Umsatzsteuer-Rundschreiben — Ausgabe 05/2015

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Umsatzsteuer-Rundschreiben — Ausgabe 05/2015
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Flick Gocke Schaumburg
Umsatzsteuer-Rundschreiben — Ausgabe 05/2015
UmsatzsteuerRundschreiben
In dieser Ausgabe
Editorial
Gesetzgebung
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Steueränderungsgesetz 2015 verabschiedet . . . . . . . . . . . . 2
„Steueränderungsgesetz 2015“: endlich wieder ein unmissverständlicher Titel. Schluss mit Zollkodexanpassungsgesetz oder Protokollerklärungsumsetzungsgesetz. Für die
Umsatzsteuer enthält das Gesetz einen neuen § 2b, der die
(Nicht-)Besteuerung der öffentlichen Hand unionsrechtskonform umsetzen soll. Dem Einen ist das zu wenig, dem
Anderen zu viel. Es wird sich zeigen, wie der Versuch einer
Definition des Nichtvorliegens von Wettbewerbsverzerrungen auszulegen und abzugrenzen ist. Die ewige Diskussion
um ein Zurückdrängen der wirtschaftlichen Betätigung der
öffentlichen Hand wird dadurch nicht beendet.
Rechtsprechung
Verkäufe auf eBay – Unternehmereigenschaft . . . . . . . . . 2
Ortsverlagerung bei Sendungen von geringem Wert
(Schuldner der EUSt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Strohmann als leistender Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Keine Rückwirkung bei Vorlage der berichtigten
Rechnung erst nach Ergehen der
Einspruchsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Keine AdV trotz Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
des § 27 Abs. 19 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
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Kein Anspruch des Leistungsempfängers auf
Erstattung nicht geschuldeter Umsatzsteuer. . . . . . . . . . . 4
Verwaltungsanweisungen
Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen
Steuerbetrags. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Ansprechpartner / Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Für den mehr als gelegentlichen eBay-Verkäufer, der sich
noch nicht als „Power Seller“ geoutet hat, wird es brenzlig.
Nicht zum ersten Mal hat der BFH den Begriff der nachhaltigen Tätigkeit zur Begründung der Unternehmereigenschaft allein an der Nutzung moderner Vermarktungsmaßnahmen festgemacht.
Unabhängig von der höchstrichterlich noch zu klärenden
Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG, scheint sich in
der Rechtsprechung abzuzeichnen, dass der noch nicht verjährte Anspruch des bauleistenden Unternehmers gegen
den Bauträger auf USt-Zahlung an den Fiskus zur Auszahlung von dessen Erstattungsanspruch abgetreten werden
kann. Damit reduziert sich das Risiko des Fiskus auf Fälle
der Insolvenz des Bauunternehmers und die Erstattung der
Zinsen für zu Unrecht gezahlte USt des Bauträgers.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.
Ihr FGS Umsatzsteuer-Kompetenzteam
UmsatzsteuerRundschreiben
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Flick Gocke Schaumburg
Umsatzsteuer-Rundschreiben — Ausgabe 05/2015
Gesetzgebung
Rechtsprechung
Steueränderungsgesetz 2015
verabschiedet
Verkäufe auf eBay —
Unternehmereigenschaft
BR-Drs. 418/15
BFH-Urteil vom 12.8.2015, XI R 43/13
Die umsatzsteuerlichen Änderungen betreffen einerseits
den nunmehr normierten Übergang der Steuerschuld auf
den Leistungsempfänger bei Bauleistungen an Betriebsvorrichtungen (entgegen BFH vom 28.8.2014, V R 7/14,
BStBl 2015 II S. 682). Sachen, Ausstattungsgegenstände
und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können,
ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern, werden zu diesem Zweck als Grundstücke angesehen. Somit erhält die bisherige Sichtweise der Finanzverwaltung ihre gesetzliche Grundlage (vgl. den Nichtanwendungserlass des BMF vom 13.5.2015, BStBl. I 2015, 623).
Wer planmäßig, wiederholt und mit erheblichem Organisationsaufwand mindestens 140 fremde Pelzmäntel über
eine elektronische Handelsplattform (z.B. eBay) in eigenem Namen verkauft, wird damit unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig.
