Untitled - Jusos München

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Untitled - Jusos München
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TICKER
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Der RV Süd hat einen neuen Vorstand
gewählt: Alex Ben Chaouch (Vorsitz und UBVotum), Sebastian Hanke, Andreas Brünnert,
Sarah Eydel und Tina Bögl.
Der RV West hat einen neuen Vorstand
gewählt: Markus Wanger (Vorsitz), Simona
Winkler (UB-Votum), Katharina Wegener,
Ortrun Merkle, und Lukas Vidoni.
Der RV Ost hat einen neuen Sprecherrat
gewählt: Boris Stark (UB-Votum), Konstantin
Jakob, Maximilian Engel, Vera Götz und Lala
Pringsheim.
+++ ende ticker +++
Impressum:
Links im Druck - Die Mitgliederzeitschrift der Münchner Jusos
Druck:
V.i.S.d.P. :
Redaktion:
Layout:
Auflage:
Erscheinungsweise:
Osiris Druck, Karl-Heine-Str. 99, 04229 Leipzig
Markus Henn, c/o Jusos München, Oberanger 38/IV, 80331 München
Viola Unger, Simone Burger, Hanna Kappstein
Markus Henn, Michael Raab (Cover)
500
11 Ausgaben pro Jahr
Wir freuen uns über Mitarbeit, Kritik, Artikel und andere Rückmeldungen; Kontakt über jim@jusosmuenchen.de oder über Markus Henn, tel. 79 109 947.
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Artikel abzulehnen oder zu kürzen.
Wenn Sie spenden wollen: Jusos München, Konto-Nr. 111 500, Stadtsparkasse München, BLZ 701 500 00.
Wir stellen Ihnen unaufgefordert eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.
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EDITORIAL
Inhalt
Kommunalpolitik
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Schwerpunkt
Wohin treiben die
Münchner Krankenhäuser?
von Klaus Peter Rupp
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Schwerpunkt
Bildung von
AusländerInnen
von Markus Henn
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Schwerpunkt
Der Kunstpark ist tot - es
lebe der Kunstpark!
von Nikolaus Gradl
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Veranstaltung
About war & more
von Christian Schiffer
und Simone Burger
11
Positionen
Können wir uns Bildung
wirklich sparen?
von Viola Unger
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Positionen
Aus der Krise lernen!
von Christian Schiffer
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Anzeige
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Das letzte Wort
von Christian Schiffer
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Diese Ausgabe widmet sich München, der Kommunalpolitik: Krankenhäuser, AusländerInnen, Jugendkultur. Auch die nächste Ausgabe wird sich München, der Kommunalpolitik widmen: Soziales, Stadtentwicklung, Mobilität. Dass sich gleich zwei Ausgaben
einem Thema widmen, hat einen Grund: Februar 2004 soll die
Kommunalpolitik auf der Jahreshauptversammlung verhandelt
werden.
Markus Henn
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SCHWERPUNKT
Wohin treiben
die Münchner Krankenhäuser?
Mit der Gesundheitsreform 2000
(nicht zu verwechseln mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz
vom Sommer diesen Jahres) wurde
u.a. festgelegt, dass die Entgeltabrechnung für Krankenhausleistungen ab 2004 auf ein pauschales
Abrechnungssystem umgestellt wird.
Statt wie bisher mit tagesgleichen
Pflegesätzen für jeden Aufenthaltstag in einer Klinik, wird dann für
jeden Fall in einem Krankenhaus
eine Pauschale von den Krankenkassen gezahlt. Unabhängig davon, wie lange der Patient oder die
Patientin im Krankenhaus bleiben
muss. Die Höhe einer solchen Fallpauschale (auch DRG = Diagnosis Related Group genannt) ist insbesondere von der Art und Schwere
der Erkrankung und vom allgemeinen Zustand des Patienten abhängig. Bemerkenswert ist vor allem,
dass der Erlös in einem Bundesland
für einen Fall immer gleich hoch
sein wird. Egal ob die Behandlung
in einem kleineren Krankenhaus
stattfindet oder in einer hochspezialisierten Klinik, wie z.B. Universitätsklinika oder auch die vier großen
städtischen Krankenhäuser Münchens: Bogenhausen, Harlaching,
Neuperlach und Schwabing.
Ziel des Gesetzgebers ist es die Verweildauer in den bundesdeutschen
Krankenhäusern drastisch zu reduzieren, um somit Kosten im Krankenhaus einsparen zu können. Aufgrund von Erfahrungswerten in anderen Ländern wird davon ausgegangen, dass die Verweildauer von
derzeit ca. 10 Tagen (Bundesdurchschnitt) auf 5-6 Tage verringert werden kann. In den Krankenhäusern
wird dies zu einer erheblichen Leistungsverdichtung und zu einem
Abbau der vorgehaltenen Betten
führen.
Radikaler Umbruch
Die Krankenhauslandschaft befindet
sich deshalb bundesweit in einem
radikalen Umbruch. Private Klinikbetreiber zeigen ein intensives Interesse daran Krankenhäuser von kommunalen oder frei-gemeinnützigen
Trägern zu übernehmen. Es entsteht
ein lukrativer Markt, wo insbesondere mit überschaubaren und unkomplizierten Fällen sehr gute Verdienstmöglichkeiten bestehen. Dem
gegenüber stehen multimorbide und
chronisch kranke Patienten, die aufgrund der Vielfältigkeit ihrer Erkrankung nur schwer kalkulierbar sind
und somit ein gewisses ökonomisches Risiko haben. Es ist jedoch
eine ethisch-moralische Pflicht, dass
Schwerstkranken eine qualitativ op-
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timale medizinische und pflegerische
stationäre Versorgung zuteil wird.
