Interview in - Kulturserver

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Interview in - Kulturserver
Deutsches Schauspielhaus in Hamburg
Kirchenallee 39
20099 Hamburg
Kartentelefon: 0 40.2 48 71-3
Kontakt: hawaii@schauspielhaus.de
www.schauspielhaus.de
1
Nr. 3
Februar 2012
Seite
Hawaii
Inszenierte Wirklichkeiten.
Das Magazin aus
dem Schauspielhaus.
Unter
uns
Macht und Einfluss:
Netzwerke in Hamburg
»Leuchtturm? Bitte nicht!« –
Interview mit den Erfindern der
Elbphilharmonie > Seite
12
»Das Kulturklima ist eher
konservativ.« – Kultursenatorin
Kisseler im Interview > Seite
14
Businesspunk – Ein Essay von
Armin Chodzinski
17
> Seite
Unser Konzern ist das Theater –
Ein Essay von Oliver Kluck
18
> Seite
Foto: Dmitry Mordvintsev/istockphoto
Groothuis, Lohfert, Consorten | glcons.de
Stand Dezember 2011, Änderungen vorbehalten!
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Eintritt frei,
KörberForum – Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall
Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | www.koerberforum.de
Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.
KörberForum
Kehrwieder 12
Für Menschen, die nicht alles so lassen wollen, wie es ist.
3
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
Seite
Editorial
»Zauberei? Magie! Nein! Wille! Glaube an sich selbst! Glaube an die
Machbarkeit! Es liegt an dir, dein Schicksal in die Hand zu nehmen. Ich
habe meine Zeit genutzt und die verschwommenen Umrisse des Entwurfs
JAY GATSBY mit Substanz gefüllt.« (Jay Gatsby in »Der große Gatsby« von
Rebekka Kricheldorf nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald)
Fotos Kerstin Schomburg, © The Bob Peak Gallery; Titelillustration Andreas Homann
F. Scott Fitzgeralds berühmter Roman »The Great Gatsby« spielt in der feinen Gesellschaft im New York der Zwanziger Jahre. Er handelt von Menschen, die sich im Glamour wie die Fische im Wasser bewegen. Der elitäre Habitus, das Gelangweilt-Selbstverständliche im Umgang mit Luxus ist
ihnen qua Herkunft gegeben. Jay Gatsby, der geheimnisvolle Partykönig,
um dessen Einladungen sich alle reißen, macht sich mit rauschenden Festen zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der oberen Zehntausend – doch
er bleibt letztlich der Aufsteiger, der aus der falschen Familie, aus dem falschen Stadtteil kommt und der High Society nur zum Zeitvertreib dient.
Can’t buy me status? In Hamburg, der Stadt, in der die meisten
Milliardäre Deutschlands wohnen, gilt die High Society traditionell als geschlossener Kreis. Die Hanseaten gelten als kühl und unnahbar – doch
das ist ein Vorurteil, wie Claus G. Budelmann, Präsident des Anglo-German Club findet: »Das war vielleicht ganz früher so, als die alten Familien, die Nottebohms, Sievekings oder die Vorwerks noch das gesellschaftliche Leben dominierten. Aber in den letzten dreißig Jahren hat sich das
ja enorm gewandelt.« Budelmann (das Interview siehe Seite 10) sollte es
wissen, denn sein Anglo-German Club gilt nach wie vor als erste Adresse,
wenn man in Hamburg dazugehören will.
Aber was heißt das eigentlich, dazugehören? Sind die feinen Herrenclubs und
die exklusiven Sportvereine nicht ein Anachronismus? Oder gilt noch immer »Zukunft braucht Herkunft«, wie der Wahlspruch des Johanneums lautet, eines der
altehrwürdigen Hamburger Elitegymnasien, die vor zwei Jahren mit an vorderster Front standen, als eine Reform die exklusive Stellung der Gymnasien bedrohte?
Der Kampf gegen die Schulreform gilt im
Rückblick vielen Beobachtern als Hinweis
darauf, dass sich Eliten in Zeiten der Krise
abzuschotten versuchen.
Wir suchen in dieser Ausgabe von »Hawaii« nach der Hamburger High Society, nach den einflussreichen Zirkeln dieser
Stadt. Um mehr darüber zu erfahren, haben
wir Menschen »mit Verbindungen« zum
Die Arbeiten des US-ameri­
Gespräch gebeten, wie man so sagt. Jana
Marko und Alexander Gérard zum Beikanischen Illustrators
spiel, die vor über zehn Jahren die Idee von
Bob Peak (1927-1992) dienten
der Elbphilharmonie durchsetzen konnunserem Grafiker Andreas
ten – und sich heute von dem Projekt disHomann als Inspiration
tanzieren. Oder Sigrid Berenberg, in deren
für die Bebilderung des
»Kultwerk West« sich Bürgermeister und
Titelthemas. Peak zeigte
Wirtschaftsbosse der Diskussion stellen.
in seinen Bildern aus
»Früher galt es in Hamburg als schickden 1950er und 1960er
lich, dass derjenige, der viel Geld hat, es
Jahren das vermeintlich
nicht zeigt. Inzwischen wird in Hamburg
schillernde Leben des
genauso angegeben wie in Düsseldorf«, erJetsets und der Mächtigen
klärte Ex-Bürgermeister Ole von Beust vor
auf unnachahmliche Weise.
zwei Jahren im »Kultwerk West« – und
machte sich mit dieser Einschätzung bei manchem Hamburger Bourgeois durchaus unbeliebt. »Diese Äußerung war völlig daneben«, urteilt z.B.
Claus G. Budelmann. »Die Nouveau Riches gibt’s überall, aber im Schnitt
ist Hamburg sehr zurückhaltend.« So ist es wohl. Die teuren Klunker verschwinden hinter getönten Scheiben, der Reichtum verbirgt sich hinter hohen Mauern. Einen Jay Gatsby haben wir bei unseren Recherchen in Hamburg jedenfalls nicht gefunden. Den einstigen Promi-König Michael Ammer
nennt selbst die Bild-Zeitung heute »Hamburgs größten Party-Proll«.
Echte Kopfnüsse gibt es auch in dieser Ausgabe von »Hawaii« wieder:
Der Dramatiker Oliver Kluck fragt sich in einem Essay, ob man mit einem
Produktionsmodell wie dem des Volkswagenkonzerns nicht auch die deutsche Stadttheaterkultur effektivieren und verbessern könnte. Der Hamburger Künstler Armin Chodzinski schreibt darüber, wie Künstler-Exaltiertheit
und Punk-Attitüde heute als Haltungen gelten, mit denen man in Vorstandsetagen kommt – und konstatiert, dass die Lockerheit, die man dafür
braucht, nicht zuletzt eine Klassenfrage ist. Der Text entstammt seinem Buch
»Verkrampfung«, das gerade im Hamburger Textem Verlag erschienen ist
– wir fanden ihn einen cleveren Kommentar zu den drei Stücken von René
Pollesch, die im Schauspielhaus von Februar bis Mai zu sehen sein werden.
Viel Spaß beim Lesen – wir sehen uns im Theater!
Jack Kurfess und Florian Vogel
Malersaal
Traumatisches
Puzzle
Editorial, News
news
Nr. 3 / Februar 2012
Ein Krimi, eine Liebesgeschichte,
ein Drama über den libanesischen
Bürgerkrieg, eine Täter-OpferGeschichte: Wajdi Mouawads
»Verbrennungen« ist all das
und mehr.
»Es herrscht eine große Sehnsucht nach ernsteren Geschichten.«
Konradin Kunze, Schauspieler und Regisseur, inszeniert Wajdi
Mouawads Erfolgsstück »Verbrennungen«.
M
it sechzig Jahren stirbt die Libanesin
Nawal Marwan in Montréal. Ihre Kinder Jeanne und Simon, 22 Jahre alt,
trauern kaum, denn die Beziehung zur
Mutter war stets kühl. Die Verwunderung ist groß, als Nawal den Zwillingen ein rätselhaftes Testament hinterlässt. Die Mutter schreibt, dass sie
vollkommen nackt beerdigt werden will, mit dem Gesicht zum Boden. Weder einen Sarg noch ein Leichentuch, einen Stein oder eine Inschrift möchte sie haben. Und sie hinterlässt zwei seltsame Briefe: einen für
Jeanne, den sie ungelesen an den bislang totgeglaubten Vater ausliefern soll. Und einen für Simon, den er
ungeöffnet einem Bruder aushändigen soll, von dessen Existenz die Zwillinge bisher nichts wussten. Damit beginnt für Jeanne und Simon eine verstörende
Reise in ihre Familiengeschichte, die sie von einer kanadischen Großstadt in ein kleines Dorf im Libanon
führen soll – und schließlich in die Folterkammern des
Gefängnisses von Kfar Rayat. Je mehr Jeanne und
Simon erfahren, umso fassungsloser werden sie. Denn
die Geheimnisse, die sie aufdecken, sind erschütternd.
Am Ende wissen sie, wer sie sind.
Einen Krimi, eine Liebesgeschichte, ein Kriegsdrama und eine ambivalente Täter-Opfer-Geschichte erzählt der libanesisch-kanadische Autor Wajdi Mouawad
in seinem Theaterstück »Verbrennungen«. Geschickt
verknüpft er dabei individuelle Lebensgeschichten mit
großen politischen Ereignissen – und beschwört dabei
ein Drama von antikem Ausmaß herauf. Denn Mouawad zeigt, welch lebenslange Folgen traumatische Erfahrungen haben können und wie schwer es ist, sich
als Opfer nicht dem Bedürfnis nach Rache und Vergeltung zu überlassen. Hintergrund des Stücks ist der libanesische Bürgerkrieg, der das Land von 1975 bis 1990 ins
Verderben stürzte: Über 170.000 Todesopfer, 300.000
Verwundete und 20.000 Vermisste forderte der Konflikt zwischen libanesischen Christen und Muslimen,
Palästinensern und rechtsgerichteten Milizengruppen,
der Hisbollah und der israelischen Armee. Mehr als
800.000 Menschen flohen ins Ausland, darunter auch
der neunjährige Wajdi Mouawad, dessen Familie erst
nach Frankreich und später nach Kanada emigrierte.
Der vielfach preisgekrönte Autor erzählt also auch von
seiner Familiengeschichte. Dabei gelingt es ihm stets,
einen krimigleichen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten: Erst in den letzten Szenen kann der Zuschauer die
entscheidenden Puzzlestücke zusammensetzen.
Im Jungen Schauspielhaus hat Konradin Kunze,
Schauspieler und Regisseur (»Paradise Now«, »Nipple­
Jesus«), das Stück inszeniert. Nach seiner Produktion »Die Durstigen« am Theater Bremen bringt er mit
»Verbrennungen« nun zum zweiten Mal ein Stück
Mouawads auf die Bühne. Für Kunze geht es in »Verbrennungen« weniger um den libanesischen Bürgerkrieg an sich als um eine Reflektion bewaffneter Konflikte weltweit. Das sei auch die Intention des Autors,
sagt der Regisseur: »Mouawad hat in seinem Stück
ganz bewusst Zeitpunkte und Namen von realen Ereignissen geändert. Es geht ihm nicht darum, den realen Krieg aufzudröseln, sondern um die Einzelschicksale und die große Frage, wie man sich insgesamt in
Kriegssituationen verhält und mit eigenen Gewalterfahrungen umgeht. Muss man Gewalt mit Gewalt beantworten, muss man ungewollt seine Traumata weitergeben, wie es ja so oft geschieht? Im Stück bietet
Mouawad dafür verschiedene Antworten an«. Nicht
nur aktuelle Krisenherde, wie der Israel-PalästinaKonflikt, sondern auch die Kriegsgeschichte Deutschlands, das jahrzehntelange Schweigen und Verdrängen
hat Kunze dabei im Hinterkopf. Interessant findet er
aber auch die Dramaturgie des Stückes, die teils ganz
klassisch wie ein »Whodunnit«-Plot aufgebaut ist,
dann aber wieder mit nahezu filmischen Stilmitteln
wie Überblendungen und Montage arbeitet. Mit seiner Erzählweise und seiner Heftigkeit trifft »Verbrennungen« einen Nerv, glaubt Kunze: »Im Publikum
herrscht eine große Sehnsucht nach ernsteren Geschichten. Und die Themen Migration, Identitätssuche
und der Umgang mit der eigenen Geschichte betreffen
viele Hamburger. Auch junge Menschen aus Bürgerkriegsländern, die hier vielleicht bereits in der zweiten
oder dritten Generation leben«. \\
ANNE EV USTORF
V er b re n n u n g e n
von Wajdi Mouawad
Regie Konradin Kunze; Ausstattung
Léa Dietrich
Es spielen Angelina Häntsch, Oliver Hermann,
Juliane Koren, Jonathan Müller,
Christine Ochsenhofer, Martin Pawlowsky,
Florens Schmidt
Termine 24., 25. Februar, 23., 27., 28. März
und 18., 19., 20. April 2012
I M P R E S S U M Herausgeber Deutsches Schauspielhaus in Hamburg, Kirchenallee 39, 20099 Hamburg;
Geschäftsführender Intendant Jack F. Kurfess, Künstlerischer Leiter Florian Vogel; Redaktion Christoph Twickel, Anka Dohmen; Gestaltung Andreas Homann;
Druck, Anzeigenmarketing und Verbreitung Cult Promotion, Agentur für Kulturmarketing, Hamburg. Kontakt zur Redaktion hawaii@schauspielhaus.de
Elbphilharmonie
Konzerte
Auf Facebook passiert nichts und Dein Lieblingstheater hat spielfrei.
Warum nicht mal in ein klassisches Konzert gehen?
21.3.
»Nordisch by nature«
28.3.
Indoor-Festival
Nordlichter aller Länder vereinigt euch! Für alle,
die auf Skandinavien und Musik stehen.
Krasse, schrille, schöne und merkwürdige Musik,
verteilt auf vier Bühnen.
Andris Nelsons & City of Birmingham Symphony Orchestra
Ictus Ensemble: »Liquid Room«
27.3.
Ein Abend mit Hang zu
Fado und Flamenco
ab 2.4.
Orchester 3.0
Sphärischer Sound auf einem umgedrehten Wok,
der aus der Schweiz kommt und sich »Hang« nennt.
2.4. Junge Deutsche Philharmonie & Kristjan Järvi
7.4. Gustav Mahler Jugendorchester & Ingo Metzmacher
14.4. Bundesjugendorchester & Christian Tetzlaff
Die nächste Generation sitzt schon in den Startlöchern:
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Mit Unterstützung der Stiftung Elbphilharmonie
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Nr. 3 / Februar 2012
Studio Braun
lässt sich treiben
Vom Geplänkel
zum Gefecht
Das Hamburger Humor-Triumvirat arbeitet an
einem Mockumentary, beschäftigt eine Bigband
in Berlin und bringt sein erstes Singspiel wieder
auf die Bühne des Schauspielhauses.
I
Fotos Florian Schlüter/Typeholics (Studio Braun), Verlag der Autoren (Haratischwili) privat (Kricheldorf)
ch sag dir doch auch nicht, du sollst Synthesizer mit
dem Knie spielen!«: Das Audioschnipsel mit dem Titel
»Affe sucht Liebe« aus dem gerade abgedrehten Studio
Braun-Film ist schon mal vielversprechend. Das Mockumentary um die fiktive Synthie-Band »Fraktus« wird erst
im Herbst in die Kinos kommen. Bis dahin mögen sich
Anhänger mit dem Actionmusical »Fahr zur Hölle, Ingo
Sachs« behelfen, das Rocko Schamoni, Jacques Palminger
und Heinz Strunk für das Deutsche Theater Berlin produziert haben. Schon allein für die
dem Programmheft beigelegte CD
mit dem Soundtrack zum Stück
lohnt sich die Fahrt in die Hauptstadt: Studio Braun-Hits wie »Berlin Woman« (hier: »Brooklyn Woman«) oder »New York« kommen
hier im Big Band-Gewand.
