Hochschule Bremen Neue internationale, nationale und

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Hochschule Bremen Neue internationale, nationale und
Hochschule Bremen
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Studiengang Internationale Volkswirtschaft
Neue internationale, nationale und
privatwirtschaftliche Strategien zur Förderung
des Entwicklungsbeitrags von
Kaffeeproduktion
Bachelor-Thesis
vorgelegt von
Maria Camila Rojas Ospina
1. Prüfer: Prof. Dr. Hans-Heinrich Bass
2. Prüfer : Dr. Detlev Quintern
April 2008
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis……………………………………………………………………………………..3
Tabellenverzeichnis………………………………………………………………………………………..4
Abkürzungsverzeichnis…………………………………………………………………………………….5
Einleitung……………………………………………………………………………………………….…...6
1
Strukturmerkmale des Rohkaffeemarktes ............................................................................... 7
1.1
Kaffeesorten..................................................................................................................... 7
1.2
Kaffeeanbau..................................................................................................................... 8
1.3
Verarbeitung des Kaffees .............................................................................................. 10
1.4
Kaffeeangebot................................................................................................................ 11
1.5
Kaffeenachfrage............................................................................................................. 15
1.6
Preisvolatilität................................................................................................................. 18
2
Debatten über den Beitrag der Kaffeeproduktion zur Entwicklung........................................ 21
2.1
Zusammenhang zwischen Entwicklung und Kaffeeproduktion..................................... 21
2.2
Die Entwicklungsdebatten seit 1950.............................................................................. 24
3
2.2.1
Strukturalismus (1950-1979) ..................................................................................... 24
2.2.2
Exportwachstum und der Ungleiche Tausch (1980- )............................................... 27
Neue Strategien ..................................................................................................................... 30
3.1
Internationale Ebene...................................................................................................... 30
3.2
Nationale Ebene ............................................................................................................ 35
3.2.1
Diversifizierung .......................................................................................................... 35
3.2.2
Neue Herausforderungen für die nationalen Akteure ............................................... 37
3.3
Privatwirtschaftliche Ebene............................................................................................ 40
3.3.1
Upgrading entlang der Wertschöpfungskette............................................................ 40
3.3.2
Nachhaltigkeitsstandards und deren Auswirkung ..................................................... 46
Zusammenfassung und Ausblick………………………………………………………………………..50
Literaturverzeichnis……………………………………………………………………………………….52
Eidesstattliche Erklärung……………………..………………………………………………………….56
2
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Weltkaffeeproduktion, Erntejahre 1977/78 bis 2007/08 ..................................................... 12
Abb. 2 Produktionsanteil nach Regionen, 2000-04........................................................................ 14
Abb. 3 Durchschnittlicher jährlicher Konsum pro Kopf 1990-93 und 2000-2003,.......................... 16
Abb. 4 Export- und Preisentwicklung auf dem Weltkaffeemarkt, 1975-2007 ................................ 19
Abb. 5 Marktkonzentration in der Kaffeewertschöpfungskette ...................................................... 43
Abb. 6 Beispiel für die Coffee Code Matrix .................................................................................... 49
3
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Kaffeesorten und deren Produktionsanteil 2007/2008 ......................................................... 8
Tab. 2 Preise und Prämien in USD/lb für ökologisch angebauten Kaffee in Uganda 2002/03 ..... 45
4
Abkürzungsverzeichnis
ACPC: Association of Coffee Producing Countries
AGEXPRONT: Asociación Guatemalteca de Exportadores
ATO: Alternative Trade Organsation
CCCC: Common Code for the Coffee Community
CFC: Common Fund for Commodities
CPI: Composite Price Indicator
FAO: Food Agriculture Organisation
FOB: Free On Board
FENALCO: Federación Colombiana de Comerciantes
FEDECAFE: Federación Nacional de Cafeteros de Colombia
GVC: Global Value Chain
GTZ: Deutsche Gesellschaft für die Technische Zusammenarbeit.