Nach der Gemeindeordnung sind
die Kommunen ohnehin verpflichtet
für ihre Bürgerinnen und Bürger
ausreichend Kapazitäten zur stationären Krankenversorgung vorzuhalten. Aufgrund dieses Versorgungsauftrags ist zu befürchten, dass die
kommunalen Träger in ihren Kliniken hauptsächlich kostenintensive
Patientinnen und Patienten behandeln müssen, die finanziell lukrativen Fälle hingegen überwiegend in
Krankenhäusern privater Klinikketten
versorgt werden. Eine solche Situation würde einen erheblichen Zuschussbedarf für die kommunalen
Kliniken aus Steuermitteln der jeweiligen Kommune erfordern. Dies ist
aufgrund der bekannt schlechten
Lage der öffentlichen Haushalte auf
Dauer nicht zu bewerkstelligen. Des
weiteren ist bei der Europäischen
Kommission in Brüssel die Beschwerde eines privaten Klinikbetreibers
anhängig, dass ein Zuschuss der
öffentlichen Hand zu den Betriebskosten eine unerlaubte Subvention
im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts darstellen würde. Über
diese Beschwerde soll in 2004 entschieden werden.
Um diesem Problem zu begegnen
versuchen nahezu alle Kliniken
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SCHWERPUNKT
durch strukturelle Umorganisation
und Prozessoptimierungen ihre Arbeitsabläufe zu verbessern. Dies soll
sicherstellen, dass auch bei einer
geringeren Verweildauer eine qualitativ hochwertige Versorgung geleistet werden kann. Es ist auch der
Wunsch der Patientinnen und Patienten nur solange in einer Klinik zu
bleiben, wie dies medizinisch auch
tatsächlich erforderlich ist.
München steht gut da
Das Krankenhaus in Schwabing
Die städtischen Krankenhäuser
Münchens stehen im Vergleich zu
anderen Häusern in bundesdeutschen Großstätten noch gut da. In
der jüngsten Vergangenheit haben
die hohe Leistungsbereitschaft aller
Beschäftigten und kluges wirtschaftliches Handeln dazu beigetragen,
dass zu den allgemeinen Betriebskosten keine Zuschüsse aus dem
Stadthaushalt gezahlt werden mussten. Lediglich besondere Leistungen
der Stadt, die nicht über die Pflegsätze abgedeckt sind, werden aufgrund eines Ratsbeschlusses auf Initiative der SPD-Fraktion von 1999
durch den Hoheitshaushalt übernommen. Hierzu zählen beispielsweise die Finanzierung von Planstellen für besondere innovative Projekte
in den Krankenhäusern oder auch
Zuschüsse für Betriebskindertagesstätten und Personalwohnungen.
Allerdings wird sich diese positive
Situation kurzfristig ändern, wenn
seitens der Stadt München als Träger der Krankenhäuser auf die sich
ändernden Rahmenbedingungen
nicht umfassend reagiert wird. Im
Jahre 2002 wurde bereits eine haus-
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übergreifende Strukturkommission
unter der Federführung des Referats
für Gesundheit und Umwelt (RGU)
eingesetzt. Die Aufgabe dieser Kommission ist es Vorschläge zu erarbeiten, wie die Leistungsspektren der
vier großen Krankenhäuser Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach
und Schwabing besser aufeinander
abgestimmt werden können und in
welchen Bereichen eine Zusammenlegung und Konzentration sinnvoll
und zweckmäßig ist. Erste Ergebnisse liegen vor, und der Gesundheitsausschuss des Stadtrats wird im
Dezember 2003 hierüber entscheiden. Derzeit werden die genannten
vier großen Krankenhäuser als jeweils eigenständige Kliniken in der
Rechtsform des Eigenbetriebes geführt. Sie treten somit in Konkurrenz
zueinander, was zu unnötigen Reibungsverlusten und erheblichen
Koordinationsproblemen führt. Daher ist bereits entschieden, dass
unabhängig von der Rechtsform es
künftig nur mehr ein Unternehmen
„Städtische Krankenhäuser Mün-
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chens“ geben wird. Hierüber haben
alle Parteien im Gesundheitsausschuss Einigung erzielt. Zu diesem
Unternehmen sollen auch das Krankenhaus an der Thalkirchner Straße, die Zentralwäscherei, das Institut für Pflegeberufe und der Blutspendedienst gehören.
Eine Zusammenfassung zu einem
Unternehmen wird Synergieeffekte
mit sich bringen, die nicht unerhebliche Kostenreduzierungen bewirken.
So können durch eine gemeinsame
Einkaufsstrategie bei medizinischpflegerischen Materialien und Lebensmitteln im Sachkostensektor
Einsparungen erzielt werden. Auch
die Konzentration von sogenannten
Sekundärleistungen, wie z.B. Labor
und Apotheke sowie Technik und ITBereiche beinhalten Einsparpotentiale, die dazu beitragen die Wirtschaftlichkeit der städtischen Krankenhäuser zu sichern.
Kostenfaktor Personal
Mit rund 75% an den Gesamtkosten
SCHWERPUNKT
ist Personalkostensektor der größte
Posten im Krankenhaus. Es ist bereits derzeit erforderlich auch hier
Kostenreduzierung vornehmen zu
müssen. Aufgrund der Einführung
des neuen Fallpauschalensystems
gibt es keine Anpassung der Krankenhausbudgets an die jährliche
Kostenentwicklung. Die Steigerungsrate wird jährlich vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale
Sicherung festgelegt. Sie beträgt für
2004 0,02%. Hiermit sind nicht einmal die üblichen Kostensteigerungen wie z.B. bei der Energieversorgung gedeckt. Keinesfalls die Erhöhung der Personalkosten durch den
Tarifvertrag. Diesem Problem kann
fast ausschließlich dadurch begegnet werden, dass freiwerdende Stellen nicht nachbesetzt werden. Somit
lassen sich betriebsbedingte Kündigungen derzeit noch vermeiden.
Allerdings führt diese Maßnahme zu
einer massiven Leistungsverdichtung
insbesondere im ärztlichen Bereich
und beim Pflegepersonal.
