Gärtner des Chic

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Gärtner des Chic
Gärtner des Chic
GARTENKUNST Seit vier Jahren zeigen die Lederleitners,
ein Traditionsbetrieb aus Niederösterreich, den Wienern unter
der Börse das Gärtnern. Jetzt eröffnet Markus Lederleitner in der
Orangerie des Schlosses Laxenburg eine weitere Edelgärtnerei.
Zwitschernde Vögel, ein laues Frühlingslüftchen, ein Garten voll
knospender Gewächse, duftender Kräuterstauden und winziger
Setzlinge. Edle Töpfe, Tröge, Modehunde und gefakte Antike aus
Ton, rosenumrankte Spaliere, mediterrane Palmen, teure
Gartentische und -bänke aus Edelholz, dahinter zwei riesige alte
Gewächshäuser. In der Orangerie des Schlosses, nur zwanzig
Autominuten von Wien entfernt, dort, wo bis Ende der
Achtzigerjahre ein Bildhauer sein Atelier hatte, eröffnete Markus Lederleitner am 11. April
2003 seinen neuesten Gartenbaubetrieb. Und da der Lederleitner mittlerweile in Wiens
Schickimicki-Szene als die Institution in Sachen Gartendesign und Gartenkultur gilt, werden
die Fans dem Trendgärtner auch hierhin folgen. Und sich vorkommen wie zu Kaisers Zeiten,
als die Pflanzen der Sommerresidenz hier überwintern durften. Die neue Gärtnerei liegt
inmitten einer ästhetisch perfekten Umgebung, alles ist stylish, historisch und stimmig.
Abgesehen vielleicht von dem hässlichen Siebzigerjahre-Bau nebenan. Aber sogar der wird
demnächst hinter jungem Laub verschwinden.
Ursprünglich stammen die Gärtner des Chic aus Atzenbrugg in Niederösterreich. Ein
alteingesessener Gartenbaubetrieb, in dem Markus Lederleitners Familie seit Generationen
Pelargonien, Rosen und Nelken züchtete, Obst und Gemüse anbaute und veredelte. Ein
mittelständischer Nahversorger von vielen. Mittlerweile ist der Lederleitner ein Großbetrieb,
der über den österreichischen Gartenzaun hinaus bekannt ist.
"Mit 20 Jahren nimmt man sich nicht vor, Unternehmer zu werden, da gab es keine
strategische Planung", erzählt Lederleitner junior, treibende Kraft hinter dem blühenden
Geschäft. Irgendwie waren ihm Pelargonien, Rosen, Nelken und das andere Gemüse zu
wenig. Er beschäftigte sich mit Gartengestaltung, machte sich einen Namen als "junger
Wilder" unter den Grünplanern, und dann waren da auf einmal eine ganze Reihe neuer
Betriebe: die traditionelle Gärtnerei in Atzenbrugg - sie wird von Lederleitners Eltern geführt , eine Gartengestaltungsfirma, ein Versandhaus, Geschäfte für Gartenmöbel und Steine,
eine Orangerie in Krems oder der Schnittblumen-Mitnehmshop Bloom bei der Wiener
Staatsoper.
Vor vier Jahren hat sich Markus Lederleitner entschlossen, den Familienbetrieb, in den auch
Ehefrau und Schwester eingebunden sind, um eine Filiale in der Bundeshauptstadt zu
erweitern. Ausgerechnet im Souterrain der Wiener Börse wurde ein Standort gefunden, den
man aufwendig zu einer 1000 Quadratmeter großen Römischen Markthalle ausbaute. Eine
Gärtnerei im ersten Bezirk, noch dazu unter der Erde und in einem eher ruhigen Teil der
Innenstadt, der Samstagmittag - dem Lieblingseinkaufstag der Gartenfreunde - eigentlich
ziemlich ausgestorben ist: "Marktforscher hätten uns sicher davon abgeraten, gerade an
diesem Ort ein Geschäft zu eröffnen", sagt der Niederösterreicher. Marktforscher wurden
jedoch nicht gefragt: "Man braucht eben ein gewisses Maß an Intuition und Vision, wenn
man so etwas Großes auf die Beine stellen will." Gemeinsam mit dem Gastronomen Leo
Doppler wurde das schicke Restaurant Hansen (benannt nach dem Architekten des BörseGebäudes) integriert, und - ein Wunder oder auch keines - beide Betriebe funktionieren.
