hämotherapie 20/2013 - DRK

Transcription

hämotherapie 20/2013 - DRK
Beiträge zur Transfusionsmedizin
20
2013
Intrauterine fetale Transfusionen
Intrauterine Transfusion von Erythrozyten
Granulozytentransfusionen bei Patienten
mit Granulozytopenie oder -pathie
In der Diskussion:
Können die Alzheimer- und ParkinsonKrankheit durch selbstreplizierende
Proteinpartikel übertragen werden?
Diagnostik immunologisch bedingter
Thrombozytopenien
Deutsches Rotes Kreuz
DRK-Blutspendedienste
20
2013
Impressum
Inhalt
Herausgeber:
Editorial 20/2013
3
Die DRK-Blutspendedienste:
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg –
Hessen, Mannheim
Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes,
München
DRK-Blutspendedienst Mecklenburg-Vorpommern,
Neubrandenburg
Blutspendedienst der Landesverbände des
DRK Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen,
Oldenburg und Bremen, Springe
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost, Dresden
DRK-Blutspendedienst West, Ratingen
(gemeinnützige GmbHs)
Redaktion (verantwortlich):
Dr. med. Detlev Nagl, Augsburg
Friedrich-Ernst Düppe, Hagen
Feithstraße 182, 58097 Hagen
Tel.: 0 23 31/8 07-0
Fax: 0 23 31/88 13 26
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Redaktion:
Dr. med. Robert Deitenbeck, Hagen;
Dr. Jörgen Erler, Baden-Baden;
Dr. med. Markus M. Müller, Frankfurt/M.;
Prof. Dr. med. Hubert Schrezenmeier, Ulm;
Prof. Dr. med. Axel Seltsam, Springe;
Dr. med. Wolfgang Stangenberg, Neubrandenburg;
Prof. Dr. med. Torsten Tonn, Dresden;
PD Dr. med. Thomas Zeiler, Breitscheid.
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Die Fachinformationen entbinden den behandelnden
Arzt nicht, sich weiterführend zu informieren.
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hämotherapie, 20/2013, Seite ...
Intrauterine fetale Transfusionen
Intrauterine Transfusion von Erythrozyten
Granulozytentransfusionen bei Patienten mit
Granulozytopenie oder -pathie
19-31
PD Dr. Michael Beekes, Prof. Dr. Reinhard Burger
Diagnostik immunologisch bedingter Thrombozytopenien
13-18
Carla Kreissig
In der Diskussion: Können die Alzheimer- und Parkinson-Krankheit
durch selbstreplizierende Proteinpartikel übertragen werden?
4-12
Dr. med. Rainer Bald
32-43
Dr. med. Elisabeth Urban, Dr. med. Ute-Maja Liebscher, Prof. Dr. med. Torsten Tonn
Die Autoren
44
Dr. med. Markus M. Müller
Oberarzt & Entnahmeleiter
Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
Universitätsklinikum Frankfurt am Main
DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gemeinnützige GmbH
Liebe Leserin, lieber Leser,
nun liegt sie in Ihrer Hand, die 20. Ausgabe
unserer Zeitschrift hämotherapie mit neuen
und aktuellen Beiträgen aus der Transfusionsmedizin. Die DRK-Blutspendedienste
arbeiten seit 2003 gemeinsam erfolgreich
daran, Ihnen, unseren geschätzten Lesern, interessante Themen aus dem vielfältigen Gebiet der Transfusionsmedizin
nahe zu bringen. Es gelang und gelingt
uns, namhafte Experten dafür zu gewinnen, aktuelle Übersichten zu einem Thema
zu verfassen. In diesem Jahr können wir
mit dem Folgeheft Nr. 21, das im Herbst
2013 zur 46. DGTI-Jahrestagung in Münster herauskommen wird, dann auch das
zehnjährige Jubiläum der hämotherapie
feiern. Doch dazu mehr im nächsten Heft!
Feten sind die kleinsten und verletzlichsten
Patienten, die wir als Transfusionsmediziner in einem multidisziplinären Team von
Spezialisten mit betreuen. Die Anforderungen an immunhämatologische und immungenetische Diagnostik, aber auch an
Erythrozytenpräparationen für die intrauterine Transfusion sind dabei entsprechend
hoch. Dr. Rainer Bald, leitender Arzt des
Pränatalzentrums am Klinikum Leverkusen, beschreibt in einem höchst lesenswerten Artikel Historie, Patienten und behandelbare Erkrankungen, Methoden und
Zugangswege der intrauterinen Transfusion. Seine abschließenden Empfehlungen seien hiermit nicht nur den direkt in
die Behandlung Involvierten, sondern allen
Interessierten nahegelegt.
Auch Frau Kollegin Carla Kreissig vom
DRK-Blutspendedienst West beschäftigt
sich in dieser Ausgabe der hämotherapie
mit einem wichtigen Aspekt der Versorgung vulnerabler Patienten. Die Granulozytentransfusion bei Patienten mit stark
verminderten oder funktionsgestörten
Granulozyten und oft lebensbedrohlichen
bakteriellen oder Pilz-Infektionen stellt im
Zusammenspiel mit der antimikrobiellen
Therapie eine wichtige Säule der Behandlung dar. Der Transfusionsmedizin geht es
neben der Bereitstellung qualitativ hochwertiger und sicherer Präparate auch um
die Sicherheit der Granulozytenspender.
Diesen Aspekt beleuchtet Frau Kreissig
in ihrer Arbeit ebenfalls. Der Autorin ist mit
ihren Tipps und Informationen insbesondere auch daran gelegen, die Abläufe zwischen den anfordernden Kliniken und den
herstellenden Blutspendeeinrichtungen im
Interesse der Patienten weiter zu verbessern.
Eine aktuelle Diskussion in der Medizin
greifen der Präsident des Robert-KochInstituts (RKI) in Berlin, Professor Dr.
Reinhard Burger, und der Leiter der Arbeitsgruppe 5: Unkonventionelle Erreger
und deren Inaktivierung, Privatdozent Dr.
Michael Beekes in ihrem Beitrag auf. Neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus
Alzheimer oder Morbus Parkinson werden
zunehmend häufig in unserer alternden
Bevölkerung diagnostiziert. Pathophysiologisch finden sich bei diesen Krankheiten,
ähnlich wie bei den damit nicht verwandten und sehr seltenen Prionenerkrankungen TSE bei den Tieren bzw. vCJD
beim Menschen, fehlgefaltete und aggregierte Eiweiße in bestimmten Hirnregionen.
Dies legt die Frage nahe, ob die Alzheimerbzw. die Parkinson-Erkrankung so wie die
sehr seltenen Prionenerkrankungen von
Mensch zu Mensch, beispielsweise über
medizinische Geräte oder Blutpräparate,
übertragbar sein könnten. Professor Burger und Privatdozent Beekes können aufgrund ihrer Bewertung wissenschaftlicher
Publikationen und epidemiologischer
Studien hier aktuell Entwarnung geben.
Weder für die Alzheimer-, noch für die
Parkinson-Erkrankung finden sich derzeit
epidemiologische Hinweise, dass diese
Erkrankungen übertragbar sind. Nichtsdestotrotz beherzigen alle DRK-Blutspendedienste den von den beiden Experten
20
2013
geäußerten Hinweis zur auch zukünftigen
Wachsamkeit und weiteren Forschung auf
diesem Gebiet. Dies gilt für alle potentiell
durch Blutprodukte übertragbaren Infektionen, welche wir in Zusammenarbeit mit
den Bundesoberbehörden beforschen,
testen sowie durch Ausschluss betroffener
Spender und aufwendige Testverfahren
aus der Transfusionskette heraushalten.
Im abschließenden Beitrag der Kolleginnen und des Kollegen aus Dresden
beschreiben Frau Dr. Ute-Maja Liebscher,
Frau Dr. Elisabeth Urban und Herr Professor Dr. Torsten Tonn die Diagnostik immunologisch bedingter Thrombozytopenien.
Solche unter Umständen akut lebensbedrohlichen Zustände führen nicht selten
zu diagnostischen und in der Folge therapeutischen Herausforderungen für die
behandelnden Kolleginnen und Kollegen.
Es ist den drei Autoren daher vor allem für
die gute Systematik der ursächlichen Erkrankungen und die klinische Bedeutung
thrombozytärer Antikörper in diesen Fällen
zu danken. Der Artikel zeigt Ihnen, liebe
Leserinnen und Leser, wie viele hämotherapie-Beiträge in der Vergangenheit auch,
welch´ breites diagnostisches Angebot Ihr
DRK-Blutspendedienst für Sie und Ihre
Patienten bereit hält. Informieren Sie sich
bitte zusätzlich über die von Ihrem DRKInstitut für Transfusionsmedizin bereitgehaltenen diagnostischen Methoden und
transfusionsmedizinischen Angeboten, beispielsweise auf unseren Internetseiten.
Meine Bitte zum Abschluss: Teilen Sie uns
für Sie interessante Themen für zukünftige
Hefte mit und stellen Sie Fragen an unsere
Experten, nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
Wir, die Redaktion der hämotherapie, freuen uns auf Ihre Rückmeldung!
So, nun wünsche ich Ihnen aber eine
spannende sowie für Sie und Ihre
Patienten gewinnbringende Lektüre!
Mit herzlichen kollegialen Grüßen
Dr. med. Markus M. Müller
3
Intrauterine fetale Transfusionen
Intrauterine Transfusion von Erythrozyten
Dr. med. Rainer Bald
Frauenklinik
Klinikum Leverkusen
Zusammenfassung
Die intrauterine Transfusion von Erythrozyten (IUT) in den Feten
ist eine der erfolgreichsten intrauterinen Therapiemaßnahmen.
Die IUT von Erythrozyten ist indiziert, um den fetalen Tod auf
Grund schwerer Anämie zu verhindern. Obwohl es nie randomisierte Studien gab, besteht kein Zweifel, dass diese Maßnahme
zum Überleben schwer anämischer Feten beigetragen hat.
In der Regel ist eine IUT ab der 15. Schwangerschaftswoche
(SSW) technisch durchführbar, in Einzelfällen gelingen aber
auch Transfusionen ab 12 SSW. Im Folgenden werden die
Ursachen der fetalen Anämie, die Methoden zur Indikationsstellung zur intrauterinen Transfusion, sowie die Durchführung der
intrauterinen Transfusion in verschiedenen Techniken beschrieben. Ergebnisse und Risiken werden dargestellt und konkrete
Empfehlungen zum Vorgehen gegeben.
Summary
Intrauterine transfusion (IUT) of red blood cells (RBC) into the
fetus is one of the most successful intrauterine procedures. Intrauterine transfusion of RBC is indicated to prevent death from
severe anemia. Despite the lack of randomized studies, there is
no doubt that IUT saved the life of many fetuses. IUT is technically feasible from week 15 (in singular cases even from week
12) after gestation. The following article describes the various
causes for fetal anemia, the indication for IUT as well as the
techniques, used to perform intrauterine transfusion. Chances
and risks of IUT are discussed and concise recommendations
for clinical practice are provided.
Einleitung
neale Bluttransfusionen behandelt
wurden. Die so applizierten Erythro-
Die intrauterine Transfusion von
zyten migrieren vom Peritoneum
Erythrozyten in den Feten ist eine der
über Lymphbahnen in den Blutkreis-
erfolgreichsten intrauterinen Thera-
lauf der Patienten. Liley postulierte,
piemaßnahmen. Obwohl es nie ran-
dass dieser Mechanismus auch beim
domisierte Studien gab, besteht kein
schwer anämischen Feten funktio-
Zweifel, dass diese Maßnahme zum
nieren würde. 1963 führte er die erste
Überleben schwer anämischer Feten
intrauterine Transfusion unter Röntgen-
beigetragen hat. Der generelle Ein-
kontrolle durch, da Ultraschall zu die-
satz der postpartalen Rhesuspro-
ser Zeit noch nicht verfügbar war (1).
phylaxe (erstmals am 09.08.1963 von
J. Schneider, Freiburg, durchgeführt)
Manfred Hansmann führte 1972
hat, wie auch später die zusätzliche
die erste intrauterine-intraperitoneale
pränatale Prophylaxe das Risiko ei-
Transfusion unter Ultraschall-Kontrol-
ner Immunisierung deutlich reduziert.
le durch. Ein weiterer wichtiger Schritt
Dies bedeutet auch eine Reduktion
war 1981 die erste intrauterine-intra-
der
Transfusionen,
vasale Transfusion durch Charles
wenngleich eine fetale Anämie aus
Rodeck, die er unter fetoskopischer
einer Vielzahl von Gründen auftreten
Kontrolle vornahm (2). Die erste intra-
kann. Zu erwähnen sind hier die feta-
uterine-intracardiale Transfusion wur-
le Anämie bei mütterlichen Erstinfek-
de 1984 erfolgreich von Hansmann
tionen in der Schwangerschaft (Par-
unter Ultraschallkontrolle durchge-
vovirus B 19 oder Cytomegalie-
führt. Die derzeitige Standardmetho-
Infektion), auf Grund fetomaternaler
de ist die Transfusion in die fetale Na-
Transfusion oder fetaler Blutungen,
belvene der Nabelschnur, in Einzelfäl-
um nur einige wenige zu nennen.
len auch in den intrahepatischen
intrauterinen
Anteil der Nabelvene.
Historisches
Auswahl der Patienten
Sir William Liley war der erste Me-
4
diziner, der eine intrauterine Transfu-
Die intrauterine Transfusion von
sion von Erythrozyten durchführte.
Erythrozyten ist indiziert, um den fe-
Während seiner Zeit in Neuseeland
talen Tod auf Grund schwerer Anä-
erfuhr er von einem Kollegen, dass in
mie zu verhindern. In der Regel ist
Afrika an Sichelzellanämie erkrankte,
dies ab der 15. Schwangerschafts-
anämische Kinder durch intraperito-
woche (SSW) technisch durchführ-
20
2013
bar, in Einzelfällen gelingen aber auch
die Geschwindigkeit das Doppelte
Transfusionen ab der 12. SSW. Die
des Schwangerschaftsalters (dies
normale fetale Hämoglobinkonzen-
entspricht dem 1,5 MoM-Wertes),
tration steigt beim Feten von 10-11 g/
muss von einer relevanten Anämie
dl in der 17. SSW auf 14-15 g/dl am
ausgegangen werden (38).
Termin.
Da im Laufe der Transfusionen das
Eine schwere fetale Anämie liegt
fetale Hämoglobin durch adultes Hä-
vor, wenn der fetale Hämoglobinwert
moglobin der Erythrozytenkonzen-
mehr als 7 g/dl unter dem Mittelwert
trate ersetzt wird, eignet sich diese
des Schwangerschaftsalters liegt (3).
Untersuchung
Mari gibt als Kriterium für eine schwere
schränkt zur Festlegung des näch-
Anämie einen Hämoglobingehalt von
sten Transfusionstermins (s. u.).
nur
noch
einge-
< 5,8 bis 7,4 g/dl abhängig vom
Schwangerschaftsalter an. In seiner
Entscheidend für eine exakte Mes-
Studie waren 12 von 31 Feten hydro-
sung ist die „Null-Grad-Messung“,
pisch - alle hydropischen Feten wie-
das heißt der Dopplerstrahl darf das
sen Hämoglobinwerte < 5 g/dl auf (4).
Gefäß nicht in einem Winkel treffen.
Feten mit einem Hämoglobinwert
Zunehmender Winkel (cos á) verrin-
Reifung von Erythrozytenvorstu-
< der 2fachen Standardabweichung
gert nach der Dopplerformel die ge-
fen in den fetalen Blutbildungs-
vom altersentsprechenden fetalen Hä-
messene Geschwindigkeit.
zentren zu schwerer Anämie. Die
Feten entwickeln auf Grund der
moglobinwert werden in den meisten
Zentren intrauterin behandelt.
Ursachen fetaler Anämie
Anämie, aber auch sekundär
durch
Feststellung der fetalen Anämie
• Fetale Anämie bei Blutgruppen-
rungen
kardiale
Funktionsstö-
(Myokarditis)
einen
Inkompatibilität gehört zu den
Hydrops. In einer von von Kaisen-
Schon 1986 versuchten Rightmire
häufigsten Ursachen. Mehr als 50
berg 2001 publizierten Multicen-
et al. die fetale Anämie durch Dopp-
verschiedene Erythrozytäre Anti-
ter-Studie hatten 82 % (188/230)
lermessungen in der fetalen Aorta
körper sind mit Hämolyse fetaler
der transfundierten Feten ein nor-
nicht invasiv zu bestimmen. Der
Erythrozyten assoziiert. Am häu-
males Outcome, gegenüber 55 %
Durchbruch gelang Mari et al. 1995,
figsten müssen die Feten von
(239/435) der konservativ behan-
indem er zeigen konnte, dass eine er-
Schwangeren mit Anti-D, Anti-
delten Fälle (5).
höhte Geschwindigkeit (Vmax) in der
K(Kell) und Anti-c transfundiert
Arteria cerebri media des Feten eine
werden.
• Chronische fetomaternale Transfusionen sind seltene, aber hoch
gute Korrelation zum fetalen Hämato-
• Fetale Infektionen, insbesondere
gefährliche Ursachen für fetale
krit aufwies. Weitere Studien bestä-
die fetale Parvo B 19 Infektion
Anämie. Auch hier entwickeln die
tigten diese Aussage. Überschreitet
führt über die Blockierung der
Feten häufig und schnell einen
5
generalisierten Hydrops fetalis.
Durch einen Kleihauer-BetkeTest, aber auch durch neuere
Untersuchungsmethoden
wie
FACS, kann die Diagnose im mütterlichen Blut verifiziert werden.
Auch
hier
retten
intrauterine
Transfusionen das fetale ÜberleTransfusionen zusätzliche Antikörper
die Mutter nachweisen (17). Dieser
• Angeborene Bluterkrankungen,
bilden, einerseits gegen die Merk-
Effekt fand sich nicht mehr nach 33
wie die Alpha-Thalassämie oder
male des Spenders, zum anderen
Schwangerschaftswochen. Die Au-
andere
Erkran-
gegen die fetalen Blutgruppenmerk-
toren führten dies auf einen höheren
kungen, wie die Diamond-Black-
male (14-16). Das Risiko ist bei trans-
Anteil jüngerer Zellen als Resultat er-
fan-Anämie können intrauterin zur
plazentarer Punktion am größten.
höhter mütterlicher Retikulozyten zu-
Entwicklung einer schweren Anä-
Nicht reduziert wird das Risiko durch
rück. Das Risiko der Übertragung re-
mie mit fetalem Hydrops führen
Testen der Konserve gegen die
levanter Viren dürfte bei Verwendung
(6-11).
Schwangere in Bezug auf die Merk-
mütterlicher Erythrozyten geringer
• Darüber hinaus gibt es verschie-
male C, c, D, E, e und Kell, da Inkom-
sein, ist aber noch nicht untersucht
dene seltene Indikationen (Tumor-
patibilitäten gegen die vorhandenen
worden.
anämie
weiteren Antigene bestehen (15).
ben.
angeborene
oder
Komplikationen
nach Laserbehandlung von Feten
mit „feto-fetalem Transfusions-
Autologe Spende könnte eine Mög-
Syndrom"). In einer Serie von
lichkeit sein, die Bildung von Antikör-
Quarello, 2008 konnte durch eine
pern zu umgehen. Die Vorschrift,
Transfusion ein anämischer Fetus
dass der Spender mindestens ein
Die verschiedenen Wege der intra-
nach Laserablation in 11 von 19
Hämoglobin über 12,5 g/dl haben
uterinen Applikation von Blut wurden
Fällen (53 %) gesund entbunden
muss, schließt die meisten Schwan-
in randomisierten Studien untersucht
werden (12). Das chronische
geren aus. Ein Vorteil der maternalen
(18).
„twin anemia-polycythemia syn-
Spende ist, dass die Erythrozyten ei-
drome“ nach Laser Therapie wur-
ne längere Überlebenszeit haben,
de ebenfalls durch serielle Trans-
was wiederum die Anzahl der not-
fusionen behandelt (13).
wendigen Transfusionen reduziert.