IBC: Instituto Brasileiro do Cafe
ICA: International Coffee Agreement
ICC: International Coffee Council
ICAFE: Instituto del Café de Costa Rica
ICE: IntercontinentalExchange®
ICO: International Coffee Organisation
ICONTEC: Instituto Colombiano de Normas Técnicas y Certificación
IFOAM: International Federation of Agricultural Movements
KMU: Klein- und Mittelunternehmen
LIFFE: London International Financial Futures and Options Exchange
NRO: Nichtregierungsorganisation
NWWO: Neue Weltwirtschaftsordnung
OTA: Ochratoxin
PANCAFE: Productores Asociados de Café S.A.
RNFE: Rural Non-Farm Economy
SCAA: Specialty Coffee Association of America
SCAE: Speicialty Coffee Association of Europe
USAID: United States Agency for International Development
UCDA: Uganda Coffee Development Authority
WTO: World Trade Organisation
5
Einleitung
Kaffee ist eines der wichtigsten Exportprodukte vieler Entwicklungsländer. Von der
Kaffeewirtschaft hängen weltweit ca. 25 Mio. Kleinbauern in 50 Erzeugerländern ab.
Preisfluktuationen auf dem Rohstoffmarkt wirken sich verheerend auf diese Länder und auf die
Existenz der Kaffeeproduzenten aus, die auf die Exporterlöse von Kaffee angewiesen sind.
Seit mehreren Dekaden wird versucht durch Intervention verschiedener Akteure eine
Marktstabilisierung zum Wohlstand der Entwicklungsländer zu erzielen. Ziel der nachfolgenden
Arbeit ist die Darstellung ausgewählter neuer Strategien zur Stabilisierung des Kaffeemarktes
und somit zur Sicherung des Einkommens vieler Produzentenländer.
Im ersten Kapitel werden sowohl die Strukturmerkmale als auch die allgemeinen
Entwicklungstrends des Rohkaffeemarktes der letzten 30 Jahren untersucht. Die Auswirkung von
Preisschwankungen auf die Entwicklung von Produzentenländern wird aus unterschiedlichen
theoretischen
Perspektiven
betrachtet.
Daher
werden
im
zweiten
Kapitel
die
Entwicklungsdebatten dargestellt. Es sollen die Theorien gegenübergestellt werden, auf die sich
die Notwendigkeit einer Preisstabilisierungsstrategie im Entwicklungskontext stützt.
Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich detailliert mit den neuen internationalen, nationalen
und privatwirtschaftlichen Strategien zur Marktstabilisierung des Kaffeemarktes. Dabei werden
Herausforderungen und Grenzen ausgewählter Maßnahmen aufgezeigt.
Eine exakte Zuordnung der dargestellten Strategien ist nicht immer möglich, da meistens
mehrere Akteure aus den verschiedenen Ebenen beteiligt sind. So können Strategien, die auf
nationaler Ebene durchgeführt werden auch in einem privatwirtschaftlichen Kontext wieder
aufgegriffen werden. Es geht jedoch vor allem um die Analyse des Beitrags solcher Instrumente
zur Entwicklung der Anbauländer. Der letzte Abschnitt fasst die Ergebnisse zusammen und bietet
einen Ausblick.
6
1 Strukturmerkmale des Rohkaffeemarktes
Kaffee gehört heute zu einem der wichtigsten Agrarrohstoffe im internationalen Handel und war
bis Mitte der 1990er Jahre nach dem Erdöl, gemessen am Exportwert, weltweit der
zweitwichtigste Rohstoff. Der Ursprung des Kaffees führt gemäß den meisten Literaturquellen zu
der äthiopischen Provinz Kaffa, in der dieses Agrargut im 15. Jh. entdeckt worden sein soll. Der
Begriff Kaffee selbst soll aus dem Arabischen „qahwa“ bzw. dem daraus abgeleiteten türkischen
Wort „Kahve“ stammen. Der Anbau von Kaffeepflanzen schaffte während der Kolonialzeit den
Sprung vom afrikanischen Raum auf den asiatischen und amerikanischen Kontinenten. Nach
Europa gelangte der Kaffee Anfang des 17. Jh. dank venezianischer Händler fast 100 Jahren
nach der Einführung von Kakao. Heute wird Kaffee in mehr als 76 Ländern angebaut, die sich
durch tropische Klimabedingungen auszeichnen.
