Vom Endverkaufsbetrieb zum modernen Dienstleister
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Vom Endverkaufsbetrieb zum modernen Dienstleister
Fachbericht von Knut Steffen zum 70-jährigen Betriebsjubiläum der Unternehmensgruppe Decker Vom Endverkaufsbetrieb zum modernen Dienstleister Viele Gartenbaubetriebe sind in den letzten Jahren verschwunden. Aber es gibt einige Betriebe, die den Strukturwandel erfolgreich gemeistert haben und heute auch gut dastehen. Ein Beispiel aus Würzburg ist die Unternehmensgruppe Decker, die als Dienstleistungsunternehmen in der grünen Branche hohes Ansehen genießt. Wenn man sich mit der Betriebsentwicklung beschäftigt, wird deutlich worauf der Erfolg beruht. Willy Decker wollte eigentlich nach Lehr- und Wanderjahren nur seine Meisterprüfung in Veitshöchheim ablegen und dann wieder zurück in Rheinland. Doch es kam anders. 1938, der Meisterbrief war noch frisch, bot sich die Gelegenheit in Würzburgs Frankfurter Straße eine Gärtnerei zu pachten, die schon seit 1862 große Geschichte geschrieben hat. Damit war der Grundlage für ein erfolgreiches Gartenbauunternehmen gelegt, dass heute überregional anerkannt ist. Unternehmensgeschichte als ständiger Anpassungsprozess Die Firma Decker ist ein Beispiel dafür, wie es einem Gartenbaubetrieb über sieben Jahrzehnte gelungen ist, sich immer an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und damit erfolgreich zu sein. Willy Decker würde auch heute als mutiger Existenzgründer bezeichnet werden. Mit einer geliehenen Kaution von 1.000 Reichsmark und einer Jahrespacht von 2.800 Reichsmark wagte der junge Meister 1938 den Schritt in die Selbstständigkeit. Der Aufschwung des Betriebs in Würzburg begann mit der Heirat von Gertrud Decker, die einen kaufmännischen Hintergrund mittbrachte und sich schnell in Geschäftsleben und Floristik einarbeitete. Gertrud Decker prägte den Betreibe genauso wie ihr Mann, der als unterfränkischer Obermeister, Bezirksvorsitzender und langjähriger Vize-Präsident des Bayerischen Gärtnereiverbandes sich auch sehr für den gärtnerischen Berufsstand engagierte. Nach den Kriegsjahren mit Scherpunkt Gemüsebau, aber immer auch Blumen und „Binderei“ wurde 1949 ein Laden mit zwei Schaufenstern direkt an der Straße gebaut. Ein Laden war zu dieser Zeit für Gärtnereien durchaus nicht typisch, verkauft wurde damals überwiegend aus dem Gewächshaus. Zum Angebot gehörte auch Obst und Gemüse, das erst 1982 aufgegeben wurde. 1953 wurde das erste Gewächshaus „über der Erde“ gebaut, weitere kamen 1957, 1959, 1962 und 1966 hinzu. Im Jahre 1969 hatte der Gartenbaubetrieb noch eine Gesamtfläche von 12,000 m² und lag inzwischen in einem Wohn- und Gewerbegebiet mit einer ausgewogenen Einzelhandelsstruktur im Umfeld. 1969 konnte Decker den Betrieb nach über 30 Jahren Pacht kaufen, hier wurde dann auch vom Energieträger Koks auf Fernwärme umgestellt. 1978 investierte die Firma Decker wieder in den Verkauf. Es entstand eine der ersten Verkaufsanlagen in Nordbayern mit 500 m² Größe, großer floristischer Abteilung und einem Verkaufsgewächshaus. Das war damals richtungsweisend für die gesamte Branche. Gleichzeitig wurde die Gesamtfläche von 12.000 auf 9.000 qm verkleinert. 