Nr. 19 - Oktober 2009

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Nr. 19 - Oktober 2009
med tropole
Nr. 19 Oktober 2009
PSYCHOTHERAPIE:
Borderline-Störungen und Sexualität
NEUROCHIRURGIE:
Der zervikale Bandscheibenvorfall
INFEKTIOLOGIE:
H1N1 – Der nächste Winter kommt bestimmt
Aktuelles aus der Klinik
für einweisende Ärzte
Editorial
Impressum
Liebe Leserinnen und Leser,
Redaktion
Jens Oliver Bonnet
(verantw.)
Prof. Dr. Dr. Stephan Ahrens
Prof. Dr. Christian Arning
PD Dr. Oliver Detsch
Dr. Birger Dulz
PD Dr. Siegbert Faiss
Dr. Christian Frerker
Dr. Annette Hager
Dr. Susanne Huggett
Prof. Dr. Uwe Kehler
Dr. Jürgen Madert
Dr. Ulrich Müllerleile
PD Dr. Jörg Schwarz
PD Dr. Gunther Harald Wiest
Prof. Dr. Gerd Witte
Cornelia Wolf
Herausgeber
Asklepios Kliniken
Hamburg GmbH
Unternehmenskommunikation
Rudi Schmidt V. i. S. d. P.
Rübenkamp 226
22307 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 66 36
Fax (0 40) 18 18-82 66 39
E-Mail:
medtropole@asklepios.com
Auflage: 15.000
Erscheinungsweise:
4 x jährlich
ISSN 1863-8341
die Lektüre medizinischer Literatur scheint mir persönlich einen immer höheren
Stellenwert einzunehmen, je länger man in unserem Berufe tätig ist. Offenbar
wächst mit der eigenen Erfahrung auch die Erkenntnis, zu wenig über die Fülle
medizinischer Daten in der zur Verfügung stehenden Literatur zu wissen.
Hierbei beziehe ich mich nicht nur auf das Studium des eigenen Fachgebietes,
sondern registriere darüber hinaus zunehmend, wie interessant medizinische
Beiträge aus anderen Disziplinen sind. Sich medizinisch zu belesen, sollte nicht
nur eine Verpflichtung für uns Mediziner sein, sondern kann, gemessen an
unserem manchmal rauen medizinischen Alltag, eine grundsätzliche Zufriedenheit durch neue
Erkenntnisse in unserem Fachgebiet und die damit verbundene intellektuelle Auseinandersetzung
schaffen. In besonderer Weise freut es mich daher, dass wir in diesem Heft viele neue chefärztliche
Kollegen vorstellen können, die ihr Wissen in den Asklepios-Konzern neu einbringen.
Prof. Schmoeckel, Chefarzt der Kardiochirurgie der AK St. Georg ist diesbezüglich Wegbereiter
und berichtet über den Wandel der Herzchirurgie in den vergangenen Jahren. Ein ganz anderes
Thema, die Transsexualität, referiert Priv.-Doz. Dr. Schwarz, der kürzlich die Position als Chefarzt
der Gynäkologie der AK Nord angetreten hat. Das chirurgische Spektrum runden Dr. von BremenKühne aus der AK St. Georg mit seinem Beitrag zur Dreifachbeckenosteotomie und Dr. Richter,
Sektionsleiter Kinderchirurgie/Kinderurologie des Urologischen Zentrums der AK Harburg, mit
der Behandlung pränatal diagnostizierter posteriorer Urethralklappen ab. Gerade das letzte
Thema wird zwischen Kinderchirurgen und Kinderurologen kontrovers besprochen, sodass ich
Sie zur Diskussion auffordern möchte. Weitere Beiträge wie Borderline-Störungen und Sexualität
aus der Psychiatrie der AK Nord, zervikaler Bandscheibenvorfall aus der Neurochirurgie der
AK Altona sowie ein aktuelles Referat von Frau Dr. Huggett (Medilys) zum H1N1-Virus runden
den Inhalt dieser Ausgabe ab.
Schließlich lege ich Ihnen eine historische Betrachtung von Prof. Hagenmüller ans Herz, der über
„17 Jahre Endo Club Nord“ referiert. Der 1991 von ihm selbst, Prof. Soehendra und Prof. Wurbs
gegründete Endo Club richtet mittlerweile einen international bekannten Kongress aus, der zuletzt
eine Rekordbeteiligung von 2.600 Teilnehmern verzeichnete – weltweit die bisher höchste Teilnehmerzahl bei einem Endoskopie-Meeting.
Ich wünsche Ihnen abschließend bei der Lektüre der vorliegenden medtropole nicht nur die wünschenswerte Bereicherung Ihres medizinischen Wissens, sondern würde mich freuen, wenn Sie
auch diese Ausgabe wieder mit einem gewissen Genuss in die Hand nehmen und studieren.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude und verbleibe
Ihr
Priv.-Doz. Dr. Meyer-Moldenhauer
Ärztlicher Direktor der AK Harburg
Chefarzt des Urologischen Zentrums
Inhalt
708 | ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE
Dreifachbeckenosteotomie –
Indikation, Technik und Ergebnisse
S. 708
712 | PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Borderline-Störungen und Sexualität
716 | GYNÄKOLOGIE
Transsexualität –
Was ist das und wie behandelt man es?
719 | NEUROCHIRURGIE
Der zervikale Bandscheibenvorfall
S. 719
722 | INFEKTIOLOGIE
H1N1 – Der nächste Winter kommt bestimmt
725 | HERZCHIRURGIE
Herzchirurgie heute
728 | PERSONALIA
733 | KINDERUROLOGIE
Pränatale Diagnose von posterioren Urethralklappen:
Wann und wie soll man behandeln?
736 | GESCHICHTE DER MEDIZIN
17 Jahre ENDO CLUB NORD
S. 733
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Dreifachbeckenosteotomie –
Indikation, Technik und Ergebnisse
Dr. Reinhard von Bremen-Kühne
Die Einführung und flächendeckende Verbreitung des Neugeborenen-Screenings auf kongenitale Pfannendysplasie
ab Ende der 1980er-Jahre führte zu einem deutlichen Rückgang unzureichend oder nicht behandelter Dysplasiepatienten. Dessen ungeachtet gibt es, teils auf anlagebedingter Basis, teils durch Zuzug auswärtiger Patienten,
teils durch nach wie vor unzureichende Frühdiagnostik weiterhin Jugendliche und Erwachsene mit dysplastischen
anatomischen Veränderungen am Azetabulum und den hieraus erwachsenden klinischen Konsequenzen im Sinne
einer präarthrotischen Deformität. In der chirurgischen Behandlung der Pfannendysplasie hat die Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt einen bedeutenden Stellenwert bekommen.
Indikation
Die kongenitale Hüftdysplasie ist morphologisch durch eine Steilstellung, Abflachung und besonders ventral ungenügende Überdachung des Hüftkopfes durch die
Pfanne gekennzeichnet und geht nicht selten mit einer Deformität des proximalen
Femur im Sinne einer Coxa valga antetorta
einher. Diese anatomischen Veränderungen
haben erhebliche biomechanische Auswirkungen und führen einerseits zur Verkleinerung der lasttragenden Zone im Bereich
des Pfannenerkers, zum anderen zu einer
für den hyalinen Knorpel schlecht tolerablen Scherbelastung in kraniolateraler
Richtung.[1,2,3] Die sogenannte präarthrotische Deformität bringt ein verhältnismäßig
hohes Risiko einer verfrühten degenerativen Arthrose des Hüftgelenkes mit sich.[4]
Zur operativen Korrektur der pathologischen Anatomie des dysplastischen Azetabulums haben sich zwei Verfahren periazetabulärer Osteotomien durchgesetzt: die
1988 von Ganz et al. beschriebene periazetabuläre Osteotomie [5] und die gut ein Jahrzehnt früher (seit 1976) von Tönnis entwi-
708
ckelte [6] und somit seit fast drei Jahrzehnten im breiten klinischen Einsatz bewährte
sogenannte Dreifachbeckenosteotomie
nach Tönnis und Kalchschmidt. Die Indikation zu diesem aufwendigen Eingriff
wird bei Patienten gestellt, welche die
beschriebenen radiologischen Abweichungen von biomechanischen Kennwinkeln
und der normalen Anatomie neben typischen und therapieresistenten klinischen
Beschwerden aufweisen (Abb. 5). Dabei
dient eine synoptische Einteilung nach
dem Ausmaß der Abweichung (Tab. 1) als
Grundlage für die rationale Differenzialindikation zur Operation (Tab. 2).
Operationstechnik
Der Eingriff erfolgt in Intubationsnarkose
auf einem röntgendurchlässigen Operationstisch. Zur besseren intraoperativen
Narkosesteuerung sowie optimalen postoperativen Schmerzbehandlung wird ein
Periduralkatheter gelegt. Der Patient liegt
auf der kontralateralen Seite, wobei der
Thorax mit Seitenstützen sicher in 90° stabilisiert wird und das Becken um etwa 30°
Abb. 1: Lagerung zu Operationsbeginn
nach ventral geneigt ist. Das operationsseitige Bein wird ebenfalls chirurgisch abgewaschen und frei beweglich abgedeckt
(Abb. 1). Nach Palpation der entscheidenden anatomischen Struktur, des Ligamentum sacrotuberale, erfolgt eine etwa zehn
Zentimeter lange Inzision, die dem Faserverlauf des Musculus gluteus maximus
ventral des Ligamentes folgt. Das Ligamentum sacrotuberale wird dargestellt, das
Foramen obturatorium mit speziellen Hohmann-Hebeln umfahren. Die kleinen
Außenrotatoren werden vom Os ilium
abgeschoben und durch einen weiteren
Orthopädische Chirurgie
Abweichungsgrad
CE-Winkel, ACE-Winkel < 18 Jahre:
1
2
3
4
> 25°
20 – 24°
5 – 19°
< 5°
CE-Winkel, ACE-Winkel > 18 Jahre:
> 30°
20 – 29°
5 – 19°
< 5°
TF-Winkel:
(Tragflächenwinkel nach Tschauner)
0 ± 9°
10 – 15°
16 – 25°
> 25°
Interpretation
normal
mäßig
pathologisch
erheblich
pathologisch
extrem
pathologisch
Tab. 1: Radiologische Einteilung nach „Abweichungsgraden“ (Engelhardt, Tönnis, Tschauner)
Abweichungsgrad
CCD-Winkel
Operatives Verfahren
1
Sphärisch-kongruent
-
Keine Operation
2
(mit Schmerz/Labrumläsion)
-
Reorientierung
(„Klassische Indikation“)
2
(mit Schmerz/Labrumläsion)
Valgus
Alternativ:
(Hyper-)Varisierung
3 und 4
-
Reorientierung
(„Klassische Indikation“)
Deformiert und
„pathologisch-kongruent“
-
Reorientierung
(„Erweiterte Indikation“)
Deformiert und inkongruent,
mit Subluxation und Arthrose
-
„Palliativ“:
Chiari und Valgisierung-Extension,
Definitive Versorgung: HTEP
Tab. 2: Synopse der operativen Differenzialindikation
Hohmann-Hebel, der im Foramen infrapiriforme sitzt, beiseite gehalten. Die Sitzbeinosteotomie wird dann schräg verlaufend,
vom Foramen infrapiriforme bis zum Foramen obturatorium mit Lexermeißeln vorgenommen und mit einem Fragmentspreizer mobilisiert (Abb. 2). Die Osteotomie
muss so mobil sein, dass sie für den palpierenden Finger eingängig ist. Nach sorgfältiger Blutstillung erfolgt ohne Einlage einer
Redondrainage der schichtweise Wundverschluss.
Die weiteren Operationsschritte erfordern
die Rückenlage des Patienten, sodass er
intraoperativ steril umgelagert wird. Nach
Palpation der Eminentia pubica und der
femoralen Gefäße wird eine drei Zentimeter lange Inzision über dem Os pubis ausgeführt und das Schambein subperiostal
dargestellt sowie mit speziellen HohmannHebeln umfahren. Die Schambeinosteotomie erfolgt mit einem Lexer-Meißel, einen
Zentimeter medial der Tränenfigur mit
Inklination um 30° in der Sagittal- und
Frontalebene unter Bildwandlerkontrolle
(Abb. 3).
Die dritte Inzision folgt dem Verlauf der
Crista iliaca, von zwei Zentimetern dorsal
der Spina iliaca anterior superior etwa sieben bis zehn Zentimeter lang. In streng
subperiostaler Präparation wird zunächst
die pelvitrochantere Muskulatur von der
Außenseite abpräpariert, anschließend der
Musculus iliacus von der Medialseite. Das
Foramen ischiadicum majus wird mit speziellen Hohmann-Hebeln umfahren. Unter
Bildwandlerkontrolle wird eine Schanzsche
Schraube parallel zum Tragflächenwinkel
eingebracht, weiterhin ein Kirschnerdraht
zur Markierung des Umschlagspunktes der
gewinkelten Darmbeinosteotomie. Die
Darmbeinosteotomie erfolgt mit oszillierender Säge von ventral nach dorsal, zwischen den beiden vorderen Darmbeinstacheln beginnend und an der Linea glutea
inferior umschlagend. Der hintere Anteil
der Darmbeinosteotomie wird mit der
Gigli-Säge durchgeführt (Abb. 4).
antevertiert werden, bis physiologische
Kennwinkel etabliert sind. Die Osteosynthese erfolgt mit zwei bis vier als Zugbeziehungsweise Stellschrauben eingebrachten kanülierten Spongiosaschrauben
in übungsstabiler Form (Abb. 6). Nach Einlegen von Redondrainagen erfolgt der
schichtweise Wundverschluss, wobei die
pelvitrochantere Muskulatur mit transossären Nähten an der Crista iliaca refixiert
wird.
Die Patienten werden am 2. bis 3. postoperativen Tag unter Entlastung der operierten
Extremität an Unterarmgehstützen mobilisiert; die Entlassung erfolgt nach 14 Tagen.
Der Belastungsaufbau beginnt nach klinischer und radiologischer Kontrolle nach
sechs Wochen, Vollbelastung ist nach zwölf
Wochen möglich. Die Materialentfernung
erfolgt regelhaft nach frühestens zwölf
Monaten.
Das Azetabulumfragment ist nun völlig
mobil und kann über die Schanzsche
Schraube unter Bildwandlerkontrolle medialisiert, rotiert und gegebenenfalls sparsam
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Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Abb. 2: Mobilisation der Sitzbeinosteotomie mit dem
Abb. 3: Verlauf der Schambeinosteotomie unter dem
Abb. 4: Darmbeinosteotomie (hinterer Anteil)
Fragmentspreizer
Bildwandler: 1 cm medial der Tränenfigur mit Inklination
mit Gigli-Säge
um 30° in der Sagittal- und Frontalebene
Ergebnisse
Erste Langzeitergebnisse berichteten Tönnis et al. 1994: In 216 Fällen mit einem
durchschnittlichen Follow-up von 7,7 Jahren gelang es in jeweils knapp 80 Prozent,
den CE-Winkel sowie den Tragflächenwinkel postoperativ zu normalisieren. Die
Patientenzufriedenheit im Nachuntersuchungskollektiv lag bei knapp 85 Prozent.[7]
Eine noch größere Patientengruppe mit gut
dreijährigem Follow-up präsentierten Lenz
et al. 1997:[8] Der durchschnittliche postoperative CE-Winkel lag hier bei 32°, der postoperative Tragflächenwinkel bei 3°. Die
subjektive Patientenzufriedenheit wurde
mit 98 Prozent angegeben.
Kirschner et al. hatten 48 Patienten mit
einem durchschnittlichen Follow-up von
knapp drei Jahren nachuntersucht und
68 Prozent gute oder sehr gute klinische
Resultate gefunden.[9] Auch diese Studie
zeigt eine signifikante Verbesserung des
CE-Winkels von 10,6° auf 32,2° und des
Tragflächenwinkels von 20,8° auf 3,8°.
Relevante Komplikationen im Sinne einer
knöchernen Non-union am Sitzbein beziehungsweise Darmbein traten in knapp
15 Prozent der Patienten auf.
710
De Kleuver et al. berichteten 1997 über 51
Patienten mit zehnjährigem Follow-up.[10]
Auch hier wurde der durchschnittliche
postoperative CE-Winkel auf 28° und der
postoperative Tragflächenwinkel auf 10°
annähernd an physiologische Normalwerte
gebracht. Die subjektive Patientenzufriedenheit war nach diesem verhältnismäßig
langen Zeitraum noch bei 60,4 Prozent der
Patienten hoch oder sehr hoch. Allerdings
waren nur 17 Prozent vollständig beschwerdefrei. Die gleiche Gruppe berichtete
kürzlich über das 15-Jahre-Follow-up.[11]
Zu diesem Zeitpunkt waren noch 88 Prozent der Patienten ohne Progression der
Arthrose und 64 Prozent zeigten gute bis
exzellente klinische Ergebnisse. Das präoperative Ausmaß der Arthrose sowie ein
ausreichender oder schlechter präoperativer klinischer Ausgangsbefund zeigten
sich als signifikanter negativer Prognosefaktor in dieser Gruppe.
Ein zehnjähriges Follow-up von 56 Patienten legte Küpper vor.[12] Radiologisch war
ebenfalls eine weitgehende Normalisierung
der Kennwinkel gelungen, zum Zeitpunkt
der Nachuntersuchung waren 39 Prozent
der Patienten vollständig schmerzfrei,
51 Prozent äußerten selten auftretende
Schmerzen. Von den 56 Patienten war nach
zehn Jahren nur ein einziger im Sinne eines
endoprothetischen Gelenkersatzes operationspflichtig geworden.