Vor allem aber gibt’s ein Wiedersehen mit Heinz, seiner Band
»Tiffanys« und all den anderen
Gestalten aus dem ersten Studio
Braun-Musical. »Phoenix – Wem
gehört das Licht?« war der Titel der
Originalfassung, die im Mai 2005
am Schauspielhaus Premiere hatte. Für die Neufassung hat sich
Wiedersehen mit Heinz:
das Hamburger Humor-TriumviStudio Braun kommt zurück mit
rat mit »Fleisch ist mein Gemüse«
»Fleisch ist mein Gemüse«
auf den Romantitel besonnen. Die
Hauptrolle der Provinzoperette um den pickeligen Flötisten Heinz übernimmt Stefan Haschke, Stephan Schad
ist in der Rolle des neurotischen Bandleaders Gurki zu sehen – und natürlich spielt Heinz Strunk wieder seine eigene Mutter. »Inhaltlich lassen wir uns treiben und schauen, was die Schauspieler an Ideen mitbringen«, sagt Rocko
Schamoni. »Wir wollen in Gefilde gezogen werden, die wir
noch gar nicht kennen! Wir stellen alles auf den Prüfstand.
Das Beste gewinnt, wie immer bei Studio Braun!« \\
D eu t s c h es S c h a uspie l h a us i n H a m b ur g :
F l eis c h is t mei n Gem ü se
Eine Operette nach dem Erfolgsroman
von Heinz Strunk
Neufassung der Produktion
»Phoenix – Wem gehört das Licht?«
Text, Regie und Musik Studio Braun
Bühne Damian Hitz, Kostüme Dorle Bahlburg
Es spielen Rica Blunck, Lieven Brunckhorst,
Katja Danowski, Martin Engelbach, Stefan
Haschke, Jacques Palminger, Dirk Ritz,
Stephan Schad, Rocko Schamoni, Heinz Strunk,
Maria Magdalena Wardzinska, Sören Wunderlich
sowie Uwe Behrmann, Susanne Böttcher-Bleicken,
Norman Gagg, Maik Mensching, Caroline Schöne,
Ella Ülem
Premiere 18. Februar 2012
Weitere Termine 24. und 27. Februar, 7., 21.
und 30. März 2012
D eu t s c h es T h e a t er , Ber l i n :
F a h r z ur H ö l l e , I n g o S a c h s
Ein Actionmusical
Regie Studio Braun; Bühne Janina Audick
Kostüme Marysol del Castillo
Orchesterleitung Sebastian Hoffmann
Es spielen Felix Goeser, Ole Lagerpusch,
Moritz Grove, Anita Vulesica, Katrin Wichmann,
Jens Rachut, Rocko Schamoni, Heinz Strunk,
Jacques Palminger, Malin Nagel/Hannes
Oppermann, Nicole Lowery, Lara Scherpinski,
Martina Jonigk
Termine 28. Februar, 8. und 18. März,
1. April 2012
Seite
News
N e u e P r o d u k t i o nen
news
N E U F ASSU N G
5
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
Eine große deutsche Tageszeitung behauptete
kürzlich, junge Autoren in Deutschland hätten
zur Medienrevolution nichts zu sagen. Die
29-jährige Nino Haratischwili kann nicht
gemeint sein: Ihr neues Stück »Wir ohne uns«
ist ein Drama im Chatroom, das ziemlich
existentiell wird.
Mut zur Groteske
Die Dramatikerin Rebekka Kricheldorf hat
aus Fitzgeralds »Der große Gatsby« für das
Schauspielhaus ein Drama über Liebe, Geld
und Habitus gemacht.
B
o und Amina kennen sich von nächtelangen
Chat-Sessions. Sie erzählen sich von ihren Sorgen: Die Schülerin Amina von ihrer alleinerziehenden Mutter, vor deren Gejammer sie in die Weiten
des Internets flüchtet. Der Privatdetektiv Bo von seiner Midlife-Crisis, seiner geplatzten Verlobung, seiner
Einsamkeit. Aber sind sie, wer sie vorgeben zu sein?
Ahnen sie, was sie voreinander zu verbergen suchen?
Aus dem Chat-Geplänkel entspinnt sich ein existentielles Beziehungsgefecht.
»Wir ohne uns« heißt das Zweipersonendrama,
das Nino Haratischwili für das Deutsche Schauspielhaus geschrieben hat. Und das Existentielle ist das, was
die 1983 in Tiflis geborene und seit 2003 in Hamburg
lebende Autorin interessiert. Über ihren zweiten Roman »Mein sanfter Zwilling«, für den sie 2011 auf der
Frankfurter Buchmesse den Preis der Hotlist für das
beste Buch aus unabhängigen Verlagen bekam, schrieb
die »taz«, sie gehe das Wagnis ein, »ihre Figuren mit
wirklichem Leid und gehöriger Leidenschaft auszustatten«. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Haratischwili gehört nicht zu den leichtfüßigen Popliteraten – und
mit den Attributen »jung, weiblich, migrantisch«, die
zu Anfang die Erwartungen der Medien an sie prägten, kann die Georgierin gar nichts anfangen. »Ich bin
froh, dass das vorbei ist!« lacht sie.
Seit sie 12 Jahre alt ist, schreibt Nino Haratischwili.
Wenn sie nicht schreibt, dann inszeniert sie, gerne
auch ihre eigenen Stücke. Schon als Teenager leitete sie
in Tiflis eine freie Theatergruppe, 2006 schloss sie ihr
Regiestudium an der Theaterakademie in Hamburg
ab. Theater, sagt sie, sei »eine der letzten Bastionen der
Verschwendung« in einer
effizienzbesessenen Welt.
»Luk Perceval sagt: ›Theater ist Schreiben im Sand.‹
Das finde ich toll.« Mit
dem postdramatischen
Theater, das in Deutschland den Diskurs prägte, als sie ihr Regiestudium aufnahm, kann sie
nicht viel anfangen. »Am
Anfang habe ich das gar
nicht verstanden«, sagt
sie. »Heute kapier’ ich
es, aber ich kann es nicht
mehr sehen. Ich will Figuren, ich will berührt werden und nicht Schauspieler, die alle drei Sekunden
aussteigen und mir erklären, dass sie Schauspieler
sind. Das weiß ich auch
Wirkliches Leid, gehörige Leidenschaft: Autorin Nino Haratischwili so!« \\
W I R OHN E U N S
von Nino Haratischwili
Regie Anne Bader; Ausstattung Lena Hinz
Es spielen Jonathan Müller, Sandra Maria
Schöner
Premiere 31. März 2012, Hamburger Botschaft
Weitere Termine 2., 12., und 29. April 2012
Gefördert von den Freunden des Deutschen
Schauspielhauses.
Mut zur Überhöhung: Die Dramatikerin
Rebekka Kricheldorf
N
ein, in Jena gäbe es nicht so viele Superreiche,
sagt Rebekka Kricheldorf. Ihre Trilogie »Gotham City« handelte daher eher von den dunklen Seiten des urbanen Lebens. Eine »rabenschwarze Vision einer gesellschaftlichen Apokalypse« nannte
das Kritikerportal Nachtkritik das Werk, das Markus
Heinzelmann inszeniert hat, der auch beim »Gatsby«
Regie führte. »Trashig, dirty und komisch, bevölkert
Haifisch mit Gütemit stereotypen Gestalten, die aus einem amerikanisiegel: Die neuen
schen B-Movie entlaufen sein könnten.«
SchauspielhausVon daher ist es ein logischer Schritt, dass sich die
T-Shirts.
37-jährige Dramatikerin in Hamburg, eine der reichsten Städte Deutschlands, mal jenen gewidmet hat, die
im Licht stehen. Der Roman »The Great Gatsby« von
F. Scott Fitzgerald liefert den Stoff: die Geschichte des
steinreichen Junggesellen Jay Gatsby, dessen Villa im
New York der Roaring Twenties zum Partymittelpunkt
wird und der sich doch vor allem nach seiner Jugendliebe Daisy sehnt.
»Ich war immer ein großer Fan des Romans«, sagt
Kricheldorf. Doch für sie ist der »Gatsby« weniger das
kapitalistische Gesellschafts­panorama als die Geschichte einer Liebe, die zwischen altem und neuem Geld
aufgerieben wird. »Gatsby ist der Aufsteiger, der immer wieder erkennen muss, dass er sich nicht mit der
gleichen Selbstverständlichkeit in der High Society bewegt wie Daisy, die ihr Geld und ihren Habitus ererbt
hat.« Tragik hin oder her: Der pastelligen Pracht und
glamourösen Trägheit der berühmten Verfilmung von
1974 mit Robert Redford wollte sie nicht nacheifern.
Bei einer heutigen Gatsby-Bearbeitung müsse man
»Mut zur Künstlichkeit und zur Überhöhung« haben,
sagt Kricheldorf.
Was sie dazu gebracht hat, für das Theater zu arbeiten? »Ich bin nicht so narrativ veranlagt, mir liegt
das Direkte und das Dialogische.« Eigentlich hatte sie
ja eher das Filmemachen im Kopf, als sie sich für den
Studiengang »szenisches Schreiben« in Berlin imma­
trikulierte. Aber für Drehbücher sei sie nicht geeignet:
»Da reden mir zu viele Leute mit. Ich weiß es zu schätzen, dass die Autorschaft im Theater noch eine andere
Rolle spielt«, sagt sie und lacht. \\
D E R G R O S S E GAT S B Y
nach F. Scott Fitzgerald
in einer Fassung von Rebekka Kricheldorf
Regie Markus Heinzelmann; Bühne Gregor
Wickert; Kostüme Gwendolyn Bahr
Video Matthias Huser
Es spielen Katja Danowski, Stefan Haschke,
Hedi Kriegeskotte, Hanns Jörg Krumpholz,
Julia Nachtmann, Stephan Schad, Tristan
Seith, Saskia Taeger, Maria Magdalena
Wardzinska, Samuel Weiss, Sören Wunderlich
Termine 21. und 25. Februar, 11., 22. und
31. März und 6. April 2012, Schauspielhaus
Unter
uns
Macht und Einfluss:
Netzwerke in Hamburg
Natürlich, die Entscheidungen werden im Rathaus
getroffen. Aber was passiert vorher? Wo tagen die
informellen Machtzirkel? Wo muss man dazugehören,
in welchen Kreisen sollte man vorsprechen, wenn
man eine Elbphilharmonie bauen, eine Schulreform
verhindern oder Bürgermeister werden möchte?
Christoph Twickel hat sich umgehört.
I l l u s t r a t i o n e n Andreas Homann
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
»Viele Netzwerke dienen nur
dem eigenen Fortkommen.«
Ein Gespräch mit Sigrid Berenberg über Mittagstische,
Macht und meschuggene Blankeneser
S
Lösung sein, dass ihr eure Zäune noch höher
baut und eure Kinder mit dem Geländewagen
durch gewisse Stadtteile fahrt, damit sie dort
nicht abends in der U-Bahn sitzen!
Hawaii Und wie haben Sie dann diese
scheuen Rehe in das Kultwerk gelockt? Sie waren ja anfangs in der lange Zeit verrufenen Großen Bergstraße...
Sigrid Berenberg Wenn sie vom Bahnhof
Altona ins Kultwerk gingen, begegneten Sie
Leuten, die auf der Straße saßen und soffen.
Oder in die Ecke pinkelten. Da muss fast jeder erst mal eine Hemmschwelle überwinden.
Am Anfang haben sie uns gesagt: Wenn ihr da
hin geht, kommen wir nie ins Kultwerk. Und
dann kamen sie irgendwann doch.
Hawaii Wie ist das Kultwerk eigentlich entstanden?
Sigrid Berenberg Ich spazierte immer mit dem Hund durch den Park um die
alte Reemtsma-Villa in Othmarschen. Das
ist heute eine Gated Community mit gehobenen Mietwohnungen. Aber früher war das
noch offen – und weil die Villa endlos leerstand, habe ich ein Konzept für ein kulturelles Begegnungszentrum entwickelt. Das wollte
ich Familie Herz schenken, die das Areal gekauft hatte. Sie wollten es offenbar nicht.
Hawaii Braucht man in Hamburg einen
Draht in die oberen Zehntausend, um etwas
durchsetzen zu können?
Sigrid Berenberg Das glaube ich nicht.
Wenn Ihnen eine Sache am Herzen liegt und
Sie dabei hartnäckig, aber höflich sind, können Sie Kontakt zu fast jedem herstellen. Es
gibt in dieser Stadt sehr, sehr viel Wohlstand,
und wenn man gute Ideen hat, kann man auch
Unterstützung finden. Nehmen Sie das Kölibri
auf St. Pauli: Deren Förderverein sind ja alles
Frauen aus den Elbvororten, viel zugezogener
Altadel. Seit Jahren unterstützen die das ganz
toll. Still läuft eine ganze Menge. Man darf sich
von den Ritualen derer, die auf andere Weise
auftreten wollen, nicht verschrecken lassen.
Hawaii Aber manchmal muss man doch
auch politische Widerstände wegräumen, oder?
Sigrid Berenberg Ich gebe ein Beispiel:
Als junge Anwältin habe ich zusammen mit
anderen Kolleginnen festgestellt, dass wir als
Linke und Frauen beim Hamburgischen Anwaltverein nicht so richtig beliebt waren. Also
gründeten wir unseren eigenen Verein. Und
haben angefangen, gute Sachen zu machen.
Irgendwann war die Barriere weg und wir
wurden eingeladen, zu denen überzuwechseln.
Wenn wir jahrelang feindselige Pressemitteilungen veröffentlicht hätten, hätten sich die
Fronten nur verhärtet. Hawaii Aha! Also bloß nicht auf öffentliche
Konfrontation gehen?
Sigrid Berenberg Nehmen wir mal das
Gängeviertel. Da kamen ja auch die Damen
im Faltenrock und fanden die jungen Men-
igrid Berenberg kennt alle und alle kennen
sie. In dem von ihr gegründeten KultwerkWest stellen sich Bürgermeister, Wirtschaftsbosse, Dichter und Denkerinnen der Diskussion.
Wenn Sie findet, dass sich in Hamburg mal ein paar
Leute kennen lernen müssen, dann lädt sie im Hinterzimmer des Kultwerk zum Mittagstisch.
Hawaii Das ist also der Tisch, an dem Sie Ihre
Lunch-Einladungen abhalten. Der ist ja rund!
Sigrid Berenberg Das Tolle ist: Da können
zehn Leute dran sitzen und jeder sieht und hört jeden. Das haben Sie bei viereckigen Tischen nicht.
Da kommt natürlich noch eine gebügelte weiße
Tischdecke drauf.
Hawaii Wie oft laden Sie zum Lunch ein?
Sigrid Berenberg So fünf bis sechs Mal im
Jahr. Wenn wir hier im Kultwerk finden, dass wir
irgendwen kennenlernen müssten oder Leute vernetzen wollen.
Hawaii Und dann kochen Sie hier im Kultwerk
was?
Sigrid Berenberg Nein, ich koche ungern. Es
gibt doch in der Großen Bergstraße diese Italienerin von Laib und Liebe, die macht’n guten Eintopf.
Oder mein Freund Ertekin vom Café Katelbach in
Ottensen macht wunderbare Gemüselasagne.
Hawaii Und mit wem haben Sie beim letzten Mal
zu Mittag gegessen?
Sigrid Berenberg Da haben wir hier gesessen
mit der US-Generalkonsulin, mit Joachim Lux vom
Thalia, mit Herrn Cotterell, der ein Hafenunternehmen hat, Frank Schmiechen, stellvertretender Chefredakteur der »Welt«, mit der Regisseurin Hermine Huntgeburth, dem Psychiater Hans-Peter Unger
und dem Bauunternehmer Christian Roggenbuck.
