sie werden von
drei ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und einer
hauptamtlichen Mitarbeiterin im Rahmen des
Sozialpsychiatrischen Dienstes Kirchheim betreut.
Unsere Konzeption besteht im Wesentlichen aus
4 Modulen:
1. Persönliche Entwicklung des einzelnen
und gemeinsamen Lernens in der Gruppe
2. Teilhabe an gesellschaftlichen, politischen und
kirchlichen Themen
das Zuhören und aufeinander eingehen geübt.
Dadurch erfährt man viel voneinander, in der
Gewissheit, dass es nicht weitergetragen wird.
Bei gemeinsamen Aktivitäten wird gelernt,
sich gegenseitig zu respektieren, Rücksicht
zu nehmen, aber auch den eigenen Standpunkt
zu vertreten.
Eine unserer Übungen ist es, die gemeinsamen,
auch ungeliebten Aufgaben, wie z.B. den Küchendienst, fair zu verteilen.
Jeder ist wichtig! Es wird nachgefragt, wenn jemand nicht kommt, im Krankheitsfall kümmern
wir uns umeinander. Zu besonderen Anlässen
wie z.B. Geburtstagen bekommt jeder ein „Kärtle“.
Sich selber wichtig nehmen, seine Begabungen
erkennen und sich auch trauen diese einzusetzen,
Lob und Anerkennung annehmen können, ist für
viele Teilnehmer nicht selbstverständlich. Auch
dafür bietet die Gruppe viel Raum und es ist
schön mitzuerleben, wie langjährige Teilnehmer
dies umsetzen und die „Neuen“ in dieser Hinsicht
unterstützen und fördern.
2. Modul:
Teilhabe an gesellschaftlichen,
politischen und kirchlichen Themen
Über unseren Tellerrand hinausschauen, wahrnehmen und kennen lernen, was um uns herum
passiert, ist das zweite Standbein der Gruppe.
3. Spiel, Spaß, Bewegung
4. Ausflüge und Freizeiten
1. Modul:
Persönliche Entwicklung des einzelnen
und gemeinsamen Lernens in der Gruppe
Ein wichtiger Punkt zu Beginn des Gruppenabends ist das sogenannte „Blitzlicht“. Jeder hat die
Gelegenheit, kurz zu sagen was gerade ansteht,
belastet oder erfreut. Andererseits wird auch
Sichtweisen 15/2014
23
Freizeitangebote für psychisch kranke Menschen
Kontaktgruppe Kirchheim
Wir laden oft Referenten zu verschieden Themen
ein, die uns interessieren:
Unser Highlight ist immer wieder unsere Wochenendfreizeit.
Von der Ernährungsberatung, über medizinische,
geschichtliche, soziale Themen, Reiseberichte und
Vorstellungen christlicher Hilfswerke in Afrika und
Asien. Die letzten 8 Jahre hatten wir ein Patenkind
auf den Philippinen. Ab August 2014 werden wir
ein Kinderheim im Tschad mit einem monatlichen
Beitrag unterstützen.
Das ist natürlich alles mit Kosten verbunden, die
für viele Teilnehmer nicht immer tragbar sind, deshalb sind wir über die verschiedenen Zuschüsse
sehr dankbar.
Besonderes Interesse haben wir am politischen
Geschehen, daher laden wir Menschen aus der
Kommunal-, Landes- und Bundespolitik ein, um
mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Der christliche Glaube spielt in unserer Gruppe
eine große Rolle, wir haben gute Kontakte zu
unseren Pfarrern im Kirchenbezirk, die häufig bei
uns zu Gast sind.
Andererseits, sind in unserer Gruppe selbstverständlich Menschen mit anderen Religionen willkommen. Wir freuen uns über vielfältige Kontakte
und Begegnungen.
3. Modul:
Spaß macht Freude, Freude macht Spaß,
das ist unser Motto.
Wir lachen, singen und spielen oft und gerne.
Die Kreativität kommt nicht zu kurz. Es wird
gekocht und natürlich gerne gegessen, gebastelt,
getanzt und gemalt.
Da Bewegung gesund ist, findet im Sommer vor
der Gruppe ein Walking-Angebot statt. Im Winter
entspannen wir nach Jacobsen.
4. Modul:
Raus aus den eigenen vier Wänden - in der
Gruppe ist es natürlich viel schöner als allein.