Das Komplikationsprofil zeigt bei Tönnis
et al. Pseudarthroseraten von 4,4 Prozent
und eine Rate an verzögerten Knochenheilungen von 10,8 Prozent. In 2,1 Prozent
waren meist transitorische Paresen des
Nervus ischiadicus oder des Nervus femoralis vorhanden.[13] Tschauner et al. teilten
eine Pseudarthroserate von 1,2 Prozent
revisionspflichtiger Fälle bei 409 operierten
Patienten mit.[14]
Die eigenen Ergebnisse dieser Operation
an 38 operierten Hüftgelenken mit einem
Follow-up von 3,5 Jahren wurden 2006
publiziert.[15] Hier ließ sich eine statistisch
hochsignifikante Verbesserung des Harris
Hip Score, der Kennwinkel und des Abweichungsgrades bei der Nachuntersuchung
feststellen. Dies ging mit einer in 81,7 Prozent hohen oder sehr hohen Patientenzufriedenheit einher. Die Konversionsrate zur
Alloarthroplastik lag bei 2,6 Prozent, das
Komplikationsprofil im Rahmen vergleichbarer elektiver hüftchirurgischer Eingriffe.
Orthopädische Chirurgie
Abb. 5: Pat. EJ ♀ 23 Jahre, re. Hüfte:
Abb. 6: Pat. EJ ♀ 23 Jahre, re. Hüfte: Röntgenbild nach 1,5 Jahren, AG I.
Präoperatives Röntgenbild mit AG III
HHS: 92,3/100 Subjektiv: Sehr zufrieden
Fazit
Literatur
[1] Pauwels F. Atlas zur Biomechanik der gesunden und
Die Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis
und Kalchschmidt zeigt ein hohes und
konstantes Potenzial im Hinblick auf Beschwerdearmut/Beschwerdefreiheit sowie
eine statistisch hochsignifikante Verbesserung der klinischen Scores und radiologischen Kennwinkel bei jugendlichen und
erwachsenen Patienten mit Pfannendysplasie. Ungeachtet der relativ anspruchsvollen
Operationstechnik bleibt das Komplikationsprofil im Bereich vergleichbarer
elektiver hüftchirurgischer Eingriffe.
Indikationsstellung, Patientenauswahl,
Operationstechnik und Nachbehandlung
folgen etablierten Algorithmen. Der Eingriff verbaut keine Rückzugsmöglichkeiten
im Sinne einer gegebenenfalls später erforderlichen Alloarthroplastik, sondern verbessert in vielen Fällen sogar das knöcherne Lager eines späteren Implantates. Die
Dreifachbeckenosteotomie kann bei der
Kardinalindikation „Pfannendysplasie“ als
Methode der Wahl angesehen werden.
Im FB Orthopädie der Asklepios Klinik
St. Georg liegt eine spezielle Ausrichtung
und Erfahrung in der Behandlung der
Hüftdysplasie bei Jugendlichen und jungen
Erwachsenen vor.
kranken Hüfte. Berlin-Heidelberg-New York: Springer 1993.
[2] Bombelli R. Osteoarthritis of the Hip – classification and
pathogenesis and the role of osteotomy as a consequent
therapy. Berlin-Heidelberg-New York: Springer 1976.
[3] Tschauner C. Neues optimiertes biomechanisches Konzept zur Wirkungsweise der operativen Reorientierung der
dysplastischen Hüftpfanne unter besonderer Berücksichtigung der Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis. Med
Habil, Humboldt-Universität, Berlin 1995.
Kontakt
Dr. Reinhard B. F. H. von Bremen-Kühne
FA f. Orthopädie und Unfallchirurgie
Spezielle Orthopädische Chirurgie –
Chirotherapie – Physikalische Therapie
Ltd. Arzt FB Orthopädie
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 37 34
Fax (0 40) 18 18-85 37 70
Mobil 0160-803 35 42
[4] Murphy SB, Ganz R, Müller ME. The Prognosis in
Untreated Dysplasia of the Hip. A study of radiographic
E-Mail: r.bremen@asklepios.com
factors that predict the outcome. JBJS 1995; 77-A: 985-9.
[5] Ganz R, Klaue K, Vinh TS, Mast JW. A new periacetabular osteotomy for the treatment of hip dysplasias. Technique
and preliminary results. Clin Orthop 1988; 232: 26-36.
[6] Tönnis D. A new technique of triple osteotomy for
[11] van Hellemondt GG, Sonneveld H, Schreuder MH,
acetabular dysplasia in older children and adults. Abstracts
Kooijman MA, de Kleuver M. Triple osteotomy of the pelvis
14th World Congr Soc Int Chir Orthop Trauma, Kyoto 1978:
for acetabular dysplasia: results at a mean follow-up of 15
192.
years. JBJS 2005; 87: 911-5.
[7] Tönnis D, Arning A, Block M, Heinecke A, Kalchschmidt
[12] Küpper A. 10-Jahres-Ergebnisse der dreifachen Becken-
K. Triple pelvic osteotomy. J Pediatr Orthop 1994; 3-B: 54-67.
osteotomie nach Tönnis. Orthop Praxis 2003; 39: 412-9.
[8] Lenz G P, Mourani M. Operative Therapie im Kindes-
[13] Katthagen B, Tönnis D, Kalchschmidt K. Complications
alter. In: C. Tschauner[Edtr]. Die Hüfte. Enke, Stuttgart
and technical failures of triple pelvic osteotomy. EPOS
1997: 78-91.
Annual meeting, April 2001, Montpellier.
[9] Kirschner S, Raab P, Wild A, Krauspe R. Kurz- bis
[14] Tschauner C, Sylkin A, Hofmann S, Graf R. Painful
mittelfristige klinische und radiologische Ergebnisse mit
nonunion after triple pelvic osteotomy. Report of five cases.
der dreifachen Beckenosteotomie nach Tönnis im Jugend-
JBJS 2003; 85: 953-5.
und Erwachsenenalter. Z Orthop 2002; 140: 523-6.
[15] v. Bremen-Kühne R, de la Vega-Salgado H, Steffen R.
[10] De Kleuver M, Kooijman MAP, Pavlov PW, Veth RPH.
Die Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis und Kalch-
Triple osteotomy of the pelvis for acetabular dysplasia.
schmidt in der Behandlung der Pfannendysplasie – Mittel-
Results at 8 to 15 years. JBJS 1997; 79-B: 225-9.
fristige Ergebnisse. Z. Orthop. 2006; 144: 484-91.
711
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Borderline-Störungen und Sexualität
Dr. Birger Dulz
Borderline-Störungen werden allein schon deshalb mit Sexualität in Verbindung gebracht, weil in rund 80 Prozent
eine komplexe PTSD komorbid vorhanden ist [7] – oft also sexueller Missbrauch. Letztlich ist die (pathologische)
Sexualität bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen jedoch völlig unerforscht.*
Vermutlich existieren drei Gruppen, die
das Sexualverhalten von Borderline-Patienten häufig kennzeichnen:
1. Sexualität wird nicht gelebt: Dabei sind
dies oft Patientinnen mit den knappsten
Tops und kürzesten Röcken. Ausgedrückt
wird so die Sehnsucht nach (sexueller)
Beziehung, die durch die Angst eben davor
„in Schach“ gehalten wird (Herstellung
von Anhedonie).
2. Extrem-Sexualität wird gelebt, was oft
riskantes Sexualverhalten einschließt:
Viel Angst wird zwar immer wieder wahrgenommen, aber gewissermaßen „kontraphobisch“ reduziert.
3. „Normale“ Sexualität wird gelebt, mit
denselben Schwierigkeiten und Akzentuierungen wie bei „Dir und mir“. Ängste werden nicht selten (auch durch andere Symptome) kompensiert, beispielsweise durch
Zwänge oder Dissoziationen.
Untersuchungen hierzu sind nicht bekannt,
aber eine eigene Schätzung führt auch hier
zu der in der Psychiatrie so oft gefundenen
„Drittel-Regel“.
In allen drei Gruppen, vorwiegend aber
der Gruppe 1, finden sich Patientinnen
und Patienten mit einer schweren Identitätsstörung bezüglich gerade auch der
sexuellen Orientierung: Wenn man nicht
weiß, ob man homo- oder heterosexuell,
Mann oder Frau ist, liegt es nahe, dass dieses davor „schützt“, sexuelle Nähe zulassen zu müssen, denn man weiß ja nicht, als
wer zu wem. So wird unter anderem und
vermutlich zuvorderst ein Verlassenwerden vermieden.
Störungen der Sexualität werden meist
nicht systematisch behandelt. Da Sexualität
nun aber zu zufriedenstellenden Liebesbeziehungen gehört, dürfte dies ein wesentlicher Faktor für eine fortbestehende Unzufriedenheit bezüglich enger Beziehungen
sein, wenn sonst keine Borderline-Symptome mehr nachweisbar sind.
Angst als zentraler Affekt bei
Borderline-Störungen
Angst stellt das Zentralsymptom der Borderline-Störungen dar – als letzte Stufe der
Angstentwicklung, die mit der Vernichtungsangst des Säuglings [9] beginnt und
seine Wiederbelebung durch die Realtraumatisierung erfährt.[2] Diese archaische und
traumatische sogenannte frei flottierende
Angst – sie entspricht aufgrund ihrer
„Wurzeln“ mehr einer Grund- denn einer
konkreten Erwartungsangst – wird „automatisch“ als innerseelische Abwehr gegen
unbewusst erwartete Bedrohungen (im
Rahmen von Beziehungen) aufgebaut. Sie
äußert sich oft „getarnt“ sowohl auf der
deskriptiven wie der strukturellen Ebene.[4]
Vermutlich ist die Behandlung von „keine
Sexualität“ noch schwieriger als „extreme
Sexualität“ – es ist immer leichter, etwas
Vorhandenes zu therapieren, als das, was
nicht vorhanden ist.
* Erstmalig wurde jetzt eine umfassende Darstellung des Themenkomplexes publiziert:
Dulz B, Benecke C, Richter-Appelt H (Hrsg.) (2009). Borderline-Störungen und Sexualität. Stuttgart: Schattauer.
712
Psychiatrie und Psychotherapie
Frei
flottierende
Angst
Deskriptive Ebene
Strukturelle Ebene
Spaltung
Abb. 1: Angstreduzierung auf der deskriptiven
(Symptome) und strukturellen (Beziehungen) Ebene.
Projektive Identifizierung + primitive Idealisierung
+ Verleugnung + Omnipotenz/Entwertung
Aus: Dulz B (2009). Sexualität und frei flottierende
Angst. In: Dulz B, Benecke C, Richter-Appelt H (Hrsg.).
Borderline-Störungen und Sexualität.
Hilfsmechanismen der Spaltung
Ätiologie, Störungsbild und Therapie. Schattauer,
Stuttgart – New York
Hoffmann [5] betont insbesondere folgende
Ängste bei Borderline-Patienten:
■ Angst vor Überwältigung durch konflikthafte Impulse und Vorstellungen
■ Angst vor struktureller Regression
■ Angst vor dem Alleinsein
■ Angst vor Selbstverlust
■ Ängste vor dem fantasierten Verschlungenwerden
Zudem ist die Angst vor Nähe und im
Zusammenhang damit vor Verlassenwerden zu beachten.
Mechanismus zur Reduzierung
der frei flottierenden, diffusen Angst
bei Borderline-Patienten
Die zahlreichen möglichen Symptome wie
Phobien, Zwänge, Drogenabusus, aber
eben auch Sexualität dienen dem „konstruktiven“ Umgang mit der unfassbaren
frei flottierenden Angst, indem diese Angst
ausgerichtet wird (z. B. Phobie, Paranoia),
versucht wird zu kontrollieren (Zwänge)
oder auch abgespalten und so unspürbar
wird (Dissoziationen, Drogen).[3,4] Auch die
Abwehrmechanismen ermöglichen eine
Angstreduzierung: durch Gestaltung von
Beziehungen im Sinne einer „Sortierung“
zur besseren „Verortung“ der Bezugspersonen – etwa über Idealisierung und Entwertung oder auch Spaltung in „gut“ und
„böse“ – oder auch im Sinne einer Destruktion von Beziehungen zur Vermeidung
der mit Beziehungen verbundenen Verlustängste.
Letztlich geht es also um die Reduzierung
der diffusen Angst durch Ausrichtung oder
Eliminierung von Angst im Sinne einer
Pseudolösung – entsprechend der Wahlfreiheit zwischen Skylla und Charybdis.
Auch die Sexualität dient dazu, Angst nicht
zu spüren, zu reduzieren oder zu vermeiden (Vermeidung emotionaler Nähe durch
Handlungen mit Pseudonähe). Zudem
kann sie mit Ersetzen der diffusen Angst
durch eine gerichtete vermindert werden –
etwa vergleichbar mit dem abrupten Beenden einer schizophrenen Symptomatik
angesichts eines Beschusses.[1]
Frau A. und Herr B., Patienten auf der Borderline-Station, begannen eine Liebesbeziehung. Im
Rahmen der Einzeltherapien erfuhren wir, dass
Sexualität einschließlich Penetration (für beide)
nur möglich war, wenn er sie dabei würgte.
Natürlich hätten sie hinterher immer wieder
sich selbst gesagt, dass Gott sei Dank nichts passiert sei, aber ohne die Eliminierung der Angst
vor Nähe durch Schaffung einer gerichteten und
klar „steuerbaren“ Angst könnten sie nun einmal
nicht miteinander schlafen. Einerseits befürchteten auch wir, dass diese Praktik zum Tode führen
könnte oder aber jedenfalls zu ernsten Verletzungen. Andererseits hatten wir als Intervention nur
die Möglichkeit, in der Therapie die Problematik
(Nähe bei Sexualität, Angst davor, Vermeidung
durch Gewalt) zu bearbeiten. Schließlich gelang
bei beiden Patienten eine Stabilisierung in einem
Ausmaß, die es ihnen ermöglichte, ohne dieses
Ausmaß an Gewalt miteinander zu verkehren.
Das vielleicht Schwierigste daran war die Herstellung einer Atmosphäre in der Therapie, die
die Bearbeitung des Themas ermöglichte. Moralische Vorhaltungen, Vorträge über körperliche
Folgen von Würgen oder Verbotsversuche hätten
das Risiko eines ernsten Zwischenfalls nur
erhöht, denn es hätte dazu geführt, dass wir
womöglich nie von dem Sexualverhalten erfah-
713
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
ren hätten oder es nicht hätte bearbeitet werden
können, weil beide Patienten sich verschlossen
oder gar die Behandlung abgebrochen hätten.
Beide Patienten waren zu dem geschilderten
Zeitpunkt symbiotisch verschmolzen, um nach
ihrer Trennung – die noch während der stationären Therapie erfolgte – umso heftiger die jeweils
andere Person zu entwerten.
Bei Frau A. und Herrn B. führte das gefährliche Würgen (neben einer Asphyxie
bei Frau A.) einerseits zu einer Angst vor
einem Zwischenfall, andererseits aber auch
zu einer Pseudosicherheit aufgrund der
gemeinsam gelebten „Devianz“ bei massiver Angst vor Partnerverlust (Bindung des
Partners durch unbedingtes Eingehen auf
seine Bedürfnisse). Daneben spielte auch
die Angstreduktion durch Agieren beider
Patienten eine deutliche Rolle.
„Ich (L. M.) nahm schon seit einigen Jahren
Drogen, doch es wurde schlimmer. Ich hatte viele
Blackouts. Auch in meinem Job verhielt ich mich
immer risikoreicher. Hier galt natürlich Safer
Sex, aber wenn einer nicht wollte oder ich einen
überrumpeln konnte, tat ich es auch. Ich wusste
genau, dass sie es, wenn sie es mit mir ohne
Gummi machen, dann auch woanders tun, und
wer kann schon für gesundheitliche Sicherheit
garantieren? Aber das war ja gerade das Spiel
mit dem Feuer. AIDS, Hepatitis, Schwangerschaft und Sonstiges … irgendwie faszinierte
mich das Risiko. Heute würde ich sagen, es war
verkappte Todessehnsucht, genauso wie die Risiken, die ich bezüglich der Örtlichkeiten einging.
Ich fuhr oft mit dem Auto mit zu den Freiern
nach Hause, ich ging mit mehreren auf einmal
ins Hotel oder zu ihnen, ich ließ mich zu Männerpartys mitnehmen, blieb über Nacht … Ich
forderte das Schicksal heraus, sicherte mich nie
ab. Oft bekam ich dann auch die Rechnung
dafür serviert: Ich wurde zusammengeschlagen,
ausgesetzt, gruppenweise genommen. Viele Vorfälle wären wohl unter Vergewaltigung gefallen,
aber ich wollte sie ja, ich suchte doch den
Schmerz, die Unterdrückung und Erniedrigung.
Es war wie ein Kampf oder Wettlauf gegen meinen Schatten. Ich war zwar immer stärker, oder
stark genug, es durchzustehen, aber Sieger war
ich auch nicht …
Bald war alles vermischt, mein ganzes Leben
drehte sich um Sex: Sex für Geld mit Kunden,
anschließend Sex auf Partys und in Clubs für
den Sinnestaumel, Sex, um mich gut zu fühlen,
714
Sex, um mich schlecht zu fühlen und zu bestrafen, Sex mit Fremden, um Frust abzubauen, Sex
mit Freunden und in Beziehungen, um mich
geborgen zu fühlen, Sex, um mich darzustellen,
Sex, um mich zu finden, Sex, um mich zu verlieren … Alles wurde extremer, es gab bald keine
Grenzen mehr. Ich gewöhnte mich an das Ungewöhnliche, also musste wieder ein höherer Reiz
her. Ich wurde absolut exhibitionistisch. Parks,
Hauseingänge, Bürgersteige, Toiletten, Kirchen,
Kino, Mitbewohner, Nachbarn. Ich war bekannt.
