Handel mit Kyoto-Rechten

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Handel mit Kyoto-Rechten
Economics
Themen international
20. November 2001
Nr. 221
Aktuelle Themen
Handel mit Kyoto-Rechten - Neue Geschäftsoptionen für Banken und Brokerhäuser?
• Die am 10. November beendete Weltklimakonferenz in Marrakesch konnte
nur zu einem positiven Abschluss gebracht werden, weil erhebliche Zugeständnisse gegenüber einigen Staaten eingeräumt wurden. Auf Grund dessen ist der ökologische Nutzen des Kyoto-Protokolls inzwischen deutlich geringer einzuschätzen. Gleichwohl wurde in Marrakesch das Fundament für
einen zukünftig rechtsverbindlichen Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase gelegt. In einem weltweiten Markt für diese Rechte werden sich
für Banken und Brokerhäuser neue Geschäftspotenziale eröffnen.
• Die politischen Rahmenbedingungen für diese Entwicklungen wurden im Jahr
1997 vereinbart. In Kyoto verpflichteten sich 38 Industrieländer dazu, ihre
Gesamtemissionen von sechs wichtigen Treibhausgasen um mindestens
5,2% zu reduzieren. Jedes Land muss sein Reduktionsziel innerhalb des Zeitraums 2008 bis 2012 erreicht haben. Ein Teil dieser Reduktionsverpflichtungen kann durch den internationalen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten erreicht werden. Eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls auf einer so breiten Basis, dass es in Kraft tritt, ist innerhalb der nächsten 1 bis 2 Jahre relativ
wahrscheinlich.
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• Gegenwärtig entwickelt sich bereits ein internationaler Markt für Treibhausgasemissionsrechte. Insgesamt werden zur Zeit schätzungsweise 30 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr gehandelt. Die aktuellen Preise für CO2-Emissionsrechte
differieren mit USD 0,3 bis 10 pro Tonne CO2-Äquivalent noch relativ stark.
Mittelfristig ist ein Preis von USD 10 bis 20 pro Tonne CO2-Äquivalent realistisch. Mithin können durch einen frühzeitigen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten erhebliche Gewinne realisiert werden. Das gesamte Handelsvolumen wird ab dem Jahr 2008 auf mindestens USD 60 Mrd. pro Jahr geschätzt.
• Banken und Brokerhäusern kann der frühzeitige Einstieg in den internationalen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten ein relativ riskantes, mittelfristig aber potenziell sehr lukratives Geschäft eröffnen. Sie können als Broker
von Emissionsrechten auftreten oder auch Projekte anstoßen bzw. vermitteln, die zu handelbaren Emissionsrechten führen. Wichtig hierfür wird es
sein, Know-how über das Pricing für internationale Emissionsrechte und über
die politischen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten aufzubauen.
Gastbeitrag von Dr. Janina Scheelhaase, Leiterin des Marktfeldes Makro- und Umweltökonomie der
Prognos AG, Köln. Kontaktadresse: Janina.Scheelhaase@prognos.com.
Aktuelle Themen
20. November 2001
Inhaltsverzeichnis
1.
Politischer Rahmen ............................................................................................................................ 3
2.
Konzept und Regeln des International Emission Trading ................................................................ 5
3.
Aktuelle Ansätze zur Umsetzung von Emission Trading-Modellen
in Deutschland und Europa ............................................................................................................... 7
4.
Offene Fragen ...................................................................................................................................... 9
5.
Rolle und Geschäftsoptionen von Banken und Brokerhäusern
beim International Emission Trading ................................................................................................ 10
Zusammenfassung ..................................................................................................................................... 14
2
Economics
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1.
Aktuelle Themen
Politischer Rahmen1
Im Rahmen der im November 2001 stattgefundenen Weltklimakonferenz von Marrakesch konnte eine Einigung nur durch erhebliche Zugeständnisse gegenüber Japan, Russland, Kanada und Australien erzielt
werden. Auf Grund dessen kann das Verhandlungsergebnis aus ökologischer Sicht nur als sehr kleiner Schritt in Richtung einer dringend erforderlichen, drastischen Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen gewertet werden.
Es wurden aber auch positive Entwicklungen angestoßen. Vor allem
ist nunmehr damit zu rechnen, dass das Kyoto-Protokoll in den nächsten 1 bis 2 Jahren in Kraft tritt. In diesem Protokoll haben sich die sog.
Annex-B-Staaten (dies sind die wichtigsten westlichen und östlichen
Industrieländer) verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 5,2% gegenüber 1990 bzw. 1995 zu reduzieren. Jedes Land muss
sein Reduktionsziel innerhalb des Zeitraums 2008 bis 2012 erreicht
haben. Dabei sind für die einzelnen Annex-B-Staaten unterschiedliche
Reduktionsziele vorgesehen.2
Kyoto-Protokoll: minus 5,2 % Treibhausgase bis 2008/2012
Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft, wenn es von mindestens 55 Vertragsstaaten ratifiziert wurde. Darunter müssen Annex-B-Staaten sein, die
55 % der CO 2-Emissionen dieser Ländergruppe repräsentieren.
Deutschland hat bereits angekündigt, den Ratifizierungsprozess im
Herbst 2001 einzuleiten.3 Auch die EU plant eine baldige Ratifizierung
des Kyoto-Protokolls.
Das Kyoto-Protokoll enthält drei sog. flexible Mechanismen (auch Kyoto-Mechanismen genannt), die dazu beitragen sollen, die Kosten der
Erfüllung der vereinbarten Reduktionsziele weltweit zu senken und die
Entwicklungsländer bei entsprechenden Aktivitäten zu unterstützen:
• Joint Implementation (JI),
Flexible Reduktion möglich
• Clean Development Mechanism (CDM) sowie
• International Emission Trading (IET):
Mit dem Instrument der Joint Implementation können ab dem Jahr
2008 international bestehende Kostenunterschiede bei Reduktionsmaßnahmen genutzt werden (Artikel 6 des Kyoto-Protokolls). Im Rahmen
von JI können Industrieländer durch die Finanzierung oder Förderung
von Projekten, die in anderen Industrieländern zu Reduktionen der Treibhausgasemissionen führen, so genannte Emision Reduction Units
(ERUs) erwirtschaften. Diese ERUs können auf die nationalen Reduktionsverpflichtungen des Landes, das die JI-Projekte finanziert oder ge1
Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen der Arbeiten zum Projekt „Emission
Trading – Konzept und Perspektiven für Finanzdienstleister“, das die Prognos AG
unlängst im Auftrag einer Schweizer Asset Management Gesellschaft durchgeführt
hat.
