Zu Gast bei Robert De Niro

Transcription

Zu Gast bei Robert De Niro
urlaub!
Stoff zum Träumen
Die attraktivsten Kreuzfahrten
Die originellsten Hideaways
Die wichtigsten Urlaubstrends
Robert De Niro
in seinem New Yorker Hotel
Zu Gast bei
Robert De Niro
Jessica Schwarz, Clint Eastwood und Johnny Depp:
Warum immer mehr Prominente
eigene Hotels betreiben
MAI 2011
Andenken aus der Churchill-Suite
Montag: Ein Erinnerungsstück an einen
Berber-Schmuck
nach Maß
legendären Ort, heute unser Talisman.
Dieses Medaillon hing damals am Schlüssel
zur Suite, die wir uns in Marrakesch
zu unserem 30. Hochzeitstag gegönnt
haben… Wie wurden wir
dort verwöhnt, nach
allen Regeln der Kunst!
Dienstag:
Begegnung mit einer
jungen SchmuckDesignerin in einer
Kunstgalerie im
Guéliz-Viertel… Sie
zeigte uns auch ihre
Werkstatt, wo sich
meine begeisterte
Frau diese Kette aus
traditionellen und
zeitgenössischen
Elementen
anfertigen ließ.
Der MajorelleGarten
Mittwoch:
Ein Abstecher in den
Majorelle-Garten
mit seinen schattigen
Alleen, seinen
bizarren Kakteen, den
sprudelnden Brunnen
und den vielen
kobaltblauen Akzenten.
Eine blühende Oase
der Ruhe und des
Friedens…
Arganöl,
das flüssige
Gold Marokkos
Sonntag:
Jeden Tag ein Green!
Donnerstag, Freitag, Samstag: Der Palmeraie-
Golfplatz mit seinem atemberaubenden Blick auf die
schneebedeckten Gipfel des Atlasgebirges, der legendäre
Parcours im Dattelpalmenhain, auf dem schon Eisenhower
den Schläger schwang. 300 ha pures Golfvergnügen!
Für uns bedeutet Marrakesch
auch immer eine wohlverdiente
Wellness-Pause. Die Massagen
mit Arganöl haben es uns
wirklich angetan und sind
zu einem regelrechten Ritual
bei uns geworden. Wann
immer ich kann, bringe ich
Nachschub mit.
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REISE SPEZIAL
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Buchtipps: Fernweh? Die schönsten Schmöker für das Reisen daheim 18
Musik: Ob Städtetrip oder Strandurlaub – DJ Hell empfiehlt den passenden Sound 19
Luxus im Test: Der 5-Sterne-Check für alle, die selbst Hotels überprüfen wollen 26
Rekordhalter: Kein Deutscher reist so viel wie Wolfgang Stoephasius 28
Ferienresort der Superlative: Großinvestor Samih Sawiris im Interview 30
Trends: Neuheiten und Geheimtipps für diese Urlaubssaison 32
DER SCHUH
ZU M
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fort.de
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Titel : Jonathan Becker/Contact/Ag. Focus
Fotos: Stefan Ruzas/FOCUS-Magazin, Roman Kuhn
FOCUS-SPEZIAL »urlaub!«
FOCUS Magazin Verlag GmbH, Arabellastraße 23, 81925 München, Postfach 81 03 07, 81903 München, Telefon 0 89/92 50-0, Fax 0 89/92 50 - 20 26
Herausgeber: Helmut Markwort
Chefredakteure: Uli Baur und Dr. Wolfram Weimer
Art Director: Bardo Fiederling
Chef vom Dienst: Sonja Wiggermann
Konzeption & Redaktion: Ellen Daniel, Barbara Jung-Arntz,
Stefan Ruzas
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Jobst-Ulrich Brand,
Dr. Imke Henkel, Sabrina Hoffmann, Henrik J. Hohl, Harald Pauli,
Susann Remke, Noelani Waldenmaier, Dr. Uwe Wittstock
Layout & Titel: Kristina Runge
Bildredaktion: Arne Deepen
Dokumentation/Schlussredaktion: Petra Kerkermeier (Ltg.)
Produktion/Herstellung: Ernst Frost, Helmut Janisch,
Christoph von Schiber
Bildtechnik: Harald Neumann, Tobias Riedel
Bildbearbeitung: Reinhard Erler (Ltg.)
Redaktionstechnik: Ingo Bettendorf, Alexander von Widekind
FOCUS 18/2011
FOCUS-Spezial „urlaub!“ erscheint in der FOCUS Magazin
Verlag GmbH. Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt:
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Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte
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Druck: Burda GmbH, Hauptstraße 130, 77652 Offenburg,
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Geschäftsführer: Philipp Welte
Verleger: Dr. Hubert Burda
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REISE SPEZIAL
Zu Gast bei Stars
Eine Nacht bei Robert De Niro? Träumen im Bett von Romy-Darstellerin Jessica Schwarz?
Viele Prominente betreiben eigene Hotels. FOCUS stellt einige vor – von schön bis skurril
Wie aus einem
Geisterhaus ein
Traum-Haus
wurde
Gastgeberin
Jessica Schwarz
Hotel
die träumerei
Or t
Michelstadt im Odenwald
A
ls kleines Mädchen fand Jessica
Schwarz das Haus ganz schön
gruselig. Es stand – dunkel, leer und
verfallen – ihrem Elternhaus gegenüber. „Wir
waren uns sicher, dass dort Geister wohnen“,
sagt die Schauspielerin. Die Straßen im alten
Ortskern ihrer hessischen Heimat Michelstadt
sind so eng, dass man verstehen kann, warum
sie als 16-Jährige gegangen ist. Weit weg von
dieser kleinen und merkwürdig mystischen Idylle im Odenwald. Heute wohnt sie in Berlin.
Vor der lila gestrichenen Schindelfassade des einstigen Geisterhauses blühen inzwischen Hornveilchen. Im Café im Erdgeschoss duftet es nach Butterkuchen. Jessica
Schwarz, 33 („Romy“, „Buddenbrooks“, „Das
Parfum“, „Das Lied in mir“), kommt gern in
ihre Heimat zurück. Ende 2006 hat sie das
knapp 400 Jahre alte Fachwerkhaus gekauft
und daraus „die träumerei“ gemacht: ein sehr
kleines, sehr persönliches Hotel, das ihre große Schwester Sandra, 36, leitet. „Als Kinder
haben wir uns nicht besonders gut verstanden“, erzählt die Ältere. „Jessi war schon immer extrovertiert. Sie wollte weg, ich wollte
bleiben. Etwas anderes hätte ich mir gar nicht
vorstellen können.“ Und so verliebte sich die
große Schwester in den Bauernsohn aus dem
Nachbarort, die kleine wurde erst Model, dann
Moderatorin, schließlich Schauspielerin. Das
Hotel ist ihr gemeinsames Projekt.
Jedes der vier Zimmer haben die SchwarzSchwestern individuell gestaltet: Im Goldspeicher leuchtet eine Wand in der entsprechenden Farbe, in der Malvensuite dienen
ehemalige Kinoklappstühle als Sitzgelegenheit. Im Elfenbeinzimmer wird auf der Glastür
Nietzsche zitiert, in der Jademansarde tanzen
Elfen auf der Tapete. Das Interieur ist stylish
verspielt, es passt eher nach Berlin als in
den Odenwald. Genau das macht den Charme
dieses Hotels aus. Und natürlich die JessicaSchwarz-Devotionalien: ein Set-Stuhl mit ihrem Namen, das „Wilde Hühner“-Drehbuch,
das Porträt aus der „Lulu“-Verfilmung.
Gruselig an ihrem Hotel ist für die Schwestern nur noch die Erinnerung an den Umbau. Der
dauerte viel länger und war viel teurer als geplant. In einer Pappschachtel im Dachgeschoss
liegen die Fotos von der Verwandlung.
■
Heute schon geträumt?
Auf jedem Bett liegt ein Buch, in das die
Gäste ihre Träume eintragen können.
Danach: Frühstück im hoteleigenen Café
4
FOCUS 18/2011
Fotos: Roman Kuhn
BARBARA JUNG
Schöne Schwestern
vor Hirschgeweih
Jessica und Sandra Schwarz
im Dachgeschoss ihres Hotels.
Die Zimmer kosten
zwischen 105 und 145 Euro.
5
REISE SPEZIAL
Gastgeber
Unterkunft
Jacht Vajoliroja
Or t
Die Sieben Meere
W
enn der Seeräuber-Johnny mal wieder vor der Kamera steht, was er
dann doch hin und wieder tut, ist
die schöne „Vajoliroja“ zu haben. In der Regel zumindest – und für die Kleinigkeit von
130 000 Dollar die Woche.
„Vajoliroja“ heißt die Privatjacht von Johnny Depp, des er folgreichsten und höchstdotierten Schauspielers der Gegenwart. Der
Fantasiename setzt sich aus den ersten beiden Buchstaben der Vornamen der Deppschen Familienmitglieder zusammen (VAnessa, JOhnny, LIly-ROse und JAck).
An die zehn Gäste finden auf dem VintageSegeldampfer Unterkunft, versorgt von einer
achtköpfigen Crew unter dem neuseeländischen Kapitän Graeme. Er kennt sich außer im
Mittelmeer besonders gut in der Karibik aus,
dort, wo auch der Bootseigner auf einer Bahama-Insel einen seiner Wohnsitze unterhält.
Wann immer es seine Zeit erlaubt, verzieht
sich Depp alias Captain Jack Sparrow samt Familie auf Little Hall’s Pond Cay, sein privates
18-Hektar-Eiland, das er dann auch gern mit
seiner Jacht von Nassau aus ansteuert.
Den 2001 in einer türkischen Werft gebauten 14-Knoten-Motorsegler ließ Depp 2007
6
generalüberholen und nach seinen Vorstellungen umdekorieren. Von außen versprüht
das Luxusgefährt das Flair kolonialer Zeiten,
im Inneren paart der vielseitig interessierte
Filmstar „Orient-Express-Pracht mit Pariser
Puff-Plüsch“ („Vanity Fair“).
Kastanienbraunes Holz und allerlei Kordelund Kandelaber-Gewerke dominieren die mit
dunkelblauem oder seegrünem Teppichvlies
ausgelegten Kajüten, in denen indes schön
kaschiert High-Tech-Audio- wie Video-Syste-
Piraten-(T)Raum
in Plüsch
Depps 48-MeterMotorsegler atmet
auch im Innendekor den Geist
vergangener
fabelhafter Zeiten
me zur Verfügung stehen. Der Bootsherr, der
auch eine Bibliothek mit modernen Klassikern besitzt, lässt selbst gern alte Horrorfilme laufen oder Musik von Tom Waits über
Tom Petty bis zu R.E.M.