Worauf geachtet
werden muss
Das künftige Unternehmen „Städtische Krankenhäuser Münchens“
muss in die Lage versetzt werden
zeitnah auf Veränderungen bei den
Rahmenbedingungen und auf dem
Krankenhausmarkt reagieren zu
können. Gleichzeitig muss seitens
des Stadt geklärt werden, inwieweit
sie als Trägerin noch unmittelbaren
Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann und will. Vor dem Hintergrund dieser beiden Aspekte muss
die Rechtsformfrage geklärt und
entschieden werden.
Um diese Frage zu klären, befasst
sich ein interfraktioneller Arbeitskreis
intensiv mit den möglichen Rechtsformen. Neben externen Beraterfirmen sind auch die Personalvertretungen der Krankenhäuser und die
Gewerkschaft ver.di eng in diesen
Prozess eingebunden. Neben der
derzeitigen Rechtsform des Eigenbetriebes befinden sich noch das
„Kommunale Unternehmen“ und
die „GmbH“ in der Diskussion.
Während es fraglich erscheint, ob in
einem Eigenbetrieb die notwendigen
unternehmerischen Strukturen aufgrund der weitreichenden Einflussnahme durch den Stadtrat sichergestellt werden können, sind in einem
Kommunalen Unternehmen die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte
der Personalvertretungen und somit
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der Beschäftigten erheblich eingeschränkt. Die Rechtsform der GmbH
ruft bei vielen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern Ängste hervor.
Hier steht insbesondere die Furcht
des Arbeitsplatzverlustes im Vordergrund. Dem kann jedoch durch eine
entsprechende Ausgestaltung von
Überleitungstarifverträgen und
durch eine Sicherstellung der Arbeitnehmerrechte nach Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetz
begegnet werden.
Verbleib in
städtischer Hand
Der Stadtrat wird hierüber im Februar/März 2004 endgültig entscheiden. Sichergestellt ist bereits jetzt,
dass bei dieser anstehenden Neuordnung der städtischen Krankenhäuser diese zu 100 % in städtischen Händen bleiben werden.
Klaus Peter Rupp
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Klaus Peter Rupp ist Stadtrat, stellvertretender gesundheitspolitischer
Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion
und Vorsitzender der ASG München
und Oberbayern.
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SCHWERPUNKT
Bildung von AusländerInnen
Sich bilden heißt kämpfen: um Noten, Abschlüsse im elementaren, um
Selbstbewusstsein, Wahrheit im höheren Sinne.
Um den elementaren Kampf soll es
hier gehen. Zahlen dazu für junge
münchner AusländerInnen enthält
die Studie „Der Beitrag der ausländischen Bevölkerung zur Wirtschaft
Münchens und der Region“, im Auftrag des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München 2002 erstellt: 12,8 % von ihnen schaffte im Schuljahr 96/97 die
(Fach-) Hochschulreife (zum Vergleich die Zahlen für Deutsche: 38,4
%), 21,0 % schaffte die mittlere Reife (37,5 %), 45,9 % schaffte den
Hauptschulabschluss (20,5 %).
20,3 % schaffte überhaupt nichts
(3,6 %).
Im gesamten Bundesgebiet schlugen
sich ausländische SchülerInnen den
Zahlen nach ein wenig besser als in
München. Allerdings urteilte die bildungspolitische Höchstinstanz PISA,
dass in Bayern AusländerInnen zwar
formal schlechter abschneiden als in
manch anderem Bundesland, in
Wirklichkeit aber die Verhältnisse
umgekehrt sind. Die berliner Realschülerin ist somit laut PISA-Urteil
der münchner Hauptschülerin nur
auf dem Papier überlegen.
An den Berufsschulen beträgt der
ausländische Anteil 16,8 %, wobei
Schätzungen zufolge ein nicht geringer Teil der AusländerInnen im Lau-
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fe der Ausbildung scheitert und gar
keinen Beruf erlernt. Soweit dies gelingt, sind es in erster Linie einfachere Dienstleistungs- und Fertigungsberufe, die nur wenig Schulbildung
voraussetzen. Im September 2002
waren beim münchner Arbeitsamt
38 % der Ausbildungsplatzsuchenden ausländisch.
An der Universität sieht es so aus:
Die LMU hat einen Anteil von ca.
16,5 %, die TU von ca. 18 % (Sommersemester 2003). Dass es an der
TU 1995 noch 6 % waren, zeigt
dabei: es handelt sich weniger um
Alt- als um Studien-Münchner, was
den Unversitätspräsidenten Wolfgang Herrmann sehr freut, weil er es
als die „vornehme Pflicht der Universitäten“ ansieht, „Beiträge zur internationalen Verständigung zu leisten“.
Den altmünchner AusländerInnen
fällt die Verständigung anscheinend
zunehmend schwerer. Es deutet einiges darauf hin, dass sich deren
Bildung eher verschlechtert als verbessert. Der GymasiastInnenanteil in
München lag 2000 nur noch bei
9,9 %. Das Deutsch der dritten
GastarbeiterInnen-Generation ist
nach Einzelaussagen teils schlechter als das der zweiten. So entstehen
AusländerInnen.
Die Stadt bemüht sich natürlich, mit
Sprachförderung, Ein- und Übergangsklassen, Hausaufgabenbetreuungen, Schulsozialarbeit, Be-
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rufsvorbereitungsangeboten, Beratungen, Informationen, Qualifizierungen und durch Zusammenarbeit
mit Vereinen und Initiativen um Verbesserung. Cumali Naz, Vorsitzender des münchner Ausländerbeirates, fordert außerdem eine noch
stärkere Einbindung der Eltern, welchen die Wichtigkeit von Bildung
nähergebracht werden müsse. Naz
selbst berät Jugendliche zum Thema
(Infos unter www.jiz-muenchen.de),
und der Ausländerbeirat hat ein Projekt „Mobilisierung von Ausbildungsplätzen in ausländischen Unternehmen“ ins Leben gerufen. All
das soll den Jugendlichen dabei
helfen, „den Kampf nicht so einfach
aufzugeben.“ (Naz)
Was aber hilft der redlichste Kampf,
wenn Niederlagen viel mit der sozialen Lage zu tun haben, wie es im
Armutsbericht des münchner Sozialreferats zu lesen ist? In München beziehen 8,6 % (2001) der AusländerInnen Sozialhilfe, darunter viele Kinder; unter ihnen ist die Arbeitslosigkeit überproportional hoch, besonders bei unter 25-Jährigen (2002:
33,8%). Unter diesen Bedingungen
machen wohl Maßnahmen wie die
Agenda 2010 sämtliche individuellen und kommunalen Bemühungen
hinfällig. Der elementare Kampf wird
verschärft.
