Monatszeitschrift des Studentenwerks Berlin

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Monatszeitschrift des Studentenwerks Berlin
werkblatt
Monatszeitschrift des Studentenwerks Berlin
02
Gratismagazin
Juli 2003
1. Jahrgang
Editorial
Sommerzeit – Reisezeit !?!
Der Sommer reizt viele Menschen, an weißen Stränden, in fremden
Städten oder in unbekannten Gebirgen Erholung und Entspannung zu
finden, neue Erfahrungen und damit Kräfte für kommende Aufgaben zu
sammeln.
Was gibt es Schöneres, als es sich in unbekannten Gefilden gut gehen zu
lassen und „die Seele baumeln zu lassen“ ?
Aber immer mehr Studierende haben inzwischen Reisepläne ganz anderer
Art: Die Sommermonate sind Höhepunkt anderer Reisevorbereitungen
– der Reise zum Studium in ein anderes Land.
Nicht nur deutsche Studierende entschließen sich, ihre Studien im Ausland
fortzusetzen bzw. zu ergänzen; die Zahl der ausländischen Studierenden,
deren Reiseziel und damit Studienziel Berlin ist, steigt ständig.
Unser werkblatt 02 berichtet über diese Studierenden, über ihre
Erlebnisse, ihre Eindrücke, über ihren Alltag im anderen Land.
In dieser Ausgabe wollen wir auch über die Angebote des Studentenwerks
Berlin berichten, ausländischen Studierenden das Leben in einer
ungewohnten und unbekannten Umgebung einfacher zu gestalten.
An dieser Stelle möchte ich besonders auf die Arbeitsvermittlung
„Heinzelmännchen“ des Studentenwerks Berlin hinweisen: Hier werden
vielen ausländischen Studierenden Jobs angeboten, die ihnen helfen, ihr
Studium in Berlin zu finanzieren.
Diese studentischen Beschäftigten sind in vielen Unternehmen gefragt:
Rasche Einarbeitung in unterschiedliche Aufgabengebiete ist das tägliche
Brot des Studiums, die Studierenden sind deswegen in der Lage, neue
Aufgaben schnell und flexibel zu bearbeiten.
Durch die Beschäftigung von studentischem Personal können Berliner
Unternehmen mit dazu beitragen, den Universitätsstandort Berlin trotz
hoher Lebenshaltungskosten für motivierten Wissenschaftsnachwuchs
attraktiv zu halten.
Die „Heinzelmännchen“ vermitteln Jobs an Studierende, beraten
Arbeitgeber und übernehmen für Arbeitgeber wie für Studierende
Dienstleistungen, die bis zur Berechnung der Steuern reichen und
somit die Beschäftigung von Studierenden auch für Privatpersonen und
Kleinstbetriebe interessant machen.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das Angebot an Jobs leider
nicht ausreichend – meine „Eigenwerbung“ will auf die Potenziale der
„Heinzelmännchen“ hinweisen und soll dazu beitragen, die Zahl der zu
vermittelnden Jobs im Interesse der Studierenden zu erhöhen .
Küchenfrauen als Models
Inhalt
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-
Zum Tag der offenen Tür an der FHTW am 18.
Juli 2003 präsentierten die Mitarbeiterinnen
der Cafeteria eine neue Berufsbekleidung „einTracht“, die von Studierenden um Daniel D. Kroh
mit Unterstützung des Studentenwerks Berlin
entworfen wurde. Der Beifall der Gäste war
wohlverdient.
Cover
Produktinformation
Editorial/Pinwand
Information/Kurznachrichten
Information/Psychoberatung
Reportage/Studieren im Ausland
- Studienwahl/Soundtrack
- Information/Ausländische Studierende
- Musik/Spillsburry vs. Virgina Jetzt!
-
Rezension/Buch/Konsole
Kultur/Streetart
Information/Zukunft/Verlosung
Produktinformation
Produktinformation
Petra Mai-Hartung
Geschäftsführerin
Studentenwerk Berlin
Impressum
Herausgeber, V.i.S.d.P.: Studentenwerk Berlin, Seiten 2-5, Verlag Junges Berlin, Jason Krüger, Seiten 6-16 Redaktion: Aida Kadrispahic, Dirk M. Oberländer,
Jürgen Morgenstern, Lukas C. Fischer, Daniel Kreuscher, Janis Voss Autoren dieser Ausgabe: Dorit Beyersdorff, Klaus Esterluß, Stephan König
Gestaltung: genauso.und.anders° graphical wellness Satz und Layout: Stephan König, Ibitz Helfer Fotos: Jan Ganschow, Stephan König, Lukas C- Fischer
Anzeigen: Jason Krüger, Tel.: 030 - 44 35 28 60 freie Anzeigenberater: Samir Omar, Tanja Hiller Vertrieb: Studentenwerk Berlin Druck: Frotscher Druck,
Leipzig Kontakt: werkblatt, Ueckermünderstr. 16, 10439 Berlin, Tel.: 030 44 67 36 75, Mail redaktion@werkblatt.de Das werkblatt erscheint monatlich in
Berlin und Potsdam. In den Semesterferien erscheint eine Doppelausgabe für zwei Monate. Das werkblatt liegt an den Berliner Hochschulen aus.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.studentenwerk-berlin.de.
Editorial 3
Alles wird neu. Umbau der Mensa
Hardenbergstraße
Das Studentenwerk Berlin plant im kommenden Jahr die Umgestaltung der Mensa
Hardenbergstraße. Modernere Technik, eine Neugestaltung der Essensausgabe und der
Mensavorhalle sind geplant. Besonders Letztere vermittelt gegenwärtig noch den Eindruck eines
düsteren Betonbunkers im Stile der Siebzigerjahre.
Damit sich das ändert, hat sich am 2. Juli bereits
eine kleine Arbeitsgruppe des Studentenwerks
konstituiert. Erste Zielvorgaben für Architekten
und Ingenieure wurden besprochen. Die MensaVorhalle soll ein freundlicher Aufenthaltsort
werden, an dem sich mit kulinarischen
Angeboten aus der Cafeteria gut verweilen lässt,
der aber auch das Informationsbedürfnis der
Studierenden befriedigt. So soll der Info-Point,
an dem über die Angebote des Studentenwerks
wie z. B. Wohnen oder BAföG informiert wird,
hierher verlegt werden. Auch die Einrichtung
verschiedener Geschäfte (Zeitungskiosk,
studentisches Reisebüro, Copyshop) ist denkbar.
Alle Studierenden sind aufgerufen, sich mit
Ideen und Vorschlägen an der Umbauplanung
der Mensa-Vorhalle zu beteiligen. Die
besten drei Vorschläge werden mit je einem
Mensagutschein in Höhe von 50 € belohnt. Eure
Vorschläge könnt ihr bis zum 15. November
direkt ans Studentenwerk mailen
(j.morgenstern@studentenwerk-berlin.de), viel
Glück!
[Studentenwerk]
Abfallmanagement im Studentenwerk
Das Studentenwerk Berlin will die Abfallmenge (besonders in den Mensen und Cafeterien)
weiter senken. Dazu gibt es ein Umweltprogramm, das zur Senkung des Restmüllaufkommens in
Wohnheimen um 10% und in den weiteren Mensen um 50% führen soll.
Das Studentenwerk Berlin, seit 2002 ÖkoprofitBetrieb, realisierte in den Jahren 2000 bis
2002 in den Mensen Hardenbergstraße und
Otto-von-Simson-Straße (FU II) konsequent
die Abfalltrennung, das Restmüllaufkommen
wurde um 49 t gesenkt, die damit verbundene
Kosteneinsparung betrug 11.600 € im Jahr.
sowie den Verwaltungseinrichtungen durch
eine Optimierung der Behälterkonfiguration
und eine Umgestaltung sowie verbesserte und
einheitliche Kennzeichnungen von Müllplätzen,
durch die Auswahl kostengünstiger Entsorger
und eine umfassende Information der
studentischen Klientel.