2
Im Einzelnen haben sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten sowie Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Monaco, Rumänien, die Slowakei,
Slowenien und die Schweiz verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen um 8% zu
reduzieren. Die USA ist in Kyoto eine Reduktionsverpflichtung von 7% eingegangen. Kanada, Ungarn, Japan und Polen haben sich zu einer Verringerung in Höhe
von 6% sowie Kroatien in Höhe von 5% verpflichtet. Neuseeland, Russland und die
Ukraine haben hingegen eine Stabilisierung ihrer Treibhausgasemissionen auf dem
Niveau von 1990 bzw. 1995 vereinbart. Für Norwegen, Australien und Island wurden Zuwächse zwischen 1 und 10% beschlossen.
3
Vgl. Bundesumweltministerium: Hintergrundpapier: Der Beschluss von Bonn – Ergebnisse der 6. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP6), Teil
II in Bonn, 16. bis 27. Juli 2001, S.2.
Economics
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Aktuelle Themen
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fördert hat, angerechnet werden. Damit ist es möglich, im Ausland kostengünstiger erzielte Reduktionen für das eigene Reduktionsziel zu
nutzen. Diese Möglichkeit soll jedoch (zunächst) nur zwischen den Annex-B-Staaten bestehen. Die ERUs sollen im Prinzip frei handelbar sein,
allerdings ist zur Zeit noch offen, wie ein solcher Handel konkret aussehen könnte.
Im engen Zusammenhang mit dem Instrument der Joint Implementation steht der Clean Development Mechanism (Artikel 12 des KyotoProtokolls). Im Rahmen von CDM können Annex-B-Staaten, also Industrieländer, Projekte in Entwicklungsländern finanzieren oder unterstützen, die zu einer Reduktion von Treibhausgasemissionen in diesen
Ländern führen (z.B. Nachrüstung veralteter Kohlekraftwerke in Afrika).
Solche Projekte führen dann zu so genannten Certified Emission Reductions, die gemäß Artikel 3 des Kyoto-Protokolls gehandelt werden
können. Der CDM setzt somit Anreize für Investitionen in klimafreundliche Projekte in Entwicklungsländern, also in Ländern, die – zumindest
auf absehbare Zeit – keinen Emissionsbeschränkungen unterliegen. Die
Anwendung von CDM-Projekten ist bereits seit dem Jahr 2000 möglich. Seit 1997 läuft eine Pilotphase.4
Anreize für Investitionen in klimafreundliche Projekte
Nationale Aktivitäten zur Umsetzung der Reduktionsverpflichtung können schließlich durch einen internationalen Handel mit Emissionsrechten ergänzt werden. Gemäß Artikel 17 des Kyoto-Protokolls ist der Handel mit Emissionszertifikaten zwischen den einzelnen Annex-B-Ländern
erlaubt. Dieser Handel soll ab dem Jahr 2008 möglich sein, allerdings
gibt es Bestrebungen, auf nationaler und supranationaler Ebene früher
zu beginnen. Darüber hinaus entwickelt sich bereits zur Zeit ein Markt
für Forwards und Optionen (vgl. Abschnitt 5 dieser Studie). Der Leitgedanke beim Emission Trading ist, dass diejenigen Annex-B-Staaten, die
ihre Emissionen unter das in Kyoto vereinbarte Niveau absenken, die
Differenz zu ihrer Reduktionsverpflichtung in Form von Emissionsrechten (Emission Reduction Credits; ERCs) an andere Staaten verkaufen
können.
Mit den Beschlüssen der Klimakonferenz von Marrakesch wurde das
Fundament für einen zukünftig rechtsverbindlichen Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase gelegt. Ein rechtsverbindlicher internationaler Handel ist dann möglich, wenn das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten ist, also in voraussichtlich 1 bis 2 Jahren
In einem weltweiten Markt für Treibhausgasemissionsrechte werden
sich für zahlreiche Unternehmen neue unternehmerische Herausforderungen und Geschäftspotenziale eröffnen.5 Hierzu dürften neben energieintensiven Unternehmen und Energieversorgungsunternehmen auch
Finanzdienstleister, speziell Banken und Brokerhäuser gehören. Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Rolle Finanzdienstleistern in einem weltweiten Markt für Treibhausgasemissionsrechte zukommen
wird und unter welchen Bedingungen der Einstieg in den Handel mit
Emissionsrechten gewinnbringend ist. Dies wird anhand des KyotoMechanismus International Emmission Trading untersucht.
4
Vgl. Heymann, E., Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase, Überblick über
die aktuelle Diskussion, Deutsche Bank Research – Aktuelle Themen Nr. 161, April
2000, S. 3.
5
Vgl. Hugenschmidt, Heinrich, Janssen, Josef: Chancen und Risiken der Kyoto-Klimapolitik für Finanzinstitute, in: UmweltWirtschaftsForum, 7. Jahrgang, Heft 3, September 1999, S. 15.
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Economics
Ratizifierung des Kyoto-Protokolls in
1 bis 2 Jahren wahrscheinlich
Banken und Brokerhäuser werden
wichtige Rolle beim Emissionshandel haben
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Aktuelle Themen
2. Konzept und Regeln des International
Emission Trading
Das Konzept des Emission Trading geht in seinen Grundzügen auf den
US-amerikanischen Ökonomen Dales zurück.6 Bereits im Jahr 1968
konzipierte er sog. „pollution rights“, deren wesentliches Merkmal ihre
freie Handelbarkeit ist. Ziel seines Modells war es, die Allokation der
Umweltnutzung über den Markt zu steuern.7 Das Konzept des internationalen Handels mit Emissionsrechten für Treibhausgase beruht ebenfalls auf der Überlegung, die Emission von Treibhausgasen über den
Markt - hier den weltweiten Markt für diese Emissionsrechte - zu regeln.