Markus Henn
SCHWERPUNKT
Der Kunstpark ist tot –
es lebe der Kunstpark!
Münchens Hallenkulturszene ist im ständigen Umbruch
Vor einem Jahr war das Lamento
groß, dass dem Kunstpark Ost das
Aus drohte, denn Hallen-Mogul
Wolfgang Nöth hatte seinen Vertrag
mit Grundstücksbesitzer Eckard nicht
verlängert. Aber es geht weiter auf
dem Gelände an der Grafinger Straße! Der kleinere Teil der Clubs von
Nöth und Scheffel zog auf das benachbarte Optimol-Gelände an der
Rosenheimer Straße. Das Team um
Werner Eckard (Sohn von Grundstücksbesitzer und Konsul Eckard)
und Ani Ruth Lugani kopierte das
Erfolgskonzept von Wolgang Nöth
und zog auf dem ehemaligen KPOGelände die Kultfabrik auf. Der
Kunstpark ist tot – es lebe der Kunstpark!
Nach anfänglicher Verunsicherung
durch die Schließungsdiskussion,
strömen jedes Wochenende wohl
annähernd genauso viele Partybe-
sucher auf das Areal an der Grafinger Str. wie zu alten Zeiten. Aber
gerade die Großdiskotheken wie
Babylon 2 oder das neu eröffnete
KPO (ehemals Babylon 1 bzw.
MGM) laufen nicht gut. Kein Wunder, ist die Konkurrenz von Nachtgalerie, Nachtwerk, der Domagkstraße doch groß. Ab Mitte Dezember eröffnet auch noch das 4000 m²
große „4004“ an der Landsberger
Straße.
Der Trend geht also wieder hin zu
kleinen Clubs, die dezentral ein gewisses Szenepublikum ansprechen.
„The Garden“ von den MilchbarMachern Faltenbacher und Neueröffnung „apartment 11“ von den
Nachtgalerie Machern zeigen den
Weg. Zunehmend erobert sich die
Partykultur auch wieder die Innenstadt: Neben dem legendären „Atomic Cafe“, kommen z.B. Läden wie
die „Erste Liga“ an der Hochbrük-
Wer sich für das Thema interessiert:
Die Jusos veranstalten gemeinsam
mit der SPD-Stadtratsfraktion am
16.12. ein Fachgespräch Hallenkultur.
Wer teilnehmen will, kann sich bei
gradl@jusos-m.de anmelden.
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kenstr. und „Funky Kitchen“ in den
alten SWM-Gebäuden an der Blumenstraße. Zwischen Blumenstraße
und Unterer Anger ist innerhalb
kürzester Zeit ein Eldorado für
Münchner junge Künstler entstanden: junge Filmemacher und Softwareschmieden, Wohnzimmer-Kino
und Tanzschule bevölkern den Verwaltungsbau. Die Mieten sind mit
unter 10 Euro/m² (warm) sehr billig, dafür droht die Kündigung jeweils zum Monatsletzten.
Das Nomadentum der Partyszene
wird wohl kein Ende finden: Es ist
schon absurd, dass vor zwei Jahren
das „Backstage“ von der Helmholzstraße an die Friedenheimer Brücke
weichen musste und das Gelände
bis heute nahezu brach liegt. Aber
wenn die Baukonjunktur wieder anspringt, steht wohl ein weiterer Umzug an: Das „Backstage“ muss seine neue Heimat (kaum heimisch
geworden) für dem Bau von 5
Hochhäusern am Birketweg aufgeben. Die „Nachtgalerie“ muss dem
Bau des Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) weichen. Es gibt zwar
genügend leer stehende Hallen,
aber fast alle städtischen Brachflächen sind bereits überplant (wie
etwa die wunderbare Jutierhalle an
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SCHWERPUNKT
der Dachauer Straße). Hier müssen
intelligente Lösungen gefunden werden: Wie etwa Zwischennutzungsverträge, die einen rechtzeitigen
Auszug durch eine schmerzvolle
Bürgschaft garantieren und damit
eine Nutzung bis kurz vor Baubeginn ermöglichen.
Aber die Stadt München ist auch für
dauerhafte Lösungen aufgeschlossen: Wolfgang Nöth bewirbt sich mit
einem Konzept aus Veranstaltungshallen, Ateliers und Bandübungsräumen um das Gelände südlich
des neuen Fußballstadions in Fröttmaning. Dort entsteht der neue
Kunstpark Nord mit direktem UBahn-Anschluss und den Parkhäu-
sern des Stadions. Es gibt zwar noch
einen erbitterten Streit um die Höhe
der Erbpacht (das Gelände fällt
nach 60 Jahren zurück an die Stadt)
zwischen Kommunalreferat und den
Pächtern Nöth-Scheffel-Scheffel aber
es sieht so aus, als ob es zu einer
Einigung kommen wird.
Nikolaus Gradl, Stadtrat
About war & more
1. Münchner Anti-Kriegskongress am 25. Oktober 2003 im DGB-Haus
Veranstaltet wurde der Kongress vom
Proletarischen Jugendkartell München. Hinter dem Namen verbergen
sich die DGB-Jugend München,
das Jugendwerk der Arbeiterwohlfahrt, die Falken – Sozialistische
Jugend Deutschlands und die Jusos1.