Nicht, weil man mich kannte, sondern weil man
mich irgendwo mit irgendwem gesehen hatte.
Ich ging regelmäßig in Swinger-Clubs und auf
Gang-Bang-Partys, später dann auch zu solchen,
wo klar war, dass HIV-Infizierte dabei sind und
es ausdrücklich nur ungeschützten Verkehr gab,
eine weitere Steigerung.“
Den eigenen Zustand konnte die Patientin erst
in der Therapie erkennen, und dieser Zustand
war es, den sie mit wirklich allen Mitteln zu
vermeiden versucht hatte: „Ich war so bedürftig,
doch das konnte und wollte ich mir nicht eingestehen, das hätte geheißen, dass ich schwach
wäre. Ich konnte diese Feelings in mir nicht aushalten.“ Es geht also insbesondere um die Vermeidung von Schwäche, denn die stand in Verbindung mit einem Verlorensein, mit Angst vor
Verletzung.
Frau L. M. reduzierte Ängste durch massiven Drogenkonsum. Die intensiven sexuellen Reize, die „chronischen Kicks“, verhinderten zusätzlich, dass sie sich und ihre
Ängste spüren konnte. Später gab sie an,
dass es auch um das Vermeiden von
Schwäche gegangen sei – Schwäche war es
gewesen, auf die sie es zurückgeführt
hatte, als Heranwachsende sexuell missbraucht worden sein zu können.
Frau C. befand sich zur Beziehungszentrierten
Psychodynamischen Psychotherapie in unserer
Klinik, wobei das Haus der „Borderline-Station“
damals direkt neben dem Gebäude der Forensik
lag. Sie erfuhr rasch, dass der sogenannte Heidemörder ausgebrochen war und begab sich in das
angrenzende Wäldchen in der Erwartung und
„entlastenden Hoffnung“, diesem zu begegnen,
damit er mit ihr mache, was er mit den anderen
Frauen gemacht hatte. Sie verspürte dabei nicht
nur keine Angst, sondern Entlastung und etwas
„Ähnliches wie Lust“. Der Heidemörder hatte
drei Frauen vergewaltigt, gequält und zerstückelt.
Das Bedürfnis nach Strafe durch den Tod
bei der chronischen Empfindung, selbst
unwert zu sein, ersetzte die Angst „vor
dem Leben an sich“, also einer diffusen,
„frei flottierenden“ Angst.
Kontaktaufnahme über E-Mail ist heute
üblich und kommt massenweise vor. Oft
geht es primär um Sexualität und auffällig
häufig um sadomasochistische Fantasien.
Diese werden durchaus nicht selten auch
ausgelebt, teilweise mit befriedigender
Sexualität (nicht alles ist Störung, sondern
manchmal Spiel), teilweise mit dramatischen Folgen, deren extremste Variante
wohl die „einvernehmliche“ Tötung und
Verspeisung des „Sexual“-Partners war –
so der „Kannibale von Rotenburg“, der
angegeben hat, B. habe in das Abtrennen
des äußeren Teiles seines Penis und seine
darauf folgende Tötung eingewilligt. Die
Vorgänge wurden teils filmisch dokumentiert.
Nicht selten lassen sich Patienten retraumatisieren und führen diese Situationen
auch aktiv herbei (z. B. geplantes Aufsuchen
des früheren Missbrauchers): Sie suchen
eine bekannte Situation, die ihnen weniger
Angst bereitet als ein neuer Weg mit unbekannten Beziehungssituationen.
Die Amygdala, die mit negativen Emotionen wie Furcht in Zusammenhang gebracht
wird, verliert bei positiven Emotionen wie
Verliebtheit an Aktivität.[8] Langfristige Beziehungen sind aufgrund der mit der Dauer
verbundenen Gewöhnung weniger „beruhigend“, daher der „Anreiz“ zu neuen und
damit wieder emotional hoch aufgeladenen
Beziehungen. Die Amygdala wird bei sexueller Stimulation und Ejakulation deaktiviert, die also der Angst entgegenwirken
dürften. Auch auf neurobiologischer Ebene
besteht also ein Zusammenhang zwischen
Angst und Sexualität.
Reduktion der Angst als Therapieziel
In der Therapiesitzung und auf der Therapiestation muss eine angstfreie Atmosphäre vorherrschen, auch was das Berichten
„peinlicher“ Vorgänge und Fantasien
betrifft. Tabuisieren und Moralisieren verhindert die Bearbeitung sexueller Proble-
Psychiatrie und Psychotherapie
aus, dass eine „Haltende Funktion“ unabdingbar zum Entwickeln einer „reifen“
Beziehungsfähigkeit ist. Dementsprechend
nannte er die nötige Umgebung eine „haltende“. Auf das Entstehen einer solchen
haltenden Umgebung kommt es uns besonders an.
Letztlich werden alle Beziehungserfahrungen in den neuronalen Netzwerken abgespeichert und lassen sich weder durch
Medikamente noch durch Psychotherapie
eliminieren. Somit erachte ich es als zentral, in der Therapie möglichst viele „gute“
(auch begrenzende) Beziehungserfahrungen
zu machen, damit die „alten“ Erfahrungen
durch die neuen mehr oder weniger neutralisiert werden.
zur Nichtbearbeitung der Sexualität unserer Patienten oder zur Vermittlung eigener
Moralvorstellungen führt. Das müssen
jedoch nicht die unserer Patienten sein …
und somit gliche der Therapeut mehr
einem Mitglied der katholischen Glaubenskongregation denn einem Psychotherapeuten.
Literatur
[1] Bleuler M (1983). Lehrbuch der Psychiatrie. 15. Auflage.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer: 461.
[2] Dulz B (1999). Wut oder Angst – welcher Affekt ist bei
Borderline-Störungen der zentrale? Persönlichkeitsstörungen 3: 30-5.
[3] Dulz B (2000). Der Formenkreis der Borderline-Störungen: Versuch einer deskriptiven Systematik. In: Kernberg
OF, Dulz B, Sachsse U (Hrsg.) Handbuch der BorderlineStörungen. Stuttgart, New York: Schattauer: 57-74.
Für den Patienten bedeutet das vor allem:
Angenommenwerden, ausreichende Angstfreiheit und Beziehungssicherheit. Für das
Behandlungsteam bedeutet es vor allem,
sich immer wieder auf neue Menschen und
ihr schwieriges Beziehungsverhalten, das
ja auch ein Beziehungsangebot beinhaltet,
individuell und flexibel einzulassen.
[4] Dulz B, Schneider A (1995). Borderline-Störungen.
Theorie und Therapie. Stuttgart, New York: Schattauer.
[5] Hoffmann SO (1998). Die Angst der Borderline-Patienten
und seine Beziehungen. Persönlichkeitsstörungen 2: 4-9.
[6] Kernberg OF (1989). Projektion und projektive Identifikation. Entwicklungspsychologische und klinische Aspekte. Forum Psychoanal 5: 267-8.
[7] Sack M, Sachsse U, Dulz B (2009). Störungen der Sexualität bei Patientinnen und Patienten mit komplexer Post-
me. Gerade gute Erfahrungen mit den Therapeuten führen zu guten Möglichkeiten,
im „privaten“ Rahmen Beziehungen zu
erproben.
Das Entscheidende an unserer Arbeit ist
also, eine besondere und spezifische
Atmosphäre herzustellen und aufrechtzuerhalten, die eine verändernde und heilende Kraft hat. Winnicott[9] ging davon
Hierzu gehört allerdings ein schwieriges
therapeutisches „Kunststück“: die Unterscheidung zwischen der Angst des Patienten bezüglich Sexualität und der Angst des
Therapeuten bezüglich der Sexualität des
Patienten und der eigenen Person. Kernberg[6] beschreibt die projektive Identifizierung prägnant: „Das Subjekt projiziert
unerträgliche intrapsychische Erlebnisse
auf ein Objekt, verbleibt in Einfühlung mit
dem, was es projiziert, versucht im ständigen Bemühen, das unerträgliche Erlebnis
abzuwehren, das Objekt zu kontrollieren
und bringt das Objekt in einer echten Interaktion unbewusst dazu, das auf ihn Projizierte tatsächlich zu erleben.“ Soll die
Therapie auch bezüglich der sexuellen
Störungen des Patienten gelingen, muss
der Therapeut also seine Gefühle daraufhin prüfen, ob sie aus ihm selbst heraus
entstanden sind oder ihm per projektiver
Identifizierung vom Patienten „untergeschoben“ wurden. Das allerdings bezieht
sich nicht nur auf Gefühle bezüglich Sexualität, sondern auf alle Gefühle – von denen
uns die bezüglich Sexualität oft besonders
suspekt sind, was dann fast zwangsläufig
traumatischer Belastungsstörung. In: Dulz B, Benecke C,
Richter-Appelt H (Hrsg.) Borderline-Störungen und Sexualität. Stuttgart, New York: Schattauer: 134-7.
[8] Strüber D, Roth G (2009). Liebe, Sexualität und Gehirn.
In: Dulz B, Benecke C, Richter-Appelt H (Hrsg.) BorderlineStörungen und Sexualität. Stuttgart, New York: Schattauer:
31-41.
[9] Winnicott DW (1974, 1993). Reifungsprozesse und
fördernde Umwelt. Frankfurt/M.: Fischer: 60 f.
Kontakt
Dr. Birger Dulz
II. Fachabteilung Psychiatrie
Persönlichkeitsstörungen/Trauma
Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll
Langenhorner Chaussee 560
22419 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-87 24 28
Fax (0 40) 18 18-87 15 36
E-Mail: b.dulz@asklepios.com
715
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Transsexualität –
Was ist das und wie behandelt man es?
Priv.-Doz. Dr. Jörg Schwarz
Transsexualität ist eine Erkrankung, bei der sich die Betroffenen im falschen Körper wähnen und sich dem anderen
Geschlecht zugehörig fühlen. Bei eindeutigem chromosomalen und gonadalen Geschlecht sind die Patienten meist
bereits seit der Kindheit oder spätestens der Pubertät absolut sicher, im „falschen“ Körper geboren worden zu sein.
Somit liegt bei der Transsexualität eine Störung des Geschlechtsidentitätsgefühls vor. Das Geschlechtsidentitätsgefühl beinhaltet normalerweise Stimmigkeit der körperlichen Geschlechtsmerkmale mit dem entsprechenden
Zugehörigkeitsgefühl zum weiblichen oder männlichen Geschlecht. Das heißt auch Stimmigkeit des Selbstgefühls
mit der Wahrnehmung durch die Mitmenschen, dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht anzugehören.
Transsexualität kann als leiblich-seelische Geschlechtsunterschiedlichkeit aufgefasst werden. Das Geschlechtsidentitätsgefühl passt nicht zu den körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Transsexualität gibt es bei beiden
Geschlechtern, wobei immer das Zielgeschlecht angegeben wird. Das bedeutet, dass ein transsexueller Mann
chromosomal weiblich und eine transsexuelle Frau chromosomal männlich ist.
Prävalenz
In den Niederlanden beträgt die Prävalenz
der Transsexualität bei Männern 1:11.900
und bei Frauen 1:30.400. Die Zahlen unterscheiden sich in verschiedenen Ländern.
So ist die Prävalenz in Belgien und Neuseeland niedriger als in Singapur.[1] Die
Relation von 3:1 zwischen Männern und
Frauen findet sich in vielen, aber nicht
allen Ländern. Bis jetzt gibt es jedoch keine
ausreichende Erklärung für die unterschiedliche Prävalenz zwischen den Geschlechtern und zum Teil auch zwischen verschiedenen Ländern.
Ätiologie
Hinweise auf transsexuelle Menschen finden
sich schon im Altertum bei Herodt und
ubiquitär in vielen Kulturen und Gesellschaften, bei Indianern und Asiaten ebenso
wie im Abendland.[2] Der Begriff des Transsexualismus entstand erst im 20. Jahrhundert. Auf Harry Benjamin (1953) ist die
Abgrenzung zum Transvestitismus zurück-
716
zuführen. Er begründete mit seinem Buch
„The transsexual phenomenon“ (1966) das
Verständnis der Transsexualität als nosologische Entität und behandlungswürdige
Krankheit. Wurde die Transsexualität lange
Zeit als rein psychologisches Phänomen
gesehen, so weiß man heute, dass der
Transsexualität organische Veränderungen
im ZNS zugrunde liegen. Untersuchungen
an Gehirnen verstorbener transsexueller
Frauen (Mann zu Frau) zeigten typisch
weibliche Strukturen in einem bestimmten
Areal im Bereich der Stria terminalis.[3]
Eine weitere Studie fand bei transsexuellen
Frauen Polymorphismen des Androgenrezeptors.[4] Diese Ergebnisse führten zu
dem Konzept, dass es sich bei der Transsexualität um eine intersexuelle Erkrankung
handelt, bei der die sexuelle Differenzierung
des Gehirns nicht mit dem chromosomalen
und gonadalen Geschlecht übereinstimmt.
Die in der Kindheit gefestigte Geschlechtsidentität ist irreversibel. Eine psychotherapeutische Anpassung an das morphologische
Körperbild ist bei echten Transsexuellen
nicht möglich und mit unabsehbaren Folgen
für die Patienten verbunden. Die Patienten
leiden zum Teil erheblich unter ihrer Transsexualität. Ein häufiges Phänomen, insbesondere bei transsexuellen Männern, sind
Ritzverletzungen an den Armen. Dieses
Verhalten muss unbedingt von Patienten
mit einer Borderline-Störung abgegrenzt
werden. Weitere Differenzialdiagnosen
betreffen alle geschlechtsdysphorischen
Zustände vorübergehender Art, zum Beispiel in Adoleszentenkrisen, Fetischistischen Transvestitismus, Dissoziative Störungen („Multiple Persönlichkeiten“),
schwere Identitätsstörungen auf BorderlineNiveau und psychotische Verkennung der
Geschlechtsidentität.
Nach Preuss gibt es verschiedene Anpassungsstrategien: Verheimlichung (Schamund Schuldgefühle), Perfektionierung des
heimlichen Cross-Dressings, sozialen Rückzug (Einzelgängertum, soziophobische
Ängste), Rückzug in eine hypertrophierende Fantasiewelt, Manipulationen bis zu
Selbstverletzungen an den Genitalien, Auf-
Gynäkologie
Abb. 1: Mastektomie mit freier Brustwarzentransplantation bei einem transsexuellen Patienten
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Genaue Diagnosestellung der individuellen Geschlechtsidentitätsstörung
Diagnostik anderer psychiatrischer Begleiterkrankungen und Veranlassung einer adäquaten Behandlung
Beratung über alle Behandlungsoptionen und ihre Konsequenzen
Ernsthafte Bemühung um Psychotherapie – „to engage in psychotherapy“
Überprüfung der Voraussetzungen für die Indikation somatischer Behandlungsschritte
Verbindliche Überweisungen an medizinische Kollegen und Operateure mit begründeter Indikation
Dokumentation der Vorgeschichte des Patienten im Arztbrief (Indikationsschreiben)
Mitarbeit in einem professionellen Team, das sich mit Geschlechtsidentitätsstörungen befasst
Beratung und Aufklärung von Angehörigen, Arbeitgebern und Institutionen
Bereitschaft für behandelte Patienten später zur Verfügung zu stehen, unter Umständen lebenslang
Tab. 1: Die zehn Aufgaben des „Gender-Spezialisten“ (nach Dr. Wilhelm F. Preuss)
gabe der Körperbesetzung, körperliche
Vernachlässigung, Verleugnung, Erlernen
und „Spielen“ der nicht passenden Geschlechtsrolle, Hoffnung auf „Selbstheilung“
durch entsprechende Berufswahl, Eheschließung, Familiengründung etc. sowie
Überkompensationen wie Machogehabe
bei männlichen Transsexuellen.
Die Diagnose des Transsexualismus muss
durch einen Psychiater, am besten einen so
genannten „Gender-Spezialisten“, gutachterlich gesichert werden (Tab. 1). Die Betreuung der Patienten dauert mindestens
ein Jahr. Am Ende des gutachterlichen Verfahrens wird die totale und irreversible
transponierte Geschlechtsidentität als Indikation zur hormonellen und chirurgischen
Angleichung bestätigt.
Therapie
Die Therapie bei Transsexualität besteht
unabhängig vom Geschlecht in drei Maßnahmen:
1. Alltagstest (Real-life-Test): Im Alltagstest lebt der Patient während der mindestens einjährigen gutachterlichen Betreuung
durch einen Psychiater einen Rollenwechsel, während dessen er sich auch seiner
Umwelt „outet“.
2. Hormonbehandlung: Voraussetzung für
den Beginn einer Hormonbehandlung ist
ein psychiatrisches Gutachten, das die
Transsexualität bestätigt, da durch die
Hormonbehandlung bereits irreversible
Veränderungen hervorgerufen werden,
zum Beispiel eine tiefere Stimme bei transsexuellen Männern nach Testosteronbehandlung. Die Hormonbehandlung transsexueller Männer besteht in der Gabe von
Testosteronpräparaten, zum Beispiel
250 mg Testoviron-Depot i. m. alle zwei bis
drei Wochen. Eine schnellere Vermännli-
1. Stufe
Diagnostik
2. Stufe
Behandlung während der Alltagserfahrung/Psychotherapie
Vornamensänderung nach § 1 TSG
3. Stufe
Hormonbehandlung nach
Alltagserfahrung über mind. 1½ Jahre
4. Stufe
geschlechtsangleichende Operation
5. Stufe
Nachbehandlung/Weiterbetreuung
Personenstandsänderung nach § 8 TSG
Tab. 2: Behandlungsstufen für transsexuelle Patienten
chung wird durch höhere Dosen nicht
erreicht, da die Wirkung durch die Anzahl
der Androgenrezeptoren bestimmt wird.