Wie ein solcher internationaler Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase aussehen könnte, lässt sich am anschaulichsten anhand eines fiktiven Beispiels erläutern. Angenommen Polen reduziert seine
Treibhausgasemissionen um mehr als die in Kyoto eingegangene Reduktionsverpflichtung von 6 % gegenüber 1990, beispielsweise um 80
Mio. Tonnen, dann erwirtschaftet es damit ERCs in Höhe von gut 50
Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Diese ERCs dürfen nun an andere AnnexB-Staaten verkauft werden. Als Handelspartner bieten sich alle AnnexB-Staaten an, die erstens ihr eigenes Reduktionsziel nicht vollständig
durch heimische Aktivitäten erfüllen können oder wollen und die zweitens höhere Vermeidungskosten pro Tonne CO2-Äquivalent aufweisen
als Polen. Es spricht vieles dafür, dass beispielsweise die Niederlande
oder Belgien diese Kriterien erfüllen werden, also als Nachfrager für
die in diesem Beispiel von Polen angebotenen ERCs auftreten können.8
Der Preis, zu dem diese ERCs gehandelt werden, bestimmt sich auf
dem internationalen Markt für diese Rechte und wird somit durch den
Abgleich von Angebot und Nachfrage ermittelt. Angebot und Nachfrage auf diesem Markt werden wiederum von den Vermeidungskosten
für die einzelnen Treibhausgase determiniert. Diese Vermeidungskosten können sowohl national als auch branchenspezifisch sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Vermeidungstechnologie eingesetzt wird und welcher Grad der Vermeidung bereits realisiert worden ist. So können beispielsweise zusätzliche CO2-vermeidende Maßnahmen in einem Industrieland mit relativ hohen umweltpolitischen
Anforderungen (wie in Deutschland oder der Schweiz) mit sehr viel
höheren Kosten verbunden sein als in einem Industrieland, das noch
keine umfassenden Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt hat. Werden
nun auf internationaler Ebene entsprechende Emissionsrechte gehandelt, können international dort Treibhausgasemissionen vermieden
werden, wo es am kostengünstigsten ist, während dort, wo die Vermeidung dieser Gase relativ teurer ist, Emissionsrechte dazugekauft
werden. Ökonomisch spricht man hier von einer – im Vergleich zu traditionellen Grenzwerten in der Umweltpolitik – höheren ökonomischen
Effizienz der handelbaren Emissionsrechte.
6
Vgl. Dales, J. H., Land, Water and Ownership, in: Canadian Journal of Economics,
Vol. 1, 1968, S. 791 ff. und Dales, J. H., Pollution, Property and Prices, Toronto 1968,
S. 93 ff.
7
Vgl. Scheelhaase, Janina, Abgaben und Zertifikate als Instrumente zur CO2-Reduktion in der EG – Ausgestaltung und regionalwirtschaftliche Wirkungen, Ifo-Studien zur
Umweltökonomie 19, München 1994, S. 97.
8
Tatsächlich hat bereits eine entsprechende Transaktion stattgefunden: Kurze Zeit
nach der Erklärung der USA im Frühjahr 2001, nicht am Kyoto-Protokoll teilzunehmen, kauften die Niederlande von Polen, der Tschechischen Republik sowie von
Rumänien Emissionsrechte für 4.000 Tonnen CO 2.
Economics
Konzept des Emissionshandels seit
1968 bekannt
Polen könnte Emissionsrechte an die
Niederlande verkaufen
Marktpreise für CO2-Emissionsrechte
5
Aktuelle Themen
Neben diesen ökonomischen Vorteilen bieten sich auch ökologische
Vorteile. Diese bestehen in der Gewährleistung bestimmter Emissionsziele (sog. ökologische Zielsicherheit). Denn die Emissionsmenge, die
die Annex-B-Staaten insgesamt emittieren dürfen, wird durch das Kyoto-Protokoll und die insgesamt handelbare Menge an Emissionsrechten fixiert.9 Dies ist beispielsweise bei Umweltsteuern oder gesetzlichen Auflagen nicht der Fall. Im Prinzip bietet der internationale Handel
mit Emissionsrechten also eine Reihe von Vorteilen, um die in Kyoto
eingegangenen Reduktionsverpflichtungen flexibel und kosteneffizient
umzusetzen.
Dass die Vorteile dieses Instruments nicht nur in der Theorie, sondern
auch in der Praxis zum Tragen kommen können, zeigen die US-amerikanischen Erfahrungen mit Emissionsrechten für andere Schadstoffe. So
konnten beispielsweise im Rahmen des seit 1995 geltenden Acid-RainProgramms sowohl beträchtliche SO2-Einsparungen realisiert werden
(das erlaubte Emissionsvolumen konnte sogar um bis zu 24% unterschritten werden), als auch gut USD 800 Mio. eingespart werden (1995
bis 1999). Es muss jedoch generell berücksichtigt werden, dass die
Akteure einige Zeit brauchen, um mit dem für sie neuartigen Instrument sämtliche Vorteile realisieren zu können.
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Emissionshandel hat ökonomische
und ökologische Vorteile
US-Erfahrungen mit anderen Schadstoffen positiv
Während das Prinzip des internationalen Handels mit Treibhausgasemissionsrechten auf einer breiten Ebene akzeptiert wird, sind die Handelsregelungen Gegenstand einer intensiv geführten Diskussion. Auf
Grund dessen existieren zum International Emission Trading bisher nur
vier verbindliche Regelungen, wohingegen eine Vielzahl von prinzipiellen und Detailfragen offen ist (vgl. Abschnitt 4 dieser Studie). Verbindlich sind zur Zeit lediglich folgende Regeln:
• Die einzelnen Treibhausgase sind untereinander gemäß dem sog.
6-Gas-Ansatz, der in der nebenstehenden Tabelle gezeigt wird, verrechenbar.
• Explizit ist nur der Handel zwischen den Annex-B-Staaten vorgesehen.
• Der Handel mit Emissionsrechten ist als zusätzlich („supplementary“) zu heimischen Aktivitäten, nicht aber als deren vollständiger
Ersatz anzusehen.
• Durch die in Kyoto eingegangenen Reduktionsverpflichtungen der
Annex-B-Staaten wurden die Emissionsrechte de facto den entsprechenden Staaten kostenlos zugeteilt.10
Wie dargelegt, ist der internationale Handel mit Emissionsrechten gemäß dem Kyoto-Protokoll explizit nur zwischen den Vertragsstaaten
erlaubt. Allerdings spricht einiges dafür, dass implizit auch der Handel
zwischen Unternehmen gemeint sein könnte. Denn bliebe der Handel
auf die staatliche Ebene beschränkt, könnte einerseits die Gefahr „dünner Märkte“ bestehen, die durch zu wenige Marktteilnehmer hervorgerufen werden. Andererseits kann ein staatlicher Handel mit Emissionsrechten nur einen relativ indirekten Anreiz zur Emissionsbegrenzung auf der Unternehmensebene auslösen.