Mit der Firma ALBA Consult wurde nunmehr
ein Vertrag über ein Abfallmanagement für das
gesamte Studentenwerk abgeschlossen.
Die Firma ALBA Consult wird Ansprechpartner
für alle Entsorgungsfragen sein und umgekehrt
alle Mitarbeiter über die anstehenden Probleme
und Veränderungen informieren. Es ist geplant,
Schulungen und Informationsveranstaltungen
in den einzelnen Organisationsbereichen
durchzuführen sowie Informationsmaterial für
die Gäste der Mensen und Cafeterien sowie die
Mieter und Mieterinnen in den Wohnheimen zu
entwickeln und bereitzustellen.
[Studentenwerk]
Der Vertrag hat zum Ziel, die Gesamtentsorgungskosten für den Abfall zu senken
und das Engagement für Umweltschutz
auch nach außen deutlicher zu machen.
Erreicht werden kann dies über eine bessere
Abfalltrennung in den Einrichtungen der
Abteilungen Speisebetriebe und Wohnwesen
Internationaler Studentenausweis.
Reiselustige und Sparfüchse aufgepasst. Ab sofort bekommt man den Internationalen
Studentenausweis (ISIC) auch direkt beim Studentenwerk Berlin.
Das von der EU und UNESCO anerkannte
Dokument kostet 9,20 €, gilt max. 16 Monate
lang und sichert einem viele Vorteile:
Sondertarife für internationale Linienflüge,
Ermäßigungen bei Bahn, Bus und Fähren in
vielen Ländern, Hilfe bei Ticketverlust und
Umbuchungen in über 5.000 studentischen
Reisebüros in 93 Ländern, Ermäßigungen in
Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben,
ermäßigter oder freier Eintritt in Museen,
Galerien und kulturhistorischen Einrichtungen,
ermäßigter oder freier Eintritt in Theater, Kinos,
Diskotheken und bei Sportveranstaltungen,
Studententarife in Tausenden von Geschäften,
weltweit kostenlose telefonische Helpline
rund um die Uhr, Auslands-Unfallversicherung
inklusive, gebührenfreier Währungstausch bei
TRAVELEX auf vielen Flughäfen.
4 Information/Zufriedenheitsumfrage/Wohnheime
Bekommen könnt ihr den Internationalen
Studentenausweis an folgenden Orten:
Informations- und Beratungs-Point,
Hardenbergstr. 34, 10623 Berlin, Tel: 3112-317
Vertretung : Sozialberatung, Hardenbergstr. 34
Raum 19 - 20, 10623 Berlin
Tel.: 31 12 -230
Sozialberatung, Thielallee 38, Raum 202, 14195
Berlin (Dahlem),
Tel.: 83 00 2 -498/-499
Sozialberatung;
Franz-Mehring-Platz 2, 10243 Berlin
(Friedrichshain) Tel.: 29 30 2 -281/-282
[Studentenwerk]
Lernprobleme, Redeangst,
Selbstunsicherheit und Identitätsfindung.
Studieren ist nicht immer ein Zuckerschlecken. Neben den zahlreichen Fakten und Informationen, die wir lernen
und verarbeiten müssen, dreht sich ein Großteil unserer akademischen Ausbildung um die Aneignung sozialer und
organisatorischer Kompetenzen, die uns auf das anschließende Eintauchen in die Arbeitswelt vorbereiten soll. Dabei
werden viele mit ihren eigenen Ängsten und Defiziten konfrontiert, ohne zu wissen, wie man mit solchen negativen
Begleiterscheinungen im Hochschulalltag am besten umzugehen hat.
Die psychologisch-psychotherapeutische Kompetenz des Studentenwerks Berlin.
Die psychologisch-psychotherapeutische Beratungsstelle des
Studentenwerks Berlin bietet Hilfe für diejenigen, die durch Stress,
Belastung und Angst an ihre Grenzen stoßen. In zahlreichen Kursen wird
professionelle Unterstützung bei der Problembewältigung geboten. Vier
Beispiele:
Redeangst
Wenn bei Seminaren regelmäßig Angst aufkommt, wenn es heißt, ein
Referat zu halten, eine Arbeit zu präsentieren oder an der Diskussion
teilzunehmen, sollten man einen Blick in die neue Gruppe „Redeangst“
werfen, die ab diesem Sommersemester angeboten wird. Da sich die
behindernde Angst meistens auf mehreren Ebenen zeigt und sowohl
als negative Selbstbewertung, als phantasiertes Fremdurteil und als
befürchtete Erwartung zeigt, werden in diesem Gruppenkurs verschiedene
Methoden vorgestellt und geübt, die sich als Bewältigungsstrategien
bewährt haben, u.a. Reden halten als Probehandeln im geschützten
Rahmen und Entspannungsübungen.
Studentische Lebenswelt und Identitätsfindung
Durch das Abitur eröffnen sich viele Möglichkeiten für das weitere Leben.
Zugleich stellt die neu gewonnene Freiheit auch hohe Anforderungen.
Man muss sich entscheiden, was und wo man studiert. Hat man sich
entschieden, unterliegt die Gestaltung des Studiums in vielen Fächern
persönlichen Entscheidungen. Dabei erhält man oft wenig Rückmeldung.
Insgesamt werden hohe Anforderungen an die eigene Selbststeuerung
gestellt. Sein Leben in diesem Ausmaß selbst zu verantworten ist neu.
Dabei liegt es nahe, dass man mit einzelnen Schritten nicht zufrieden
ist. Vieles geht mit inneren Konflikten einher. Man lebt in einer
Übergangssituation vom Heranwachsenden zum Erwachsenen. Es geht
also um sehr viel mehr als den Erwerb aneinander gereihter Fertigkeiten.
Die hier angeschnittenen Themen kann man oft mit anderen besser
angehen. Diese Gruppe stellt eine Möglichkeit dar, sich selbst im Kontext
mit anderen neu zu entdecken und sich neue Perspektiven zu erarbeiten.
Lernprobleme und Selbstunsicherheit
Das Semester hat mit Energie und guten Vorsätzen begonnen, aber
Selbstunsicherheit bedingt oft Konzentrationsschwierigkeiten oder
Motivationsschwankungen. Häufig ist nicht mehr klar voneinander
zu trennen, bewältige ich die Aufgabe aus Unsicherheit nicht, bin
ich überfordert, frustriert mich nur ein Misserfolg, so dass ich nicht
mehr lernen kann? Manchmal geht dabei auch der Kontakt zu den
Kommilitonen verloren, die Seminarteilnahme wird vermieden, Referate
und Hausarbeiten werden aufgeschoben. Ziel der Gruppenarbeit wird
sein, sich konstruktiv mit seinen Ängsten und Blockaden auseinander zu
setzen, nach inneren Ressourcen zur Erarbeitung individueller Lösungen
zu suchen, die Selbstkompetenz zu stärken.
Die Gruppe ist offen für Studierende aller Universitäten und
Fachhochschulen Berlins.
Prüfungsangst
Wer kennt nicht das Herzklopfen vor einer Prüfung? Das Herzklopfen mag
normal sein, aber das Ausmaß und die Qualität unserer Ängste können
einem das Leben schwer machen – sowohl vor wie in einer Prüfung.