Es finden kleinere und größere Ausflüge statt,
jedes Jahr ein Theaterbesuch oder eine andere
kulturelle Veranstaltung. Auf unserem Programm
stehen z.B. ein Besuch in der Wilhelma, im Planetarium, beim Landtag und der Landesgartenschau.
24
Zum Schluss möchten wir die Teilnehmer gerne
noch selbst zu Wort kommen lassen, die diesen
Artikel mitgeschrieben haben und die selbst schon
viele Jahre in die Gruppe kommen:
Frau A:
„Durch die Gruppe habe ich mich sehr verändert.
Ich kann zu mir stehen und habe viele Freunde
gefunden. Wir treffen uns auch außerhalb der
Gruppe regelmäßig.“
Frau B:
„Ja, ich habe mich auch so minderwertig gefühlt
und mir nie getraut, etwas zu sagen. Heute muss
man mich manchmal bremsen.“
Herr C:
„Wir haben so viel Vertrauen zueinander, dass es
wie in einer Familie ist. Ich schätze das Programm
sehr, für mich ist hier ein Ort der Sicherheit.
Die Gruppe könnte nicht ohne unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen bestehen, die seit Jahrzehnten treu jede Woche zur Stelle sind.
Sie beschreiben ihre Motivation für ihr Engagement folgendermaßen.
„Wir wollen eine sinnvolle Tätigkeit für und mit
Menschen ausüben, die sonst keine Lobby haben.
Auch wir profitieren und lernen voneinander,
es ist immer ein Geben und Nehmen. Unsere
Motivation ist es, für psychisch kranke Menschen
da zu sein, ihnen zuhören, Vertrauen schenken,
sie anzunehmen, wie sie sind.
Dorothee Ostertag-Sigler
Mitarbeiterin SpDi und Leiterin der Gruppe;
Gerda Claus, EA; Dagmar Schur, EA;
Sibille Brucker, EA
Sichtweisen 15/2014
Freizeitangebote für psychisch kranke Menschen
am Beispiel der Tagesstätte Nürtingen
Vielseitige Freizeitangebote sind, gerade auch
für Menschen mit psychischem Handicap eine
wichtige Ergänzung zu ihrer, leider oft recht eintönigen, Arbeitssituation.
Wie mehrere vergleichbare Einrichtungen im
Landkreis bietet auch unsere Tagesstätte für
psychisch kranke Menschen der Firma ArBeg in
Nürtingen eine Reihe von Freizeitmöglichkeiten
für unsere Klienten.
So habe ich die Aufgabe – und das Vergnügen –
einige solcher Angebote anzuleiten und zu
organisieren.
Es sind bei uns ca. 45 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen
beschäftigt. So verfügen wir über derzeit
20 Plätze im WfB-Bereich (Werkstatt für
Behinderte) und eine etwa gleiche Anzahl
von Klienten, die bei uns eine vom Arzt verordnete arbeitstherapeutische Maßnahme
durchführen. Darüber hinaus haben wir
einige sogenannte Zuverdienstplätze.
Jeder Interessierte kann auch unseren „offenen
Bereich“ nutzen – einfach bei uns reinschauen,
Kaffee oder Tee trinken, Zeitung oder Zeitschriften lesen oder einfach Gesellschaft suchen und
finden.
Ich möchte Ihnen einen kleinen Überblick über
die von mir gestalteten Angebote geben, die
im Übrigen für Jedermann / frau offen sind.
Großen Wert legen wir auf Bewegung, um
einen Ausgleich zu unserer überwiegend sitzenden Tätigkeit zu schaffen.
Wöchentlich machen wir einen Spaziergang
(meist am nahegelegenen Neckarufer in
Nürtingen) im Anschluss an die Arbeitszeit.
Ebenfalls jede Woche gehen wir schwimmen
(ins Nürtinger Hallen- oder Freibad). Zwar
sind wir hierbei oft nur eine recht kleine
Gruppe, dies tut aber unserem Vergnügen
keinen Abbruch.
Sichtweisen 15/2014
Schön zu sehen ist es für mich auch, dass sich
unsere Klienten oft gegenseitig motivieren, andere zum Mitmachen anzuregen.
Gerne und sehr zahlreich werden auch unsere
regelmäßigen Wochenendprogramme genutzt.