9
Bei Treibhausgasen ist der (geographische) Ort der Emission ökologisch nicht von
Bedeutung. Maßgeblich für die schädigende Wirkung ist vielmehr die Konzentration
dieser Gase in der Erdatmosphäre.
10
Vgl. Brockmann, K. L., Stronzik, M., Bergmann, H., Emissionsrechtehandel – eine
neue Perspektive für die deutsche Klimapolitik, Heidelberg 1999, S. 66.
6
Economics
Treibhausgas
Global Warming
Potential*
Kohlendioxid
(CO 2)
1
Methan (CH4)
21
Distickstoffoxid (N2O)
310
Hydrofluorcarbonat (HFC)
140 11.700
Perfluorcarbonat (PFC)
6.500 9.200
Schwefelhexafluorid (SF6)
23.900
* 100 Jahre Betrachtungszeitraum
Quelle: IPCC, Climate Change 1995.
The Science of the Climate Change, Cambridge 1996.
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Aktuelle Themen
Wird der private Sektor hingegen am internationalen Handel mit Emissionsrechten beteiligt, steigen Liquidität und Effizienz des Marktes beträchtlich. Hinzu kommt der direkte unternehmerische Anreiz, durch
eigenes Handeln entweder kostengünstig Treibhausgasemissionen zu
verringern oder Emissionsrechte zu erwerben. Dass dieser Anreiz bereits weit im Vorfeld der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls von einigen
Unternehmen wahrgenommen wird, zeigen beispielsweise die Aktivitäten von BP Amoco: Im Jahr 1998 startete ein Pilotmodell mit dem
Ziel, den CO2-Ausstoß von BP Amoco durch einen unternehmensinternen Handel mit CO2-Emissionsrechten zu verringern. Hieran wurden
zwölf Business Units beteiligt. Innerhalb weniger Monate wurde ein
sehr konsequentes System für den Emissionshandel implementiert,
das sowohl die ökologischen Ziele umsetzte als auch beträchtliche Kosteneinsparungen ermöglichte. Der Preis pro Tonne CO2 pendelte sich
bis zum Ende des Pilotmodells im Dezember 1999 auf etwa USD 20
ein. Angesichts dieser Erfolge wurde das Modell im Jahr 2000 auf alle
Business Units von BP Amoco ausgeweitet. Allein im Jahr 2000 wurden 2,7 Mio. Tonnen CO2 gehandelt. Der durchschnittliche Preis betrug
USD 7,60 pro Tonne CO2.
BP Amoco handelt seit 1998 mit CO2Rechten
Vor diesem Hintergrund erscheint es relativ wahrscheinlich, dass der
internationale Handel mit Emissionsrechten auch auf den privaten Sektor ausgeweitet wird. Allerdings wird es aus Praktikabilitätserwägungen sinnvoll sein, den Handel zunächst auf eine begrenzte Zahl von
Unternehmen (z.B. Energieanbieter, energieintensive Unternehmen)
zu beschränken, und diesen zu späteren Zeitpunkten auszudehnen. Zu
den wichtigen Marktteilnehmern auf Unternehmensseite werden gehören:
• Energieversorgungsunternehmen auf der Verbundebene,
• Industrieunternehmen mit eigenen Energieerzeugungsanlagen,
• Müllverwertungsunternehmen mit thermischen Verwertungsanlagen,
• Unternehmen der chemischen Industrie, Ölraffinerien,
• andere energieintensive Unternehmen (Papier, Stahl, Steine Erden)
sowie
Wichtige Marktteilnehmer: energieintensive Unternehmen, Energieversorger und Finanzdienstleister
• Energiehandelsunternehmen und Finanzdienstleister.
Weitere wichtige Player auf dem internationalen Markt für Emissionsrechte werden natürlich die einzelnen Annex-B-Staaten sein.
3. Aktuelle Ansätze zur Umsetzung von
Emission Trading-Modellen in Deutschland
und Europa
Ob Deutschland sich am internationalen Emission Trading beteiligen
wird, ist zur Zeit offen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass auf der
nationalen Ebene eher andere Instrumente zum Einsatz kommen werden (Öko-Steuer, Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, Selbstverpflichtung der deutschen Industrie). Auf der anderen Seite hat das
deutsche Bundesumweltministerium im Herbst 2000 unter Einbezie-
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7
Aktuelle Themen
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hung wichtiger Gruppen aus Wirtschaft und Gesellschaft eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein praxistaugliches Emission Trading-Modell
für Deutschland konzipieren soll.
In vielen deutschen Unternehmen und Interessenverbänden ist mittlerweile eine sehr intensive Diskussion über die Vor- und Nachteile eines
nationalen oder internationalen Handels mit Emissionsrechten entfacht.
Während einige deutsche Unternehmen bereits angekündigt haben,
sich am internationalen Emission Trading beteiligen zu wollen, und sogar erste Transaktionen zwischen Energieversorgern stattgefunden
haben,11 lehnen andere dieses Modell und dessen Umsetzung in
Deutschland oder Europa vehement ab.12
Auf der supranationalen Ebene, namentlich auf der Ebene der Europäischen Union, zeichnet sich dagegen ein etwas günstigeres Bild für einen Handel mit Emissionsrechten ab. Denn die EU bzw. die EU-Kommission sieht sich in einer Vorreiterrolle für den globalen Klimaschutz.
Das wurde sowohl an der eingegangenen Reduktionsverpflichtung als
auch an ihrer Rolle bei den Verhandlungen deutlich. Die EU und ihre
Mitgliedsstaaten haben die baldige Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
angekündigt. Damit steigen auch die Chancen für einen rechtsverbindlichen europäischen Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase.