Auf dem Weltmarkt für Kaffee wird hauptsächlich Rohkaffee1 oder so genannter grüner Kaffee
gehandelt. Von dem heute international gehandelten Kaffee sind ca. 95% ungeröstete rohe
Kaffeebohnen, die restlichen 5% entfallen auf verarbeiteten Röstkaffee und löslichen Kaffee.
Letzteres hängt mit der begrenzten Lagerbarkeit des gerösteten Kaffees zusammen, da dieser
seine Frische durch die Lagerung verliert.
In diesem Kapitel werden die wichtigsten Strukturmerkmale des Kaffeemarktes und die
Marktentwicklung der letzten 30 Jahre dargestellt. Diese Referenzzeit erlaubt eine Übersicht über
die
Preisschwankungen
dieses
Agrarproduktes,
die
anschließend
Basis
für
die
Entwicklungsdiskussion um die Dritte Welt sein wird.
Bevor Marktentwicklungen auf dem Rohkaffeemarkt näher untersucht werden können, bedarf es
der Charakterisierung der Angebots- und Nachfragestruktur dieses Rohstoffes. Zunächst werden
einige wichtige Besonderheiten des Kaffees und dessen Anbau eingeführt.
1.1
Kaffeesorten
Weltweit werden über 70 Kaffeesorten angebaut, von denen jedoch insbesondere zwei Arten für
den Welthandel relevant sind. Arabica und Robusta sind die Kaffeesorten mit dem höchsten
Absatzvolumen auf dem Rohkaffeemarkt. Neben diesen Sorten existieren andere eher seltene
Varietäten wie Excelsa-, Kopi Luwak- und Liberica-Kaffee, die jedoch aufgrund ihrer geringeren
Bedeutung im internationalen Welthandel in der nachfolgenden Analyse nicht miteinbezogen
werden.
1
Ab hier werden „Rohkaffee“ und „Kaffee“ synonym verwendet. Ggf. wird zwischen Kaffeesorten
unterschieden.
7
Arabica und Robusta sind zwei Kaffeehauptsorten, die sich stark durch Qualit€tsmerkmale
unterscheiden. Arabica und deren Untersorten geh•ren zu den hochwertigeren Arten und
erzielen demzufolge h•here Preise auf dem Weltmarkt. Dagegen sind Robusta-Sorten, auch
wenn ertragsreicher, qualitativ weniger gesch€tzt und werden in der Regel f‚r Kaffeemischungen
verwendet.
Folgende Tabelle vereinfacht den ƒberblick ‚ber die Marktstruktur und die wichtigsten Merkmale
der jeweiligen Kaffeesorte.
Tab. 1 Kaffeesorten und deren Produktionsanteil 2007/2008
Merkmal
Arabica
Robusta
Ertrag (kg Bohnen/ha)
1500-3000
2300-4000
Reifungszeit (Monate)
9
10-11
Colombian Milds
Gehandelte Untersorten
Robustas
Other Milds
Brazilian Naturals
Optimale Anbautemperatur
15„-24„
24„-30„
mild s€uerlich und
Geschmack
bitter und voll
aromatisch
Koffeingehalt
Produktionsanteil
0,8-1,4%
1,7-4,0%
61,36%
38,64%
Eigene Darstellung. Datenquelle: ICO
Das Anteilsverh€ltnis der o.g. Sorten an der Weltproduktion hat sich im Verlauf der letzten Jahre
stark ver€ndert. Lag Anfang der Neunziger der Anteil des Arabica-Kaffees bei ca. 78% an der
Gesamtproduktion, betr€gt dieser heute nur noch ca. zwei Drittel. Dagegen ist die RobustaProduktion von ca. 22% im selben Zeitraum auf rund 38% weltweit gestiegen. Im Jahr 2007 lag
die Weltproduktion dieser beiden Kaffeesorten nach Angaben der International Coffee
Organisation (ICO) bei 116 Mio. S€cken2. …Colombian Milds† werden in drei L€ndern angebaut:
Kolumbien, Kenia und Tansania. Die sog. …Other Milds† werden haupts€chlich in den
Anbaul€ndern Zentralamerikas, aber auch in Peru und Brasilien, geerntet. ‡thiopien und Brasilien
sind die einzigen Produzenten der Sorte …Brazilian Naturals†. Schlieˆlich geh•ren zu den
Hauptexporteuren von Robustas: Brasilien, Vietnam und C‰te dŠIvoire.