Das Erythrozytenkonzentrat wird in
Eine Studie, die 76 IUT´s mit mütter-
die freie Bauchhöhle des Feten inji-
lichem Blut mit 213 IUT´s mit Spen-
ziert. Über Lymphbahnen gelangen
derblut verglichen haben, konnte ei-
die Erythrozyten in die fetale Zirkulati-
nen deutlich langsameren Abfall des
on. Dieser Mechanismus funktioniert,
Hämoglobins nach Blutspende durch
solange kein erhöhter lymphatischer
Das Erythrozytenkonzentrat
Studien zeigten, dass 25 % der
Schwangeren
6
Methoden und Zugangswege zur intrauterinen
Transfusion
nach
intrauterinen
IPT (intraperitoneale Transfusion)
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2013
Druck die Aufnahme behindert. Im
Transfusion in die Nabelvene hat den
Fall einer schweren Anämie entwick-
Zweck, die Transfusionsintervalle zu
eln die Feten einen Hydrops (Aszites,
verlängern (28, 29).
Hautödem etc.) (Abbildung 1). In
den Aszites injizierte Erythrozyten
In einer Studie von Moise konnte
werden nicht in die Zirkulation aufge-
gezeigt werden, dass sich der Abfall
nommen. In einer Studie wurden hy-
des fetalen Hämatokrits von 1 % pro
dropische und nicht hydropische Fe-
Tag auf 0,1 % reduzierte (28).
ten miteinander verglichen. Im Ver-
ICT (intracardiale Transfusion)
gleich intraperitonealer zu intravasaler
Transfusion überlebten bei intrava-
Abbildung 1
saler Transfusion doppelt so viele hy-
Fetaler Aszites bei schwerer Anämie
Die direkte cardiale Punktion des
Feten und Injektion der Erythrozyten
dropische und 13 % nicht-hydropische Feten.
Punktion der Nabelschnur
in die rechte Herzkammer ist ein weiterer Zugangsweg. Da sie eine hö-
Indem die intravasale Transfusion
Am einfachsten ist der transplazen-
here Komplikationsrate aufweist, (8 %
insbesondere beim hydropischen Fe-
tare Zugang in die Nabelvenen bei
gegenüber < 3 % (23)) ist diese
ten bessere Überlebensraten ergibt,
Vorder- oder Seitenwandplazenta.
Technik nur für seltene Fälle reser-
sollte die intraperitoneale Transfusion
Die Nadel wird in die Nabelvene plat-
viert, wenn beim hydropischen Feten
nur speziellen Fällen (nicht hydro-
ziert. Punktionen der Nabelarterie
weder die Nabelschnur noch die
pische Feten in sehr frühem Schwan-
führen über Spasmen der Muscularis
intrahepatische Nabelvene (s. u.) zu
gerschaftsalter, Unvermögen die Na-
zu einer höheren Rate an fetalen Bra-
erreichen ist.
belschnur zu erreichen...) vorbehal-
dycardien (21 versus 3 %) (24, 25).
ten bleiben.
Auch die Punktion des Nabelschnur-
Intrahepatische Transfusion
ansatzes am Feten selbst führt über
IVT (intravasale Transfusion)
einen vagalen Reiz zu einer höheren
Die Punktion des intrahepatischen
Rate von Bradycardien (24, 25). Die
Anteils der Umbilikalvene hat einige
Die direkte intravasale Applikation
Punktion einer freien Nabelschnur-
Vorteile. Die Rate fetaler Bradycar-
des Erythrozytenkonzentrats bietet
schlinge ist auf Grund der fetalen Be-
dien ist gering, wahrscheinlich, weil
neben der besseren und schnelleren
wegungen
hier keine Arterien irritiert werden
Wirksamkeit und den höheren Über-
spruchsvoll.
technisch
sehr
an-
lebensraten die exakte Bestimmung
(26). Kommt es zu einer Blutung aus
dem Gefäß, wird dieses Blut vom Pe-
des fetalen Hämoglobins. Dies er-
Kombinierte intraperitoneale
ritoneum wieder resorbiert und geht
möglicht eine sichere Anpassung
und intravasale Transfusion
gewissermaßen nicht verloren. Die
des applizierten Blutvolumens an
den angestrebten End-HämoglobinWert (19, 20-22).
Nachteile sind ein höherer SchmerzDie Kombination aus einer IPT
reiz, der durch erhöhte Spiegel von
(dient quasi als Reservoir) und der
Noradrenalin, Cortisol und ß-Endor-
7
phinen im Vergleich zu der Nabel-
Fetaler Aszites
schnurpunktion nachgewiesen wer-
Blutes und über die Volumenzunahme zu kardialen und peripher vasku-
den konnte (27). Durch fetale Bewe-
Intraperitoneal appliziertes Blut wird
lären Problemen führen kann (32, 33).
gungen besteht zudem ein höheres
von den Lymphbahnen nicht mehr
Es sind verschiedene Formeln entwi-
Risiko benachbarte Organe zu verlet-
resorbiert, so dass in diesen Fällen
ckelt worden, die transfundierte Blut-
zen. Eine fetale Narkose, während
eine intravasale oder intracardiale
menge zu berechnen.
der der Fet sich weniger bewegt,
Transfusion notwendig wird.
kann dies zum Teil verhindern. Gerade in Fällen, in denen die Nabelschnur nicht erreichbar oder nicht
Beispiel: Zu transfundierendes Vo-
Transfusionsmenge und
angestrebter Hämatokrit
gut darstellbar ist, ist dieser Weg eine
lumen (ml) = Volumen der feto-plazentaren Einheit (ml) X (End-Hämatokrit-Ausgangs-Hämatokrit) / Hämato-
Option. Die „fetal loss rate“ ist nicht
Nach 24 Schwangerschafts-
krit des transfundierten Blutes. Das
höher, als bei der Punktion der Umbi-
wochen
Volumen der feto-plazentaren Einheit
likalvene
am
plazentaren
Nabel-
schnuransatz.
Spezielle Situationen
wird errechnet aus dem geschätzten
Das transfundierte Volumen richtet
fetalen Gewicht und folgender For-
sich nach dem Ausgangs-Häma-
mel: 1,046 + fetales Gewicht (g) X
tokrit, dem Schwangerschaftsalter,
0,14 (34).
dem feto-plazentaren Volumen und
Gestationsalter < 22 Wochen
Je nach Lage der Plazenta und
mütterlichem Habitus kann die Punk-
dem angestrebten End-Hämatokrit.
Sehr viel einfacher ist es, wenn
Der fetale Hämatokrit steigt von 37
während der Transfusion der Häma-
+/- 4 % mit 17 Wochen auf 43 +/- 7 %
tokrit / das Hämoglobin gemessen
am Termin (31).
werden kann. In der Regel benötigt
tion der Nabelschnur sehr schwierig
sein. In diesen Fällen ist die IPT (intra-
Im Gegensatz zu vielen Zentren ver-
peritoneale Transfusion) beim nicht
meiden wir einen hohen End-Häma-
Wir benutzen darüber hinaus eine
hydropischen Feten die Methode der
tokrit, der zu hoher Viskosität des
Software, die uns nach Eingabe des
Wahl. Fox berichtet 2008 von 6
Frauen mit Rhesusinkompatibilität. 4
Frauen hatten eine vorausgegangene
Schwangerschaft verloren. In der
zweiten Schwangerschaft wurden
bei allen Frauen solange intraperitoneale Transfusionen (17.-21. SSW)
durchgeführt, bis die Nabelschnur
erreichbar war. Nur einer der so behandelten Feten verstarb (30).
8
eine Messung weniger als 60 sec.
20
2013
Hämoglobins der Konserve, dem Vo-
Intraperitoneale Transfusion
lumen der feto-plazentaren Einheit
15 Schwangerschaftswochen. Die
letzte Transfusion planen wir um die
und der transfundierten Blutmenge
Intraperitoneal appliziertes Blut wird
38. SSW. Dies ermöglicht den meis-
das End-Hämoglobin berechnet. Ei-
über 7-10 Tage resorbiert. Eine ältere
ten Schwangeren spontan und oft
ne kleine Menge Fetalblut, die wir vor
Formel von Bowman (35) errechnet
ohne langwierige medikamentöse
Entfernen der Nadel aus der Nabel-
die zu gebende Menge wie folgt: Ge-
Geburtseinleitung zu entbinden.
vene entnehmen, verifiziert den er-
stationsalter in Wochen - 20 X 10
rechneten Wert. In mehr als 2.000
Beispiel: Ein 30 Wochen Fetus
Transfusionen konnten wir eine gute
dürfte somit bis 100 ml Blut erhalten.
Wir führen die Transfusionen in
Übereinstimmung der errechneten zu
den gemessenen Werten feststellen.
Technik
Antenatale Corticosteroide
einem Raum im Kreißsaal gegenüber
dem Notfall-OP durch. Ein Blutbild-
Transfusionen vor 24 Schwan-
Ab 22 + 5 Schwangerschaftswo-
Analysegerät gestattet die unmittel-
chen besprechen wir mit den Eltern
bare Bestimmung des fetalen Hämo-
die Gabe von Corticosteroiden (2 x
globins, der Thrombozyten und des
Schwere fetale Anämie ist von pro-
12 mg Celestan über 2 Tage) u. a. zur
mittleren corpuskulären Volumens
funden hämodynamischen Verände-
Verbesserung der Lungenfunktion
der gewonnenen Erythrozyten. Letz-
rungen begleitet. Die Herzauswurf-
(RDS-Prophylaxe). Voraussetzung ist,
teres ist hilfreich, um bei der ersten
leistung ist meist deutlich reduziert.
dass im Fall einer durchzuführenden
Transfusion fetales von maternalem
Schwer anämische Feten zwischen
Not-Sectio caesarea das Neuge-
Blut zu unterscheiden.
18 und 22 Wochen haben ein
borene eine realistische Überlebens-
33 %iges Mortalitätsrisiko. Aus die-
chance hat.
gerschaftswochen
sen Gründen heben wir den Hämatokrit nur schrittweise an und nehmen
bewusst sehr kurze Transfusionsin-
Die Schwangere ist nüchtern und
wird besonders im höheren Schwan-
Durchführung der Nabelschnurtransfusion
tervalle in Kauf.
gerschaftsalter leicht auf die linke
Seite gelagert. Eine Stunde vor der
Transfusion verabreichen wir eine
Beispiel: Anheben des Ausgangs-
In der Literatur wird die Transfusion
Prämedikation mit Midazolam (bis
hämoglobins von 1 g/dl auf 5 g/dl,
vor 18 und nach 35 Schwanger-
15 mg oral). Das Abdomen wird mit
ein bis zwei Tage später die zweite
schaftswochen als technisch schwie-
Cutasept F® desinfiziert und mit 4
Transfusion von 4 g/dl auf 8 g/dl und
rig und sehr gefährlich beschrieben
sterilen Papiertüchern abgeklebt. Die
etwa 5-7 Tage später die 3. Trans-
(36). Unsere Erfahrungen zeigen,
Schallsonde wird ebenfalls mit dem
fusion, die das Hämoglobin in den
dass auch Transfusionen vor 15 und
Desinfektionsmittel abgesprüht. Eine
Normalbereich bringt.
nach 35 Schwangerschaftswochen
Lokalanästhesie halten wir für über-
(SSW) zwar technisch schwierig sind,
flüssig. Wir verwenden je nach
Die größte Gefahr besteht in der
aber keine höhere Komplikationsrate
Schwangerschaftsalter eine 22- oder
Volumenüberbelastung mit kardi-
aufweisen. Wenn die Eltern es wün-
20-gauge Nadel von 9 cm Länge mit
aler Dekompensation.
schen, transfundieren wir auch unter
Mandrin. Bei sehr adipösen Schwan-
9
geren verwenden wir 12 cm lange
Herzkontraktilität
Die
Feten um 1 % pro Tag gerechnet
Nadeln.
kein
Entnahme einer kleinen Blutprobe
werden kann, beim hydropischen Fe-
Schlauchsystem, sondern schrau-
beendet die Transfusion. Nach der
ten um 1,88 % pro Tag.
ben die Spritze direkt auf die Nadel.
Transfusion wird die Patientin bei le-
Dies gestattet ein besseres Gefühl für
bensfähigem Feten durch eine CTG-
Nach den ersten Transfusionen ist
den anzuwendenden Druck. (Abbil-
Kontrolle von 30 Minuten überwacht.
ein Intervall von 2-3 Wochen sinnvoll,
dung 2)
(Abbildung 3)
auch da die Erythropoese des Feten
Wir
verwenden
unauffällig.
durch die Transfusion supprimiert
Planung der nächsten Trans-
wird. Messungen in der Arteria cere-
fusion
bri media zeigen, dass nach mehreren Transfusionen und Anwendung
Nach der ersten Transfusion bei
der 1,5 MoM-Grenze 20-33 % der
Blutgruppen-Inkompatibilität kann es
schweren Anämien übersehen wer-
zu einer Boosterung der Antikörper
den (39, 40).
kommen. In diesem Fall werden die
fetalen Erythrozyten unkalkulierbar
Letzte Transfusion
schnell zerstört. Abhängig von dem
Abbildung 2
Intrauterine Transfusion
initialen Hämoglobinwert (P1) muss
Wir führen die letzte Transfusion 2-3
die zweite Transfusion früher als spä-
Wochen vor dem errechneten Termin
tere Transfusionen geplant werden.
durch. Die meisten Zentren terminie-
Lobato et al. berichten 2008 (38),
ren diese auf die 35. Schwanger-
dass mit einer Reduzierung des feta-
schaftswoche und begründen dies
Nach Entnahme einer initialen Blut-
len Hämatokrits nach der ersten
mit einer höheren Komplikationsrate
probe sowie gegebenenfalls weiterer
Transfusion beim nicht hydropischen
(Rate an Notfallkaiserschnitten) in
Proben (Genetik, Infektionen etc.) injizieren wir die Blutmenge, die zum
Erreichen des gewünschten Hämoglobinwertes notwendig ist. Die Berechnung dieser Menge erfolgt per
spezieller Software innerhalb weniger
Sekunden.
Mit hochwertigen Ultraschallgeräten ist es möglich, das Einströmen
des Erythrozytenkonzentrates in die
10
Nabelvene zu visualisieren. Solange
Abbildung 3
das Blut normal strömt, ist die fetale
CTG bei schwerer fetaler Anämie (Hb 1,4 g/dl)
20
2013
späteren Wochen. Zur Verbesserung
1,6 %, die Not-Sectio Rate bei 2 %
wicklungsverzögerung (zusam-
der fetalen Leberreife wird hier oft
(18 Fälle , davon 15 Fälle eingriffsbe-
men 3,1 %) entspricht in etwa der
Phenobarbital (30 mg, 3 mal täglich
dingt). Infektionen 0,3 %, Blasen-
holländischen Bevölkerung (2,3 %).
für 10 Tage gegeben) (41). Die Rate
sprung 0,1 % und Punktion der Na-
• Die Inzidenz der Zerebralparese
an Austauschtransfusionen post par-
belarterie 3 %.
ist allerdings höher (2,1 % gegenüber 0,7 % bei Entbindung zwi-
tum wird als niedriger angegeben.
Bei Entbindungen um die 38.-39.
Neurologisches Outcome nach
schen 32 und 36 Wochen und
Schwangerschaftswoche, die wir an-
fetalen Bluttransfusionen.
0,2 % bei Entbindung um 37
Wochen).
streben, sehen wir hierfür keine NotDie LOTUS Studie (44) ist die größ-
Das Hauptrisiko für eine schwere
te Studie bei Kindern, die prä- oder
zerebrale Beeinträchtigung ist der
postnatal transfundiert wurden. In
fetale Hydrops, der bei 64 % der
80 % der Fälle war der Grund eine
Kinder mit zerebraler Störung vor-
Die Risiken einer IPT (intraperito-
Rhesus-Inkompatibilität, 25 % der
lag.
nealen Transfusion) werden in einer
Feten waren hydropisch. Das mittlere
Serie
Gestationsalter war 26 Wochen.
wendigkeit.
Komplikationen
(77
Transfusionen
bei
35
Empfehlungen
Schwangerschaften) wie folgt be-
• Alle Schwangerschaften wurden
schrieben: 2 mal Transfusion in das
zwischen 35 und 37 Wochen ent-
fetale Colon, 2 mal retroperitoneale
bunden.
• Intrauterine Transfusionen sind
zur Therapie schwerer Anämie
Transfusion, sowie ein Bauchwand-
• Das mittlere Alter der nachunter-
des Feten, als Folge von Blut-
hämatom (42). Zu bedenken ist aller-
suchten Kinder war 8,2 Jahre
gruppen-Inkompatibilitäten, Infek-
dings, dass 1988 die Ultraschalldar-
(2-17 Jahre).
tionen, feto-maternalen Transfusi-
stellung wesentlich eingeschränkter
als heute war. Die Risiken der IVT
(intravasalen Transfusion) wurden in
einer großen Studie (1988-2001) publiziert (254 Feten und 740 Transfusi-
• Isolierte schwere Entwicklungsverzögerung 5/291 (1,7 %)
Ursachen indiziert.
• Isolierte Zerebralparese 2/291
(0,9 %)
• Isolierte Schwerhörigkeit 3/291
und
schwere
Entwicklungsverzögerung 4/291
• Transfusionen können auch unter
erfolgreich sein und werden bei
(225/254) angegeben. Fetaler Tod
wicklungsverzögerung (Zerebral-
uns bis zu 37+x Wochen durch-
in 19 Fällen (7 eingriffsbedingt) und
parese, schwere Entwicklungs-
geführt.
neonataler Tod in 10 Fällen (5 ein-
verzögerung,
griffsbedingt). Die perinatale ein-
Schwerhörigkeit) 14/291 (4,8 %)
Mortalität
lag
bei
neurologische
Schwangerschaftswochen
Ent-
griffsbedingte
• Komplexe
schaftsalters in Wochen) liegt.
15
(1,4 %)
Gesamtes Überleben wird mit 89 %
oberhalb des 1,5 MoM Bereichs
(das Doppelte des Schwanger-
• Zerebralparese
Ergebnisse:
• Wir transfundieren Feten, deren
Vmax in der Arteria cerebri media
(1 %)
onen) (43).
onen oder anderen seltenen
Blindheit
oder
• Die Inzidenz von schwerer Ent-
• Hydropische Feten sollen nicht
intraperitoneal transfundiert werden.
11
Algorithmus zur intrauterinen Erythrozytentransfusion.
hohes
Anämierisiko
> 1:32
Coombs
Test
< 1:32
niedriges
Anämierisiko
Überweisung
Zentrum
Fetale PCR
Typisierung
Fet
negativ
Fet
positiv
Wiederholung des Coombs-Test
alle 2 Wochen
Doppler
Monitoring
ACM V max
1/Woche
Doppler > 1,5 MoM,
US positiv
Doppler > 1,5 MoM,
US negativ
Cordocentese
Transfusionen
Entbindung
> 38 Wochen
Abbildung 4
„Coombs Test“ bedeutet hier: Antikörpersuchtest im mütterlichen Blut im indirekten Anti-Humanglobulin Test (indirekter Coombs Test). Die Angaben zum Antikörpertiter (>1:32 oder <1:32)
beziehen sich auch auf die Testdurchführung in der Röhrchentechnik.
• Die Transfusion in die Nabelarterie
des 1,5 MoM Bereichs empfehlen
In der Abbildung 4 wird unser
sollte vermieden werden (höhere
wir wöchentliche Ultraschallkon-
Vorgehen zur intrauterinen Erythro-
Komplikationsrate).
trollen.
zytentransfusion zusammengefasst
• Wir empfehlen eine fetale Narko-
• Alle 14 Tage empfehlen wir die
se in Fällen, bei denen die Nabel-
Bestimmung der mütterlichen
schnur an der Plazenta-Hinter-
Erythrozytären Antikörper, insbe-
wand oder an einer freien Schlin-
sondere da die Schwangere häu-
ge punktiert wird.
fig weitere Antikörper entwickelt,
• Liegen die Vmax-Werte in der
Arteria cerebri media unterhalb
12
die dem Feten gefährlich werden
können.
dargestellt.