„Mit Geld kannst du dir Glück nicht erkaufen“, grinst Depp. „Aber eine Jacht, die groß
genug ist, um dorthin zu segeln!“. Also Lei■
nen los, wenn man reich genug ist!
HARALD PAULI
FOCUS 18/2011
Fotos: M. Troutman, dpa, interTopics (3), AP
Verflucht teuer:
Piraten-Törn
mit Johnny Depp
Johnny Depp
Bettgeflüster – gern mit Hund
B
lond, elegant und feminin – aber nicht zu
erotisch: Keine andere amerikanische
Schauspielerin verkörperte den sauberen Männertraum der 50er-Jahre so perfekt
wie Doris Day. Auch wenn sie selbst ihr Image
als züchtiges, fröhliches Sexsymbol eine „größere Illusion als jede Filmrolle“ nannte.
Mitte der 70er-Jahre zog sich die heute
87-Jährige weitestgehend aus der Öffentlichkeit ins kalifornische Carmel-by-the-Sea zurück. Die grandiose Umgebung und das angenehme Klima des Strandstädtchens gefallen
auch anderen Hollywood-Größen (s. S. 8).
Hier widmet sich Doris Day mit ihrer Animal
League dem Tierschutz und betreibt ein Hotel, das im Guten wie im Schlechten diese
Leidenschaft widerspiegelt: Wer im „Cypress
Inn“ absteigt, sollte Hunde lieben. Das Hotel
ist sehr ausdrücklich „pet-friendly“.
Im Café liegen sie unter den Tischen, zur
Cocktailstunde – die hier „Yappie Hour“ heißt
– beschnuppern sie sich in der Lounge, im Hof
kann sich Herrchen Nachschub an Hundetüten besorgen und den Liebling nach erfolgtem
Strandbesuch mit der Hundedusche abbrausen. Im Restaurant wird natürlich auch Hundekuchen gereicht. Ansonsten ist das Hotel
mit seinen weichen Sofas und dem üppig blühenden Garten im Innenhof zauberhaft. Und
für kalifornische Verhältnisse einigermaßen
bezahlbar: Bettgeflüster mit Hund und Kamin
■
kostet in der King-Suite 275 Dollar.
BARBARA JUNG
Gastgeberin
Doris Day
Hotel
Cypress Inn
Or t
Carmel/Kalifornien
FOCUS 18/2011
7
Am Kamin mit
Dirty Harry
Gastgeber
Clint Eastwood
Hotel
Mission Ranch
Or t
Carmel/Kalifornien
V
erlässt man das Zuckerbäcker-Millionärsdorf Carmel in Richtung Süden,
dorthin, wo sich die wildromantische
Küstenlandschaft von Big Sur öffnet, dann
kommt man an der alten Missionsstation
vorbei. Und gleich nebenan, neben dem aufwendig renovierten Zeugnis der spanischen
Vorgeschichte Kaliforniens, verstecken sich
einige propere Holzhäuser unter dem Blätterdach großer alter Bäume.
Das ist die „Mission Ranch“, ein Landhotel mit 31 Zimmern und einem separaten Restaurant samt Tanzboden, das die HollywoodLegende Clint Eastwood 1986 kaufte. Eastwood war damals Bürgermeister des Promi-Orts
und rettete damit dieses einzigartige Anwesen
mit unverbautem Meerblick vor der grassierenden Immobilienspekulation und ließ es liebevoll
restaurieren und dezent ausbauen.
Eastwood ist viel in Kalifornien rumgekommen, sein Vater wechselte auf Jobsuche ständig den Wohnsitz. Während seines Militärdienstes lernte Eastwood die Monterey-Halbinsel
schätzen und lieben, sein Regiedebüt „Sadistico“ inszenierte er 1971 bereits rund um seine Wahlheimat Carmel. Im geografischen Abstand zur Millionenmetropole Los Angeles
spiegelt sich auch die Distanz zum HollywoodZirkus, an der Eastwood immer gelegen war.
Der naturnahe Golden-State-Fan ließ die
„Mission Ranch“ von den besten Handwerkern der Gegend so historisch-authentisch
wie möglich in Stand setzen. Das Anwesen
wurde ursprünglich in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts erbaut, die verschiedenen Cottages, Scheunen und Gartenhäuschen sind Architekturstilen der vergangenen
150 Jahre nachempfunden. Äußerlich eher
klar und karg, ist die Innenausstattung amerikanisch gemütlich ausgelegt, mit plüschigkuscheligen Sesseln und Betten und einem
wärmenden Kaminfeuer. Und abgesehen davon, dass diese verträumten Zufluchten gern
ausgebucht sind, liegen die Preise durchaus
im erschwinglichen Rahmen (120 bis 310
Dollar).
Der Meister selbst lebt zwar ein paar Meilen
weiter, aber es kann schon passieren, dass
er mal auf ein Bier in der Bar aufschlägt. Und
mit ganz viel Glück setzt er sich auch noch ans
Klavier und spielt einen Jazz-Song.
■
HARALD PAULI
Kalifornischer Country-Stil
Das Farmhaus, eines der edel restaurierten
Gebäude der „Mission Ranch“, die überall
Meerblick bietet. Vor so viel Naturschönheit
senkt auch Eastwood den Blick (o.)
8
FOCUS 18/2011
Fotos: A. Koester/Corbis, R. Nunn, P. Rigaud/laif
REISE SPEZIAL
Gute Lage, schlechte Betten
K
ino-Glamour schon im Titel: Aber
Cardiffs „The Big Sleep“ lässt einen
nicht nur nostalgisch von Lauren Bacall und Humphrey Bogart träumen, sondern
zählt eine lebende Filmlegende zu seinen Besitzern: John Malkovich („Gefährliche Liebschaften“, „Von Mäusen und Menschen“, „Burn After Reading“, „R.E.D.“) hat hier investiert.
Am Rand der charmanten Altstadt der walisischen Hauptstadt gelegen, gibt sich „The
Big Sleep“ betont cool: Das Hotel war in den
60er-Jahren ein Bürohaus-Glaskasten, die
Zimmer im minimalistischen Retrolook erinnern an diese Zeit. „Großbritanniens erstes
Designer-Hotel für Billig-Reisen“, jubelte ein
Reisemagazin. Eine kreative Farbgestaltung
findet sich vor allem im Empfangsbereich. Die
Palette in den Zimmern selbst hält sich mehr
an dezente Pastelltöne. Es ist eine ideale Bleibe für den, der Konzerte in der nebenan gelegenen International Arena besuchen möchte.
Vielen Gästen, die ihre Beurteilung im Internet
hinterlassen haben, gefiel allerdings nur die fantastische Lage und das Frühstück. Ansonsten:
schmutzige Bäder, kaputter Lift, unfreundliches
Personal, unbequeme Betten . . . Dafür kostet
■
der Budget-Room auch nur 50 Euro.
Gastgeber
John Malkovich
Hotel
The Big Sleep
Or t
Cardiff/Wales
IMKE HENKEL
Eine Reise in die Vergangenheit
Gastgeber
Prinz Charles
Hotel
Prince of Wales’
Guesthouse
Or t
Transsilvanien
W
ollte man eine Fahrt zu den Gasthäusern von Prinz Charles in Transsilvanien, dem alten Siebenbürgener Land, als Nostalgiereise bezeichnen – das
Wort wäre zu schwach und oberflächlich. Was
der britische Thronfolger seinen Besuchern in
Rumänien nahelegt, ist das vollständige Versinken in ein früheres glücklicheres Leben.
2006 und 2010 erwarb Charles zwei Häuser
in Zalanpatak und Deutsch-Weißkirch.
Zusammen mit Graf Tibor Kánoky, einem
entfernten Verwandten, restaurierte er sie
sehr authentisch. Als Einstimmung empfehlen die Gastgeber ihre eigenen Bücher:
der philosophische Traktat „Harmonie“ von
Charles und die Familiengeschichte des Grafen
Kánoky. Wer aber nach Transsilvanien reist,
sollte natürlich auch Bram Stokers „Dracula“ im
Gepäck haben.
■
IMKE HENKEL
9
REISE SPEZIAL
Jenseits der
Upper East Side:
das andere
New York des
Robert De Niro
W
enn man es sich genau überlegt,
haben Hollywood-Stars und Hotels
eine Menge gemein. Sie sind extrem öffentlich und privat zugleich. Auf den
Bühnen der Hotels – den Bars, Restaurants
und Lobbys – spielen sich vor aller Augen die
kleinen und großen Dramen des Lebens ab.
Und in den exklusiven Suiten ein paar Stockwerke höher wird die Öffentlichkeit ersetzt
durch Intimität.
Keiner versteht diese Dualität der Wünsche seiner exklusiven Klientel besser als
Robert De Niro („Der Pate II“, „Wie ein wilder Stier“). Seit ein paar Jahren ist der Hollywood-Star im Nebenjob Hotelier. An diesem
Frühlingsmorgen ist Bob, wie ihn der Concierge seines „Greenwich Hotels“ in New
10
Gastgeber
Robert De Niro
Hotel
The Greenwich Hotel
Or t
New York
York lässig nennt, allerdings nicht präsent.
Er dreht. Stellvertretend für die Gattung der
Hollywood-Hunks ist Jake Gyllenhaal („Brokeback Mountain“) mit einer sehr jungen, sehr
blonden Frau im italienischen Hotelrestaurant „Locanda Verde“ in ein Gespräch versunken. „Ob sie wohl hier im Hotel übernachtet
haben?“, flüstert eine Beobachterin ein paar
Tische weiter. „Dann hätten sie doch RoomService bestellt“, raunt ihre Begleiterin.
Das „Greenwich Hotel“, außen roter Klinker, innen dezent maskulin eingerichtetes
italienisches Herrenhaus, steht im Stadtteil
Tribeca. In der Lobby, die an einen großzügigen Salon erinnert, dominieren gut eingesessene Ledersessel. Die Wände schmücken Originalmalereien von Robert De Niro
Senior, einem Künstler des abstrakten Expressionismus. Von den 88 Zimmern gleicht
keines dem anderen. Mehrere Weltreisen
müssen für das Zusammenstellen des Interiors notwendig gewesen sein: Die Bäder
sind mit Carrara-Marmor aus Italien oder
marokkanischen Fliesen ausgestattet, die
Betten kommen aus Schweden, in den Regalen stehen neben asiatischen Porzellanvasen in Leder gebundene Bücher, darunter
Charles Schumanns „American Bar“.