Höhere Dosen belasten lediglich die Leber.
Ziel der Androgenbehandlung ist das
Erreichen einer männlichen Haarverteilung,
Zunahme der Muskelmasse, Stimmbruch
und Amenorrhoe. Häufige unerwünschte
Nebenwirkungen sind eine ausgeprägte
Akne und eine Steigerung der Libido. Die
Verweiblichung transsexueller Frauen lässt
sich durch Ethinylöstradiol-Injektionen
(z. B. 20 mg Ethinylöstradiol i. m.) in zweiwöchentlichen Abständen, orale tägliche
Östrogentherapie oder ein transdermales
System (z. B. Estraderm® TTS100) erreichen.
Die höchste Compliance zeigt die halbjährliche Implantation eines Östrogenstylus
unter die Haut (Östradiol implant® 75 mg).
Zur Reduktion der männlichen Behaarung
wird Cyproteronacetat (z. B. Androcur®)
angewendet. Ziel der Therapie ist das
Erreichen einer weiblichen Fettverteilung,
einer weichen Haut, einer Gynäkomastie,
einer Hodenathrophie und eines Potenzverlustes (Erektion/Ejakulation).
717
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Abb. 2: Brustaufbau bei einer transsexuellen Patientin mit Silikonprothesen
3. Operative Therapie: Die operative Therapie sollte frühestens sechs Monate nach
Beginn der Hormontherapie erfolgen.
Voraussetzungen sind zwei psychiatrische
Gutachten und die Kostenübernahme
durch die Krankenkasse. Aus unserer Sicht
ist in dieser besonderen Situation der Operateur lediglich ausführender Dienstleister.
Die Indikation zur Operation stellt der
Psychiater, indem er die Transsexualität
diagnostiziert. Neben der Konstruktion des
Zielgeschlechtes dient die Operation auch
der sicheren und irreversiblen Sterilisation,
die Voraussetzung für die Personenstandsänderung ist. Die Operation transsexueller
Männer beinhaltet die Entfernung des Uterus und/oder beider Adnexe, des Drüsenkörpers und die Formung eines männlichen
Oberkörpers. Die genitale Geschlechtsangleichung ist möglich (Tab. 2), wird aber
aufgrund ihrer Komplexität und der möglichen Komplikationen nur von einem Teil
der Patienten angestrebt. Die Operation
transsexueller Frauen besteht aus der Entfernung von Penis und Testes, der Konstruktion einer Neovagina aus Penishaut
oder Darm, dem Aufbau weiblicher Brüste
durch Implantation von Silikonprothesen
und der Epilation.
718
Operative Therapie in der
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Literatur
[1] Van Kestern PJ, Gooren LJ, Megens JA. An epidemiological and demographic study of transsexuals in the Nether-
Wir bieten vor allem die operative Therapie bei transsexuellen Männern an. Im
ausführlichen Beratungsgespräch werden
zusammen mit dem Patienten die Art und
der zeitliche Ablauf der Therapie festgelegt. Die Entfernung von Uterus und
Adnexe erfolgt minimal-invasiv (z. B. totale
laparoskopische Hysterektomie) oder über
eine Minilaparotomie oberhalb der Symphyse. Der Vorteil hierbei ist das Vermeiden jeglicher vaginaler Manipulation.
Die Entfernung der Brustdrüse erfolgt bei
größerer Brust im Sinne einer Mastektomie
mit freier Brustwarzentransplantation
(Abb. 1), wobei aufgrund der Schnitttechnik ein männlicher Oberkörper mit Darstellung des lateralen Randes des Musculus pectoralis major angestrebt wird. Bei
kleiner Brust werden auch Operationstechniken mit nur kleinen Narben um die
Brustwarze angewendet. Den Patienten
wird eine simultane Operation von Brust
und Unterleib angeboten, sodass nur ein
Krankenhausaufenthalt notwendig ist.
Bei transsexuellen Frauen bieten wir den
Brustaufbau durch Implantation von Silikonprothesen an. Dabei ist es vor allem
wichtig, eine neue Submammärfalte zu
rekonstruieren, um eine natürliche Brustform zu erzielen (Abb. 2). Alle Patienten
werden in Einzelzimmern untergebracht.
Aufgrund der Erfahrung des pflegerischen
und ärztlichen Personals mit transsexuellen Patienten ist ein sehr freundlicher und
respektvoller Umgang selbstverständlich.
lands. Arch Sex Behav 1996; 25: 589.
[2] Eicher W, Transsexualismus: Möglichkeiten und Grenzen der Geschlechtsumwandlung, 2. Auflage Stuttgart,
New York: Fischer.
[3] Zhou JN, Hofman MA, Gooren LJ, Swaab DF. A sex
difference in the human brain and it’s relation to transsexuallity. Nature 1195; 378: 68.
[4] Hare L, Bernard P, Sanchez FJ, et al. Androgen receptor
repeat length polymorphism associated with male-tofemale transsexualism. Biol Psychiatry 2008: 20-4.
Kontakt
Priv.-Doz. Dr. Jörg Schwarz
Klinik für Gynäkologie, Onkologie und
Brustzentrum
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-87 31 26
Fax (0 40) 18 18-87 31 27
E-Mail: joe.schwarz@asklepios.com
Neurochirurgie
Der zervikale Bandscheibenvorfall
Prof. Dr. Uwe Kehler
Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und die Schulter-Arm-Region sind ein weitverbreitetes
Problem. Ursächlich sind häufig degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule. Bandscheibenvorfälle verursachen
dabei meist akute Wurzelreiz- und/oder Wurzelausfallsyndrome, während chronische Beschwerden meist durch
degenerativ-knöcherne Veränderungen hervorgerufen werden. Zwar sind zervikale Bandscheibenvorfälle seltener
als lumbale, die potenzielle Bedrohung ist jedoch durch die Nähe zum Rückenmark deutlich größer.
Anamneseerhebung, genaue klinisch/neurologische Untersuchung, die bildgebende Diagnostik sowie differenzialdiagnostische Abwägungen stellen die Weichen für konservative oder operative Maßnahmen. Diese sind deutlich
erfolgreicher als gemeinhin angenommen.
Pathogenese
Degenerationen der Bandscheiben gehen
mit Dehydratation und Höhenminderung
der Zwischenwirbelräume einher. Dabei
können der Anulus fibrosus einreißen und
Teile des Nucleous pulposus austreten.
Während dorsomediale Bandscheibenvorfälle zu Rückenmarkskompression führen
können (Abb. 2), verursachen dorsolaterale
Vorfälle eher Nervenwurzelkompressionen
(Abb. 1).
Abb. 1: NMR eines lateralen Bandscheibenvorfalles mit
Nervenwurzelkompression
Die Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes verursacht eine zusätzliche
Belastung besonders der Unkovertebralgelenke. Reaktionen sind hypertrophe
Unkarthrosen und Spondylosen mit sekundären Einengungen der Wurzelkanäle
und/oder des Rückenmarkkanals.
Betroffen ist meist die untere Halswirbelsäule, vor allem die Höhen HW5/6 und
HW6/7, seltener HW4/5 und HW7/BW1.
Klinik
Die Beschwerden gehen häufig mit
Nackenschmerzen und einer radikulären
Schmerzausstrahlung einher. Bei einer Irritation der Nervenwurzel C6 findet sich
typischerweise eine Schmerzausstrahlung
bis in den Daumen, bei C7 bis in den
Mittelfinger und bei C8 bis in den Kleinfinger. Motorische Ausfälle (Paresen) der
Kennmuskeln und Reflexausfälle können
hinzukommen. Die Paresen sind wegen
der häufig mehrsegmentalen Innervation
der einzelnen Muskeln meist nicht komplett. Bei langsam entstehenden Kompressionen des Rückenmarks kommt es zu
ataktischen, spastischen Gangstörungen
mit Reflexsteigerungen – der zervikalen
Myelopathie. Bei akuten Rückenmarkskompressionen z. B. durch einen dorsomedianen Bandscheibenvorfall (Abb. 2) droht
gar eine akute Querschnittslähmung.
Diagnostik
Anameseerhebung und klinisch/neurologische Untersuchung spielen eine bedeutende Rolle in der lokalisatorischen Eingrenzung der zu erwartenden Pathologie.
Die weitere Diagnostik kann dann selektiv
ausgewählt werden. Abhängig von der
Akuität und dem Schweregrad der Symptomatik ist auch die Dringlichkeit der weiteren Diagnostik und Therapie festzulegen.
Ein akuter Querschnitt macht eine sofortige weitere Abklärung (Tag und Nacht) notwendig.
Die Verdachtsdiagnose eines Bandscheibenvorfalls muss mit der Bildgebung
bestätigt werden. Dabei spielen Röntgennativaufnahmen heute kaum noch eine
Rolle, da sie einen Bandscheibenvorfall
nicht direkt nachweisen können. Untersuchung der Wahl ist die Kernspintomografie: Sie stellt das Rückenmark, die Nervenwurzeln, die Bandscheibe und den
719
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Abb. 2: Sagittale und axiale Kernspintomografie eines medialen Bandscheibenvorfalles HW3/4 (→)
mit Rückenmarkskompression – klinisch: akutes Querschnittssyndrom
■ Klinische Untersuchung
■ (Rö-Aufnahmen der HWS in 4 Ebenen)
■ Kernspintomografie und/oder
Computertomografie
■ Evtl. EMG, NLG
■ Evtl. Funktionsaufnahmen (Röntgen oder MRT)
Tab. 1: Diagnostik bei Verdacht auf zervikalen Bandscheibenvorfall
■ Degenerativ-knöcherne Veränderung (Unkarthrose,
Osteochondrose, Spondylarthrose)
■ Tumoren (z. B. Neurinome, Meningeome,
Metastasen, Pancoasttumor)
■ Schultergelenksverletzungen und -degeneration
■ Entzündungen (z. B. Borreliose, Myelitis, MS)
■ Spondylodiscitis
■ Polyneuropathie
■ Armplexusläsionen
■ Thoracic outlet Syndrom
■ Frakturen
■ Periphere Nervenkompressionssyndrome
■ Neuralgische Myatrophie
■ Spondylolisthese
■ …
Tab. 2: Differenzialdiagnosen des zervikalen
Bandscheibenvorfalles
■
■
■
■
Therapieresistente Schmerzen
Relevante progrediente Paresen
Progrediente zervikale Myelopathie
Akutes Querschnittssyndrom (absoluter Notfall)
Tab. 3: Operationsindikationen
eventuellen Vorfall sowie differenzialdiagnostisch zu erwägende Pathologien (Tumoren, Frakturen, Entzündungen etc.) in
großer Genauigkeit dar. Stehen die rein
knöchernen Veränderungen im Vordergrund, kann die Computertomografie sehr
hilfreich sein. Sie wird auch eingesetzt,
wenn Kontraindikationen gegen die Kernspintomographie (z. B. Herzschrittmacher,
Tiefenhirnstimulation, Klaustrophobie etc.)
bestehen. Eine zu vermutende Instabilität
wird durch Funktionsaufnahmen der HWS
mittels Nativröntgen oder Kernspintomografie geklärt. Natürlich ist eine differenzialdiagnostische Abwägung (Tab. 2) notwendig. Dazu werden je nach Bedarf die
Kernspintomografie, Liquoruntersuchungen
und die Elektrophysiologie (EMG, NLG)
eingesetzt.
Therapie
Die Akuität und der Schweregrad der
Erkrankung bestimmen die einzuschlagende Therapie: Hochgradige akute Paresen
machen eine rasche operative Dekompression notwendig, während bei Schmerzen
und geringgradigen neurologischen Ausfällen ein konservativer Therapieversuch
unternommen werden sollte.[1]
Konservative Therapie
Eine Ruhigstellung der Halswirbelsäule ist
nur bei akuten Schmerzsyndromen und
dann auch nur kurzzeitig indiziert. Analgetika müssen ausreichend dosiert werden.
Physikalische Maßnahmen unterstützen
die Behandlung. Chirotherapeutische
720
Manöver dürfen erst nach erfolgter Bildgebung erfolgen. Eine kurzzeitige hochdosierte orale Cortisonbehandlung (z. B. mit
Dexamethason) über zwei bis drei Tage
(unter Berücksichtigung der Kontraindikationen) ist häufig schmerzlindernd. Im Einzelfall können auch Facetteninfiltrationen
und periradikuläre Injektionen helfen –
besondere Vorsicht ist hier wegen der desaströsen Nebenwirkungen bei fehlerhaften Injektionen (Querschnittslähmung)
geboten. Isometrische Übungen zur Stärkung des muskulären Korsetts der Halswirbelsäule werden häufig als angenehm
empfunden und sollten über den akuten
Krankheitsverlauf hinaus fortgeführt werden. Bei chronifizierten Schmerzen ist eine
professionelle Schmerztherapie eventuell
mit psychotherapeutischen Verfahren notwendig.
Operative Therapie
Zunehmende funktionell relevante Defizite, das heißt in der Regel höhergradige
Lähmungen, machen eine rasche operative
Therapie notwendig, um keine dauerhaften
Behinderungen zu riskieren. Ein sich rasch
entwickelndes Querschnittsyndrom ist ein
absoluter Notfall. Aber auch eine ausgereizte konservative Behandlung über viele
Wochen stellt selbst bei fehlenden neurologischen Ausfällen eine Operationsindikation dar. Natürlich ist die OP-Indikation
immer individuell zu stellen. Dass das
morphologische Korrelat die Beschwerden
eindeutig erklärt, ist für die Operationsindikation eine conditio sine qua non.
Prinzipiell sind zwei Operationsverfahren
zu unterscheiden:
■ 1: der ventrale Zugang mit Entfernung
der Bandscheibe (Diskektomie), neuraler Dekompression und Fusion
■ 2: der dorsale Zugang mit Eröffnung
des Wurzelkanals (Foraminotomie) zur
Dekompression der Nervenwurzel und
eventuellen Entfernung eines lateralen
Bandscheibenvorfalles.
Alle Operationen an der Wirbelsäule, den
Nervenwurzeln und dem Rückenmark
werden mikrochirurgisch durchgeführt.
Ventraler Zugang: Mit diesem Zugang
(Abb. 3a) können nach Entfernung der
Bandscheibe sowohl dorsomediale als auch
dorsolaterale Bandscheibenvorfälle,
Neurochirurgie
Unkarthrosen oder mediale Spondylophyten unter mikroskopischer Sicht abgetragen werden. Anschließend führt man eine
Spondylodese mit einem Titan- oder PEEK
(Polyetheretherketon)-cage durch (Abb. 4).
In ausgesuchten Fällen kann auch eine
Bandscheibenprothese eingesetzt werden.
Bei vorliegendem Wirbelgleiten wird die
Fusion über eine Plattenosteosynthese gesichert.[3,4]
Dorsaler Zugang: Bei lateralen Bandscheibenvorfällen wird der Wurzelkanal von
dorsal aufgefräst und der Bandscheibenvorfall extrahiert (Abb. 3b). Vorteil des dorsalen Zuganges ist, dass die Bandscheibe
nicht angegangen werden muss. Limitiert
ist der dorsale Zugang jedoch auf laterale
Vorfälle: Bei weiter nach medial reichenden
Bandscheibenvorfällen wäre das sehr empfindliche Rückenmark gefährdet. Deshalb
ist der dorsale Zugang bei medialen Vorfällen absolut kontraindiziert.
Bei langstreckigen Wirbelkanalstenosen ist
sowohl die ventrale Korporektomie (Entfernung der mittleren Anteile der Wirbelkörper) auch über mehrere Höhen mit
anschließendem Wirbelkörperersatz und
Plattenosteosynthese als auch die dorsale
Laminektomie oder Laminoplastik (Aufklappen der Wirbelbögen mit Neufixierung) eine wirksame Möglichkeit zur Entlastung des Rückenmarks.[2]
Die Prognose der Operationen ist bei richtiger Indikation außerordentlich gut und
wird in vielen Arbeiten mit über 90 Prozent angegeben.[2,4]
Komplikationen bei erfahrenen Neurochirurgen sind selten. Bei den ventralen Zugängen sind temporäre Schluckstörungen
und Recurrensparesen mit Heiserkeit
(ebenfalls meist nur temporär) zu erwähnen. Verletzungen der Nervenwurzeln und
des Rückenmarks sind eine Rarität.
a
Bandscheibenvorfall mit Rückenmarksund Nervenwurzelkompression
Lateraler Bandscheibenvorfall unter der Nervenwurzel
b
Abb. 3 – a: ventraler Zugang – b: dorsaler Zugang
Abb. 4: Intraoperatives Bild mit PEEK-Dübel (Höhe: 6 mm) und postoperatives Röntgenbild
mit Titan-Dübel bei HW3/4
Operation zunächst vorausgestellt werden.
Bei therapieresistenten radikulären Schmerzen oder manifesten neurologischen Ausfällen ist ein mikrochirurgischer Eingriff
anzustreben, bei hochgradigen Paresen
oder beginnender Querschnittslähmung
auch zeitnah beziehungsweise sofort
durchzuführen. Die Risiken des mikrochirurgischen Eingriffes sind gering. Die
Langzeitprognose ist nicht nur von der
Akuttherapie, sondern auch von der fortschreitenden Wirbelsäulendegeneration
bestimmt.