Diese Gruppe bietet den teilnehmenden Studierenden Möglichkeiten,
sich mit unterschiedlichen Dimensionen der eigenen Prüfungsängste
auseinanderzusetzen. Im Sinne einer Angstreduzierung bzw. eines
bewussten Umgangs mit ihnen, erlernen wir Methoden gegen Angst,
Stress und Lampenfieber. Wir suchen nach den „positiven“ Aspekten
unserer Person - einem angemessenen Selbstvertrauen und dem Mut zu
einer realistischen Form der Hoffnung.
Anmeldung: Psychologisch-Psychotherapeutische Beratungsstellen des
Studentenwerks Berlin, Franz-Mehring-Platz 2, 10243 Berlin
Tel. 29302-271 und Hardenbergstr. 34, 10623 Berlin, Tel. 31 12 - 491
Deutsch in Amsterdam, französisch in
Berlin.
Allein im Ausland. Raus aus der gewohnten Umgebung, weg von den
alten Freunden und sich das erste Mal wirklich einsam fühlen. Fremde
Länder kennen lernen, verlaufen mit dem Stadtplan in der Hand und
viersprachig Partymachen. Schulenglisch vs. zwei Brocken Französisch.
Eine Fernbeziehung über 1.000 Kilometer. Und das nicht nur für die
zwei typischen Urlaubswochen, sondern richtig: ein Jahr leben in der
Fremde.
Julian studiert in Amsterdam
Wann geht das besser, als zu Studentenzeiten? Nie. Später
arbeiten wir, sind fest gekettet an einen mehr oder weniger
flexiblen Job, haben Kinder und unsere Abenteuerlust ist
irgendwo zwischen Diplomarbeit und Steuererklärung
verloren gegangen. Also raus aus den Pantoffeln, rein in die
Wanderstiefel.
Am einfachsten ist der Auslandsaufenthalt mittels
einer Organisation wie Erasmus. Der für Studenten
zuständige Teil von Sokrates, dem EU-Aktionsprogramm
für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, hilft bei der
Anerkennung der Scheine, übernimmt die Studiengebühren
und sorgt für eine monatliche Unterstützung von bis zu 200
Euro.
Einziges Problem: Du musst natürlich bereits Student sein,
um dich für das Stipendium zu bewerben.
Einziges Problem: Du musst natürlich bereits
Student sein, um dich für das Stipendium
zu bewerben.
Aber wie beginnt man ein Studium im Ausland? Was
macht einer, für den es in Deutschland wieder nicht für den
gewünschten Studienplatz gereicht hat und bei dem sich die
Ablehnungsbescheide der ZVS auf dem Schreibtisch türmen?
„In Deutschland wurde ich schon zweimal für Psychologie
abgelehnt, in Holland ist das Studium zulassungsfrei“, sagt
Julian. Er ist 21 Jahre alt und ist vor den harten deutschen
Zugangskriterien nach Amsterdam geflohen. „Die Freie
Universität von Amsterdam hat einen sehr guten Ruf und
außerdem ist die Stadt cool“, berichtet er und grinst. In
Holland gilt lediglich für Medizin und Zahnmedizin eine
Zulassungsbeschränkung. Einzige Bedingung für das
Studium: die flüssige Beherrschung des Niederländischen.
Das ist auch dringend vonnöten, sprechen die Holländer doch
nur sehr ungern Deutsch. Julian nimmt an einem Sprachkurs
der Uni teil. Ein Crashkurs für Deutsche: in sechs Wochen
zum Niederländisch-Examen. Er stöhnt über drei Stunden
Hausaufgaben pro Tag, aber es lohnt sich, winkt am Ende
doch der lang ersehnte Studiengang.
6 Reportage/Studieren im Ausland
Auch erste Freundschaften lassen sich schnell über die
gemeinsamen Wochen im Sprachkurs schließen. Weit von zu
Hause entfernt, ist Freundschaft das Wichtigste, um sich in
der neuen Umgebung wohl zu fühlen.
Julian lebt erst seit kurzer Zeit in der Stadt, im Vergleich zu
seiner ebenso maritimen Heimatstadt Hamburg, erwartete
ihn hier aber kein Kulturschock. Amsterdam riecht nach
Meer, in den Grachten dümpeln Schiffe und es regnet auch
die ganze Zeit. Julian erzählt: „Ich habe mir schon vor einiger
Zeit beide Amsterdamer Unis angeguckt und die wunderbare
Stimmung der Stadt hat mich verzaubert.“
Anfangs ist es gar nicht so einfach, sich zurechtzufinden.
Nicht nur die Sprachbarriere ist dabei hinderlich: „Am
schwersten ist es, die Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens
zu organisieren, vieles ist sehr bürokratisch und voneinander
abhängig.“ So pendelt er zwischen Bank, Studienberatung
und Meldestelle. Und zwischendurch immer wieder
Wohnungssuche, das ist das größte Problem in Amsterdam.
„Es herrscht hier eine riesige Wohnungsnot. Die Studenten
müssen nehmen, was sie kriegen können“, meint Julian. Die
Zimmer in Amsterdam sind klein und extrem teuer. Für einen
neun Quadratmeter großen Raum im Studentenwohnheim
zahlt man 350 Euro und das bei einer Wartezeit von über
einem Jahr. Also sucht Julian über sämtliche Makler und
Vermittlungsagenturen der Stadt. Das kostet viel Geld. Andere
wohnen in Jugendherbergen oder schlafen im Auto. Manche
geben schließlich ganz auf und kehren nach Deutschland
zurück.
Die Beratungsstelle für ausländische Studenten versucht
zu helfen, wo sie nur kann: „Man hat als EU-Bürger das
Anrecht auf ein Auslandsbafög von etwa 200 Euro, außerdem
werden die Studiengebühren zur Hälfte übernommen“,
freut sich Julian. Insgesamt gefällt ihm die dörfliche
Weltstadt bisher sehr gut, besonders das spannende
Potpourri der verschiedenen Kulturen. An jeder Ecke findet
man in Amsterdam exotische Läden, Märkte und natürlich
Coffeeshops. „Ich kann mir gut vorstellen mein Studium hier
abzuschließen“, meint er und freut sich auf die kommenden
Jahre.
[Janis Voss]
Sophie studiert in Berlin
Die Stadt, in der Sophie zwei Semester lang studiert hat,
hört sich traumhaft an: immer in Bewegung, viel Grün,
viel Kultur und dabei trotzdem relaxt, cool und preiswert.
In den Seminaren gibt es keine Anwesenheitspflicht und
das Studiensystem ist im Gegensatz zu ihrer französischen
Heimat viel freier und mehr an der Praxis orientiert.
Die 22-jährige Jurastudentin ist von ihrem
Auslandsaufenthalt begeistert und auch als Zuhörer
bekommt man große Lust, in diesem sagenhaften Ort der
Vielfalt zu leben und zu studieren. Kein Problem, wir tun es
bereits, denn die junge Französin hat die letzte Zeit in keinem
weit entfernten Paradies verbracht. Sophie studiert dank
Erasmus an der Humboldt Uni und wohnt in einer WG in
Friedrichshain.
„Ich hatte mir schon immer gewünscht, eines Tages in Berlin
zu leben“, sagt sie. In ihrer Bewerbung hatte sie zwar noch
Amsterdam und Bristol als Alternativen angegeben, doch sie
muss kurz überlegen, bevor ihr diese Namen einfallen: „Über
andere Städte habe ich nie ernsthaft nachgedacht.“
Für Berlin als Studienort sprach zudem, dass Sophie bereits
in der Schule als erste Fremdsprache Deutsch gelernt und vor
vier Jahren schon einmal für drei Monate in Münster gelebt
hatte. Berlin war also nicht der Sprung ins ganz kalte Wasser
– zumindest was die Sprache angeht. Allerdings erinnert sich
auch Sophie eher mit Unbehagen an die erste Woche in der
Stadt: „Die Leute hier sind etwas kalt“, bescheinigt sie der
Berliner Bevölkerung. „Anders als in Frankreich wirken die
Menschen hier anfangs oft grob und unhöflich.“
Da fällt es so manchem Erasmus-Studenten anscheinend
schwer, Kontakt aufzunehmen und viele bleiben in ihrem
Auslandsjahr unter sich.