In einem im März 2000 vorgelegten Grünbuch stellt die EU-Kommission ein detailliertes Konzept für einen EU-weiten Handel mit diesen
Emissionsrechten vor. Darauf aufbauend wurde unlängst ein Vorschlag
für eine Richtlinie über die probeweise Einführung eines Emission Trading-Modells in der EU unterbreitet. Dieser Richtlinienentwurf wurde
auf Grund von Widerständen u.a. von Seiten des BMWi, der Industrie
und der europäischen Stromwirtschaft am 28. Juni 2001 wieder zurückgezogen. Er ist im Spätherbst 2001 durch eine überarbeitete Fassung ersetzt worden. Im Einzelnen zeichnen sich momentan folgende
Elemente für ein EU-weites Emission Trading-Modell ab:
Intensive Diskussion über Emissionshandel in Deutschland
EU-Handel mit Treibhausgasen
geplant
• EU-weite Einführung eines CO2-Emissionsrechtehandels,
• Beschränkung des Emissionsrechtehandels auf besonders energieintensive Branchen sowie auf die Versorgungswirtschaft (Kraftwerke ab 20 MW),
• probeweise Einführung eines solchen Modells ab dem Jahr 2005
mit einer Laufzeit bis 2007,
• Ausrichtung des Modells an den im Rahmen des Europäischen Burden Sharing eingegangenen Reduktionsverpflichtungen der Mitgliedsstaaten sowie
• Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Einrichtung der notwendigen
Instrumente und Institutionen zur Einführung und Kontrolle des
Emission Trading-Modells.
Für eine frühzeitige probeweise Einführung eines Emission TradingModells in der EU sprechen folgende Überlegungen: Erstens ermöglicht eine frühzeitige Erprobung des Instruments des Emission Tradings
deutliche Know-how-Vorteile gegenüber anderen Akteuren, die mögli-
11
Vgl. Abschnitt 5 dieses Aufsatzes.
12
Vgl. z. B. Stellungnahme des Deutschen Braunkohlen-Industrie-Vereins e. V. (DEBRIV): „Aspekte und Überlegungen zur zwangsweisen Einführung eines CO2-Zertifikatehandels“, Köln, 24.07.2001.
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Economics
Emission Trading-Modell der EU
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Aktuelle Themen
cherweise erst kurz vor Beginn der ersten Budgetperiode (2008/2012)
anfangen werden, das Instrumentarium kennen zu lernen. Zweitens
sprechen nicht unerhebliche Kosteneinsparungen dafür: Durch die Einführung eines EU-Emissionsrechtemodells könnten sich die Kosten der
Umsetzung der Kyoto-Ziele für die europäischen Energieerzeuger und
energieintensiven Branchen im Vergleich zu einzelstaatlichen Lösungen um etwa 20% pro Jahr verringern.13
20% Kostenersparnis durch EUHandel mit Treibhausgasen
Folgende aktuelle Entwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten deuten darauf hin, dass die Mehrheitsverhältnisse in der EU für die Einführung eines solchen Modells günstig sein könnten: Dänemark hat bereits Anfang 2001 als erstes EU-Land einen CO2-Emissionsrechtehandel
eingeführt. Das Modell soll für die Jahre 2000 bis 2003 gelten. Es setzt
ausschließlich am Elektrizitätssektor an, da dieser etwa 50 % aller dänischen CO2-Emissionen verursacht. Die dänische Regierung prüft zur
Zeit die Möglichkeiten eines grenzüberschreitenden Handels, speziell
mit Norwegen und Schweden.
Die Regierungen Großbritanniens und Belgiens prüfen gegenwärtig intensiv die Einführung eines entsprechenden nationalen Modells. Dabei ist die Konzeption eines britischen Modells schon relativ weit vorangeschritten. So ist ein Handelssystem für Unternehmen auf freiwilliger Basis vorgesehen, das vorerst nur für CO2-Emissionen gelten soll.
Das Emissionsbudget, mit dem gehandelt werden kann, wird für jeden Teilnehmer durch eine freiwillige Zielvereinbarung individuell vereinbart. Unternehmen, die unter die seit April 2001 fällige britische Klimasteuer fallen, sollen für die Teilnahme am Emissionsrechtehandel
mit einer 80%igen Reduktion dieser Steuer belohnt werden.14 Frankreich und Norwegen haben angekündigt, Pilotprogramme für ein nationales Emission Trading starten zu wollen.
Großbritannien, Belgien, Frankreich
und Norwegen planen nationalen
Emissionshandel
4. Offene Fragen
Ungeachtet der Fortschritte, die im Rahmen der Klimakonferenzen im
Juli 2001 in Bonn und im November 2001 in Marrakesch erzielt wurden, ist noch eine ganze Reihe von Fragen zum internationalen Emission Trading offen:
• Die Teilnahmevoraussetzungen am Emission Trading (und den beiden anderen flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls) sind noch
ungeklärt. Hier geht es u.a. um die Frage, ob neben den Vertragsstaaten auch andere Akteure (z.B. Unternehmen) das Instrument
nutzen dürfen. Hier zeichnet sich ab, dass die Autorisierung weiterer Beteiligter in die Verantwortung des jeweiligen Vertragsstaates,
der letztlich für die Erfüllung der von ihm gegebenen Zusagen verantwortlich ist, gelegt werden wird.15
Noch viele Fragen zum internationalen Handel offen
• Auch die Substituierbarkeit von Emissionsrechten, die durch das
Emission Trading erworben werden, durch Emissionsrechte aus den
anderen beiden Kyoto-Mechanismen, ist noch nicht abschließend
geklärt.16
13
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen
in der Europäischen Union, COM(00) 87, Brüssel, 8. März 2000, S. 31 ff.
14
Vgl. Lübbe-Wolff, G., Der britische Emissionshandel – Vorbild für Deutschland?, in:
Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 6/2001, S. 342.
15
Vgl. Schafhausen, F., Zertifikatsregelung – Konzeptionelle Schwierigkeiten, instrumentelles Leistungsvermögen, erforderliche Rahmenbedingungen, in: Umweltlizenzen und Umweltzertifikate – Ein marktwirtschaftliches Instrument mit Zukunft für
Deutschland?, DtA-Dokumentation des Umweltforums 99 der Arbeitsgemeinschaft
für Umweltfragen e. V. (AGU), Bonn 2000, S. 39.
16
Vgl. Bundesumweltministerium, a. a. O., S. 4.
Economics
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Aktuelle Themen
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• Ebenfalls sind einige Gestaltungselemente zum Emission Trading
ungeklärt. Dazu gehört beispielsweise die Frage der Erstausgabe
der Emissionsrechte.