1990 begann man mit der weiteren Umstrukturierung der wertvollen innerstädtischen Lage: die Produktion für den Handel war immer unrentabler geworden. Nach weiteren Flächenabgaben von 1992 hat die Unternehmensgruppe Decker heute eine Gesamtfläche von 4.200 m², davon 2.580m² Hochglas. Die abgegebene Fläche wird in Erbpacht gewerblich genutzt. Auch hier wieder ein Stück Weitsicht: gärtnerische Produktion in städtischer Bestlage in Frage stellen, den Standort jedoch als Verkaufsstelle halten und die Flächen für eine andere Nutzung in Erbpacht anzugeben. Familie entscheidend für die Betriebsentwicklung Willy Deckers Tochter Hannelore heiratete 1963 den Gärtnermeister Alfred Herrmannsdörfer. Seit 1970 war er alleine für den gärtnerischen Betreib verantwortlich und seine Frau, engagierte sich wie ihre Mutter für die Floristik. Rückblickend meint Alfred Herrmannsdörfer „Das Geschäft hat sich immer mit Ideen getragen, wie der Bau der Verkaufsanlage oder unsere ersten Adventsaustellung“ Das funktioniert aber nur, wenn familiär alles stimmt und die Mitarbeiter mit einbezogen werden,“ ergänzt Frau Herrmannsdörfer. „Frauen haben in der Geschäftsentwicklung immer eine besondere Rolle gespielt“, hebt Alfred Herrmannsdörfer hervor. Schon immer war das Unternehmen innovativ in Sachen Marketing: die Firma Decker war einer der ersten Betriebe die Adventsausstellungen durchführten und die Kunden mit Bonsai- und Kakteenausstellungen begeisterte, während andere Betriebe noch aus dem Gewächshaus verkauften. Als 1983 Dehner ein Gartencenter in der gleichen Straße einige hundert Meter weiter eröffnete, gab es zunächst einen Einbruch. Aber innerhalb von 5 Jahren hat sich der Umsatz wieder stabilisiert. Eine hochwertige Floristik, ein breites floristisches Dienstleistungsangebot (Hochzeit, Dekorationen Trauerfloristik), sehr gute Mitarbeiterinnen, die gute Verwurzelung in Stadt und Nachbarschaft sowie gute Kontakte haben Blumen Decker zu einer festen Größe im Würzburger Einzelhandel gemacht. Heute ein moderner Dienstleister 1990 traten die Söhne Jürgen Herrmannsdörfer (Jahrgang 1965) und Thomas Herrmannsdörfer (Jahrgang 1968) in das Unternehmen ein. Aus dem Gartenbaubetrieb wurde ein Dienstleistungsunternehmen mit zwei tragenden Säulen: Herrmannsdörfer Hydrokultur GmbH (Jürgen Herrmannsdörfer) und Blumenhaus Decker GmbH (Thomas Herrmannsdörfer). Beide Gesellschafter haben ihre Fläche von der Herrmannsdörfer Gärtnerei- und Immobilienverwaltung GmbH & Co. gepachtet. Alfred Herrmannsdörfer befasste sich bereits 1972 als erster in Unterfranken mit der Hydrokultur (Luwasa) und ist damit einer der Pioniere der Innenraumbegrünung. Als erster Betrieb in Nordbayern erhielt der Gartenbaubetrieb Decker das Qualitätszeichen „Anerkannter Raumbegrünungsbetrieb“. Jürgen Herrmannsdörfer hat nach dem Besuch der Meisterschule konsequent die Innenraumbegrünung ausgebaut und bietet dazu seit 2001 Wintergartenplanung sowie Bewässerungslösungen für private, gewerbliche und kommunale Grünflächen an. Die eigene Wintergartenanlage mit Mustergarten dient hierzu als gelebt Präsentationsfläche und wurde schon mehrfach von der Fachpresse gelobt. Zudem ist in Betrieb Stützpunkt-Händler für Lechuza-Gefäße und Competence-Center für GardenaGartenbewässerung in Unterfranken. Viele Begrünungsobjekte in Nordbayern, Baden-Württemberg und Hessen sind Beleg für die hohe Fachkompetenz der