Kontakt
Prof. Dr. Uwe Kehler
Abteilung für Neurochirurgie
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1
22763 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-81 16 70
Fax (0 40) 18 18-81 49 11
E-Mail: u.kehler@asklepios.com
Fazit
Literatur
Der zervikale Bandscheibenvorfall und die
degenerative HWS-Veränderung stellen ein
häufiges, in der Regel aber gut behandelbares Problem dar. Die Kernspintomografie
ist die Bildgebung der Wahl. Bei Schmerzen und geringen neurologischen Ausfällen sollte die konservative Therapie einer
[1] AWMF: Zervikale Radikulopathie. Leitlinien für Diag-
[3] Korinth MC: Treatment of cervical degenerative disc
nostik und Therapie in der Neurologie; 4. überarbeitete
disease – current status and trends. Zentralbl Neurochir.
Auflage 2008, S. 654 ff, ISBN 978-3-13-132414-6; Georg
2008 Aug; 69(3): 113-24.
Thieme Verlag Stuttgart.
[4] Matz PG, Langston TH et al.: Indication for anterior
[2] Heary FH, Timothy CR et al.: Cervical laminoforamino-
cervical decompression for the treatment of cervical dege-
tomy for the treatment of cervical degenerative radiculopa-
nerative radiculopathy. J Neurosurg Spine. 2009; 11: 174-82.
thy, J Neurosurg spine. 2009; 11: 198-202.
721
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
H1N1 –
Der nächste Winter kommt bestimmt
Dr. Susanne Huggett
Die schnelle Ausbreitung des neuen Influenzavirus H1N1 hat uns in den vergangenen Monaten die globale
Bedeutung von Infektionskrankheiten deutlich vor Augen geführt. Infektionsausbrüche in anderen Kontinenten
können die Bevölkerung Europas innerhalb von 48 Stunden bedrohen. Durch den internationalen Flugverkehr
kann ein Influenzavirus in vier Tagen einmal um die Erde gelangen (siehe Abb. rechts). In Mexiko wurden die
ersten Erkrankungen an der sogenannten Schweinegrippe im April dieses Jahres bekannt. Zahlreiche Todesfälle
wurden mit der Infektion in Verbindung gebracht. In den USA infizierten sich dann zwei Kinder, ohne dass sie
Kontakt zu Tieren hatten – ein Beweis, dass das neue Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist.
Das Pandemievirus Influenza A H1N1
Die Warnungen der WHO vor einer Pandemie führten national und international seit
Jahren zu umfangreichen Planungen. Und
doch überraschte die aktuelle Entwicklung
mit der Erkennung eines bisher unbekannten Influenzavirus A mit dem Subtyp
H1N1, da die Experten erwarteten, dass
das neue Pandemievirus ein Vogelgrippevirus vom Typ H5N1 sein würde.
Im neuen Virus wurden Gensegmente aus
Schweinen eurasischer Herkunft, von
nordamerikanischen Vögeln und des Menschen identifiziert. Durch Vermischung der
Gene ist eine neue Virusart, eine sogenannte Reassortante (siehe Abb. ) entstanden.
722
Was bedeutet eine Pandemie für Hamburg?
Für Hamburg rechnen wir bei einer mittleren
Erkrankungsrate von 30 Prozent innerhalb einer
Pandemiewelle mit 470.000 Arztkonsultationen,
10.500 hospitalisierten Patienten, von denen
1.575 intensivpflichtig sind, und mit 2.100
Toten. In diesem Fall werden in der ersten Woche
der Pandemiewelle circa 620 Patienten stationär
aufgenommen, in der Peakphase knapp 2.000
pro Woche. Alle Betten der Hamburger Kliniken
werden mit einbezogen.
Es ist bekannt, dass im Schwein bevorzugt
verschiedene Virustypen zu neuen Erregern
mutieren können.
des Virus von Mensch zu Mensch. Die
Transmissionsrate liegt bisher bei > 30 Prozent.
Während seit Jahren die WHO-Warnstufe 3
von sechs möglichen Stufen galt, erfolgte
nun eine schnelle Anpassung an die Gefährdungseinschätzung: am 28. April 2009
Warnstufe 4, bereits am 30. April 2009 Warnstufe 5 und schließlich am 11. Juni 2009 das
Ausrufen der Pandemie durch die WHO.
Innerhalb von nur sechs Wochen hatte sich
das neue Influenzavirus A H1N1 über
mehrere Kontinente ausgebreitet. Möglich
war dies durch die leichte Übertragbarkeit
Die ersten Erkrankungsfälle in Europa
standen in Zusammenhang mit Reiserückkehrern aus den USA oder Mexiko. Nur in
Einzelfällen gab es Übertragungen vor Ort,
sogenannte autochthone Fälle. Aber bereits
im Mai kam es in Europa, vor allem in Spanien und England, zu Krankheitsausbrüchen. Im Juli wurden in England 100.000
Neuerkrankungen pro Woche festgestellt!
In Deutschland stellten wir mit Reiserückkehrern vor allem aus Spanien ab Ende Juli
Infektiologie
Diagnostik
Die sichere Diagnostik der Neuen Influenza ist nur
durch molekularbiologische Verfahren (PCR) möglich. Die Aussagekraft von Schnelltests ist nicht
ausreichend. Als Material eignen sich Nasen- und
Rachenabstriche.
einen Anstieg der Erkrankungsfälle fest.
Zum Teil wurden mehr als 500 Neuinfektionen pro Tag diagnostiziert. Insgesamt
erkrankten in Deutschland bisher mehr als
20.000 Menschen.
Wer erkrankt an H1N1?
Auffällig ist, dass der Altersdurchschnitt
der Influenzapatienten in Deutschland
nach Informationen des Robert-Koch-Instituts bei 23 Jahren liegt und Menschen über
60 Jahre kaum betroffen sind. Schwangere,
Neugeborene, Kinder bis zu vier Jahren
und junge Erwachsene sind neben Personen
mit chronischen Erkrankungen besonders
gefährdet. Im Gegensatz dazu ist die Risikogruppe für die saisonale Influenza, vor
allem die ältere Bevölkerung, bei der
Influenza A H1N1 bisher kaum betroffen.
Die gute Nachricht über das Pandemievirus
ist, dass die Erkrankungen an Influenza A
H1N1 bisher eher mild verlaufen. So gab
es in Deutschland bis Anfang Oktober 2009
einen bestätigten Todesfall. Nur selten, zum
Beispiel bei chronischen Atemwegserkrankungen, ist eine stationäre Versorgung
mit intensivmedizinischer Therapie und
Beatmungspflichtigkeit erforderlich. Das
bedeutet, dass die Versorgung der Patienten mit Neuer Influenza nach wie vor
überwiegend ambulant erfolgen kann und
sollte, damit die mögliche Ausbreitung des
Virus im stationären Bereich – wo Immunsupprimierte und Schwerkranke versorgt
werden – so weit wie möglich vermieden
werden kann.
So viel ambulant wie möglich!
von Engpässen sein. Zur Entlastung der
Kliniken ist außerdem die frühzeitige
Übernahme von Patienten aus der stationären in die ambulante Versorgung wichtig.
Bleibt das Pandemievirus, wie es ist?
Experten fürchten, dass sich die Virulenz
des Erregers deutlich verändern könnte
und dann ein größerer Teil der Erkrankten
hospitalisiert werden muss. Außerdem
beginnt jetzt auf der Nordhalbkugel die
Wintersaison mit einer steigenden Zahl
zirkulierender Viren, die Atemwegserkrankungen verursachen.
Die saisonal auftretenden Influenzaviren
und das Pandemievirus können zu Doppelinfektionen führen, die mit größeren
Komplikationen verbunden sein können.
Die niedergelassenen Ärzte stehen vor der
Herausforderung, die ambulante Krankenversorgung sicherzustellen und Erkrankte
so lange wie möglich ambulant zu behandeln. Die Einrichtung von Fieberambulanzen
kann ein Instrument zur Überbrückung
723
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Was hilft, die Verbreitung der Viren einzudämmen?
Hygienetipps
Influenzaviren sind sehr gut empfindlich auf die
gängigen Desinfektionsmittel. Insofern ist es nicht
nötig, für die Influenza spezielle Desinfektionsmittel einzusetzen.
■ Direkten Kontakt von Erkrankten zu anderen Patienten und so weit möglich
zu Gesunden meiden (Isolierung)
■ Händehygiene (vor dem Essen, nach Kontakt zu anderen)
■ Ungeschütztes Niesen und Husten unterlassen (Hustenhygiene),
ggf. Mund-Nasen-Schutz anlegen
■ Händeschütteln vermeiden
■ Schleimhautkontakt über die Hände meiden (Augen, Mund, Nase)
■ Menschenansammlungen meiden
■ Regelmäßiges Lüften der Räume
■ Aufklärung der Patienten über Verhaltensmaßnahmen zur Reduktion des
Übertragungsrisikos
Die Infektiösität des Virus beginnt nicht erst mit
den klinischen Symptomen Fieber, Husten, Mattigkeit, sondern bereits bis zu einem Tag zuvor! Die
Ansteckung erfolgt sowohl über Tröpfchen- als
auch über Kontaktinfektion durch zum Beispiel
Hände oder Türklinken. In der Umwelt können die
Viren bis zu zwei Tage ihre Ansteckungsfähigkeit
behalten.
Schutzausstattung
■ Dicht abschließender Mund-Nasen-Schutz
■ Handschuhe, Schutzkittel bei direktem Kontakt zu Infizierten, ggf. auch Schutzbrille
Impfung ja oder nein?
Die Impfung ist die effektivste Methode,
eine Influenzaerkrankung und deren Komplikationen zu verhindern. Umso wichtiger
ist, dass möglichst viele Personen sowohl
gegen die saisonale Influenza als auch
gegen das Pandemievirus geimpft werden.
Mitarbeiter im Gesundheitswesen tragen
eine besondere Verantwortung, weil
bekannt ist, dass sie mit Impfungen gegen
Influenza nicht nur sich selbst und ihre
nächsten Angehörigen schützen, sondern
auch die Patienten. Im Pandemieplan des
Bundes und der Länder wird zudem nicht
zuletzt aus Gründen des Arbeitsschutzes
gefordert, dass nur Influenza-geimpftes
Personal Patienten mit akuter Influenza
behandeln soll.
Seit Jahren gibt es ein großes Defizit bezüglich der Impfung medizinischen Personals
gegen Influenza. Aktuelle Untersuchungen
in europäischen Ländern geben eine Impfrate von unter 30 Prozent bei medizinischem Personal an – hier gibt es kurzfristig
erheblichen Nachholbedarf. In Deutschland
liegt die Rate bei 20 Prozent. Die Impfkam-
724
pagne, mit der zum Beispiel Gesundheitsämter und Ärzte in Hamburg die Bevölkerung ansprechen, soll den Anteil der Geimpften erhöhen. Für Risikogruppen wie
Schwangere, Kinder, chronisch Kranke und
Ältere ist die Impfung wichtig, um Komplikationen der Influenza zu vermeiden.
Die aktuelle STIKO-Empfehlung vom 8.
Oktober gibt detaillierte Informationen zur
Indikation und zur Zulassung der Impfstoffe für die Neue Influenza: www.rki.de.
Information – Sicherheit im Alltag!
Die rechtzeitige und sachliche Information
über Influenza, die Schulung zu Schutzund Hygienemaßnahmen sowie das Erstellen von Ablauf- und Alarmierungsplänen
haben eine zentrale Bedeutung, um im
Ernstfall besser vorbereitet zu sein. Über
das Robert-Koch-Institut ist jederzeit im
Internet die aktuelle Entwicklung mit den
notwendigen Maßnahmen abrufbar:
www.rki.de.
Neben Informationen auf Deutsch gibt es
auch Erklärungen zur Neuen Influenza in
verschiedenen Sprachen, die elektronisch
unter www.hamburg.de/neue-grippe verfügbar sind.
Kontakt
Dr. Susanne Huggett
Ärztliche Leiterin und Leitende Ärztin
Hygiene
MEDILYS Laborgesellschaft mbH
Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-81 59 01
Fax (0 40) 18 18-81 49 54
E-Mail s.huggett@asklepios.com
Herzchirurgie
Herzchirurgie heute
Prof. Dr. Michael Schmoeckel
Abb. 1: Off Pump Coronary Artery Bypass (OPCAB):
Koronarchirurgie am schlagenden Herzen mit Stabilisator und Saugglocke (mit freundlicher Genehmigung der
Fa. Medtronic)
Viele technische und apparative Innovationen haben die Herzchirurgie in den letzten Jahren stark gewandelt. Die
enge Kooperation mit den Nachbardisziplinen Kardiologie, Angiologie und Diabetologie, aber insbesondere auch
mit unseren operativen Partnern in der Anästhesiologie und Gefäßchirurgie ermöglicht an der Asklepios Klinik
St. Georg die optimale Betreuung der Herz- und Gefäßpatienten in einem spezialisierten Zentrum.
1. Koronarchirurgie
Der Vergleich der Ergebnisse nach Behandlung mit Drug Eluting Stents gegenüber
der Bypassoperation in der prospektiv randomisierten Syntax-Studie [1] ergab, dass
„die Koronarbypass-Operation der Standard für Patienten mit koronarer Dreigefäßerkrankung oder linker Hauptstammstenose bleibt“. Darüber hinaus zeigen
große US-amerikanische Register, dass
außerhalb kontrollierter klinischer Studien
bei koronarer Mehrgefäßerkrankung die
Koronarbypass-Operation weiterhin mit
einer geringeren Mortalität assoziiert ist als
die Behandlung mit Drug Eluting Stents,
und ebenso mit einer geringeren Häufigkeit von Tod oder Herzinfarkt und erneuter Revaskularisierung.[2]
Allerdings ist insbesondere bei multimorbiden Patienten ein koronarchirurgischer
Eingriff nicht ohne Risiken: Die mit 2,2 versus 0,6 Prozent signifikant höhere Inzidenz
von Schlaganfällen [1] ruft nach schonenderen Operationsverfahren. Hier hat sich die
Operationstechnik am schlagenden Herzen
(Off Pump Coronary Artery Bypass =
OPCAB, Abb. 1) als fester Bestandteil des
herzchirurgischen Spektrums etabliert,
bundesweit liegt der Anteil dieser Eingriffe
mittlerweile bei zehn Prozent, im eigenen
Patientengut bereits bei über 30 Prozent.
Frauen scheinen von diesem Verfahren
besonders zu profitieren, wie eine Auswertung der Ergebnisse der Jahre 2004 – 2008
ergab (Abb. 2). Daher wird dieses Operationsverfahren in der Herzchirurgischen
Abteilung der Asklepios Klinik St. Georg
insbesondere bei Patientinnen und RisikoKonstellationen (schwere allgemeine Arteriosklerose, Voroperationen, Dialysepatienten) eingesetzt. Um die überlegenen
Langzeitergebnisse der Bypasschirurgie
tatsächlich auch zu realisieren, wird gerade
bei jüngeren Patientinnen und Patienten
die total arterielle Revaskularisierung
unter Verwendung der beiden Brustwandarterien,[3] gegebenenfalls zusätzlich der A.
radialis durchgeführt.
2. Klappenchirurgie
Die Behandlung der Aortenklappenstenose
bei Risikopatienten erfährt derzeit eine
Revolution. Durch die Entwicklung kathe-
tergestützter Verfahren, entweder über die
Leisten- oder Armarterie beziehungsweise
transapikal, kann der Eingriff am schlagenden Herzen durchgeführt werden. Nach
Valvuloplastie wird unter Röntgen-Durchleuchtung eine selbstexpandierende biologische Klappe freigesetzt (System CoreValve®).
Alternativ kann eine auf einem zusammengefalteten Ballon befindliche Klappe unter
schneller Ventrikelstimulation in die native
Aortenklappe „gestentet“ werden (System
Edwards Sapien, Abb. 3).
Die bislang mit diesem Verfahren beobachtete Letalität liegt bei etwa zehn Prozent.
Daher ist nach europäischen [4] und deutschen Richtlinien [5] derzeit ein Einsatz nur
bei Hochrisikopatienten gerechtfertigt
(Tab. 1). Allerdings unterliegt das Indikationsspektrum einem kontinuierlichen
Wandlungsprozess. Mittlerweile wurde
das System auch bereits bei Patienten nach
biologischem Aortenklappenersatz [6] oder
nach Homograftimplantation und Degeneration der chirurgisch implantierten Klappe [7] eingesetzt.
725
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
HLM versus OPCAB
Männer:
Frauen:
n = 2708; 78,7%,
n = 733; 21,3%
}
davon OPCAB: n = 854; 31,5%
n = 252; 34,4%
30-Tages-Mortalität
6
1-Jahres-Mortalität
10
p=0.001
9
5
p=0.02
4
%3
CABG
OPCAB
n.s.
2
p=0.0008
8
p=
0.0004
7
6
CABG
OPCAB
n.s.
% 5
4
3
2
1
1
0
Männer
Frauen
0
Männer
Frauen
Abb. 2: Ergebnisse der Koronarchirurgie mit Herz-Lungen-Maschine (HLM) und „off pump“ (OPCAB):
Abb. 3: Kathetergestützte Aortenklappe vom Typ Edwards Sapien®:
Frauen profitieren signifikant vom Vorgehen ohne Verwendung der extracorporalen Zirkulation
Die auf einen Ballon aufgezogene Herzklappe wird zusammengefal-
(Herzchirurgische Klinik der LMU München)
tet in die native Aortenklappe vorgeschoben und dort durch Inflation
des Ballons entfaltet (mit freundlicher Genehmigung der Fa. Edwards)
3. Rhythmuschirurgie
Insbesondere in Zusammenhang mit der
operativen Korrektur der Mitralklappe bei
Insuffizienz, aber auch bei koronarchirurgischen oder Aortenklappeneingriffen,
gewinnt die chirurgische Ablation von
Vorhofflimmern an Bedeutung.[8]
■ Pat. > 75 Jahre mit LogEuroscore > 20 % / < 40 %
■ Pat. mit sehr hohem OP-Risiko:
Porzellanaorta, schwere Thoraxdeformität, Z. n. Radiatio,
Z. n. ACVB, Leberzirrhose, COPD, pulm. Hypertonus,
rez. Lungenembolien, Kachexie
■ Pat. > 75 Jahre mit LogEuroscore > 40 %
■ Bikuspide Aortenklappe
Empf.-Grad
IIa
IIa
Evidenz
C
C
IIb
IIb
C
C
Tab. 1: Indikationen zur kathetergestützten Aortenklappenimplantation gemäß europäischen und nationalen Richtlinien
(nach Vahanian et al., Eur Heart J 2008; 29: 1463-70 und Figulla et al., Kardiologe 2009; 3: 199-206).