Hinzugekommen ist ein neuer § 2b UStG, der die Unternehmereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts unionsrechtskonform umsetzen soll. Vor
allem Beistandsleistungen zwischen kommunalen Einrichtungen werden weiterhin von der Umsatzsteuer ausgenommen, wenn sie auf der Grundlage langfristiger öffentlicher Vereinbarungen zum Erhalt der öffentlichen
Infrastruktur und zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausschließlich gegen Kostenerstattung erfolgen. Der
Gesetzgeber schöpft den sich aus der Rechtsprechung
des EuGH und des BFH ergebenden Rahmen voll aus. Es
bleibt abzuwarten, ob private Unternehmen bei der Vergabe von öffent­lichen Aufträgen benachteiligt werden,
wenn sie bei einem vergleichbaren Leistungsspektrum
einschließlich Umsatzsteuer mit höheren Preisen anbieten
müssen.
Der BFH hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob die
im Streitfall zu beurteilenden Umsätze schon deshalb
steuerbar und steuerpflichtig sind, weil die Klägerin in den
Streitjahren ohnehin als Finanzdienstleisterin Unternehmerin war. Er bezieht sich aber auf die Rechtsprechung des
EuGH, wonach eine natürliche Person, die bereits mit ihrer
Haupttätigkeit als Steuerpflichtiger gilt, für jede weitere,
gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als Steuerpflichtiger i.S. der Mehrwertsteuer anzusehen sei. Daher
sei fraglich, ob an der bisherigen Rechtsprechung des
BFH, festgehalten werden könne, dass Leistungen, die sich
als Nebenfolge einer nicht unternehmerischen Betätigung
ergeben, wie z. B. der Verkauf gebrauchter Gegenstände
aus dem Privatbereich — grundsätzlich als nicht unternehmerisch anzusehen, sofern sie keinen „geschäftlichen Rahmen“ erreichen. Der BFH konnte diese Frage jedoch im
Streitfall offen lassen, da allein die den Gegenstand des
Rechtsstreits bildenden Verkäufe auf eBay zur Überzeugung des Gerichts einen Umfang erlangt hatten, die für
sich eine unternehmerische Tätigkeit begründeten. Zwar
sei die bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen
Inhaber als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen. Allerdings könne hieraus nicht geschlossen werden,
dass der von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verkauf eines Gegenstands, den er seinem Privatvermögen
zugeordnet hat, allein aus diesem Grund nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Ein maßgebliches Beurteilungskriterium dafür, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt,
bestehe darin, dass der Eigentümer aktive Schritte zur
Vermarktung unternimmt, in dem er sich ähnlicher Mittel
bedient, wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleister, z. B.
bewährte Vermarktungsmaßnahmen durchführt. Dass
bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden habe, sei nicht erforderlich.
Ortsverlagerung bei Sendungen von
geringem Wert (Schuldner der EUSt)
BFH, Urteil vom 16.6.2015, XI R 17/13
Liefern Unternehmer Waren aus dem Drittland ins Inland
und kann der Empfänger unter keinen Umständen aus dem
Einfuhrvorgang wirtschaftlich belastet werden, greift grds.
die Ortsverlagerung des § 3 Abs. 8 UStG ein. Somit scheidet eine gänzlich steuerbefreite Lieferung von Waren,
deren Wert innerhalb der 22-Euro-Grenze liegt (§ 1a
EUStBV), aus dem Drittland künftig weitestgehend aus.
Die Ortsregelung des § 3 Abs. 8 UStG ist auch dann
anwendbar, wenn keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt, weil
die Einfuhr umsatzsteuerfrei ist. Voraussetzung für eine
Ortsverlagerung nach § 3 Abs. 8 UStG ist eine zumindest
theoretische Zollschuldnerschaft des Lieferers. Eine solche
ist nicht gegeben, soweit der Lieferer Zollanmeldungen
namens und für Rechnung des Kunden abgegeben hat
(direkte Vertretung iSv Art. 5 Abs. 2, 1. Spiegelstrich Zollkodex). An einer Anmeldung für Rechnung des Kunden
fehlt es, wenn der Vertreter im Innenverhältnis für alle im
UmsatzsteuerRundschreiben
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Zusammenhang mit der Einfuhr stehenden Zölle, Steuern
und Gebühren aufkommt und den Vertretenen insoweit
von allen Verpflichtungen befreit. Somit ist mangels direkter Vertretung der Lieferer Anmelder und damit Schuldner
der Einfuhrumsatzsteuer, was eine Ortsverlagerung iSv § 3
Abs. 8 UStG nach sich zieht.