Hawaii Und was haben die sich zu sagen?
Sigrid Berenberg Das ist eben das Interessante! Anlass war ein Kommentar von Frank Schmiechen in der »Welt«, aber das war nur dazu da, die
Leute neugierig zu machen. Eigentlich geht es darum, mehr Verständnis zu bekommen für andere
Denkweisen, Erfahrungen und Arbeitsformen. Und
hinterher tauschen alle ihre Telefonnummern und
Emailadressen aus.
Hawaii Das Abendblatt hat Sie »Netzwerkerin
für das Wohl der Stadt« genannt. Wo sind denn hier
die Netzwerke, mit denen man sprechen muss, um
was zu bewegen? Sollte man Rotarier werden oder einem Lions Club beitreten?
Sigrid Berenberg Ach, das sind ja eher Closed
Shops. Die laden sich vielleicht mal einen Querkopf für einen inhaltlichen Impuls ein, aber letztlich
bleibt man lieber unter sich. Man hat in Hamburg
viele Netzwerke, die bloß dem eigenen Fortkommen dienen. Es gibt sogar noch Adelskreise, die
ihre Kinder in Tanzkursen zusammenführen. Darüber hinaus gibt’s jede Menge Gutmenschentum,
da sammelt ein Lions Club z.B. für einen Spielplatz
in Osdorf, oder es gibt die Zontas, Karrierefrauen,
die sich um Projekte im sozialen Bereich kümmern.
Neulich traf ich eine Freundin, deren Mann eine
Arztpraxis in Harvestehude hat, sie hat allerdings
bewusst ihr Anwaltsbüro in Wilhelmsburg eröffnet.
Die sagte mir: »Sigrid, ich find’s meschugge, dass die
Kinder meiner Blankeneser Schwester im Austausch
nach Indien gehen – warum machen die nicht mal
einen Austausch mit Kindern in Wilhelmsburg?« Hawaii Klingt nach einer neuen Reality-Soap:
Unterschichtskinder tauschen mit Elbvororts-Früchtchen für einen Monat die Familien...
Sigrid Berenberg Damit kommentieren Sie,
dass Sie das für vollständig unmöglich halten! Das
sind im privaten Umgang ja alles sehr nette Menschen und ich sage denen gern: Es kann doch keine
Foto Kerstin Schomburg
schen ganz reizend, die das besetzt hatten. Aber auf lange Sicht hat man es in
Hamburg leichter, wenn man nicht zu
konfrontativ vorgeht. Andernfalls vergraulen Sie nicht nur die Politik, Sie
verbauen sich die Kommunikation mit
einem breiten Kreis von Unterstützern. Dann erschrecken die sich und
wollen doch lieber nicht mit Ihnen reden. Tür zu.
Hawaii Nehmen wir doch mal unseren Ex-Kultursenator Stuth, der ja auch
bei der Hamburger Kulturbourgeoisie in
Ungnade fiel...
Sigrid Berenberg Schon Herr
Ahlhaus und seine Frau! Jemand, der
sich in einer stillen Straße zwischen ollen Gammelzäunen eine Panzersperre um seine Villa legen lässt. Nicht
vorstellbar als Bürgermeister unserer Bürgerstadt! Bei Herrn Stuth hatten wir mit den Freundeskreisen der
Kultureinrichtungen eine Presseerklärung vorbereitet und hätten die auch
rausgegeben, wenn nicht bald erkennbar gewesen wäre, dass die schwarzgrüne Koalition kollabiert und die SPD
jemand Kompetentes für den Posten
vorschla­gen wird. Da haben wir sie in
der Schublade gelassen. Hawaii Sie meinen also: Understatement ist wichtig. Ole von Beust hat sich
doch am Ende seiner Amtszeit darüber
beschwert, dass der Hamburger Geldadel
immer protziger auftritt.
Sigrid Berenberg Das war hier im
Kultwerk! Er hat von der Düsseldorferisierung Hamburgs gesprochen. Dass
er das gesagt hat, da war ich perplex! Er
muss sich sehr geärgert haben über den
Erfolg der Schulreform-Gegner.
Hawaii Sie finden nicht, dass Hamburg sich düsseldorferisiert?
Sigrid Berenberg Eigentlich nicht.
Alexandra von Rehlingen hat kürzlich
beklagt, dass man in Hamburg seinen
Wohlstand nicht herzeigen wolle. Aber
das ist doch gerade das Tolle an dieser Stadt! Solche Kritik wird man demnächst gar nicht mehr hören. Bei der
zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung wäre es erst recht unpassend, sein
Geld in Protzveranstaltungen zu verpulvern. Ich hab neulich mal – ehrenamtlich – versucht, eine größere Summe für ein sehr gutes soziales Projekt
zu besorgen. Und da haben mir Leute gesagt: »Mensch Sigrid, uns geht es
nicht schlecht, aber ich möchte nicht
wahrgenommen werden als jemand,
der sich diese Unterstützung leisten
kann.« Das ist dann auch schwierig! \\
S i g rid Bere n b er g
Jahrgang 1952, arbeitete als Strafverteidigerin,
war Sprecherin von Gruner + Jahr, lebt in Othmarschen und ist seit über zwei Jahrzehnten ehrenamtlich im Vorstand des Familienplanungszentrums.
Das Kultwerk West, dessen 1. Vorsitzende sie ist,
eröffnete im September 2006 in der Großen Bergstraße in Altona unter dem Motto »das öffentliche
Wohnzimmer«. Heute residiert es auf St. Pauli in
der Kleinen Freiheit 42 (www.kultwerk-west.de).
9
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
Seite
Titelthema
Die Barbourjacken-Apo
Der Macchiavelli
von Mitte
Scheuerl & Co.:
Klassenkampf von oben
Die SPD und
das »System Kahrs«
A
W
lle Parteien stellten sich vor zwei Jahren hinter die vom
er Personalpolitik und Positionskämpfe der Hamburger
schwarz­grünen Senat beschlossene Schulreform – so einig waSPD dechiffrieren möchte, kommt an Johannes Kahrs
ren sich Hamburgs Politiker noch nie. Doch es nützte nichts:
nicht vorbei. Er ist Bundestagsabgeordneter, Sprecher
Unter dem Motto »Wir wollen lernen« fegte eine gut aufgestellte
des rechten »Seeheimer Kreises« innerhalb der SPD und ein PolitiBürgerlobby das Reformwerk per Volksbegehren vom Tisch. Wie ha- ker, der von »weltfremden Ideologie-Diskussionen« nicht viel hält
ben die das geschafft?
und sich als »Pragmatiker« bezeichnet. Ausgesprochen pragmaEine Bürgerbewegung aus den Elbvororten: So was hatte Hamtisch ist auf jeden Fall sein Günstlings-Netzwerk, das ihn in Hamburg noch nicht gesehen – und darauf waren weder die CDU unter
burg-Mitte zum unangefochtenen SPD-Boss macht. Seine MachtOle von Beust noch die GAL eingestellt. Als der Rechtsanwalt Walter
basis sind die Jusos – die, anders als überall sonst in der Republik,
Scheuerl, Elternratsvorsitzender des Gymnasiums Hochrad im feinen in Hamburg rechts von der Mutterpartei stehen.
Groß Flottbek im Mai 2008 gemeinsam mit anderen Eltern die Initi­
Als eine gut organisierte Juso-Seilschaft im Frühjahr 2008 den
ative »Wir wollen lernen« gründete, tat man sie noch spöttisch als
traditionell linken Eimsbütteler Ortsverein unterwanderte, um
»Gucci-Fraktion« ab. Zu Unrecht. Denn die außerparlamentarische
den ehemaligen Kahrs-Mitarbeiter Danial Ilkhanipour zum SPDOpposition von der Barbourjacken-Front wusste, wie man eine Kam- Direkt­kandidaten bei der Bundestagswahl zu machen, stritt Kahrs
pagne aufzieht.
jede Beteiligung ab. Im Vorfeld der Ilkhanipour-Affäre hatte es
Erste Regel: Verpacke dein Partikularinteresse als Sorge um das
eine auffällige Eintrittswelle gegeben: Jusos waren gezielt nach
Gemeinwesen. Statt in den Vordergrund zu stellen, dass sie um die
Eimsbüttel gezogen, um in den SPD-Ortsvereinen Delegierte für
exklusive Gymnasialbildung für die eigenen Früchtchen bangen, ver- die Kandidatenwahl zu werden. Weil es nur einen Kandidaten gab
kauften sie ihr Anliegen mit der Warnung vor »fragwürdigen gesell– nämlich den eher linken Niels Annen – ahnten die lokalen Sozis
schaftspolitischen Experimenten«.
zunächst nichts Böses. Einen Tag vor der Kandidatenwahl erklärZweite Regel: Mobilisiere die überregionalen Medien, wenn du
te Ilkhanipour dann urplötzlich seine Kandidatur – um sich von
deinen Lokalpolitikern Druck machen willst! Der erste große Artikel, den Neumitgliedern wählen zu lassen. »Da war das ›System Kahrs‹
der die Anliegen von »Wir wollen lernen« öffentlich machte, erschien am Werk«, sagt eine Eimsbütteler Genossin, die nicht genannt sein
bereits im Juni 2008 im »Spiegel«. »Droht das totale Schul­chaos?«
möchte.
fragte das Nachrichtenmagazin – und traf damit gleich den Ton, der
Unterwanderung oder nicht: Johannes Kahrs weiß, wie man
Eltern auch diesseits der Elbvororte und der Walddörfer Angst einseine Truppen aufstellt. Sein Abgeordnetenbüro ist ein Durchjagte.
lauferhitzer für ehrgeizige Jungpolitiker. Rekrutierungsmittel sind
Die dritte Regel: Auch wenn du dich auf den Willen des Volkes benicht zuletzt die beliebten Berlinfahrten, die der Bundestagsabgerufst – überlasse deine Kampagne nicht der Bewegung, betreibe sie geordnete mit wachsendem Eifer organisiert. 2011 karrte Kahrs rund
neralstabsmäßig! Neben straff organisierten ehrenamtlichen Helfern
5.000 Hamburgerinnen und Hamburger zu einer »politischen
warb die Initiative auch Studenten an, die zum Preis von fünf Euro pro Stadtrundfahrt« in die Hauptstadt, darunter viele Jugendliche.
Stunde und einem Euro pro Unterschrift für das Volksbegehren samWer sich im Juso-Klüngel engagiert und womöglich neue Mitgliemelten. Das nötige Kleingeld dafür war kein Problem: Über 240.000
der wirbt, darf auf einen PraktiEuro konnte die Initiative einsammeln. Um zu verschleiern, wer da ge- kantenplatz hoffen – und in der
spendet hat, hatten Scheuerl und Co. eigens einen Verein gegründet,
Folge gar auf einen Minijob, die
der das Geld kassierte, aber gegenüber der Öffentlichkeit nicht rechenschmucke Abgeordnetenmitarschaftspflichtig war.
beiter-Visitenkarte inklusive. Weil
Ideologischen Beistand bekam die Initiative unter anderem von
die Ortsvereine der SPD weithin
dem Führungskräfte-Netzwerk »Tönissteiner Kreis«, das im Novem­
politisch eingeschlafen sind, sind
ber 2008 einen Workshop im Haus Rissen organisierte, und von eiPöstchen und Ämter auf dieser Ebene ein beliebter Tummelplatz
nem illustren Zirkel aus Prominenz und Hochadel. Den Appell
der Kahrs-Jünger. In Eimsbüttel fürchtet man sich schon vor dem
»Stoppen Sie die Primarschule« unterstützten unter anderem Ingenächsten Juso-Coup bei den Organisationswahlen im Frühjahr.
borg Prinzessin zu Schleswig-Holstein, Magnus Graf und KaroliDas Resultat dieses in langen Jahren aufgebauten Karrierenetzne Gräfin Lambsdorff sowie Unternehmer wie Dietrich von Saldern
werks? Die Mehrzahl der aufstrebenden Sozialdemokraten komund Jean Jacques de Chapeaurouge. Auf den Demonstrationen zeigmen aus dem Stall von Kahrs – auch wenn sie sich, wie Innenten Sky Dumont, Joja Wendt oder Alexandra von Rehlingen ihre Ge- senator Michael Neumann oder Justizsenatorin Jana Schiedeck,
sichter. Die FDP war ganz vorne dabei,
inzwischen von ihrem Mentor emanzipiert haben. Unter Olaf
aber auch in der SPD gab es promiScholz funktioniert das »System Kahrs« nur noch schaumgebremst
nente Unterstützer: Auf der ersten De– aber es funktioniert. Das zeigt nicht zuletzt die Personalie Markus
monstration im April 2009 sprach die
Schreiber: Nach dem Methadon-Tod der 11-jährigen Chantal wäre
Bildungspolitikerin Britta Ernst.
die SPD den angeschossenen Bezirksamtsleiter lieber heute als
Die Gegner der Reformgegner vermorgen los. Allein: Schreiber ist ein Kahrs-Mann – und der achtet
suchten nach Kräften, die Scheuerl-Indarauf, dass sich im Bezirk Mitte keiner gegen seinen Schützling
itiative als Elitehaufen zu brandmarstellt. Scholz kann und will es sich nicht leisten, den umstrittenen
ken. Es nützte ihnen nichts. Bei der
Strippenzieher kalt zu stellen.
Volksabstimmung im Sommer 2010 gewann »Wir wollen lernen« mit
Gründe für eine Entmachtung hätte es genug gegeben. Das pi56 gegen 44 Prozent oder 276.334 gegen 218.065 Stimmen. Bis heute
kante Strafverfahren, das 1992 gegen ein Bußgeld von 800 Mark
lecken die Verlierer ihre Wunden – und versuchen sich zu erklären,
eingestellt wurde, wirkte bestenfalls als kurzer Karriereknick: Eine
warum »wir die Mehrheit der Leute nicht erreicht haben, die auf
linke Juso-Konkurrentin von Kahrs litt unter nächtlichen StalkingGrund ihrer objektiven Interessenslage etwas von der Reform gehabt Anrufen (»Ich krieg dich, du Schlampe!«) und stellte Strafanzeige.
hätten«, wie der ehemalige Schulleiter und Pro-Schulreform-Aktivist Eine Fangschaltung ermittelte den damals 28-Jährigen als AnruHajo Sassenscheidt sagt.
fer. 50 SPDler forderten seinerzeit seinen Austritt aus der Partei. Er
In der Tat: In den ärmeren Stadtteilen lag die Beteiligung an der
aber zog den Kopf ein und war nach drei Jahren wieder da. 2006
Volksabstimmung zum Teil bei einem Drittel der Beteiligung von
wies die »Frankfurter Rundschau« nach, dass der Bezirk HamburgBlankenese. Weil in den großen Städten zwischen vierzig und fünfzig Mitte für den Bundestagswahlkampf von Kahrs mindestens
Prozent der Kinder auf Gymnasien gingen, sei eine Beeinträchtigung
60.000 Euro Spenden von den Rüstungsfirmen Rhein-Metall und
dieser Schulreform »politisch nicht länger mehrheitsfähig«, resümier- Krauss-Maffei erhalten hatte. Kahrs war als Mitglied des Verteidite der GAL-Politiker und ehemalige Stadtentwicklungssenator Willgungsausschusses u.a. mit dem Einkauf von Schützenpanzern befried Maier: »Die Eltern dieser Kinder sind für Gemeinwohlfragen in
fasst, die die beiden Firmen entwickelten. 2009 warf der »Spiegel«
der Gesellschaftsentwicklung kaum noch zugänglich, seitdem auch
dem SPD-Mann vor, zugunsten von Krauss-Maffei die Anschafdie gehobene Mittelschicht die Zukunftsangst schüttelt. Da wird zwar fung von Panzerwagen einer Schweizer Firma verhindert zu haben.
noch ehrlichen Herzens für Flutopfer in Pakistan gespendet, aber die
Kahrs – Mitglied des Rüstungslobbyverbands »Förderkreis
besonderen Startbedingungen der eigenen Kinder werden zugleich
Deutsches Heer« – saß alle Vorwürfe aus. Genau so wie die zahlheftig verteidigt. Längeres gemeinsames Lernen der Kinder wird von
reichen Artikel, die seine umstrittenen Netzwerk- und Lobby-Mediesen Eltern als Zumutung erfahren, ihre Kinder zur Rettung der
thoden zum Thema gemacht haben. In der allerersten Reihe wird
Unterschichten einsetzen zu lassen. Dieses Problem reichte bis tief
er wohl nie stehen. Aber Machtstrategen wie er wissen, dass es sich
hinein in die GAL-Wählerschaft.« Eine bittere Diagnose. \\
aus der zweiten Reihe sowieso oft besser agiert. \\
»Auch Scholz traut
sich nicht, den
Strippenzieher kalt
zu stellen.«
»Die GucciFraktion wusste,
wie man eine
Kampagne
aufzieht.«
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
»Bei uns kann man auch
mal deutlicher werden.«
C
laus G. Budelmann, Präsident des Anglo-German Club, erklärt uns die Vorteile des Clublebens, warum er Netzwerker fürchterlich und
den Begriff »Geldadel« unpassend findet.