• Weiterhin muss der institutionelle Rahmen der Kyoto-Mechanismen
geklärt werden. Hier geht es um die Frage, welche (ggf. neu zu schaffende) Institution als Überwachungsinstanz, Berichterstatter und
Vermittler fungieren soll.17
• Schließlich müssen zahlreiche technische und sonstige Details, vor
allem zur Emissionserfassung und Berichterstattung geklärt werden.
Die Entscheidung über diese Fragen wurde größtenteils an die nächste
Klimakonferenz (Johannesburg 2002) bzw. deren Vorbereitungskonferenz verwiesen.
Ein europäisches Emission Trading-Modell muss zuallererst die Anforderungen des internationalen Regelwerks erfüllen. Daneben sind aber
auch eine ganze Reihe weiterer Fragen zu klären. Diese betreffen zum
einen die konkrete Ausgestaltung des Modells. Zum anderen bestehen Kompatibilitätsprobleme mit klimaschützenden Instrumenten, die
die Mitgliedsstaaten bereits eingeführt haben. So können sich z.B. die
Selbstverpflichtung der deutschen Industrie und ein europäisches Emission Trading gegenseitig behindern. Schließlich müssen wettbewerbliche Fragen, die sich aus der Beschränkung des europäischen Modells
auf energieintensive Branchen ergeben, geklärt werden. Angesichts
der Komplexität der dargestellten Fragen und Problembereiche erscheint
die von der EU-Kommission beabsichtigte probeweise Einführung eines europäischen Emission Trading Modells zweckmäßig.
5. Rolle und Geschäftsoptionen von Banken
und Brokerhäusern beim International
Emission Trading
Kompatibilitätsprobleme beim EUHandel mit Emissionsrechten
Banken und Brokerhäuser werden
zentrale Rolle beim Emissionshandel
haben
Ein funktionierender internationaler Handel mit Emissionsrechten für
Treibhausgase bedarf der Unterstützung durch vermittelnde Institutionen oder Unternehmen. Finanzdienstleister, speziell Banken und Brokerhäuser, bieten sich hierfür auf Grund ihres Know-hows und ihrer
technischen Infrastruktur an. Denn Emissionsrechte für Treibhausgase
können als Wertpapiere betrachtet werden.
Vor diesem Hintergrund kann der Einstieg in den internationalen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten potenziell neue Geschäftsfelder
für Banken und Brokerhäuser eröffnen. Ihre Rolle kann sowohl darin
bestehen, den eigentlichen Handel zu vermitteln, als auch darin, Projekte zu entwickeln bzw. anzustoßen, die zu handelbaren Emissionsrechten führen. Ein frühzeitiger Einstieg in den Markt für Emissionsrechte dürfte langfristig relativ hohe Gewinne einbringen. Denn bei einem frühzeitigen Einstieg können die kostengünstigsten Vermeidungsmöglichkeiten für Treibhausgase genutzt werden, was sich in den Preisen für diese Emissionsrechte niederschlagen dürfte. Dagegen muss
in der längeren Frist mit steigenden Preisen gerechnet werden. Dabei
darf aber nicht übersehen werden, dass der Handel mit Treibhausgasemissionsrechten zur Zeit noch mit relativ großen rechtlichen und politischen Unsicherheiten verbunden ist. Wenn es Finanzdienstleistern ge-
17
10
Vgl. Bundesumweltministerium, a. a. O., S. 4.
Economics
Früher Einstieg in Emissionshandel
verspricht hohe Gewinne
20. November 2001
Aktuelle Themen
lingt, eine Strategie zur Risikominimierung zu entwickeln, kann der Einstieg in den Markt für Emissionsrechte die Wettbewerbsposition dieser Unternehmen deutlich verbessern.
In einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive können Finanzdienstleister dazu beitragen, dass es zu einem Ausgleich der Grenzkosten für
die Vermeidung der Treibhausgasemissionen kommt. Damit können sich
Marktpreise für Emissionsrechte bilden. Marktpreise für Treibhausgasemissionen werden den Klimaschutz auf ökonomische Weise unterstützen. Denn sie signalisieren, dass es sich aus ökonomischer Sicht
lohnt, entweder energieeffiziente Techniken und Anlagen zu entwikkeln bzw. in solche Techniken zu investieren oder aber entsprechende
Emissionsrechte zu erwerben.
Dass Finanzdienstleister den Handel mit Treibhausgasemissionsrechten als potenziell lukratives Geschäftsfeld erkannt haben, zeigte sich
bereits bei den Transaktionen für Treibhausgasemissionsrechte, die bislang stattgefunden haben. Seit 1992 werden solche Emissionsrechte
punktuell gehandelt. Diese Transaktionen werden oftmals durch Brokerhäuser, die sich auf den Handel mit Emissionsrechten spezialisiert
haben, vermittelt. Im Folgenden werden drei dieser Transaktionen exemplarisch skizziert.
• Im Herbst 1999 kaufte der kanadische Energieversorger Ontario
Power Generation Emissionsrechte in Höhe von 2,5 Mio. Tonnen
CO2-Äquivalent von dem US-amerikanischen Unternehmen Zahren
Alternative Power Corporation (ZAPCO). Der Handel wurde durch
den Finanzdienstleister Environmental Financial Products mit Sitz
in Chicago vermittelt.18 Über den Handelspreis ist nichts Definitives
bekannt. ZAPCO erzielte Emissionseinsparungen in den Jahren
1998, 1999 und 2000. Diese Einsparungen entstehen bei der Entgasung von Mülldeponien, ZAPCOs Hauptgeschäftsfeld.19 Vor diesem Hintergrund ist der Anreiz für ZAPCO, Emissionsrechte zu verkaufen, unmittelbar einleuchtend: Hierdurch kann ein neues Geschäftsfeld eröffnet bzw. es können neue Kunden für die Leistungen des Unternehmens gefunden werden. Das Ziel des kanadischen
Energieversorgers Ontario Power Generation besteht hingegen darin, in das Geschäftsfeld bzw. den Markt für klimafreundlich erzeugte Energie einzudringen. Auf Grund dessen hat sich das Unternehmen auf freiwilliger Basis zu signifikanten CO2-Einsparungen verpflichtet; ein Teil dieser Verpflichtung kann durch den Kauf von Emissionsrechten erreicht werden. Ontario Power Generation sieht im
Emissionsrechtehandel ein Instrument, das es ermöglicht, klimafreundlich erzeugte Energie zu den geringstmöglichen Kosten anzubieten.