Beim monatlichen Samstagsbrunch sind wir
meist um die 15 Leute, darunter auch viele, die
nicht bei uns arbeiten bzw. keine anderen Angebote wahrnehmen. Ergänzend findet auch einmal im Monat sonntags ein Kaffeenachmittag
statt. Hier ist Raum für ein Schwätzchen, für
Austausch oder auch Rat und Aufmunterung,
etwa auch durch unsere Ergotherapeutin, die
mich erfreulicherweise samstags unterstützt.
Bei unserem wöchentlichen Gehirnjogging
heißt das Motto „Wir bringen unsere grauen
Zellen in Schwung und fördern die Erinnerung.“
Aufgabe und Ziel ist es, durch vielseitige Übungen Gedächtnis und Konzentration zu verbessern und auch kreative Impulse zu geben.
Wichtig dabei ist mir, dass kein Leistungsdruck
entsteht, sondern dass das Spielerische und
die Freude am Üben vorherrschen und Platz für
Spaß und Humor darf es auch geben.
Es würde mich freuen, wenn durch meinen
Artikel beim einen oder anderen Leser Neugier und Interesse geweckt worden wäre.
Fragen Sie einfach bei uns nach, oder
schauen Sie bei uns rein. Unsere Räume
in Nürtingen liegen zentral und sind leicht
zu finden:
Tagesstätte der Firma ArBeg,
Steinenbergstraße 10
72622 Nürtingen (im Kauflandgebäude 2.
Stock), Tel. 07022-7389-11 oder 13
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Beitrag: Willi-Gerhard List
25
Freizeitangebote für psychisch kranke Menschen
am Beispiel der Tagesstätte Nürtingen
Dabei freue ich mich über eine stetig wachsende Teilnehmerzahl (ca. 15).
Ein Kollege von mir, er ist für das betreute Wohnen zuständig, bietet darüber hinaus monatlich
ein eigenes Freizeitprogramm an. Dabei stehen
auch Ausflüge (etwa Stadtbummel, Museumsoder Ausstellungsbesuche) oder auch Filme,
Diavorträge und Spiele auf seinem Plan.
und sinnvolle Ergänzung zu Arbeits- und Therapiemaßnahmen. Sie ermöglichen eine andere
Art der Begegnung und des Austausches und
geben auch Anregung zur eigenen Freizeitgestaltung und zur Knüpfung weiterführender
Kontakte. Auch für mich sind sie ein willkommener Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit in der
Tagesstätte und bieten mir die Möglichkeit andere besser kennenzulernen und auch für mich
daraus Gewinn zu ziehen.
Ich finde, derartige Angebote für Menschen mit
vergleichbaren Problemen, sind eine wichtige
Beitrag: Willi-Gerhard List
Freizeitangebote für psychisch kranke Menschen
Psychisch krank und Freizeitgenuss
Das Laufen (Joggen)
Ich laufe mich gesund. Und das eben in meiner
Freizeit. Mit anderen zusammen stärkt es das
Gemeinschaftsgefühl und macht Spaß. Spaß
an der Gesundheit. Allein laufen hat den Vorteil,
dass man sein eigenes Tempo laufen kann.
Laufen und die damit verbundene Fitness liegt
voll im Trend: es gibt viele Programme dafür
von den Krankenkassen. Es gibt viele Bücher
darüber, auch über geeignete Ernährung, es gibt
eine Laufdiät. Man stärkt sein Selbstwertgefühl
auf einer Reise zu sich selbst. Außerdem lässt
sich Sportlerfairness in den Alltag und andere
Lebensbereiche übertragen.
Das Wandern
Auch mit dem Wandern kann man sein Selbstwertgefühl steigern. Man erlebt die schöne
Natur hautnah und im Hotel ist man meistens
nicht allein. Beim Wandern kann man seine
Grenzen erfahren, je nachdem wie groß die Tagesetappen sind. Man kann sein Interesse an
Pflanzen und Tieren schärfen. Man kann die Kultur und Zeitgeschichte der Orte erleben, die auf
dem Weg liegen oder als Ziel festgelegt sind.
26
Das abendliche Vesper am Zielort erlebe ich
immer wieder als Krönung des am Tage erlebten. Es schmeckt einfach besonders gut. Außerdem kann man dabei auch Spezialitäten aus der
Region genießen. Es ist einfach gut, richtig gekleidet zu sein und geeignetes Schuhwerk zu benutzen. Sonst leidet der Spaß am Wandern. Und
wer es sich wert ist, etwas Schönes zu erleben,
dem ist das Geld dafür sicher nicht zu schade.