Entstanden ist die Idee für den Kongress während den Demonstrationen
gegen den Irakkrieg, um der oftmals
vorherrschenden
inhaltlichen
Sprachlosigkeit Informationen entgegenzusetzen. Der Kongress sollte
– jenseits platter Demoparolen –
Hintergrundwissen und Analyse vermitteln. Ein Schwerpunkt galt der
Frage, wo die Friedensbewegung ein
halbes Jahr nach dem Irak-Krieg
steht und wie die politische Linke auf
dem Feld der Friedenspolitik wieder
eingriffsfähig werden kann.
Auf dem Kongress gab es auch fünf
verschiedene Workshops, die
durchgehend mit hochkarätigen
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Referenten besetzt waren:
„Dabei sein ist alles – Die verteidigungspolitischen Richtlinien der
Bundeswehr“: Hier sprach Tobias
Pflüger von der Informationsstelle
Militarisierung e.V. Er klärte vor allem darüber auf, wie einfach es in
Zukunft sein könnte ohne parlamentarische Rückkopplung die Bundeswehr zu entsenden.
Bei dem Workshop „Wer braucht
den Krieg? - Wirtschaftspolitik mit
anderen Mitteln“ sprach Dr. Ernst
Wolowicz, Politikwissenschaftler und
Chef des Direktoriums der Landeshauptstand München, über die Frage, welche Ursachen Kriege haben.
In seinem umfangreichen Referat
ging er nicht nur auf die Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen ein, sondern zeigte an unterschiedlichen Beispielen die ökonomischen Interessenslagen auf, welche Kriege verursachen.
Jürgen Wagner von der Informati-
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onsstelle Militarisierung zeigte im
Workshop „Spannungsfeld EU und
USA - Strategien, Interessen und
Methoden“ auf, welche unterschiedlichen Interessen die EU und die
USA verfolgen und welche Ziele die
EU durch den Aufbau einer eigenen
militärischen Infrastruktur vorantreibt.
Der Workshop „Es geht auch anders
- Prävention von Konflikten und
Kriegen“ beschäftigte sich unter der
Leitung von Ralf Mattes, welcher einigen als ehemaliger Pressesprecher
der Münchner SPD noch in Erinnerung sein dürfte, mit der Frage, wie
man Konflikte bereits vor der Eskalation verhindern kann.
Für die Kundgebung, welche wir am
nächsten Tag vorbereitet hatten,
bereitete der Workshop „Antimilitarismus konkret“ eine Aktion vor.
Die Workshops waren – wie der
gesamte Kongress – durchgehend
gut besucht. Nach dem Abendessen
VERANSTALTUNG
chen des Krieges auseinandersetzen.
Mann muss die Welt zuerst interpretieren, um sie dann zu verändern.
b) Wurzelbehandlung
Wer den Krieg nachhaltig bekämpfen will, muss sich auf die Ebene der
Ursachen begeben und auch dort
Veränderungen einfordern.
c) stay rational
wurden auf der Abschlussdiskussion die Möglichkeiten des Kampfes
gegen Krieg und Militarismus diskutiert. In einer kontroversen, aber
trotzdem produktiven und niveauvollen Diskussion wurde über die
Frage diskutiert, in wie weit die Friedens- bzw. Antikriegsbewegung eine
„Eintagsfliege“ bleibt oder ob sich
das Widerstandspotential gegen den
Irak-Krieg kanalisieren und für ein
fortschrittliches Projekt weiterentwikkeln lässt. Auf der Abschlussdiskussion wurden 7 Thesen vorgestellt,
welche die Position der Veranstalter
zum Thema Antimilitarismus skizzieren:
Wer überzeugen und verändern will
muss sachlich mit Hintergründen
und genau argumentieren. Reine
Betroffenheitshysterie oder Verschwörungstheorien schaden jeder fortschrittlichen Bewegung.
d) no nation
Wer Frieden will, darf nicht nationalistisch argumentieren. Nationalismus verschleiert Herrschaftsverhältnisse und bringt neue Kriege hervor.
e) sag mir, wo du
stehst
Fight war –
step forward
Eine fortschrittliche Friedensbewegung muss sich genau anschauen,
wer mitspielen will und welche Interessen verfolgt werden. Auch wenn
nationalistische oder rassistische
Kräfte gegen den Irak-Krieg waren:
sie sind kein Bündnispartner – zu
keiner Zeit.
a) check out the roots
f) fight militarism
Die Friedensbewegung muss sich
genau mit den ökonomischen Ursa-
Wer Frieden erreichen will, muss
sich daran machen die militärische
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Logik und die Militarisierung der Gesellschaft zu stoppen.
Ein reines Gewaltverzichtsdogma ist
ehrenwert, hilft aber nicht wirklich
weiter.
g) change it not
yourself
Gesellschaftliche Präsenz ist richtig,
um etwas zu verändern.
Gesellschaftliche Präsenz darf aber
nicht die eigenen Positionen bis zur
Unkenntlichkeit verändern.
Der Kongress wurde durch eine Party
abgerundet, auf der es noch sehr
hoch herging.
Insgesamt war der Kongress ein riesiger Erfolg. Die Beteiligung war gut,
die Organisationen hatten eine ideale Plattform um sich zu präsentieren
und die Diskussionen und Vorträge
waren spannend und lehrreich. Vor
allem die Tatsache, dass es viele
junge Menschen gibt, die sich für
solch ein hochpolitisches Thema interessieren, sollte uns zuversichtlich
stimmen.
Christian Schiffer, Simone Burger
___________________________
Anmerkungen:
1
Der Name „Proletarisches Jugendkartell“ stammt angeblich aus den 20er
Jahren und wurde bei der Wiedergründung 1999 aus der Versenkung hervorgezogen. Wer den Namen für antiquiert
hält, beschwere sich also nicht beim
aktuellen Vorstand. Uns trifft keine
Schuld.