Robert De Niro hat das Interiorkonzept seines Hotels höchstpersönlich gestaltet: „Genauso würde ich mein Haus einrichten“, hat
er einmal in einem Interview gesagt. In der
Tat fühlen sich die bis zu 8000 Dollar pro
Nacht teuren Suiten mit offenem Kamin und
Oberlichtern an, als würde man sein ganz privates Künstleratelier betreten. Und selbst
die Standardzimmer (600 Dollar/Nacht) bieten mehr Platz – und deutlich mehr Charme
– als jede New Yorker 1-Zimmer-Bude. Das
komplette Untergeschoss nimmt außerdem
der von Laternen beleuchtete Shibui-Spa ein,
dessen Pool von einer spektakulären 250
Jahre alten Holzhausstruktur überdacht wird,
die aus dem japanischen Kyoto stammt.
Wer im „Greenwich Hotel“ absteigt, der
sucht das andere New York. Fernab der
schnöden, öden Upper East Side. Den zieht,
wie einst Robert De Niro, der unverblümte
Realismus der Gegend mit ihren alten Fabrikgebäuden und den kopfsteingepflasterten
Straßen an. Und dann fühlt man sich fast ein
bisschen wie am Set von „Der Pate III“. ■
SUSANN REMKE
FOCUS 18/2011
Fotos: T. Everke/FOCUS-Magazin , T. Cenicola/laif
Koch und Chef
Robert De Niro mit seinem
Küchenchef Andrew Carmellini im
„Greenwich Hotel“-Restaurant
REISE SPEZIAL
Sehnsuchtsziele
Eine Seereise in die
Antarktis gehört immer noch
zu den exklusiven Genüssen
des Kreuzfahrer-Lebens
12
FOCUS 18/2011
Die Mehrfahrer
Deutsche Urlauber entdecken die Kreuzfahrt. Marktführer Aida hat den Luxus des Maritimen
für ein Millionenpublikum erschwinglich gemacht. Viele Anbieter locken mit attraktiven Preisen.
Wer sein persönliches Traumschiff kennt und zielsicher bucht, wird sich prächtig erholen
13
REISE SPEZIAL
14
Blumen ein schwimmendes Denkmal gesetzt.
Quietschfarben im Stil der 70er sind das Erkennungsmerkmal der jüngeren Aida-Schiffe. Die Passagiere, die diese Zeit mehrheitlich als Jugendliche und junge Erwachsene
erlebt haben, also eigentlich nicht mehr im Alter für hippes Club-Interieur sind, nehmen es
hin: „So ähnlich sieht dat auch auf der ,Aidablu’ aus“, sagt der Rheinländer, der am Terminal den Laufstall aufgegeben hatte. Er war
für seine Enkeltochter.
Jetzt also Vorfreude auf Kopenhagen, Oslo,
Dover, Le Havre, Amsterdam und Hamburg.
Dann wird das jüngste Schiff eine der populären Ostsee-Routen bedienen. Auf einer
Premierenfahrt treffen sich viele Wiederholungstäter. Mitglieder des Aida-Fanclubs genießen einen bevorzugten Zugriff auf solchen
Reisen. Viele haben schon gebucht, als das
Schiff noch monatelang im Dock der Meyer
Werft lag. „Die Stammkunden kennen das
Prinzip unserer Schiffe und finden sich sofort
zurecht“, lächelt Aida-Mitarbeiterin Susanne
Becker. Ein wichtiges Prinzip lautet: im Heck
die Restaurants, im Bug Wellness und Sport.
Von Letzterem gibt es eine Menge. 2600 Quadratmeter sind auf der „Aidasol“ für Spa und
Sauna, für Aerobic und Spinning ausgelegt.
Es ist der größte Wellness-Bereich auf einem
Kreuzfahrtschiff weltweit.
„Music was my first love“, singt John
Miles auf der Landbühne. Der Ohrwurm wird
zur Warteschleife fürs große Finale. Taufpatin Bettina greift zur Flasche, die längst nicht
mehr an einem Seil, sondern in einer bruchverlässlichen Wurfmaschine hängt. Dann erhellt ein 15-minütiges Feuerwerk die Nacht.
Tausende Schaulustige sind an die Förde gekommen, Hunderte auf Fahrrädern, um das
auslaufende Schiff auf dem Kai ein Stück begleiten zu können. Es ist ein Volksfest. Kurz
vor 23 Uhr passiert die „Aida” die Lotsenposition und nimmt Kurs auf Dänemark.
Inzwischen haben die Bordköche über 2000
Mahlzeiten zubereitet. Der Löwenanteil wird
im Büfett-Restaurant konsumiert, wo Speisen und Getränke im Pauschalpreis inbegriffen sind. Wem reichlich gegrilltes Steak und
Fischfilet, eine Unzahl von Salatvariationen,
Berge frischer Früchte und sahnige Desserts
nicht genügen, kann die eleganteren Spezialitätenrestaurants besuchen. Dort kostet
eine vor den Augen des Gastes zubereitete,
umfängliche Platte Sushi knapp 14 Euro. Gestürmt wird das Lokal trotzdem nicht. Die Passagiere an Bord sind preisbewusst.
Dann wird im Theatrium das Fernwehstück „Fata Morgana“ uraufgeführt. Die
Künstler kommen aus den großen Hamburger Musicalhäusern, die Show ist brillant,
das Publikum hingerissen. In der wogenden
Menge sitzt Charlotte Scheffler-Dierkes. Die
elegante Witwe aus Bielefeld ist zum 18. Mal
auf Kreuzfahrt. Auf den Geschmack sind sie
und ihr Mann in den 60er-Jahren gekommen,
als Hochseereisen noch Luxus und die karibischen Inseln nicht mit dem Billigflieger erreichbar waren. Inzwischen kennt Scheffler-Dierkes
die legendäre „Queen Mary 2“ ebenso wie
die schwimmenden Riesen der Royal Caribbean. Sie vermag nicht zu entscheiden,
welche Flotte die beste ist: „Alle bieten ein
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sonst
FOCUS 18/2011
Foto: dpa
D
er Täufling wiegt 71 000 Bruttoregistertonnen und schimmert weiß in der
Aprilsonne. Es ist zwei Uhr nachmittags. In sieben Stunden wird die Champagnerflasche gegen den Bug knallen, dann geht
die „Aidasol” auf Jungfernfahrt. Im Terminal
an der Kieler Förde flirrt die Luft. Gut 2000
Passagiere müssen eingecheckt werden, wollen ihre Koffer loswerden und sich ins Vergnügen stürzen. „Feindfahrt“ nennt das ein
Aida-Mitarbeiter scherzhaft. Und wuchtet einen plastikverpackten Babylaufstall aufs Gepäckband: „Ab jetzt sollen unsere Gäste nur
noch genießen.“
Mit der „Aidasol” kreuzt das achte Schiff
des deutschen Marktführers auf den Weltmeeren. Eigentümer Aida Cruises mit Sitz in
Rostock ist seit 1996 auf dem Markt. Und
spektakulär erfolgreich. Fast jeder zweite
deutsche Urlauber, der im vergangenen Jahr
auf Kreuzfahrt ging, reiste mit einem Schiff
dieser Flotte: über 500 000 Gäste. „Wir wecken Sehnsüchte – und irgendwann haben
wir die Menschen an Bord“, freut sich AidaChef Michael Thamm. Weitere Schiffe sollen
2012 folgen, für den deutschen Markt sieht
Thamm „Wachstum ohne Ende“. Warum auch
nicht? Noch ist es ein kleines Segment, das
so trefflich boomt: Ein Prozent der Deutschen
war schon auf Kreuzfahrt. In Großbritannien
sind es zwei, in den USA vier Prozent.
Im Bauch des Riesen ist die Hölle los. So
ungefähr muss es sich anfühlen, wenn ferientrunkene Internatsschüler in die Sommerfrische reisen und dort eine runderneuerte Unterkunft vorfinden. Die Ahs und Ohs gelten
dem Teppich in Pink-Orange, den apfelgrünen
Barhockern, der 20 Meter breiten Rezeption
auf Deck fünf. Die Treppenaufgänge sehen
ein bisschen aus, als wäre LSD-Guru Timothy Leary auferstanden und hätte sich an den
Wänden mit ihren knallbunten Waben, den ineinanderfließenden Rauten und wippenden
Volksfest Schiff
Mammuthotel auf
dem Weg zur Kieler
Förde: Die „Aidasol“
(l.) ist das achte
Schiff der Rostocker
Vergnügungsflotte.
Die Abendunterhaltung (r. ) ist etwas
für Musical-Fans
REISE SPEZIAL
Wie machen’s die anderen? Cruises für jeden Typ
Für die Spieler auf See
Royal Caribbean:
groß, größer, Meer
Für maritime Stilbewusste
Hapag-Lloyd:
Luxus wie einst
ZUM CAPTAIN’S DINNER IN LANGER ROBE:
Hier ist die Premiumklasse der Kreuzfahrten zu Hause. Der täglich in der Kabinenpost mitgeteilte Dress-Code lautet
„casual“? Dann ziehen Sie ruhig Ihr Poloshirt an, verzichten als Herr aber weder
auf vorn geschlossene Schuhe noch auf
die lange Hose. Es sei denn, Sie möchten
auffallen. Das gelingt auf den Schiffen
dieser Flotte leicht: Maximal 408 Passagiere genießen zum Beispiel eine Reise
auf der „MS Europa“. Jede Kabine ist
eine Suite mit getrenntem Wohn- und
Schlafbereich. In der Bordküche zaubert
Sternekoch Dieter Müller seine Menüs.
Wenn Sie im Sommer zur „Big Europa“
reisen, können Sie in Warnemünde erleben, wie Europas Spitzenwinzer bei einer
Sternfahrt mit ihren besten Tropfen aufwarten. Die werden nicht nur schnöde
getrunken, sondern für einen wohltätigen
Zweck versteigert. Es wäre allerdings unfair, Hapag-Lloyd mit luxuriösem Kreuzfahrt-Beiwerk gleichzusetzen. Schließlich
gehören die noch kleinere „MS Bremen“
und die „MS Hanseatic“ zu den sportlichen Expeditionsschiffen, die noch Abenteuerfahrten durch menschenleere Regionen wie die Antarktis oder das Ochotskische Meer unternehmen.
13 Tage östliches Mittelmeer/Antike. Start in
Piräus mit der „MS Europa“. Außensuite ab
5988 Euro pro Person
16
PERFEKT GEMANAGTE GIGANTEN fahren
bevorzugt unter der Flagge der Royal Caribbean Cruises. Der norwegisch-amerikanische Anbieter lässt es gern krachen.