Apropos Erasmus: Völkerverständigung hin oder her – jetzt
möchten wir wissen, ob es sich dabei um eine bedenkenlos
weiter zu empfehlende Organisation handele. „Es gibt
ein bisschen zu wenig Betreuung und es ist furchtbar
bürokratisch – aber sonst ist Erasmus super“, erklärt die
angehende Juristin. Trotz ihres Stipendiums musste Sophie
sich dennoch einen Nebenjob suchen, denn mit 200 Euro
monatlicher Förderung kommt man auch in Berlin nicht
weit. Schon gar nicht, wenn man sich für einen ungewohnt
harten Winter neu einkleiden muss. Die aus der Normandie
importierte Garderobe war den sibirischen Verhältnissen an
der Spree nicht gewachsen.
Auch als Zuhörer bekommt man große Lust,
in diesem sagenhaften Ort der Vielfalt
zu leben.
Sophie jobbte als Kellnerin, gab Unterricht an einer
Sprachschule und kaufte sich mit dem verdienten Geld eine
warme Jacke. So ausgerüstet konnte sie dem Berliner Winter
dann auch noch etwas Positives abgewinnen: „Hier hat es
geschneit, das gibt es bei mir zu Hause gar nicht. Das war für
mich etwas Besonderes.“
„Hier hat es geschneit, das gibt es bei mir
zu Hause gar nicht. Das war für mich etwas
Besonderes.“
Inzwischen ist es Sommer und das Semester ist vorbei.
Da Sophie aber noch bis Ende August in Berlin bleiben
möchte, sucht sie wieder einen Job und bietet uns spontan
Sprachunterricht an, was wir mangels Geld und Begabung
aber dankend ablehnen müssen. Bald ist die Zeit des Jobbens
für Sophie jedoch vorbei, ihr Studium nähert sich dem Ende.
Danach wünscht sie sich einen Beruf, bei dem sie viel reisen
kann, am liebsten als Diplomatin. Ihr Auslandsaufenthalt in
Berlin kann ihr dafür nur nützlich sein, denn im Rückblick
auf das vergangene Jahr bleibt für Sophie die Erkenntnis,
selbstbewusster, reifer und offener geworden zu sein. Was
bleibt ist auch ein kleiner Bierbauch. „Den bekommen hier alle
Erasmus-Studenten“, sagt sie und lacht.
[Lukas - C. Fischer, Daniel Kreuscher]
Reportage/Studieren im Ausland 7
Studieren im Ausland, der Soundtrack.
Mit Musik geht alles leichter. Den Studienplatz im Ausland
sollte der Musikgeschmack bestimmen.
01. Amsterdam
Song: David Bowie - Port of Amsterdam
Zitat:
In the port of amsterdam
There‘s a sailor who sings
Of the dreams that he brings
From the wide open sea
Coffeeshop - City Amsterdam ist nicht nur
gut, um sich die Birne weich zu rauchen,
man kann auch hervorragend in der Metropole der Niederlande studieren. Natur-,
Geisteswissenschaften und Wirtschaft stehen
hoch im Kurs und werden zum Großteil
sogar in Englisch gelehrt. Allerdings kostet es
Studiengebühren.
02. Tokio
Song: Arrogant Worms - Tokyo Love Song
Zitat:
ahhh, ahhh, ahhhh,
AHHHHHH GODZILLA!
Banzai! In Japan zu studieren bedarf einiger
Vorbereitung. Bewerbungen in Japanisch,
mindestens aber in Englisch sind notwendig
und Prüfungen müssen absolviert werden. Nicht
zu vergessen, dass Japan nicht gerade preiswert
ist. Dann doch lieber Godzillavideos gucken?
03. Barcelona
Song: Paperboys - Barcelona
Zitat:
I‘m leavin (where you gonna go?)
Barcelona
Anywhere it don‘t snow (sure)
Feel the sun glow (ohh)
Ladies lookin like the models
from a video
Auch hier gilt: Wer die Aufnahmeprüfung
8 Studienwahl/Soundtrack
besteht, der darf. Spanisch sprechen ist
natürlich Pflicht. Die meisten deutschen
Studenten in Spanien sind über Austausch- und
Stipendienprogramme im Land. Informationen
dazu gibt es an der eigenen Hochschule.
04. Paris
Song: Queensryche - Last Time In Paris
Zitat:
Last time in Paris was a little strange,
Had time to myself.
Headed out to see the city sights.
Met a little thing on the
Champs-Elysees,
Stole my heart away
In Frankreich entscheidet die Universität,
wer studieren darf oder nicht. Wichtig ist die
Einhaltung der Bewerbungsfristen und natürlich
ein Nachweis, die Sprache zu beherrschen. Wer
einen Französischleistungskurs befriedigend
abgeschlossen hat, braucht übrigens keinen
Sprachtest: Vive la France.
05. Moskau
Song: Kim Wilde - Suburbs of Moscow
Zitat:
Out on my own
In the suburbs of Moscow
Out in the rain
Walking down this long avenue
In Moskau zu studieren ist noch einfacher.
Eine Anfrage an die entsprechende Uni
reicht und man bekommt die erforderlichen
Bewerbungsunterlagen zugeschickt. Eine
Aufnahmeprüfung ist auch nicht notwendig.
Die Sprache muss aber gekonnt werden.
06. Prag
Song: Damien Rice- Prague
Zitat:
I pack my suit in a bag
I‘m all dressed up for prague
Zum Teil gibt es Kurse in Deutsch, Französisch
oder Englisch. Trotzdem kommt man wohl
nicht um eine gute Kenntnis der tschechischen
Sprache herum. Das wird auch getestet. Wer
studieren darf liegt einzig in der Entscheidungsgewalt der entsprechenden Hochschule.
07. Washington
Song: The Get Up Kids - Washington Square Park
Zitat:
It‘s better than nothing, it‘s better
than you can get.
Da wo Bush Junior sitzt, lässt es sich anständig
studieren. Allerdings wird ein Abschluss von
überm Teich hier nicht immer anerkannt. Darüber sollte man sich also rechtzeitig informieren
und am besten vorher viel arbeiten. Denn ohne
Stipendium wird es mehr als teuer.
08. London
Song: The Clash - London Calling
Zitat:
London calling, yes, I was there, too
An‘ you know what they said? Well,
some of it was true!
Das Vereinigte Königreich ist studientechnisch
ausgesprochen beliebt. Schließlich ist es nah
an der Heimat und trotzdem weit genug im
Ausland. Und Fremdsprachen sprechen die da
auch. Meistens Englisch. Das sollte man auch
beherrschen und beweisen können: Fish`n`chips,
please.
[Klaus Esterluß]
Welche Angebote bietet die Sozialberatung ausländischen Studierenden?
Im Interview erklärt uns Iris Breuel von der Sozialberatung,
wie das Studentenwerk Berlin ausländische Studierende unterstützt.
Von den etwa 140.000 Studierenden in Berlin kommen ca. 19.200, also
immerhin 13,7 %, aus dem Ausland - mit steigender Tendenz. Dabei ist
es mitunter nicht so leicht, wie man denkt: Die Finanzierung des täglich
Brot, der Miete und des Semestertickets ist für unsere ausländischen
Kommilitonen häufig nicht unproblematisch.