Hierbei erwies sich die Isolation der Lungenveneneinmündung in Kombination mit
Verbindungslinien am Dach und/oder der
Hinterwand des linken Vorhofes als effektive Methode (Abb. 4). Im eigenen Patientengut liegt die Erfolgsrate der Konversion
permanenten Vorhofflimmerns nach drei
und 32 Monaten postoperativ bei 74 beziehungsweise 78 Prozent! [9]
4. Aortenchirurgie
Die akute Aortendissektion vom Typ Stanford A (unter Einbeziehung des Aortenbogens und des deszendierenden Anteils)
bleibt ein chirurgischer Notfalleingriff mit
hohem perioperativen Risiko.[10] Meist wird
lediglich der aszendierende Teil der Aorta
mit oder ohne Aortenklappe durch eine
Dacron-Gefäßprothese oder ein klappen-
726
tragendes Conduit (Bentall-Operation)
ersetzt. Bei Ersatz des gesamten Aortenbogens mit Herz-Lungen-Maschine im hypothermen Kreislaufstillstand (18º C) ist bei
einer Dauer des Kreislaufstillstandes von
über 45 Minuten mit einer Mortalität von
34,6 Prozent und einem Schlaganfallrisiko
von 19,2 Prozent zu rechnen.[11] Daher setzte sich in jüngerer Zeit die antegrade Hirnperfusion im systemischen Kreislaufstillstand (Abb. 5) durch, die eine signifikante
Reduktion der Mortalität und neurologischen Komplikationen auf jeweils sechs
Prozent ermöglicht. Darüber hinaus lassen
sich im Rahmen von Hybridverfahren endovaskuläre Stents mit offener chirurgischer
Versorgung kombinieren. In einer Kooperation von Herzchirurgie, Gefäßchirurgie
und Angiologie wurde jüngst bei einem
Patienten in St. Georg durch ein „Debranching“ der supraaortalen Äste sogar der
aneurysmatisch erweiterte und disseziierte
Aortenbogen mit einem Stent-Graft versorgt (Abb. 6).
Fazit
Trotz zunehmender Überalterung und
Komorbidität der Patienten wurden die
operativen Ergebnisse der Herzchirurgie
in den vergangenen Jahren kontinuierlich
verbessert. In Zukunft wird eine enge
Kooperation mit den Nachbardisziplinen
noch schonendere Therapieverfahren für
die Herzpatienten in die klinische Praxis
einführen.
Herzchirurgie
Literatur
[1] Serruys PW, Morice MC, Kappetein P, et al. Percutaneous coronary intervention versus coronary-artery bypass
grafting for severe coronary artery disease. N Engl J Med
2009; 360: 961-72.
[2] Hannan EL, Wu C, Walford G, et al. Drug-eluting stents
vs. coronary-artery bypass grafting in multivessel coronary
disease. N Engl J Med 2008, 358: 331-41.
[3] Lytle BW, Blackstone EH, Sabik JF, et al. The effect of
bilateral internal thoracic artery grafting on survival during
20 postoperative years. Ann Thorac Surg 2004; 78: 2005-14.
[4] Vahanian A, Alfieri O, Al-Attar N, et al. Transcatheter
valve implantation for patients with aortic stenosis: a position statement from the European Association of CardioThoracic Surgery (EACTS) and the European Society of
Cardiology (ESC), in collaboration with the European
Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions
(EAPCI). Eur Heart J 2008; 29: 1463-1470.
[5] Figulla HR, Cremer J, Walther T, et al. Positionspapier
zur kathetergeführten Aortenklappenintervention. Kardiologe 2009; 3: 199-206.
[6] Walther T, Kempfert J, Borger MA, et al. Human mini-
Abb. 4: Schema [9] der Ablationslinien im linken Vorhof
Abb. 5: Antegrade Hirnperfusion im systemischen
mally invasive off-pump valve-in-a-valve implantation.
unter Verwendung des Atricure®-Systems:
hypothermen Kreislaufstillstand durch Anschluss der
Ann Thorac Surg 2008; 85: 1072-3.
1 = Ablation der rechten Lungenvenen-Einmündung
Herz-Lungen-Maschine über die rechte Arteria axillaris
[7] Schmoeckel M, Boekstegers P, Nikolaou K, Reichart B.
2 = Ablation der linken Lungenvenen-Einmündung
First successful transapical aortic valve implantation after
3 = Ziehen der Verbindungslinie
aortic allograft replacement. J Thorac Cardiovasc Surg. 2009
Jul 24. [Epub ahead of print].
[8] Geidel S, Ostermeyer J, Lass M, et al. Three years experience with monopolar and bipolar radiofrequency ablation
surgery in patients with permanent atrial fibrillation. Eur J
Cardiothorac Surg 2005; 27: 243-249.
[9] Geidel S, Lass M, Ostermeyer J. A 5-year clinical experience with bipolar radiofrequency ablation for permanent
atrial fibrillation concomitant to coronary artery bypass
grafting and aortic valve surgery. Interact Cardiovasc Thorac Surg 2008; 7: 777-780.
[10] Geidel S, Lass M, Ostermeyer J. Chirurgische Aspekte
akuter und chronischer Erkrankungen der Aorta ascendens
und des Aortenbogens. Medtropole 2009; 16: 612-615.
[11] Sundt TM, Orszulak TA, Cook DJ, Schaff HV. Improving results of open arch replacement. Ann Thorac Surg
2008; 86: 787-796.
Abb. 6: Hybridverfahren bei einem 56-jährigen Patienten mit Z. n. Ascendensersatz bei Stanford A-Dissektion
vor sechs Jahren; jetzt Bogen-/Descendensaneurysma (∅ 6 cm): Debranching durch Konnektion einer Y-Prothese an
die Ascendens-Gefäßprothese mit distaler Anastomose an die beiden Carotiden und Interponat zwischen linker
Arteria carotis und Arteria subclavia. Anschließend Einbringen zweier Endo-Stents in den Aortenbogen und die
Kontakt
Prof. Dr. Michael Schmoeckel
Aorta descendens über die linke Arteria iliaca.
Herzchirurgische Abteilung
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 41 50
Fax (0 40) 18 18-85 41 84
E-Mail: m.schmoeckel@asklepios.com
727
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
K O N T A K T
Dr. Keihan Ahmadi-Simab
Rheumatologie, klinische Immunologie,
Nephrologie und Physikalische Therapie
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-81 11 24
Fax (0 40) 18 18-81 48 00
E-Mail: k.ahmadi@asklepios.com
Dr. Keihan Ahmadi-Simab
Neu in Altona:
Abteilung für Rheumatologie
Dr. Keihan Ahmadi-Simab baut seit dem
1. November 2009 an der Asklepios Klinik
Altona eine neue Abteilung für Innere
Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie auf. Der Facharzt für Innere Medizin
und Rheumatologe leitete bisher die Klinik
für Innere Medizin, Rheumatologie und
Klinische Immunologie des Regio Klinikums Wedel. Ahmadi-Simab wurde 1965 in
Teheran geboren, studierte an der Universität und Gesamthochschule Essen und
absolvierte seine Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie am Israelitischen
Krankenhaus in Hamburg unter Prof.
Layer. 2003 erwarb er die Zusatzbezeichnung Physikalische Therapie und Balneologie. Die Weiterbildung in der Rheumatologie/Klinischen Immunologie absolvierte
Ahmadi-Simab am Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, Campus Lübeck und
an der Rheumaklinik Bad Bramstedt unter
Prof. Gross. 2007 wurde er Chefarzt der
Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie
und Klinische Immunologie des Regio Klinikums Wedel, wo er im gleichen Jahr die
Weiterbildungsbefugnis für Innere Medizin, Rheumatologie, Physikalische Therapie und Balneologie der Ärztekammer
Schleswig-Holstein erhielt sowie die KVErmächtigung für schwere Krankheitsbilder
in der Rheumatologie. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt bei Vaskulopathien, digitalen Ulzerationen und pulmonalarterieller Hypertonie bei systemischer
Sklerose, Pathogenese und Therapieetablierung der Rheumatoiden Vaskulitis, Evaluation und Etablierung der Bildgebenden
Verfahren MRT und PET in der Diagnostik
der Großgefäßvaskulitiden sowie Therapiestudien zur Riesenzellarteriitis. Die neue
Abteilung in Altona wird konsiliarisch
728
K O N T A K T
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski
Allgemein- und Visceralchirurgie
Asklepios Klinik Harburg
Eißendorfer Pferdeweg 52, 21075 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-86 25 40
Fax (0 40) 18 18-86 33 00
E-Mail: f.kallinowski@asklepios.com
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski
allen Hamburger Asklepios Kliniken zur
Verfügung stehen und die rheumatologische Versorgung mitgestalten. Ziel ist, das
vorhandene Angebot in Kooperation mit
den ambulanten und klinischen Kolleginnen und Kollegen zu ergänzen und die
rheumatologische Versorgung der Hamburger Bevölkerung auszubauen. Gleichzeitig möchte Ahmadi-Simab durch Fortbildung, auch in Kooperation mit Selbsthilfegruppen, das Bewusstsein für die
rheumatologischen Diagnosen bei Hausärzten und Patienten schärfen.
Asklepios Klinik Harburg: Neuer Leiter
der Allgemein- und Viszeralchirurgie
Am 1. Dezember übernimmt Prof. Dr. Friedrich Kallinowski als Nachfolger von Prof.
Dr. Eike Sebastian Debus die Leitung der
Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie in der Asklepios Klinik Harburg.
Bisher leitete er als Chefarzt die Klinik für
Visceral- und Gefäßchirurgie des Westküstenklinikums Heide. Kallinowski wurde in
Neustadt an der Weinstraße geboren, studierte Humanmedizin an der Universität
Mainz und absolvierte sein Praktisches
Jahr in Australien an den Universitäten
Perth, Melbourne, Sydney und Adelaide.
Nach seinem Staatsexamen arbeitete er
fünf Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Angewandte Physiologie der Universität Mainz, wo er auch
mit einer Arbeit über pH-Verteilungen in
malignen Tumoren summa cum laude promovierte. 1988 wurde er zunächst Instructor und dann Assistant Professor für Radiation Therapy (Radiation Biology) der
Harvard Medical School. Seine chirurgische Weiterbildung absolvierte Kallinowski
in der Klinik für Allgemeinchirurgie und
Poliklinik der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg unter Prof. Herfarth.
1995 wurde er Facharzt für Chirurgie, 1997
habilitierte er sich zum Privatdozenten für
Chirurgie und erwarb die Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie, 2000 für Viszeralchirurgie. 1997 wurde er Oberarzt der
Chirurgischen Universitätsklinik, ein Jahr
später stellvertretender Sektionsleiter Chirurgische Onkologie und Leiter der chirurgischen Intensivstation, 2001 Chirurgischer
Leiter der Interdisziplinären Beatmungsstation und 2002 Stellvertretender Leiter
der Chirurgischen Poliklinik und konsiliarischer Chirurg für die Universitätsklinik
Heidelberg. Außerdem absolvierte Kallinowski ein Aufbaustudium Gesundheitsmanagement. Ende 2002 wechselte Prof.
Kallinowski als Chefarzt der Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie an das Westküstenklinikum Heide, 2003 wurde er zum
außerplanmäßigen Professor für Chirurgie
der Universität Heidelberg berufen. Seine
wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die
endokrine, laparoskopische und kolorektale Chirurgie. In der Asklepios Klinik Harburg möchte er das gesamte Spektrum der
Allgemein- und Viszeralchirurgie in Exzellenz ausbauen. Als erster Schritt ist die Etablierung eines interdisziplinären onkologischen Darmzentrums geplant.
Personalia
K O N T A K T
Dr. Ernst-Joachim Malzfeldt
Radiologie/Neuroradiologie
Asklepios Klinik Nord – Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-87 33 32
Fax (0 40) 18 18-87 36 88
E-Mail e.malzfeldt@asklepios.com
Dr. Ernst-Joachim Malzfeldt
Asklepios Klinik Nord:
Neuer Leiter der Radiologie
Seit 1. März 2009 leitet Dr. Ernst-Joachim
Malzfeldt als Nachfolger von Dr. Wolfhard
Lege die Abteilung Radiologie/Neuroradiologie in der Asklepios Klinik Nord.
Malzfeldt wurde in Hildesheim geboren,
studierte zunächst Geophysik in Berlin,
dann Humanmedizin in Hamburg. Er ist
verheiratet und hat drei Kinder. Seine
Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie absolvierte er im AKH Celle unter
Dr. Kamin und im Albertinenkrankenhaus
Hamburg unter Dr. Siemers. Seit 1992
arbeitete Malzfeldt in der Abteilung für
Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin der Asklepios Klinik Altona unter
Prof. Wegener und Prof. Fischbach, zuletzt
als leitender Oberarzt. Hier lagen seine
Schwerpunkte in der onkologischen Diagnostik und der interventionellen Radiologie. Neben angiographischen Methoden
führte er insbesondere CT-gesteuerte Prozeduren ein: Lokale Schmerztherapien,
Sympathikusblockaden, Abszessdrainagen,
Vertebroplastien und Osteoplastien sowie
Radiofrequenzablationen von Weichteilund Knochentumoren. In der Asklepios
Klinik Nord möchte Malzfeldt die Radiologie als Kommunikationszentrum und
Serviceabteilung für die klinischen Fächer
weiterentwickeln, die die Arbeitsabläufe
im Krankenhaus befördert. Dazu gehören
zum Beispiel die Pflege der Visiten und die
Einführung eines neuen Radiologie-Informations-Systems (RIS). Er möchte gute
Beziehungen zur ambulanten Medizin
pflegen und Kooperationen eingehen, wo
sie sinnvoll sind. Zum anderen möchte
Malzfeldt die Radiologie der Asklepios
Klinik Nord in Kooperation mit den jeweiligen Fachabteilungen weiter als interventionelles und klinisch tätiges Fach etablieren, die zum Beispiel Abszessdrainagen,
K O N T A K T
Prof. Dr. Gerd Peter Meyer
III. Med. Klinik – Kardiologie, Angiologie
und Pneumologie, Internistische Intensivmedizin
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-81 12 20/21
Fax (0 40) 18 18-81 49 05
E-Mail: gp.meyer@asklepios.com
Prof. Dr. Gerd Peter Meyer
Myomembolisationen, Ballondilatationen,
Neurolysen, periradikuläre Therapien und
vieles mehr anbietet. Die Abteilung ist
berechtigt, Schmerztherapien auch ambulant durchzuführen. In Zusammenarbeit
mit der Gefäßchirurgie/Angiologie werden
anspruchsvolle vaskuläre Eingriffe eingeführt, mit der Onkologie Radiofrequenzablationen und Chemoembolisationen von
Tumoren sowie mit den orthopädischen
Fächern CT-gesteuerte Eingriffe an der
Wirbelsäule und dem peripheren Skelett.
Die Sektion Neuroradiologie soll entsprechend ihrer zentralen Bedeutung im Kopfzentrum der Asklepios Klinik Nord weiterentwickelt werden.
Asklepios Klinik Altona:
Neuer Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie/
Internistische Intensivmedizin
Prof. Dr. Gerd Peter Meyer leitet seit August
die III. Medizinische Abteilung der Asklepios Klinik Altona. Meyer wurde in Rotenburg/Wümme geboren, studierte an der
Medizinischen Hochschule Hannover
(MHH), an der er sich frühzeitig für eine
kardiologische Laufbahn entschied und
zum „Einfluss von Adenosin 5'- Triphosphat
auf den Tonus epikardialer Koronararterien
des Menschen“ promovierte. Seine Weiterbildung zum Internisten und Kardiologen
absolvierte er in der Klinik von Prof. Lichtlen und Prof. Drexler an der MHH sowie
im Oststadtkrankenhaus Hannover. Dem
initialen Schwerpunkt in der kardiologischen Bildgebung an der MHH folgte ein
Fellowship am Royal Brompton Hospital
in London bei Prof. Pennell. Meyer gründete und leitete seitdem die kardiologische
MRT-Arbeitsgruppe, verfügt über die Zusatzbezeichnung „Magnetresonanztomographie“. 2001 wurde er zum Oberarzt
ernannt, war leitender internistischer
Oberarzt der Zentralen Notaufnahme und
Aufnahmestation sowie Oberarzt der kardiologischen Intensivstation (Zusatzbezeichnung Internistische Intensivmedizin).
Prof. Meyer zeichnete frühzeitig im Herzkatheterlabor der MHH verantwortlich für
komplexe Eingriffe bei angeborenen Herzfehlern sowie akutem Koronarsyndrom
und etablierte in Zusammenarbeit mit der
Klinik für Herz-Thorax-Gefäßchirurgie den
interventionellen Aortenklappenersatz an
der MHH als Therapieoption für ältere
Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die kardiale Magnetresonanztomographie, interventionelle Verfahren
sowie regenerative Therapien nach Myokardinfarkt. Die Habilitation hatte das
Thema „Intrakoronare Knochenmarkzelltherapie bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt“. Es folgte die Ernennung zum
apl. Professor an der MHH.