Foto Berenberg Bank
Hawaii Der Anglo-German Club ist ja ein reiner Herrenclub...
Claus G. Budelmann ...der übrigens Damen gerne
sieht! Früher durften bis vier Uhr nachmittags keine
Damen unten ins Restaurant. Das haben wir geändert.
Hawaii Aber Mitglieder können Frauen noch immer
nicht werden, oder?
Claus G. Budelmann Nein. Der Anglo-German
Club ist eine Gründung nach britischem Muster, daher sind nur Herren Mitglieder. Aber es gibt ja auch
reine Frauenvereinigungen.
Hawaii Der Anglo-German Club, der Union Club,
der Übersee-Club, die Hanse Lounge – wozu braucht es
diese Clubs heute noch, wenn es jede Woche Branchentreffs und Medienempfänge gibt, wo man sich über den
Weg läuft? Was macht die Qualität des Clublebens aus?
Claus G. Budelmann Dass Sie mit netten Menschen zusammen sind und interessante Gespräche
führen. Da entwickeln sich Freundschaften, die oft
das ganze Leben halten. Und wenn sich – worauf Sie
wohl anspielen – daraus auch geschäftliche Kontakte ergeben – such is life! Aber sich gezielt dort zu positionieren, weil sie glauben, da Vorteile draus zu ziehen – so funktioniert das nicht. Ich sehe mit Sorge,
dass die jungen Menschen heute oft an das schnelle Geld, an den schnellen Aufstieg glauben und ihr Leben und Wirken hierauf beschränken. Das ist für die
Persönlichkeitsentwicklung sehr gefährlich. Da bleiben Freundschaften, Reisen, Lesen und die Kultur auf
der Strecke.
Hawaii Aber die Anforderungen gerade in Ihrem
Gewerbe werden immer drastischer. Als Banker in
höherer Position gilt man doch als faul, wenn man vor
22 Uhr das Büro verlässt!
Claus G. Budelmann Ich werde nie vergessen, als
ich zum ersten Mal nach New York fuhr, da sagte der
alte Baron Berenberg: »Claus, nun zeig mir mal deinen
Reiseplan.« Er nahm seinen Füller, strich mir alle Termine am Freitag durch und sagte: »Am Freitag gehst
du ins Whitney Museum, in die Frick Collection, ins
Metropolitan Museum, du fährst mit der Fähre um
Manhattan herum und so weiter. Und ich möchte die
Tickets sehen, wenn du wieder da bist!« Er hatte recht!
Sie werden ja ein gähnend langweiliger Gesprächspartner, wenn Sie immer nur arbeiten und kein Interesse
an dem Ort haben, den Sie besuchen. Und das wiederum ist auch nachteilig für Ihren Beruf.
Hawaii Der Anglo-German Club sagt von sich: »Der
Club ist unpolitisch« – was heißt das?
Claus G. Budelmann Wir geben grundsätzlich
keine Statements zu politischen Entwicklungen ab.
Natürlich haben wir auch Politiker zu Gast. Aber wir
haben nie die Presse dabei. Da hat jeder frei Schießen
und kann womöglich mal etwas deutlicher sagen, was
man gerade vom Koalitionspartner hält – oder ähnliches.
Hawaii Und das funktioniert in unserer heutigen Social-Media-Demokratie, in der jeder alles mit dem Handy aufnehmen und ins Internet
stellen kann?
Claus G. Budelmann Das funktioniert. Und wenn da einer was
aufnehmen und weitergeben würde – von dem würde nicht viel übrig
bleiben!
Hawaii Wenn man in dieser Stadt etwas erreichen will – die Elbvertiefung durchsetzen oder die Elbphilharmonie – tut man dann gut daran,
im Anglo-German Club dafür zu werben?
Claus G. Budelmann Es ist sicherlich nicht nachteilig. Aber eigentlich sind die Mitglieder viel zu unbedeutend, um einem derartigen
Projekt den entscheidenden Push zu geben – und es ist auch nicht der
Zweck des Clubs.
Hawaii Das ist aber jetzt Understatement!
Claus G. Budelmann Nein, nein. Da gehen Sie lieber in die Handelskammer, die kann Ihr Projekt aufgreifen und eine offizielle Stellungnahme machen. Dann wird es auch von der Politik wahrgenommen.
Hawaii Sie haben 2003 den Freundeskreis des St. Pauli-Theaters gegründet und in kurzer Zeit hunderte von Mitgliedern geworben. Erzählen
Sie mal, wie Sie das gemacht haben!
Claus G. Budelmann Ich habe nach einer Aufführung in den
Kammerspielen mit Ulrich Waller und Ulrich Tukur zusammengesessen und wir mochten uns auch gleich sehr gut leiden. Ich habe gesagt: »Herr Waller, kommen Sie doch mal in den Anglo-German Club«.
Dort erzählte er uns, dass er das St. Pauli-Theater übernehmen wird.
Rotweinbeseelt habe ich gesagt: ›Dann organisiere ich Ihnen dort einen
Freundeskreis!‹ Mit Michael Behrendt von Hapag-Lloyd und zwei weiteren Freunden haben wir dann angefangen.
Hawaii Warum ausgerechnet das St. Pauli-Theater?
Claus G. Budelmann Das St. Pauli-Theater hatte ja keine Unterstützung von Seiten der Stadt. Ich war schon als Kind im St. PauliTheater. Da konnte man unten auf den Holzbänken sitzen und es gab
Knackwurst. Es wurde noch auf Missingsch gesungen und gespielt. Außerdem ist Ulli Waller ein ganz fabelhafter Mensch und ein wunderbarer Intendant.
Hawaii Wie mobilisieren Sie für so ein Projekt, was ist Ihre Strategie?
Claus G. Budelmann So ähnlich, wie alle, nicht wahr? Man
schreibt Briefe an die Menschen, die man kennt. So was spricht sich
ja auch herum, wenn es gut ist. Da sagt der eine zu dem anderen: ›Da
lernst du nette Leute kennen, die machen super Veranstaltungen und
es kostet so gut wie nichts.‹
Hawaii Viele sagen ja, der Hamburger Geldadel interessiere sich nicht
für Kultur...
Claus G. Budelmann Nein, die Hamburger sind ein sehr interessiertes Publikum – sie müssen nur angesprochen werden. Im Übrigen
finde ich ja schon das Wort »Geldadel« fürchterlich. Geld hat mit Adel
nichts zu tun.
Hawaii Sie mögen es auch nicht, wenn man Sie einen »Netzwerker«
nennt.
Claus G. Budelmann Diese Menschen, die immer schon woanders
hingucken, während sie sich mit Ihnen unterhalten, um vielleicht eine
wichtigere Person zu erspähen – die würde ich unter die Netzwerker
einordnen. In aller Bescheidenheit darf ich sagen, dass alle meine Kontakte auf einer sehr persönlichen und freundschaftlichen Beziehung beruhen. Damit haben Sie dann natürlich eine wunderbare Basis, wenn
sie ein Anliegen verfolgen. Aber dieses gezielte Netzwerken – das ist etwas Fürcherliches!
Hawaii Und im Anglo-German Club wird nicht genetzwerkt?
Claus G. Budelmann Nennen Sie es, wie Sie wollen! Aber jemand,
der nur bei uns im Club ist, um seine Versicherungen zu verkaufen,
wird bei uns keine Basis finden. \\
C l a us G . Bude l m a n n
Jahrgang 1944, leitete seit 1981 die Berenberg Bank und ist heute Gesellschafter des traditionsreichen Bankhauses. Er war 20 Jahre lang Vorsitzender des
Clubs an der Alster, ist Honorarkonsul Großbritanniens, in Dutzenden von Vereinen und Stiftungen engagiert und ein emsiger Strippenzieher im Hamburger
Kulturleben: Er hat das Hamburger Theaterfestival, den Freundeskreis des
St. Pauli-Theaters und den Ulrich-Wildgruber-Preis mit aus der Taufe gehoben.
Der Anglo-German Club, dem er als Präsident vorsteht, wurde 1948 von Sir John
Dunlop, High Commissioner der britischen Militärregierung gegründet und gilt
als wichtiger Gesellschaftsclub der Stadt. Neben den traditionellen »Herren­
essen«, dem alljährlichen Golfturnier und dem Gartenfest anlässlich des
Geburtstags der Queen empfängt der Club regelmäßig hochkarätige Gäste wie
Josef Ackermann oder Wolfgang Schäuble zu Vorträgen. Wer Mitglied werden möchte, muss männlichen Geschlechts sein und drei Mitglieder als Bürgen gewinnen.
11
Seite
Titelthema
Hanseaten
hoch zu Ross
E
gal ob Hockey, Tennis, Polo, Segeln oder Jagen: Unter sich bleiben
ist die Lieblings-Sportart der Hamburger. Schließlich geht es nicht
nur um körperliche Ertüchtigung, sondern um die spätere Karriere.
»Hier können ihre Kinder Freundschaften fürs Leben schließen«, heißt es
in der Zeitung des »Hamburger Polo Clubs«. Der Verein aus Nienstedten,
gegründet von der Familie Jenisch, verfolgt seit 1898 konsequent das Ziel,
ein Familienclub zu sein. »Zu unseren heutigen Mitgliedern gehören
Enkel und Urenkel unserer Gründer«, rühmt man sich. »Häufig sind
Freunde veranlasst worden, in den Club einzutreten. Dies führt dazu,
dass viele Mitglieder befreundet sind oder sich zumindest als Freunde
von Freunden kennen, man ist einander also selten fremd, man weiß, wer
wessen Kinder sind.« Der Club verfügt über einen Polo-Platz, sieben Tennisplätze und einen Kunstrasenplatz. Für den Winterbetrieb ist eine Tennis- und eine Hockeyhalle vorhanden. Die Jugendlichen werden in den
beiden Sportarten von fünf vollamtlichen und einer Vielzahl von ehrenamtlichen Trainern betreut.
Verantwortung für das familiäre Gefühl
Wer nicht an der Elbe sondern in Harvestehude und Umgebung wohnt,
dessen Nachwuchs lernt das Klüngeln im Club an der Alster. Die astronomische Aufnahme-Gebühr von 1600 Euro plus 500 Euro Investitionsumlage und ein Jahresbeitrag von 400 Euro sollten eigentlich dafür sorgen, dass der Plebs außen vor bleibt. Doch ohne Empfehlung läuft hier
nichts: Wer Mitglied werden will, muss von zwei Bürgen, die über 18 Jahre alt und länger als fünf Jahre im Club sind, schriftlich empfohlen werden. Kinder unter neun Jahren werden nur aufgenommen, wenn auch ein
Elternteil Mitglied ist. Ob auf einem der 13 Tenniscourts, dem Schwimmbecken oder der Hockeyhalle – man bleibt gern unter sich. »Wir haben
eine Aufnahmepolitik bei der Ablehnungen nicht zu vermeiden sind«, bestätigt die Sekretärin des Clubs. »Schließlich tragen wir auch die Verantwortung, dass bei uns das familiäre Gefühl erhalten bleibt.« Eben, man ist
hier ja nicht bei »Sportspaß«.
Auf den Gästelisten der clubinternen Events stehen eine Vielzahl geschichtsträchtiger Namen. Freiherren, Freifrauen, Von und Zus. Gräfin
von Bernstorff, die von Berlingens. Der Sohn von Alexandra von Rehlingen findet sich ebenso auf den Spielerlisten wie die beiden Kinder von Johannes B. Kerner. Hellmuth Karasek, seit 1967 dabei, zieht morgens seine
Runden im Pool.
Mit der elterlichen Yacht übers Wasser
Die Kinder aus den Alstervillen lernen bei »Käpt’n Prüsse« das Optimisten-Segeln. Mit Laufleine und Pinne in der Hand wächst man zusammen,
gute Freundschaften überstehen jeden Wellengang. Mit 16 Jahren büffelt
der Nachwuchs dann für den Hochseeschein, den man braucht, um die
elterliche Yacht übers Wasser zu jagen. Wer im Speckgürtel der Stadt lebt,
meldet sein Kind bei »Klipper« an. Hier werden die Aufnahmegesuche –
nach einer Prüfung durch den Vorstand – im Clubheim öffentlich ausgehängt. Jedes Mitglied hat nun das Recht, Widerspruch gegen die Aufnahme einzulegen – im Vergleich zu anderen Clubs sehr demokratisch!
Ein ganz traditionreiches hanseatisches Gewächs ist auch der »Hamburger Schleppjagd Verein«. Der Verein rühmt sich, die älteste aktive
deutsche Meute mit dem Zuchtstandard des englischen Foxhounds zu
halten. 1923 gegründet, konnte der HSJV im Zweiten Weltkrieg nur weiter bestehen, weil man »Meute und Verein unter den Schutz der Wehrmacht« stellte, »deren Offiziere in nicht unbeträchtlicher Zahl als Teilnehmer im Jagdfeld aktiv waren«, wie die Vereinschronik ganz schamfrei
formuliert. Laut Satzung trägt man bei der Jagd Frack, Zylinder und weiße Handschuhe, die Pferde haben eine rote Schleife im Schweif. Anwärter
auf eine Mitgliedschaft müssen zwei Befürworter für ihr Aufnahmegesuch
mitbringen. Querfeldein reitet man bis zu 40 Mal im Jahr – mal vor Gut
Basthorst, mal vor Schloss Wotersen, immer auf der Spur der Hunde, die
es am Ende zu stellen gilt. Lebendes Wild wird bei der Schleppjagd nicht
geschossen – es gilt, die Fluchtroute nachzuempfinden. \\
Rike Schulz
Adresse n
Hamburger Polo Club e.V.,
Jenischstr. 26, T: (0 40) 82 06 81, www.hamburger-polo-club.de
Der Club an der Alster e.V.,
Hallerstraße 91, T: (0 40) 41 42 41 310, www.dcada.de
Segelschule Käpt’n Prüsse,
An der Alster 47a, T: (0 40) 2 80 31 31, www.pruesse.de
Klipper Tennis- und Hockey-Club auf der Uhlenhorst e.V.,
Heinrich-Hertz-Str. 24, T: (0 40) 22 28 38, www.klipper.de
Hamburger Schleppjagd-Verein e.V.,
Schoenaich-Carolath-Str. 1, T: (0 41 72) 12 94, www.hsjv.com
Nr. 3 / Februar 2012
D
ie Elbphilharmonie – geboren aus dem Geist von Denkmalschutz, Musik- und Off-Kultur? Genau so sei es gewesen, beteuern die Kunsthistorikerin Jana Marko und der Architekt Alexander Gérard. Im Interview mit Christoph Twickel erzählen sie,
wie sie den Plan fassten, den historischen Kaispeicher A zu retten, wie sie gegen den Widerstand der Politiker ihre architektonische Vision durchsetzen konnten – und warum die heutige Elbphilharmonie nicht
die ist, die sie im Sinn hatten.
