Das Kap der Kontraste
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Das Kap der Kontraste
Das Kap der Kontraste Die Provinz Westkap bietet Naturliebhabern spektakuläre Landschaften und eine gigantische Küste. Einige Küstenabschnitte eignen sich besonders gut dafür, Wale zu beobachten. Das Wasser funkelt, die Sonnenstrahlen tanzen darin. Hellbrauner Sand schmiegt sich an die Brandung, viele Meter breit, fein gestrichen. Gehobene Strandkneipen laden zum Apéro, und gleich dahinter steigt der Berg empor. Villen säumen die Strassen. Privilegiert die Lage, malerisch die Kulisse. Ein Rivieratraum. Fast jedenfalls. Wäre nur das Wasser nicht stets eine Spur zu kalt für ein Bad im Meer. Wagemutig, wer sich hier trotzdem hineinwirft. Hier: auf der kalten Meerseite des Kaps, der Atlantikseite. Kapstadt mit seiner Provinz Westkap – das ist viel weniger ein Ort für Badeferien als eine Region für alles andere sonst. «Sie brauchen keine Ferien», steht auf dem Überlandbus geschrieben, der hinausfährt auf die Halbinsel, raus zum Kap der Guten Hoffnung, «sie brauchen Kapstadt.» Westkap also: die Strände Australiens; die Klippen Irlands; die Wälder Kanadas; die Weite Patagoniens. Strandpromenaden wie auf Ibiza und eine Gondelfahrt, als erklimme man den Titlis. Die Seilbahn bringt uns auf den Tafelberg, diesen majestätischen Koloss, unverkennbares Wahrzeichen der Stadt. Erblickten die Seefahrer einst den drei Kilometer breiten Gipfel, wussten sie: Bald werden sie das gefährliche Kap umschifft haben, das sie Kap der Stürme nennen. Bedauerliches WM-Überbleibsel Frech klauben Klippschliefer Essensreste aus den Mülleimern. Die Tiere mit dem fiesen Gesichtsausdruck sind auf dem Plateau des Tafelbergs heimisch und längst an Menschen gewöhnt. Klippschliefer sehen aus wie Dachse oder zu klein geratene Murmeltiere, aber das Aussehen täuscht. Ihre genetischen Verwandten sind Elefanten und Seekühe. Nur hätten die – anders als ihre ungewöhnlichen Cousins – deutlich mehr Schwierigkeiten, dermassen behände den Abgrund entlangzueilen. Und als Mensch braucht man einigen Mut und Schwindelfreiheit, sich auf dem Bauch liegend über die Schluchten des Tafelbergs zu beugen: 1000 Meter Vertikale. Der Blick nach unten ist noch erhabener als jener nach oben. Die Stadt schmiegt sich an die Felswand, als suchte sie dort Schutz. Linkerhand der Lion’s Head, dieser riesige Steinbrocken mit der Form eines Löwenkopfs – und durch den Dunst erkennbar der ein Stück entfernte Leuchtturm am Kap. Vor uns liegt das Fussballstadion Kapstadts wie ein Frisbee in der Nähe der Waterfront. Es ist ein eher bedauerliches Überbleibsel der Weltmeisterschaft von 2010. Dieser «weisse Elefant», einst etwa 580 Millionen Franken teuer, ist quasi ungenutzt. In der Bucht vor der Stadt ragt aus dem Atlantikwasser Robben Island, das einstmals berüchtigte und heutige geschichtsträchtige Gefängniseiland. Rechterhand am Horizont schliesslich die schier endlosen Rebberge. Der Wein, die genussvolle Seite Südafrikas. Dahin zieht es uns ostwärts in die Weinregion um Stellenbosch. Die geschäftige Stadt mit 80'000 Einwohnern ist die vielleicht ursprünglichste der Region. Sie gleicht einem Museum: Der Baustil der einstigen Kolonialherren ist allgegenwärtig im Zentrum mit seinen viktorianischen und kapholländischen Gebäuden. In Kapstadt und vielen weiteren Städten im südlichen Afrika haben sich die architektonischen Spuren der Vorfahren grösstenteils verloren. Drachenstein, Höllenpass, Teufelstal – seit 300 Jahren wird an den Hängen rund um den Simonsberg Wein angebaut. Lange im grossen Stil weisser, aber immer häufiger auch roter; und nun sind Oliven der neue Trend. Über 600 Kellereien verarbeiten die Trauben von etwa 4000 Höfen, die Anbaufläche beträgt stattliche 110'000 Hektaren. 860 Millionen Liter produzierte Südafrika im vergangenen Jahr, 540 Millionen davon wurden exportiert. Und der Export boomt: Gegenüber 2005 erfuhr er eine Steigerung von 160 Prozent. Weinbau sei kostenintensiv und wenig rentabel, die Marge gering, erzählt Brian, unser Guide auf einer Weinwanderung. Viele Bauern führen daher Zusatzbetriebe: ein Bed and Breakfast hier, eine Luxusunterkunft dort oder auch ausgefallene Weindegustationen. Bei Letzterer führt nichts am Pinotage vorbei, diesem typisch südafrikanischen Produkt. Die rote Rebsorte ist vor nahezu hundert Jahren in Stellenbosch aus einer Kreuzung von Pinot noir und Cinsault (Hermitage) entstanden. In Kombination mit Pflaumenschokolade eine Köstlichkeit ohne Vergleich. Zwölf Apostel als Wegweiser Wir fahren zurück nach Kapstadt, machen halt in Bo-Kaap, einem Viertel unterhalb des