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POSITIONEN
Können wir uns Bildung
wirklich sparen?
Während die CSU vor der Landtagswahl noch die Losung „Wir werden
sparen - aber nicht bei Bildung,
Familien und Kindern“ ausgab,
scheint sie nach der Wahl an akuter Amnesie zu leiden - zumindest
was das Bayerische Hochschulwesen
anbelangt.
Die momentan geplanten Kürzungen im Hochschulsektor in Bayern
belaufen sich auf 10 Prozent des
Haushalts, was ca. 250 Millionen
Euro entspricht. Bis 2008 ist bayernweit eine weitere Kürzung um noch
mal 5 Prozent des Hochschul-Etats
geplant.
Für die LMU bedeutet das folgendes:
Im Jahr 2004 sollen ca. 25 Millionen Euro eingespart werden, also 10
Prozent des Haushalts. Unter Einbeziehung der Inflationsrate und der
nochmaligen Kürzung von 5 Prozent
würde der Etat der LMU bis 2008 um
25 Prozent gekürzt werden. Rektor
Huber hat für die LMU einen sofortigen Einstellungs- und Wiederbesetzungsstopp verhängt. Keine der im
Moment freien und im nächsten Jahr
frei werdenden Lehrstühle und MitarbeiterInnenstellen werden neu bzw.
wieder besetzt. Besonders betroffen
sind davon AssistentInnen- und Mittelbaustellen sowie studentische
Hilfskräfte, aber auch Professuren.
Doch noch nicht einmal durch derartige Einsparungen im Personalbe-
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reich kann die staatliche Zielvorgabe von 10 Prozent des Uni-Haushalts erreicht werden. Kürzungen bei
Uni-Kliniken, Bibliotheken und EDVEinrichtungen, aber auch die Schließung von ganzen Instituten und Studiengängen drohen.
Kaputtsparen
Doch schon jetzt ist das bayerische
Hochschulsystem chronisch unterfinanziert. Die Sparpläne der Bayerischen Staatsregierung gleichen einem Kaputtsparen der bayerischen
Hochschulen und provozieren ein
Zurechtstutzen der vielfältigen Fachrichtungen nach dem Rasenmäherprinzip. Autonomie der Hochschulen kann jedoch nicht bedeuten,
dass sich der Staat aus seiner finanziellen Verantwortung stiehlt! Die Studierendenzahlen werden in den
nächsten Jahren weiter ansteigen.
Denn immer noch haben wir im
Vergleich zu den anderen OECDLändern eine viel zu niedrige Quote an Hochschulabsolventen. Bayern ist sogar auf Hochschulabsolventen aus anderen Bundesländern
angewiesen. Deshalb brauchen wir
mehr Geld für Lehre und Forschung
für immer mehr Studierende! In der
Debatte um die Kürzungen besteht
natürlich auch die Gefahr, dass diese instrumentalisiert wird, um Studi-
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engebühren für das Erststudium und
für die so genannten „Langzeit“-Studierenden einzuführen. Doch was
wir brauchen sind keine Studiengebühren, sondern mehr studentische
Mitbestimmung! Zwar gibt es auch
in Bayern einmal im Jahr Hochschulwahlen, allerdings dürfen sich
der sich aus den Wahlen ergebende studentische Konvent und die studentischen Sprecherräte nur um die
sportlichen, kulturellen und sozialen
Belange der Studierenden kümmern.
Und zwar hinter verschlossenen Türen und ohne Rechenschaftspflicht.
Die finanziellen Mittel stellt die Hochschule und allein die Verwaltung
kontrolliert ihre Verwendung. Eine
effektive Vertretung studentischer Interessen ist unter solchen Bedingungen kaum möglich. Doch von der
Wiedereinführung der Verfassten
Studierendenschaft lässt das gebrannte Kind CSU lieber die Finger.
Den Protest der Studierenden gilt es
nun seitens der SPD und der Jusos
zu unterstützen - auf allen Ebenen
und unter Berücksichtigung der Zusammenhänge zwischen staatlichen
Kürzungen, der Debatte um Studiengebühren und der fehlenden Demokratisierung der bayerischen
Hochschulen – und das vor allem
laut und deutlich.
Viola Unger
POSITIONEN
Aus der Krise lernen!
Die SPD befindet sich seit der Bundestagswahl 2002 in einer tiefen
Krise. Bei den Wahlen in Niedersachsen und Hessen wurde die SPD
historisch geschlagen, in Bayern in
eine existentielle Krise getrieben.
nach nicht unwahrscheinlich, dass
die SPD nicht nur die nächsten Wahlen verliert sondern darüber hinaus
langfristig strukturell nicht in der
Lage sein wird gesellschaftlich tragfähige Bündnisse zu organisieren.