Die III. Medizinische Abteilung der Asklepios Klinik Altona wurde im Oktober um
die „Angiologie“ erweitert und ist damit
zusammen mit der Gefäßchirurgie (Prof.
Kortmann) und der Radiologie (Prof. Fischbach) fester Bestandteil des zertifizierten
Gefäßzentrums. Ein weiteres Ziel ist, die
Pneumologie in Altona zu stärken, um dem
regional großen Bedarf in der Versorgung
dieser Patienten gerecht zu werden. Die
Ausrichtung der Kardiologie ist vor allem
an der Optimierung der Versorgung von
Akut-Patienten im Herzkatheterlabor, auf
der Intensivstation und in Zusammenarbeit mit der Zentralen Notaufnahme (Dr.
Hogan) orientiert. Ein weiterer Schwerpunkt der Abteilung ist die elektrophysiologische Versorgung mit besonderer Expertise in der Gerätetherapie.
729
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
K O N T A K T
Prof. Dr. Karl-Jürgen Oldhafer
I. Chirurgische Abteilung
Allgemein- und Viszeralchirurgie/
Darmzentrum
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220, 22291 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 28 11
Fax (0 40) 18 18-82 28 19
E-Mail k.oldhafer@asklepios.com
Prof. Dr. Karl-Jürgen Oldhafer
Asklepios Klinik Barmbek: Neuer Leiter
der Allgemein- und Viszeralchirurgie
Ab dem 1. Januar 2010 übernimmt Prof. Dr.
Karl-Jürgen Oldhafer als Nachfolger von
Prof. Dr. Eberhard Gross die Leitung der
Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie in der Asklepios Klinik Barmbek.
Bisher leitete er als Direktor die Klinik für
Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie
des Allgemeinen Krankenhauses Celle,
Lehrkrankenhaus der Medizinischen
Hochschule Hannover. Oldhafer wurde
1960 in Wolfenbüttel geboren, studierte
Humanmedizin an der Georg-August-Universität Göttingen sowie der University of
Illinois, Chicago. Anschließend arbeitete er
als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der
Experimentellen Pathologie und in der
Transplantationsimmunologie der MHH,
1986 begann er seine Facharztausbildung
im Department für Chirurgie unter Prof.
Pichlmayr. Im Rahmen der Ausbildung
rotierte er in die Kliniken für Unfallchirurgie (Prof. Tscherne) und Herz-, Thoraxund Gefäßchirurgie (Prof. Borst). 1992
erwarb Oldhafer die Gebietsbezeichnung
Arzt für Chirurgie. 1993 erlangte er die
Venia Legendi an der MHH für das Fach
Chirurgie mit dem Thema „Ischämie- und
Reperfusionsschaden nach orthotoper
Lebertransplantation“. Als Oberarzt leitete
Oldhafer zunächst das Transplantationsprogramm der Klinik für Abdominal- und
Transplantationschirurgie und war später
schwerpunktmäßig in der onkologischen
Chirurgie eingesetzt. Während seiner
Tätigkeit an der MHH erkannte er das
Potenzial der computerunterstützten OPPlanung und arbeitete seitdem kontinuierlich auf diesem Gebiet. Diese Arbeit wurde
mehrfach von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. 1998 erhielt er
die Schwerpunktbezeichnung Viszeralchirurgie und wurde zum außerplanmäßigen
730
Dr. Tobias Pottek
Professor ernannt. Im gleichen Jahr wechselte er als Leiter der Sektion Onkologische
Chirurgie an die Klinik für Allgemein- und
Transplantationschirurgie der Universität
Essen. Schwerpunkte seiner klinischen
und wissenschaftlichen Tätigkeiten waren
neben der computerunterstützten Operationsplanung die Weiterentwicklung der
multimodalen Therapiekonzepte in
Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen
Tumorzentrum bei Tumoren des gesamten
Bauchraumes und die Anwendung der
intraoperativen Strahlentherapie. Seit 2002
leitet Prof. Oldhafer als Direktor die Klinik
für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des AKH Celle. Das Krankenhaus
versorgt ein Einzugsgebiet von circa
250.000 Einwohnern. Das Spektrum der
Klinik umfasst die gesamte Allgemeinchirurgie und moderne Viszeralchirurgie einschließlich der laparoskopischen Operationstechniken. In der Asklepios Klinik
Barmbek möchte er mit der Klinik für Gastroenterologie ein modernes Zentrum für
Viszeralmedizin aufbauen und seinen persönlichen Schwerpunkt auf dem Gebiet
der onkologischen Chirurgie in Zusammenarbeit mit den anderen in der Krebstherapie aktiven Kliniken einbringen. Die
enge und unkomplizierte Zusammenarbeit
mit den niedergelassenen Kollegen liegt
ihm sehr am Herzen und stellt für ihn ein
wichtiges Glied in der Behandlungskette
für die Patienten in der Region dar.
Asklepios Westklinikum Hamburg:
Neue Klinik für Urologie
Seit September leitet Dr. Tobias Pottek die
neugegründete Klinik für Urologie am
Asklepios Westklinikum Hamburg in Rissen. Pottek wurde in Kettwig an der Ruhr
geboren, wuchs in Hagen/Westfalen auf
und studierte Medizin an den Universitäten
in Bochum und Essen. Seine chirurgische
und urologische Weiterbildung absolvierte
er an den Bundeswehrkrankenhäusern
Detmold, Hamburg und Berlin sowie am
AK Harburg. 1998 – 2003 war er Oberarzt,
bis 2007 stellvertretender leitender Arzt
der Abteilung Urologie am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Er nahm an diversen Auslandseinsätzen der Bundeswehr
teil, in leitender Stellung ein halbes Jahr in
Sarajevo für die SFOR und in Prizren/
Kosovo für die KFOR. Seit 2007 war Pottek
Chefarzt des Urologischen Zentrums am
Regio Klinikum Wedel. Von dort bringt er
den Leitenden Oberarzt und Stellvertreter
Dr. Ralph Ovenbeck, Oberarzt Torsten
Böhmer sowie die Assistenzärzte Dr. Silke
Eckmann, Bayegra Sadri, Jonas Wilisch
und Dr. Sarah Furchert mit. Auch Tobias
Klein, Leiter der urologischen und onkologischen Pflege, sowie weiteres Pflegepersonal aus den Bereichen Urologische Pflege,
OP und Anästhesie sind Pottek gefolgt.
Der Aufbau der neuen Klinik erfolgt somit
in gewohnter Zusammenarbeit eines ausgesuchten und perfekt zusammengewachsenen Teams. Pottek ist Mitglied der maßgeblichen internationalen und nationalen
Fachgesellschaften wie der American Urological Association, der European Association of Urology, der Deutschen Gesellschaft für Urologie, dem Bund Deutscher
Urologen und der Vereinigung Norddeutscher Urologen sowie einiger Expertenvereinigungen wie der European Germ Cell
Cancer Consensus Group und der Europe-
Personalia
K O N T A K T
Dr. Tobias Pottek
Urologie
Asklepios Westklinikum Hamburg
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (0 40) 81 91-24 22
Fax (0 40) 81 91-24 24
E-Mail: t.pottek@asklepios.com
K O N T A K T
Prof. Dr. Michael Schmoeckel
Abteilung für Herzchirurgie
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 41 50
Fax (0 40) 18 18-85 41 84
E-Mail: m.schmoeckel@asklepios.com
Prof. Dr. Michael Schmoeckel
an Society of Genito-Urinary Reconstructive
Surgeons. Seine Publikationen beschäftigen
sich vor allem mit Themen der urologischen
Onkologie und rekonstruktiven Chirurgie.
Schwerpunkte der neuen Abteilung werden
die operative und medikamentöse Therapie
der Tumore des Urogenitaltraktes und rekonstruktive Operationen sein. Im Vordergrund stehen moderne Methoden zur
Behandlung des Prostatakarzinoms, des
Blasenkarzinoms und der Hodentumore.
Im Bereich der rekonstruktiven Operationen
haben Harnröhrenchirurgie bei Männern
und Inkontinenzchirurgie bei Männern
und Frauen einen besonderen Stellenwert.
Alle Verfahren der urologischen Kernkompetenz werden durchgeführt. Für die
Behandlung der benignen Prostatahyperplasie und der Steinleiden stehen modernste Geräte und Verfahren zur Verfügung –
von der Lasertherapie bis zur ESWL (Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie). Großen
Wert legt Pottek auf die Kooperation mit
den niedergelassenen Kollegen im regionalen Umfeld. Die bislang als Belegärzte in
Rissen tätigen Urologen Drs. Bruns und
Heitz werden als Kooperationsärzte in die
neue Klinik integriert und wirken am Aufbau sehr aktiv mit. Ein wesentliches Ziel
der Klinik ist die intensive, abgestimmte
Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.
Asklepios Klinik St. Georg:
Neuer Leiter der Herzchirurgie
Prof. Dr. Michael Schmoeckel leitet seit Juli
2009 als Nachfolger von Prof. Dr. Jörg
Ostermeyer die Abteilung für Herzchirurgie des Hanseatischen Herzzentrums in
der Asklepios Klinik St. Georg. Bisher war
Schmoeckel Leitender Oberarzt der Herzchirurgischen Klinik und Poliklinik der
Ludwig-Maximilians-Universität München
im Klinikum Großhadern. Er wurde in
Stuttgart geboren, studierte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, der Ludwig-Maximilians-Universität München
und der University of Cape Town, Südafrika. Seine Weiterbildung absolvierte
Schmoeckel in der Herzchirurgischen Klinik des Klinikums Großhadern unter Prof.
Reichart, wo er nach einem Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Cambridge unter Prof. White,
Prof. Wallwork und Prof. Sir Roy Calne
auch Oberassistent und schließlich Oberarzt wurde. Nach der Habilitation für das
Gebiet Herzchirurgie absolvierte Schmoeckel zusätzlich ein Fernstudium „Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen“ der Universitäten Kaiserslautern
und Witten/Herdecke. Seit 2001 leitete er
die Herzschrittmacher und ICD-Abteilung
der Herzchirurgischen Klinik der LMU
und seit 2004 das Projekt „Multitransgenic
animals and in-vivo gene transfer in experimental xenotransplantation models“ der
DFG Transregio-Forschergruppe 535
„Xenotransplantation“. 2005 – 2007 leitete
er zusätzlich die Herztransplantationsambulanz der Herzchirurgischen Klinik der
LMU. 1996 erhielt er den Forschungspreis
der Deutschen Herzstiftung, 1999 den
Ernst-Derra-Preis der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. 2007 wurde Schmoeckel zum außerplanmäßigen Professor der LMU München
und Leitenden Oberarzt der Herzchirurgischen Klinik ernannt. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Herztransplantation, der Koronarchirurgie
(OPCAB), der Aorten- und Mitralklappenrekonstruktion, der Gentherapie durch
vektorvermittelten Gentransfer sowie der
kardialen Resynchronisations-Therapie
(CRT). In der Asklepios Klinik St. Georg
möchte Schmoeckel im Bereich der Koronarchirurgie die total arterielle Revaskularisierung und die „Off-Pump“-Chirurgie
ausbauen. Im Bereich der Klappenchirurgie sollen zunehmend minimal invasive
Verfahren zum Einsatz kommen, wobei
der Mitralklappenrekonstruktion und der
intraoperativen Ablation des Vorhofflimmerns weiter große Bedeutung zukommt.
Ein zusätzlicher Schwerpunkt liegt in der
Rekonstruktion von Aortenklappen, insbesondere bei angeboren bikuspiden Klappen und bei Dilatation der Aortenwurzel
(David-Operation). Die Chirurgie des Aortenbogens soll künftig durch antegrade
selektive Hirnperfusion im Kreislaufstillstand noch komplikationsärmer gemacht
werden. Nicht zuletzt wird nach Inbetriebnahme der beiden Hybrid-OPs im Rahmen
des neuen Herz-, Gefäß- und Diabeteszentrums in St. Georg die interdisziplinäre
Zusammenarbeit bei der Implantation
kathetergestützter Herzklappen und Aortenstents („Debranching“) eine herausragende Rolle spielen.
731
K O N T A K T
Prof. Dr. Michael Semik
Thoraxchirurgie
Asklepios Klinik Harburg
Eißendorfer Pferdeweg 52, 21075 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-86 21 47
Fax (0 40) 18 18-86 21 48
E-Mail: m.semik@asklepios.com
Prof. Dr. Michael Semik
Asklepios Klinik Harburg:
Neuer Leiter der Thoraxchirurgie
Am 15. Oktober übernahm Prof. Dr.
Michael Semik als Nachfolger von Dr.
Christian Kugler die Leitung der Abteilung
für Thoraxchirurgie der Asklepios Klinik
Harburg. Zuvor leitete er als Chefarzt die
Abteilung für Thoraxchirurgie in der Lungenklinik Hemer, Zentrum für Thoraxchirurgie und Pneumologie. Prof. Semik wurde
in Kiel geboren, studierte Humanmedizin
an der Christian-Albrechts-Universität Kiel
und begann seine Weiterbildung an der
Chirurgischen Klinik im Klinikum Charlottenburg der Freien Universität (FU) Berlin
unter Prof. Bücherl. Später wechselte er an
die Orthopädische Klinik im Oskar-HeleneHeim der FU Berlin unter Prof. Friedebold,
an die Abteilung für Kardiovaskuläre Chirurgie der Christian-Albrechts-Universität
Kiel unter Prof. Bernhard und an die dortige Abteilung Allgemeinchirurgie unter
Prof. Hamelmann sowie schließlich in die
Abteilung Thoraxchirurgie der Klinik Schillerhöhe, Zentrum für Pneumologie und
Thoraxchirurgie, Gerlingen/Stuttgart. Auslandsaufenthalte im Harefield Hospital,
London, unter Prof. Yacoub dienten der
Weiterbildung in der Herz- und Lungentransplantation. 1989 erhielt Prof. Semik
die Facharztanerkennung „Chirurgie“ der
Ärztekammer Schleswig-Holstein, 1991 die
Teilgebietsanerkennung „Thorax- und Kardiovaskularchirurgie“ der Ärztekammer
Baden-Württemberg. 1994 wechselte er als
Oberarzt an die Klinik und Poliklinik für
Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo er den Aufbau der speziellen
Thoraxchirurgie und seit 1999 auch das
Lungentransplantationsprogramm verantwortete. 2001 erhielt Semik die europäische
Facharztanerkennung für Thoraxchirurgie
FETCS, 2005 wurde er zum Universitäts-
732
professor W2 für Thoraxchirurgie der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster berufen, nach dem Ausscheiden aus der
Universität 11/2008 zum außerplanmäßigen Professor. Seit 2008 leitete Prof. Semik
die Abteilung Thoraxchirurgie der Lungenklinik Hemer, deren Zertifizierung zum
Lungenkrebszentrum der Deutschen Krebsgesellschaft er koordinierte. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der
operativen Therapie des fortgeschrittenen
Bronchialkarzinoms und anderer Malignome
des Thorax, häufig im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte, der Lungenmetastasenchirurgie, der Kinderthoraxchirurgie,
der Thoraxchirurgie finaler Lungenerkrankungen (z. B. Lungenemphysem) und der
videoassistierten Thorakoskopie. In der
Asklepios Klinik Harburg möchte er die
Thoraxchirurgie wieder auf hohem Niveau
stabilisieren, zahlenmäßig und inhaltlich
stärken (z. B. Kinderthoraxchirurgie, Metastasenchirurgie) und mit der Pneumologie
neue multimodale Therapiekonzepte initiieren. Darüber hinaus ist die Zertifizierung
der Klinik zum „Lungenkrebszentrum“
der Deutschen Krebsgesellschaft und zum
„Kompetenzzentrum Thoraxchirurgie“ der
Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie
geplant.
Kinderurologie
Pränatale Diagnose von posterioren
Urethralklappen:
Wann und wie soll man behandeln?
Dr. Bernd Richter, Nikolai Filippow, Priv.-Doz. Dr. Martin Krapp
Pränatal festgestellte beidseitige Harntransportstörungen bei Knaben weisen auf posteriore Urethralklappen hin.
Als Schweregradkriterien gelten frühzeitiges Auftreten in der Schwangerschaft, rasche Progredienz und Oligohydramnie.[1] Die Frage der vorzeitigen Geburtseinleitung ist wegen der Unbeeinflussbarkeit bereits eingetretener
dysplastischer Nierenveränderung umstritten.[2,3] Dagegen lassen sich sekundäre Schädigungen des Harntrakts
durch vorzeitige Geburtseinleitung bei bestehender Lungenreife verringern. Ein wichtiges Ziel ist die normale
Entwicklung der Blasenfunktion, die durch frühzeitige Intervention mit Einleitung der Geburt in der 38. Schwangerschaftswoche, suprapubischer Harnableitung am ersten Lebenstag und Ablation der Urethralklappen in der
sechsten Lebenswoche am besten zu erreichen ist.[4]
Ätiologie
Histologische Kriterien sprechen dafür,
dass es sich bei den posterioren Urethralklappen um Anteile fehlerhaft integrierter
Müllerscher Strukturen handelt.[5] Sie kommen bei 1:5.000 männlichen Neugeborenen
vor.[6]
Klinik
Urethralklappen führen zu primären und
sekundären Folgeerkrankungen: Primär ist
die Entwicklung einer ein- oder beidseitigen, teilweisen oder vollständigen dysplastischen Nierendegeneration. Nach der
Geburt leidet etwa jedes dritte betroffene
Kind unter Niereninsuffizienz, ein Drittel
zeigt eine gute Rekonvaleszenz bei geringen Einschränkungen der Nierenfunktion,
die aber bei Eintritt in die Pubertät doch
noch in eine progrediente dialysepflichtige
Insuffizienz münden können. Ein Drittel
der betroffenen Kinder ist nierengesund.[1]
Als sekundäre pathologische Verläufe zeigen Knaben mit Urethralklappen häufig
einen sekundären vesikoureteralen Reflux.