Die Literaturhinweise finden Sie
im Internet zum Download unter:
www.drk-haemotherapie.de
Granulozytentransfusionen bei Patienten
mit Granulozytopenie oder -pathie
Einleitung:
zytentransfusion
bis
auf
wenige
Ausnahmen in der Behandlung von
Obwohl in den vergangenen Jahren
Kindern wegen nicht ausreichender
eine Vielzahl hocheffektiver Antibio-
Effizienz bei der Gewinnung der
tika und Antimykotika entwickelt
Leukozytenpräparate wieder verwor-
wurde, sind Patienten mit Granulozy-
fen. (3)
topenien bzw. Granulozytopathien
nach wie vor gefährdet, an einer le-
Eine Wende brachte hier die Ent-
bensbedrohlichen bakteriellen Infek-
wicklung von Zytokinen zur Stimulati-
tion oder Pilzinfektion zu erkranken.
on der Granulopoese. Der Granulo-
Insbesondere Infektionen mit gram-
zytenkolonie stimulierende Faktor (G-
negativen Keimen oder Aspergillen
CSF)
führen bei bis zu 18 % der neutrope-
therapeutischen Einsatz bei zytopen-
nischen Patienten zum Tode (1). Da-
ischen Patienten gedacht. Nun wur-
zu kommt das sich zunehmend ver-
de G-CSF (Filgrastim bzw. Lenogra-
schärfende Problem der Resistenzen
stim) auch bei gesunden Blutspen-
von Mikroorganismen, hier seien Me-
dern als Zytokin zur Stimulation der
thicillin resistenter Staphylokokkus
Granulopoese vor Leukozytapherese
aureus und Vancomycin resistente
eingesetzt.
war
ursprünglich
für
den
Enterokokken genannt.
Die Mobilisierung von Granulozyten
Davon ausgehend ist die Transfusi-
mit G-CSF und die effiziente Samm-
on funktionsfähiger Granulozyten ge-
lung mittels ausgereifter Apherese-
sunder Spender eine logische Kon-
techniken ermöglichen mittlerweile
sequenz. Bereits Mitte der sechziger
die Gewinnung von Granulozyten-
Jahre wurde diese Therapieoption
konzentraten, die selbst bei erwach-
erkannt und es wurden Granulo-
senen Patienten zu einem Anstieg
zytentransfusionen durchgeführt (2).
der Neutrophilen im peripheren Blut
Allerdings konnte trotz Stimulation
der Patienten auf > 500 pro Mikroliter
der Leukozytenspender mit Steroi-
führen. Dieser Wert gilt im Allgemei-
den keine ausreichende Ausschüt-
nen als Grenze, unterhalb derer das
tung von Granulozyten ins periphere
Risiko, an einer Infektion zu erkran-
Blut erreicht werden. Für den Einsatz
ken bzw. zu versterben, deutlich er-
bei erwachsenen Patienten wurden
höht ist. Er gilt daher als Ziel-Inkre-
damals durch Granulozytapherese
ment bei einer Granulozytentransfu-
keine ausreichenden Zellzahlen er-
sion. Allerdings ist ein Anstieg der
reicht. Daher wurde die Granulo-
Leukozytenzahl im Blut des Patienten
20
2013
Carla Kreissig
DRK-Blutspendedienst West, gemeinnützige GmbH
Zentralbereich Stammzelle und HLA
Linneper Weg 1, 40885 Ratingen - Breitscheid
Zusammenfassung
Progrediente Infektionen bei Patienten mit schwerer Neutropenie von weniger als 500 neutrophilen Granulozyten / µl können
eine Indikation zur Transfusion von Granulozyten darstellen.
Gleiches gilt für Patienten mit normalen Leukozytenzahlen und
Granulozytopathien. Granulozytenkonzentrate werden mittels
Zellseparation gewonnen. Der Spender erhält zur Stimulation
der Granulopoese vor jeder Apherese 5-10 µg G-CSF s. c.
pro kg Körpergewicht. Aufgrund der hohen Belastung des
Spenders und des großen organisatorischen Aufwands sollte
die Indikation zur Granulozytentransfusion streng aber rechtzeitig gestellt werden. Frühzeitig gegebene Granulozytentransfusionen können in Ergänzung zur antimikrobiellen Therapie
entscheidend zum Überleben von Patienten beitragen.
Summary
Progressive infections in patients suffering from severe
neutropenia (less than 500 granulocytes per µl) as well as
granulocyte dysfunctions may be an indication for granulocyte transfusions. Granulocyte concentrates are collected by
apheresis procedure. Donor’s granulopoiesis is stimulated by
G-CSF injections. With respect to the exposure of the donor
to HAES and G-CSF and the organizational complexity, the
indication for granulocyte transfusion should be adjusted strict
but at the right time. Early given granulocyte transfusions in
addition to antimicrobial therapy can definitely contribute to
patient’s survival.
13
nicht immer nachweisbar, da die
logistischen Aufwand von den Kli-
transfundierten Zellen an den Ort des
niken und den sie versorgenden Blut-
Geschehens gehen und dort der
spendeeinrichtungen, sondern auch
Kontrolle der Infektion dienen (4).
einen erheblichen zeitlichen Vorlauf.
Dieser Beitrag soll insbesondere
G-CSF geprimte Granulozyten sind
praktische Informationen über Indi-
in vivo normal funktionsfähig, können
kation und Durchführung von Granu-
in das Gewebe migrieren und dort im
lozytentransfusionen geben, um die
Rahmen der unspezifischen Immun-
Zusammenarbeit von Kliniken und
Abbildung 1
antwort Enzyme aus ihren Granula
Blutspendeeinrichtungen möglichst
Granulozytapheresen werden automatisiert mittels eines
freisetzen (5). Sie können also ihre
reibungslos im Interesse des Pa-
Funktion der unspezifischen zellu-
tienten zu gestalten.
Zellseparators durchgeführt. Das Verfahren dauert
2-3 Stunden.
lären Abwehr im Empfängerorganismus vollumfänglich erfüllen.
Seit die Granulozytentransfusion
nunmehr auch für den Einsatz bei er-
Die Sicht des Patienten und sei-
oder antimykotischer Therapie über
nes behandelnden Arztes – Indi-
einen längeren Zeitraum kein Erfolg
kationen zur Granulozytentrans-
zu verzeichnen ist. Die derzeit gül-
fusion:
tigen Querschnitts-Leitlinien zur The-
wachsenen Patienten als realistische
Therapieoption zur Verfügung steht
Eine Granulozytentransfusion ist bei
maderivaten geben folgende Emp-
ist ein deutlicher Anstieg der Granu-
Patienten mit schwerer Neutropenie
fehlungen zu granulozytopenischen
lozytentransfusionen zu verzeichnen.
oder Granulozytenfunktionsstörung
Patienten und zu Patienten, die an
Die Granulozytentransfusion erfor-
in Betracht zu ziehen, wenn trotz op-
seltenen angeborenen Granulozyten-
dert jedoch nicht nur einen hohen
timaler bestehender antibakterieller
funktionsstörungen leiden (6):
Progrediente Infektionen bei Pati-
eine Indikation zur Transfusion von
gilt für Patienten mit Granulozytope-
enten mit schwerer Neutropenie von
Granulozyten darstellen, sofern diese
nie < 500/μl und einem hohen Risiko
weniger als 500 neutrophilen Granu-
Infektionen aufgrund der Erregerspe-
für das Auftreten einer lebensbe-
lozyten/μl trotz bestmöglicher antibi-
zies und der zu erwartenden Neutro-
drohlichen Bakterien- oder Pilzinfek-
otischer und antimykotischer Thera-
peniedauer lebensbedrohlich für den
tion (Querschnitts-Leitlinien 3.5.1
pie für mehr als 48 Stunden können
Patienten werden können. Gleiches
Indikationen).
progredienten
fusion
Patienten, die an einer der seltenen
angeborenen
14
rapie mit Blutkomponenten und Plas-
lebensbedrohlichen
profitieren
(Querschnitts-
Granulozytenfunkti-
Infektionen auch bei normaler abso-
Leitlinien 3.5.2 Spezielle Indikati-
onsstörungen wie der septischen
luter Granulozytenzahl im peripheren
onen).
Granulomatose leiden, könnten bei
Blut von einer Granulozytentrans-
Spendervoruntersuchung vor Granulozytenspende
Tabelle 1
Körperliche Untersuchung:
Alter:
18 bis 65 Jahre
Körpergewicht:
mindestens 50 kg
Blutdruck:
systolisch: 100 - 180 mm Hg,
diastolisch: unter 100 mm Hg
bei Patienten mit einer erwarteten
Herzfrequenz:
rhythmisch, Frequenz 50 - 110/min
lang andauernden, schweren Neu-
Temperatur:
kein Fieber
tropenie auch zusätzliche Risikofak-
Gesamteindruck:
keine erkennbaren Krankheitszeichen
toren eine Rolle spielen: Kolonisation
Haut an der Punktionsstelle:
frei von Läsionen
EKG:
ohne pathologischen Befund
Abdomen-Sonographie:
Milzgröße ohne pathologischen Befund
(obligat bei G-CSF-Mobilisierung)
Für die Indikationsstellung können
mit MRSA oder VRE, schwere Mucositis, Infektionen an der Katheterein-
20
2013
trittsstelle, Vorbehandlung mit oder
Allergie gegenüber Beta-Lactam-Antibiotika (7).
Laboruntersuchungen:
Untersuchung
Normbereich bzw. erforderliche Ergebnisse
ß-HCG bei fertilen Frauen
negativ
Gesamteiweiß
> 60 g/l
Hämoglobin
Frauen ≥ 125 g/l
Männer ≥ 135 g/l
Leukozytenzahl
> 3 x 10 9 /l
< 10 x 10 9 /l
Granulozyten
> 1,5 x 10 9 /l
Lymphozyten
> 1,2 x 10 9 /l
anaphylaktische Reaktionen und pul-
Thrombozytenzahl
> 140 x 10 9 /l
monale Komplikationen als Folge von
Erythrozyten
Frauen 4,0 – 5,4 x 10 12 /l
Männer 4,3 – 6,0 x 10 12 /l
MCV
82 – 101 fl
Die Granulozytentransfusion wird in
der Regel gut vertragen, auftretende
Nebenwirkungen wie Fieber und
Schüttelfrost können durch Prämedikation mit Antihistaminika und Corticoiden gut kontrolliert werden. Um
Antigen-Antikörper-Reaktionen auszuschliessen, sollte bei der Spenderauswahl das Ergebnis der Testung
Blutgruppenbestimmung
HCV-PCR
negativ
Anti-HIV 1/2
negativ
HBs–AG
negativ
Anti-HCV
negativ
Die Sicht der Blutspendeeinrich-
TPHA
nicht reaktiv
tung und des Spenders - Gewin-
Urinstatus
negativ
nung von Granulozytenkonzentra-
Harnsäure
im Normbereich
ten:
Natrium
im Normbereich
Kalium
im Normbereich
Calcium
im Normbereich
Kreatinin
im Normbereich
PT (Quick)
im Normbereich
APTT
im Normbereich
Fibrinogen
im Normbereich
PTZ
im Normbereich
GPT
im Normbereich
auf HNA- oder HLA-Antikörper berücksichtigt werden.
Die Granulozytenspende wird automatisiert mittels eines Zellseparators
durchgeführt (Abbildung 1). Obwohl
das Verfahren der häufig durchgeführten Thrombozytenspende sehr
ähnlich ist, unterscheidet sich die
Granulozytenspende für den Spen-
15
der deutlich von der üblichen Blutspende, da hier eine medikamentöse
Vorbereitung zur Mobilisierung der
Granulozyten erforderlich ist. Entsprechend aufwändiger und umfangreicher sind die Voruntersuchungen
und die Vorbereitung.
Abbildung 2
Für die Separation wird hochmolekulares HAES als Sedimentationsbeschleuniger eingesetzt, das mit Citrat als
Antikoagulans versetzt wird.
Zur Granulozytenspende herangezogen werden in erster Linie gesunde
Fremdblutspender im Alter zwischen
tion die typischen G-CSF-Nebenwir-
Um die Granulozyten während der
18 und 65 Jahren entsprechend den
kungen wie Kopf- und Glieder-
Separation möglichst gut von den
Vorgaben des Transfusionsgesetzes
schmerzen, subfebrile Temperaturen,
Erythrozyten zu trennen wird als Se-
und der Richtlinien zur Herstellung
Abgeschlagenheit und Müdigkeit zu
dimentationsbeschleuniger hochmo-
und Anwendung von Blut und Blut-
erwarten.
lekulares
produkten
können mit Paracetamol meist gut
zwecks Antikoagulation mit Citrat
kontrolliert werden.
versetzt wird (Abbildung 2). Dem
(Hämotherapie)
der
Bundesärztekammer in der jeweils
Diese
Nebenwirkungen
gültigen Fassung (8). Sie unterziehen
HAES
verwendet,
das
Spender wird also mit dem retrans-
sich nach ausführlicher ärztlicher
Es werden bei der Leukozytaphere-
fundierten Blut nicht nur Citrat son-
Aufklärung über Risiken und Neben-
se im dual needle Verfahren fünf bis
dern auch hochmolekulares HAES
wirkungen von Mobilisierung und
zehn Liter Vollblut prozessiert. Die
verabreicht.
Leukozytapherese
Granulozytenkonzentrate
enthalten
dürfen bei einem Spender auch an
Granulozyten (ei-
aufeinander folgenden Tagen durch-
einer
umfang-
reichen Anamnese und Untersu-
10
mindestens 1x10
10 )
chung, um ihre Eignung zur Spende
gene Erfahrungen 4-8x10
am Zellseparator und zur G-CSF-Mo-
400 ml Volumen.
in 150-
bilisierung festzustellen. Dabei wer-
Granulozytapheresen
geführt werden, insgesamt sind jedoch aufgrund der Belastung mit
dem
Sedimentationsbeschleuniger
den auch infektionsserologische, kli-
Zur Vermeidung einer Graft versus
HAES innerhalb von 12 Monaten
nisch-chemische, gerinnungsphysio-
Host Erkrankung müssen die Präpa-
höchstens vier Granulozytapheresen
logische und hämatologische Tes-
rate unbedingt mit mindestens 25
pro Spender zulässig. Damit wird
tungen durchgeführt (Tabelle1).
Gray bestrahlt werden.
möglichen, aber seltenen Nebenwirkungen der HAES-Infusion wie Pruri-
Zur Stimulation der Granulopoese
Granulozytenkonzentrate sind ma-
erhält der Spender 12-16 Stunden
ximal 24 Stunden haltbar, allerdings
vor jeder Apherese 5-10µg G-CSF
ist die Verträglichkeit der Transfusion
pro kg Köpergewicht subkutan inji-
besser, wenn die Präparate mög-
ziert. Dabei sind nach unserer Erfah-
lichst frisch transfundiert werden.
rung spätestens bei der vierten Injek-
16
tus und Hypervolämiesymptomen
beim Spender Rechnung getragen.
Aufgrund des Erythrozytengehaltes
der Granulozytenkonzentrate, die einen Hämatokrit von ca. 8 % aufwei-
20
2013
sen (Abbildung 3), muss Blutgrup-
finierten Präparaten unterschiedliche
Die Patienten werden randomisiert
penkompatibilität im AB0- und Rhe-
klinische Ergebnisse. Während in ei-
in Arm A Standardtherapie plus
sus-System zwischen dem Spender
nigen Studien ein zumindest teilwei-
Granulozytentransfusion bzw. Arm B
und dem Empfänger bestehen, au-
ser Therapieerfolg nachweisbar war,
Standardtherapie
ßerdem sollte ein kompatibler CMV-
(9) konnte in zwei anderen Studien
zytentransfusion.
Status vorliegen, d. h. es werden
kein klinischer Nutzen der Granulo-
CMV-seronegative Präparate auf ei-
zytengabe gezeigt werden (10). Es
Einschlusskriterien
nen CMV-seronegativen Empfänger
besteht also ein dringender Bedarf
• Fieber > 38°C über 96 Std.
übertragen. CMV-seropositive Pati-
an kontrollierten, randomisierten Stu-
• Therapieinduzierte Neutropenie
enten können Präparate eines CMV-
dien mit klarem Design, wie sie die
(< 500/mL), erwartete Dauer ≥ 5d
seropositiven Spenders erhalten.
Granite-Studie darstellt, die 2009 von
• Alter 1-75 Jahre
PD Dr. K. Hübel (Hämatologie Univer-
• Vorliegen
ohne
Granulo-
folgender
Erkran-
Der Empfänger der Präparate sollte
sitätsklinikum Köln), PD Dr. Ulrich
kungen: AML, ALL, CML, CLL,
auf HLA-und HNA-Antikörper unter-
Sachs (Transfusionsmedizin Univer-
MDS, MPS, NHL/MM, M. Hodgkin
sucht werden. Falls derartige anti-
sitätsklinikum Giessen) und Dr. Lo-
• Karnofsky-Index > 20 %
Leukozytäre Antikörper beim Emp-
renz Grigull (Pädiatrie, Medizinische
• unterschriebene Einverständnis-
fänger nachweisbar sind, müssen sie
Hochschule Hannover) initiiert wurde.
bei der Auswahl der Spender unbe-
Im Rahmen einer multizentrischen,
dingt beachtet werden! Das erfordert
randomisierten Phase III Studie soll
Abbruchkriterien
einen ausreichenden zeitlichen Vor-
dabei die Effektivität der Granulo-
• Fieberfreiheit über 72 Std.
lauf, um die Testung beim Spender
zytentransfusion, gemessen an der
• Ende der Neutropenie
und Empfänger durchzuführen und
Reduktion der Fiebertage, geprüft
• 15 Tage nach Beginn der Transfu-
zusätzlich einen größeren bereits
werden.
erklärung
sionsserie
prospektiv ausgetesteten Spenderpool bei der versorgenden Einrich-
Ziele der Prüfung
tung.
Hauptzielkriterium: Effektivität, gemessen an der Reduktion der Fiebertage
Die wissenschaftliche Sicht – die
Sekundäre Zielkriterien:
Granite-Studie:
• Dauer der antiinfektiösen Therapie
Wenngleich eigene klinische Erfahrungen mitunter beeindruckende Er-
• Dauer der stationären Therapie
folge der Granulozytentransfusion
• Tage auf Intensivstation
zeigen, finden sich in der bislang pu-
• Reduktion der Letalität
blizierten Literatur bei einem sehr he-
Abbildung 3
• Zeit bis zur Fieberfreiheit
terogenen Patientenkollektiv und be-
Granulozytenkonzentrat. Deutlich sind der Erythrozytenanteil und darüber die sich absetzende Schicht der
weißen Blutkörperchen zu erkennen.
• Toxizitäten Patient/Spende
züglich Granulozytengehalt nicht de-
• Effektivität gemäß Mikrobiologie
17
Merkblatt Granulozytenkonzentrate
Ansprechpartner in der Klinik:
•
•
•
•
Name
Telefon
Außerhalb der Dienstzeiten
Fax
Wir benötigen folgende Angaben vom Patienten:
Überweisende Klinik:
Patient:
•
•
•
•
Adresse
Station
Ansprechpartner
Tel/Fax-Nr.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Name
Vorname
Geburtsdatum
Indikation
Größe
Gewicht
Blutgruppe
CMV-Status
HLA-Typisierung Klasse 1
Daten der geplanten Transfusionen
Tabelle 2
derlichen Angaben und Untersuchungen sind in Tabelle 2 aufgelistet.
Für die weitere Organisation ist dann
eine enge Zusammenarbeit zwischen
Blutspendedienst und Klinik erforderlich, denn die Granulozytenkonzentrate haben nur eine begrenzte
Haltbarkeitsdauer und sollten so
schnell wie möglich transfundiert
werden.
Erforderliche Blutproben vom Patienten: (bitte vorher Rücksprache halten!)
für Crossmatch und Granulozytenund HLA-Antikörpertests:
• 10 ml EDTA-Blut
• 10 ml Serum
für Erythrozytenkreuzprobe:
• 3 ml EDTA-Blut
BITTE BEACHTEN:
Vorlaufzeit mindestens 48,
eher 72 Stunden!