1.2
Kaffeeanbau
Der
Kaffeeanbau
weist
besondere
Charakteristika
auf,
die
entscheidend
f‚r
den
Produktionszyklus sind und somit, wie sp€ter gezeigt wird, f‚r die Marktstabilisierung von
2
Ein Kaffeesack entspricht 60 kg.
8
zentraler Bedeutung sind. Die Kaffeepflanze Coffea aus der Familie der Rubiaceae gehört zu den
perennierenden also mehrjährigen Kulturen. Ein Kaffeestrauch hat eine produktive Lebenszeit
zwischen 15 und 20 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeit werden die Pflanzen meistens ersetzt. Nach
dem Aufkeimen der Kaffeepflanze braucht der Strauch ca. 3 bis 4 Jahre, bevor dieser erste
Früchte trägt, und ca. 7 Jahre bis zur ersten produktiven Vollernte. Die Erträge steigen von Jahr
zu Jahr bis zur Erreichung der o.g. Produktivzeit (Schröder 1991: S. 39).
Die Kaffeepflanze zeichnet sich unterdessen auch durch einen natürlichen bzw. biologischen
zweijährlichen Produktionszyklus aus. Dieses führt bei Kaffee-Exporten zu dem sog. Off-YearEffekt, da der Kaffeestrauch nach einem sehr produktiven Jahr, im darauf folgenden Jahr
wesentlich weniger ertragsreich ist. Die Reifungszeit der Kaffeepflanze und deren produktiver
Lebenszyklus wirken sich stark auf die auf dem Weltmarkt angebotene Kaffeemenge aus, da
Produktionsschwankungen nicht ausgeschlossen werden können.
Darüber hinaus bedarf der Kaffeeanbau besonderer klimatischer Anforderungen. Im Gegensatz
zu den Robusta-Sorten, die weniger krankheits- und frostanfällig sind, sind häufig ArabicaPflanzen von Dürreperioden und frostigen Wetterbedingungen negativ beeinflusst. Kaffeekulturen
brauchen ein feuchtwarmes Klima und in der Regel Beschattung, um optimal wachsen zu
können. Aus diesem Grund werden Kaffeesträucher mit einem Zwischenabstand von ca. 3,5 m
vorwiegend neben Schattenbäumen wie Bananenstauden angebaut.
Arabica-Bohnen gehören zu den Hochlandsorten und wachsen auf einer Höhe von 1700-2500
Metern über N.N.. In Ländern wie Brasilien, kann diese Sorte jedoch bereits zwischen 100 und
200 m Höhe wachsen. Die meisten Arabica-Sorten werden in den Andenregionen Südamerikas,
in Zentralamerika, Ostafrika und Madagaskar produziert. Nur selten kommen diese Sorten in
südasiatischen Gebieten vor. Robusta-Sorten gedeihen dagegen in tieferen Regionen, nämlich
zwischen 200 und 300 m Höhe. Verbreitet ist der Robusta-Anbau in niedriger gelegenen
Gebieten Süd- und Zentralamerikas sowie in Westafrika und Südostasien (Egger; Riede und
Clemenz 1992, S. 178f.).
Die Kaffeekirschen werden in der Regel mehrmals während einer Erntesaison gesammelt.