Eine Hilfestellung in dieser Situation bietet die Sozialberatung des
Studentenwerks, die bei der Vermittlung von Jobs, Kinderbetreuung, der
finanziellen Unterstützung, aber auch bei Problemen in Alltagssituationen
weiterhilft, bei Bedarf auch auf Englisch. Im Interview erklärt uns Iris
Breuel von der Sozialberatung, wie das Studentenwerk Berlin
ausländische Studierende unterstützt.
Welche Angebote bietet die Sozialberatung ausländischen Studierenden?
Die Sozialberatung hilft ausländischen Studierenden vor allem bei der
Vermittlung von kleinen Jobs ohne den üblichen bürokratischen Aufwand,
vergibt Sozialzuschüsse bzw. Darlehen in Prüfungs- oder Notsituationen,
vermittelt Plätze in den studentenwerkseigenen Kitas mit verlängerten
Betreuungszeiten, bietet Beratung für behinderte Studierende und ist
Ansprechpartner bei Alltagsproblemen (Krankenkasse, Probleme mit
Ämtern, Profs, Kommilitonen...). Die Sozialberatung vermittelt bei Bedarf
auch andere Hilfsangebote.
Wie und unter welchen Voraussetzungen kann ich einen Sozialzuschuss
oder ein Darlehen beantragen?
Ausländische Studierende mit regelmäßigem Einkommen können in
Prüfungssituationen, also bei Zwischen- oder Diplomprüfungen einen
Sozialzuschuss von max. 465 € beantragen. In besonderen Notsituationen,
also z.B. zur Begleichung des Semestertickets, kann ein unverzinsliches
Darlehen gewährt werden, das dann in Raten zurückgezahlt wird.
Welche Unterlagen werden benötigt?
Die Beantragung der finanziellen Hilfen muss persönlich bei der jeweiligen
Sozialberatung erfolgen. Benötigt werden folgende Unterlagen: Verdienstnachweis, Immatrikulationsbescheinigung und Pass mit gültiger
Aufenthaltsbescheinigung. Für den Zuschuss in Prüfungssituationen
zusätzlich die entsprechenden Prüfungsunterlagen. Ein Antragsformular
wird mit dem/r Bearbeiter/in vor Ort gemeinsam ausgefüllt.
Die Situation ausländischer Studierender soll mit dem „Wohnheimtutorenprogramm“ (das werkblatt berichtete) ab September in zunächst vier
Wohnheimen durch die Betreuung vor Ort auch innerhalb der
Studentenwohnheime verbessert werden. Die Anleitung und Betreuung
der „Wohnheimtutoren“ erfolgt dabei durch die Mitarbeiter/innen der
Sozialberatungen des Studentenwerks Berlin.
Weitere Infos im Netz unter: www.studentenwerk-berlin.de,
Dorit Beyersdorff
Sozialberatung für Studierende der TU, HdK: Fr. Rosaria Pelliccia,
Hardenbergstr. 34, Raum 19-20, 10623 Berlin, Tel.: 030/3112-230, eMail:
r.pelliccia@studentenwerk-berlin.de
Sozialberatung für Studierende der FU, KHB, HfM, HfSK, FHW, ASFH, EFB,
KFB: Fr. Iris Breul, Hr. Manfred Klos, Thielallee 38, Raum 202, 14195 Berlin,
Tel.: 030/830 02-498, eMail: i.breul@studentenwerk-berlin.de
Strutzberg, Franz-Mehring-Platz 2, 10243 Berlin, Tel.: 030/293 02-281,
eMail: m.strutzberg@studentenwerk-berlin.de
Sprechzeiten für die Beantragung von Zuschüssen/Darlehen: Mo und Do
8.30 - 11.30 Uhr (in der für die jeweilige Uni/FH zuständigen Beratungsstelle)
Beratung auch außerhalb dieser Sprechzeiten oder nach Vereinbarung (in
jeder Beratungsstelle für Studierende aller Unis/FHs).
Sozialberatung für Studierende der HU, FHTW, TFH: Fr. Marianne
Information/Ausländische Studierende 9
P 18
Anders sein.
Hamburg vs. Berlin, Punk vs. Pop, Spillsbury vs. Virginia Jetzt!
Zwei junge Bands, wie sie unterschiedlicher
kaum sein könnten: Spillsbury und Virginia
Jetzt!. Die Hamburger Band Spillsbury wird
als der norddeutsche Gegenentwurf zu den
aktuellen Berliner Retropunk-Bands „Wir
Sind Helden“ und „Mia“ gehandelt. Das Duo
rockt über elektronische Beats in Punkmanier,
die 80er Jahre Synthesizer dominieren den
Sound und es bleibt kaum eine Sekunde zum
Luftholen. Immer weiter, niemals stillstehen.
Spillsbury rules.
Doch Bassist und Songwriter Tobias Asche
und Sängerin Zoe Meißner wollen von alldem
nichts wissen. Zoe singt: „Alles was wir tun und
machen geht euch überhaupt nichts an“. Beide
sind nach eigener Aussage vom Mitschwimmen
auf irgendwelchen Modewellen genauso weit
entfernt, wie ihre Lieder von den zuckersüßen
Balladen der Berliner Band Virginia Jetzt!. Deren
Mitglieder haben zwar ihren Zwanzigsten,
genauso wie bei Spillsbury, noch nicht allzu
lange hinter sich und auch bei ihnen stehen
reihenweise Tocotronic-Platten im Schrank,
trotzdem ist ihre Musik der pure Antagonismus.
Virginia Jetzt! spielen Zuckerwatte-Pop, singen
Liebeslieder und bringen Mädchenherzen zum
Schmelzen. Die vier Berliner sind extrovertiert
und immer zu Späßen bereit, Spillsbury
kommen erst auf der Bühne so richtig aus sich
heraus. Während die Hamburger sich keiner
Szene zuordnen lassen möchten, sind VJ! immer
in der erster Gitarrenpop-Front zu finden. Zwei
passend unpassende Interviews:
Tobi: Ja, das war schon ein großer Einfluss für
mich. Tocotronic war eine Initialzündung, selber
Texte zu schreiben und Musik zu machen. Ich
habe durch sie das erste Mal gesehen, dass man
auch über einfache Dinge Texte schreiben kann.
Man muss keine hoch trabenden Inhalte haben
und sein Instrument nicht perfekt beherrschen,
um selbst Musik zu machen. Es kommt nicht
auf eine ausgefeilte Produktion an, sondern wie
viel Energie man reinsteckt und dass die Leute
merken, dass man Spaß dabei hat.
(Tocotronic)
(Tocotronic)
(Tocotronic)
(Tocotronic)
Ihr veröffentlich jetzt euer Debütalbum, wie
ging’s bei euch los?
Zoe: Anfangs war es nur ein Experiment, wir
hatten nicht geplant eine Band zu gründen und
einen Plattenvertrag abzuschließen. Wir hatten
zusammen in der Punkband One Thirty gespielt,
vor anderthalb Jahren hat Tobi dann angefangen
auf dem Computer Musik zu machen.
Wir saßen in seinem WG-Zimmer und bastelten
gemeinsam am Rechner: Mit einem Lied haben
wir damals angefangen und alles andere hat
sich plötzlich daraus entwickelt.
Ich finde es seltsam, dass Bands wie Spillsbury,
WSH oder Mia, die alle gleichzeitig Debütalben
veröffentlicht haben, sich immer von dem 80er
Modetrend distanzieren, auf der anderen Seite
aber immer in diese Schublade gesteckt werden.
Das Gegenargument ist dann meistens: „Bei der
NDW war ich vier Jahre alt, da habe ich keinen
Bezug zu“. Könnt ihr euch das erklären?