Prämedikation:
(nach Entscheidung der Klinik)
ggf. mit Antihistaminika und Corticoiden
Schlussfolgerungen
Mit dem Einsatz von G-CSF steht
die
Granulozytentransfusion
nun
auch für erwachsene Patienten als
Therapieoption zur Verfügung. Wird
relativ frühzeitig mit der Granulozytentransfusion begonnen, kann sie
in Ergänzung zur antimikrobiellen
Die Abläufe lassen sich beschleuni-
Therapie entscheidend zum Überle-
gen und vereinfachen, wenn seitens
ben von Patienten mit Neutropenie
Wenn Patienten Granulozytentrans-
der behandelnden Kliniker bei Risiko-
bzw. Granulozytenfunktionsstörungen
fusionen benötigen, dann sind sie
patienten (erwartete Aplasiedauer
beitragen. (11) Aufgrund der hohen
schwer erkrankt und müssen kurzfri-
> 10 Tage) die HNA- und HLA-Antikör-
Belastung der Spender durch die
stig mit kompatiblen Präparaten ver-
persuche frühzeitig erfolgt ist und sei-
G-CSF-Injektion mit den für dieses
sorgt werden. Da Granulozytenkon-
tens des Blutspendedienstes potenti-
Zytokin typischen Nebenwirkungen,
zentrate nicht auf Vorrat hergestellt
elle Spender bezüglich der HNA- und
der Infusion von Hydroxyethylstärke
und gelagert werden können, bedeu-
HLA-Merkmale bereits typisiert sind.
als Sedimentationsbeschleuniger und
Tipps zur Organisation
tet die Bereitstellung von Granulozytenkonzentraten für die versorgende
18
Einrichtung
der Apheresedauer von 120 bis 180
Sobald eine Granulozytentransfusi-
(Blutspende-
on als therapeutische Option in Be-
dienst) einen großen logistischen
tracht gezogen wird, sollte dann so
Aufwand: Es muss in möglichst kur-
früh wie möglich mit dem versor-
zer Zeit ein kompatibler Spender ge-
genden Blutspendedienst Kontakt
funden, voruntersucht und stimuliert
aufgenommen werden, um die Orga-
werden.
nisation zu planen. Die hierfür erfor-
Minuten sollte die Indikation streng
gestellt werden.
Die Literaturhinweise finden Sie
im Internet zum Download unter:
www.drk-haemotherapie.de
In der Diskussion: Können die Alzheimer- und
Parkinson-Krankheit durch selbstreplizierende
Proteinpartikel übertragen werden?
Einleitung
tem tau sind nicht nur ein Merkmal
der
Neurodegenerative
Alzheimer-Krankheit,
sondern
Erkrankungen
auch kennzeichnend für eine Reihe
gehen häufig mit Störungen von Pro-
weiterer, zusammenfassend als „Tau-
teinverarbeitung und -abbau sowie
opathien“ bezeichneter neurodege-
der Aggregation und Ablagerung
nerativer
fehlgefalteter körpereigener Proteine
spielsweise
im Nervensystem einher. Dies ist
Demenz (2).
Erkrankungen
der
wie
frontotemporalen
Patienten mit der Parkinson-Krankheit zeigen im Gehirn ebenfalls cha-
Im Gehirn von Patienten mit der Alz-
rakteristische Proteinablagerungen.
heimer-Krankheit finden sich als cha-
Dabei handelt es sich um zytoplas-
rakteristisches Merkmal zwei Arten
matische Einschlüsse in Nervenzel-
von auffälligen Proteinablagerungen,
len und Proteinpartikel in Nervenzell-
extrazelluläre senile Plaques (Abbil-
fortsätzen, die als „Lewy-Körper-
dung 1 A) und intrazelluläre neurofi-
chen" bzw. „Lewy-Neuriten“ bezeich-
brilläre Bündel (Abbildung 1 B) (1).
net werden. Sie beinhalten als einen
Senile Plaques enthalten Partikel aus
wesentlichen Bestandteil das fehl-
aggregiertem
(Ab),
gefaltete und aggregierte Protein
einem Teilstück des zellulären Amylo-
a-Synuklein (3). Lewy-Körperchen
id-Vorläuferproteins (engl. „Amyloid
(Abbildung 1 C) und Lewy-Neuriten
Precursor Protein", APP). Neurofibril-
(Abbildung 1 D) sind kennzeichnend
läre Bündel bestehen zu einem we-
für den Formenkreis der „Synuklein-
sentlichen Teil aus fehlgefaltetem, fa-
opathien“, zu denen neben der Par-
serartig zusammengelagertem tau-
kinson-Krankheit auch die „Parkinson-
Protein. Schon Alois Alzheimer hat
Krankheit mit Demenz“ und die „De-
diese beiden neuropathologischen
menz mit Lewy-Körperchen“ zählen.
Amyloid-beta
PD Dr. Michael Beekes, Prof. Dr. Reinhard Burger
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
bei-
auch bei der Alzheimer- und der Parkinson-Krankheit der Fall.
20
2013
Kardinalläsionen der nach ihm benannten Krankheit beschrieben. Die
Zerebrale Ablagerungen eines wei-
Schwere der Schädigung von Ner-
teren pathologisch aggregierten kör-
venzellen und der kognitiven Beein-
pereigenen Proteins, des Prionprote-
trächtigungen bei der Alzheimer-
ins, sind typisch für eine Gruppe
Krankheit korreliert eng mit der
neurodegenerativer Krankheiten, die
Ausprägung neurofibrillärer Ablage-
im Menschen nur relativ selten auf-
rungen im Gehirn (1). Zerebral abge-
tritt: Übertragbare, oder transmissi-
lagerte Faserbündel aus aggregier-
ble, spongiformen Enzephalopathien
Zusammenfassung
Die Alzheimer-Krankheit und die Parkinson-Krankheit gehen wie Prionerkrankungen - mit einer Fehlfaltung und Aggregation
körpereigener Proteine im zentralen Nervensystem einher, der
mutmaßlich als gemeinsames molekulares Prinzip eine sogenannte „nukleationsabhängige“ Proteinpolymerisation zugrunde
liegt. Dabei wirken krankheitsassoziierte Proteinpartikel quasi
wie Kristallisationskeime (engl. „Seeds“), die fortlaufend neue
Proteinmonomere anlagern. Wenn derartige Proteinpartikel
zerfallen, können die entstandenen Tochter-Seeds die Proteinpolymersiation weiter fortpflanzen.
Aktuelle experimentelle Befunde zeigen, dass die Fehlfaltung und Aggregation der Alzheimer-assoziierten Proteine
Amyloid-beta (Ab) und tau sowie des Parkinson-assoziierten
Proteins a-Synuklein durch Injektion von Materialien, die
entsprechende Proteinaggregate enthalten, in Tiermodellen
beschleunigt und auch übertragen werden können. Dies hat
die Frage einer möglichen Übertragbarkeit der Alzheimer- oder
Parkinson-Krankheit durch vermehrungsfähige pathologische
Proteine, z. B. über medizinisches Instrumentarium oder die
Gabe von Blut oder Blutprodukten, aufgeworfen.
Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen zur experimentellen Übertragbarkeit von Alzheimer- oder Parkinsonassoziierten Proteinpartikeln lassen sich für den Bereich der
Hämotherapie momentan keine vorsorglichen risikominimierenden Maßnahmen ableiten.
Summary
The misfolding and aggregation of endogenous proteins in
the central nervous system is a neuropathological hallmark of
Alzheimer´s disease (AD), Parkinson´s disease (PD) as well as
prion diseases. The underlying molecular pathomechanism is
referred to as nucleation-dependent protein polymerization, or
protein seeding. In this process, disease-associated protein
particles act as nuclei (seeds) that recruit cellular proteins
and incorporate them, in a misfolded form, into their growing
aggregate structure. When the pathological protein aggregates
break up into smaller units, these daughter seeds can propagate further protein polymerization.
Several different experimental studies have shown that the
seeding of AD- and PD- associated proteins amyloid beta (Ab)
and tau, or a-synuclein, respectively, can be accelerated or
transmitted in laboratory models by inoculation of pathological
Ab-, tau-, or a-synuclein-aggregates. This has raised the question of whether AD or PD can be transmitted akin to certain
human prion diseases between individuals by self-replicative
protein particles potentially present on medical instruments or
in blood or blood products.
The current state of research on the experimental transmissibility of AD- or PD-associated protein seeding does not allow
to deduce specific precautionary measures in the context of
hemotherapy.
19
Proteinablagerungen im Gehirn von Patienten mit Alzheimer-, Parkinson- oder Prionerkrankungen
A
B
C
D
E
F
Abbildung 1
Senile Plaques (A, Silberfärbung nach Campbell-Switzer, Balken = 100 μm)
und neurofibrilläre Bündel (B, Färbung nach Gallyas, Balken = 100 μm) bei der Alzheimer-Krankheit;
Lewy-Körperchen (C, immunhistochemische Färbung, Balken = 25 μm) )
und Lewy-Neuriten (D, immunhistochemische Färbung, Balken = 400 μm) bei Synukleinopathien (zu deren Formenkreis neben der Parkinson-Krankheit auch die Parkinson-Krankheit mit
Demenz und die Demenz mit Lewy-Körperchen zählen);
Plaques (E, immunhistochemische Färbung, Balken = 25 μm)
und granulär-feinverteilte („synaptische“) Ablagerungen (F, immunhistochemische Färbung, Balken = 125 μm) bei der varianten bzw. einer familären Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
Mit Modifikationen reproduziert aus Maarouf et al. (60) (A & B), Huang & Halliday (61) (C & D), Notari et al. (62) (E) und Roeber et al. (63) (F).
(TSE, Abbildung 1 E & F) (4, 5). Bei-
onen“ (von engl. „proteinaceous in-
teinen unterschiedlicher Aminosäu-
spiele für diese Krankheiten sind im
fectious particles“) bezeichnet (6, 7).
resequenz. Dennoch zeigen sie auf-
Tierreich die Scrapie und die bovine
fällige gemeinsame Strukturmerk-
spongiforme Enzephalopathie (BSE),
Prionkrankheiten des Menschen
sowie beim Menschen die klassische
treten wie die Alzheimer- und Parkin-
b-Faltblatt- und Cross-b-Struktur, die
und variante Creutzfeldt-Jakob-Krank-
son-Krankheit in der Mehrzahl der
sich elektronenmikroskopisch in ei-
heit (CJK/vCJK).
Fälle sporadisch, d. h. ohne erkenn-
ner fibrillären Morphologie nieder-
bare äußere Ursache auf, und zu
schlägt (Abbildung 2 A-D) (8).
Es gilt inzwischen als erwiesen,
einem geringeren Anteil genetisch
Schon seit längerem wurde dies als
dass die mit transmissiblen spongi-
bedingt. Daneben können sie durch
möglicher Hinweis darauf angese-
formen Enzephalopathien assoziier-
eine Infektion mit Prionen übertragen
hen, dass der Proteinaggregation bei
ten
bzw. erworben werden.
diesen
Proteinpartikel
Auslöser
und
Überträger dieser Krankheiten sind.
20
male,
insbesondere
sogenannte
unterschiedlichen
Krank-
heiten zumindest teilweise ähnliche
In Abgrenzung zu konventionellen
Die mit Alzheimer-, Parkinson- und
molekulare Mechanismen zugrunde
Krankheitserregern wie Bakterien,
Prionerkrankungen assoziierten Pro-
liegen. In den vergangenen Jahren
Viren oder Pilzen werden sie als „Pri-
teinablagerungen bestehen aus Pro-
sowie aktuell berichtete Forschungs-
20
2013
Faserartige Morphologie von Amyloid-beta-, tau-,
a-Synuklein- und PrP-Aggregaten
Abbildung 2
Elektronenmikroskopische Aufnahmen von:
Ab-Fibrillen(A, Balken = 100 nm);
tau-Fibrillen(B, Balken = 100 nm);
a-Synuklein-Fibrillen(C, Balken = 200 nm);
PrP-Fibrillen(D, Balken = 100 nm).
A
Mit Modifikationen reproduziert aus Anderson & Webb
(64) (A & C) und Wang et al. (65) (B), bzw. freundliche
Gabe von M. Özel & H. Diringer (Robert Koch-Institut, D).
B
verursacht so eine weitere autokatalytische Replikation des pathologischen Proteinzustandes.
C
Die Prionreplikation löst eine in wei-
D
ten Teilen noch unbekannte pathogene Kaskade aus. Diese bewirkt,
möglicherweise unter anderem über
Sc
oder
PrP TSE
ergebnisse scheinen dies nun zuneh-
PrP
(„Sc“ für Scrapie
eine von einem eukaryontischen
mend zu bestätigen, und haben
und „TSE“ für transmissible spongi-
Translationsinitiierungsfaktor (eIF2a-P)
gleichzeitig die Frage aufgeworfen, ob
forme Enzephalopathie) bezeichnet
vermittelte globale Verminderung der
die Alzheimer- und Parkinson-Krank-
(6, 7, 9). Prionen vermehren sich
Proteinbiosynthese (12), die Schädi-
heit ähnlich den Prionkrankheiten mög-
mutmaßlich durch einen Mechanis-
gung und den Untergang von Neu-
licherweise ebenfalls durch vermeh-
mus, der Ähnlichkeit zum Wachstum
ronen, was schließlich zur Ausprä-
rungsfähige pathologische Proteine
von Kristallisationskeimen aufweist
gung klinischer TSE-Symptome führt.
übertragen werden können.
(Abbildung 3) (10, 11). Dieser Replikationsprozess wird als „nukleations-
Übertragbare Proteinfehlfaltung und -aggregation
bei Prionkrankheiten
Prionen bestehen im Wesentlichen
Der Mechanismus der nukleations-
des
abhängigen PrP-Polymerisation kann
Prionproteins bezeichnet. Dabei re-
ebenso zwanglos die spontane oder
abhängige“
Polymeristation
PrPTSE-Oligomere
oder
erblich bedingte Entstehung und Ver-
-Polymere das zelluläre Prionprotein
mehrung von Prionen erklären, wie
krutieren
C)
und bauen es in fehlgefalteter
ihre Wirkung als Infektionserreger.
aus einer pathologisch aggregierten
Form in ihre wachsende Aggre-
Durch selbstreplizierende PrP TSE-Ag-
Isoform des körpereigenen Prionpro-
gatstruktur ein. Wenn PrP TSE-Aggre-
gregate kann sich die Fehlfaltung und
teins mit deutlich erhöhtem Anteil an
gate schließlich in kleinere Fragmente
Polymerisation des Prionproteins
b-Faltblattstruktur. Die Prion-bilden-
zerbrechen, führt dies zu einer Ver-
• von Molekül zu Molekül,
den Konformere des PrP werden als
vielfachung von PrP-Partikeln und
• zwischen Zellen, und
(PrP
21
• in Geweben befallener Organis-
genden in Anlehnung an die eng-
Menschen zu übertragen. Sie gelten
men, sowie auch
lischsprachige Literatur als „Seeding“
daher als genuine Infektionserreger.
• zwischen Individuen
bezeichnet, und Proteinpartikel, die
fortpflanzen.
diesen Prozess auslösen können, als
„Seeds“.
Die
Selbstvermehrung
von
Zwischen Menschen wurden Prioninfektionen in der Vergangenheit un-
mit
ter anderem durch medizinische
transmissiblen spongiformen Enze-
Prionen besitzen die Fähigkeit, eine
Maßnahmen übertragen. Nach einer
phalopathien oder anderen Krank-
krankheitsverursachende Proteinfehl-
Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2012
heiten
Proteinkonfor-
faltung und -aggregation zwischen
sind weltweit bisher folgende Fälle
meren durch nukleationsabhängige
Tieren, vom Tier auf den Menschen
der iatrogenen CJK beschrieben
Proteinpolymerisation wird im Fol-
(und umgekehrt), sowie zwischen
worden (13):
assoziierten
Postulierter Mechanismus der Prion-Replikation durch nukleationsabhängige Polymerisation des Prionproteins
Seed-Bildung
(Primäre Nukleation)
PrP C
PrP
(fehlgefaltet)
SeedWachstum
Seed-Fragmentierung
(Sekundäre Nukleation)
Monomeres PrP
Monomeres PrP
(Prä-)
Fibrilläres
Aggregat
PrP TSE Seed
Tochter-Seeds
Abbildung 3
Das Prionprotein (PrP) kann verschiedene Raumstrukturen einnehmen. Normales Prionprotein (PrPC) hat einen relativ großen Anteil an a-Helix-Struktur, steht aber in einem Konversionsgleichgewicht mit PrP-Konformeren, die stark erhöhte Anteile von b-Faltblatt-Struktur aufweisen. b-Faltblattreiche PrP-Monomere können sich unter bestimmten Umständen zu größeren
intermolekularen b-Faltblattstrukturen zusammenlagern. Eine solche „primäre Nukleation“ muß eine hohe kinetische Barriere überwinden, kann aber ohne erkennbare äußere Ursache als
stochastisches Ereignis (wie z. B. mutmaßlich bei sporadischen Formen menschlicher Prionkrankheiten) oder erblich bedingt (d. h. infolge von aggregationsfördernden Mutationen im
humanen Prionprotein-Gen) auftreten. Sind auf diese Weise stabile PrP-Aggregate mit einer kritischen Größe entstanden, oder werden sie von außen in den Körper eingebracht (Infektion),
können sie quasi wie Kristallisationskeime („Seeds“) wirken: Sie lagern nunmehr relativ schnell weitere PrP-Monomere in einer b-faltblattreichen Konformation an. Bei Erreichen einer
kritischen Größe fragmentieren die „gewachsenen“ PrP-Aggregate und bilden neue Tochter-Seeds („Sekundäre Nukleation“), die die Polymerisation des Prionproteins weiter fortpflanzen
können. Die Strukturen von PrPC und fehlgefaltetem PrP wurden reproduziert aus Watts et al. (66).
22
20
2013
• 226 nach Behandlung mit Wachstumshormon
Im Hinblick auf BSE und menschliche Prionerkrankungen ist den The-
• 228 nach Transplantation von
Dura mater
men „Proteinfehlfaltung und Sicherheit von Medizinprodukten", bzw.
• 4 nach Behandlung mit Gonadotropin
„Proteinfehlfaltung
und
Sicherheit
von Blut und Blutprodukten" in den
• 4 nach neurochirurgischen Ein-
vergangenen Jahren erhebliche Auf-
griffen mit nicht ausreichend auf-
merksamkeit gewidmet worden. In
bereitetem Operationsbesteck
diesem
Zusammenhang
wurden
• 2 nach Transplantation von Kornea
auch
• 2 nach Anwendung unzureichend
Koch-Instituts zur Aufbereitung von
aufbereiteter invasiver EEG-Elek-
chirurgischen Instrumenten und Me-
troden.
dizinprodukten (16) und des Arbeits-
Zusätzlich wurden mutmaßliche ia-
Empfehlungen
des
Robert
kreises Blut zur Blutversorgung an-
Untersuchungen an experimentell
gesichts vCJK (17) erarbeitet.
oder natürlich infizierten Tieren ha-
trogene Übertragungen von vCJK-Infektionen durch Blut oder Blutprodukte berichtet (14):
• 3 Fälle klinisch manifester vCJK
nach Transfusion von nicht-leuko-
ben ergeben, dass die Ausbreitung
Prionähnliche SeedingMechanismen bei der
Alzheimer- und Parkinson-Krankheit
zytendepletierten Erythrozyten
von Prionen im Nervensystem mit
charakteristischen zeitlich-räumlichen
Verlaufsmustern entlang synaptisch
verschalteter
neuronaler
Projekti-
onen verläuft (18). Auch bei der Alz-
• 1 Fall prä- oder subklinischer
Welche Schlussfolgerungen und
vCJK nach Transfusion von nicht-
Lehren aus der zunehmend besser
zeigt das Auftreten von Ab-, tau- und
leukozytendepletierten Erythro-
verstandenen Ätiologie von Prion-
a-Synuklein-Ablagerungen
zyten.
krankheiten und den Erfahrungen mit
mehr (tau, a-Synuklein) oder weniger
iatrogenen Prioninfektionen im Hin-
(Ab) stereoptype zeitlich-räumliche
In einem weiteren Fall wurde eine
blick auf die pathologisch aggregier-
Verlaufsmuster zwischen unterschied-
prä- oder subklinische vCJK-Infekti-
ten Proteine bei der Alzheimer- und
lichen, durch Nervenbahnen verbun-
on in einem Hämophilie-Patienten
Parkinson-Krankheit gezogen wer-
denen Hirnregionen (19-21).
festgestellt, der u. a. Faktor-VIII-Kon-
den können, muss differenziert be-
zentrat erhalten hatte. 9.000 Ein-
trachtet werden.
heimer-
und
Parkinson-Krankheit
jeweils
Inzwischen liefert eine Vielzahl experimenteller Befunde aus zellfreien
heiten des zur Behandlung des PatiDie Ausbreitung der Proteinfehlfal-
Testsystemen sowie Zellkultur- und
Blutplasma
tung und -aggregation im Nervenge-
Tiermodellen überzeugende Belege
hergestellt worden, in das auch eine
webe bei Alzheimer-, Parkinson- und
dafür, dass prionähnliche Seeding-
Spende aus einem vCJK-infizierten
Prionerkrankungen zeigt auffällige
Mechanismen auch bei der Alzhei-
Spender eingeflossen war (15).
grundsätzliche
mer- und Parkinson-Krankheit auf
enten verwendeten Faktor-VIII-Konzentrates
waren
aus
Gemeinsamkeiten.