Unter dem Motto „70 000 Tonnen Metall“
wurde gerade auf der „Majesty of the
Seas“ eine Heavy-Metal-Kreuzfahrt durchgeführt. 40 Bands spielten auf, es ging
laut und gemütlich zu. Flaggschiffe der
Royal Caribbean sind die „Allure of the
Seas“ und die „Oasis of the Seas“, mit
16 Decks und Platz für jeweils über 5000
Gäste die größten Kreuzfahrtschiffe der
Welt. Amerikaner schätzen das Giganteske, aber auch wirklich persönlichen
Service. Der ist english spoken und gelingt: Ob am „Black Jack”-Tisch, in der
Für das Italienische in Ihnen
MSC: ein Schiff.
Zwei Klassen
WO SOPHIA LOREN SCHIFFE TAUFT und
Seilbahn übers Atrium oder in der Stille
der Bibliothek. Einen Vielfahrer-Tipp sollte
man an Bord der Superschiffe beherzigen: Wer sich eine Kreuzfahrt gönnt,
muss der Versuchung widerstehen, die
preisgünstige Innenkabine zu buchen. Der
Balkon mit privatem Blick aufs Meer verdoppelt den Genuss. Atrium-Balkone zum
Schiffsinneren sind ein nett gemeinter,
aber leider untauglicher Versuch.
Eros Ramazzotti singt, darf man auf eine
hohe Dosis Italien hoffen. Obwohl der
Anbieter „MSC Cruises“ eigentlich in Genf
sitzt. Was sich bei den Speisen positiv
auswirkt, ist beim Dekor Geschmackssache: Abgetönte Spiegel, Bonbonfarben
und viel Messing verströmen Edel-Eisdielen-Charme. Dazu passt die unerschütterliche Grandezza der Kellner. Die sprechen
nicht immer Deutsch oder Englisch, können ihren Gästen aber dafür Wünsche von
den Augen ablesen. Das Publikum ist international. Wenn die Route in Amsterdam
beginnt, werden viele Niederländer an
Bord sein. Auf den jüngeren Schiffen
„Splendida“ und „Fantasia“ bietet MSC
den „Yacht Club“ an: Dort genießen die
Gäste in ihren Suiten einen umfänglichen
Butler-Service. Die champagnergefüllte
Minibar ist ebenso im Preis inbegriffen
wie alle in der Luxusklasse konsumierten
Getränke. Ein Check-in, eine Rezeption,
die Lounge und ein Restaurant sind exklusiv zugänglich. Wer sich bei so vielen Extras langweilt, wechselt einfach das Deck
und besucht die Standard-Klasse. Dort
ist das Publikum im Durchschnitt zwar
auch schon jenseits der 50, aber immer
noch deutlich jünger.
7 Tage östliche Karibik. Juni 2011. Start in
Fort Lauderdale mit der „Oasis of the Seas“.
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Abenteuer ohne Risiko Kreuzfahrtschiffe wie die „MS Bremen“ bieten Expeditionen
durch Eismeere und Canyons. Je kleiner das Schiff, desto gehobener das Vergnügen
könnten sie sich nicht halten.“ Ob ein Anbieter wie Aida gegenüber dem Flair eines Luxusschiffs nicht stark abfällt? „Nein“, sagt die
Vielfahrerin ungerührt. „Auf der ,Queen Mary’
haben Sie zwar statt eines Musicals das Ballett der Royal Albert Hall an Bord. Aber das
ist nicht jedermanns Sache. Und jeden Abend
können Sie das Gehopse auch nicht sehen.“
Der mitunter ruppige Stil an den Büfetts?
„Das stört mich auch“, sagt sie. „Aber Sie
würden sich wundern, wie viele Reiche ebenfalls nervtötende Angewohnheiten haben.“
Aida hat den deutschen Kreuzfahrtmarkt
für die Masse geöffnet. Die Gäste auf den
Schiffen sind jung, relativ gesehen. 42 im
Durchschnitt. Auf der Jungfernfahrt, die außerhalb der Schulferien stattfindet, liegt es
deutlich darüber. Das Altersargument ist
wichtig für den Anbieter; noch gilt es, das
Image der Seniorensause abzutragen. Preislich liegt man im unteren Mittelfeld. 185
Euro pro Person und Tag ließen sich die
Deutschen im vergangenen Jahr eine Kreuzfahrt kosten. Dafür ist bei Aida schon regulär eine Außenkabine mit Balkon zu haben.
Organisierte Landausflüge gehen, wie bei
allen Anbietern, extra. In den Häfen können
FOCUS 18/2011
die Gäste zwischen bis zu zwölf Programmen
wählen. „Schnuppergolfen“ in Oslo etwa.
Oder Kopenhagen mit Fahrrädern erkunden.
Das Monet-Haus in der Normandie steht
von Le Havre aus zur Wahl, ein Besuch auf
Leeds Castle ist möglich, wenn das Schiff in
Dover festmacht. Wer sich antizyklisch verhält und einen Landtag an Bord verbringt,
kann wirklichen Luxus genießen: Die Saunalandschaft hoch oben auf Deck zwölf ist
dann fast menschenleer und bietet mit
ihren Panoramafenstern atemberaubende
Blicke auf die City.
„Schiffsreisen verströmen noch immer
den Duft großen Abenteuers, auch wenn sie
hochgradig organisiert und nahezu risikolos
geworden sind“, sagt der Schweizer Reisephilosoph Alain de Botton. Wahrscheinlich
ist es das. Das Gefühl von Verwegenheit,
das so laut, fröhlich und draufgängerisch
macht. Um 24 Uhr geht es in der Bordbar
richtig los. Es gibt keinen Dress-Code und
kein Mitternachtsbüfett. Die Passagiere
machen nicht den Eindruck, dass sie irgendetwas vermissen.
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REISE SPEZIAL
Horst Günther
Kopf-Reisen
Die Fantasie
bewegen
Daheim im Liegestuhl. Und doch ganz weit weg.
FOCUS empfiehlt neue Bücher, die von der
Lust (und Last) des Unterwegsseins erzählen
MUSS MAN WIRKLICH LOS? Sich
Cees Nooteboom
Entdeckung der
Langsamkeit
Fragen an
die Welt
ER ZÄHLT SCHAFE in Neusee-
land, macht den Elefanten-Führerschein in Thailand, diskutiert
mit dem Generalsekretär des
bolivianischen Präsidenten über
die Chancen des Sozialismus
und schwule Hähnchen. Der
Reporter Dennis Gastmann ist
unermüdlich auf allen fünf Kontinenten unterwegs, um die letzten Rätsel der Menschheit zu
klären. Sind alle Latinos Machos? Was ist der amerikanische
Traum? Kommen Adam und Eva
aus Afrika? Und wie schön ist
Panama wirklich? Es sind Fragen, die ihm die Zuschauer seiner NDR-Sendung „Weltbilder“
mit auf den Weg gegeben haben.
Gastmann ruht nicht, bis er endgültige Antworten gefunden hat.
Seine skurrilsten Abenteuer
auf diesen ausgedehnten Recherche-Reisen schildert er
jetzt im Buch „Mit 80 000 Fragen um die Welt“. Es sind dras18
tische, komische, mitunter gefährliche, aber durchweg überraschende Begegnungen. Sie
zeigen, dass das Wissen über
diese Welt in anderen Kulturen
ein anderes ist. Die Sorgen
jub
sind aber ganz ähnlich.
Dennis Gastmann, „Mit 80 000
Fragen um die Welt“, Rowohlt
Berlin, 318 Seiten, 16,95 Euro
Horst Günther, „Hinaus, ins Freie.
Von der Lust, mit Büchern zu reisen“,
Corso, 70 Seiten, 18,90 Euro
Cees Nooteboom, „Schiffstagebuch. Ein Buch von fernen Reisen“,
Suhrkamp, 285 Seiten, 19,90 Euro
Philipp Tingler
Matthias Politycki
Etikette für
unterwegs
Expedition ins
Bier-Reich
GUT, ES GIBT PRIVATJETS. Deren
EINE SCHRECKENSTOUR hat sich
Besitzer brauchen dieses Buch
nicht. Für alle anderen, die in
Gesellschaft fremder Menschen
per Flugzeug, Bahn, Bus oder
Schiff verreisen, ist es unverzichtbar: ein Benimmhandbuch
für unterwegs, schwungvoll und
witzig geschrieben. Der Journalist
Philipp Tingler erklärt, wie man
mit Stil die Kontinente wechselt,
ohne sich dabei den üblichen
wsk
Reiseärger einzuhandeln.
Matthias Politycki zugemutet. Im
Londoner East End trank er sich
durch die ganze Bandbreite britischer Biersorten. Sie tragen Namen wie „Dog’s Bollocks“ (Hundehoden) oder „Skunk“ (Stinktier)
und schmecken größtenteils
nach ausgewrungenem Feudel.
Doch der Ethnologe gastronomischer Besonderheiten will die Erfahrung nicht missen: der skurrijub
len Begegnungen wegen.
Philipp Tingler, „Leichter Reisen“,
Kein & Aber, 240 Seiten,
16,90 Euro
Matthias Politycki, „London für
Helden“, Hoffmann und Campe,
96 Seiten, 18 Euro
FOCUS 18/2011
Fotos: M. Ley/FOCUS-Magazin, laif (2), action press, Ag. Focus
Dennis Gastmann
WER PER SCHIFF REIST, reist anders. Das gemächliche Tempo,
die scheinbare Ereignislosigkeit
überträgt sich auf den Reisenden
– und schärft die Sinne. Der Niederländer Nooteboom ist mit der
„MS Deutschland“ in Südamerika
unterwegs, fährt die Küste Afrikas entlang, erkundet die nördlichste und südlichste Stadt der
Welt. Es sind „ferne Reisen“, auf
denen dieser große Erzähler sich
jub
selbst findet.
physisch bewegen? Oder reicht
es nicht, einen guten Wein zu
öffnen, ein Buch aufzuschlagen
und nur die Gedanken schweifen
zu lassen? Der Philosoph Horst
Günther erzählt von Reisefantasien, die immerhin den Vorteil
hätten, dass man sich die Unbilden des realen Unterwegsseins
erspare. Am Ende aber geht auch
ihm nichts über die tatsächliche
jub
Erfahrung der Fremde.
New York
Chiemsee
Ich liebe diese ewig
pulsierende Stadt. Nachts
durch die Straßen zu
schlendern inspiriert mich
immer. Dazu höre ich am
liebsten den Soundtrack
zu „Cruising“ mit Al
Pacino. Der Film spielt im
New Yorker Schlachthofviertel, in der Gay-Scene bei
Nacht und im Central Park.