Tobi: Ich habe da erst drüber angefangen
nachzudenken, als mich jemand darauf
angesprochen hat. Beim ersten Hören erinnert
es vielleicht an NDW, aber ich kann mich damit
nicht identifizieren. Die Synthis waren ehrlich
gesagt die ersten, die ich ausprobiert hatte. Da
sie sich gut anhörten, haben wir sie auch gleich
genommen. Ich denke, wir sind zur falschen
Schubladenzeit rausgekommen.
Als ich euch live gesehen habe, hatte Tobi ein
Tocotronic T-Shirt an...
Zoe singt parolenhaft: „Alles was wir tun und
machen geht euch überhaupt nichts an“. Heißt
10 Musik/Spillsburry vs. Virgina Jetzt!
das, ihr macht eure Musik, aber alles Private
geht die Hörer nichts an?
Tobi: Nicht in Hinsicht auf „Finger weg“
von unserem Privatleben, sondern dass die
Hauptsache die Musik ist. Nicht was wir als
Person, oder als Band, für ein Image haben ist
wichtig, sondern es geht einzig um die Musik.
Es ist egal, was ich für eine Hose anhabe oder
welchen Pullover ich trage. Außerdem geht es
gegen die kleinen Feindbilder, die jeder von uns
hat. Also nicht von uns gegen die Hörer, sondern
von den Hörern gegen ihr Lieblingsfeindbild.
Was ist denn euer Lieblingsfeindbild?
Tobi: Ich finde eine typische Phrasendrescherei
wie „Gegen das System“ oder „Gegen den Staat“
sehr platt. Die Sachen, die einen runterziehen
sind doch immer die kleinen Sachen aus dem
Alltag, die Ignoranz von irgendwelchen Leuten
zum Beispiel. Und dafür ist der Song gedacht.
Zoe: Auch dass man sich selber die Freiheit
nimmt, nicht immer auf die Meinung der
anderen zu achten und sich von anderen etwas
aufzwängen zu lassen.
Versteht ihr eure Musik als Punk?
Tobi: Wir verarbeiten ganz sicher Elemente
des Punkrock, weil wir ja vorher auch in einer
Punkband gespielt haben. Die Musik ohne
Kommentar als Punk zu bezeichnen, würde
ich aber nicht machen, dafür ist sie zu poppig
und elektronisch. Ich habe ein altmodisches
Verständnis von Punkrock, mit Gitarre, Bass und
Schlagzeug.
Auch im Politischen?
Tobi: Natürlich bedeutet sein eigenes Ding
machen auch, das unabhängig von der
herrschenden Politik zu tun. Im Grunde gegen
alles „Obrige“. Punk ist umfassender, als sich
immer nur einzuschießen auf bestimmte
Personen oder Geschehnisse. Ganz allgemein
gegen Regeln, Obrigkeit und Ordnungszwang.
Zoe: Ich würde unsere Musik aber niemals
instrumentalisieren, um eine Meinung
kundzutun. Unsere Musik soll immer im
Vordergrund stehen.
Wir treffen Virginia Jetzt! im Backstagebereich
des Immergut Festivals. Es ist heiß, Staub
schwebt wie Nebel über dem Boden. Bauwagen
sind im Kreis zu einer „Lucky Luke“-artigen
Wagenburg aufgestellt und dienen als
Homebase der Bands. Hier haben sie einen
Vorrat gekühltes Bier, mehrere Sofas, ihre
Rockstar-Klamotten und geben Interviews. Wir
schwitzen, Bassist Mathias Hielscher spendiert
Bier.
Vor drei Jahren waren VJ! noch nicht einmal in
Berlin so richtig bekannt. Doch die vier Jungs aus
Elsterwerda sind ehrgeizig: Sie touren sich den
Arsch ab, quer durch Deutschland, immer mit
anderen Bands zusammen, sammeln Kontakte.
Wenig später verbreiten sie ihren harmoniesüßen Gitarrenpop als Support der
Sportfreunde Stiller. Die EP „Mein Sein“ wird
auf Blickpunkt Pop veröffentlicht, das Video
läuft bei Fast Forward, ab jetzt geht’s schnell
aufwärts. Aktueller Stand: Kürzlich wurden sie
von dem Major-Label Motor Music gesignt und
veröffentlichten Anfang Juni ihr Debüt-Album
„Wer hat Angst vor Virginia Jetzt!“
Innerhalb der Band scheint es eine
Rollenverteilung zu geben, während im
Interview hauptsächlich Mathias unterhaltsam
plaudert und Nino auf der Bühne den
Frontmann gibt, ist Thomas der kreative Kopf.
„Thomas schreibt die Texte und die Musik.
Kommt dann zu uns ins Studio und spielt uns
den Song vor, so wie wenn wir zusammen
am Lagerfeuer sitzen würden“, beschreibt
Mathias den Entstehungsprozess der Lieder.
Kontinuierliche Weiterentwicklung ist ihnen
wichtiger als der schnelle Hype, wie uns
Mathias bestätigt: „Wir haben gemeinsam
mit Motor versucht einen Maßanzug zu
schneidern, der nicht der fette Plattenvertrag
mit viel Geld im Hintergrund ist. Es läuft jetzt
nicht mit großem Krawall, keine ganzseitigen
Anzeigen und keine hohen Marketingkosten.
In den letzten drei Jahre haben wir viel selbst
gemacht und es ist uns wichtig, dass es Schritt
für Schritt weitergeht.“
deren Fragen lassen die vier kalt: „Wer uns fragt
welchen Frauentyp wir bevorzugen, muss auch
damit rechnen, dass wir eventuell auf Männer
stehen.“
Ein Vorurteil mit dem die Band öfter
konfrontiert wird, ist der Vorwurf sie spielten
Mädchenmusik. Aber Thomas kann darüber
sogar lachen: „Wir sind in den Texten ziemlich
direkt und eindeutig, auch wenn wir viele Bilder
verwenden. Außerdem sind wir sehr positiv.
Ich glaube, dass Mädchen so was mögen, auch
wenn man weiß, dass sie nicht besonders gut im
Direktsein sind.“ Und Nino meint: „Die stehen
vorn in der ersten Reihe und machen sich sogar
fein für uns und sind dadurch sehr präsent.“
Nino seinerseits trägt ein buntes Hawaiihemd,
Mathias hat sich ein Achtzigerjahrestirnband
mit neon-blauem Sonnenschirm aufgesetzt und
stellt fest: „Wir machen uns aber auch fein für
sie.“
[Janis Voss]
Neuerdings meldet sich sogar die
Boulevardpresse zum Interview an, doch
Musik/Spillsburry vs. Virgina Jetzt! 11
Annika Reich: Teflon.
Die Autorin (ent-)führt uns in die vermeintlich
heile Welt einer Mittelstandsfamilie, deren
gemeinsames Leben sich vor allem am
Frühstückstisch abspielt. Die Ehe der Eltern
ist zerrüttet, es herrscht eine allgemeine
Sprachlosigkeit und die beiden jugendlichen
Töchter des Hauses leben in einer Art Vakuum,
abgeschirmt von sämtlichen Emotionen.
Hannah, die Jüngere der Beiden, noch Schülerin,
verliebt sich eines Abends in Stefan, einen
Balettchoreographen mittleren Alters. Zwar ist
dieser, wir ahnen es bereits, in festen Händen –
spielt jedoch trotzdem gerne mit der Damenwelt
und somit auch mit Hannah.
Doch auch Schwester Nora ist dem Charme
des bösen Kulturmenschen erlegen, was
naturgemäß zu Verwicklungen führen
muss. Schließlich erweist sich der Meister
der Inszenierung auch noch als Auslöser
der elterlichen Ehekrise. Hannah und Nora
versuchen derweil, ihre Gefühle gemeinsam zu
bewältigen und den Schmerz zu besiegen, der
einzig nicht teflongleich an ihnen abzuperlen
scheint.