Denn auch auf einer Mehrtagestour kann man
günstig Urlaub machen. Es macht Sinn, Campinggeschirr mitzunehmen und einen Einflammen – Gaskocher für Dosengerichte. Mit dem
Wandern kann man Land und Leute kennenlernen.
Es gibt Zeitschriften über das Wandern (das
„Wandermagazin“, es ist im gutsortierten Zeitschriftenhandel erhältlich) und es gibt Wandervereine (Die Naturfreunde, den Schwäbischen
Albverein, Deutscher Alpenverein), die auch alle
ihre eigenen Exklusiv – Magazine haben. Die
Deutsche Bahn bietet Vergünstigungen für Gruppenreisen an. Da kann man den Ticketpreis auf
die Teilnehmer umlegen, so wird die Fahrt dann
billiger.
Sichtweisen 15/2014
Als Wanderer (und auch als Radfahrer) ist es
sinnvoll, im Deutschen Jugendherbergswerk
Mitglied zu sein, dies ist Voraussetzung bei
Übernachtungen in Jugendherbergen. Dies kann
man beim Einchecken in jeder Jugendherberge
für ca. 20 Euro werden. Die Nacht mit Frühstück
kostet meistens um 25 Euro. Als Mitglied erhält
man dann alle 8 Wochen das DJH – Magazin
„Extratour“.
Dann will ich ganz besonders das Magazin
Wanderbares Deutschland erwähnen. Es wird
vom Deutschen Wanderverband herausgegeben.
Informationen unter: http://www.wanderbaresdeutschland.de
Es erscheint im April einmal im Jahr und es
stehen viele Wanderziele zur Auswahl drin.
Außerdem gibt es darin auch Beiträge, wie
etwa den, dass Wandern glücklich macht und
gegen Depressionen hilft.
Das Radfahren
Damit verhält es sich in vielem wie beim Wandern. Nur kann man das Radfahren als Leistungssport betreiben oder auch nur um Land
und Leute kennenzulernen. Es gibt einen Verein,
der im Bundestag für die Rechte der Radfahrer
eintritt: den Allgemeinen Deutschen Fahrrad –
Club ADFC. Es gibt Versicherungen gegen Unfall
und Diebstahl Das Radfahren verbessert auch
das Selbstwertgefühl, weil man auf einer Tour
immer etwas erlebt. Und zwar erstrecht dann,
wenn man die Reise als Kranker selbst organsiert, selbst finanziert und vielleicht auch ohne
Hilfe durchführt. Das trifft auch aufs Wandern zu.
Abende und Wochenenden
Ich mag es nicht, mich vor „die Glotze“ zu setzen. Ich treffe mich lieber mit Bekannten und
Freunden, um gemeinsame Erlebnisse zu haben
(schwimmen gehen, radeln, kochen, etwas trinken gehen, tanzen gehen, mich bei jemandem
zuhause bei einem Getränk unterhalten). Ich
gehe regelmäßig in eine Selbsthilfegruppe für
Psychisch Kranke, wir gestalten auch gemein-
Sichtweisen 15/2014
sam freie Zeit. Ich gehe auch regelmäßig, aber
nur einmal im Jahr, zu einem Männerkongress.
Ich war jetzt über die Jahre zwei oder dreimal
dabei. Das findet immer an einem Wochenende
Ende März in Esslingen statt. Dort gibt es sogenannte Workshops, bei denen Männerthemen
behandelt werden: z.B.- das Heldentum in uns
Männern,- der eigene Tod,- Partnerschaft,- wann
und wie wird ein Junge zum Mann, usw… Das
Ambiente und die Ausstrahlung der veranstaltenden Männer hat für mich immer etwas ganz Besonderes. Deshalb gehe ich dort so gerne hin.
Das Kochen und Backen
Dadurch kann man sich so manche Leckerei
selbst herstellen und sich gesund ernähren.
Es macht auch mächtig Spaß, wenn man merkt,
dass man die Dinge richtig gut hinbekommt.
Meine Radtour durch den Schwarzwald
Die Tour schlug ihre Schatten voraus: Ich hatte
sehr viel Angst davor. Zum einen deshalb, weil
mein Fahrrad technisch nicht ganz einwandfrei
war, weil an der hinteren Felge mehrere Speichen fehlten, zum anderen war ich unsicher,
ob sonst alles gut klappt. Ich fuhr aber trotzdem.