Die Situation
Die Gründe
Bei allen Wahlen zeigt sich das selbe Bild: Die SPD verliert massiv an
die Gruppe der Nichtwähler – weniger an konkurrierende Parteien,
und – besonders schmerzhaft – diese Entwicklung betrifft vor allem die
sog. Stammwähler, d.h. Angestellte, Arbeiter, Gewerkschaftsmitglieder,
Arbeitslose, Rentner usw. Zusätzlich
zu dieser besorgniserregenden Entwicklung auf dem „Wählermarkt“
kommt noch der andauernde Mitgliederverlust unserer Partei. Im
Schnitt verliert die SPD pro Monat
ein Prozent ihrer Mitgliedschaft,
davon sind 2/3 auf Austritte zurückzuführen, Genossinnen und Genossen, die sich in die innere Emigration flüchten, nicht mitgerechnet. Das
ist besonders bitter, da die SPD immer als Mitgliedspartei konzipiert
war, welche versuchte, durch eine
große Anzahl an Mitgliedern und
deren Engagement die strukturelle
Benachteiligung gegenüber konservativen Politikansätzen in finanzieller und medialer Hinsicht zu kompensieren. Kurz gesagt, die SPD
befindet sich momentan in einer
desolaten Lage. Es ist meiner Ansicht
Die Probleme haben Ursachen: Die
Mehrheit der Parteibasis ist mit der
Politik der Bundesregierung unzufrieden1, hält sie für sozial unausgewogen und findet sich mit dieser Auffassung an der Seite der bundesdeutschen Bevölkerung wieder, die
in der Mehrheit ähnlich denkt. Beschlüsse werden fast wöchentlich
über den Haufen geworfen, das
Wahlprogramm in schöner Regelmäßigkeit gebrochen. Der Unterschied zu konservativen oder
(neo)liberalen
Politikansätzen
schwindet dahin, die SPD-Basis
kann zu Teilen die Politik der Bundesregierung nicht mehr vertreten
und fühlt sich weder angehört noch
verstanden. Die Berliner Zeitung formuliert das Problem der SPD treffend: „Nicht der dramatische Verfall
der Wählersympathien ist das Kardinalsproblem der SPD, sondern der
Zusammenbruch des Respekts, den
die Partei noch vor kurzer Zeit und
mit vollem Recht vor sich selbst und
vor ihrer Geschichte empfand. Der
Preis ist für jede Partei auf Dauer unbezahlbar.“ In dieser Zeit, in der also
im Prinzip jeder rational denkende
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Mensch zu dem Schluss kommen
müsste, die aktuell betriebene Politik müsse überprüft und gegebenenfalls wieder stärker auf die Grundwerte der SPD –
Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – ausgerichtet werden, übt sich
die Parteiführung in esoterisch anmutenden Durchhalteparolen. Die
Politik sei richtig, sie werde nur
falsch verstanden, wird dort als häufigste Erklärung genannt. So als
habe der Mensch auf der Straße
immer noch nicht kapiert, dass ein
Abbau der gesellschaftlichen Solidarität zwischen Arm und Reich, Jung
und Alt, Krank und Gesund innovativ und zukunftsweisend ist. Die
Parteiführung unterschätzt dabei das
Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung, welches durchaus sensibel
reagiert, wenn nur bei unteren und
mittleren Einkommensschichten gekürzt und bzw. belastet wird, während gleichzeitig die Wirtschaft ohne
nennenswerte Widerstände aus der
gesellschaftlichen Verantwortung
entlassen wird. Offensichtlich ist die
Führung unserer Partei der Realität
schon so weit entrückt, dass Wahlanalysen nicht einmal mehr gelesen
werden und der Glaube, alles werde sich schon irgendwie zum Besseren wenden, rationale Überlegungen ersetzt.
Was tun?
Dass durch eine angebotsorientier-
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POSITIONEN
te Politik der Deregulierung, des
Abbaus von sozialen Rechten, der
Privatisierung und Umverteilung von
unten nach oben nicht mehr Wohlstand, Beschäftigung und Nachhaltigkeit generiert wird, wurde in 16
Jahren Kohl eindrucksvoll dargelegt.
Trotzdem hat die Bundesregierung
nicht den Mut, eine andere Politik –
hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit
– durchzusetzen. Einerseits mag dies
verständlich sein, schließlich scheint
es so zu sein, dass ein großer Teil der
Medien neoliberale Politikansätze
publizistisch vorantreibt und sozialdemokratische Errungenschaften wie
den Sozialstaat, Arbeitnehmerrechte usw. zunehmend zur Disposition
stellt. Andererseits ist dies jedoch
keine neue Entwicklung der man
hilflos ausgesetzt ist. Große Medienkonzerne haben seit jeher versucht ihre Interessen zu wahren,
man denke nur an die siebziger Jahre, als es einen regelrechten medialen Ansturm auf die Regierung Willy-Brand gab und die SPD genötigt
war die Parole „Mundfunk ist besser als Rundfunk!“ zu erfinden. Die
SPD errang damals im „Willy-Wählen!“-Wahlkampf durch eine offensive Strategie („…sind Erfolge von
120 Jahren demokratischer Sozialismus“) das beste SPD-Ergebnis aller
Zeiten. Die Strategie war damals
richtig und sie wäre es heute noch:
Nicht die Übernahme von konservativen Parolen und Politik wird die
SPD aus dem Tief führen, sondern
eine beherzte sozialdemokratische
Politik. Das könnte nicht nur Wähler zurückholen und die Parteibasis
wieder motivieren (wenn nicht gar
begeistern), sondern würde auch
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deutlich machen, dass Politik gegen
den neoliberalen Zeitgeist möglich
ist. Dadurch würde die SPD als Partei auch wieder attraktiv werden und
die Demokratie wieder mehr Akzeptanz erhalten, weil deutlich würde,
dass es wesentliche Unterschiede
zwischen den Parteien gibt, die über
die Frage der Geschwindigkeit auf
bestimmten „Reform“wegen hinausgehen und die Frage nach der Richtung der Reformen stellen.
Dazu gehört jedoch die innerparteiliche Aufklärung. Hierzu muss es
u.a. gelingen ökonomische Alphabetisierung zu betreiben und Bewusstsein für historische Tatsachen
und Entwicklungen zu schaffen.
Aber auch das Verteidigen der innerparteilichen Demokratie ist eine
wichtige Aufgabe. Es kann nicht
sein, dass stalinistische2 Methoden
– wie sie im Umgang mit den sogenannten „Abweichlern“ erwogen
wurden – zur Gewohnheit werden.
Wir brauchen in der SPD keine McCarthy-Ära. Stattdessen müssen wir
daran arbeiten eine Gegenöffent-
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lichkeit aufzubauen, welche alternative Ansätze zur neoliberalen Hegemonie in Kultur, Wissenschaft und
Medien thematisiert. Und dies alles
müssen wir mit Kraft und Selbstbewusstsein tun, denn, so sagte schon
der Schriftsteller Gerhard Zwerenz:„
Die SPD braucht weniger ein neues
Programm als eine aufrechte Haltung, den Verzicht auf Weinerlichkeit
und die Überwindung jener den Genossen von oben verordneten Gesichtsblässe, die aus der Angst resultiert, für rot gehalten zu werden.