Eine Radrundfahrt von
80 Kilometern über Stock
und Stein, vorbei am
Alpenpanorama. Auf dem
Gepäckträger die Badesachen für die Abkühlung
unterwegs. Zwischenstopp
im Biergarten und abends
in der Sauna relaxen. Auf
dem Velo höre ich „Computerwelt“ von Kraftwerk.
Innsbruck
Miami Beach
Kuren und relaxen, umgeben von Bergen und
Tälern so weit das Auge
reicht. Für mich ist das
der größte Luxus, um meine leeren Batterien aufzuladen. Dazu will ich
einen beruhigenden entspannten Sound. Ich empfehle „Colossal Youth“
der Young Marble Giants.
Ein Tag am perfekten
Strand. Man sieht dort
Sonnenanbeter und Fitnessfreaks, Jung und Alt vereint beim Sur fen, Jetskifahren, Joggen oder einfach beim Lesen und Nichtstun. Dazu passt jedes
Album der Ramones. Die
Jungs machen Sur f-Sound,
der nie unzeitmäßig wird.
Urlaub für die Ohren
DJ Hell, Top-Plattenaufleger in Deutschland, gibt persönliche Tipps für den
perfekten Reise-Sound. Gerade erschien sein Album „Coming Home“, ein Mix aus
30 Jahren deutscher Musik. Perfekt für die Sommerfrische an Ostsee-Stränden
FOCUS 18/2011
19
REISE SPEZIAL
Ein Ende der Welt
Viele Möglichkeiten, sich
entscheiden zu müssen,
gibt es hier nicht. Ideal für
diejenigen, die absolute
Ruhe suchen
20
Split
K ROAT IE N
Tief im Südwesten
Palagruža liegt 126 Kilometer vor der kroatischen
Hafenstadt Split. In Küstennähe bewohnbar ist auch
der Edel-Leuchtturm Grebeni
Grebeni
Dubrovnik
Palagruža
Palagruža
ITALIE N
100 km
Mala
Palagrua
Einsamer
geht’s kaum
M
anchmal hört und sieht man nur,
was man hören und sehen will.
Oder muss. Schon auf dem Schiff,
weit hinter der Küste Kroatiens. Plötzlich liegt sie vor uns, die herbeigesehnte
Insel, klar und deutlich. Ist das schon
Palagruža? Oder etwa eine Fata Morgana?
„Who knows“, sagt der Skipper Milan und dreht
sich lächelnd zurück in den Wind. Die Insel am
Horizont, nach wenigen Minuten ist sie wieder
verschwunden. Aber das Rätsel bleibt.
Am Tag nach der Ankunft auf Palagruža
ist es bei den ersten Erkundungsspaziergängen nicht anders. Da! Stimmen! Menschen, die sich unterhalten. Was doch
irgendwie nicht sein kann. Die Leuchtturmwärter sind beim Fischen, und ich – bin ganz
FOCUS 18/2011
und gar allein hier. Die Stimmen sind die
Rufe der Möwen, die kreisen, wo ich bin. Es
sind laute, klangvolle Rufe.
Und dann diese Autogeräusche, auf dem
gepflasterten Plateau zwischen Leuchtturm
und Strand, auf dem ein kleiner Schuppen steht und eine verfallene Kapelle, die
an einen früheren hohen Besuch erinnert.
Ein gewisser Papst Alexander III. soll auf
der unbewohnten kleineren Nachbarinsel im
März 1177 zu Mittag gegessen haben. Er
war mit seinen Galeeren gerade auf der
Durchreise. Auf diesem fast päpstlichen
Feld also nähern und entfernen sich Autos,
obwohl es keine Autos gibt. Einen langen
Tag klingen all diese Zivilisationsgeräusche
nach. Bis Ruhe ist, endlich Ruhe.
21
Foto: S. Ruzas/FOCUS-Magazin
Sie ist 1400 Meter lang, 300 Meter breit und 90 Meter
hoch: Die kroatische Leuchtturminsel Palagruža ist
ein echtes Hideaway in der Mitte des Adriatischen Meeres
REISE SPEZIAL
Palagruža, der westlichste Außenposten
Kroatiens. Ein grün-karger Felsen mit Leuchtturm. 1400 Meter lang, 300 Meter breit
und 90 Meter hoch. Ein mythischer Buckel
auf hoher See, 126 Kilometer entfernt von
der kroatischen Küstenstadt Split, aber nur
rund 50 Kilometer von der trotzdem unerreichbar scheinenden Küste Italiens, der Halbinsel Monte Gargano, bekannt als Sporn des
italienischen Stiefels. Nachts schimmert er
silbern, der Sporn. Straßenlaternen.
Eine abrupte Begegnung mit der Einsamkeit ist Palagruža. Es ist keine Einsamkeit,
die man ahnt, so wie eigentlich sonst immer.
Man weiß sie, man spürt sie. Es ist Enge
und Weite in einem. Und dazu Stille. Was
ungemein erholsam wirkt.
Auf Palagruža leben: zwei Leuchtturmwärter, die Vojislav Sajin und Kresimir Tomsic heißen. Ein einäugiger Esel namens Mercedes.
Etliche Katzen, die sich vorzugsweise von
Hummerresten ernähren. Vier Hühner, die
Besucher beim Spaziergang zuweilen fast
hundegleich begleiten. Dazu Möwen, Eidechsen und ein paar kleine schwarze Schlangen,
die schüchtern und ungiftig sind.
Es ist ein Hideaway mitten im Mittelmeer,
ein abenteuerliches Urlaubsziel für Menschen, die für eine Weile keine Stimmen mehr
hören wollen, keine Autos und das Handy nur
manchmal. Die nicht unterwegs sein wollen,
weil sie hier schlicht nicht unterwegs sein
können. Ein Ziel für diejenigen, die mal Robinson Crusoe sein wollen, aber mit Gasherd,
Fernseher und Kühlschrank. Im Leuchtturm
gibt es zwei Apartments, die vermietet werden. Schlicht möbliert, mit kahlen Wänden.
Das, was man gern „zweckmäßig“ nennt.
Fluchtwelt
Die Leuchtturminsel
im Adriatischen Meer
ist ein Refugium für
Urlauber und Wärter.
Es gibt nur zwei Wege
und zwei Buchten:
Von einer starten
Voijo und Kreso gern
zum Fischen
Palagruža
Fläche 0,286 km²
Länge 1,4 km
Breite 0,3 km
Küstenlänge 3,68 km
Land Kroatien
22
FOCUS 18/2011
Fotos: S. Ruzas/FOCUS-Magazin (2), Mauritius
In der Regel geht es einmal pro Woche
mit einem rasanten Gleitboot von dem AdriaEiland Korcula Richtung Palagruža. Abfahrt:
6.30 Uhr morgens. Zwei bis drei Stunden
dauert der Transfer, ausgeschifft wird mit einem kleinen Beiboot. Vorausgesetzt natürlich,
das Meer lässt derlei überhaupt zu. Dann jedenfalls hilft auch einer der Leuchtturmwärter beim Verfrachten des Gepäcks und der
Lebensmittel – für die man allerdings auch
selber zu sorgen hat – in eine moderne Seilbahn, die eine Lastgondel über mehr als 120
Meter direkt zum Leuchtturm führt.
Mit etwas Glück laden „Voijo“ und „Kreso“, wie sich die beiden Leuchtfeuermänner nennen, schon am ersten Tag zu einem
Mahl. Beide, die gemeinsam in einem dritten
Apartment im ersten Stock des Turms wohnen, kochen gern, und sie kochen exzellent.
Hühnersuppe zum Beispiel, gesottenes Rindfleisch mit Kartoffeln oder Fischeintopf. Vor
allem aber Hummer. Die Fischgründe rund
um die Insel zählen zu den ertragreichsten im
Adriatischen Meer. Und Hummer schmeckt
tatsächlich aus einem Topf, in dem schon Nudeln garen, Tomaten, Gewürze und ein, zwei
Löffel Honig. Die hauchzarten Crêpes zum
Dessert, auch die von erstaunlicher Güte, bereitet Kreso nur nach hartnäckigem Bitten zu.
Nach den diversen Schnäpsen natürlich, die
mit Inselkräutern angesetzt werden.
Jeweils einen Monat dauert ihre Leuchtturmschicht, bevor es für einen Monat zurück auf die Heimatinsel Korcula geht. Zu
den Freundinnen und Kindern. In dieser Zeit
übernimmt dann ein anderes Doppel. Der
48-Jährige Voijo lebt diesen Rhythmus nun
schon seit zwölf Jahren, sein 27-jähriger
Kollege ist seit zweieinhalb Jahren im Amt.
„Es ist der schönste Arbeitsplatz, den man
sich vorstellen kann“, ruft Voijo eines Morgens aus einem der Fenster hinunter. Warum
das so ist, schickt er gleich hinterher: „Viele Leute, viele Probleme. Wenig Leute, wenig Probleme.“ Gesehen hat er eh genug. Als
Seemann ist er früher über die Weltmeere geschippert. Nur Alaska, Kanada und Neuseeland kennt er nicht, dafür aber die besonders
schönen Frauen in Brasilien und Südkorea.
Einer seiner Vorgänger hat mal gesagt:
„Es gibt nur drei Typen, die diesen Job hier
machen können: Abenteurer, Existenzialisten
und Verrückte.“ In Deutschland wurden sie
schon längst durch moderne Technik ersetzt.
Leuchtturm. Das ist gar nicht so viel Licht,
aber umso mehr Wetter. Ab fünf Uhr morgens
melden die beiden Wärter aus ihrem Büro
im 3-Stunden-Takt den Meteorologen
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Kurz vor Dubrovnik
Der gerade erst renovierte
Leuchtturm Grebeni ist eine
Depedance des Luxushotels
„Dubrovnik Palace“. Das
118-Quadratmeter-Apartment
bietet einigen Komfort
Mal mit Weitblick wohnen
G
rebeni ist die Premiere. Das Inselchen mit dem Leuchtturm, 300 Meter vor der Küste Dubrovniks, wurde verpachtet – an den Hotelbetreiber Adriatic
Luxury Hotels, der unter anderem das
„Dubrovnik Palace“ betreibt. Und der
hat den unter Denkmalschutz stehenden Turm aus dem Jahr 1872 im vergangenen Jahr renoviert und vermietet
ihn nun. Preis pro Tag: ab 350 Euro aufwärts. Aber ohne Transferkosten.