Punktueller Handel mit CO2-Rechten
seit 1992
Ontario Power Generation kauft
Emissionsrechte von ZAPCO
• Im Oktober 1999 erwarb ein kanadisches Konsortium unter dem
Vorsitz des Energieversorgers Transalta Emissionsrechte für
2,8 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent von US-amerikanischen Farmern.
Diese Treibhausgasreduktionen wurden durch spezielle landwirtschaftliche Bewirtschaftungsformen erzielt. Vermittelt wurde diese
Transaktion vom Brokerhaus Cantor Fitzgerald, Chicago. Die kana-
18
Vgl. International Emission Trading Association, www.ieta.org/etinit.htm, S.6 (Stand
23.07.2001).
19
Bei der Entgasung von Mülldeponien wird unter anderem Methan freigesetzt, dessen Treibhausgaspotenzial 21 mal höher ist als das Potenzial von CO2.
Economics
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Aktuelle Themen
20. November 2001
dischen Käufer der Emissionsrechte wollen mit dieser Transaktion
demonstrieren, dass marktwirtschaftliche Instrumente wie das
Emission Trading eine höhere ökonomische Effizienz als traditionelle Ansätze in der Umweltpolitik aufweisen.20
• Mitte Juni 2000 wurden zwischen dem deutschen Energieversorger HEW (Hamburgische Electrizitätswerke) und dem bereits erwähnten kanadischen Energieversorger Transalta CO2-Emissionsrechte für die Jahre 2000 bis 2007 gehandelt. HEW hat diese Emissionsrechte durch CO2-Einsparungen beim Betrieb von Windenergieanlagen erwirtschaftet, es verkaufte 3.000 Tonnen pro Jahr für
den oben genannten Zeitraum. Der Handel wurde durch die USamerikanische Broker-Firma Natsource mit Sitz in New York vermittelt. Der Verkaufspreis lag nach Angaben von HEW zwischen
USD 0,75 und USD 2 pro Tonne CO2.21 Die Einhaltung der verkauften Emissionsrechte soll von einem unabhängigen Gutachter, vermutlich dem TÜV Süddeutschland, überprüft und überwacht werden. Beide beteiligten Unternehmen sehen in dieser Transaktion weniger unmittelbare ökonomische Vorteile, wenngleich Wertsteigerungen dieser Emissionsrechte nicht unwahrscheinlich sind, sondern
vielmehr eine Möglichkeit, Erfahrungen bei der Gestaltung und
Umsetzung entsprechender Verträge zu sammeln. Weitere Transaktionen dieser Art sind geplant.
Insgesamt werden zur Zeit schätzungsweise 30 Mio. Tonnen CO2 p.a.
gehandelt.22 Für sich betrachtet ist diese Menge an CO2-Emissionsrechten nicht unerheblich. Im Vergleich zu den absolut emittierten Mengen, beispielsweise verursachten die USA im Jahr 1998 etwa 5.410
Mio. Tonnen CO2, kann dieses Handelsvolumen jedoch nur als relativ
gering bezeichnet werden. Auch findet dieser Handel auf der Basis freiwilliger, unternehmensspezifischer Zielvorgaben und Vereinbarungen
statt. Von einem robusten Markt für Treibhausgasemissionsrechte kann
daher sicherlich zur Zeit nicht gesprochen werden. Vielmehr beginnt
dieser Markt sich gerade erst zu entwickeln. Diese Transaktionen sind
jedoch Signale dafür, dass der private Sektor dabei ist, sich auf den
Emissionshandel vorzubereiten und darin auch ökonomische Vorteile
sieht.
Gegenwärtig werden vorwiegend Forwards und Options gehandelt,
außerdem scheint sich gerade ein Spotmarkt für Treibhausgasemissionsrechte zu entwickeln. Die aktuellen Preise für CO2-Emissionsrechte
differieren noch relativ stark. So wurden beispielsweise die Preise im
Rahmen der oben dargestellten Transaktion zwischen den US-Farmern
und dem kanadischen Konsortium vom US-Brokerhaus Cantor Fitzgerald im Juni 2001 wie folgt angegeben:23
20
Vgl. Pressemitteilung Transalta Corporation vom 19. Oktober 1999.
21
Mündliche Auskunft von H.-M. Groscurth, HEW Contract, August 2000.
22
Angaben für 2000 und 2001, vgl. Flatnitzer, K.-H., Herrmann, M., Mohnhaupt, M.,
Scholtissek, S., Energieversorger müssen weiterhin mit „Kyoto“ rechnen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 6/2001, S. 339.
23
12
www.cantor.com/ebs/marketp.htm (Stand September 2001).
Economics
HEW verkauft CO2-Rechte an Transalta
Aktuelles Handelsvolumen: 30 Mio.
Tonnen CO2 pro Jahr
Preise für CO2-Rechte: Zur Zeit noch
große Bandbreiten
20. November 2001
Aktuelle Themen
• Spotmarkt-Verkaufspreis: USD 0,3 bis 0,6 für gegenwärtige und vergangene Jahre,
• Forward-Verkaufspreis: USD 0,3 bis 2,0 pro Tonne CO2 für die Jahre
2001 bis 2012,
• Options: UDS 0,3 bis 2,5 pro Tonne CO2 für die Jahre vor 2008 sowie USD 1,0 bis 6,0 für die Jahre 2008 bis 2012.
Hingegen betrug der Verkaufspreis bei einer unlängst stattgefundenen
Transaktion zwischen Costa Rica und den USA/Norwegen USD 10 pro
Tonne CO2. Bei der oben skizzierten Transaktion zwischen HEW und
Transalta lag der Verkaufspreis, wie erwähnt, zwischen USD 0,75 und
2 pro Tonne CO2.