In poetisch schönen Sätzen erzählt die Autorin
ihre Geschichte über Liebe, emotionale wie
physische Verletzlichkeit und die Qualen des
Erwachsenwerdens. Dabei spart sie nicht an
Metaphern, so wird der Frühstückstisch schon
mal zur Projektionsfläche des Lebens.
Bild- und facettenreich wirkt die Sprache,
schön und liebenswert und kontrastiert damit
die eiskalte Gefühllosigkeit der Eltern. Leider
kann die Handlung hier nicht mithalten. Die
Personenkonstellation wirkt streckenweise
vorhersehbar und konstruiert. Hier die
unschuldigen Frauen, dort der selbstverliebte
Choreograph, dessen Motivation bis zum Schluss
im Unklaren bleibt. Ist für ihn das Leben nur
ein Tanz? Geht es um Macht, Sex, Begierde oder
ist Stefan vielleicht doch nicht so stark, wie er
scheint? Kann er überhaupt lieben?
Vieles bleibt bei ihm im Dunkeln, während
der Rezipient Hannahs und Noras Gefühle
so hautnah miterlebt, dass er schon
fast gezwungen wird, eine schützende
Distanz zu beiden aufzubauen. Müsste
man die Romanhandlung in einem Satz
zusammenfassen, böte es sich an, bei der
englischen Band „Placebo“ abzuschreiben:
„Protect me from what I want.“
Annika Reich: Teflon. Roman, Paperback, 128
Seiten, Suhrkamp Verlag, 6,50 €
[Dirk M. Oberländer]
Upgrade your Third Place
Mit den Hardwarekomponenten Network-Adapter und EyeToy
erweitert Sony die Produktpalette seiner Konsole PS2.
Der Network-Gaming-Service ermöglicht es dem
Spieler, einer Online-Community beizutreten.
Per Adapter und Breitbandanschluss loggt
man sich ins Netz ein und betritt die virtuelle
Spielhalle. Je nachdem wie viel andere User
gerade online sind, hat man es mit einer mehr
oder weniger großen Zahl von Gegnern aus
Fleisch und Blut zu tun.
Bisher gibt es für den deutschen Markt mit
SOCOM: U.S. Navy Seals und Twisted Metal Black
zwei Spiele, die online genutzt werden können.
Andere sollen folgen. Worin das „verstärkte
Gemeinschaftserlebnis“ (Sony) bestehen soll,
wenn die Mitspieler hunderte Kilometer weit
entfernt auf einer Couch sitzen, ist aber noch
nicht ganz klar.
Außerdem ist es uns bei unserem Selbstversuch
nicht gelungen, mit anderen zu spielen
– irgendwie wollten die alle unter sich bleiben.
Derartige Probleme hat man bei EyeToy nicht,
denn das Eye Toy ist eine Art Web-Cam, die das
Joypad ersetzt. Die Kamera überträgt dabei die
Bewegungen des Spielers in Echtzeit auf den
Bildschirm. Hier müssen durch Verrenkungen
vor dem Monitor diverse Geschicklichkeitsspiele
gemeistert werden. Die Bildqualität hängt
jedoch stark von den Lichtverhältnissen im
12 Rezension/Buch/Konsole
Raum ab und ist insgesamt eher unbefriedigend.
Auch die Auswahl der Spiele ist mehr etwas
für Kinder, und ob man hier „spielend Pfunde
verliert“ (Sony), darf bezweifelt werden. Mehr
Spaß als das Daddeln an sich macht es jedenfalls,
den Spielern bei ihren Verrenkungen zuzusehen.
Def Jam Vendetta
Electronic Arts
Getestet auf: PS2
Du hast Fight Club gesehen, magst (virtuelle)
Schlägereien, stehst auf Goldkettchen und
fette Hip-Hop-Beats? Dann bist du mit Def Jam
Vendetta gut bedient. Denn hier kann man
sich ganz nach oben schlagen, an die Spitze
des aggressiven Mobs sozusagen. Dabei stehen
dem geneigten Spieler nicht nur zahlreiche
Musikgrößen des Kultlabels ‚Def Jam’ als Wrestler
zur Auswahl, sondern im Getümmel kann
man mit 1.500 Fighttechniken entsprechend
punkten. Diese Vielfalt schützt Def Jam Vendetta
jedoch nicht vor einer gewissen Eintönigkeit, die
eingefleischte Fans des Genre allerdings kaum
stören wird.
Formel Eins 2003
Sony
Getestet auf: PS2
Stundenlang als Schumacher oder Montoya im
Kreis fahren, minutiös geplante Boxenstopps
und ein authentisches Formel-1-Fahrgefühl
gefällig? Sony hat einen geschickten Move
hingelegt und sich bis 2004 die Rechte am
Rennzirkus gesichert. Wer also die aktuellsten
Wagen und Fahrer auf den Wohnzimmerschirm
bringen möchte, muss zu Formel Eins 2003
greifen. Nach drei Runden kann das Spiel
für nicht Motorsportbegeisterte allerdings
langweilig werden.
Tomb Raider – The Angel of Darkness
Eidos
Getestet auf: PS2
Lara Croft ist zurück. Schlagkräftig, jung,
gut aussehend und intelligent wie eh und
je, steht die Dame, die laut eines deutschen
Nachrichtenmagazins als Vorbild für weibliche
Jugendgangs dient (eher unwahrscheinlich) ,
wieder vor einem neuem Abenteuer. Anders als
die Vorgänger spielt sich ‚The Angel of Darkness’
[Lukas - C. Fischer, Daniel Kreuscher]
Alle kennen und wenige schätzen sie – die
Werbung in unseren Städten. Sowohl größen-,
als auch zahlenmäßig gab es in den letzten zehn
Jahren für Außerwerbung nur eine Tendenz:
stark steigend.
Der öffentliche Raum wird heute massiv von
Bildern und Zeichen gefüllt, die sich allein
der Verkaufsförderung verschrieben haben.
Offensichtlich ist, dass Werbetafeln an
strategisch gewählten Plätzen das Stadtbild
dominieren.
Um die inzwischen völlig übersättigten
Konsumenten zu erreichen, müssen immer
größere Geschütze aufgefahren werden.
Tausende, quadratmetergroße, bedruckte
Vinylnetzgitter hängen an riesigen
Häuserwänden. Unzählige Werbeflächen in den
Städten, im öffentlichen Raum, penetrieren
dauerhaft ihre Umgebung mit immergleichen
Botschaften. Nur der Endverbraucher wird
nicht gefragt, ob er an der Rezeption der
Werbebotschaften interessiert sei.
Wer bezahlt, der darf bebildern. Eine
Rechtsauffassung, die erfreulicherweise nicht
von allen Bewohnern dieser Stadt akzeptiert
wird. Eine wachsende Gruppe setzt Marken
und bricht das erkaufte Bildmonopol. Ihre
Werkzeuge: Pinsel, Kleister, Sprühdosen,
Schablonen, Stifte, Aufkleber und Plakate. Das
Ganze hat auch einen schmucken, englischen
Namen: Streetart - sprich Straßenkunst.
Berlins Straßen sind voll von Bildern und Zeichen
der zumeist jungen Künstler.
Einige implizite Fragen rücken die Arbeiten der
Straßenkünstler in den Vordergrund: „Wem
gehört die Stadt? - Wer darf sie mit Bildern
füllen?“
Die Antwort scheint simpel: „Jeder, der klebt
oder malt, darf die Stadt mit Bildern füllen.“
Die Stadt wird damit - ob bewusst oder
nicht - immer mehr zu einem Platz, in dem
die sauberen und glatten Konzepte von
Marketingstrategen und Stadtplanern bunt
eingefärbt werden. Ähnlich wie braches
Bauland mit Grün zuwuchert und damit von
der Natur zurück erobert wird, bekommen
die unpersönlichen Städte durch Streetart ein
Gesicht, das etwas über die Bewohner aussagt.