23
molekularer, zellulärer und gewebebezogener Ebene in die Vermehrung
oder
Ausbreitung
krankheitsty-
pischer aggregierter Proteine involviert sind (20, 22-26). Dies legt es
nahe, eingehender zu untersuchen,
wie weit die Ähnlichkeiten zwischen
Prionen und Alzheimer- oder Parkinson-assoziierten Proteinaggregaten
tatsächlich gehen. Im Mittelpunkt
des Interesses steht dabei momentan vor allem die Frage, ob Ab-, tauoder a-Synukleinaggregate proteinöse infektiöse Partikel darstellen,
in transgenen Mäusen unter dem
pherer, nämlich intraperitonealer Ap-
die als exogene Seeds tödliche neu-
Einfluß exogener Ab-Partikel be-
plikation von Ab-Seeds zu beobach-
rodegenerative Krankheiten übertra-
schleunigt wird. In verschiedenen
ten (30, 31).
gen können. Walker et al. haben eine
dieser Studien wurden transgene
Modifikation der Koch´schen Postu-
Mäuse verwendet, die APP des Men-
Kürzlich haben Stöhr et al. (2012)
late vorgeschlagen, um die Krank-
schen mit prädisponierenden Mutati-
darüber hinaus gezeigt, dass die
heitsübertragung durch infektiöse
onen für familiäre Formen der Alzhei-
Ausprägung von Ab-Ablagerungen in
Proteine zu überprüfen bzw. nachzu-
mer-Krankheit exprimierten. Ohne
ähnlichen APP-transgenen Mäusen
weisen (27). Untersuchungen zur
die Anwesenheit exogener Seeds
auch durch die intrazerebrale Inoku-
Übertragung
Protein-
entwickelten solche Mäuse erst im
lation von aufgereinigten Ab-Fibrillen
Seeds in Tiermodellen, wie sie im
späteren Lebensalter Ab-Plaques.
aus Hirnhomogenaten oder die Ver-
Folgenden vorgestellt werden, sind
Nach intrazerebraler Inokulation von
abreichung von rekombinant herge-
dabei von essentieller Bedeutung.
Probenmaterial, das Ab-Partikel aus
stellten Ab-Aggregaten (die außer
Alzheimer-Patienten oder aus trans-
diesem Protein keine weiteren Be-
genen APP-Mäusen enthielt, trat die
standteile enthielten) beschleunigt
Ab-Ablagerung im Gehirn der Emp-
wird (32).
exogener
Tiermodelle zur Übertragung exogener Amyloidbeta-, tau- und a-Synuklein-Seeds
schon in jüngerem Lebensalter auf
Experimentell wohl am stringentes-
(28, 29). Ein ähnlicher Effekt war
ten lässt sich das von Protein-Seeds
auch nach intrazerebraler Implantati-
ausgehende Übertragungs- bzw. In-
on von mit aggregiertem Ab kontami-
fektionsrisiko für Menschen in Pri-
In den vergangenen Jahren hat eine
nierten Stahlstiften (einem üblichen
maten prüfen, denn diese Tiere wei-
wachsende Anzahl von Tierstudien
Surrogatmodell für chirurgische In-
sen eine besonders enge phylogene-
gezeigt, dass die Aggregation von Ab
strumente) und selbst nach peri-
tische Beziehung zum Menschen auf.
Amyloid-beta (Ab)
24
fängertiere erheblich früher, d. h.
20
2013
Nach der intrazerebralen Inokulation
Die vorgestellten Befunde belegen
Mehrere Arbeitsgruppen haben al-
von Hirnmaterial aus insgesamt 9 Pa-
zwar eine Beschleunigung und/oder
lerdings bereits hervorgehoben, dass
tienten mit sporadischer und 5 Pati-
Verstärkung der genetisch bedingten
im Gehirn von Modelltieren mit gene-
enten mit familärer Alzheimer-Krank-
oder
Aggregation
tisch oder exogen induzierten Ab-
heit wurde in einer Langzeitstudie
von Ab in transgenen Mäusen bzw.
Ablagerungen in den meisten Fällen,
(Dauer >20 Jahre) ein im Vergleich zu
Primaten durch Inokulate, die Ab-
außer in der unmittelbaren Umge-
verschiedenen Gruppen von Kon-
Seeds enthielten, aber genau ge-
bung von Ab-Plaques, keine offen-
trolltieren häufigeres oder früheres
nommen keine Übertragung der Ab-
kundigen neurodegenerativen Schä-
Auftreten von Ab-Ablagerungen im
Pathologie (38). Neuere Studien ha-
digungen zu beobachten waren (20,
Gehirn beobachtet (33-35). Dabei
ben
Rechnung
41). Sofern Nervenzellschädigungen
traten allerdings in keinem Tier dieser
getragen, indem nunmehr transgene
auftraten, und ggf. mit kognitiven De-
Studie neurofibrilläre Ablagerungen
Mäuse oder Ratten verwendet wur-
fiziten in Tiermodellen einhergingen,
oder für die Alzheimer-Krankheit ty-
den, die während ihrer Lebenszeit
war dies nach Ashe und Aguzzi (41)
pische Krankheitszeichen auf.
normalerweise
Ab-Ablage-
möglicherweise eher auf die Raum-
rungen ausbilden (39, 40). Die Mäu-
forderung modellbedingt übermäßig
Auch in Übertragungsversuchen,
se exprimierten normales humanes
massiver
die mit Probenmaterial aus mehr als
APP, und die Ratten menschliches
rückzuführen, als auf pathophysiolo-
100 Alzheimer-Patienten an den Nati-
APP, das mit familiären Alzheimer-
gische Prozesse, die repräsentativ für
onal Institutes of Health (NIH) der
Formen assoziierte Mutationen auf-
die menschliche Alzheimer-Krankheit
USA durchgeführt wurden, entwi-
wies. Auch in diesen beiden Tiermo-
sind. In ihrem Beitrag warnen diese
ckelten inokulierte Primaten keine
dellen trat nach der intrazerebralen
Autoren auch vor einer einfachen
motorischen oder Verhaltensauffäl-
Injektion von Inokulaten, die Ab-Par-
Gleichsetzung von Seeding- und Pri-
ligkeiten, die für eine Übertragung
tikel enthielten eine Aggregation und
onaktivität, da Ab-Seeds anders als
der Krankheit gesprochen hätten
Ablagerung von Ab im Gehirn auf.
Prionen in Tiermodellen bisher keine
(36). Nach Auskunft aus der betref-
Dies legt die Schlussfolgerung nahe,
tödlichen Krankheiten verursacht ha-
fenden Arbeitsgruppe am NIH (P.
dass die Aggregation von Ab hier erst
ben.
Brown, D. Asher) soll bei neuropatho-
durch die injizierten Inokulate ausge-
logischen Untersuchungen in den
löst, und somit tatsächlich übertra-
Modellsysteme zur Übertragbar-
Primaten auch post mortem keine
gen wurde.
keit von Amyloid-beta-Seeds
Evidenz für eine prä- oder subkli-
altersbedingten
diesem
Einwand
keine
Ab-Akkumulationen
zu-
durch Blut
nische Übertragung der AlzheimerKrankheit gefunden worden sein
Auf mehreren Fachtagungen wurde
(37). Dem stehen 300 Fälle von Pri-
von einer amerikanischen Arbeits-
onerkrankungen gegenüber, die im
gruppe in den vergangenen Jahren
gleichen Zeitraum an den National In-
berichtet, dass übertragbare Ab-
stitutes of Health in Primaten übertra-
Seeds auch im Blut von transgenen
gen wurden (36).
Mäusen vorkommen, die mensch-
25
liches APP mit einer für familiäre For-
stimmten Mutation exprimierten und
(TgM83-Mäuse) (45). Diese Mäuse
men der Alzheimer-Krankheit prädis-
mit steigendem Alter zunehmend fa-
bilden mit zunehmendem Alter zere-
ponierenden Mutationen exprimier-
serartige tau-Ablagerungen im Ge-
brale Ablagerungen von aggregier-
ten. Diese Arbeitsgruppe von Claudio
hirn bildeten, intrazerebral injiziert.
tem a-Synuklein aus, die von axo-
Soto an der University of Texas
Daraufhin entwickelten sich in den
nalen Degenerationsprozessen be-
Medical School hat Blut aus alten
beimpften Tieren ebenfalls Hirnabla-
gleitet sind. Klinisch zeigen sie das
Spendertieren
transgener
gerungen aus aggregiertem tau. Kla-
Bild einer mit schweren Bewegungs-
Mausstämme, die jeweils bereits Ab-
re Anzeichen einer begleitenden
störungen und Lähmungserschei-
Ablagerungen im Gehirn aufwiesen,
Neurodegeneration oder deutliche
nungen
in gleichartige junge Mäuse transfun-
Krankheitssymptome traten in den
verlaufenden Erkrankung. Tyrosin-
diert, die noch keine Ab-Pathologie
beimpften Tieren während des Beob-
Hydroxylase-positive Neuronen der
zeigten. Dabei wurde beobachtet,
achtungszeitraums der Studie aller-
Substantia nigra, die essentiell in die
dass eine zweimalige (aber keine ein-
dings nicht auf.
Entstehung menschlicher Parkinson-
zweier
a-Synuklein
typischerweise Lewy-Körperchen und
-Neuriten aufweisen sowie abster-
Gehirn der Empfängertiere deutlich
beschleunigte (42, 43). Zur weiterge-
Um die Übertragbarkeit der Fehlfal-
ben, zeigen in den transgenen Mäu-
henden fachlichen Einschätzung die-
tung und Aggregation von a-Synu-
sen keine a-Synuklein-Ablagerungen,
ser Befunde bleibt deren Veröffentli-
klein im Tierexperiment zu untersu-
und anscheinend auch keine Dege-
chung mit den experimentellen De-
chen, wurden zunächst Mäuse ver-
neration. Wenn Hirnextrakte aus alten
tails in einer begutachteten wissen-
wendet, die menschliches a-Synu-
und erkrankten Tieren in junge und
schaftlichen
klein mit einer Mutation exprimierten,
gesunde TgM83-Mäuse injiziert wur-
die für eine familiäre Form der
den, bewirkte dies eine deutliche
Parkinson-Krankheit
Beschleunigung
Fachzeitschrift
abzu-
warten.
Tau
Auch die Aggregation von tau ließ
sich im Tierversuch übertragen (44).
Als Empfängertiere wurden dabei
transgene Mäuse verwendet, die
normales menschliches tau überexprimierten und während ihrer Lebenszeit normalerweise keine tauAblagerungen im Gehirn ausbildeten.
Diesen Tieren wurden Hirnextrakte
aus Modellmäusen für Tauopathien,
die menschliches tau mit einer be-
26
tödlich
Erkrankungen involviert sind und dort
malige) Blutübertragung die Aggregation und Ablagerung von Ab im
einhergehenden,
prädisponiert
der
a-Synuklein-
20
2013
Aggregation im Gehirn sowie des
taktisch in das Striatum. Dies löste ei-
der Empfängertiere eine weiträumig
Auftretens der motorischen Erkran-
ne neurodegenerative Kaskade aus.
ausgedehnte Ablagerung von patho-
kung (46).
Dabei beobachteten die Forscher ei-
logisch
ne sich im Gehirn der Tiere räumlich
a-Synuklein aus.
aggregiertem
endogenen
Auch durch intrazerebrale Inokulati-
ausbreitende Aggregation von a-Sy-
on von a-Synuklein-Fibrillen, die aus
nuklein und Bildung von Nervenzell-
Die a-Synuklein-Pathologie zeigte
rekombinantem humanen a-Synu-
einschlüssen, die Lewy-Körperchen
dabei auffallende morphologische
klein hergestellt worden waren, wur-
oder -Neuriten ähnelten. In der Folge
Ähnlichkeiten zu Lewy-Neuriten, und
den in TgM83-Mäusen die Aggregati-
trat ein fortschreitender Verlust dopa-
zum Teil auch zu Lewy-Körperchen.
on von a-Synuklein und der Krank-
minerger Neurone in der Substantia
In Mäusen, denen Fibrillen aus re-
heitsausbruch
(47).
nigra pars compacta auf, wie er auch
kombinantem, humanen a-Synuklein
Durch die stereotaktische Inokulation
für die Parkinson-Krankheit des Men-
injiziert wurde, war die a-Synuklein-
von a-Synuklein-Seeds in den Neo-
schen typisch ist. Dieser ging mit ei-
Pathologie bereits 6 Monate nach der
kortex und das Striatum wurde in
ner Verminderung der lokalen Dopa-
Inokulation in zahlreichen Hirnregi-
dieser Studie eine Ablagerung von
minkonzentration einher und kulmi-
onen deutlich ausgeprägt, ohne dass
aggregiertem a-Synuklein in Neu-
nierte in Störungen der Bewegungs-
die Tiere zu diesem Zeitpunkt moto-
ronen der Substantia nigra induziert.
koordination sowie einer geschwäch-
rische oder kognitive Defizite zeigten.
Dies ging mit einer Reduktion von
ten motorischen Kraftentfaltung und
In bestimmten Hirnregionen war zwar
immunhistochemisch nachweisbarer
beeinträchtigten Körperbalance. Da-
eine Verringerung der Menge des
Tyrosin-Hydroxylase, und somit mut-
rüber
motorische
Neurotransmitters Enkephalin zu be-
maßlich einer Verringerung der Do-
oder Verhaltensabnormalitäten konn-
obachten, doch fanden sich auch 15
pamin-Biosynthese einher, wie sie
ten während der Beobachtungsdau-
Monate nach der Fibrillen-Inokulation
auch bei der Parkinson-Krankheit
er der Studie nicht festgestellt wer-
keine Hinweise auf eine Degeneration
auftritt. Allerdings wurde offenbar
den.
dopaminerger Neuronen.
beschleunigt
hinausgehende
auch in diesem Modellsystem kein
Parkinson-typischer Verlust dopami-
Wildtyp-Mäuse wurden auch in wei-
An den National Institutes of Health
teren, kürzlich veröffentlichten Über-
der USA wurden auch Übertragungs-
tragungs-experimenten
verwendet.
versuche in Primaten mit Probenma-
In einem neuen Versuchsansatz,
Masuda-Suzukake et al. (49) inoku-
terial aus 24 Fällen von Parkinson-Er-
der den Vorteil bot, dass keine trans-
lierten in dieser Studie aggregiertes
krankungen mit Demenz durchge-
genen
wurden,
a-Synuklein aus Patienten mit einer
führt.
führten Luk et al. Übertragungsexpe-
Demenz mit Lewy-Körperchen sowie
inokulierten Tiere keine für eine
rimente mit aggregiertem a-Synukle-
Fibrillen aus rekombinant hergestell-
Krankheitsübertragung sprechenden
in in Wildtyp-Mäusen durch (48). Da-
tem, murinen oder menschlichen
klinischen Symptome (36). Nach In-
zu injizierten sie diesenTieren aus re-
a-Synuklein stereotaktisch in die Sub-
formationen aus der betreffenden Ar-
kombinantem, murinen a-Synuklein
stantia nigra von C57BL6/6J-Mäu-
beitsgruppe am NIH (P. Brown, D.
hergestellte Protein-Fibrillen stereo-
sen. Alle Inokulate lösten im Gehirn
Asher) lieferten auch post mortem
nerger Neuronen beobachtet (48).
Tiere
verwendet
Dabei
entwickelten
die
27
durchgeführte
neuropathologische
gische Instrumente oder die Applika-
Untersuchungen keine Evidenz für ei-
tion von Blut oder Blutprodukten vor-
ne prä- oder subklinische Krank-
stellbar.
heitsübertragung (37).
Allerdings wurde in keiner der vor-
Bewertung der Übertragung
liegenden Tierstudien die Übertra-
exogener Amyloid-beta, tau-
gung einer schweren oder gar töd-
und a-Synuklein-Seeds in
lichen neurodegenerativen Krankheit
Tiermodellen
beobachtet. Vielmehr trat nach der
Inokulation von Protein-Seeds in
Die in den vorgestellten Studien
einem Mausmodell (TgM83) die Be-
verwendeten Tiermodelle bilden mit
schleunigung einer solchen Krank-
unterschiedlichen Limitationen jeweils
heit auf, und in den übrigen Fällen le-
nur Teilaspekte von Alzheimer- und
diglich eine relativ schwache oder gar
Parkinson-Erkrankungen ab. Daher
keine Symptomatik.
ist zur Zeit unklar, inwieweit die in Ih-
28
nen erhobenen Befunde auf den
Insbesondere wurde nach der Ino-
Menschen übertragen werden kön-
kulation von Probenmaterial aus dem
Die anscheinende Trennung zwi-
nen.
Gehirn von Alzheimer- und Parkin-
schen der Übertragung des Protein-
son-Patienten in Primaten keine Aus-
Seedings und der Auslösung schwe-
Ungeachtet dessen belegen die
prägung krankheitstypischer Symp-
rer Alzheimer- oder Parkinson-Symp-
vorliegenden Befunde aber, dass
tome beobachtet. Dies gilt auch für
tome in den vorgestellten Tierstudien
seeding-aktive Ab-, tau- und a-Sy-
solche Primaten, in denen nach Ino-
kann einerseits schlicht darauf beru-
nuklein-Partikel die Aggregation mo-
kulation von Alzheimer-Proben eine
hen, dass die verwendeten Tiermo-
nomerer Formen dieser Proteine in
Beschleunigung oder Verstärkung
delle nicht alle Facetten dieser kom-
unterschiedlichen Tiermodellen be-
der Ab-Akkumulation im Gehirn fest-
plexen Krankheiten abzubilden ver-
schleunigen bzw. auslösen (d. h.
gestellt wurde. In Übereinstimmung
mögen (41). Andererseits könnten
übertragen) können.
mit diesem experimentellen Befund
die Befunde aber auch darauf hin-
ist seit langem bekannt, dass zere-
deuten, dass exogene Ab-, tau- oder
Diese Befunde könnten auf eine
brale Ab-Ablagerungen zwar ein not-
a-Synuklein-Seeds trotz ihrer Repli-
mögliche prionartige Übertragbarkeit
wendiges, aber kein hinreichendes
kationsaktivität und teilweise beob-
der
Parkinson-
Merkmal für die Alzheimer-Krankheit
achteten
Krankheit durch Ab-, tau- und a-Sy-
darstellen, und dass Ab-Aggregate
nicht in der Lage sind, schwere kli-
nuklein-Seeds hinweisen. Die Weiter-
im Gehirn älterer Menschen auch oh-
nische Beeinträchtigungen oder gar
gabe solcher Seeds wäre hypothe-
ne eine begleitende neurodegenera-
die Gesamtsymptomatik der Alzhei-
tisch etwa über kontaminierte (und
tive Demenz vorkommen können
mer- oder Parkinson-Krankheit aus-
unzureichend
(50-53).
zulösen bzw. zu übertragen.