Nicht nur an Samstagen schieben sich Wiener Dachterrassenbesitzer und potenzielle
Heimdekorierer durch die bis obenhin angeräumte Säulenhalle. Zwischen riesigen
Topfpflanzen, cool kombinierten Schnittblumen, Gartendesignstücken und -möbeln ist man
auf der Suche nach ungewöhnlichen Ideen, wie gärtnerische Produkte am kreativsten
arrangiert werden können. Und kaum jemand geht, ohne etwas gekauft zu haben.
Ob die schnelle "flower to go" bei der Oper oder die hippe
Markthalle unter der Börse, in der Floristen wie Boutiquenverkäufer
die neuesten Blumentrends kennen und auch vermitteln können Markus Lederleitner hat offenbar die Zeichen der Zeit erkannt.
Glaubt man Auskennern, ist Gartendesign jetzt nämlich das ganz
große Ding. Nach "Modern Living", "Home Decorating" oder
"Cooking", die in Großbritannien ihren Ursprung haben und mittels
TV-Programmen, opulenten Büchern und hochglänzenden
Fachzeitschriften auch nach Resteuropa überschwappen. Das
Leben mit Schürze und Gartenschere gehört jetzt einfach zum
Lifestyle der oberen Zehntausend, genauso wie zuvor Kochen mit
dem Naked Chef oder Wohnen mit Designermöbeln. Gärtnern
gehört auch in Österreich zum Freizeitvergnügen jener, die über
genügend Freifläche, Freizeit und das nötige Kleingeld verfügen,
wie z.B. Prince Charles - der britische Thronfolger zählt zu den prominentesten GardeningAficionados. Alle anderen müssen jetzt eben neidblass zuschauen oder ein bisschen von der
Dachterrasse träumen.
Markus Lederleitner war zur richtigen Zeit am richtigen Standort. "Das passiert einfach",
beschreibt er den Aufbau seines Grünzeug-Imperiums, angeblich ganz ohne Businessplan.
Auch wenn beispielsweise die Bloom-Idee lautete, weitere Geschäfte in gut frequentierten
Geschäftsstraßen zu eröffnen, treibe ihn eigentlich nichts, sagt der Gärtner, der sonst "ein
recht ungeduldiger Mensch" ist, wie er sich selbst beschreibt. "Wir sind ja nicht Starbucks
oder McDonald's, die jede Woche irgendwo eine neue Filiale eröffnen müssen."
Baumwipfel und Barockkirche statt Businesspark und Bundesstraße: Gartengroßmärkte sind
woanders. Cooles Gartendesign aber ebenfalls. Lederleitner in der Orangerie von Schloss
Laxenburg soll gärtnerischer werden als zum Beispiel der schicke Betrieb in der Wiener
Börse; handwerklicher und erdiger. Coole verzinkte Stahltröge oder neonfärbige
Gartenmöblierung werden in Laxenburg deshalb eher nicht zu finden sein. Die würden dem
Rahmen nämlich nicht gut tun, meint Lederleitner, hier solle alles Charakter haben,
authentisch und ehrlich sein. Und natürlich werden schöne Pflanzen in so einer schönen
Umgebung nicht in irgendwelchen unschönen Plastiktöpfen verkauft, sondern in
altmodischen tönernen. In Nordafrika haben die Lederleitners Produzenten gefunden, die die
teuren Töpfe billig produzieren - nach alten Mustern aus österreichischen Bauerngärten.