Dafür gibt es aber auch einigen Komfort: ein 118 Quadratmeter großes Apartment mit vier Schlafzimmern für maximal
sieben Personen. Dazu ein hauseigener Brunnen, vier insgesamt 324 Quadratmeter große Sonnenterrassen – mit
Schirmen und Liegen ausgestattet – sowie freien Zugang zum Leuchtturm. Gegen Aufpreis besteht die Möglichkeit,
sich mit einem Luxusboot zur 2,5 Kilometer entfernten Altstadt von Dubrovnik fahren zu lassen. Butler und Köche
stehen bei Bedarf ebenso zur Verfügung
wie der Express-Service des Hotels.
24
So also könnte es weitergehen, mit
den 48 Leuchttürmen an der kroatischen Adriaküste. Betreiber der Türme
ist eine Firma namens Plovput, die auch
für sämtliche Seewege des Landes zuständig ist. Mit Hilfe von Pachtverträgen will sie möglichst schnell möglichst
viele der teils noch baufälligen Leuchttürme renovieren und für Urlauber attraktiv und bewohnbar machen.
Zurzeit bieten zwölf der Türme Übernachtungsmöglichkeiten mit insgesamt
21 Ferienwohnungen – darunter auch die
von allem weit entfernte Insel Palagruža.
Künftig sollen es dann schon 27 Türme
sein, berichtet Mirna Bender von der Kroatischen Zentrale für Tourismus in Frankfurt/Main. Anbieter im Internet ist unter
anderem lighthouses-croatia.com.
Noch ist die abenteuerliche Übernachtung auf See bezahlbar: Das Apartment
auf Palagruža zum Beispiel kostet pro
Tag ab rund 50 Euro. Allerdings geht, je
nach Entfernung, der Transfer ins Geld.
Nach Palagruža sind es 700 Euro. ■
in Split per sturmfesten Telefon in langen
Zahlenchiffren Windstärke, Temperatur,
Luftdruck, Seegang und die Form der
Wolken. Fotografierte Wolkenbeispiele liegen auf ihren Schreibtischen in Massen
unter Glas.
Gleich vier Namen haben die Winde, die
die See rund um den sicheren Felsen teils
zum Furor machen können. Ihre Namen
können die Wärter aufsagen wie die Spieler ihrer Lieblingsfußballmannschaft: Jugo,
Maestral, Bora, Tramontana. Das sind sie,
und jeder von ihnen ist anders.
Manchmal aber, da ist es einfach nur
windstill. Morgens etwa, wenn die Sonne durch die grünen Holzläden blitzt und
die Möwen rufen, wie Möwen so rufen.
Ganz anders als Menschen eben. Wenn
man dann wenig später mit einer Tasse
Kaffee in der Hand aus dem Fenster schaut,
90 Meter in die Tiefe. Dorthin, wo das Meer
die Farbe des Himmels hat.
Wenn man schaut und steht und steht
und schaut, wie lange es denn wohl dauern
möge, bis eine Möwe zu einem erneuten Flügelschlag ansetzt. Und darüber nachdenkt,
warum die vielen, vielen Tiere eigentlich nie
zusammenstoßen in ihrem Flugverkehr ohne
Lotsen, Leuchten, Regeln. „Palagruža ist
Medizin“, hatte Kreso bei einer Zigarette am
Abend zuvor gesagt.
Die Dosis der Medizin ist überschaubar:
Von dem festungsartigen Leuchtturm führt
ein Trampelpfad in Serpentinen hinab bis
zu einer Weggabelung. Es ist die einzige auf
der ganzen Insel. Links geht es durch Oleander und Kapernbüsche in zehn Minuten
hinab zu einer winzigen kleinen Badebucht, die
sich Gästen vor allem für den Nachmittag
empfiehlt. Expeditionen abseits der Wege
sollten übrigens nur in langen Hosen gemacht
werden, weil Berührungen mit der Inselflora
bemerkenswerte phototoxische Reaktionen
hervorrufen können.
Geradeaus führt ein Pfad über den Inselrücken vorbei an den Resten der Kapelle rechts hinunter zu der zweiten, größeren
Bucht, die manche für eine der schönsten
Kiesbuchten der Adria halten. Hier gehen
die Beiboote an Land. Hier ankern im Sommer manche Segel- und Motorboote. Hier
legen die Leuchtturmwärter zum Fischfang
ab. Hier zerbarst ein immerhin mehr als 30
Meter langer Kutter im vergangenen Winter in
tobenden Wellen, was einer der Leuchtturmwärter sogar mit seiner Handy-Kamera filmen
konnte. Der skelettierte Rumpf des Schiffs
dient nun als Tauchobjekt.
FOCUS 18/2011
Foto: S. Ruzas/FOCUS-Magazin
REISE SPEZIAL
»Nur Abenteurer, Existenzialisten
und Verrückte machen das«
Eine Insel, zwei Wege, zwei Buchten. Palagruža macht langsam. Zumindest diejenigen,
die sich darauf einlassen wollen. Urlauber –
sie kommen aus ganz Europa, und manchmal
sind es komplette Familien – bleiben meistens
eine Woche, mehr nicht. Und manche von ihnen nähern sich der Welt im Wasser auch
einfach durch die Luft. Schließlich gibt es ja
unterhalb des Turms sogar einen Hubschrauberlandeplatz.
Menschliches Leben jedenfalls zieht
Palagruža offenbar schon seit Jahrtausenden an. Archäologen schätzen, dass
die Insel vor rund 8000 Jahren von Menschen entdeckt wurde. Sie fanden auch
Keramikfragmente, die aus Athen stammen. Immerhin soll der Sage nach sogar
Diomedes hier begraben worden sein, der
griechische Held, der gemeinsam mit Odysseus im Trojanischen Krieg gekämpft hat.
PERFECT MOMENT
Diejenigen aber, die heute da sind, zieht
es am Abend, wenn die Sonne glühend den
Horizont berührt, gern für eine lange Weile mit
einem Glas Wein zum Licht und zur Lampe.
Den schon 1875 erbauten Leuchtturm hinauf,
der daran erinnert, dass Österreich mal eine
Marine hatte. Immerhin 48 dieser Türme wurden damals in der östlichen Adria, zu k. u. k.
Zeiten, mit französischer Technik gebaut.
Viele von ihnen funktionieren mit den Gerätschaften von damals. Bis auf einige Neuerungen vielleicht. Es sind Solarsensoren, die
die Lampe entfachen. Die wiederum dreht
sich Tag und Nacht metallisch-sirrend mit
Hilfe einer simplen Autobatterie. Und es ist
nur eine 60-Watt-Glühbirne, deren Schein –
von dickem, speziell geschliffenen Kristallglas hundertfach verstärkt – Luxusdampfern
und Supertankern Orientierung gibt. Aber
sie leuchtet bis nach Italien.
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Aber bitte mit Blumen!
Sie haben sich ein sündteures Hotel gegönnt und langweilen sich am Pool?
Überprüfen Sie doch einmal, ob Ihre Unterkunft den 5-Sterne-Service-Check bestehen
würde, wie ihn zum Beispiel die „Leading Hotels of the World“ mit verdeckten
Testern machen. Aber Vorsicht: Von vier Antworten sind jeweils zwei frei erfunden
c) Der Service faltet die Servietten auf und reicht sie dem Gast.
d) Der Service bringt immer eine Karaffe Wasser.
⯢ Cheers! Beim Aperitif und bei Getränkebestellungen
5-Sterne-Haus inakzeptabel?
a) Beim Reservieren muss der Gast das Telefon mehr
als dreimal läuten lassen, bevor jemand abhebt.
b) Der Gast muss Blickkontakt zum Personal suchen,
bevor das Personal ihn willkommen heißt.
c) Der Empfangschef trägt keinen dunklen Anzug.
d) Die Garderobe ist schlecht ausgeleuchtet, sodass man
seine Kleidung später nur mühsam wiederfindet.
⯡ Welches Entree am Tisch?
a) Längstens eine Minute dar f der Gast sitzen,
bevor er begrüßt und nach seinen Wünschen gefragt wird.
b) Der Service erkundigt sich nach dem
persönlichen Befinden des Gastes.
a) dass regional unbekannte Speisen auf einem Kärtchen
bezeichnet und gegebenenfalls erklärt werden;
b) dass mindestens eine Speise Edelfisch oder Krustentiere
wie Hummer oder Languste enthält;
c) dass Speisen, die nicht jeder essen dar f oder verträgt,
weil sie zum Beispiel Alkohol oder Allergene enthalten,
gekennzeichnet werden;
d) dass Servierplatten frisch belegt werden,
sobald sie halb leer sind.
Richtige Antwor ten: 1 a, b; 2 a, c; 3 b, c; 4 a, c; 5 b, d; 6 a, b; 7 a, b; 8 b, c
26
⯣ Am Büfett. Ein sehr gutes Restaurant erkenne ich daran,
FOCUS 18/2011
Foto: Inter foto
⯠ Essen im Hotel-Restaurant: Was ist in einem
kann ich erwarten,
a) dass mir die Drink-Spezialität des Hauses angeboten
und gegebenenfalls erklärt wird;
b) dass alle Getränke spätestens fünf Minuten nach
der Bestellung serviert werden. Ausnahme: Pils;
c) dass Weinflaschen am Tisch geöffnet und in
Sichtweite des Gastes gekühlt werden;
d) dass zu Alkoholika „on the rocks“ zusätzlich
Eis separat gereicht wird.
.
o
f
n
i
s
r
h
e
k
r
e
V
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iE n Leben lang!
⯤ Nach dem Essen: Ein Gast verlangt Heu-Tee, den man im
Haus nicht serviert. Eine Top-Bedienung würde niemals . . .
a) . . . nachfragen, ob sie die Bestellung richtig verstanden hat;
b) . . . eine Nachfrage einfach mit nein beantworten. Stattdessen
bietet er Alternativen an. Etwa: „Wir haben Hibiskusblüten-,
Zitronenmelisse- und Salbeitee.“
c) . . . sich erklären lassen, wie und wo man dergleichen trinkt;
d) . . . versäumen, etwas Drittes anzubieten. Zum Beispiel
Espresso oder einen Digestiv.
⯥ Himmlisch! Nach dem Essen in die Kissen sinken.
Auf dem Zimmer kann der Gast erwarten,
a) einen Fernseher vorzufinden, auch wenn der Rest
im Stil Louis XIV eingerichtet ist.