Alzheimer-
oder
aufbereitete)
chirur-
neurotoxischen
Wirkung
20
2013
Epidemiologische Studien
kein Hinweis auf ein vermehrtes Auf-
enthielt in diesen Fällen offenbar in-
treten von Erkrankungen des Ner-
fektiöse PrP TSE-Seeds, die aus dem
Aktuell gibt es keine epidemiolo-
vensystems (59). Zwischen der Alz-
Hypophysengewebe von Spendern
gischen Hinweise darauf, dass es
heimer-Krankheit und dem Erhalt von
mit einer prä- oder subklinischen Pri-
sich bei der Alzheimer- oder Parkin-
Bluttransfusionen
Blutpro-
onerkrankung stammten. Vor diesem
son-Krankheit um übertragbare Er-
dukten ließ sich epidemiologisch so-
Hintergrund wird das Auftreten mög-
krankungen handelt.
mit
licherweise iatrogen bedingter Er-
bisher
kein
oder
Zusammenhang
krankungen
nachweisen.
In verschiedenen Beobachtungs-
in
Empfängern
von
c-hGH deshalb seit längerem im
und Kohortenstudien wurden keine
In einer kürzlich publizierten Studie
Rahmen verschiedener epidemiolo-
beeinflussbaren starken Risikofak-
von Irwin et al. (37) wurde das Risiko
gischer Studien sorgfältig überwacht.
toren für die Entwicklung einer Alz-
einer möglichen Übertragung von
heimer-Krankheit gefunden (54, 55).
Alzheimer- oder Parkinson-Erkran-
Irwin et al. haben nun untersucht,
Einzelne Studien beleuchteten spezi-
kungen in Empfängern von mensch-
ob in c-hGH-Empfängern auch ge-
ell einen möglichen Zusammenhang
lichem Wachstumshormon, das aus
häuft Alzheimer- oder Parkinson-Er-
zwischen
Alzheimer-Erkrankungen
Hypophysen verstorbener Spender
krankungen auftreten. Dabei konnte
und Bluttransfusionen. Nach Ergeb-
gewonnen worden war (c-hGH, für
die Forschergruppe einerseits zei-
nissen einer Studie von Kokmen et al.
engl. „cadaveric human growth hor-
gen,
(56) stellen Bluttransfusionen keinen
mone“), untersucht. Dies erfolgte vor
rungen von Ab-, tau- und a-Synukle-
Risikofaktor für die Alzheimer-Krank-
dem Hintergrund, dass nach Anwen-
in in der Hypophyse normaler Indivi-
heit dar. Zwei weitere Fall-Kontroll-
dung von c-hGH weltweit über 200
duen
Studien zu dieser Frage von O’Meara
Patienten an einer iatrogenen Creutz-
neurodegenerativen Krankheiten nach-
et al. (57) und Bohnen et al. (58), die
feldt-Jakob-Krankheit
er-
weisbar sind. Andererseits ergab ihre
insgesamt mehr als 550 Fälle und
krankt sind. Das verabreichte c-hGH
epidemiologische Analyse, dass von
entsprechende
Kontrollen
(iCJK)
das
und
pathologische
von
Ablage-
Patienten
mit
um-
fassten, ergaben unabhängig von der
Latenz zwischen Transfusion und Erkrankung, der Anzahl an Transfusionen oder bestimmten genetischen
Veränderungen ebenfalls keine Assoziation zwischen Blutübertragungen
und der Alzheimer-Krankheit. Auch in
einer großangelegten Analyse von
Todesursachen bei mehr als 6.000
Hämophilen im Vereinigten Königreich, die zeitlebens viele Blutprodukte erhalten hatten, ergab sich
29
796 verstorbenen c-hGH-Empfän-
dieser Krankheiten durch Ab-, tau-
gern, die im Rahmen des US-ameri-
und a-Synuklein-Seeds haben sich
kanischen „National Hormone and
somit auch in einem Studienkollektiv
Pituitary Program“ erfasst worden
keine Anhaltspunkte ergeben, das
waren, offenbar keiner an der Alzhei-
zur Abschätzung des von diesen Pro-
mer- oder Parkinson-Krankheit er-
teinen ausgehenden Gefährdungs-
krankt war. Die Inzidenz der Alzhei-
potentials besonders geeignet er-
mer- oder Parkinson-Krankheit über-
scheint.
trifft diejenige menschlicher Prionkrankheiten um mindestens drei bzw.
Fazit und Ausblick
zwei Größenordnungen. Unter der
Annahme, dass sich Alzheimer- oder
• Eine inzwischen erhebliche Zahl
Parkinson-assoziierte Proteinpartikel
an Studien zeigt, dass mit der Alz-
bei der Extraktion von c-hGH ähnlich
heimer- oder der Parkinson-
verhalten, müßten
Krankheit assoziierte Proteinpar-
Empfänger des Wachstumshormons
tikel aus aggregiertem Ab, tau
daher mit einer wesentlich höheren
oder a-Synuklein in Tiermodellen
Wahrscheinlichkeit pathologisch ag-
die Fehlfaltung und Aggregation
gregiertem Ab-, tau- und a-Synuklein
monomerer Formen dieser Prote-
als Prionen ausgesetzt gewesen
ine beschleunigen oder auslösen
sein. Dies sollte noch umso mehr gel-
(d. h. übertragen) können.
wie PrP
30
TSE-Seeds
• Im Gegensatz zu den wesentlich
ten, als Ab-, tau- und a-Synuklein-
• Während die experimentelle Ino-
selteneren Prionkrankheiten wur-
Aggregate auch in Hypophysenge-
kulation solcher Proteine in Tier-
de eine Übertragbarkeit der Alz-
webe von Kontrollpatienten gefunden
modellen teilweise Nervenzell-
heimer- oder Parkinson-Krankheit
wurde. Alternativ wäre allerdings
schädigungen
klinische
über Blut, Blutprodukte oder auf
auch vorstellbar, dass Ab-, tau- und
Abnormalitäten (z. B. motorische
anderem Wege somit bisher
a-Synuklein-Seeds bei der Extrak-
Störungen) ausgelöst hat, lieferte
weder im Menschen beobachtet,
tion von c-hGH effektiver als Prionen
keine der vorliegenden Studien
noch in Tiermodellen belegt.
entfernt oder inaktiviert wurden. Un-
einen Beleg für die Übertragung
• Aus den tierexperimentellen Hin-
abhängig davon, welcher Erklärungs-
einer schweren oder gar tödlichen
weisen auf eine Übertragbarkeit
ansatz tatsächlich zutrifft, ist aus der
Krankheit durch Ab-, tau- oder
des Seedings von Alzheimer-
Studie von Irwin et al. bei Empfän-
a-Synuklein-Seeds.
oder Parkinson-assoziierten Pro-
und
gern von c-hGH trotz ihres merklich
• Aus epidemiologischen Studien
erhöhten Risikos für iCJK kein er-
liegen ebenfalls keine Hinweise
lichen Individuen ergeben sich
höhtes Risiko für die Alzheimer- oder
auf eine Übertragbarkeit von Alz-
gegenwärtig noch nicht abschlie-
Parkinson-Krankheit zu erkennen.
heimer- oder Parkinson-Erkran-
ßend zu überblickende Implikati-
Für eine prionähnliche Übertragung
kungen zwischen Menschen vor.
onen.
teinen
zwischen
unterschied-
20
2013
• Dies gilt beispielsweise im Hin-
durch Blut von transgenen APP-
gleichen zu können. Daneben ist
blick auf eine mögliche Beschleu-
Mäusen hindeuten. Dabei muss
das Verhalten von aggregiertem
nigung genetisch prädisponierter
der Nutzen etwaiger vorsorglicher
Ab, tau oder a-Synuklein gegen-
Formen der Alzheimer- oder Par-
Schutzmaßnahmen (z. B. ein
über Abreicherungs- und/oder
kinson-Krankheit, oder die Verur-
Ausschluss älterer Menschen von
Inaktivierungsverfahren für eine
sachung neurotoxischer Effekte
der Blutspende) immer auch im
weitere Risikoeinschätzung im
und klinischer Symptome, wie sie
Hinblick auf epidemiologische
Zusammenhang mit Blut und
in Wildtypmäusen nach der Injek-
Erkenntnisse über die postu-
Blutprodukten sowie der Aufbe-
tion von synthetischen a-Synu-
lierten Zusammenhänge betrach-
reitung wiederverwendbarer chi-
klein-Fibrillen beobachtet wur-
tet, und sorgfältig gegen mögliche
rurgischer
den. Auch ist die Abwesenheit
nachteilige Auswirkungen (etwa
Bedeutung. Das Robert Koch-
experimenteller oder epidemiolo-
ein verringertes Spendeaufkom-
Institut beteiligt sich unter ande-
gischer Evidenz für eine Über-
men) abgewogen werden. Nach
rem im Rahmen einer vom Bun-
tragbarkeit von Alzheimer- oder
Maßgabe dieser Abwägung emp-
desministerium für Gesundheit
Parkinson-Erkrankungen
kein
fiehlt der Arbeitskreis Blut im Hin-
finanzierten Studie an der Unter-
Beweis für deren Nicht-Übertrag-
blick auf Proteinaggregations-
suchung dieser Fragen.
barkeit. Vor diesem Hintergrund
krankheiten derzeit keine Ände-
erfordert die aktuelle Datenlage
rung der Maßnahmen, die der
zu prionähnlichen Übertragungs-
Sicherheit von Blut und Blutpro-
und Ausbreitungsmechanismen
dukten dienen (25).
des Seedings Alzheimer- oder
• Angesichts der Häufigkeit von
Parkinson-assoziierter Proteine
Alzheimer- und Parkinson-Erkran-
eine erhöhte Wachsamkeit in ver-
kungen besteht weiterer epidemi-
schiedenen
des
ologischer und experimenteller
Gesundheitswesens einschließ-
Forschungsbedarf, um die von
lich der Transfusionsmedizin.
übertragbaren Ab-, tau- oder
• Das Paul-Ehrlich-Institut und der
a-Synuklein-Partikeln möglicher-
Bereichen
Arbeitskreis Blut am Robert
weise
ausgehenden
Koch-Institut verfolgen aufmerk-
umfassender abzuklären. In die-
sam die aktuelle Entwicklung, um
sem Zusammenhang wäre es
gegebenenfalls rechtzeitig Maß-
u. a. wünschenswert, die Menge
nahmen für die Sicherheit von
und Verteilung der Seeding-Akti-
Blut und Blutprodukten zu ergrei-
vität dieser Proteinaggregate im
fen. Dies gilt nicht zuletzt im Hin-
Körper betroffener Patienten zu
blick auf bisher nur vorläufig kom-
bestimmen, um sie mit dem Titer
munizierte Befunde, die auf eine
und der Verteilung von PrP
TSE-
Übertragbarkeit von Ab-Seeds
Seeds bei Prionkrankheiten ver-
Instrumente
von
Risiken
Die Literaturhinweise finden Sie
im Internet zum Download unter:
www.drk-haemotherapie.de
31
Diagnostik immunologisch bedingter
Thrombozytopenien
Dr. med. Elisabeth Urban, Dr. med. Ute-Maja Liebscher,
Prof. Dr. med. Torsten Tonn
Institut für Transfusionsmedizin Dresden
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost
Blasewitzer Str. 68/70
01309 Dresden
Einleitung
Auf der Oberfläche von Thrombozyten (Abbildung 1) befinden sich
Antigendeterminanten, die die Bildung von Antikörpern (AK) bewirken
können. Daraus können spezifische
Zusammenfassung
Auf der Oberfläche von Thrombozyten befinden sich Antigendeterminanten, die die Bildung von Thrombozyten-Antikörpern
induzieren können. Diese richten sich spezifisch gegen Epitope
der verschiedenen Glykoprotein-Rezeptoren. Dieser Artikel
soll eine Übersicht geben über die klinische Bedeutung der
thrombozytären Antikörper und deren Nachweismöglichkeiten
im Labor. Es werden sowohl Thrombozyten-Allo- als auch
Autoantikörper und deren Bildung/Entstehung beleuchtet.
Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) geht mit einer
komplexen Aktivierung des Gerinnungssystems einher und ist
daher eine gefährliche Komplikation im Rahmen der Antikoagulationstherapie. Auch können Allo-Antikörper gegen humane
Plättchenantigene zu folgenden Krankheitsbildern führen:
fetale/neonatale Alloimmunthrombozytopenie, posttransfusionelle Purpura (PTP) und/oder einem Refraktärzustand nach
Thrombozytentransfusionen. Der Nachweis und die Spezifizierung von thrombozytären AK sind z.T. methodisch schwierig
durchzuführen und zeitaufwendig. In der Regel ist dafür ein
Speziallabor erforderlich.
Summary
The surface of platelets comprises determinants of antigens,
that may induce the formation of platelet specific antibodies.
These may be specifically directed against epitopes of the
different glycoprotein receptors. This article gives an overview
on the clinical relevance of platelet antibodies and methods of
their detection in the laboratory. The article sheds light on alloantibodies, as well as autoantibodies directed against platelets
and their pathophysiology. Heparin induced thrombocytopenia
(HIT) is associated with complex activations of the coagulation
system and therefore resembles a severe complication in anticoagulation therapy. In addition allo-reactive antibodies against
human platelet antigens may cause the following diseases:
fetal/neonatal alloimmune thrombocytopenia, post transfusion
purpura (PTP) and/or refractoriness after thrombocyte transfusion. The detection and classification of thrombocyte specific
antibodies is laborious and in part mandates challenging
analytical methods. In general it will require the analysis in
specialized laboratories.
Antigen-Antikörperreaktionen resultieren. Wir unterscheiden
• Antigene auf Thrombozyten,
die sich auch auf anderen Körper-
Abbildung 1
Thrombozyt zwischen Erythrozyt und Granulozyt
zellen befinden (z. B. ABH-System, HLA-Klasse I)
• und Antigene, die sich nur auf
der Plättchenoberfläche (Abbildung
Blutplättchen nachweisen lassen,
2) richten mit dem Ergebnis einer im-
die Antigene des HPA (Humanes-
munologisch ausgelösten Thrombo-
Plättchen-Antigen) -Systems.
zytopenie. Thrombozytäre GP-Kom-
Derzeit sind 12 thrombozytenspe-
plexe spielen in der Hämostase eine
zifische Antigene bekannt, die 6
wichtige Rolle (Tabelle 2). Auto-AK
biallelen Systemen zugeordnet
reagieren mit monomorphen Deter-
werden (HPA 1 bis 5 und HPA
minanten auf den autologen Throm-
15, das häufigere Allel wird mit a,
bozyten (und auf Thrombozyten ge-
das seltenere mit b bezeichnet),
sunder Probanden). Sie verursachen
und weitere bisher 21 ohne zuge-
eine Autoimmunthrombozytopenie
höriges
(ITP). Allo-AK reagieren mit den ge-
Partnerantigen.
Nach
neueren Erkenntnissen sind einige
netisch
HPA allerdings auch auf Endo-
thrombozytärer Oberflächen-GP. Sie
thel- oder Muskelzellen nachweis-
können eine fetale/neonatale Allo-
bar. Die wichtigste Rolle in der
immunthrombozytopenie (FNAIT),
medizinischen Praxis spielen HPA
eine post-transfusionelle Purpura
1a und HPA 5b (Tabelle 1). Der
(PTP) oder einen Refraktärzustand
Nachweis
nach Thrombozytentransfusionen aus-
erfolgt
vorwiegend
molekular-genetisch.
determinierten
Varianten
lösen. Medikamentenabhängige AK
verursachen medikamenten-indu-
HPA
können
die
Thrombozyten-AK
32
Bildung
von
zierte Thrombozytopenien. Die kli-
induzieren, die
nisch bedeutsame Heparin-indu-
sich spezifisch gegen Epitope der
zierte
Glykoprotein (GP)-Rezeptoren auf
nimmt eine Sonderstellung ein.
Thrombozytopenie
(HIT)
20
2013
Thrombozytäre Gykoproteine (GP) und humane Plättchenantigene (HPA)
GPVI
GPIIa
β1
GPIa
α2
GPIIbs GPIIIa
αIIB β3
CD109
GPV
GPIbα
HPA-2
T145M
HPA-5
E505K
HPA-4
R143Q
1
1
2
2
3
HPA-3
I843S
4
HPA-15
S703Y
3
S
S
βTD
HPA-1
L33P
GPIX
GPIbβ
4
S
S
βTD
Talin
Abbildung 2
Gykoproteinkomplexe und HPA-Merkmale (60)
Der Nachweis der thrombozytären
funktion. Der Nachweis erfolgt durch
dige AK) aus EDTA-Blut und auf freie
AK beruht auf verschiedenen Test-
die Untersuchung auf an Thrombo-
Thrombozyten-Auto/Allo-AK
prinzipien.
zyten gebundene Auto-AK (zellstän-
lierende AK) aus dem Serum der
(zirku-
Methodenübersicht
TEIL 1: Antikörpernachweis bei
Phänotypfrequenzen der wichtigsten thrombozytären
Alloantigene in der deutschen Bevölkerung
Verdacht auf Immunthrombo-
Antigen
Phänotypfrequenz [%]
Lokalisation
zytopenie (ITP)
HPA-1a
97
GP IIIa
HPA-1b
31
GP IIIa
Bei ITP sind die Thrombozyten mit
HPA-2a
99,8
GP Ib
AK beladen, die sich gegen die Merk-
HPA-2b
12
GP Ib
male des HPA-Systems richten. Diese
HPA-3a
86
GP IIb
Antigene (Ag) sind GP, die auf der
HPA-3b
63
GP IIb
Thrombozytenmembran
HPA-4a
>99,9
GP IIIa
HPA-4b
<0,1
GP IIIa
HPA-5a
98,8
GP Ia
HPA-5b
21
GP Ia
lokalisiert
sind. Die meisten Thrombozyten-Auto-AK reagieren mit Determinanten
auf den GP-Komplexen und induzieren eine Thrombozytopenie bei weitgehend erhaltener Thrombozyten-
Tabelle 1
modifiziert nach (59)
33
Glykoproteine auf Thrombozyten übernehmen in der
Gerinnung wichtige Aufgaben
Tabelle 2
GLykoproteinkomplexe
Funktion
GP IIb / IIIa
Fibrinogenrezeptor
Aggregation
GP Ib / IX
v. Willebrand-Rezeptor
Adhäsion
GP Ia / IIa
Kollagenrezeptor
Aggregation
GP V
Teil des GP Ib / V / IX
Adhäsion
GP IV
Kollagenrezeptor
Aggregation
CD 109
T-Helferzell-Funktion
Aufgaben der Glykoproteine bei der Gerinnung
Patienten. Thrombozytäre AK werden im Antiglobulintest mit intakten
Thrombozyten nachgewiesen. Medikamenten-abhängige AK reagieren
spezifisch mit einem GP, jedoch nur
in Anwesenheit des betreffenden
thrombozytenspezifischen
ein
sind. Die Ag sind mittels eines mono-
Medikamentes. Der Nachweis kann
trimolekularer Komplex aus dem hu-
klonalen AK, der gegen diese GP
nur in Antiglobulintesten erfolgen, bei
manen Thrombozyten-AK, dem GP-
gerichtet ist, an die feste Phase ge-
denen das vermutlich auslösende
Molekül mit dem exprimierten Throm-
bunden. Spezifische gegen die GP
Medikament hinzugefügt wird.
bozyten-Ag und dem monoklonalen
IIb/IIIa, Ib/IX, Ia/IIa oder IV gerichtete
AK. Die Lyse der Testthrombozyten
AK in der Patientenprobe binden an
Es können nachfolgende Testme-
setzt den Komplex aus der Membran
diese Festphasen-Ag. Nach einem
thoden zur Anwendung kommen:
frei. Er ist in sich außerordentlich sta-
Waschschritt, bei dem alle nicht ge-
bil. Über den monoklonalen AK kann
bundenen Bestandteile entfernt wer-
1.1. MAIPA-Test (Monoclonal-anti-
der Komplex an eine Festphase ge-
den, wird ein mit alkalischer Phos-
body-specific immobilization of
bunden werden. Der vorhandene
phatase markiertes Anti-Humanglo-
platelet antigens)
humane AK liegt nun endständig vor
bulin zugefügt. In einem weiteren
und wird durch Zugabe eines enzym-
Waschvorgang wird überschüssiges
Der MAIPA-Test ist ein glykoprotein-
markierten Anti-Human-IgG und eine
Konjugat entfernt. Durch Zugabe
spezifischer Enzymimmuntest, der
nachfolgende Substratreaktion sicht-
eines chromogenen Substrats ent-
den Nachweis thrombozytärer AK
bar gemacht (Abbildung 3). steht eine Farbreaktion, die nach
AK
auch in solchen Seren erlaubt, die ein
Abstoppen mit Säure photometrisch
Gemisch von thrombozytären und
Das Verfahren setzt voraus, dass
HLA-AK enthalten. Die Testthrombo-
für alle GP, auf denen Antigene expri-
zyten decken in ihrer Kombination
miert sind, monoklonale Antikörper
1.3. PIFT (Plättchenimmunfluores-
alle in Frage kommenden Allele des
vorliegen.
zenztest)
ausgewertet werden kann.