Harnwegsinfekte spielen bei der Entwicklung einer möglichen Refluxnephropathie
die entscheidende Rolle. Durch in den
ersten drei Lebensjahren entstehende Nar-
ben kommt es zu vermindertem Nierenwachstum bis hin zur Entwicklung von
Schrumpfnieren und damit einhergehenden Funktionseinschränkungen.[7] In
Deutschland wird die antibiotische Infektprophylaxe trotz fehlender Evidenz aus
Sicherheitsgründen weiter durchgeführt.[8]
Dabei sollten Cephalosporine, entgegen
weitläufiger Praxis, wegen der für sie typischen Enterokokkenlücke vermieden werden.
Einen zweiten pathogenetischen Faktor der
Refluxnephropathie stellt die gestörte Blasenentleerung mit niedriger Compliance
und erhöhtem intravesikalen Druck dar.
Ein geringer Teil der betroffenen Knaben
leidet im Verlauf des Säuglings- und Kleinkindalters unter myogenen Blasenfunktionsstörungen mit großen Blasen und
Restharnmengen deutlich über 50 ml.
Diese Kinder müssen durch saubere intermittierende Katheterisierung am Tag und
möglichst auch in der Nacht versorgt werden. Als weitere Pathologie nach Urethralklappen ist die Entwicklung einer kleinkapazitären Hochdruckblase möglich.[4]
Dieser Entwicklung wird vor allem durch
eine verspätete Therapie und zu lange
suprapubische Harnableitung Vorschub
geleistet.
Falldarstellung
In der vollendeten 16. Schwangerschaftswoche einer 30-jährigen G1P0 wird sonografisch beim Feten eine zystische Veränderung der linken Niere festgestellt. Die
weitere Fehlbildungsdiagnostik ist unauffällig. In der 35 + 3 Schwangerschaftswoche
erfolgt bei Zunahme des Befundes die Vorstellung in der Pränatalmedizin. Sonografisch lassen sich Megaureteren beidseits
und milde Hydronephrosen beidseits nachweisen. Darüber hinaus besteht der Verdacht auf eine Zystozele. Die Fruchtwassermenge ist normal.
Bei einer Verlaufskontrolle in der 36.
Schwangerschaftswoche wird unter konsiliarischer Hinzuziehung des Kinderurologen bei männlichem Geschlecht des Feten
eine progrediente beidseitige Harnstauung
mit großer Blase und deutlich reduzierter
Parenchymdicke der linken Niere sowie
eine kompensatorisch vergrößerte rechte
Niere beschrieben (Abb. 1).
Der Kinderurologe stellt die Verdachtsdiagnose posteriorer Urethralklappen und
stimmt das weitere Vorgehen mit Eltern
und Geburtshelfern ab. Die Geburt wird in
der 38. Schwangerschaftswoche eingeleitet.
733
Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009
Abb. 1: 36. Schwangerschaftswoche
Abb. 2: Urethralklappennachweis im MCU
Am ersten postnatalen Tag wird eine
suprapubische Harnableitung angelegt
und eine antibiotische Harnweginfektprophylaxe mit Trimethoprim 2 mg/ kg KG
begonnen.
eine Folgezystoskopie mit der Bereitschaft
zur Urethralklappenrest-Nachresektion
geplant. Die Inkaufnahme einer Nachresektion von Klappenresten ist sicherer
als eine initial zu radikale Resektion.
Im Alter von vier Wochen bestätigt eine
Miktionscysturethrografie (MCU) das Vorliegen von Urethralklappen (Abb. 2). Im
Alter von sechs Wochen zeigt eine MAG 3
Nierensequenzszintigrafie eine Restfunktion der linken Niere von acht Prozent.
Darüber hinaus zeigt sich ein beidseitiger
vesikorenaler Reflux, der bei der MCU
nicht zur Darstellung gekommen war. Die
Möglichkeit falsch negativer Refluxbefunde im Miktionscysturethrogramm ist in der
Literatur hinlänglich bekannt.[10]
Diagnostik
Mit acht Wochen (korrigiertes Alter sechs
Wochen) wird die zysturethroskopische
Klappenresektion durchgeführt (Abb. 3),
ein transurethraler 6 Ch-Bläschen-Katheter
für drei Tage eingelegt und der Säugling
schließlich am dritten postoperativen Tag
nach Ziehen des suprapubischen Katheters
mit restharn- und beschwerdefreier Miktion
nach Hause entlassen.
Bei einer ultrasonografischen Verlaufskontrolle nach einer Woche werden die
restharnfreie Blasenentleerung, die persistierende Blasenwandverdickung (> 5 mm)
und die Megaureterenpersistenz beidseits
überprüft. Bei regredienter Harntransportstörung ist im weiteren Verlauf keine zusätzliche Untersuchung vorgesehen, im
Fall von Persistenz oder Progredienz würde
734
Bei den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen in der 10., 20. und 30. Woche fallen Harntransportstörungen des Feten bei
einer von 100 Schwangeren auf. In 48 Prozent handelt es sich um spontan reversible
Erscheinungen.[9] Bei progredienten beidseitigen Befunden, männlichem Fetus und
Oligohydramnion ist von gefährlichen posterioren Urethralklappen auszugehen. In
diesen Fällen sollte ein Kinderurologe hinzugezogen werden, um im Wege der Risikoaufklärung und Erläuterung des Vorgehens nach der Geburt mit den zukünftigen
Eltern des Kindes Kontakt aufzunehmen
und so eine zeitgerechte postpartale Therapie zu ermöglichen.
Die serologische Untersuchung von Nierenretentionswerten und Elektrolyten am
2. – 3. Lebenstag ist ausreichend, da das
Neugeborene anfangs noch von der plazentaren mütterlichen Clearance profitiert.
Eine Miktionszysturethrografie wird bei
zwischenzeitlichen Ultraschallkontrollen
im korrigierten Alter von einem Monat
durchgeführt. Bei Bestätigung des Verdachtsbefundes kann dann die zysturethroskopische Klappenresektion in Narkose
geplant werden.
Therapie
In den ersten drei Lebenstagen ist der Flüssigkeitsumsatz physiologisch reduziert,
sodass die suprapubische Harnableitung
mit Ch 5 Zystofixkatheter in dieser Zeit
vielerorts mit aufgeschobener Dringlichkeit
durchgeführt wird. Nach unserer Einschätzung sollte die suprapubische Harnableitung bei Nichtvorliegen perinatologischer
Probleme am ersten Lebenstag erfolgen.
Da es sich um eine einfache, in Lokalanästhesie und geringer Sedierung unter Ultraschallkontrolle durchzuführende Maßnahme handelt, ist eine Verlegung des Kindes
in eine Spezialklinik und die damit verbundene Trennung von Mutter und Kind
nicht nötig. Vorsicht: Der Einsatz von Morphinanaloga sollte beim Neugeborenen
wegen der zu erwartenden verminderten
Clearance, erhöhten Ansprechbarkeit und
Unreife des Atemzentrums vermieden
werden. Eine Atemstörung mit einer mehrstündigen Latenz ist möglich. Bestätigt sich
der Verdachtsbefund posteriorer Urethralklappen durch eine Miktionscysturethrografie über den liegenden 5 Ch suprapubischen Katheter im (korrigierten) Alter von
vier Wochen, kann die Ablation der posterioren Urethralklappen elektiv geplant und
im Alter von sechs Wochen durchgeführt
werden.
Die Therapie der posterioren Urethralklappen erfordert eine kinderurologische Ausrüstung, die bis zum gewünschten Therapieerfolg gestaffelt zum Einsatz kommt:
Begonnen wird mit einem 7,5 Ch-Diagnos-
Kinderurologie
Literatur
[1] Lopez Pereira P, Espinosa L, Martinez Urrutina MJ.
Posterior urethral valves: prognostic factors. BJU Int. 2003;
91: 687-90.
[2] Schwarz RD, Stephens FD, Cussen LJ. The pathogenesis of renal dysplasia I. Quantification of hypoplasia and
dysplasia. Invest. Urol. 1981; 19: 994-6.
[3] Cuckow PM, Dinneen MD, Risdon RA, Ransley PG,
Duffy PG. Long-term renal function in the posterior urethral
valves, unilateral reflux and renal dysplasia syndrome.
J Urol. 1997; 158(3): 1004-7.
[4] Mitchell ME, Close CE. Early primary valve ablation for
posterior urethral valves. Semin Pediatr Surg. 1996 Feb;
5(1): 66-71.
Abb. 3: Endoskopische Darstellung
[5] Krishnan A, de Souza A, Konijeti R. The anatomy and
embryology of posterior urethral valves. J. Urol. 2006; 175:
1214-20.
[6] Levin TL, Han B, Little PB. Congenital anomalies of the
tik-Zystoskop mit 0-Grad-Optik und 3 Ch
Arbeitskanal. Als Spülflüssigkeit dient Sorbitlösung, um im Zuge der Therapie falls
erforderlich auch die monoplare Resektion
einsetzen zu können. Blasenwand, Ureterostien, proximale Urethra und die Klappen selbst werden unter Anspülen inspiziert. Die Klappen werden in Bezug auf
ihre Restöffnung beschrieben und für die
Laser-Ablationstherapie eingestellt. Mit
einer RevoLix-Dioden-Laserfaser (Flexifib,
Außendurchmesser 0,5 mm) werden unter
Sicht im Weichteil-Modus mit etwa sechs
Watt nacheinander beide Klappenränder
abladiert. Der Vorteil dieses Diodenlasers
liegt in der geringen Laserstrahl-Eindringtiefe, die durch Arbeiten unter Sicht optimal kontrolliert werden kann. Der Nachteil
besteht in der nach vorn gerichteten
Arbeitsrichtung mit schlechter Steuerbarkeit der schneidenden Faserspitze, die den
Resektionserfolg begrenzt. Die Laserablationstherapie kann aber im Rahmen der
Diagnostik mit dem kleinsten, verfügbaren
Zystoskop immer zum Einsatz gebracht
werden. Das ist der entscheidende Vorteil
bei der frühen Indikation der Ablationstherapie im Alter von sechs Wochen. Zudem
wächst der therapeutische Einfluss mit
dem Ausmaß der Urethralklappen. Das
heißt: Je größer die Klappe anatomisch
gestaltet ist, umso eher ist die Laserablation
wirksam.
Nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeit mit dem Diodenlaser kommt das 9,8
Ch-Resektoskop zum Einsatz, zunächst mit
dem nicht wieder verwendbaren Haken-
messer, das retrograd in die Klappenreste
eingehakt und dann zum Schneiden durchgezogen wird.
male urethra. Pediatr. Radiol. 2007. 37(9): 851-62.
[7] Sjöström S, Jodal U, Sixt R, Bachelard M, Sillén U. Longitudinal development of renal damage and renal function
in infants with high grade vesicoureteral reflux. J Urol.
In aller Regel wird spätestens bei diesem
Therapieschritt die gewünschte Entschärfung (engl. Fulguration) der Urethralklappen erreicht. Eine anatomisch vollständige
Resektion ist für das Erreichen eines funktionellen Normalzustandes völlig unnötig
und zu gefährlich, denn sie führt zu Blutungen als Zeichen der Harnröhrenverletzung und sekundären Harnröhrenstrikturen. Ein erhöhtes Verletzungsrisiko ist vor
allem mit der Verwendung des monopolaren Resektoskops verbunden, das wir
daher nur selten und äußerst gezielt zum
Einsatz bringen. In aller Regel ist der Einsatz der monopolaren Resektion ohne
Nachteil vermeidbar.
Fazit
Pränatal diagnostizierte obstruktive Uropathien sind zu einem gewissen Teil postnatal interventionsbedürftig. Die antenatalen
Untersuchungen ermöglichen im Verlauf
der Schwangerschaft eine weitere Selektion. Postnatal interventionsbedürftige
Fälle sollten bereits pränatal kinderurologisch beraten werden, um den werdenden
Eltern die Angst vor der Erkrankung des
Kindes zu nehmen und zu verhindern,
dass durch verspätete Diagnostik und Therapie den Kindern zusätzlich Schaden
zugefügt wird.
2009; 81(5): 2277-83.
[8] Beetz R. May we go on with antibacterial prophylaxis
for urinary tract infections? Pediatr Nephrol. 2006; 21(1):
5-13.
[9] Livera LN, Brookfield DSK, Egginton JA, Hawnaur JM.
Antenatal sonography to detect fetal renal abnormalities:
a prospective screening programme. Brit med J. 1989; 298:
1421-3.
[10] Merrick MV, Notghi A, Chalmers N, Wilkinson AG,
and Uttley WS. Vesico-ureteric reflux and other risk factors
for renal damage: identification of high- and low-risk
children. Arch Dis Child. 1995; 72(5): 388-92.
Kontakt
Dr. Bernd Richter
Leitender Arzt
der Sektion für Kinderchirurgie
Asklepios Klinik Harburg
Eißendorfer Pferdeweg 52
21075 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-86 50 98
Fax (0 40) 18 18-86 34 25
E-Mail: b.richter@asklepios.com
735
ISSN 1863-8341
Geschichte der Medizin
17 Jahre
ENDO CLUB NORD
Julia Rasche
Bald pilgern sie wieder in Scharen zum
Congress Centrum Hamburg:
Gastroenterologen aus aller Welt wollen an
der größten Live-Endoskopie-Veranstaltung
der Welt teilnehmen, die der ENDO CLUB
NORD (ECN) alljährlich ausrichtet. Als die
Gründerväter, die Professoren Friedrich
Hagenmüller, Nib Soehendra und Dietmar
Wurbs 1991 beschlossen, einen gemeinsamen Kongress auf die Beine zu stellen, fanden sie einen prägnanten Namen: ENDO
CLUB NORD. Und zu diesem Club wollte
jeder, der in der Endoskopie-Szene Rang
und Namen hat, bald dazugehören. Das
Einzigartige: Hier wurden Kräfte von drei
renommierten Hamburger Kliniken gebündelt. Zusammenarbeit statt Konkurrenz
war der Schlüssel zum Erfolg.
Modernste Übertragungstechnik sorgt für beste Eindrücke aus den Endoskopielaboratorien
So fing alles an …
Highlights
Der ENDO CLUB NORD heute
Bereits zum ersten Kongress 1991 kamen
rund 1.500 Teilnehmer. Endoskopische
Interventionen an 30 Patienten wurden live
demonstriert und zur Diskussion gstellt.
Damals standen noch Kurbeltelefone auf
dem Vorstandstisch, es wurde mithilfe von
Diapositiven referiert und auf der Bühne
gab es Röhrenprojektoren. Heute hat längst
Powerpoint Einzug gehalten und die Lichtleistung hat sich verdreifacht. Von Anfang
an ist die Firma LUX AV für den technischen Ablauf verantwortlich, denn eine
hervorragende Licht- und Tonqualität sind
das A und O des Kongresses. Einen bahnbrechenden Fortschritt verzeichnete der
ECN 2007: Erstmals wurden alle LiveDemonstrationen in HDTV übertragen.
Für den ECN stellt Olympus, Partner und
Hauptsponsor des Kongresses, die neueste
Technologie zur Verfügung. Der weltweite
digitale TV-Standard liefert für die Medizin eine optische Auflösung, die zu einem
deutlichen Gewinn für die Patienten führt.
Mit den Jahren entwickelte sich der ENDO
CLUB NORD zu einem international anerkannten Kongress. 1994 und 2000 übertrug
die Deutsche Gesellschaft für Endoskopie
und bildgebende Verfahren dem ENDO
CLUB NORD die Ausrichtung ihres Jahreskongresses – eine ehrenvolle Aufgabe für
die Hamburger Endoskopie-Experten. Der
Erfolg blieb nicht aus: die Rekordbeteiligung
von 2.600 Teilnehmern hatte es bei einem
Endoskopiekongress noch nie gegeben.
Nach dem plötzlichen Tod von Professor
Wurbs 1999 blieb das Team der heutigen
Asklepios Klinik Barmbek beim ENDO
CLUB NORD immer an Bord. 2005 trat Privatdozent Dr. Siegbert Faiss die Nachfolge
von Dietmar Wurbs an, 2007 übernahm er
erstmals die Präsidentschaft des ENDO
CLUB NORD. Nach 35 Jahren verabschiedete sich im vergangenen Jahr Professor
Nib Soehendra vom Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf. Sein Nachfolger als
Direktor der Klinik für Interdisziplinäre
Endoskopie des UKE wurde Professor
Thomas Rösch aus der Berliner Charité.
Soehendra übernahm 2008 zum letzten
Mal die Präsidentschaft des ENDO CLUB
NORD und übergab den Staffelstab an
seinen Nachfolger.
www.medtropole.de
Seine Einzigartigkeit unterstreicht der
ENDO CLUB NORD auch mit Übertragungen in die ganze Welt: Mediziner in Griechenland, Portugal, Irland und Australien
konnten den Kongress live via Satellitenübertragung in ihren Heimatländern verfolgen.
In diesem Jahr findet der 17. ENDO CLUB NORD
vom 6. – 7. November im CCH statt. Das Programm
verspricht einen sehr lehrreichen Überblick über
die aktuellen Entwicklungen, die jedes endoskopierende Team kennen sollte. www.endoclubnord.de