Neben Zierpflanzen, edlen Gartenmöbeln, Hecken, Stauden und Bäumchen liegt
Lederleitners grüner Daumen im Schlosspark darum vor allem auf alten Pflanzensorten,
beispielsweise auf der an ätherischen Ölen reichen, duftenden Raublattpelargonie. Nicht nur
bei den Blühern haben sich die Gärtner aus Niederösterreich in alten Bauern- und
Schlossgärten auf die Suche nach historischen Sorten gemacht, sondern auch so genannte
Nutzpflanzen sollen in der Orangerie ihr Revival erleben und "artgerecht" gehalten werden.
Das ist übrigens ein Weg, der auch in der biologischen Landwirtschaft seit einiger Zeit
gegangen wird. Längst verschollen geglaubte Obst- und Gemüsesorten werden nun in den
Laxenburger Beeten als Setzlinge angeboten. Zum Beispiel Paradeiser, die noch so richtig
altmodisch nach Paradeiser schmecken sollen und resistenter sind gegen Schädlinge als
neue Sorten. "Ich möchte bei den Leuten auch die Lust auf einen Gemüsegarten wecken",
sagt der Gartengestalter. Ein Gemüsebeet sei nämlich überhaupt nicht so wahnsinnig
aufwendig. "Die Leute investieren oft sehr viel Energie und Zeit in Fitnesstraining oder
Wellnesskuren, dabei bietet so ein Gemüsegarten sehr viel mehr Erholung und
Entspannung."
Auch wenn es zu seinem Job gehört, anderen Menschen dabei zu helfen, ihren Garten oder
ihre Dachterrasse mit passenden Pflanzen und Möbeln auszustatten: Für Lederleitner ist ein
Garten mehr als eine Grünfläche, in die man sich sonntagnachmittags zum Kaffeetrinken
hineinsetzen kann. "Es ist vor allem ein sehr kraftvoller Ort. Seinen Gemüsegarten zu
beobachten, zu sehen, was sich da übers Jahr so alles tut, das
bekommt in unserer heutigen schnellen Zeit einen ganz
besonderen Stellenwert."
Wenn alles klappt bis zur Eröffnung, wenn die Glashäuser
bestückt und alle Beete und Rabatten bepflanzt sind, dann wird
vor der Orangerie in Laxenburg auch wieder eine Wasserfontäne
aus dem kreisrunden Teich mit Seerosen und Lotusblüten
emporsteigen. Einfach, weils dazugehört und weil der Teich
historisch immer schon da war, sagt der Gartenkultivist. "Das ist
dann auch keine Verkaufsfläche, Seerosen gibt es zwar bei uns,
aber sie werden woanders angeboten. Teich und Fontäne sind
ausschließlich fürs Auge da." Damit ein Besuch in der alten
Orangerie zum Gesamtgenuss wird, ist auch eine kleine Gastronomie geplant. So wie im
Lederleitner-Stammhaus in Atzenbrugg, wo es den angeblich besten Kuchen der Welt zum
Kaffee gibt. "Wir wollen in der Orangerie keine Erlebnisgastronomie, aber wir brauchen auch
hier jemanden, der den besten Kuchen der Welt macht."
Natürlich will Markus Lederleitner, der "Gott sei Dank nicht in Wien" lebt, sondern in einem
niederösterreichischen Idyll, nicht dass Wiener Dachterrassen oder Hinterhof-Oasen zu
blühenden Bauerngärten umgestaltet werden: "Es muss auch hier passen und stimmig sein."
Und auf urbanen Dachterrassen würden verzinkte Metallkübel, reinsortig bepflanzt mit
Lavendel oder Thymian, dann doch besser aussehen als historische Pelargonien im
tönernen Bauerngschirrl.
Aber sowas muss einem schließlich auch erst mal jemand erklären.
Orangerie Laxenburg, Schlosspl. 2, 2361 Laxenburg, Tel. 02236/71
06 43, Mo-Fr 9-18, Sa 9-17 Uhr (ab 11.4.); Römische Markthalle, 1.,
Schottenring 16, Tel. 532 06 77, Mo-Fr 10-20, Sa 9-17 Uhr,
www.lederleitner.at