Hawaii Sie haben 2001 ein Kulturkonzept für den historischen Kaispeicher A
von Werner Kallmorgen entwickelt – daraus wurde die Elbphilharmonie.
Wie kam es dazu?
Alexander Gérard Ich hatte bereits Anfang der Neunziger die Entwicklung des Hanseatic Trade Center betreut – und neben Büros auch andere Nutzungen gefordert, was am Widerstand der Finanzbehörde scheiterte. Der Hafencity-Masterplan sah für den Kaispeicher A vorrangig eine
Kulturnutzung vor. Was machte die Stadt? Sie gab das Grundstück einem Entwickler mit der Maßgabe, dort Büros zu planen. Zwar sollte der
Kaispeicher erhalten bleiben, aber für Büronutzung gab es in dem historischen Speicher zu wenig Tageslicht. Es folgte dann auch bald der Abrissantrag – und dem wurde stattgegeben, trotz der Denkmalschutzwürdigkeit. Daraufhin sind wir in Aktion getreten.
Jana Marko Der Historiker Karl Schlögel sagt: »Im Raume lesen wir
die Zeit«. Der Kaispeicher A war dafür exemplarisch: Zuerst war da Hafenvorland, dann Teile der Stadtbefestigungsanlagen, anschließend der
Kaiserspeicher mit dem Zeitball, damals Wahrzeichen des Hafens, dann
der Kallmorgen-Bau. Die Maßgabe für uns war, den Speicher zu erhalten,
indem er einer ihm gemäßen Nutzung zugeführt wird.
Hawaii Aber es sollte eine Konzerthalle werden?
Alexander Gérard Ja, Hamburg hat im Zweiten Weltkrieg mehrere
Konzertsäle verloren, der größte war der Conventgarten. Für die hat man
nie Ersatz geschaffen.
Hawaii Wie wollten Sie das alles finanzieren?
Alexander Gérard Im Tausch für das Grundstück sollte die Stadt
zwei Konzertsäle bekommen als Teileigentümer, vergleichbar einer Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus. Durch die Erträge der Mantelbebauung aus Hotel, Wohnungen und Parkhaus, aber auch durch die
Einwerbung von Spenden hätte man eine Finanzierung zustande bekommen. Und wir wollten die Film- und Fotorechte an dem Bau, die erhebliche Beträge einspielen sollten, in eine Stiftung leiten, mit der man alternative Kultur hätte finanzieren können.
Jana Marko Mich stört der Begriff ›alternativ‹ in Zusammenhang mit
Kultur. Wir rechneten mit 400.000 Euro pro Jahr, die für den Betrieb eines kleinen Off-Theaters, das Bespielen von Ausstellungsflächen und für
Veranstaltungen zur Verfügung gestanden hätten.
Alexander Gérard Im Dezember 2001 sind wir zu Herzog & de Meuron in die Schweiz gefahren und haben das Projekt besprochen.
Hawaii Warum Herzog & de Meuron?
Alexander Gérard Herzog & de Meuron haben bei der Tate Modern
in London bewiesen, dass sie mit alter Bausubstanz gut umgehen können.
Hawaii Und das fand alles ohne städtische Unterstützung statt?
Alexander Gérard Die Stadt wollte ja den Kaispeicher teuer verkaufen. Allerdings sah damals der Markt für Büroflächen alles andere als rosig aus. Es war für uns absehbar, dass die Projektentwickler des geplanten Media City Port für ein so großes Projekt nicht ausreichend Vormieter
und damit auch keine Finanzierung bekommen würden.
Jana Marko Wir haben mit vielen Leuten über das Vorhaben gesprochen, mit Musikern und den Intendanten der interessantesten Konzerthäuser der Welt – vom Concertgebouw in Amsterdam bis zur Walt Disney Concert Hall in Los Angeles – und mit Vertretern der Stadt. Und wir
haben mit dem Feuilleton Kontakt aufgenommen. Die erste Abbildung
erschien im Stern im Juni 2003, am Tag der Pressekonferenz, auf der wir
zusammen mit Pierre de Meuron die Projektstudie und das Modell vorstellten.
Alexander Gérard Wir haben über zwei Jahre lang versucht, die
Stadt mit viel Reden und Papier zu überzeugen, dass der Media City Port
nicht das Richtige ist. Die Anhandgabe des Kaispeichers A wurde aber immer wieder verlängert. Irgendwann haben wir uns gesagt: Wir kommen
ohne die Verführungskraft von Bildern nicht ans Ziel.
Hawaii Der »Spiegel« sprach von dem »Wow!«-Effekt des Entwurfes.
Haben Sie das auch so gesehen?
Jana Marko Von der Politik kamen nicht viele positive Reaktionen.
Wir wollten den Entwurf von Herzog & de Meuron im Hafencity-Modell
im Kesselhaus präsentieren. Aber Hafencity-Chef Bruns-Berentelg schrieb
uns, wir sollten doch damit aufhören, die Stadt wolle das Projekt nicht.
Die Pressekonferenz fand schließlich in der Laeiszhalle statt – das hat dem
damaligen Geschäftsführer Benedikt Stampa einen Rüffel der Kultursenatorin Dana Horáková eingebracht.
Hawaii Wie haben Sie schließlich bei den Politikern einen Meinungsumschwung bewirkt?
Alexander Gérard In den zehn Tagen vor der ersten Pressekonferenz hatten wir 34 Einzelpräsentationen. Wir wollten diejenigen, die man
in Hamburg nach ihrer Meinung fragt, als Mitstreiter gewinnen. Der Lei-
10
Vom ›Wow!‹
zum Bau
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
Seite
Titelthema
Wie Jana Marko und Alexander Gérard
die Elbphilharmonie durchgesetzt haben
— und warum sie von dem Projekt heute
nicht mehr viel halten. Ein Gespräch.
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
ter des Denkmalschutzamtes bekam Tränen in die Augen. Der Dirigent Christoph von Dohnányi
rief sofort seinen Bruder an und
sagte: »Klaus, das musst du dir angucken.« Führende Hamburger Architekten sprachen sich in einem
offenen Brief an den Ersten Bürgermeister für das Vorhaben aus.
Das war wie ein Schneeballeffekt.
Behördlicherseits wurde noch der
Vorschlag an uns herangetragen,
ob man nicht den Glasaufbau von
Herzog & de Meuron ohne Kaispeicher am Magdeburger Hafen
realisieren könne. Sehr putzig!
Hawaii Schließlich gab der Senat eine Plausibilitätsprüfung in
Auftrag....
Alexander Gérard Ja, und die
fiel positiv aus. Zu der Zeit war der
Projektentwickler und Investor
Dieter Becken als Projektpartner zu
uns gestoßen. Der hatte gerade das
Polizeipräsidium für die Stadt gebaut – und zwar zehn Millionen
unter Budget und drei Wochen vor
Termin. So geht es ja auch!
Hawaii Wollte der an der Elbphilharmonie Geld verdienen?
Alexander Gérard Nein, wir
wollten keine Gewinne machen mit
den Spenden anderer. Uns allen
war klar, dass wir nur unsere Kosten beanspruchen konnten. Der
Investment-Gewinn sollte in die Finanzierung der Konzertsäle fließen.
Hawaii Im Dezember 2003 beschloss die Bürgerschaft, dass das
Projekt entwickelt werden soll.
Alexander Gérard Wir führten dann Gespräche mit der Stadt
mit bis zu 20 Leuten am Tisch.
Aber keiner fühlte sich zuständig.
Das war absurd. Wir haben gesagt:
Es muss einen geben, der die stadtinterne Koordination übernimmt.
Da ist dann Hartmut Wegener auf’s
Podest gehoben worden.
Hawaii Hartmut Wegener, der
die Airbus-Landepiste durchgesetzt
hatte?
Alexander Gérard Genau.
Wegener hatte aber kaum Erfahrung mit Hochbauten und keinerlei Kenntnisse, was einen Konzerthausbau angeht. Er und wir sind
völlig unterschiedlich an das Projekt herangegangen.
Jana Marko Das war die Kurve, wo unser Schleudersitz betätigt
wurde. In den Verhandlungen wurde klar: Die Stadt will das Projekt
alleine realisieren und wir standen
im Wege.
Hawaii Und man konnte Sie so
einfach herauskomplimentieren?
Alexander Gérard Nein, die
Architekten hatten sich vertraglich verpflichtet, das Projekt mit
uns zu realisieren. Wir hätten also
durchaus sagen können: Ohne uns
gibt es keine Elbphilharmonie. Das
wollten wir aber nicht. Wir waren ja angetreten mit der Idee: Die
Stadt braucht einen weiteren exzellenten Konzertsaal und die Hafencity einen starken kulturellen
Impuls. Also haben wir uns zurückgezogen.
Jana Marko Als wir ahnten,
dass unsere Zeit ablaufen würde,
haben wir noch die interessantes-
13
Seite
ten Akustiker weltweit zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, um mit den Architekten, Fachbehörden und
Vertretern der Hamburger Orchester den besten Akustiker zu finden. Das ist Yasuhisa Toyota geworden.
Hawaii Sie sind dann abgefunden worden mit 3 Millionen Euro – nicht gerade Peanuts.
Alexander Gérard Diese wurden entsprechend
der Beteiligung an der gemeinsamen Projektvorgesellschaft zwischen uns und Becken hälftig geteilt. Wir alleine hatten eine halbe Million Euro Vorkosten, und
auch Becken hatte erhebliche Vorkosten, z.B. durch
eine detaillierte Kostenschätzung des Gesamtprojektes. Diese Schätzung belief sich übrigens auf 146 Millionen Euro für die 84.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche, die wir geplant hatten. Unter Wegener
wurden dann für 120.000 Quadratmeter 186 Millionen
geschätzt – er hat die Kosten pro Quadratmeter also
deutlich niedriger angesetzt.
Hawaii Und mit Ihnen als Projektentwickler wäre es
günstiger geworden? Warum glauben Sie das?
»Bei dem Begriff
›Leuchtturm‹
kommt mir
die Galle hoch.«
Alexander Gérard Wir wollten mit der Stadt gemeinsam für den Philharmonie-Teil ein Budget verbindlich festlegen, um dann mit den Architekten und
dem Generalunternehmer die weitere Planung und
Baurealisierung innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens kooperativ voranzutreiben, eben wie beim
Polizeipräsidium. Wir hätten z.B. eine Vergrößerung
der Projektfläche um 43% nicht erlauben können,
ebenso wenig einen Abriss des Tragwerkes des Speichers. Wenn wir zugelassen hätten, dass eine Fassade,
die wir seinerzeit mit 18 Millionen Euro kalkuliert hatten, heute ein Vielfaches kostet, wären wir in Konkurs
gegangen. Denn eines ist klar: Wir hätten nicht in die
Stadtschatulle greifen können.
Hawaii Wollte Ole von Beust das Projekt einfach
schnell politisch durchsetzen und deshalb mit Hochtief
einen Vertrag unterschreiben lassen – auf Basis eines unfertigen Entwurfs?
Alexander Gérard Ich weiß nicht, ob Herr von
Beust auf diese Gefahren hingewiesen wurde. Er selbst
konnte die Risiken fachlich wohl kaum beurteilen.
Herr Wegener hat ja allen Ernstes von einem »Festpreis« gesprochen – und das wird er wohl auch dem
Bürgermeister gesagt haben. Andererseits wissen wir,
dass Herzog & de Meuron kompetent und kostenbewusst planen und keineswegs – was Hochtief ihnen
unterstellt – Künstler sind, die nicht wissen, wie man
baut.
Hawaii Woran liegt es dann, dass die Elbphilharmonie immer teurer wird?
Alexander Gérard Die Verträge, die die Stadt unterschrieben hat, sind allem Anschein nach ein Fiasko. Es ist z.B. absolut unüblich, dass der Architekt
J a n a M a r k o & A l e x a n der Ger a rd
Jana Marko, geboren 1960 in Linz, ist
Kunsthistorikerin und Kuratorin. Alexander
Gérard, geboren 1949 in New York, ist
Architekt und Projektentwickler. Er hat –
wie auch Herzog und de Meuron – an der ETH
Zürich studiert. Auch ihr nächstes
Projekt planen Marko und Gérard wieder mit
den Schweizer Architekten: Eine Einrichtung
für Demenzkranke in Berlin-Kleinmachnow.
Titelthema
sämtliche Leistungen für den Bauherrn erbringt, anstatt ab der Ausführungsplanung als Subunternehmer des Generalunternehmers tätig
zu werden. So wie es jetzt ist, kann
sich Hochtief – berechtigt oder unberechtigt – über die Architektenleistungen beschweren und der
Stadt ständig Behinderungsanzeigen stellen. Eine große offene Flanke und ein vertragliches Riesenkuddelmuddel.
Hawaii Als Sie ausgestiegen sind,
war damit klar, dass das historische
Innenleben des Kaispeichers perdü
ist und auch die Idee vom Off-Kulturspeicher?
Jana Marko Nein, das hat uns
selber überrascht. Die Architekten
haben noch lange für den Erhalt
des Speichers gekämpft und dafür,
das Projekt als Gesamtgebilde von
Alt und Neu zu sehen. Und nicht
als »Leuchtturm«, bei dem Begriff
kommt mir die Galle hoch. Oder
»Wahrzeichen«! Das muss doch die
Geschichte zeigen, das kann man
doch nicht per Marketingagentur
in die Welt setzen!
Alexander Gérard Irgendwann mussten die Architekten den
Speicher aufgeben, was auch mit
dem enormen Zuwachs an Flächen
zu tun hat. Unser Konzept war ein
anderes: Nur so viel oben drauf zu
packen wie früher der Speicher als
Last hatte aufnehmen können.
Jana Marko Also sämtliche
Kaffee- und Kakaobohnen oben
drauf.
Alexander Gérard Das wurde nach unserem Ausscheiden alles über Bord geworfen. Ein dritter
Konzertsaal kam dazu, dem Hotelbetreiber wurden 50 zusätzliche
Zimmer zugestanden, statt 34 sollten 43 Wohnungen gebaut werden.
So wurde der Bau immer größer
und auch massiger.
Hawaii Werden Sie denn mit
Stolz zur Eröffnung der Elbphilharmonie gehen, wenn sie dereinst stattfindet? Oder mit gemischten Gefühlen? Wie sehen Sie das Projekt heute?
Alexander Gérard Sind Sie
sich sicher, dass wir eingeladen
werden? Ich bedaure, dass das ursprüngliche, kargere Konzept nicht
umgesetzt wurde. Ob es uns mit
Becken gelungen wäre, die beiden
Konzertsäle zu bauen, ohne dass es
die Stadt etwas gekostet hätte, ist
eine andere Frage. Aber ganz sicher
hätten wir uns nicht weit von den
Vorgaben des Budgets entfernen
können, ohne Kopf und Kragen zu
riskieren. Weil die Stadt das Projekt
aber so unprofessionell betrieben
hat, hat sie Mittel blockiert, die in
anderen Bereichen natürlich fehlen
werden. Das kostet das Projekt einen Großteil seiner Akzeptanz. Das
hätte man vermeiden können. Ich
glaube trotzdem, dass die Elbphilharmonie ein großer Erfolg für die
Stadt wird.