Weiter führt der BFH aus, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne des § 42 AO
auch auf dem Gebiet der Umsatzsteuer in Betracht
kommt, wenn zum einen die in Rede stehenden Umsätze
trotz formaler Rechtsanwendung einen Steuervorteil zum
Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit den betreffenden Bestimmungen verfolgten Ziel zuwider liefe, und
zum anderen anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich
ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein
Steuervorteil bezweckt wird.
Strohmann als leistender
Unternehmer
FG München, Urteil vom 23.6.2015, 2 K 1691/12
Ein Unternehmer erwarb Gegenstände und veräußerte
diese nach Auffassung des Finanzamtes zu überhöhten
Preisen. Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog der
Erwerber als Vorsteuer ab. Zu einer Besteuerung beim
leistenden Unternehmer, der die Ist-Besteuerung nutzte,
war es im Ergebnis nicht mehr gekommen, nachdem über
dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der leistende
Unternehmer lediglich ein vorgeschobener „Strohmann“
gewesen und insofern zur Ausstellung einer Rechnung im
umsatzsteuerrechtlichen Sinn nicht berechtigt gewesen
sei. Im Übrigen seien die veräußerten Gegenstände zu
einem überhöhten Preis veräußert worden. Die ausgestellten Rechnungen hätten lediglich der Geltendmachung des
Vorsteuerabzugs in überhöhtem Umfang dienen sollen. Da
insoweit Gefälligkeitsrechnungen vorlägen, schulde der
leistende Unternehmer den überhöht ausgewiesenen
Umsatzsteuerbetrag nach § 14c Abs. 2 UStG.
Dieser Argumentation folgte das Finanzgericht nicht.
Auch ein sogenannter „Strohmann“ komme als leistender
Unternehmer in Betracht, wenn er aus dem fraglichen
Rechtsgeschäft zivilrechtlich berechtigt und verpflichtet
ist. Das Entgelt sei selbst dann die maßgebliche Bemessungsgrundlage, wenn es dem objektiven Wert der
bewirkten Leistung nicht entspricht. § 14c Abs. 2 UStG
könne nicht im Wege der Rechtsfortbildung analog angewendet werden, wenn ein Steuerausfall dadurch eingetreten ist, dass dem leistenden Unternehmer die Ist-Versteuerung bewilligt wurde und der Leistungsempfänger nach
Geltendmachung des Vorsteuerabzugs und vor vollständiger Bezahlung der Rechnung insolvent geworden ist. Der
Fall der Angabe einer zu hohen Bemessungsgrundlage in
einer Rechnung sei nicht vom gesetzlichen Tatbestand des
§ 14c UStG erfasst. Wenn der Rechnungsaussteller bezüglich der abgerechneten Leistung Unternehmer ist und die
Leistung tatsächlich ausgeführt wurde, läge kein unberechtigter Steuerausweis vor.
Bei einer Gesamtbetrachtung wirke sich der hohe Verkaufspreis nur deshalb zum Nachteil des Fiskus aus, weil
der Klägerin die Ist-Versteuerung bewilligt worden sei, der
Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus dem höheren ausgewiesenen Entgelt geltend gemacht habe und der
Vorsteuerabzug wegen Insolvenz nicht mehr rückgängig
gemacht werden könne. Diese Gefährdung des
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Steueraufkommens werde nicht vom Sinn und Zweck des
§ 14c UStG erfasst.
