Ein Traum wird wahr: Den Walen ganz nah - E-Paper - Rhein

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Reise
NR. 50 . DIENSTAG, 28. FEBRUAR 2012
Das klassische Foto eines Pottwals: Touristen der Walsafari sind fasziniert von dem Anblick des riesigen Säugetiers. Die abtauchende Schwanzflosse ist der Höhepunkt.
Fotos: Susanne Schoeppner
Ein Traum wird wahr: Den Walen ganz nah
klack. Das Geräusch aus dem Lautsprecher erklingt nun lauter. Die
Aufregung steigt: Der Pottwal ist
bereits in der Nähe. Gezeigt hat er
sich noch immer nicht.
Vesterålen Mit etwas Glück kann man im
Nordmeer von Norwegen die gigantischen
Säugetiere der See beobachten
Von unserer Reporterin
Susanne Schoeppner
Der Tisch für den Wal ist gedeckt –
nordwestlich von Andenes, der
Hauptstadt der norwegischen Inselgruppe Vesterålen. Dorthin ist
Naturerlebnis in Andenes
Anreise: Andenes erreicht man mit
den Schiffen der Hurtigruten.
Zielgruppe: Die Walsafari ist geeignet für Naturfreunde und Familien. Man muss je nach Windstärke
mit Seekrankheit rechnen.
Unsere Autorin ist gereist mit Star
Alliance. Diese Reise wurde unterstützt von Northern Lights und Visit
Norway.
Andenes
82
Norwegen
82
das ehemalige Robbenfangschiff
„MS Reine“ unterwegs, um Wale zu
beobachten. Das Nordmeer ist an
diesem Tag außergewöhnlich ruhig
und breitet sich wie eine fast
schwarze Decke bis zum Horizont
aus, wo es an die felsige Küste stößt.
An Deck des Kutters trifft man auf
Touristen und Biologen. Manche
dösen sanft schaukelnd in der Sonne, andere lassen die glitzernde
Wasseroberfläche kaum aus den
Augen. Trotz dieser Gelassenheit
liegt eine gewisse Spannung in der
frischen Meeresluft. Noch hat keiner von den Hobbyforschern eine
Vorstellung davon, was an diesem
Tag zu erleben ist. Anders ist das für
das Safariteam: Von Juni bis August
sind sie fast täglich draußen auf
dem Meer. Immer mit verschiedenen Gästen, die wiederum das gleiche Gefühl mit ihnen teilen: die
Faszination der Wale.
Auch der deutsche Geograf,
Benjamin Seyfang, zählt zu dem internationalen Team der Walforscher. Umringt von lauschenden
Gästen, beginnt er zu erzählen, warum die Wale die Gegend nördlich
der Vesterålen immer wieder aufsuchen: „Es ist die geografische Besonderheit, die die Chancen auf die
Sicht der Riesensäuger möglich
macht.“ Der 33-Jährige erklärt,
dass sich in relativer Küstennähe
die Tiefseeschlucht Bleik Canyon
befindet. Dort ist das „Büfett“ für
die Pottwale angerichtet: Ihre Leib-
Mit der MS Reine geht es auf Walsafari im Nordmeer.
speise Tiefsee-Tintenfisch tummelt
sich in diesem Meeresabschnitt –
und das ist gleichzeitig die Sicherung einer stabilen Population der
Pottwale. Immer wieder drehen sich
die Touristen um, suchen im Radius
von 180 Grad das Meer nach einem
Wal ab. Achtlos baumeln die Fotoapparate vor der Brust. Noch gibt es
nichts zu knipsen.
Durch den blechernen Lautsprecher des Schiffs erklingen plötzlich
Klackgeräusche. Der Kapitän hat
sein Ortungssystem nun für alle
hörbar gemacht. Es ist das Echolot
des Pottwals, das diese Geräusche
unter Wasser erzeugt und so die
Ortung des Wals für den Steuermann möglich macht. Die Lautstärke des Wals kann dabei über 200
Dezibel erreichen. Klack – klack –
Plötzlich taucht er auf
Dann wird es plötzlich hektisch. Die
Hobbybeobachter drängen sich an
die Reling. Am Horizont lässt sich
der Wal endlich erahnen. Mit dem
bloßen Auge erkennt man seine
Fontäne, die aus der Entfernung
wie ein feines leichtes Sprühen zu
erkennen ist. Der Kapitän steuert
den Punkt an, an dem sich kurz zuvor noch der Meeressäuger zu erkennen gab. Das nervöse und gespannte Warten auf den Moment,
dem Wal einmal ganz nah zu sein,
scheint wie eine Ewigkeit.