Und im Nachhinein weiß ich aus Erfahrung, dass
etwas anderes zu tun, ein Davonlaufen gewesen
wäre. Auf der Tour selbst hatte ich nur einmal ein
Erlebnis mit Angst, aber danach habe ich gelernt,
dass man das tun muss, was man sich vorgenommen hat, dann geht die Angst weg. Hätte
ich Zeit gehabt, um lange nachzudenken oder
hätte ich andere Sachen gemacht, als die Radtour fortzusetzen, dann hätte die Angst überhand
genommen, das wäre der nächste Weg in die
Klinik gewesen. So habe ich die Fahrt fortgesetzt
und durchgeführt, das war heilsam. Als ich
heil zurückkam, hatte ich keine Angst mehr.
Ich konnte die Tour, auch trotz Schmerzen in
der Leistengegend wegen einem Sturz, trotzdem genießen. Ich hatte fast immer schönes
Wetter. Es regnete nur einmal, während einer
Nacht in einer Jugendherberge.
Beitrag: Karsten Lindner
27
Freizeitgruppe / Selbsthilfegruppe
für psychisch kranke Menschen und deren Angehörige / Kirchheim
Wir laden alle Interessierten
und Betroffenen ein, jeden
Donnerstag von 19–21 Uhr
im Mehrgenerationenhauses
Linde, Zentrum für Begegnung, Jugend & Kultur,
Alleenstr. 90, Kirchheim
unter Teck teilzunehmen.
TRIALOG- Veranstaltungen 2015
Jahres-Programm 2015
Januar
8. Januar – Vorleseabend
15. Januar – DVD Film
22. Januar – Gespräche
29. Januar – Tanztherapie
Juli
2. Juli – Stressbewältigung
9. Juli – Gespräche
Mi. 15. Juli – Veranstaltung TRIALOG
16. Juli – Gruppe entfällt
23. Juli – Wanderung/Führung zu wilden Orchideen
30. Juli – Biergarten
Februar
5. Februar – Kino
12. Februar – Gemeinsam Kochen
19. Februar – Gespräche
26. Februar – Malen nach Entspannungsmusik
August
6. August – Gemeinsames Grillen
13. August – AOK Angebot
20. August – Gespräche
27. August – Eisdiele
März
5. März – Gehirnjogging
12. März – Gespräche
19. März – Veranstaltung TRIALOG
26. März – Entspannung nach Jacobsen
September
3. September – Angehörige kommen zu Wort
10. September – Sozialdienstsprechstunde
17. September – Gespräche
24. September – Vortrag Kommunikation
April
2. April – AOK Angebot
9. April – DVD Dokumentarfilm
16. April – Gespräche
23. April – Gymnastik im Sitzen
30. April – Seegrasspinnerei Nürtingen
Oktober
1. Oktober – Ernährungsberatung
8. Oktober – Gespräche
15. Oktober – Veranstaltung TRIALOG
22. Oktober – Seelsorgerisches Gespräch
29. Oktober – DVD Film
Mai
7. Mai – Märchenabend
14. Mai – Feiertag Christi Himmelfahrt
20. Mai – Veranstaltung TRIALOG
21. Mai – Gruppe entfällt
28. Mai – Stadtführung Kirchheim
November
5. November – Thermalbad Beuren
12. November – Essen gehen
19. November – Gespräche
26. November – Kreativabend
Juni
4. Juni – Feiertag Fronleichnam
11. Juni – Gespräche
18. Juni – Minigolf + Biergarten
25. Juni – Tachenhäuser Hof Oberboihingen
28
Do. 19. März – Thema Borderline Störung
Mi. 20. Mai – Thema Bipolare Störung
Mi. 15. Juli – Thema Leben mit Psychopharmaka –
heilsam oder kränkend?
Do. 15. Oktober – Offene Runde – Erfahrungsberichte von Angehörigen + Betroffenen
Dezember
3. Dezember – Weihnachtsfeier 2015
10. Dezember – Weihnachtsmarkt
17. Dezember – Gespräche
24. Dezember – Heiligabend – keine Gruppe
31. Dezember – Silvester – keine Gruppe
Sichtweisen 15/2014
Freizeitaktivitäten und Angebote
für Menschen mit seelischen Erkrankungen in Nürtingen und Umgebung
Wenn Sie Interesse an einer
Teilnahme haben, möchten wir
Sie ermutigen und Sie bitten,
sich vor dem Besuch bei dem
jeweiligen Anbieter zu informieren.