Keine Rückwirkung bei Vorlage der
berichtigten Rechnung erst nach
Ergehen der Einspruchsentscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.6.2015, 7 K 7377/11,
Rev. anh. Az. BFH V R 26/15
Die für den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen
erforderliche ausreichende Leistungsbeschreibung muss
sich aus dem Rechnungsdokument selbst oder aus darin
konkret in Bezug genommenen anderen Dokumenten
ergeben. Sie kann nicht durch mündliche Angaben des
Rechnungsempfängers oder des Leistenden oder anderer
Personen ersetzt werden. Die Klägerin hatte je einen Beratervertrag mit einer Anwaltskanzlei und einer weiteren
Gesellschaft geschlossen, ausweislich derer Beratungsleistungen für ein monatliches bzw. vierteljährliches Pauschalhonorar zuzüglich Umsatzsteuer zu leisten waren. In den
Rechnungen waren die jeweils erbrachten Beratungsleistungen nicht konkret bezeichnet. Es wurde lediglich auf
den jeweiligen Beratervertrag verwiesen. Die leistenden
Unternehmen berichtigten ihre Rechnungen zu einem
späteren Zeitpunkt in der Weise, dass nunmehr die
gesetzlichen Voraussetzungen an eine Rechnung vorlagen. Die Berichtigungen erfolgten aber erst nach Ergehen
der Einspruchsentscheidung über die Versagung des
Vorsteuerabzugs.
Das Gericht sah in diesem Fall keine Möglichkeit einer
Rückwirkung der Rechnungskorrektur, weil die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu einem Zeitpunkt, in
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Umsatzsteuer-Rundschreiben — Ausgabe 05/2015
dem eine (ordnungsgemäße) Rechnung (noch) nicht vorliegt, nicht gegeben seien. Eine andere Beurteilung folge
auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH
vom 15.7.2010, Az. C-368/99, Pannon Gep, bzw. die zu dieser Rechtsfrage ergangenen Beschlüsse des BFH vom
20.7.2012, V E 82/11, und des FG Berlin-Brandenburg vom
29.8.2013, 7 V 7096/13).
Keine AdV trotz Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit des
§ 27 Abs. 19 UStG
FG Nürnberg, Beschluss vom 26.8.2015
Die Antragstellerin führte im Streitjahr Bauleistungen im
Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG an einen Bauträger aus.
Mit Bezug auf die Entscheidung des BFH vom 22.8.2013,
V R 37/10, berichtigte der Bauträger seine Steuererklärung
und forderte die Umsatzsteuer aus den genannten Umsätzen zurück. Daraufhin forderte das Finanzamt die Antragstellerin auf, ihrerseits die Steuererklärungen zu berichtigen und auf diese Umsätze Umsatzsteuer zu entrichten.
Da sie dieser Aufforderung nicht nachkam, änderte das
Finanzamt die streitigen Festsetzungen mit Änderungsbescheiden unter Berufung auf § 27 Abs. 19 UStG. Das
Gericht lehnte die beantragte Aussetzung der Vollziehung
ab. Zwar sei aufgrund der Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 3.6.2015 (Az. 5 V 5028/15)
offensichtlich, dass gewisse Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 19 UStG bestehen. Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen bestehe, ist dies mit den gegen die
Gewährung von AdV sprechenden Gründen abzuwägen.
Dabei komme es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung
und Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Einflusses beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer
AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an.
Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift sei bei der Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung. § 27 Abs.
19 UStG sei nicht nur haushalterischen Zwecken geschuldet. Die Vorschrift verfolge auch den unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer.
Auch die Frage, ob der Eingriff in die Rechtspositionen
des Steuerpflichtigen angesichts von zivilrechtlichen
Ansprüchen gegen den Leistungsempfänger als schwerwiegend zu beurteilen ist, beurteilt der Senat angesichts
von § 199 BGB abweichend vom Finanzgericht BerlinBrandenburg. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass der
Verjährungsbeginn für den Zahlungsanspruch der Antragstellerin an die Veröffentlichung der Entscheidung des
BFH anknüpft und die regelmäßige Verjährungsfrist von
drei Jahren mit Schluss des Jahres 2013 beginnt. Eine Verjährung erscheine daher ausgeschlossen.
Somit bleibt für die Antragstellerin faktisch nur das Insolvenzrisiko, welches sie aber gem. § 27 Abs. 19 UStG durch
eine Abtretung des Nachforderungsanspruches gegen
den Leistungsempfänger auf den Staat abwälzen kann. Da
Sie von dieser gesetzlich eingeräumten Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht habe, vermag der Senat im summarischen Verfahren keine Beeinträchtigung zu erkennen.