Signal Hill. Bunt sind die Häuser angemalt, rot, grün, orange, die engen Strassen sind mit Steinen vom Tafelberg gepflastert. Bo-Kaap ist ein Immigrantenquartier, vor allem muslimische Einwanderer aus Südostasien leben hier. Aber nicht nur, gerade unter Künstlern gilt das Viertel als inspirierend. Per Definition ist Bo-Kaap eine Township, wie es viele gibt in diesem traditionellen Einwanderungsland. Kein Vergleich allerdings zu Khayelitsha, dieser drittgrössten Township des Landes, die sich hinter dem Tafelberg ausbreitet, so weit das Auge reicht. Auf 40 Quadratkilometern leben zwischen 400'000 und 800'000 Menschen in Hütten mit Wellblechdächern. Oder sind es doch 2 Millionen? Die Zahlen sind unübersichtlich und inoffiziell. In der Sprache der Xhosa bedeutet Khayelitsha «neue Heimat», und der berühmteste Vertreter der Xhosa ist Nelson Mandela. Das Leben des Friedensnobelpreisträgers ist eng mit Kapstadt verknüpft. Die Stadt lassen wir hinter uns, die Zwölf Apostel des Tafelbergs weisen den Weg Richtung Garden Route. Hout Bay, Kleinmond, Hermanus, Gans Bay, Plettenberg Bay – Poesie entlang des Weges. Einige sind perfekte Orte, um Wale zu beobachten. Neigt sich der südafrikanische Winter dem Ende entgegen, nähern sich die Riesensäuger der Küste auf wenige Meter. Es sind Muttertiere mit ihren Jungen. Tausende Pinguine watscheln ganzjährig über die Felsbrocken. Steinalte Riesenschildkröten In Mossel Bay beginnt die Garden Route, diese über 200 Kilometer lange Überlandstrasse bis zur Grenze der Provinz Ostkap, wo sie im stürmischen Nationalpark Tsitsikamma mit seinen haushohen Wellen endet. Robben liegen hier zu Hunderten auf den Steinen. Die Garden Route verdankt ihren malerischen Namen der Vielfalt an Flora. 900 verschiedene Erika und mehr als 1200 Arten von Margeriten wachsen entlang der gewundenen Strasse. Versuche, eine touristische Eisenbahn zu betreiben, scheitern seit Jahren. Nicht eben scheue und wenig zimperliche Paviane sind ständige Begleiter auf dem Weg nach Knysna, einer der grössten und schönsten Städte entlang der Garden Route. An einer Lagune gelegen, bietet sich von dort eine Wanderung auf eine Anhöhe an. Vorbei an steinalten Riesenschildkröten, tut sich bald der Indische Ozean auf, tosend schlägt er an den Eingang der Lagune. Schiffe schaukeln im seichten Wasser. Die Sonne zerreisst den Gischtvorhang und gibt den Blick frei auf wilde Steilküsten. Die Weinberge sind nicht weit entfernt, und doch scheint die beschauliche Landschaft weit weg zu sein in diesem Land der Kontraste. Südafrika - Reisetipps und Informationen Anreise Mit Edelweiss Air zweimal wöchentlich nonstop nach Kapstadt. Mit Swiss täglich nach Johannesburg; Anschlussflug mit South African Airways (Star Alliance). Einreise: Für einen Aufenthalt unter 90 Tagen wird kein Visum benötigt. Hotels Mount Nelson. Das älteste Hotel Kapstadts in der Nähe der belebten Long Street. Erbaut im viktorianischen Stil, einem Schiff nachempfunden. Zimmer und zweistöckige Appartements verfügbar. Babylonstoren Weingut in Paarl mit 13 üppig eingerichteten Hütten entlang eines liebevoll gepflasterten Wegs. Exklusives Spa nur für Gäste. Im Café werden auf dem Weingut angebaute Produkte angeboten. Grotboos: Eine der aufregendsten Unterkünfte in Westkap, bei Gans Bay östlich von Kapstadt gelegen. 27 Wohnungen aus Holz und eine Poolvilla für bis zu 12 Personen mitten im dichten Wald mit fantastischer Fernsicht. Haitauchen als Hauptattraktion. Museum District Six Museum in Kapstadt (Buitenkant Street 25). Ausstellung über den 1867 geschaffenen District Six, wo sich freigelassene Sklaven, Künstler und Einwanderer niederliessen. 1966 wurde der Bezirk von der Regierung im Zeichen der Apartheid zur weissen Zone erklärt und 1968 zwangsgeräumt. Heute liegt er brach. Musik Beim Internationalen Jazzfestival von Kapstadt spielen jedes Jahr die grössten Jazzkünstler aus aller Welt auf einer der vier Bühnen im Messezentrum. Eröffnet wird es jeweils am Donnerstag mit einem Gratiskonzert auf dem Greenmarket Square. 2013 kamen 34 000 Besucher; 2014 findet das Festival am 28. und 29. März statt. Abenteuer Ein Bungee-Sprung aus 216 Meter Höhe. Auf der Grenze zur Provinz Ostkap wartet bei Plettenberg Bay der höchste Brückensprung der Welt – in die enge Schlucht des Flusses Bloukrans. Bonus:Die Sprünge werden live auf die Grossleinwand im Restaurant übertragen. Picknick Täglich ab 12.15 Uhr Picknick auf der Wiese des edlen Weinguts Boschendal bei Franschhoek. Je ein Picknickkorb für zwei. Auch Keller- und Rebbergtouren sowie Degustationen bietet dieses Gut, eines der ältesten des Landes (gegründet 1685).