Jana Marko Mich ärgert, dass
man hier auseinander dividiert
hat, was zusammengehört: Kultur und Soziales. Von daher sehe
ich mich als gescheitert an. Das ist
nicht die Elbphilharmonie, die ich
wollte. \\
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
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Seite
Titelthema
»Hamburgs
Kulturklima
ist eher
konservativ.«
Ein Gespräch mit der Hamburger
Kultursenatorin Barbara Kisseler
Nr. 3 / Februar 2012
A
ls Barbara Kisseler im Frühjahr
aus Berlin kam, um Hamburgs
Kulturbehörde zu übernehmen,
ging ein Aufatmen durch die
Stadt. Nach der Kürzungsserenade, die ihr Vorgänger Reinhard
Stuth der Stadt verordnen wollte, hoffte man auf bessere Zeiten. Wir haben die neue Kultursenatorin um eine Bilanz gebeten – und danach gefragt, wie sie denn nach
einem Jahr Amtszeit das kulturelle Klima in der Stadt
beurteilt.
15
Seite
Titelthema
Hawaii Das heißt, Sie nehmen auch weitere Verin weiten Teilen konservativ, was nicht verwerflich sein muss. Wir müssen
zögerungen in Kauf?
erst lernen, dass sich Kunst nicht mehr nur in den Institutionen der HochBarbara Kisseler Natürlich wollen wir, dass
kultur abspielt, dass an den Rändern oft die interessantesten Sachen entstedie Elbphilharmonie so schnell wie möglich eröffhen. Ich glaube aber, man hat erkannt, dass man sich, wenn man den Anschluss nicht verlieren will, auch auf das Widerständige und die ungesicherte net wird, aber eben nicht um jeden Preis. Ich kann
Position besinnen muss, und nicht nur auf die gut abgehangene. Dafür steht mir durchaus vorstellen, dass wir auch in eine härtere Auseinandersetzung gehen, wenn es nötig ist.
ja auch die Aufstockung des Produktionsetats von Kampnagel.
Hawaii Nichts gegen Kampnagel – es gibt aber in der freien Szene durchaus Ich habe davor noch nie zurückgescheut. Der Konzertsaal wird im Übrigen auch dann gut besucht
Bedenken gegenüber einer zu starken Zentralisierung. Gibt’s in Hamburg auch
sein, wenn das Haus später fertig ist.
Produktionsorte jenseits von Kampnagel? Was machen Sie für die?
Hawaii Wie ist der Stand auf der Baustelle derBarbara Kisseler Leider bin ich zu einem Zeitpunkt hierher gekommen,
zeit?
als sich die Gesamtwirtschaftslage eher verschlechtert hat. Trotzdem ist es
Barbara Kisseler Es gibt einen partiellen Bauuns gelungen, erst mal 100.000 Euro Fördermittel für freie Theaterprojekte
stopp, es wird nicht mit der Intensität gebaut, wie
obendrauf zu legen und die Richtlinien für Projektförderungen im Theaterbereich zu verbessern. Aber der Trend ist noch nicht gebrochen, dass Künst- das vertraglich vorgesehen ist. Das ist mehr als bedauerlich. Wir sind im Gespräch mit Hochtief und
ler die Stadt verlassen, weil die Arbeitsbedingungen nicht adäquat sind. Wir
ich gehe davon aus, dass beide Seiten an einer zeitsind daher zum Beispiel mit einigen Leuten im Gespräch, die Zahl der Ateliers
nahen Lösung interessiert sind.
zu erhöhen – Stichwort Speicherstadt, oder auch die Entwicklung des OberHawaii Rem Koolhas sagte kürzlich im »Spiegel«,
hafenquartiers.
der Neoliberalismus habe
Hawaii Sie übernehmen das Konzept
aus der Architektur eine
des Vorgängersenats was die Positionierung
»Cherry on the cake-AngeleHamburgs als »Kreativstadt« angeht?
genheit« gemacht und bezog
Barbara Kisseler Ich halte viel von der
das auf die Elbphilharmonie.
Arbeit der Kreativgesellschaft. Wir brauWie sieht es denn mit dem
chen einen gewichtigen Ansprechpartner,
kulturpolitischen Konzept
der unsere Interessen in der Stadt wahrdes Hauses aus? Wollen Sie
nimmt – auch jenseits der Kulturbehörda etwas anders machen als
de. Ich bin noch nicht so ganz sicher, ob
der Vorgängersenat?
uns das an jeder Stelle mit gleicher IntensiBarbara Kisseler Ich
tät gelingt – wenn ich etwa an die Weiterbin mir nicht ganz sicher,
entwicklung der Hafencity denke, oder an
inwieweit der Vorgängersedie Peute, wo wir gerade über die Zukunft
nat schon ein Konzept für
der Kreativen dort im Hafen diskutieren:
den Spielbetrieb hatte...
Da muss man überall kämpfen, das kommt
Hawaii ...hatte er wohl nicht...
nicht von selbst.
Barbara Kisseler Das haben Sie jetzt gesagt.
Hawaii Die Kreativgesellschaft mag ja ganz hübsch sein als AnsprechpartAber in einem Punkt bin ich mir schon sicher: Dass
ner, aber gewichtig? Wenn die Finanzbehörde am Ende »Nein« sagt, dann ist
es uns gelingen wird, einen Ort zu schaffen, an dem
sie doch mit ihrem Latein am Ende, oder?
Barbara Kisseler Natürlich, die Probe auf’s Exempel ist immer das Ge- nicht nur der internationale Musik-Jetset stattfindet, sondern an dem sich Musik auch im Alltag bespräch mit dem Finanzsenator. Aber ich stelle dort ein Umdenken fest. Die
währt. Eine ganz wichtige Aufgabe wird es sein,
Sanierung der Deichtorhallen, die überfällig war, haben wir jetzt in einem
Kinder und Jugendliche an die klassische Musik heersten Schritt mit einem Etat von 13 Millionen für die Nordhalle auf den
Weg gebracht, unter anderem weil der Finanzsenator bereit war, sich ein per- ranzuführen Da genügt es nicht, zu sagen: Ihr Kinderlein kommet. Man muss auch die Kinderlein
sönliches Bild vom desolaten Zustand zu verschaffen. Das finde ich erstaunaufsuchen.
lich und erfreulich. In einer Stadt, in der über Jahrzehnte hinweg ein InvesHawaii Zugespitzt ausgedrückt: Das Publikum,
titionsstau hat entstehen können, könnte man sich ja auch vor der Aufgabe
das dieses Riesenschiff füllen soll, muss in dieser Stadt
drücken, indem man städtisches Eigentum einfach an Investoren verkauft.
erst noch erzogen und an den Ort herangeführt werHawaii Hamburg hängt noch immer der Ruf der Freien- und Abrissstadt
den?
nach. Derzeit ist es eher die Nachkriegsmoderne, die bedroht ist. Verstehen Sie
Barbara Kisseler Das wird kein Ort der einsich da eigentlich gut mit Oberbaudirektor Jörn Walter?
Barbara Kisseler Ich finde nichts schlimmer als eine gebaute Form der samen Hochkultur sein. Man muss dort auch anGeschichtsvergessenheit. Ich gelte gemeinhin als durchschnittlich verträglich, dere Segmente der unterhaltenden Musik wiederfinden können – hochkarätige Jazzkonzerte zum
aber für berechtigte Belange des Denkmalschutzes würde ich mich auch mit
Beispiel. Der Generalintendant Christoph LiebenHerrn Walter anlegen – was bisher aber nicht nötig war.
Seutter gibt ja jetzt schon mit seinen ElbphilharmoHawaii Zum Thema Elbphilharmonie: Sie haben bei Amtsantritt eine Bestandsaufnahme der Probleme veranlasst. Derzeit versuchen Sie eine Pönale von nie-Konzerten einen positiven Vorgeschmack auf
das, was später in der Elbphilharmonie zu hören
40 Millionen Euro von Hochtief einzuklagen, wegen der Bauverzögerungen – ist
sein wird.
das eine Konsequenz dieser Bestandsaufnahme?
Hawaii Und damit die Hütte voll wird gibt’s
Barbara Kisseler In der Tat, das ist ein Resultat davon. Wir wollen
dann Walzer mit André Rieu?
die Elbphilharmonie und wir wollen sie qualitätsvoll zu Ende bringen. Aber
Barbara Kisseler Mit mir kommt André Rieu
wenn Hochtief daraus den Schluss ziehen sollte, dass wir jeden Preis zu zahda nicht rein!
len bereit sind, ist das ein veritabler Irrtum.
Hawaii Sie waren vor Ihrer Zeit in Hamburg
Staatsekretärin für Kultur in Berlin und haben dann
die Berliner Senatskanzlei geleitet. Berlin ist arm, aber
P r o f . B a r b a r a Kisse l er
sexy. Hamburg ist reich, aber...?
Die parteilose Kulturpolitikerin, geboBarbara Kisseler Der Unterschied liegt im
ren 1949 in Asperden, ist seit März 2011
Selbstverständnis der Städte und der ist nicht unbeKultursenatorin in Hamburg. Davor war
dingt am Haushalt zu erkennen. Hamburg ist eine
sie Chefin der Senatskanzlei des Landes
Stadtgesellschaft, die sich sehr gerne begegnet. Und
Berlin (2006-2011) und Staatssekretäsehr häufig. Und es sind oft die gleichen Leute. Das
rin für Kultur (2003-2006). Ihre politische Karriere begann beim Kulturamt Hil- finde ich auf eine Art und Weise ganz anregend,
den, sie leitete die Kulturämter von Bonn aber für die Öffnung der Stadt braucht es mehr als
die Beschäftigung mit sich selbst. Da liegt der Un(1982-1986) und Düsseldorf (1986-1993),
terschied zu Berlin. Aber, wie sagt man in der Wirtvon 1993 bis 2003 war sie Leiterin der
schaft so schön: Wir arbeiten daran. \\
Abteilung Kultur im Wissenschafts- und
Interview: Christoph Twickel
Kulturministerium von Niedersachsen.
»Für die Öffnung
der Stadt braucht
es mehr als die
Beschäftigung
mit sich selbst.«
Foto Kulturbehörde Hamburg
Hawaii Sie sind nun seit fast einem Jahr Senatorin in
Hamburg. Wo sitzen in dieser Stadt die einflussreichen
Netzwerke? Mit wem muss man reden, wenn man kulturpolitisch etwas erreichen möchte?
Barbara Kisseler Im Kulturbereich sind da sicherlich die Freundeskreise der Institutionen zu nennen – allerdings mit unterschiedlichen Gewichtungen.
Hawaii Sind die nicht stark überaltert?
Barbara Kisseler Alter ist in Hamburg zum
Glück keine Kategorie – da bin ja auch ich ein Beispiel für. Es gibt in den Freundeskreisen echte Überzeugungstäter, die brennen für ihr Haus und wollen mitgestalten. Das finde ich sehr angenehm. Dabei
darf aber die Autonomie einer Institution nicht aus
dem Blick geraten. Damit muss man elegant umgehen.
Wenn wir uns Sonderausstellungen, finanziert von der
öffentlichen Hand, nicht mehr leisten können, müssen
wir auch die Mitsprache von dritter Seite akzeptieren.
Hawaii Mit der kulturpolitischen Autonomie war
es in Hamburg in den letzten Jahren oft nicht gut bestellt. Das Tamm-Museum gilt im überregionalen Feuilleton als Beispiel, wo ein Privatier mit öffentlichen Mitteln aus seiner Sammlung ein Museum machen konnte
– ohne ernstzunehmende kuratorische Aufsicht. Wäre das
in Ihrer Amtszeit auch so eröffnet worden?
Barbara Kisseler Ich hätte erst noch mal hingeschaut, wie sich das z.B. in den vorhandenen Bestand einbindet. Das ist nicht in ausreichendem Maße
erfolgt, was schade ist, weil die Stadt dort erhebliche
Mittel hereingegeben hat. Wir sind aber im Gespräch
mit Herrn Tamm und wollen das etwas besser zusammen führen und den Erfordernissen etwa einer modernen Museumsdidaktik anpassen.
Hawaii Wie erleben Sie das kulturelle Engagement
des Hamburger Geldadels – auch im Vergleich zu Berlin?
Barbara Kisseler Ich bin auch nach fast einem
Jahr noch zutiefst beeindruckt, wie viel privates Geld
in Hamburg für Kultur zur Verfügung gestellt wird.
Da träumt Berlin von. Die Tradition der bürgerlichen
Selbstvergewisserung über Kultur ist in Hamburg ausgeprägt. Man ist hier schon der Auffassung, dass Kultur sein muss – ob das dann immer die Kultur ist, die
ich wichtig finde, steht auf einem anderen Blatt.
Hawaii Habe ich das richtig verstanden: Die Menschen, die sich für nicht so etablierte Kultur, für das vermeintlich Schwierige und Andere einsetzen, muss man
in Hamburg mit der Lupe suchen? Und bei der Elbphilharmonie wollen sie alle mitspielen?
Barbara Kisseler Nein, es gibt schon eine zunehmende Bereitschaft, sich auch zeitgenössischen und
riskanten Positionen zuzuwenden. Aber natürlich ist
das entwicklungsfähig.
Hawaii Nehmen wir das Gartendeck auf St. Pauli,
das im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals
entstanden ist. In der Eröffnungsrede haben Sie sich redlich bemüht, dieses Community-Projekt den geladenen Gästen zu erklären. Am Ende waren 30 Euro in der
Spendendose. Ist nicht ganz einfach mit Hamburgs Kulturbourgeoisie, oder?
Barbara Kisseler Bloß weil die Kultursenatorin eine empathische Rede hält, quillt nicht gleich die
Spendenbox über – wenn es so einfach wäre, würde ich nur noch Reden halten. Aber Sie haben einen
wichtigen Punkt berührt: Hamburgs Kulturklima ist
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
K ampnagel
Gershwin
meets Ravel
John A xelrod Dirigent
Jean-Yves Thibaudet Klavier
Maurice Ravel
La Valse
George Gershwin
Concerto in F
Variations on „I got Rhythm“
An American in Paris
Maurice Ravel
Boléro
Hamburg | Kampnagel, Jarrestraße 20
Freitag, 9. März 2012, 20 Uhr
Samstag, 10. März 2012, 20 Uhr
ndr.de/sinfonieorchester | ndrticketshop.de
DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE
xxxx_SO_KA3_ssh_AZ 1
06.02.12 15:19
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
17
Seite
Essay
Businesspunk
»Dieses Land/unser Vaterland braucht exaltierte Künstlerinnen« ruft der Chor in
René Polleschs »Mädchen in Uniform«. »Hemmungen? Was ist das?« fragt Microsoft-Boss
Steve Ballmer. Regelbruch und Punk-Attitüde gelten heute als ökonomisches Erfolgsrezept, das
radikale Künstler-Ich wird zum Role-Model für Managerkarrieren. Doch was ist, wenn man zu
verkrampft dafür ist, fragt sich der Künstler und Wissenschaftler Armin Chodzinki.
Ist Lockerheit womöglich eine Klassenfrage?
D
as anarchische Moment, der Regelbruch, der Gestaltungswille im Zugriff auf Raum sind Produktionsmittel. Dass diese Produktionsmittel
ungerecht verteilt sind, sind wir aus
allen Zeiten gewohnt und auch die
Forderung der Umverteilung ist bekannt. Grundlage der verkrampften
Gestimmtheit ist aber die Tatsache, dass diese Umverteilung in einer Ideenökonomie nicht, oder nur nach
einem noch zu entwickelnden Regelwerk, vorzunehmen ist. Bildung scheint ein Schlüssel zu sein, der aber
nur dann schließt, wenn diese auf der Entwicklung
des Selbst beruht. Hier tritt die Ideologie auf den Plan,
denn bei allem Glauben daran, dass das Bewusstsein
das Sein schafft, zeigt die verkrampfte gesellschaftliche Realität, dass dem nicht oder nur selten so ist. Das
Sein schafft das Bewusstsein, solange sich das Subjekt
in Kopplung zum Anderen, zum Ganzen, zum Totalen begreift.