Beispielsweise telefonisch.
Walkinggruppe
Jeden Montag 16.45 Uhr bis ca. 17.45 Uhr.
Sozialpsychiatrischer Dienst Nürtingen
Stuttgarter Str. 2/1, Nürtingen
Tel.: 07022/785880, Anmeldung notwendig.
Spaziergänge
Jeden Dienstag 15.30 Uhr bis ca. 16.30 Uhr
Tagesstätte Nürtingen,Steinbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913
Schwimmen
Jeden Freitag nach Vereinbarung ab 12.30 Uhr
Tagesstätte Nürtingen, Steinenbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913
Teilnehmerbeitrag / Anmeldung notwendig.
Handarbeitsgruppe
(Stricken, Häkeln, Knöpfe annähen...)
Jeden dritten Samstag im Monat
und nach Vereinbarung 9:00 Uhr bis 12.00 Uhr
Sozialpsychiatrischer Dienst Nürtingen
Stuttgarter Str. 2/1, Nürtingen, Tel.: 07022/785880
Holzwerkstatt
Jeden Dienstag von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Tagestreff Nürtingen Paulinenstr. 16, Nürtingen
Tel.: 07022/602580, Anmeldung notwendig
Kunstgruppe
Jeden zweiten Samstag im Monat
10.30 Uhr bis 12.00 Uhr
Sozialpsychiatrischer Dienst Nürtingen
Stuttgarter Str. 2/1, Nürtingen, Tel.: 07022/785880
Anmeldung notwendig
Gehirnjogging
Donnerstags, wöchentlich
von 13.20 Uhr bis ca. 14.20 Uhr
Tagesstätte Nürtingen, Steinbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913, Anmeldung notwendig.
Gottesdienst
Freizeitaktivität Tagesstätte
Jeden dritten Montag im Monat
Tagesstätte Nürtingen
Steinbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913
Tanz- und Bewegungsgruppe
Freitags nach Vereinbarung
Sozialpsychiatrischer Dienst Nürtingen
Stuttgarter Str. 2/1, Nürtingen
Tel.: 07022/785880
Anmeldung notwendig.
Frühstück/Brunch
jeden ersten Samstag im Monat
von 11.00 Uhr bis 12.30 Uhr.
Tagesstätte Nürtingen, Steinbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913
Teilnehmerbeitrag 2,50 Euro, Anmeldung notwendig
Nachmittagskaffee
jeden dritten Sonntag im Monat von 14.00 Uhr bis 15.30 Uhr.
Tagesstätte Nürtingen, Steinbergstr. 10, Nürtingen
Tel.: 07022/738911 u. 738913
Teilnehmerbeitrag 2,- Euro, Anmeldung notwendig
AKL-Treff
Jeden Montag von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr.
AKL-Arbeitskreis Leben
Katholisches Gemeindehaus, Vendelaustr. 30, Nürtingen
Backhäusle
Dienstags 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr
Samariter Stiftung, Wohnstätte Oberensingen
Im Schlossweg 1, Tel.: 07022/505200
Anmeldung notwendig
Spielidee/Gesellschaftsspiele
Regelmäßig stattfindend, Termine bitte erfragen.
Bürgertreff Nürtingen Marktstr. 7, Nürtingen,
Tel.: 07022/75367
Selbsthilfegruppen
(Depression, Arbeitslosigkeit, körperl. Erkrankungen)
Regelmäßig stattfindend, Termine bitte erfragen.
Bürgertreff Nürtingen, Marktstr. 7, , Nürtingen
Tel.: 07022/75367
Jeden Freitag um 18.30 Uhr
Herr Paraplakal, Seelsorger
Kapelle beim psych. Krankenhaus Nürtingen
Stuttgarter Str. 2, Nürtingen
Angehörigengruppen
Gemeinsam statt einsam
Bei weiteren Fragen oder wenn Sie sich unsicher bei der Anmeldung sind, können Sie sich
gerne an den Sozialpsychiatrischen Dienst
Nürtingen wenden! Telefon: 07022/785880
Jeden zweiten Mittwoch im Monat
16.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Bürgertreff Nürtingen, Marktstr. 7, Nürtingen
Tel.: 07022/75367
Sichtweisen 15/2014
Regelmäßig stattfindend, Termine bitte erfragen.