Mindestbildschirmgröße: 28 Zoll;
b) dass ihm der Service unaufgefordert erklärt,
wie die Klimaanlage funktioniert und wo sich Minibar
und Zimmersafe befinden;
c) dass die Übergardinen auch bei Tag ein vollständiges
Abdunkeln des Zimmers ermöglichen;
d) dass die Wände mit mindestens einem ansprechend
gerahmten Bild geschmückt sind.
vteq Traffic ,
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⯦ Standard im Bad: Bademantel, Pantoffeln und exklusive
Produkte zur Körperpflege. Als Tüpfelchen auf dem i . . .
a) . . . eine Chromablage, mit deren Hilfe der Gast in der Wanne
ein Buch schmökern oder noch ein Glas trinken kann;
b) . . . Blumenschmuck. Egal, ob echt oder aus Seide;
c) . . . einen Lockenstab oder entsprechenden Föhnaufsatz
für die Damen;
d) . . . einen Duschvorhang, der auch nass nicht durchsichtig wird.
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a)
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c)
d)
ein Wasserkocher
ein Bügelbrett
ein mindestens schulterbreiter Garderobenspiegel
eine Bibel
■
ELLEN DANIEL
FOCUS 18/2011
* Berechtigt den Nutzer zu jährlich bis zu vier Updates des Kartenmaterials und den Empfang von Verkehrsinformationen, solange er sein Navigationsgerät in Gebrauch hat oder Garmin Kartenupdates für dieses Datenformat
anbietet, bzw. die Partner von Garmin Verkehrsinformationen anbieten, je nach dem was zuerst eintritt,27
längstens
jedoch für die Dauer von dreißig Jahren. Das Recht ist weder auf eine andere Person noch auf ein anderes Garmin
Produkt übertragbar. Beachten Sie bitte die vollständigen Nutzungsbedingungen unter www.garmin.de
REISE SPEZIAL
Der Traum von Timbuktu
Ein Sammelbildchen mit Kamel,
Beduine und der Aufschrift
„52 Tage bis Timbuktu“ hat
Wolfgang Stoephasius als Schüler
sehr beeindruckt. 2001 erfüllt
er sich diesen Reisetraum
Der Ländersammler
Afghanistan, Sudan, Tibet: Wolfgang Stoephasius sammelt Einreisestempel wie andere Leute
Facebook-Freunde. Der Münchner gilt als deutscher Rekordhalter im Vielreisen
A
fghanistan ist das letzte Land auf
der langen Liste des Wolfgang
Stoephasius. Ende vorigen Jahres
hat er die Städte Masar-i-Scharif und Balch
im Norden besucht und damit sein ganz persönliches Ziel erreicht: Er hat alle 192 Länder bereist, die von den Vereinten Nationen
offiziell anerkannt werden. „Schon schön“,
sagt der Münchner. „Aber ich sammle nicht
nur, ich reise auch gern.“
Stoephasius ist ein Ländersammler. Auch
das ist ein Hobby. Auf der internationalen
Weltreisenden-Website „Most Traveled People“ steht der 69-Jährige auf Platz Nummer
zwölf von derzeit 91 Extrem-Travelern. Die
zählen für ihr Ranking nicht nur Länder, sondern auch Regionen, autonome Territorien,
Inseln und Provinzen. Insgesamt sind es
28
873 Destinationen. Stoephasius hat davon
664 bereist. Damit gilt er als der am weitesten gereiste Deutsche.
Auf den vorderen Plätzen des Traveler-Rankings versammeln sich vor allem amerikanische Millionäre, die mit Hubschraubern und
Privatjets unterwegs sind. „Was die machen,
ist zum Teil ganz schön albern“, meint der deutsche Meister in der Disziplin Vielreisen. „Die
landen mit dem gecharterten Flugzeug kurz in
der Antarktis, machen ein Foto und haken das
Ziel ab.“ Darum geht es ihm nicht. Stolz auf
seinen zwölften Platz ist er dennoch.
Stoephasius ist pensionierter Kriminalbeamter, er wohnt mit seiner Frau Renate in einer 3-Zimmer-Wohnung im Münchner Stadtteil Schwabing. Ein Auto besitzt er nicht,
dafür elf zugestempelte Reisepässe und
Wände voller Fotos: Stoephasius im pakistanischen Peschawar mit einem Paschtunenprinzen. Auf dem Bounty-Meuterer-Eiland Pitcairn mit der Inselpolizistin. Zwischen zwei
lachenden Mädchen an der tibetisch-nepalesischen Grenze. „Ich lerne gern Menschen
kennen“, sagt er. „Die Sehenswürdigkeiten
vergisst man ja doch schnell.“
Das blaue Grabmal des Kalifen Ali, das er
vom Balkon des „Barat-Hotels“ in Masar-i-Scharif aus sehen konnte, hat ihn aber doch beeindruckt. Das sei eine der schönsten Moscheen
der Welt – der Mann muss es wissen.
Meist ist er mit Ehefrau Renate unterwegs,
nur die gefährlichen Gegenden bereist er
allein. Den Sudan zum Beispiel, Äquatorialguinea, Nairobi oder Caracas, zuletzt Afghanistan. Dann steckt ein kleiner SchutzFOCUS 18/2011
engel aus Porzellan im Trolley-Koffer und ein
Liebesbrief.
Passiert ist bislang nichts, obwohl – oder
vielleicht gerade weil – Stoephasius mit kleinem Budget jenseits der Touristenpfade unterwegs ist. „Ich fahre öffentlich und schlafe in Hotels, in denen auch Einheimische
sind.“ Zweimal wurde ihm in Südamerika
die Kamera gestohlen.
Aber was treibt ihn fort? „Ja mei“, sagt er.
„Die Welt ist halt überall so schön.“
Zu seiner ersten Reise brach Stoephasius
1947 auf – als Fünfjähriger im schlesischen
Landeshut. Er wollte seinen Vater in englischer Kriegsgefangenschaft besuchen. Am
Bahnhof fing die besorgte Mutter den Ausreißer wieder ein.
Als Schüler trampte er dann von Passau
an den Chiemsee, als Azubi kreuz und quer
durch Deutschland. Später kaufte er sich einen alten R4 und bereiste mit seiner Familie
Europa. Dank vieler Überstunden und wohlmeinender Mitarbeiter, die ihm lange Urlaube ermöglichten, blieb auch als Hauptkommissar noch Zeit für das aufwendige Hobby.
Zum Dank organisierte er Gruppenreisen für
die Kollegen.
Seit seiner Pensionierung ist Stoephasius
bis zu zehn Monate im Jahr unterwegs, seine Trips dauern zwischen zwei Wochen und
knapp fünf Monaten.
Sein liebster Ort? „München. Reisende
brauchen eine Heimat.“ Denn ohne Wurzeln
sind Erfahrungen nichts wert. Man braucht
einen Ort, an dem man die Fotos aufhängen und die Andenken drapieren kann. Und
Menschen, denen man seine Geschichten
erzählen kann.
Darüber, wie schön Zentralasien ist 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetherrschaft. Wie
schnell ein paar Worte in der jeweiligen Landessprache Türen öffnen. Und wann ein Bilderwörterbuch weiterhilft. Warum es einfach
zu gefährlich ist, über Land nach Kabul zu fahren, auch wenn die Afghanen „so nette Leute
sind“. Wie schwierig es ist, einen Leopard zu
beobachten. Wie Hammelhoden schmecken.
Nämlich total bitter. „Da sind mir Heuschrecken lieber“, erzählt der Münchner.
Und als Nächstes? New York, zum zehnten
Mal. Natürlich nicht Manhattan, viel zu teuer.
In Queens kosten die Hotelzimmer nur
80 Dollar, und die Subway braucht gerade
mal 20 Minuten bis zum Times Square.
Danach eine Woche Bermudas – da war
■
er noch nicht.
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BARBARA JUNG
FOCUS 18/2011
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REISE SPEZIAL
»Mubarak war
ein Gauner«
Der ägyptische Investor Samih Sawiris ist ein Spezialist
für Riesen-Resorts. Das bekannteste ist „El Gouna“ am
Roten Meer, aber nun baut er in den Schweizer Bergen
Sind Sie ein Mann fürs Große, Herr Sawiris?
Mein Geschäft bedingt die Größe, ich suche
sie nicht.
Sie bauen Städte für Touristen.
„El Gouna“ am Roten Meer in Ägypten
umfasst 36,8 Millionen Quadratmeter,
Ihr neuestes Projekt im schweizerischen Andermatt 1,44 Millionen
Quadratmeter. Kleiner geht es nicht?
Alles, was in der Schweiz stattfindet, ist
zehnmal teurer als in Ägypten, also haben
wir die kritische Masse da schon erreicht.
Das Land in „El Gouna“ haben wir erst in
50, 60 Jahren überbaut.
Was verspricht denn die Größe dieser
Resorts Ihren Gästen? Sicherheit? Luxus?
Oder schlicht Schutz vor Langeweile?
Es ist eine Kombination von allem. Wir
forcieren eine Entwicklung, die die Gäste
langfristig immer wieder in unsere Anlagen
lockt. Ein Resort, in dem nur reiche Leute
wohnen, ist stinklangweilig. Selbst die
Reichsten brauchen um sich herum Leute,
die sie beeindrucken können. Also entscheidet die Mischung aus Alter, Einkommen, Nationalität. Kommunismus wollen wir nicht.
Stimmt es, dass Sie weltweit immer
mehr dieser künstlichen Lebenswelten
bauen wollen? In Oman zum Beispiel?
Wir sind dabei, ja. Ich finde das Wort „künstlich“ aber unfair. Warum ist eine Stadt, die
noch jung ist, künstlich, und eine Stadt,
die Potemkin vor mehr als 200 Jahren gebaut hat, nicht? Neues braucht Zeit, um
von der Künstlichkeit zur Natürlichkeit zu
gedeihen.
Und was stimmt Sie so zuversichtllch,
dass aus einem früheren Militärstützpunkt
im Kanton Uri eine „Mega-Destination“
30
Der Alpen-Pharao
Samih Sawiris, 54
Als Kind ging er auf die Deutsche
Evangelische Oberschule in Kairo,
später hat der Ägypter Wirtschaftsingenieurswesen an der TU Berlin
studiert. Deswegen spricht Sawiris
fließend Deutsch. Zweimal wurde
seine Familie – Vater Onsi ist ein reicher koptischer Unternehmer –
enteignet. Heute wird das Vermögen
der Sawiris’ auf 20 Milliarden
Dollar geschätzt. Samih Sawiris führt
den Bau- und Hotelkonzern Orascom, der mittlerweile seinen Hauptsitz in der Schweiz hat und dort
börsennotiert ist. Er ist unter anderem Begründer des Resorts „El
Gouna“ (o.) bei Hurghada. Zurzeit
baut er das größte Tourismusprojekt
der Schweiz, „Andermatt Swiss
Alps“ (r.), in dem neben Hotels auch
Apartments und Ferienhäuser
im „Alpine Chic“ entstehen.