»Punks und schlaue Unternehmer haben viel gemeinsam. Nicht die Haare, nicht die Hose – sondern
den Mut etwas anders zu machen.« Das schreibt Anja
Rützel im Dossier der ersten Ausgabe der Zeitschrift
»Business Punk« und radikalisiert damit die Innovationsdiskurse der 90er Jahre. »Wie kommt das Neue in
die Welt?« fragten Heinrich von Pierer und Bolko von
Oetinger auf dem Titel ihres Buches aus dem Jahre
1997 noch zaghaft und versammelten Beispiele für Regelbrüche im ökonomischen und künstlerischen Feld
in einem Sammelband, der das Denken über organisationales Verhalten beeinflussen sollte. »Business Punk«
versteht unter Punk ein radikales Andersmachen, das
sich in einer bestimmten ökonomischen Einbettung
als Erfolgsmodell gebiert. Punk wird zum Role-Model unternehmerischen Handelns an sich. Vorbei die
Zeit des Unternehmers als treusorgendem Patriarchen, vorbei die Zeit einer gesellschaftlichen Verantwortung, die sich aus dem Tätigsein ergibt. Radikaler
Gestaltungswille, radikale Produktion von Räumen,
die eben auch und vor allem ökonomisch determiniert sind. Das radikale Ich als Triebfeder und Erfolgsmodell der Ökonomie. So finden sich in den Top 20
Armi n C h o d z i n s k i
»V er k r a mpfu n g «
Erschienen in der Reihe
»Kleiner Stimmungs-Atlas
in Einzelbänden«, Textem
Verlag, Hamburg 2011.
Wir dokumentieren an
dieser Stelle das Kapitel
»Business Punk«.
der berühmtesten Businesspunks Beschreibungen und Leitsätze, die selbst
dem lockersten Geist ein wenig Verkrampfung verordnen: Steve Ballmer,
CEO Microsoft: »Hemmungen? Was ist das?« Richard Branson, Gründer Virgin Group: »Screw it, Let’s do it.« Bernie Ecclestone, Boss der Formel 1: »Geld ist die wahre Weltreligion.« Oder: »Ich kann es, weil ich es
will! Cultivate hate and create confusion. Kapitalismus lernte ich von Donald Duck.«
Die Sicherheit, mit der diese Art der Unternehmer den Kairos beim
Schopfe packen, beeindruckt und entfernt unternehmerisches Handeln
zunehmend von der prognostizierten Regelhaftigkeit ökonomischer Prozesse, die in der allgemeinen Vorstellung eher mit dem Begriff der Kompetenz, als mit Anarchie und Mut zum Scheitern assoziiert sind. Das
machtvolle Handeln gerät zum Spiel in dem der Hasardeur den größtmöglichen Erfolg, aber auch das größtmögliche Scheitern riskiert. Sowohl der Erfolg, als auch das Scheitern sind aber in diesem Zusammenhang nicht in erster Linie privat, sondern öffentlich und gesellschaftlich
relevant. Deutlich wird an den vielfältigen Biographien, die als Erfolgsmodelle der Innovation gefeiert werden, dass die Sache mit der Umvertei-
»Die Frage, ob das
Humankapital genutzt
wird, ist eine Frage
der Stimmung.«
lung sich grundlegend verändert hat. Die scheinbare Durchlässigkeit der
Gesellschaft, die unterschiedlichste, auch gebrochene Biograpfien als Erfolgsmodell zulässt, vernachlässigt die Stimmung als Grundbedingung. Es
gibt keine konsistente Vergleichbarkeit der Erfolgsmodelle, einzig die besondere Gestimmtheit scheint allen gemein. Und diese Gestimmtheit, die
vor allem etwas mit dem Bewusstsein der Gestaltbarkeit und der notwendigen Handlungsbereitschaft für diese Gestaltung zu tun hat, gibt es quer
durch die Gesellschaft.
Auch ohne märchenhafte Renditeerwartung zeigt sich das Glück oder
die Zufriedenheit in unterschiedlicher Gestalt als ein sicheres Handeln.
Die Auffassung gehandelt zu werden, also in einem Container Regeln einzuüben, diese zu akzeptieren und im Kontext einer Totalität zu verorten,
mit Verantwortung, Rücksicht und all dem, ist überkommen. Das ist kein
Kulturpessimismus, lediglich die Fixierung von Tatsachen, die die verkrampfte Stimmung herzuleiten in der Lage sind. Die Produktionsmittel liegen im Selbst und das ist zunächst einmal unabhängig von kulturellem oder ökonomischem Kapital, sondern eine Sache des Humankapitals
in aller Doppelbödigkeit dieses Begriffes. Künstler, Musiker, Aktivisten,
Nachbarn, Arme, Reiche, die Frage, ob das Humankapital genutzt wird,
ist eine Frage der Stimmung. Die Nutzung des Kapitals ist auch an denen
zu beobachten, die sich der absurden Arbeitsnormierung entziehen. Die
Berichte über glückliche Hartz-IV-Empfänger zeigen, wie sehr die Verkrampfung ein gesellschaftliches Phänomen ist. So sehr die Businesspunks
gefeiert und bewundert werden, so sehr sich in diesen Subjekten die vor-
herrschende Vorstellung von Welt zeigt, so rückwärtsgewandt und verzwickt ist die Lage, wenn auf das
Phänomen der Zufriedenheit sogenannter sozialer
Randexistenzen geschaut wird. Hier ist die Sollbruchstelle zwischen Ich und Wir, zwischen Selbst und Gemeinwesen. Die Utopie des selbstbestimmten Lebens
bricht sich an dieser Stelle mit dem Verdacht, dass es
sich vielleicht doch nur um einen entgrenzten Feudalismus darwinistischer Prägung handelt.
Das Magazin »Business Punk« macht es leicht sich
von ihm zu distanzieren. Spätestens wenn man der
Tatsache gewahr wird, dass Frauen in diesem Heft einzig in dem Artikel »Vorzimmergöttin – Die sexy Sekretärin ist mehr als eine Angestellte. Sie ist eine ständige Versuchung« vorkommen, scheint klar, dass es sich
hier um ein Märchenheft alten Schlages handelt. Ach
nein, es gibt auch an einer Stelle den Verweis auf Pippi Langstrumpf, die bekanntermaßen einen nicht ganz
so zeitgemäßen Slogan prägte, als sie sagte, wer stark
ist, müsse auch gut sein. Ganz so einfach ist es dann
aber doch nicht, denn neben aller Testosteron-Haltigkeit zeigen sich die Ordnungsstrategien der Ideenökonomie kaum irgendwo deutlicher. \\
M ä d c h e n i n U n if o rm – W e g e a us der
S e l b s t verwir k l i c h u n g
von René Pollesch, frei nach Christa
Winsloe, Uraufführung
Es spielen Brigitte Cuvelier, Christine
Groß, Sophie Rois u.a.
Termine 15. Februar, 1., 9. und
23. März 2012
D ie Ku n s t w a r vie l p o pu l ä rer a l s
i h r n o c h k ei n e K ü n s t l er w a r t !
von René Pollesch, Uraufführung
Es spielen Marlen Diekhoff, Christine
Groß, Marc Hosemann, Silvia Rieger, Catrin
Striebeck
Hamburger Premiere 17. März 2012
Weitere Termine 19., 29. März und
5., 10. April 2012
Eine Koproduktion mit der Volksbühne am
Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
I c h s c h a u D ir i n die Au g e n ,
Gese l l s c h a f t l i c h er
V er b l e n du n g s z us a mme n h a n g
von René Pollesch, Uraufführung
Es spielt Fabian Hinrichs
Termin 18. Mai 2012
Ein Gastsspiel der Volksbühne
am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
Mit freundlicher Unterstützung der
Rusch-Stiftung
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
Unser
Konzern
ist das
Theater
Wie begegnet man dem Kosten- und
Produktionsdruck im deutschen Stadttheater?
Mit Empörung, Verweigerung, Besetzungen?
Der Dramatiker Oliver Kluck hat einen
Gegenvorschlag: Durch die Verwendung von
universal verwertbaren Teilen und Teilgruppen
könnten Autoren und Schauspieler effizienter
werden – und das Theater aktueller! Das Vorbild
für Umgestaltung liefert der Volkswagenkonzern.
» C o smi c T h i n g « v o n D a mi a n Or t e g a
Der 1967 in Mexiko-Stadt geborene Künstler demontierte für seine
Installation »Cosmic Thing« 2002 einen VW-Käfer, Baujahr 1983, und
hängte ihn in Einzelteilen wieder auf. Ortega begann seine Karriere
als Karikaturist und nennt den mexikanischen Maler Diego Rivera als
wichtigen Einfluss. Seit 2006 lebt und arbeitet er in Berlin.
Foto Damián Ortega, »Cosmic Thing«, 2002; Disassembled 1989 Volkswagen Beetle and C-print: 265 x 276 x 296 in.
(673.1 x 701 x 751.8 cm), C-print: 16 x 20 in. (40.6 x 50.8 cm); The Museum of Contemporary Art, Los Angeles;
Purchased with funds provided by Eugenio López and the Jumex Fund for Contemporary Latin American Art
18
Seite
Essay
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
19
Seite
Essay
N
och Anfang der neunziger Jahre fertigte der Volkswagenkonzern im Wesentlichen drei Modelle: Polo, Golf und
Passat. Heute fertigt der Volkswagenkonzern mehr als ein Dutzend Modelle, dazu kommen weitere Produkte aus
einem Markenportfolio mit gewaltigem
Ausmaß. (…) Die Qualität der Fahrzeuge des Volkswagenkonzerns wurde in den zurückliegenden
zwei Dekaden erheblich verbessert, Produktionsbedingungen wurden nicht nur auf die Steigerung der Produktion ausgerichtet, sondern auch auf höhere Anforderungen der Kunden an das Produkt. Generierte Trends, wie beispielsweise das
Jogging der achtziger Jahre, wurden durch die Marketingstrategen unverzüglich aufgenommen. Der Volkswagenkonzern
sieht sich nun in der Lage, den Kundenwunsch nach Individualität bedienen zu können.
Effizienz als produktionsprägende
Eigenschaft
Es ist darüber hinaus festzustellen, dass die Produktionsmethoden des Volkswagenkonzerns derart erfolgreich sind, dass
wir es uns unmöglich erlauben können, diese als Option für
das eigene Inszenieren am Theater weiterhin auszuschließen.
Der interdisziplinäre Ansatz unseres Projektes erfolgt nun aus
der anderen Richtung: nicht wir geben Methoden vor, sondern Methoden werden übernommen und an unsere Bedürfnisse angepasst. (…) Der Volkswagenkonzern ist lediglich
einer unserer Zulieferer, ein Subunternehmer für unsere Zwecke. Unser Konzern ist das Theater. (…) Wir werden individuell fertigen, passgenau und in der gewohnt hohen Qualität.
Die immer wieder gern ausgesprochene These, dass die Kunst
die Kultur prägt und die Kultur die Gesellschaft, wird somit auf den Kopf gestellt. Dem Wunsch des Zuschauers nach
möglichst vielen Uraufführungen, Stücken mit regionalem
Bezug und temporären Projekten, wird prompt entsprochen.
Den Bezeichnungen ›Premierendruck‹ und ›Uraufführungswahnsinn‹ begegnen wir dahingehend, dass die Jungfräulichkeit unserer Veranstaltungen zu einer Selbstverständlichkeit
wird, auf die jeder unserer Zuschauer einen Anspruch hat.
Die Geschichte der Familien Piëch und Porsche, die Entstehung der Retortenstadt Wolfsburg auf der grünen Wiese und die Entwicklung der nationalsozialistischen ›Kraft durch Freude‹-Fabrik zu einem
Weltkonzern, soll uns Anlass genug sein,
nach den Folgen der Massenindividualisierung Ausschau zu halten. Im altgriechischen Sinn wurde der Begriff ›Volk‹ für die
Bezeichnung einer Minorität verwendet,
die sich aus wohlhabenden und gebildeten
Männern zusammensetzte. Die Demokratie war, entgegen dem heutigen
Verständnis, die Herrschaft
des Volkes über die Bevölkerung. In diesem Zusammenhang erscheint sowohl
die Bezeichnung ›Volkswagen‹, als auch der Ruf
nach mehr Volksbestimmung,
zuletzt durch den Theaterregisseur
Lösch in Stuttgart formuliert, in
einem ganz anderen Licht. Weiterhin ist festzustellen, dass das
derzeitige Theater im Vornehmen der Diskursraum einer assimilierten Bevölkerungsschicht
ist. Die Autoren, die diesem Theater ihren Diskursstoff als Rohmasse liefern, kommen zumeist selber
aus dieser Schicht. Bevor sie Autoren wurden, haben sie Universitäten besucht, über Tellerränder geschaut, aus kalten oder warmen
Händen ein Erbe empfangen oder
zumindest jemanden als Lebensmenschen gefunden, der sie in ihren ersten Schreibjahren finanziert
hat. Dieses Fremdfinanzieren ist beinahe unausweichlich geworden, da
die Bezahlung junger Schriftsteller
schlichtweg als mies zu bezeichnen ist.
Geht man von einem Arbeitsergebnis
von etwa zwei abendfüllenden >>
Nr. 3 / Februar 2012
>> Theatertexten pro Jahr aus, erzielt der junge, qualifizierte Schreiber
in etwa das Einkommen eines Facharbeiters, in den Jahren seiner zumeist
autodidaktischen Ausbildung verdient er, anders als Regieassistenten,
nicht einen Cent. Entsprechend werden die Kinder aus Angestellten- und
Zuwandererfamilien, wenn sie überhaupt in ihrem Leben je eine Universität als Student von innen sehen, vernünftigerweise besser Diplomvolkswirt, Frauenärztin oder gleich Hochschullehrer, statt an ihrer brotlosen Kunst zu Grunde zu gehen. Diese Leute fehlen nun dem Theater, ihre
Themen müssen durch Autoren bedient werden, die diese erst recherchieren, also künstlich generieren müssen, was im Ergebnis oft einen Mangel
an Authentizität in den Inszenierungen nach sich zieht. Die so genannte
Aufklärung ist hier nur ein subjektiver Versuch über eine Aufklärung, das
Ergebnis dieses Versuches steht bereits vor der Theaterarbeit fest, woraus
nun wiederum der Eindruck entsteht, dass das Theater als gesamtgesellschaftlicher Streitraum mausetot ist.
Möchte man nun also die »heißen Themen« angehen, das Theater
dem Mediendiskurs und der tagespolitischen Debatte entgegenstellen,
dann müssen Organisationsformen und Mechanismen entwickelt werden, die genau das in einem noch stärkeren Maß möglich machen. Speziell für Schriftsteller könnte das bedeuten, dass sie nicht mehr darauf
hoffen müssen, bald und vernünftigerweise der Qualität ihrer Arbeit entsprechend bezahlt zu werden, sondern nunmehr durch gesteigerte Produktionszahlen im Sinne des Volkswagenkonzerns eigenständig in die
Lage versetzt werden, vom Ergebnis ihrer Arbeit leben zu können – was
schlussendlich das Theater auch für Schreibende interessant machen würde, die bisher vor allem aus existenziellen Gründen auf eine Zusammenarbeit verzichtet haben.