Bürgertreff Nürtingen, Marktstr. 7, , Nürtingen
Tel.: 07022/75367
29
Marktplatz
Filmtipp
Judith Pollmächer ärgert sich manchmal, dass sie
das Down-Syndrom hat. „Dass ich zu langsam
bin und nicht so gut im Rechnen. Ich möchte halt
auch was können, aber ich kann es nicht.“ Das
Mädchen sitzt auf ihrem Bett, ihr kommen die
Tränen. Aber gibt es denn auch Dinge, die sie
besser kann als andere? Judith strahlt. „Bauchtanz zum Beispiel.“
Ein Leben voller Hürden – und Spaß
Drei Münchner mit geistiger Behinderung haben
sich drei Jahre lang gegenseitig gefilmt. Sie zeigen: Auch wenn die Leute gaffen und blöde Bemerkungen machen – sie haben Spaß am Leben.
Mit Video.
Die Münchner Filmemacherin Catherina Conrad
hat einen Film über das Leben mit Behinderung
gedreht.
Behinderte filmen sich selbst – Sie leiden nicht,
sondern führen ein „tolles Leben“
Silvia Mayerhofer ist eine ruhige, überlegte Frau.
Aber wenn es um Fußball geht, dann wird sie leidenschaftlich. Sie verpasst kein Heimspiel des
FC Bayern, und – natürlich – bei der Meisterfeier
war sie dabei. Im Stadion und vor dem Fernseher fiebert sie mit, kommentiert, jubelt. Nur
wenn sie sich danach mit Freunden im Löhe
Haus trifft, dann zieht sie ihr Fan-Trikot wieder
aus. Sie will nicht mit den Fans anderer Mannschaften streiten.
Moritz Lück ist da impulsiver. Er ärgert sich über
den Flaschenautomaten. „Meiomei.“ Dass er
seine CDs nicht mehr findet. „Meiomei.“ Dass
ihm der Bus vor der Nase wegfährt. „Ja Meiomei.“ Was er für ein Mensch sei, fragt das Filmteam ihn. „Friedlich, höflich, nett“, antwortet er
prompt. „Und gutaussehend.“ Und was er
braucht, damit es ihm gutgeht? „Essen.“
Für Catherina Conrad sind das Szenen, die zeigen, dass diese Menschen „ein tolles Leben“
führen: „Leben mit Behinderung bedeutet nicht
Leiden. Und Arbeit mit Behinderten bedeutet
nicht Aufopferung.“
30
Silvia Mayerhofer sitzt auf einem Stuhl und
strahlt. Vor ihr steht ihre Geburtstagstorte,
der Raum ist mit Girlanden und Luftballons
geschmückt und sie packt ihre Geschenke aus.
Viele Freunde sind gekommen, sie singen ihr
ein Ständchen. Silvia feiert ihren 50. Geburtstag.
Eine Szene aus dem Film „Ich komm gut klar –
mit mir!“ Silvia ist behindert, die ganze rechte Körperhälfte spastisch gelähmt. Sie kann nicht richtig
gehen, nicht richtig sprechen. Wenn sie in der
Stadt unterwegs ist, dann gaffen die Leute, gucken mitleidig oder machen blöde Bemerkungen.
„Früher hat mir das wehgetan Aber jetzt macht
es mir nichts mehr aus“, sagt die Frau selbstbewusst, die Arme verschränkt, aber immer lächelnd. Sie sagt, wenn sie etwas nicht versteht
und sie sagt, wenn ihr etwas nicht passt.
„Denen kann ja auch was passieren. Die brauchen nur einen Unfall haben. Ich kann ja nichts
dafür, dass ich behindert bin.“
Silvia Mayerhofer lebt allein in einer Wohnung.
Sie geht alleine einkaufen, kocht, geht zur Bank.
Hilfe braucht sie nur, wenn sie Formulare fürs
Amt ausfüllen muss oder wenn es um größere
Anschaffungen, zum Beispiel Möbel, geht.
Sie arbeitet in einer Firma und ist seit fünf
Jahren verheiratet. Kinder mag sie aber nicht –
„da hab ich keine Zeit dazu“.