Dass dabei die kommerzielle Bebilderung der
Städte angegriffen oder gar in Frage gestellt
wird, ist nur erfreulich.
Den Künstler, der hinter den Arbeiten auf der
Straße steckt, sieht man zumeist nicht. Denn das
Sprühen, Zeichnen und Kleben im öffentlichen
Raum kann zu bösen zivilrechtlichen
Konsequenzen führen, wenn man sich
erwischen lässt.
Den Künstler, der hinter den Arbeiten auf
der Straße steckt, sieht man manchmal aber
doch, dann sogar als Star. Durch Berlin zieht
gerade die Werbekarawane einer Turnschuhund Livestylefirma. Im Gepäck hat sie, neben
Sportschuhen und passenden T-Shirts, einige
international bekannte Straßenkünstler.
Die Zeiten, in denen die Bilder auf der Straße
als Geschmiere einiger abseitiger Gesellen
angesehen wurden, sind vorbei. Inzwischen
ist Straßenkunst immer zahlreicher in Galerien
vertreten. Die Frage, inwieweit die Wurzeln der
Straßenkunst dabei erhalten bleiben, kann man
sich stellen, muss man aber nicht. Interessant
ist, was passiert, wenn der Schritt von der
Straßenkunst in eine Galerie angetreten wird.
Diese Erfahrung möchten wir der geneigten
Leserschaft höchst selbst überlassen und
empfehlen folgende Ausstellungen und
Internetseiten zum Thema:
Am 25.Juli gibt es bei genauso.und.anders°
in der Krossener Straße 27 in Friedrichshain
eine eintägige Streetartausstellung. Gleich um
die Ecke, in der Seumestr. 12, im kosmoskop*,
eröffnet am selben Tag für einen Monat
eine Ausstellung zum Thema Straßenkunst.
Eine gute Adresse im Internet und als
Ausstellungsraum in der Stadt, ist die Urban Art
Galerie: www.urban-art.info. Die Karawane der
international bekannten „Turnschuhkünstler“
hat Berlin verlassen, Arbeiten seht ihr unter:
streetwisetwo.com. Für die Revolution
auf der Straße, sei euch noch die Seite:
www.multisensual-guerilla.org ans Herz gelegt.
Nicht vergessen: Seht euch auf der Straße um
oder schwingt selbst den Pinsel und färbt die
Stadt!
[Stephan König]
Kultur/Streetart 13
Was wir schon immer über
unsere Zukunft wissen wollten.
Bundesregierung hin, Agenda 2010 her. Was auch immer für Zukunftspläne hierzulande angedacht
werden, im Vergleich mit den globalen Veränderungen erscheinen Diskussionen um Zahnersatz,
Rentenreform und Metrorapid eher lächerlich. Jenseits von Ökosteuer und Eigenheimzulage ist eines
sicher: Die Welt von morgen wird eine andere sein. Höchste Zeit, einen Blick auf die globale Zukunft
zu werfen.
Umwelt
Die durch CO2 -Ausstoß verursachten
Klimaveränderungen führen zu einem
Umweltszenario, dass durchaus Hollywoodqualitäten hat: das Abschmelzen der Polkappen
und die thermisch bedingte Ausdehnung
des Oberflächenwassers der Ozeane lässt bis
zum Jahr 2100 den Meeresspiegel um einen
Meter ansteigen und flache Küstenregionen
wie die Niederlande werden überschwemmt.
Durch das langsame Verschwinden der
Arktis wird wahrscheinlich der Golfstrom
umgeleitet und Nordeuropa in ein zweites
Nordkanada verwandelt – nur ohne Eskimos.
Auch unser konsequenter Umgang mit der
Umwelt trägt Früchte: jährlich verabschieden
sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten auf
Nimmerwiedersehen - bis zu 500.000 pro Jahr.
Energie
In vierzig Jahren geht auf der Welt buchstäblich
das Licht aus. Dann werden nämlich die
Erdölvorräte global aufgebraucht sein, was
bei einem Rohölverbrauch von über 3700
Kilo pro Kopf in Europa und über 8000 Kilo
in den USA auch kein Wunder ist. Das Erdgas
wird uns noch bis ins Jahr 2050 die Häuser
wärmen können, aber dann ist auch hier
Schicht im Schacht. Kritiker der Ökosteuer und
Kraftfahrzeugfanatiker sollten sich diese Zahl
genau merken – denn der hohe Benzinpreis
kommt nicht von ungefähr und soll Autofahrern
14 Information/Zukunft/Verlosung
nicht nur das Geld aus Tasche ziehen, sondern
vielmehr ein energiepolitisches Umdenken
erzwingen.
Wasser
Die Ressource Trinkwasser wird in Zukunft
– wo sie es nicht schon ist – zu einem der
meistumkämpften Güter werden. Bereits heute
herrscht im nördlichen Afrika eine bedrohliche
Wasserknappheit, im nahen Osten schwelen
diverse Konflikte um die Verfügungsgewalt über
das kühle Nass. Im Jahre 2020 wird ein Drittel
der Weltbevölkerung unter Wassermangel
leiden und auch in Deutschland treten schon
heute gelegentliche Versorgungsmängel auf. Der
Trend zur Privatisierung von Wasser lässt eher
eine Verschärfung der ungleichen Verteilung
befürchten als auf Besserung hoffen.
Arbeit
Bereits 1995 wurde ein Formel durch die Gänge
der US-amerikanischen Think Tanks geraunt,
die kurz zusammenfasst, wie die Zukunft der
Arbeitswelt im neuen Jahrtausend aussehen
wird: 20:80. Ausformuliert bedeutet das: 20
Prozent der Weltbevölkerung werden benötigt,
um den Motor der Weltwirtschaft auf Touren
zu halten – mehr nicht. Der technologische
Fortschritt lässt somit das Heer der Arbeitslosen
auf weltweit fünf Milliarden anwachsen.
Dass nur diejenigen aktiv am Leben in einer
kapitalistischen Gesellschaft teilnehmen
können, die auch entsprechende Geldmittel,
sprich Arbeit haben, ist verständlich. Für den
Großteil der Bevölkerung wird es somit heißen:
have or be lunch.
Gesundheit
Alle 30 Sekunden stirbt ein Kind an Malaria,
neben Aids und Tuberkulose eine der drei
Krankheiten, die weltweit die meisten
Opfer fordern. Fast ausschließlich auf der
Südhalbkugel, vor allem in Subsahara-Afrika.
Das HI-Virus wird zudem in den nächsten
Jahren einen erheblichen Teil der Bewohner
Afrikas dahinraffen. In einigen Staaten sind
bereits mehr als ein Drittel der Erwachsenen
infiziert. Für sie stellt Aids/HIV eine nationale
Bedrohung dar. Und auch vermeintlich sicheren
Industriestaaten kann die Zukunft die eine oder
andere Epidemie bescheren. Migrationsströme
und Tourismus bringen die Erreger schnell
auch auf andere Kontinente. Die Panik um die
eher harmlose SARS-Epidemie zeigt, was noch
möglich ist.
Wer jetzt schon mit der Schlinge um den Hals
auf dem Hocker steht, sollte heruntersteigen
und sich locker machen. Das werkblatt verlost
dreimal eine heile Welt. Stichwort: Apokalypse.
[Lukas - C. Fischer, Daniel Kreuscher]