HPA-Systems ab. Sie werden mit
dem zu untersuchenden Patienten-
1.2. Plättchen-ELISA
serum inkubiert. In einem weiteren
34
Es werden Thrombozyten mit bekannten HPA-Merkmalen eingesetzt.
Schritt erfolgt die Zugabe monoklo-
Die Festphase der einzelnen Strei-
Liegen im Patientenserum AK gegen
naler Maus-AK, die gegen Determi-
fen des Enzymimmunoassays ist be-
diese Merkmale vor, kommt es zur
nanten der GP-Struktur gerichtet
schichtet mit den Thrombozyten-GP
Bindung. In einem zweiten Schritt
sind, auf denen die plättchenspezi-
von Einzel-Spendern der Blutgruppe 0,
werden diese AK mit einem fluores-
fischen Ag exprimiert sind. Dadurch
die homozygot für HPA-1a, HPA-1b,
zenz-markierten Sekundär-AK kon-
entsteht im Fall des Vorliegens eines
HPA-3a, HPA-3b, HPA-5a und HPA-5b
jugiert. Die messbare Fluoreszenz
20
2013
korreliert mit der AK-Menge. Es kön-
zifitäten ermöglichen. Im Ergebnis
funktioneller Test (HIPA, Serotonin-
nen AK der Immunglobulin-Klassen
dieser Methode erhält man den/die
freisetzungstest)
IgM und IgG nachgewiesen werden.
thrombozytenspezifischen HPA-AK.
Bewertung der Ergebnisse im Labor
Eine Identifizierung der Spezifität der
Die Sensitivität ist mit dem MAIPA
erfordert
Immunglobulinklassen ist mit diesem
vergleichbar.
Thrombozytenzahlen des Patienten,
Test jedoch nicht möglich.
unerlässlich.
Informationen
über
Die
die
das verwendete Heparin und den
TEIL 2: Antikörpernachweis bei
1.4. SASPA-Test (Simultaneous
Verdacht auf Heparin-induzierte
analysis of specific platelet anti-
Thrombozytopenie Typ II (HIT II)
Zeitpunkt der Medikamentengabe.
Es können folgende Testmethoden
zur Anwendung kommen:
bodies)
Die Diagnose einer HIT II basiert auf
Die Methode beruht auf der simul-
klinischen Daten und der Kinetik der
2.1. ID-PaGIA Heparin/PF4 Anti-
tanen Bestimmung und Differenzie-
Thrombozytenwerte des Patienten.
body Test
rung von verschiedenen spezifischen
Neben dem Nachweis von AK gegen
Thrombozyten-IgM- und IgG- AK
den Heparin/Plättchenfaktor4-Kom-
Der Test ist ein Partikel-Gel-Immu-
mittels
Das
plex (HPF4-Komplex) sollte auch
noassay (PaGIA). Synthetische Poly-
Prinzip des SASPA beruht auf der
stets ein funktioneller Test durchge-
merpartikel mit hoher Dichte sind
Verwendung verschiedener Beads,
führt werden. Zur eindeutigen Bestä-
mit dem HPF4-Komplex beschichtet.
die eine Differenzierung der AK-Spe-
tigung einer manifesten HIT II ist ein
Werden diese Partikel mit dem Serum
Durchflußzytometrie.
Testprinzip MAIPA (Monoclonal-antibody-specific immobilization of platelet antigens)
Humaner Antikörper
Glykoprotein
+ Maus-anti-GP AK
Glykoprotein
Lysieren der Thrombozyten
Anti-Maus IgG
+ Anti-Human IgG Enzym-markiert
Abbildung 3
MAIPA-Test
35
des Patienten vermischt, reagieren
zur Menge an Anti-HPF4-IgG-AK, die
fität dem Serotonin-Freisetzungstest
spezifische AK aller Immunglobulin-
in der Probe vorhanden ist. Der PF4-
(siehe 2.5.). Da der Ansatz aufwen-
Klassen mit dem HPF4-Komplex auf
ELISA hat eine Sensitivität von ca.
dig ist und frische, gewaschene Plätt-
der Partikeloberfläche und bewirken
80 % und ist nicht auf frische Spen-
chen notwendig sind, bleibt der Test
eine Agglutination der Partikel. Um
derthrombozyten angewiesen.
wenigen Speziallaboren vorbehalten.
2.3. Milenia QuickLine HIT-Test
2.5. Serotoninfreisetzungs-Assay
eine räumliche Trennung agglutinierter
und nicht-agglutinierter Partikel zu
erreichen, wird die Reaktionsmi-
= funktioneller Test
schung durch eine Gel-Filtrationsma-
Der Test ist ein Lateral-Flow-Immu-
trix zentrifugiert. Agglutinierte Partikel
noassay. Immobilisierte Anti-Human-
werden auf der Geloberfläche festge-
IgG-AK
Nitrozellulose-
toninspeicherung in den Granula
halten oder innerhalb des Gels ver-
membran binden Anti-HPF4-AK der
der Thrombozyten. Spenderthrombo-
teilt (= positive Reaktion), während
Klasse IgG des Patienten, die zuvor
zyten werden mit radioaktiv mar-
freie nicht-agglutinierte Partikel am
an einen Plättchenfaktor4/Polyanion-
kiertem Serotonin versehen. Eine Ak-
Boden des Mikroröhrchens ein kom-
Komplex gebunden wurden und
tivierung der markierten Thrombo-
paktes Sediment bilden (= negative
durch intensiv gefärbte Goldnano-
zyten durch das antikörperhaltige
Reaktion). Die starke Rotfärbung der
partikel detektiert werden. Der Test
Patientenserum bei Anwesenheit von
Partikel macht es möglich, das Test-
zeichnet sich durch ein geringes Pro-
Heparin führt zur Freisetzung von
resultat visuell abzulesen.
benvolumen, hohe Spezifität und
Serotonin. Die Zunahme der Radio-
Sensitivität aus. Es sind keine Wasch-
aktivität wird gemessen. Der Test hat
schritte erforderlich.
eine hohe Sensitivität, ist aber sehr
2.2. PF4-enzyme-linked-immuno-
auf
einer
aufwendig und durch die Verwen-
sorbent-assay (ELISA)
Beim Festphasen-Enzymimmuno-
2.4. Heparin-induzierte Plättchenak-
dung von radioaktiven Materialien nur
tivierung (HIPA) = funktioneller Test
in spezialisierten Laboratorien durch-
assay sind die Mikrotiterstreifen mit
36
Dieser Test basiert auf der Sero-
führbar.
HPF4-Komplexen beschichtet. Die in
Gewaschene Thrombozyten ge-
der zu bestimmenden Probe enthal-
sunder Spender der Blutgruppe 0
tenen Anti-HPF4-IgG-AK binden an
werden mit Patientenserum und He-
die immobilisierten HPF4-Komplexe
parin inkubiert. Dabei aktivieren anti-
und werden durch einen Sekundär-
körperhaltige Seren die Thrombo-
antikörper, an den eine Peroxidase
zyten in Gegenwart von niedrigen,
1. Immunthrombozytopenie
gebunden ist, detektiert. Nach einem
nicht aber von hohen Heparinkon-
(ITP) Eponym: Morbus Werlhof
Waschvorgang wird ein Substrat hin-
zentrationen. Dies führt zur Plätt-
zugegeben, das von dieser Peroxi-
chenaggregation. Dadurch wird die
Es handelt sich um eine erworbene
dase gespalten wird und zu einer
Transparenz der Thrombozytensus-
Thrombozytopenie, die primär als
Farbreaktion führt. Die entstehende
pension des Testansatzes höher. Der
Autoimmunerkrankung mit isolierter
Farbintensität ist direkt proportional
Test gleicht in Sensitivität und Spezi-
Thrombozytopenie oder sekundär
Klinische Bedeutung
thrombozytärer Antikörper
20
2013
Klassifikation der ITP nach (65)
Klassifikation
Ursachen/Krankheitsbilder
Primäre ITP
keine auslösende Ursache erkennbar
Sekundäre ITP
Medikamentenreaktion
Autoimmunerkrankung
Antiphospholipid-Syndrom
Common variable immundeficiency syndrome
Lymphom
Evans-Syndrom
Autoimmun-proloveratives Syndrom
Infektionen (HIV; Hep B;HCV; H. pylori)
nach Impfungen
andere
Tabelle 3
• Ein relativer Thrombopoietinmangel behindert die Megakaryozytenbildung im Knochenmark (15,
16). Die Blutungsinzidenz ist unter
der Therapie mit Thrombopoietinanaloga deutlich rückläufig (17).
• Das Phänomen des Epitope
spread durch dendritische Zellen
mit T-Zell-Aktivierung und Interaktion von T- und B-Lymphozyten
bei z. B. systemischem Lupus ery-
• Makrophagen und dendritische
thematodes oder chronisch lympha-
Zellen bauen die beladenen Zel-
Immunreaktion
tischer Leukämie auftritt (Tabelle 3).
len ab und führen zu einer erhöh-
Auto-AK. Ob die Ursache dafür
Eine Inzidenz von 2 bis 4 Neuerkran-
ten Clearence aus der Zirkula-
die Thrombozyten-AK sind oder
kungen jährlich auf 100.000 Einwoh-
tion. Die entstandene Thrombo-
es einen anderen Auslöser gibt,
ner resultiert in einer Prävalenz der
zytopenie beeinträchtigt direkt die
ist bisher nicht bekannt (58).
chronischen Form von 2 auf 10.000
Hämostase. Es kommt zur Blu-
Personen. Im Kindesalter findet sich
tungsneigung vom thrombozy-
Eine Störung der immunregulato-
häufig ein akuter selbstlimitierender
tären Typ.
rischen Funktion von B- und T-Zel-
führt neben der Verstärkung der
zu
multiplen
Verlauf. 90 % der erkrankten Kinder
• Gleichzeitig geht die AK-Bildung
len im Knochenmark liegt vor (19).
haben nach 12 Monaten wieder mehr
mit einer Funktionsstörung der
Die einmal angestoßenen Immunre-
Thrombozyten.
GP einher. Thrombozytenadhä-
aktionen können nicht wieder unter-
Schwere Blutungen sind rar. Dage-
sion und –aggregation können die
drückt werden (18).
gen gibt es bei Erwachsenen selten
Blutungsneigung verstärken.
Spontanremissionen. Das Risiko für
• Eine Aktivierung des GP-Rezep-
schwere Blutungen steigt mit dem
tors (intrinsic activity) mit Funk-
Lebensalter (1, 2). Es findet sich ein
tionsverstärkung der wenigen
Es gibt keine Untersuchungen oder
jährliches Mortalitätsrisiko von 5 %
vorhandenen Thrombozyten (10,
Befunde, die die Diagnose einer ITP
bei therapierefraktären Patienten mit
11) ist möglich. Daraus erklärt
beweisen. Der Ausschluss der Diffe-
Thrombozytenwerten unter 30 x 109 /l
sich die klinisch sehr unterschied-
rentialdiagnosen steht im Vorder-
(4). Todesursachen sind neben fa-
liche Blutungsneigung bei nied-
grund. Die Bestimmung von throm-
talen Blutungen auch Infektionen (3).
rigen Thrombozytenzahlen.
bozytären AK (frei im Patientense-
als
100
x
10 9 /l
Testung auf thrombozytäre AK:
• Die AK haben zusätzlich eine hem-
rum /-plasma und gebunden an den
mende Wirkung auf die Thrombo-
Patiententhrombozyten) wird zur Di-
• Thrombozyten-Auto-AK reagie-
poese (12). Die Reifung der Throm-
agnosesicherung bei Patienten mit
ren mit den GP-Rezeptoren an
bozyten aus den Megakaryo-
persistierender
der Plättchenoberfläche.
zyten ist beeinträchtigt (13, 14).
und atypischen Befunden bzw. bei
Pathophysiologie der ITP:
Thrombozytopenie
37
fehlendem Ansprechen auf eine The-
Thrombozytopenie bestätigen. Ein
nen, verursacht durch thrombozytäre
rapie mit intravenös verabreichtem
negatives Ergebnis spricht nicht ge-
AK der Mutter, die diaplazentar über-
Immunglobulin (ivIg) in den Leitlinien
gen die Diagnose. Es wird vermutet,
tragen werden und eine Phagozytose
der DGHO (5) empfohlen sowie bei
dass sich AK gegen noch unbekann-
der fetalen Thrombozyten induzieren.
unklaren Krankheitsverläufen im Kin-
te Thrombozyten-Ag dem Nachweis
Ca. die Hälfte der Fälle tritt bereits in
desalter (20). Im Rahmen der Akutdi-
entziehen.
der ersten Schwangerschaft auf (24).
agnostik neuer Patienten ist diese Testung nicht sinnvoll. Thrombozytäre
Es kann zur Blutungsneigung vom
Das therapeutische Vorgehen
AK sind überwiegend IgG-AK, 25 %
petechialen Typ kommen. Intrauterine (41, 42) oder postnatale intra-
IgM-AK und weniger als 5 % IgA-AK.
empfiehlt die Leitlinie der DGHO (5).
kranielle Blutungen sind eine ge-
Es gibt keinen Hinweis auf eine Asso-
Als Notfalltherapie bei bedrohlichen
fürchtete Komplikation mit der Folge
ziation bestimmter Immunglobulin-
Blutungen eignen sich Thrombo-
bleibender Schädigungen oder des
Klassen zu einem chronischen Ver-
zytenkonzentrate (TK) als wirksame
Todes. Innerhalb von Tagen bis weni-
lauf (6). Am besten geeignet zum
Sofortmaßnahmen. Es kommt zum
gen Wochen nach der Geburt nor-
Nachweis thrombozytengebundener
Sistieren der Blutung und zum vorü-
malisiert sich die Thrombozytenzahl.
glykoproteinspezifischer AK ist der
bergehenden Anstieg der Thrombo-
Da die Thrombozytenzahl bei Neuge-
MAIPA (7, 8). Selbst bei Kombination
zyten (21). Die Kombination von ivIg
borenen
von mehreren Tests gelingt der Nach-
und TK ist nicht wirksamer als die al-
stimmt wird, werden Fälle ohne deut-
weis nur bei 60-80 %, hauptsächlich
leinige TK-Gabe (22, 23).
liche Blutungszeichen i. d. R. überse-
von AK gegen GP Ib und/oder IIb / IIIa, seltener gegen GP Ia / IIa,
GP IV,
GP V. Patienten mit ITP haben oft AK
autoimmunologische
Genese
der
routinemäßig
be-
hen. 0,2 % der Schwangeren bilden
2. Fetale / Neonatale Alloim-
thrombozytäre AK (25). Unbehandel-
munthrombozytopenie (FNAIT)
te Neugeborene mit einer Thrombo-
gegen mehrere GP-Rezeptoren (9).
Ein positiver AK-Nachweis kann die
nicht
zytopenie haben ein hohes Risiko eiDie FNAIT ist eine isolierte Throm-
ner intrakraniellen Blutung (28, 29,
bozytopenie des Feten / Neugebore-
30). Eine NAIT führt bei 1 von 5.000
Neugeborenen zu einer Blutungsneigung (26). 5 % dieser Kinder verster-
Inzidenz der FNAIT
ben innerhalb des ersten Lebens-
Diagnose
Anzahl
Häufigkeit in % Schwangerschaft
100.000
100
HPA-1a-negative Schwangere
2.000
2
Nachweis Anti-HPA-1a
200
0,2
Schwere Thrombozytopenie
60
0,06
Intrakranielle Blutung, Tod
6
0,006
jahres oder entwickeln irreversible
Schäden (27). (Tabelle 4)
Pathophysiologie der FNAIT:
Eine FNAIT wird durch die Immunisierung der Mutter gegen kindliche
38
Tabelle 4
Plättchen-Ag (HPA) ausgelöst. Die
Inzidenz der FNAIT modifiziert nach (61)
Allo-Anti-HPA-AK vom Typ IgG wer-
20
2013
den über einen Fc-Rezeptor der Syn-
negativer AK-Nachweis im mütter-
Testung auf thrombozytäre AK:
lichen Blut schließt eine FNAIT nicht
zytiotrophoblasten in die fetale Zirkulation transportiert (32, 33). Eine
Für den Nachweis der thrombozy-
aus (38). Niedrigaffine AK können
Ag-AK-Reaktion auf der Oberfläche
tären Allo-AK aus dem mütter-
sich dem Nachweis entziehen und
der kindlichen Thrombozyten be-
lichen Blut ist der MAIPA wegen sei-
werden nur mit besonders empfind-
schleunigt die Eliminierung der Plätt-
ner guten Reproduzierbarkeit und
lichen Methoden erfasst (39). Alter-
chen aus dem Kreislauf mit der Folge
seiner Unempfindlichkeit gegenüber
nativ kann ihre Bestimmung einige
einer Thrombozytopenie des Feten
von HLA-AK besonders geeignet. Er-
Wochen nach der Entbindung gelin-
(31). Die Sensibilisierung der Mutter
gänzend sollte mit gleicher Technik
gen (40).
ist das Ergebnis einer vorangegan-
ein Cross match zwischen mütter-
genen Gravidität, einer Thrombo-
lichem
zytentransfusion oder - in der ersten
Thrombozyten durchgeführt wer-
Schwangerschaft - des diaplazen-
den. Damit können auch AK gegen
richtet sich nach dem Schweregrad
taren Übertritts kindlicher Thrombo-
seltene Antigensysteme erfasst wer-
der Thrombozytopenie und der Blu-
zyten. Thrombozytäre GP sind be-
den. Zur Sicherung der serolo-
tung. Zur raschen Anhebung der
reits in der 16. Schwangerschaftswo-
gischen
AK-Nach-
Thrombozytenzahl werden TK einge-
che nachweisbar (34). Möglicherweise
weises empfiehlt sich die mole-
setzt mit dem Ziel, die Werte bei
führen auch Mikropartikel des Synzy-
kulargenetische
der
50x10 9 /l zu halten. Eine Zeitverzöge-
tiotrophoblasten zur Immunisierung
HPA-Merkmale der Mutter (mit ne-
rung durch das Warten auf die Er-
(35). Am häufigsten sind AK gegen
gativem Ergebnis für das Antigen,
gebnisse der Testung auf thrombo-
das Merkmal HPA-1a (75 bis 80 %)
gegen welches der AK gerichtet ist)
zytäre Antikörper gefährdet mögli-
und gegen HPA 5b (15-20 %) (36).
und des Neugeborenen (mit posi-
cherweise das Kind. Optimal wären
AK gegen andere Plättchenmerk-
tivem Ergebnis für das Antigen, ge-
immunologisch verträgliche TK. Die-
male sind selten. Thrombozyten-AK
gen welches er AK gerichtet ist). Ein
se werden unter Beachtung der
Serum
Befunde
und
des
väterlichen
Diagnostik
Das therapeutische Vorgehen
gegen den GP-Komplex IIb / IIIa (An-
Dringlichkeit der Therapie nicht im-
ti-HPA 1a), aber auch andere AK ge-
mer zur Verfügung stehen. Die Gabe
gen Epitope dieses GP, sind sehr
unausgewählter TK führt im Allge-
häufig mit schwerwiegenden Kompli-
meinen zu einem ausreichenden
kationen assoziiert. Bei Anti-HPA-5b
Thrombozytenanstieg (43). Stehen
finden sich viel seltener ausgeprägte
ohne Zeitverzug HPA-1a-negative
Thrombozytopenien (41). Allerdings
und HPA-5b-negative TK zur Verfü-
lässt eine intrakranielle Blutung bei
gung, sind diese auf Verdacht unter
moderat
Thrombo-
Beachtung der Häufigkeit der Anti-
zytenzahl eine funktionelle Beein-
körper vorzuziehen. Liegt das Ergeb-
trächtigung des GP Ia / IIa (Kollagen-
nis der Testung auf thrombozytäre
rezeptor) vermuten (37).