Nur die Feigheit lässt erblassen,
Charakter purifiziert.”3
Christian Schiffer
___________________________
Anmerkungen:
1
Vgl.:
http://www.n-tv.de/
5193996.html
2
In der KPD der Weimarer Zeit war es
die Regel, dass Abgeordnete bevor sie
ihr Mandat antraten eine „blanco“ Rücktrittserklärung unterschreiben mussten,
so dass sich die Parteiführung im Falle
des Verstoßes gegen die Fraktionsdisziplin des/der unbequemen Abgeordneten problemlos entledigen konnte.
3
Zitiert nach „Links und lahm“, Hamburg, 1994
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DAS LETZTE WORT
Das letzte Wort
Schwarz-Braun ist die Haselnuss
Herr Homann kennt das Patentrezept. Er weiß, wie man Deutschland aus der Krise
führt. Die Krise rührt nämlich daher, „dass man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung erfährt“. So weit, so gut. Schuld seien nämlich vor allem
die Entschädigungszahlungen an – vor allem jüdische – Opfer des Nationalsozialismus. „Hauptsache, die deutschen Zahlungen gehen auf Auslandskonten
pünktlich und ungeschmälert ein. Dafür müssen die Deutschen den Gürtel noch
ein wenig enger schnallen“, so die durchdachte Krisentheorie des sympathischen
CDU-Abgeordneten und Major der Reserve aus Hessen, in seiner Rede zum 3.
Oktober in Neuhaus bei Fulda. Doch sein Anspruch „die Wahrheit zu sagen“ geht noch weiter.
So fragt er: „Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte, oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die
Leidtragenden?“. Und beantwortet die Frage gleich selber. Denn: Die Begründer des Kommunismus und des Sozialismus wie etwa Karl Marx, Ferdinand Lassalle, Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg seien Juden gewesen. Danach zählt er auf, wie viele Menschen den Sowjets zum Opfer
gefallen sind. Der Kausalzusammenhand ist dem gewieften Juristen und Schreiber für die rechtslastige „Junge Freiheit“ natürlich sofort klar: „Daher könnte man die Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen.“ Und weiter: „Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der
gleichen Logik folgen, mit der man die Deutschen als Tätervolk bezeichnet.“
Irgendwie fanden seine Rede dann doch nicht alle so gut1. Viele natürlich schon, denn schließlich
sind antisemitische Ressentiments in Deutschland in weiten Teilen der Bevölkerung nicht gänzlich
unpopulär, manche großen Persönlichkeiten, wie zum Beispiel hochstehende Generäle und Kollegen aus der CDU, beglückwünschten ihn sogar zu seinen Aussagen. Trotzdem konnten einige
den Ausführungen des Nachfolgers Alfred Dreggers2 („Man muß den Sozialismus zu Wasser zu
Lande und in der Luft bekämpfen“) als MdB doch nicht so ganz folgen. Dabei war doch alles halb
so schlimm: „Ich wollte keine Unstimmigkeiten hervorrufen. Aber wir leben in einem freien Land,
in dem man die Wahrheit sagen darf. Und ich bin bei der Wahrheit geblieben.“
Das klingt nach allem, aber nicht nach Einsicht.
Christian Schiffer
_______________________________________________________________________________________
1
In diesem Zusammenhang interessant: Seine Rede war bereits drei Wochen alt, als sie in die Schlagzeilen
kam. Lokal-Journalisten, die über die Rede berichteten, hatten an ihr offensichtlich genauso wenig auszusetzten wie anwesende Sozialdemokraten. Der Stein kam erst ins Rollen, als amerikanische Juden im Internet
auf die Rede stießen und sie an Journalisten weitergaben.
2
Alfred Dregger war von 1967 bis 1982 Landesvorsitzender der CDU in Hessen. Er galt als Rechtsaußen
der Union und wurde unter anderem deswegen bekannt, weil er sich für die Freilassung des SS-Hauptsturmführers Ferdinand Hugo einsetzte, der für die Deportation von mehr als 100.000 niederländischen Juden
verantwortlich war. Darüber hinaus kreierte er den CDU-Wahlslogan „Freiheit statt Sozialismus“. Alfred
Dregger starb 2002. In seinem Nachruf auf Dregger schreibt Hohmann, er sei ein „Frontoffizier, Patriot,
Kämpfer“ gewesen und habe die hessische CDU zu einem „Kampfverband“ mit „kameradschaftlichem Zusammenhalt gemacht“
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Christian Schiffer
Vorsitzender
tel. 85 63 97 96
schiffer@jusos-m.de
Angela Greulich
Frauenbeauftragte
tel. 54 50 83 86
greulich@jusos-m.de
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Simone Burger
Geschäftsführerin
tel. 26 02 30 90
burger@jusos-m.de
Niclas in der Stroth
Pressesprecher
Regionalverband Ost
tel. 36 10 81 01
niclas@jusos-m.de
Simona Winkler
Regionalverband West
tel. 56 04 63
winkler@jusos-m.de
Viola Unger
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Vorsitzende
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Politische Bildung
tel. 54 76 79 89
roever@jusos-m.de
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Öffentlichkeitsarbeit
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hiemeyer@jusos-m.de
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Regionalverband Nord
tel. 54 76 79 89
langer@jusos-m.de
Alex Ben Chaouch
Regionalverband Süd
tel. 77 79 53
ben-chaouch@jusos-m.de
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RV Nord
Das Münchner Stadtgebiet ist in
vier Regionalverbände, entsprechend den Bundestagswahlkreisen,
eingeteilt. Für jeden RV gibt es einen
Ansprechpartner im Vorstand (s.o.).
RV West
Büro der Jusos München:
RV Ost
RV Süd
Oberanger 38 / IV, 80331 München
Tel. 26 02 30 90, Fax 26 02 30 91
buero@jusos-muenchen.de
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