FOCUS 18/2011
INTERVIEW: STEFAN RUZAS
FOCUS 18/2011
31
Foto: M. Ruetschi/dpa
werden kann, mit 850 Hotelzimmern,
490 Apartments, 20 Villen und
Luxushotels wie dem „The Chedi“?
Die Erfahrung. Ich habe so etwas schon
fünfmal gemacht, ich weiß, wie es geht.
Und ich habe alle Fehler schon gemacht.
Manche sogar zweimal.
Sie sind Ägypter, ein sehr reicher. Es
gibt Landsleute, die seit der Revolution
um ihr Vermögen bangen. Sie auch?
Warum sollte ich? Meine Familie hat nie Geschäfte mit der Regierung von Hosni Mubarak gemacht. Dank Unternehmern wie uns
hat Ägypten heute jährlich 14 Millionen Touristen. Aber Mubarak und seine Leute waren
nicht in unseren Hotels. Schon mein Vater
hat immer gesagt: Hände weg vom Staat!
Ihr Bruder Naguib, auch er Unternehmer,
hat die „Partei der freien Ägypter“
gegründet. Sind Sie schon Mitglied?
Natürlich bin ich schon Mitglied. Mit mir
sind es schon mehr als 25 000.
Mubarak und seine Söhne
wurden Mitte April festgenommen.
Wie korrupt war er denn?
Wenn ich ihn mit Ben Ali aus Tunesien
vergleiche, war er weniger schlimm, verglichen mit Angela Merkel war er ein Gauner.
Wenn jemand auf Staatskosten für sich und
seine Familie sechs Flugzeuge unterhält,
ist das aus europäischer Sicht Korruption.
Die größte Korruption war der willkürliche
Versuch, Mubaraks Sohn mit manipulierten
Wahlen an die Macht zu bringen.
Und das Geld? Zwischen 40 und
70 Milliarden Euro sollen
im Besitz der Mubaraks sein.
Ich halte das für Gerede. Meine Familie
zum Beispiel ist zu sehr in der ägyptischen
Wirtschaft involviert, um das übersehen zu
haben. Wir hätten nie so viel in Ägypten
investiert, wenn wir das Gefühl gehabt hätten, dass die Mubaraks überall ihre Finger
im Spiel gehabt hätten. In Ägypten gab es
definitiv keine tunesischen Verhältnisse.
Mubaraks Söhne waren bei all ihrer Korruption vergleichsweise bescheiden.
Nachvollziehbar, dass Deutsche ihren
Urlaub zurzeit lieber auf den Kanaren
verbringen statt in Ägypten?
Nein. Die Unruhen während der Revolution
haben maximal 15 Tage gedauert, und sie
waren in den Städten. Ich würde verstehen, wenn Deutsche nicht nach Kairo wollen, aber an den Stränden oder in Luxor,
■
da hat sich nichts verändert.
REISE SPEZIAL
Träumen auf Bäumen
Urlauber nächtigen in luftiger Höhe
Reise-Trends 2011
Die Deutschen geben so viel Geld für Urlaub aus wie schon lange nicht mehr.
Dafür wollen sie vor allem individuelle Angebote – und weniger Masse
Kleine Könige
Anbieter erfinden den Familienurlaub neu
Urlaub soll ja die schönste Zeit des Jahres sein, und zwar
für alle. Dass Familienhotels mit Nonstop-Kinderbespaßung,
Limo-Springbrunnen und Arschbombenwettbewerb am Pool
nicht jedermanns Sache sind, hat die Reisebranche jetzt
auch mitbekommen. Und eine regelrechte Offensive gestartet: TUI bringt mit „Best Family“ ein neues Konzept auf den
Markt, Neckermann hat seine Kinderbetreuung ausgebaut,
der Sprachreisenanbieter LAL bietet ein Programm für Familien, und FTI hat eine Online-Community für Eltern gegründet.
Eltern-Kind-Reiseanbieter wie Vamos berichten ebenfalls von
der wachsenden Nachfrage, vor allem bei pädagogischen
Produktlinien wie „Kleine Abenteuer“.
Selbst Luxusanbieter werben offensiv mit Kinderfreundlichkeit: Immer öfter bieten 5-Sterne-Häuser EdutainmentWochen, Kids-Stadtführungen – oder Zimmer mit Waschbecken für Minis (Foto: Märchenhotel Bellevue, Schweiz). ■
32
Fotos: A. Jardine, laif
Goethe mag Recht haben, dass über allen Wipfeln Ruh ist,
aber direkt darunter tut sich eine ganze Menge. Ein UrlaubsHighlight für Reisewütige auf der Suche nach dem besonderen Erlebnis sind naturverbundene Tage und Nächte in
Baumhäusern. „Zu uns kommen viele Besucher auf der
Suche nach Kindheitsträumen“, berichtet Michael Bachmann
von „Wipfelglück Baumhaushotels“. Seit Anfang April betreibt
Bachmann sieben Baumhäuser in Rosenberg (Ostalbkreis),
Anfang Juni kommen vier weitere in Markt Mönchberg
(Spessart) hinzu. Exotisch geht es in anderen BaumhausRegionen der Welt zu. In Costa Rica lässt sich der Rumpf
einer Boeing 727 hoch in den Wäldern bewohnen, in
Schweden ein riesiges Vogelnest-Haus. Dabei ist es egal,
ob das Quartier in heimischen Kieferwäldern oder am
Amazonas steht – Kindheitsträume sind universell
(Foto: Design-Baumhaus in Groß Ippener, Niedersachsen). ■
Voller Leben. Frisch im Denken. Und sich für kein
Abenteuer zu fein. Besser könnte Ihr Begleiter
gar nicht gebaut sein? Dann nichts wie ran an den
Splash. Neben verbrauchs- und emissionsarmen
Motoren* und einer guten Rundumsicht dank seiner
hohen Sitzposition bietet er ab Ausstattungslinie
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ESP®1 sowie ISOFIX-Kindersitzbefestigung und
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Wenn das kein Kleinwagen fürs Leben ist!
Finca statt Hotel
Warum Ferienhäuser wieder beliebt sind
Was lange als piefig galt, „könnte jetzt kaum besser laufen“,
schreibt das Branchenmagazin „touristik aktuell“: Die Anbieter von Ferienhäusern und Apartments freuen sich über zweistellige Wachstumsraten. Zum einen entspricht der Urlaub
in den eigenen vier Wänden dem Wunsch nach mehr Individualität. Zum anderen haben die Anbieter ordentlich investiert: Wer eine Finca bucht, kann
sich fast überall darauf verlassen,
dass die Küche ordentlich ausgestattet ist und keine Ameisenstraße durchs Badezimmer führt.
Und wer ein bisschen in den
Reisekatalogen blättert, findet
wahre Perlen: In Norwegen werden Wasserhäuser vermietet, an
der nordbretonischen Küste ist
ein Kapitänshaus mit atemberaubender Aussicht im Angebot,
und in der Mecklenburgischen
Schweiz kann man ein Schloss
bewohnen. Auch Städtereisende
buchen häufiger Apartments –
Paris fühlt sich in der eigenen
Wohnung einfach viel authenti■
scher an (Foto: La Réserve).
FOCUS 18/2011
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CO2-Ausstoß kombiniert 119 – 133 g/km (VO EG 715/2007).33
REISE SPEZIAL
Chiles Charme
Das Ranking der NYT
Chillen in Sankt Wolfgang
Österreich ohne Jodelbarock
Sie mögen die Alpen, können Ihre Abneigung gegen Zirbelholz und Goldputten aber nicht überwinden? Kein Problem: Zwischen Karwendel und Südtirol geben sich immer
mehr alteingesessene Hotels ein modernes Gewand. So
das „Cortisen am See“ (Foto oben). Wer hier am Ufer des
Wolfgangsees ausspannt, tut das garantiert ohne alpinen
Jodelbarock. Die eklektisch-bunten Zimmer und Suiten
wirken, als hätte Frida Kahlo bei der Renovierung die Hände im Spiel gehabt. Junge Gäste sind erst ab zwölf Jahren
willkommen, was das „Cortisen“ zum Hideaway für Wellness-Fans und Gourmets macht. Noch luxuriöser geht es
im „Kristiania“ in Lech am Arlberg zu. Hier kann man residieren wie in einer Lodge in den Rocky Mountains: Limousinen- und Helikopterservice ganzjährig eingeschlossen.
Das sind viel versprechende Versuche, Österreich ohne
Skier auch für jüngere Erwachsene attraktiv zu machen. ■
Die „New York Times” kürt in ihrer
„Places to go“-Liste alljährlich
ungewöhnliche Orte zu lohnenden Reisezielen. Sieger 2011
ist ausgerechnet Santiago
de Chile. Die Hauptstadt des
Andenstaates galt neben
Metropolen wie Buenos Aires
lange als langweilig. Vor einem
Jahr zerstörte zudem das
schwere Erdbeben etliche
historische Gebäude. Doch
heute blüht das kulturelle
Leben wie nie zuvor: Im Centro
Gabriela Mistral, einem
kubischen Bau aus Glas und
Stahl, haben Tanz, Theater und
Konzerte ein neues Zuhause.
Anspruchsvolles Design hält
Einzug in Hotels und Restaurants. Santiago de Chiles
spezieller Charme zieht immer
mehr Touristen an. Die Liste der
„New York Times” enthält weitere
Überraschungen: Auf dem
vierten Platz steht das bankrotte Island, das mit günstigen
Preisen lockt. Auch Georgien
ist auf dem sechsten Platz
unerwartet gut platziert. Eine
Reise wert sind vor allem die
Skigebiete des Landes, die zu
einsamen Abfahrten einladen
(Foto: Plaza de Armas in
■
Santiago de Chile).
Bloß nicht auffallen
Reiseführer für Undercover-Touristen
Fotos: W. Stadler, Studio X, LOOK-foto
Es gibt Urlauber, die sich am wohlsten fühlen, wenn sie
mit Shorts, Schlappen, Fotoapparat und einem bunten
Reiseführer in der Hand vor den Sehenswürdigkeiten dieser
Welt stehen. Und solche, die in New York ebenso als
coole Einheimische durchgehen wollen wie in Paris, Barcelona, Rom oder in der Trendmetropole Istanbul. UndercoverTouristen sozusagen. Für diese Klientel hat der Kunth Verlag
eine neue Reiseführer-Serie herausgebracht: Die Banderole
lässt sich abnehmen, dann sehen die handlichen Guides
■
aus wie einfache Notizbücher.
FOCUS 18/2011