Sichtweisen 15/2014
Marktplatz
Musiktipp/Filmtipp
Denn ihre Freizeit verbringt sie im Löhe Haus
der Offenen Behindertenarbeit in der Blutenburgstraße in Neuhausen. Dort tanzt sie, singt, bedient an der Bar. Und hier hat sie auch Catherina
Conrad kennengelernt, eine Filmemacherin aus
München. Conrad hat eine Dokumentation über
Silvias Leben gedreht – zusammen mit zwei
weiteren Münchner Behinderten. „Ich finde es
schade, nur etwas über jemanden zu erzählen“,
sagt Conrad. In ihrem Film bestimmen die Hauptpersonen mit.
Station 17
Von Alsterdorf
in die weite Welt
der Musik
Mal bedrückend, mal zum Schmunzeln
Silvia Mayerhofer, Moritz Lück und Judith Pöllmacher sind geistig behindert und stellen in dem
Film „Ich komm gut klar – mit mir!“ ihr Leben
dar. Was und wo sie drehen, das entscheiden sie
zusammen mit Catherina Conrad. Die Kamera
bedienen hauptsächlich die drei Hauptpersonen
selbst, die Technik hatten sie schnell im Griff.
Catherina Conrad dokumentiert mit einer zweiten
Kamera die Arbeit.
So entstehen über drei Jahre hinweg authentische Bilder, bedrückende Szenen und Situationen
zum Schmunzeln. Pausen dürfen sein, Mikrofone
und Stative im Bild stören nicht. Einfühlsam erzählt der Film so vom Leben mit Behinderung.
Wenn Judith sagt, dass sie nicht ausziehen will,
weil sonst die Eltern traurig sind. Wenn Moritz
die Stimme stockt, weil ihn seine Freundin verlassen hat. Wenn Silvia meint, dass sie natürlich
lieber gesund wäre.
Ihren Spasmus hat Silvia Mayerhofer seit der
Geburt. Mehr weiß sie nicht über ihre ersten
Lebensjahre. Irgendwann geben die Eltern sie
in ein Kinderheim. Warum, weiß sie nicht. Das
Heim besucht Silvia Mayerhofer jetzt mit dem
Filmteam nach vielen Jahren wieder und zeigt
stolz das Schlösschen und den Garten. „Die
waren total streng, die Nonnen, aber wohlgefühlt
hab ich mich schon“, erzählt sie im Blumengarten.
„Hauptsache, ich bin untergekommen. Und nicht
so wie früher die kleinen Kinder, die oft umgebracht wurden von den Eltern.“ Quelle: Sueddeutsche.de
Beitrag: Petra Besemer
Sichtweisen 15/2014
Am ersten März 2014 hatte man die Gelegenheit, im Esslinger Jugendzentrum Komma eine
ungewöhnliche Band zu hören. Man konnte in
eine avantgardistische Klangwelt verschiedenster Musikrichtungen wie Pop, Hip Hop u.
elektronischer Musik eintauchen.
Alles hatte 1988 auf Station 17 der Alsterdorfer
Anstalten seinen Anfang genommen. Initiator
war der damalige Zivildienstleistende Kai
Boysen, der eine musikalische Kooperation
zwischen Behinderten und Nichtbehinderten
ins Leben rief. Inzwischen kann die Band auf
eine bewegte Geschichte zurückblicken. Es
sind sechs Studioalben entstanden und Station
17 führte Projekte mit vielen namhaften Bands
z.B. die Toten Hosen und Fettes Brot durch.
Es kam immer wieder zu Umbesetzungen,
dennoch ist die Band weiterhin aktiv, was der
aktuelle Tourneeplan zeigt, der die Gruppe im
Frühjahr nach Esslingen führte. Dort war der
Höreindruck mitreisend und selbst tanzfaule
Beine kamen in Fahrt. Jedes Konzert erhält dadurch seine eigene Note, dass die Arrangements
viel Platz für Improvisation lassen. Freunde der
Band bezeichnen die Musiker wohl deshalb als
geniale Dilettanten.
Eine interessante Informationsquelle über die
Musiker ist „Station 17 der Film“. Wer eine
musikalische Kostprobe hören möchte, findet
auf YouTube den aktuellen Song „ Alles für Alle“.
Eine neue CD ist für 2014 angekündigt.
Beitrag: Manfred Tretter
31
Gestaltung und Realisation: www.logowerbung.de
Sichtweisen
Michael Köber
Landratsamt Esslingen
73726 Esslingen am Neckar
Telefon (0711) 3902-2634
E-Mail: Koeber.Michael@lra-es.de