AK vor, empfiehlt sich auf kompati-
verminderter
ble TK überzugehen. Bei bekannter
39
FNAIT sollen kompatible TK für das
Pathogenese:
Das therapeutische Vorgehen
Neugeborene rechtzeitig zur Geburt
vom zuständigen Blutspendedienst
HLA- und/oder thrombozytäre Al-
beruht auf der Transfusion kompa-
angefordert werden. Eine engma-
lo-AK des Patienten, die durch ein
tibler mittels Apherese gewon-
schige Überwachung des Feten bei
vorangegangenes Immunisierungs-
nene TK (57). Die Spender werden
bekannter FNAIT ggf. unter Therapie
ereignis
oder
gezielt nach den HPA-Merkmalen
mit ivIg ab der 16. Schwanger-
Transfusion) induziert wurden, bin-
ausgewählt. Das Antigen, gegen
schaftswoche und möglicherweise
den an die entsprechenden Antigene
welches sich der Patienten-AK rich-
intrauterinen Transfusionen soll an
auf der Oberfläche der Thrombo-
tet, darf nicht vorhanden sein. Dafür
ein erfahrenes Zentrum geknüpft
zyten des Blutprodukts. Die „AK-
ist eine molekulargenetische HPA-
werden.
beladenen“ Thrombozyten werden
Typisierung der Spender erforderlich.
(Schwangerschaft
beschleunigt aus der Zirkulation ent-
3. Refraktärzustand nach
4. Posttransfusionelle Purpura
fernt.
Transfusion von Thrombo-
(PTP)
zytenkonzentraten
Testung auf thrombozytäre AK:
Die PTP ist eine seltene Nebenwir-
40
Der Refraktärzustand ist eine Trans-
Nach ggf. Ausschluss bzw. Identifi-
kung der Transfusion (44), die etwa 1
fusionsstörung. Durch Immunisie-
zierung von HLA-AK Testung auf
Woche nach Gabe von Blutpro-
rung des Patienten im Rahmen von
Thrombozyten-AK in einem Test-
dukten, meist von Erythrozytenkon-
Schwangerschaft
Transfusi-
system, das durch Anwesenheit von
zentraten, zu einer isolierten Throm-
onen gegen HLA- und / oder HPA-
HLA-AK nicht gestört wird (MAIPA).
bozytopenie
Merkmale zeigt eine TK-Gabe eine
Die serologischen Ergebnisse mit Er-
mit Blutungsneigung führt. Betroffen
unzureichende
des
mittlung der GP-Komplexe, mit de-
sind hauptsächlich Frauen im mittle-
Blutprodukts (ausbleibender oder in-
nen der AK reagiert, erfordern eine
ren und höheren Lebensalter mit
adäquater Anstieg der Thrombo-
Bestätigung und Ergänzung zur
vorangegangenen Immunisierungs-
zyten des Patienten). Der ausblei-
HPA-AK-Differenzierung
mittels
ereignissen (Schwangerschaft, Trans-
bende Transfusionserfolg kann über
molekulargenetischer
HPA-Typi-
fusionen) (46). Nach 3 bis 5 Wochen
das Thrombozyteninkrement mit der
sierung des Patienten. Diese dient
bildet sich die Thrombozytopenie
Thrombozytenzahl des Patienten vor,
gleichzeitig der Auswahl optimal ge-
spontan zurück.
1 Stunde nach und 20 Stunden nach
eigneter Thrombozytenspender. Bei
TK-Gabe im corrected count incre-
der Suche nach geeigneten Spen-
ment (CCI) berechnet werden (56).
dern für Patienten mit AK-Gemischen
HLA-Klasse I-AK sind die häufigste
oder Refraktarität trotz Beachtung
Der immunologische Mechanismus
Ursache für einen immunologisch in-
der AK kann ein Cross match im
ist nicht geklärt. Thrombozytenspe-
duzierten Refraktärzustand (51, 52,
MAIPA hilfreich sein.
zifische Allo-AK des Patienten (am
oder
Wirksamkeit
(Thrombozytensturz)
Pathophysiologie:
53). In 15 – 30 % der Fälle sind diese
häufigsten gegen Ag des GP IIb / IIIa,
AK mit HPA-AK assoziiert (54, 55).
insbesonder Anti-HPA 1a-AK) mit
20
2013
einer Autoimmunkomponente (45)
Testung auf thrombozytäre AK:
Therapeutisch
führen zu einer Elimination autologer
Plättchen aus dem Kreislauf. Die Al-
Im Speziallabor gelingt in der Regel
wird der Einsatz von ivIg empfohlen
lo-AK lassen sich von den Patienten-
der Nachweis der Thrombozyten-
(48, 49). Thrombozytenkonzentrate
thrombozyten eluieren, obwohl diese
AK im Patientenserum. Begleitende
sind unwirksam (50).
für das Antigen negativ sind (46).
HLA-AK können den Testansatz stö-
Mögliche Erklärung der Bindung der
ren. Deshalb ist z. B. der MAIPA zu
5. Medikamentenbedingte
AK an die Thrombozyten ist eine An-
empfehlen. Das Ergebnis der Bestim-
Immunthrombozytopenie (MIT)
lagerung von Immunkomplexen oder
mung der HPA-Merkmale beim Pati-
eine Adsorption von Spender-GP an
enten ergibt eine Abwesenheit des
Die MIT ist eine durch Medikamente
die Patiententhrombozyten. Denkbar
Antigens, gegen welches der AK ge-
(Tabelle 5) oder deren Metaboliten
ist auch eine pseudospezifische Im-
richtet ist.
induzierte Thrombozytopenie, die ca.
munantwort auf kreuzreagierende
7 Tage nach Ersteinnahme des Medi-
Antikörper (47).
kaments auftritt. Bei Reexposition
Medikamente als Verursacher einer Immunthrombzytopenie
Medikamenten-assoziierte Autoimmun-Thrombozytopenie
Abciximab
Acetaminophen
Acetazolamid
Allopurinol
Aminoglutethimid
Amiodaron
Amrinon
Aspirin
Carbamazepin
Carbenicillin
Cefotiam
Cefalotin
Cefamandol
Chinin
Chinidin
Chlordiazepoxid
Chlorpheniramin
Chlorthalidon
Chlorthiazid
Cimetidin
Cocain
Codein
Danazol
Desipramin
Diazepan
Divlofenac
Difunisal
Digitoxin
Diltiazem
Eptifitabid
Erythromycin
Fenoprofen
Furosemid
Gentamicin
Goldsalze
Heparin
Hydrochlorothiazid
Hydroxychloroquin
Imipramin
Interferon
Isoniazid
Ketoprofen
Levamisol
Lidocain
Meperidin
Meprobamat
Methicillin
Methyldopa
Minoxidil
Morphin
Naproxen
Nitrofurantoin
Nomifensin
p-Aminosalicylsäure
Penicillamin
Penicillin
Pentamidin
Phenylbutazon
Phenytoin
Piperacillin
Piroxicam
Procainamid
Prochlorperazin
Prothetazin
Ranitidin
Rifampicin
Spironolacton
Sulfasalazin
Sulfonylharnstoffe
Tetracyclin
Thioguanin
Tirofabin
Ticlopidin
Trimethoprim/Sulfameth.
Valpoinsäure
Vancomycin
Tabelle 5
nach (66)
41
vergehen nur Stunden bis Tage.
ments erforderlich als beim thera-
ge nach Beginn der Heparintherapie.
Nach Absetzen des Medikaments
peutischen Einsatz.
Allerdings haben 10 bis 15 % der HIT-
normalisiert sich die Thrombozyten-
Patienten Thrombozytenwerte von
zahl innerhalb von zwei Wochen.
6. Heparin-induzierte Throm-
mehr als 150x10 9 /l (63). Deshalb ist
1 von 100.000 Patienten mit Medika-
bozytopenie Typ II (HIT II)
auf die Thrombozytenkinetik zu ach-
menteneinnahme
entwickelt
ten. Bei Reexposition kann der Pati-
eine
Differenzialdia-
Die HIT II ist eine gefährliche immu-
ent, wenn noch zirkulierende HIT-AK
krankheitsbe-
nologische Komplikation einer Hepa-
vorhanden sind, schneller mit einem
dingte Ursachen und Thrombozyten-
rintherapie. Heparin-induzierte AK
Thrombozytensturz (rapid-onset-HIT)
bildungsstörungen ausgeschlossen
verursachen neben einer gesteiger-
und ggf. thromboembolischen Kom-
werden. Als Sonderform wird eine
ten Plättchendestruktion mit Throm-
plikationen reagieren.
MIT unter Einnahme von GP IIb / IIIa
bozytopenie
–Inhibitor-Therapie betrachtet. Die
Thrombozytenaktivierung verbunden
Heparin-induzierte Thrombozytope-
mit erhöhter Thrombinbildung. Die
nie (HIT) mit dem Risiko thromboem-
HIT II ist eine erworbene Form einer
Der Plättchenfaktor4 (PF4) ist das
bolischer Komplikationen (siehe HIT
Thrombophilie. Von der HIT II muss
wichtigste Antigen der HIT (67). Der
II) ist ein eigenes Krankheitsbild.
die HIT I abgegrenzt werden, bei der
PF4 ist ein köpereigenes Protein. Er
es zu Beginn einer Heparintherapie
kann mit Heparin einen Immunkom-
außerhalb eines Immungeschehens
plex bilden, der die Exprimierung von
zum reversiblen Abfall der Thrombo-
Krypt-oder Neoantigenen zur Folge
Die Pathogenese der MIT ist bisher
zyten kommt. Der Zustand ist selbst-
hat. Die dagegen gerichteten HIT-AK
nicht geklärt. Die medikamentenbe-
limitierend. Die HIT II tritt bei 0,3 bis
sind meist AK vom IgG-Typ (67). Sie
dingten AK reagieren spezifisch mit
3,0 % der Patienten auf, die mit He-
binden
einem GP der Thrombozytenmem-
parin behandelt werden (63, 64, 68).
Komplex über Fc-Rezeptoren an der
bran in Anwesenheit des auslö-
Die Patienten haben ein hohes Risiko
Thrombozytenoberfläche. Im Ergeb-
senden Agens (Medikament oder
venöser
nis dieses komplexen Geschehens
Medikamentenmetabolit).
evtl. mit Lungenembolie) und arteriel-
kommt es
ler (periphere arterielle Ischämie der
• zur Aktivierung der Thrombo-
Thrombozytopenie.
gnostisch
müssen
Pathophysiologie:
Testung auf thrombozytäre AK:
unteren
(tiefe
eine
intravaskuläre
Venenthrombosen,
Extremitäten)
Gefäßver-
schlüsse. Betroffen sind besonders
Der Nachweis der AK ist schwierig.
42
weibliche Patienten mit orthopäoder
kardiochirurgischen
Pathophysiologie:
als
HIT-AK-PF4-Heparin-
zyten,
• zur Neutralisierung von Heparin
durch Bindung an den PF4,
• zur Freisetzung thrombozytärer
Wird die Immunreaktion durch Meta-
dischen
boliten eines Medikaments ausge-
Eingriffen, die mit unfraktioniertem
löst, gelingt er i.d.R. nicht. Um AK ge-
Heparin behandelt werden (63). Das
• zur Endothelzellaktivierung mit
gen die GP bei der Testung erfassen
Leitsymptom ist ein Thrombozyten-
Freisetzung von Tissue-Faktor,
zu können, sind in vitro deutlich hö-
abfall auf 50 % des Ausgangswertes
der die Thrombinbildung weiter
here Konzentrationen des Medika-
(relative Thrombozytopenie) 5-10 Ta-
steigert,
Mikropartikel,
20
2013
Wahrscheinlichkeitskriterien
der HIT-Verdacht
basiert auf folgenden
Kriterien
Score
2
1
0
Thrombozytopenie
niedrigster Wert $ 20 GPT und
> 50 % Abfall
niedrigster Wert 10-19 GPT oder
30-50 % Abfall
niedrigster Wert < 10 GPT
oder < 30 % Abfall
Tag des Auftretens des
Thrombozyten-Abfalls
Tag 5-10 oder # 1 bei früherer
Heparintherapie (innerhalb der
letzten 30 Tage)
unbekannt, aber könnte zur HIT passen bzw. > Tag 10 bzw. # Tag 1 bei
früherer Heparintherapie (innerhalb
der letzten 30 bis 90 Tage)
Tag < 4 (keine frühere
Heparintherapie)
Thrombosen oder
andere Komplikationen
gesicherte neue Thrombose,
Hautnekrosen, anaphylaktische
Reaktion (anaph. Reaktion nach
Heparinbolus)
Fortschreitende oder rezidivierende
Thrombose, Verdacht auf Thrombose
(noch nicht bestätigt) oder nicht
nekrotisierende Hautläsionen
keine Komplikationen
andere Gründe für den
Thrombozytenabfall
keine
denkbar
definitiv
WahrscheinlichkeitsScore
6-8 Punkte hoch
4-5 Punkte mittel
0-3 Punkte gering
Tabelle 6
nach (62)
• und zur Makrophagen-/Monozytenaktivierung.
Eine Thrombose oder Embolie bei
Thrombozytopenie entsteht.
den sich meist AK der Klasse IgG.
pie mit Thrombininhibitoren (Argatro-
Ein funktioneller Test ist zur Feststel-
ban)
lung einer Kreuzreaktivität der HIT-
dung stoppen.
soll die erhöhte Thrombinbil-
AK mit niedermolekularem Heparin
oder Danaparoid in vitro erforderlich
Testung auf thrombozytäre AK:
(38). Ein Screening bei asymptomatischen Patienten ist nicht sinnvoll.
Test zum Nachweis der HIT-AK dienen der Sicherung einer klinischen
Verdachtsdiagnose,
deren
Therapeutisch
Wahr-
scheinlichkeit mit dem 4T-Score (38)
ist bereits bei einem begründeten
(Tabelle 6) ermittelt wird. Funktio-
Verdacht auf eine HIT II ein Absetzen
nelle und immunologische Tests er-
des Heparins unumgänglich. Alterna-
gänzen einander. Die AK sind bis zu
tiv stehen modifiziertes Heparinoid
3 Monate im Blut nachweisbar (65).
(Danaparoid), niedrigmolekulare Heparine oder Hirudin zur Verfügung.
Bei Patienten mit HIT-II-Symptoma-
Eine Kreuzreaktivität der HIT-AK ist
tik (Thrombosen oder Embolien) fin-
möglich. Die medikamentöse Thera-
Die Literaturhinweise finden Sie
im Internet zum Download unter:
www.drk-haemotherapie.de
43
Die Autoren
Dr. med. Rainer Bald
studierte Humanmedizin in Berlin und
Marburg, wo er bei Prof. Dr. B.-J.
Hackelöer über die sonographische
Endometriumdarstellung promovierte.
Weitere Stationen seiner ärztlichen
Laufbahn waren das Universitätsklinikum Marburg/Lahn (Prof. Dr. med. R. Buchholz und Prof.
Dr. med. K. D. Schulz), das Klinikum Großhadern der Universität München (Prof. Dr. med. K. Richter, Prof. Dr.
med. H. Hepp und Prof. Dr. med. H. Versmold), die Universitäts Frauenklinik Bonn als leitender Oberarzt der
Abteilung für pränatale Diagnostik und Therapie (Prof. Dr.
med. M. Hansmann) und die Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Köln als
Leiter des Bereichs Pränatalmedizin und gynäkologische
Sonographie (Direktor: Prof. Dr. med. P. Mallmann). Seit
2005 ist Herr Dr. Bald Leiter des Bereichs Pränatalmedizin und gynäkologische Sonographie der Frauenklinik im
Klinikum Leverkusen. Herr Dr. R. Bald ist Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und verfügt über die fakultative Weiterbildung spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin.
PD Dr. Michael Beekes
* 23.06.1963 in Mülheim/Ruhr
Studium der Biochemie, Promotion und
Habilitation an der Freien Universität
Berlin. Seit 1991 im Robert Koch-Institut (RKI). Als wissenschaftlicher Direktor Leiter der Arbeitsgruppe „Unkonventionelle Erreger und deren Inaktivierung“ im Fachgebiet
„Angewandte Infektions- und Krankenhaushygiene“. Arbeitsgebiet: Transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE, Prionkrankheiten) mit den Schwerpunkten
TSE-Diagnostik, Erregerausbreitung im Körper, und Prioninaktivierung. Beschäftigt sich in Forschung und Lehre
darüber hinaus mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Prionen und selbstreplizierenden Proteinpartikeln bei der Alzheimer- und Parkinson-Krankheit.
Früheres Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Nationalen TSE-Forschungsplattform und im Exekutivkomitee
des europäischen Exzellenznetzwerkes „NeuroPrion“.
Zeitweilig wissenschaftlicher Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der europäischen ArzneimittelAgentur (EMA) und des Bundesministeriums für Gesundheit auf dem Gebiet der Prionen und Prionkrankheiten.
Frauenklinik
Klinikum Leverkusen
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
Carla Kreissig
leitet seit 2002 den Zentralbereich
Stammzelle und HLA beim DRK-Blutspendedienst West gGmbH. Seit 2007
ist sie Geschäftsführerin und Ärztliche
Leiterin der Westdeutschen SpenderZentrale gGmbH
Nach ihrem Studium der Humanmedizin an der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald absolvierte sie von
1993 bis 1997 eine Weiterbildung zum Facharzt für
Transfusionsmedizin an der Blutbank des Universitätsklinikums Rudolf Virchow in Berlin.
Von 1997 bis 2002 war sie als Teamarzt und Leiterin des
Fachbereiches Transfusionsmedizin an der Deutschen
Klinik für Diagnostik in Wiesbaden tätig.
Während ihrer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit hat
sie mehrere Jahre im Bereich der Knochenmarktransplantation gearbeitet.
DRK-Blutspendedienst West, gemeinnützige GmbH
Zentralbereich Stammzelle und HLA
Linneper Weg 1
40885 Ratingen - Breitscheid
Dr. med. Elisabeth Urban
ist Fachärztin für Transfusionsmedizin,
Abteilungsleiterin Labor und Oberärztin
am Institut für Transfusionsmedizin
in Dresden. Sie ist verantwortlich für
die Laborbereiche Immunhämatologie,
Transplantationsimmunologie und Qualitätskontrolle am ITM Dresden.
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin Dresden
Blasewitzer Str. 68/70
01309 Dresden
44
Dr. med. Ute-Maja Liebscher
ist Fachärztin für Transfusionsmedizin
und war bis November 2012 Institutsleiterin des ITM Dresden des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost.
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin Dresden
Blasewitzer Str. 68/70
01309 Dresden
Prof. Dr. Reinhard Burger
* 27. Mai 1949 in Rossdorf
Präsident des Robert Koch-Instituts
Studium der Biologie, Mikrobiologie,
Immunologie. Nach Promotion und Habilitation 1982 Professor für Immunologie an der Univ. Heidelberg. Seit 1987
© Ossenbrink/RKI
im RKI, zunächst als Leiter der Abteilung
Immunologie, 1998-2011 Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten. 2001-2010 Vizepräsident.
Seit 1989 Professor für Immunologie an der FU Berlin.
Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften. Seit 1993 Vorsitzender des Arbeitskreises Blut
des Bundesministeriums für Gesundheit. Mitwirkung in
diversen nationalen und internationalen Sachverständigen-Gremien. Neben Veröffentlichungen, zahlreiche
Empfehlungen, Stellungnahmen und Richtlinien im Bereich der Infektionskrankheiten, der Immunologie und der
Transfusionsmedizin.
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
Prof. Dr. med. Torsten Tonn
hat den Lehrstuhl für Transfusionsmedizin der medizinischen Fakultät Carl
Gustav Carus der TU Dresden inne und
ist medizinischer Geschäftsführer des
DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost.
DRK-Blutspendedienst Nord-Ost gemeinnützige GmbH
Institut für Transfusionsmedizin Dresden
Blasewitzer Str. 68/70
01309 Dresden
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Die neue Version der Blutspende-App
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Persönliche Terminerinnerungen via E-Mail oder SMS,
Verwaltung der persönlichen Spenderdaten,
Eintragung der erfolgten Blutspenden und Gesundheitswerte,
Posting von Nachrichten und Fotos über die App, um mit anderen
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