Foto privat
Über die Möglichkeit zur Improvisation im
Produktionsraum Theater
Der latenten Forderung der Administration an die Theater »nach Senkung aller Kosten und gleichzeitigem Steigern des Einspielergebnisses«,
begegnen die Theaterschaffenden oft mit einer passiven Haltung der Empörung. Die Kollegen verhalten sich somit kaum anders als Studenten, die
auf suboptimale Lernbedingungen einzig mit der Besetzung ihrer Universität reagieren. Selbstverständlich ist es ein großer Irrtum der Administration, das Ergebnis einer künstlerischen Arbeit alleine an einer KostenNutzen-Rechnung betrachten zu wollen, da sich gerade im Theater der
Nutzen nicht aus der Summe der verkauften Theaterkarten ergibt, sondern aus dem Diskurs, den ein soeben gesehenes Theaterstück unter den
Zuschauern auslöst. Das Theater ist somit kein gesellschaftsredundanter Kunsttempel für eine privilegierte Minderheit, sondern ein geschützter
Raum innerhalb des Stadtraumes, in dem Fragen der »gesellschaftlichen
Konstruktion unserer Wirklichkeit« ausgesprochen und überprüft werden. Das Theater dient demnach auch der Frage der eigenen Wehrhaftigkeit – und bringt sich somit in Diskredit, wenn es wehrlos wird. Ein defensives Verhalten kann sich kein Theater leisten, wenn es ernst genommen
werden möchte, Verweigerung, Besetzung und Straßenprotest sind unzureichend. Die Stärken des Theaters sind die Stärken der Literatur: Überhöhung, Allegorie, Abstraktion. Es kommt nun darauf an, Möglichkeiten
zu schaffen, um diese Stärken »ausspielen« zu können, die Frage nach den
Maßstäben der Administration ist dann bereits Teil dieses Spieles.
Unser jetziges Schauspiel ist in vielen Fällen mit der Aufführung eines sinfonischen Konzertes zu vergleichen: Es gibt eine klare Partitur mit
einer einigermaßen festen Rollenverteilung, in den Proben wird das Zusammenspiel in der Gruppe eingeübt, der Regie kommt dabei in etwa
der Posten des Dirigenten zu (...). Um ein Gruppenspiel zu proben, muss
die gesamte Gruppe anwesend sein, was das parallele Arbeiten einzelner
Gruppenmitglieder an verschiedenen Produktionen und räumliche Abwesenheit bestenfalls temporär zulässt. Eine Möglichkeit, der Situation
des dauerhaften Zeitmangels zu begegnen, ist der Versuch zur freien Improvisation. Anders als bei einem sinfonischen Konzert, lassen sich die
Vorbereitungen für einen Free-Jazz-Abend individuell planen. Nicht primär das Zusammenspiel wird einstudiert, sondern das Thema, auf das
im Verlauf der Aufführung gedanklich verbindend zugegriffen wird, wobei diese Freiheit wie jede Freiheit als relativ anzusehen ist, da es auch im
freien Improvisationsspiel Regeln gibt, aus denen sich unter anderem der
Unterschied zwischen dem Free Jazz und dem Erzeugen von Geräuschen
ergibt. (…)
Nicht mehr zuallererst am Zusammenspiel arbeiten zu müssen, sondern am Thema, bedeutet, dass sich die Zeiten für das Erfassen dieses
Themas einfacher planen lassen, gleichzeitig ein Leerlauf (im Volkswagensinn: eine Ineffizienz) vermieden werden kann, da die Probenarbeit
immer unmittelbar mit und durch den Spieler erfolgt, kein Spieler ge-
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
rade warten muss, weil er vielleicht in einer Szene
nicht vorkommt. Geprobt wird individuell oder in der
Kleingruppe, die Versuche zum Zusammenspiel erfolgen erst in einer späteren Phase. Den aus der Militärlogistik und später aus der Produktion entnommenen
Begriff der just-in-time Fertigung nehmen wir dahingehend wörtlich, dass wir erst als Gruppe zur richtigen
Zeit am richtigen Ort zusammenkommen müssen, genau dann, wenn die Prozesse der Vorbereitung abgeschlossen sind. (...)
Es ist nun auch erforderlich, dramatische Texte formell anders zu organisieren als in der bisherigen Partiturform einer klaren Rollenverteilung. Der in diesem
Zusammenhang oftmals benutzte Begriff der Textfläche ist hierbei nur eine ungenügende Krücke für das,
was tatsächlich geleistet werden muss. Schon an der
Entscheidung, ob eine Textfläche als bessere Regieanweisung für die Theaterschaffenden gedacht – oder als
innerer Monolog vielleicht Teil einer Sprechrolle ist,
zeigt auf, dass es hierfür einer wesentlich feineren Unterscheidung bedarf, die im Übrigen den Rahmen einer Skizze sprengen würde und somit Teil der Projektauswertung werden muss. Sicher ist nur, dass bereits
durch die formelle Beschaffenheit der Texte, insbesondere durch die Art der Aufteilung der Figuren- und
Sprechrollen und ihrer Benennung, eine wichtige Vorarbeit für die Möglichkeit des Improvisierens geleistet werden kann. Das Gespräch auf einer Konzeptionsprobe dreht sich nun nicht mehr um die Frage
»worum es eigentlich in dem vorliegenden Text geht«,
sondern wer an welchem Ort spricht und ob dieser
Ort ein Ort im Raum ist oder ein Ort in der Zeit.
Wie ich arbeite, worauf ich dabei achte
Um nicht in die Gefahr zu geraten, didaktisch oder
agitatorisch zu schreiben, konstruiere ich keine Figuren, sondern stelle den Figuren Fragen, deren Antworten, ähnlich wie bei einem Flickenteppich, irgendwann ein Bild ergeben. (...) Eine scheinbar politische
Figur, ist demnach immer schon eine Figur und nie jemand, der einen Diskurs in eine gewisse Richtung voranzutreiben versucht. Ich versuche meiner Arbeit
möglichst neutral gegenüberzustehen, versuche meine persönliche Sicht auf die Dinge, meine Prägungen
so weit als möglich von meinem Schreiben fern zu halten. Es geht nicht darum, welche Meinung ich vertrete,
sondern wie meine Figuren die Zusammenhänge begreifen, womit das Fragen meine einzige Möglichkeit
ist, den Figurendiskurs zu beeinflussen. Dazu nur am
Rande: mein ganz persönliches Interesse bringt mich
des Öfteren mit Figuren zusammen, die nicht unbedingt zu jenen Charakteren zählen, denen üblicherweise Fragen gestellt werden.
Die Figuren verhalten sich nun wie »richtige«
Menschen. Sie kommen wie selbstverständlich nicht
mit der wirklichen Antwort raus, sondern verschleiern, taktieren, beschönigen und lügen, dass sich die
Balken biegen. Aus Scham über das eigene Versagen,
über die eigene Fehlbarkeit und menschliche Schwächen, versuchen sich meine Figuren mit ihren Antworten in ein besseres Licht zu stellen als in jenes, in dem
sie womöglich stehen müssten. Wie man es besonders in Autobiografien von Politikern und Schlagersängern nachlesen kann, unternehmen meine Figuren
analog dazu den Versuch, ihre eigene Biografie zu glätten und öffentlichkeitstauglich zu machen. Damit sind
ihre Aussagen und Antworten zunächst für das Erzählen einer Geschichte nur bedingt brauchbar, da die
Geschichte nun gewissermaßen schief –, das Handeln
der Figuren nur schwer nachvollziehbar und wahrscheinlich unglaubwürdig wäre. Es bleibt mir daher
nichts anderes übrig, als immer wieder nachzufragen,
die Figuren mit ihren eigenen, in sich nicht stimmigen Antworten zu konfrontieren. Tatsächlich ist es so,
O l iver K l u c k
»Immer knurrend aggressiv« schreibt der »Spiegel«, Autorenkollege Roland Schimmelpfennig urteilt: »Schnell, wütend, witzig, verzweifelt«. Mit Stücken wie »Das Prinzip Meese« und »Zum Parteitag Bananen« machte sich der 31-jährige Autor in den letzten Jahren einen Namen. Am Deutschen Schauspielhaus läuft zur Zeit sein neues Werk
»Leben und Erben« – nach »Warteraum Zukunft« bereits das zweite Kluck-Stück, das
hier uraufgeführt worden ist. Der abgedruckte Text ist eine leicht gekürzte Fassung der Projektskizze »Über die Verwendungsmöglichkeiten der Effizienzsteigerung des
Volkswagenkonzerns in den letzten zwanzig Jahren als Vorbild für die Inszenierungspraxis am Repertoiretheater«, die Kluck für das Schauspielhaus Graz geschrieben hat.
21
Seite
Essay
dass sich die Figuren irgendwann öffnen und von sich
aus erzählen, was »wirklich« passiert ist. Es erschließen sich nun die Zusammenhänge, eine Geschichte
wird in ihrer Komplexität und Verfahrenheit nacherzähl- und darstellbar. Für mich besteht hier nur noch
die vergleichsweise einfache Aufgabe, eine geeignete
Form für dieses Erzählen zu finden, wobei ich jederzeit
dafür verantwortlich bleibe, dass die nun nackte Figur
nicht wie ein Idiot dasteht, sondern ganz einfach wie
ein Mensch, der sich, aus welchen Gründen auch immer, verlaufen hat. (...)
Über den schriftstellerischen Beitrag
zur Steigerung der Effizienz
Die Verwendung von universal verwertbaren Teilen
und Teilgruppen ist eines der Erfolgsrezepte des Volkswagenkonzerns. Ich möchte daher für unser Projekt
nach ähnlichen Fertigungsmethoden suchen. Dazu
werde ich im Selbstversuch die nun entstehenden Texte, unabhängig von ihrem Genre, konsequent auf diese
Forderung ausrichten. Noch mehr als bisher, möchte
ich mich mit der Frage des Inhaltes von Texten beschäftigen.
Speziell für das Theater geht es nicht mehr darum
wer spricht, sondern vielmehr darum was gesagt wird,
was sich auch in der Art unseres Inszenierens widerspiegeln wird. Da ich mich nicht mehr an Aufträgen
abarbeite, sondern ausschließlich am Thema, werde
ich ohne Unterlass für dieses Thema produzieren. Die
Texte, die nun entstehen, werden für jedes Haus passen, sie werden theateruniversal sein, was bedeutet,
dass sie nicht mehr auf ein Haus, ein Ensemble und
schon gar nicht auf ein Publikum zugeschnitten werden. Die Rollenverteilung, die in den Texten nicht festgeschrieben wird, obliegt immer den Verantwortlichen vor Ort, was keineswegs bedeutet, dass es in den
Texten keine Rollen oder so etwas wie einen roten Faden gibt. Über die diffuse Bezeichnung ›Textfläche‹
habe ich bereits geschrieben. Ich möchte diesem Konstrukt nunmehr frei assoziierbare Sprechräume entgegenstellen, aus denen durch den Diskurs innerhalb
der Theatergruppe die Rollenverteilung heraus destilliert wird. Durch diese Vorgehensweise ergibt sich ein
ganz anderer Zugriff als der, den wir bisher gewohnt
sind (»Stück für 2D und 3H«). Der Frage nach dem geschlechterspezifischen Rollenverständnis kann auf diese Weise ganz anders, viel direkter begegnet werden.
Bislang wurden Figuren oft über Regieanweisungen charakterisiert: Klaus, 45 Jahre, Bauchansatz,
wäscht sich nach dem Pinkeln nicht die Hände, schlägt
seine Frau. Leider wurde nun weder im Text noch in
den Anweisungen darauf eingegangen, warum Klaus
seine Frau terrorisiert, stattdessen die Genese des
Klausmordes skizziert, im didaktischen Sinn von »bitte nicht die Frau schlagen, auch wenn es gute Gründe
dafür gibt«. Die eigentliche Frage, wie Klaus zu seinem
Schlagen kam, konnte auf diese Weise nicht thematisiert werden, was auch daran liegt, dass das Theater mehr Handlungsstoff, Sprechrolle und Bewegung,
aber weniger episches Erzählen für seine Bühne benötigt. Die Schauspieler müssen bewegt werden, was für
das Zeichnen der psychologischen Verfassung von Figuren bedeutet, dass diese sich aus dem Spiel ergeben
soll. Das alles halte ich für grundsätzlich nicht unvernünftig, jedoch möchte ich probieren, mehr von meinem Figurenwissen in einer eigens aufbereiteten Form
an das Theater weiterzugeben. Dieses Wissen muss
nicht zwangsläufig in der gesprochenen Inszenierung
aufgehen, es soll lediglich Teil einer besseren Vorbereitung werden.
José Ignacio López bestellte Mitte der neunziger
Jahre diese bessere Vorbereitung für den Volkswagenkonzern, indem er im Auftrag von Ferdinand Piëch
die Fertigungstiefe des Konzerns verringert hat. Diese Verringerung (Vereinfachung) betraf allerdings nur
den Konzern, da die Fertigung der Teile lediglich an
Zulieferfirmen übertragen wurde, die ihrerseits nicht
nur geringere Fertigungskosten durch außertarifliche Löhne erzielen konnten, sondern darüber hinaus
die Produktion einer eigenen Optimierung unterzogen. Tatsächlich ist die gesamte Fertigung nun komplizierter geworden, jedoch mit dem bereits erwähnten Ergebnis einer höheren Qualität, weshalb es uns
nun analog dazu in unserer Inszenierungsarbeit nicht
primär darum geht, die Prozesse zu vereinfachen, sondern darum, diese besser zu organisieren. \\
Nr. 3 / Februar 2012
Hawaii. Inszenierte Wirklichkeiten.
22
Seite
Der Morgen danach…
Der
Morgen
danach...
Stefan Haschke
»Meine dreijährige Tochter hat
mich um halb zehn geweckt.
Aufstehen, frühstücken,
versuchen, in den Alltag
reinzukommen. Nach sechs
Wochen Probenwahnsinn mal
wieder das Kind angucken.
Das sieht die natürlich erstmal
gar nicht ein: ›Wieso soll
ich ausgerechnet jetzt mit
dir spielen?‹ Auf den Markt
gehen. Spazieren gehen. Das
berühmte Premierenloch:
Das kommt eigentlich
immer. Man ist drei Tage lang
depressiv. Das ist so eine Art
Nullzustand, ein Zustand
der Erschöpfung. Ich sitze
dann einfach da und warte
darauf, dass ich krank werde.
Und stelle mir Fragen: War
das jetzt gut? Oder nicht gut?
Wer hat gelogen? Wer nicht?
Wenn es schlecht war, denke
ich immer: Ich bin schuld!
Ich hätte ja Einfluss darauf
gehabt! Warum mache ich das
eigentlich? Was ist der Sinn
von dem Ganzen? Du machst
das ja alles aus Überzeugung,
deshalb hängst du dich rein.
Und in dem Premierenloch
versuchst du, die Überzeugung
wieder hinzukriegen, mit der
du spielen kannst. War das ein
Kratzen im Hals? Oh Gott, es
geht los ... ich muss zum Arzt!«
Foto: Kerstin Schomburg
S t ef a n H a s c h k e , 1982 in Leipzig geboren, gehört seit dieser Spielzeit zum Ensemble des Deutschen Schauspielhauses. Zu
sehen ist er u.a. in »Das Ding« und »Hiob«, er spielt Nick Carraway in »Der große Gatsby« und den Heinz in »Fleisch ist mein
Gemüse«. Haschke studierte von 2004 bis 2008 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Für die Titelrolle in
Regeners »Herr Lehmann« (Regie: Mona Kraushaar) am Altonaer Theater sowie für die Rolle des Adam in LaButes »Das Maß der Dinge«
(Regie: Ralph Bridle) an den Hamburger Kammerspielen erhielt er 2009 den Boy-Gobert-Preis und den Rolf-Mares-Preis.
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