Kein Anspruch des
Leistungsempfängers auf Erstattung
nicht geschuldeter Umsatzsteuer
BFH, Urteil vom 30.6.2015, VII R 30/14
Die Vertragspartner gingen von der Steuerbarkeit und
Steuerpflicht der Leistungen im Inland aus. Der Leistende
führte die Umsatzsteuer an das für ihn zuständige Finanzamt ab. Der Leistungsempfänger zog die ihm in Rechnung
gestellte Vorsteuer ab. Im Nachhinein stellte sich heraus,
dass dieser Umsatz im Inland nicht steuerbar war, so dass
sowohl die Umsatzsteuer auf Seiten des Leistenden als
auch der Vorsteuerabzug auf Seiten des Leistungsempfängers zu berichtigen war. Der Leistungsempfänger
zahlte die abgezogene Vorsteuer an das für ihn zuständige Finanzamt zurück und machte gegenüber dem
Finanzamt des Leistenden einen Anspruch nach § 37 Abs.
3 Satz 1 AO geltend. Über das Vermögen des Leistenden
war mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet worden,
so dass die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Rückzahlungsanspruches als überwiegend nicht Erfolg versprechend erschien.
Nach der Entscheidung des BFH kann der Leistungsempfänger seinen Erstattungsanspruch nicht auf § 37 Abs.
2 AO stützen. Diese Norm regele keinen Rückzahlungsanspruch des Leistungsempfängers, der die in der ihm
gestellten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem
Rechnungsaussteller gezahlt hat. Der leistende Unternehmer habe die Steuer auf eigene Rechnung, nämlich in
Erfüllung seiner eigenen Umsatzsteuerschuld gegenüber
dem Finanzamt bezahlt. Demnach stünde dem Leistenden
nach Berichtigung der Rechnungen gem. § 17 UStG der
Anspruch auf Erstattung der nunmehr rechtsgrundlos
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gewordenen Umsatzsteuerzahlungen an das Finanzamt
gem. § 37 Abs. 2 AO zu. Der Anspruch des Leistungsempfängers sei auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung
des EuGH in der Rechtssache Reemtsma begründet.
Dieser Entscheidung ließe sich kein unionsrechtliches
Gebot entnehmen, einen Anspruch des Leistungsempfängers aus § 37 Abs. 2 AO auf Erstattung zu Unrecht vom
Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer gegen
den Fiskus zu gewähren, wenn eine Erstattung vom Leistenden wegen der Insolvenz nicht(vollständig) erreicht
werden kann. Nur für den Fall, dass die Erstattung der
Mehrwertsteuer vom Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert wird, fordere der EuGH, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel vorsehen müssen, die es
dem Leistungsempfänger ermöglichen, zu Unrecht in
Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen. Die
Billigkeitsregelungen der §§ 163 und 227 AO böten eine
hinreichende Möglichkeit, trotz nicht Vorliegens der materiell umsatzsteuerrechtlichen Voraussetzungen den Vorsteuerabzug – jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis —
geltend zu machen, um auf diesem Weg den im
Insolvenzverfahren nicht zu realisierenden Teil der gegen
den Rechnungsaussteller gerichteten, zivilrechtlichen Forderung vom Finanzamt gutgebracht zu bekommen.
Verwaltungsanweisungen
Rückzahlung eines zu hoch
ausgewiesenen Steuerbetrags
BMF-Schreiben vom 7.10.2015, III C 2 – S 7282/13/10001
Mit Urteil vom 18. September 2008, V R 56/06, BStBl
2009 II S. 250, hat der BFH unter Aufgabe seiner früheren
Rechtsprechung entschieden, dass sich in Fällen, in denen
der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger
die vollständige oder teilweise Rückzahlung des bereits
entrichteten Entgelts vereinbaren, die Bemessungsgrundlage i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur insoweit mindert,
als das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird, und die
Berichtigung für den Besteuerungszeitraum der Rückgewähr vorzunehmen ist.
Hat der Unternehmer das „Soll“-Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon
durch (bloße) Vereinbarung einer „Entgeltminderung“,
sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts. Diese Grundsätze sind auch im Zusammenhang mit der Berichtigung von unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer i.S.v. § 14c Abs. 1 UStG zu beachten. In
Fällen, in denen unberechtigt i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG
Steuer ausgewiesen wurde, erfolgt die Berichtigung des
geschuldeten Betrags wie bisher nach § 14c Abs. 2 Satz 3
bis 5 UStG. Anstelle einer Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags kommt es in diesen Fällen also
auf die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens an.
Umsatzsteuer-Rundschreiben
Ansprechpartner
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