Nach Einschätzung einiger Experten ist mittelfristig ein Preis von etwa
USD 10 bis 20 pro Tonne CO2-Äquivalent realistisch. Vergleicht man
diesen Preis mit den für Industriestaaten wie Deutschland von Energiewissenschaftlern rechnerisch abgeschätzten CO2-Vermeidungskosten, die je nach Endenergiebereich (Umwandlungssektor, Industrie,
Gewerbe und Dienstleistungen, Verkehr, Private Haushalte) zwischen
EUR 7 und 225 pro Tonne CO2 variieren,24 fällt eine deutliche Differenz
auf. Mithin können durch einen frühzeitigen Handel mit Treibhausgasemissionsrechten erhebliche Kosteneinsparungen bzw. Gewinne realisiert werden. Das gesamte Handelsvolumen wird von DB Research
auf etwa USD 60 Mrd. pro Jahr geschätzt, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten ist und dass die
anfänglich zu erwartenden Startschwierigkeiten überwunden sind.25
Hingegen schätzt die Accenture GmbH das zu erwartende globale
Marktvolumen deutlich höher ein. Demnach wäre ab dem Jahr 2008
mit einem weltweiten Volumen zwischen USD 150 Mrd. und USD 250
Mrd. p.a. zu rechnen.26
Der zukünftige Handel mit Treibhausgasemissionsrechten wird sowohl
Over-the-Counter als auch auf organisierten Märkten erfolgen. Verschiedene Börsen haben bereits Vorschläge zum Aufbau solcher Märkte
unterbreitet. Hierzu gehören die International Petroleum Exchange in
London, die Sydney Future Exchange, die Chicago Board of Trade sowie die Deutsche Börse. Außerdem wird in Chicago gerade ein Pilotmarkt auf freiwilliger Basis, die sog. Chicago Climate Exchange, aufgebaut.27 Dies zeigt, dass Emissionsrechte für Treibhausgase zunehmend
auch als potenzielle Spekulationsobjekte betrachtet werden.
Banken und Brokerhäuser können in diesem Markt einerseits als Broker von Emissionsrechten auftreten. Andererseits könnten sie auch
Fonds mit verschiedenen Projekten zur Treibhausgasreduktion auflegen, wobei sie entsprechende Projekte auch selbst kreieren bzw. anstoßen können. Aus ökonomischer Sicht empfiehlt sich ein Portfolio,
das möglichst viele verschiedene Projektarten (z.B. Investitionen in erneuerbare Energien, Aufforstung, Energiesparmaßnahmen) in unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen der Welt mit möglichst unterschiedlichen Verursachern von Treibhausgasen beinhaltet. Je größer das Port-
24
Weltmarkt für Emissionsrechte:
mindestens USD 60 Mrd. pro Jahr
Handel u.a. an der Chicago Board of
Trade
Fonds für CO2-Rechte mittelfristig
gewinnversprechend
Vgl. Stein, G., Strobel, B. (Hrsg.), Politikszenarien für den Klimaschutz II – Szenarien
und Maßnahmen zur Minderung der CO2-Emissionen in Deutschland, Jülich 2000.
25
Vgl. Heymann, E., a. a. O., S. 7.
26
Vgl. Flatnitzer et al., a. a. O., S. 340.
27
Vgl. Financial Times Online, May 30, 2001
Economics
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Aktuelle Themen
20. November 2001
folio gestreut ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige
dieser Projekte Emissionsrechte erwirtschaften, die gewinnbringend
verkauft werden können. Ein frühzeitiger Aufbau eines solchen Fonds
könnte mittel- bzw. langfristig deutliche Gewinnchancen ermöglichen,
allerdings ist unsicher, ob hier eher 3 oder 5 Jahre anzusetzen sind.
Insgesamt werden Finanzdienstleister eine wichtige Mittlerfunktion im
Zuge der Umsetzung der Kyoto-Mechanismen haben. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht kann der Einstieg in den Handel mit Treibhausgasemissionsrechten eine neue Geschäftsoption für Banken und Brokerhäuser darstellen. Hierfür muss allerdings Know-how über das Pricing
und die politischen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel mit Emissionsrechten aufgebaut werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht werden Finanzdienstleister mit dazu beitragen, dass der Klimaschutz weltweit mit relativ geringen Kosten umgesetzt wird. Denn
ihr Engagement wird den internationalen Handel mit diesen Rechten
vorantreiben. Auf diese Weise wird der Ausgleich der Grenzkosten der
Emissionsvermeidung zwischen verschiedenen Ländern und Unternehmen unterstützt und eine ökonomisch effiziente Klimapolitik gewährleistet.
Zusammenfassung
Die klimaschutzpolitischen Entwicklungen im Zuge der Umsetzung des
Kyoto-Protokolls und der Kyoto-Mechanismen werden die gegenwärtig
bestehenden wirtschaftlichen Aktivitäten und Strukturen verändern. Es
wird ein weltweiter Markt für Treibhausgasemissionsrechte entstehen.
Für zahlreiche Unternehmen werden sich hier neue Geschäftspotenziale eröffnen. Finanzdienstleister können und werden im Rahmen des
internationalen Handels mit Treibhausgasemissionsrechten eine wichtige Mittlerfunktion haben. Sie können als Broker von Emissionsrechten auftreten oder auch Projekte anstoßen, die diese Emissionsrechte
generieren. Auf diese Weise können Finanzdienstleister mit dazu beitragen, dass der Klimaschutz weltweit mit relativ geringen Kosten
umgesetzt wird. Denn ihr Engagement wird den Ausgleich der Grenzkosten der Emissionsvermeidung zwischen verschiedenen Ländern und
Unternehmen unterstützen und somit eine ökonomisch effiziente Klimapolitik gewährleisten.
Janina Scheelhaase
Janina.Scheelhaase@prognos.com
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Economics
Know-how über Pricing und politische Rahmenbedingungen unerlässlich für Finanzdienstleister
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Rentenreform 2001: Ende einer Illusion?
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12. Oktober 2001
Produktivitätswunder in den alternden Industrieländern?
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Geldvermögen in Deutschland und Euroland
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Euro-Zahlungsverkehr: EU-Entgeltverordnung stört den Wettbewerb
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EWU-Staatsanleihen: Zinsdifferenzen und Ursachen
Thailand: Abkehr von bewährter Zentralbankpolitik
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26. Juli 2001
Rentenreform 2001 - Deutschland auf dem Weg zu einem
wetterfesten Alterssicherungssystem
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Repatriierung von US-Anlagen durch japanische Anleger:
Risiko überschaubar
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12. Juli 2001
Britische Wahl: „Ja“ zu Labour heißt nicht „Ja“ zum Euro
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EU-Osterweiterung: Trügerische Sicherheit - die Erweiterung nach Göteborg
21. Juni 2001
EWU-S8: Wachstumskonvergenz, aber Divergenz bei der Inflation
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7. Juni 2001
EWU: Außenbeitrag stützt Wachstum in Q1!
Französischer Arbeitsmarkt: auf dem Weg zur Vollbeschäftigung
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31. Mai 2001
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