Herrmannsdörfer Hydrokultur GmbH, die heute längst nicht nur mehr in Hydrokultur anbietet, sondern auch auf mineralisch-organische Systeme in der Innenraumbegrünung setzt. Der Betrieb hat sich verändert. „Dienstleistung erfordert andere Mitarbeiter und einen anderen Marktauftritt, dafür braucht man einen langen Atem,“ berichtet Jürgen Herrmannsdörfer. „Die Wertigkeit der Dienstleistung (Raumbegrünung und Pflanzenpflege) stellt sich erst mit der Zeit heraus, anderes als beim Pflanzenverkauf“, betont der Innenraumbegrüner. Vernetzung und Kooperation mit GaLa-Bauern und Architekten ist für Herrmannsdörfer ganz wichtig. So nimmt und vergibt er Aufträge an GaLa-Bauer als Subunternehmer (in der Raumbegrünung oder Gartenbewässerung), was für beide Partner wichtige Synergieeffekte hat, etwa beim Einsatz der Arbeitskräfte. Wie schon sein Großvater Willy Decker, engagiert sich Jürgen Herrmannsdörfer seit 2002 für den Berufsstand. Seit 2003 ist er zweiter Vorsitzender des Fachverbandes Raumbegrünung (FvRH) und seit September 2006 Vorsitzender vom Bundesverband Einzelhandelsgärtner (BVE). Auch die Weitergabe seines Wissens, ist Ihm ein wichtiges Anliegen. Dies praktiziert er jährlich in mehreren Vorträgen und Seminaren. „Ohne Weitergabe der eigenen Erfahrung gibt es keine nachhaltige Branchenentwicklung“ so der engagiert Verbandsfunktionär, der in vielen Gremien auf Bundes- und Landesebene für den Berufstand aktiv arbeitet. Das Blumenhaus Decker, die andere Säule der Unternehmensgruppe Decker wurde mit vier Sternen von Fleurop ausgezeichnet und ist neben Pflanzenverkauf und Floristik stark in der Eventund Messedekoration. Zudem werden Pflanzen verliehen und die Kübelpflanzenüberwinterung angeboten. Aus beiden Unternehmen ergeben sich durchaus Synergieeffekte – beispielsweise durch den Austausch von Arbeitskräften und der Vermittlung von Aufträgen. Perspektiven für die Zukunft Die Unternehmensgruppe Decker ist in ihrer bisherigen Konstellation gut aufgestellt. Aber Stillstand ist Rückschritt, das wissen auch Jürgen und Thomas Herrmannsdörfer. Dienstleistungen haben in den letzten 20 Jahren zugenommen und machen in der Unternehmensgruppe Decker heute schon 60 bis 70 Prozent vom Umsatz aus. Im Gegensatz dazu nahm die Pflanzenproduktion ab, so dass heute 80 Prozent der Pflanzen zugekauft werden. Die verbliebenen Hochglasflächen sind veraltet, verbrauchen viel Energie und eine rentable Produktion ist kaum mehr möglich. Für eine gärtnerische Nutzung sind die Flächen zu wertvoll, so dass eine andere Nutzung angedacht ist. „Wir wollen in den nächsten Jahren kleiner und feiner werden und einen weiteren Teil der Fläche im Erbbaurecht abgeben“, erläutert Jürgen Herrmannsdörfer. Damit wäre dann der Umstrukturierungsprozess von einem Gartenbaubetrieb in städtischer Bestlage zu einem zukunftsorientiertem Handels- und Dienstleistungsbetrieb der grünen Branche abgeschlossen. Die Entwicklung der Decker-Unternehmensgruppe zeigt, dass ein Unternehmen, das sich immer wieder den neuen Herausforderungen stellt, auch erfolgreich ist. Die Verkleinerung der Flächen und sinnvolle Investitionen mit festen Erträgen sind dann besser als Geld in ungewisse teure Einzelhandelsprojekte auf der grünen Wiese zu stecken. Knut Steffen Marketingberater im Gartenbauzentrum Nordbayern