Aber dann: Der Kapitän drosselt
die Geschwindigkeit. Niemand
spricht ein Wort. Riesig bäumt sich
die geschwungene Schwanzflosse
des Pottwals aus dem Wasser, um
dann in die Tiefen des Canyons abzutauchen. Die Walflosse ist wie ein
Fingerabdruck“, sagt Seyfang. Die
Forscher sammeln auch Aufnahmen der Geräusche, die sie unter
Wasser machen. Mit diesen Daten
können sie das Sozialverhalten der
Wale und die Wanderungen entlang der norwegischen Küste studieren. Sie stehen in Kontakt mit einer Forschungsgruppe auf den
Azoren, die auf der Wanderroute
der Wale liegen. 13 nautische Meilen hat das Schiff bereits zurückgelegt. Der Wind schneidet nun eisiger ins Gesicht.
Auch Seyfang setzt sich die Kapuze über seine Mütze und schnürt
sie weiter zu. Sein Blick ist auf das
Meer gerichtet. Klack – klack erklingt es erneut aus dem Lautsprecher. In unmittelbarer Nähe ist wieder eine Wasserfontäne aus der
Meeresoberfläche zerstäubt worden: ein weiterer Pottwal. Und dieser erweist sich als geselliger Wegbegleiter. Ungewöhnlich lang gleitet der Riese neben dem Schiff, und
die Beobachter an Deck bestaunen
das Tier. Kleine Wellen schwappen
über den grauen Rücken, auf dem
die Sonne glitzert. Ruhe und Leichtigkeit sind zu spüren.
Die Fotoapparate klicken
Eigentlich grotesk, wenn man bedenkt, dass der Säuger etwa 15 Meter lang und rund 18 Tonnen schwer
ist. Vollkommene Faszination ist in
die Gesichter der Touristen geschrieben. Sie lächeln glückselig,
flüstern mit dem Relingnachbarn
über das Tier. Dem wiederum wird
es nach den zehn Minuten scheinbar zu langweilig. Noch einmal hebt
es seinen Kopf aus dem Wasser, bevor es ins Meer abtaucht. Noch einmal erhebt sich die mächtige
Schwanzflosse, bis sie dann im
Blitzlichtgewitter der Fotoapparate
im weiten Meer verschwindet. Ohne ein Spritzen. Denn der Wal
schwimmt nicht wie ein Fisch in
Wellenbewegung nach unten, sondern ändert seinen Körperschwerpunkt und taucht so ohne einen
großflächigen Widerstand an der
Wasseroberfläche in die Tiefe ab.
Das reine Naturerlebnis wird
zum Schauspiel, das vor lauter Perfektion keinen Applaus braucht und
für eine andächtige Stimmung
sorgt. Einmal mehr können die Zuhörer den Stuttgarter Seyfang ver-
stehen, der wegen der Nähe zur
unberührten Natur Norwegen zu
seiner Wahlheimat gemacht hat.
„Materiell reich werde ich hier bei
diesem Job als Forschungsmitglied
nicht, aber reich an Erlebnissen“,
sagt er. Im Winter ist er als Skilehrer
in den Schweizer Bergen unterwegs, bis er dann im Frühjahr auf
die Vesterålen – und damit aufs
Nordmeer zurückkehrt.
Eine Touristin bleibt im Wind an
der Reling stehen, lässt das Wasser
nicht aus den Augen. „Rom sehen
und sterben – das gilt nicht mehr.
Pottwal sehen und sterben – das
stimmt“, sagt sie.
Y
Weitere Infos zur Walsafari
unter www.visitnorway.de
Video-Tipp
Das Leben an Bord
Die Postschiffe der Hurtigruten
verbinden die Orte entlang der
Küste Norwegens. Unsere Reporterin Susanne Schoeppner
blickt hinter die Kulissen.
Y
Das Video sehen Sie
unter ku-rz.de/hurtigruten
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