Dieses gilt als entscheidender Faktor für den Erhalt der Kaffeequalität, denn nur reife Bohnen
sorgen für einen ausgeglichenen Geschmack. In den meisten Anbauländern werden heute die
reifen Früchte noch traditionell per Hand abgetragen und gesammelt. In größeren
Kaffeeplantagen kommt es jedoch häufig zum Einsatz von Erntemaschinen, was zu Lasten der
Qualität teilweise in Kauf genommen wird, wenn keine entsprechenden Qualitätskontrollen
vorgenommen werden. Insgesamt ist die Kaffeekultur sehr pflegeintensiv und wetterempfindlich.
9
Das Erntejahr in der Kaffeeproduktion (coffee crop year) unterscheidet sich in den
Erzeugerländern aufgrund der geographischen und klimatischen Lage sowie der jeweiligen
Kaffeesorte. In den meisten Erzeugerländern rund um den Äquator mit einer konstanten milderen
Temperatur sind mehrere Ernten im Jahr möglich. In höher gelegenen Lagen findet die Ernte
meistens nur einmal jährlich statt. Die Haupterntesaison kann aber insgesamt von Land zu Land
variieren und ist eher von der Häufigkeit der Niederschläge abhängig. Nach Ende der Regenzeit
fängt die Kaffeeblüte an und die Früchte reifen ca. 10 Monate im Fall der Arabica- und bis zu 8
Monaten bei den Robusta-Sorten (Matthey-de-l’Endroit 1996: S.12). Gewöhnlich findet die
Erntezeit nördlich vom Äquator zwischen September und November und südlich davon zwischen
April und Mai statt.
1.3
Verarbeitung des Kaffees
Ein weiterer für die später folgende Analyse wichtiger Aspekt ist die Verarbeitung des
Rohkaffees. Die Qualität des Kaffees hängt nicht ausschließlich von den verfügbaren Rohbohnen
und den Witterungsbedingungen beim Anbau ab sondern auch von den zahlreichen Abläufen in
der Verarbeitung. Jede Kaffeekirsche besteht normalerweise aus zwei Bohnen, die durch eine
dünne Haut - Pergamentmembrane genannt - eingehüllt sind. Bevor der Kaffee geröstet und
weiter verarbeitet werden kann, muss dieser getrocknet und geschält werden. Anhand folgender
Übersicht werden die üblichen Teilprozesse von der Ernte hin zur Veredlung der Kaffeebohnen
kurz dargestellt.
€ Pflücken. Hier werden zwei Methoden unterschieden: das Picking- und das StrippingVerfahren. Während beim ersten die Kaffeekirschen per Hand auserlesen und
gepflückt werden, wird beim Stripping der Kaffee auf maschineller Art geerntet.
€ Trocknen. Auch hier gibt es zwei Formen der Trocknung. Die erste und gleichzeitig
die arbeitskraftintensivste Technik besteht in der Trocknung der Kirschen unter
Einwirkung der direkten Sonnenstrahlung (dry method). Um die Früchte leichter
enthäuten zu können, müssen diese zunächst getrocknet werden. Nach dem
Feinsortieren der reifen Kirschen werden diese gesäubert und anschließend auf
große Flächen zum Trocknen ausgelegt, bevor die Bohnen in Abschälmaschinen von
deren Ummantelung befreit werden. Diese traditionelle Methode wird als die
natürliche
und
kostengünstigste
beschrieben.
Hierbei
entstehen
die
sog.
„ungewaschenen“ Sorten (Unwashed oder Naturals), die in der Regel RobustaBohnen sind.
Die zweite Form der Trocknung ist deutlich kosten- und ressourcenintensiver als die
dry method, da hierbei spezielle maschinelle Anlagen benötigt werden und viel
Wasser verbraucht wird. Dieses sog. nasse Verfahren (wet method) beginnt mit der
Lagerung der Früchte nach der Ernte in Wassertanks. Nach dem Aufweichen werden
die Pergamentmembrane und das Fruchtfleisch voneinander in sog. Entpulpern
getrennt. Im Anschluss erfolgt eine erneute Auswaschung der „nackten“ Früchte und
10
eine Trocknung wie bei der trockenen Methode oder in speziellen Vorrichtungen, die
die Trockenzeit wesentlich verkürzen. Der somit gewonnene Rohkaffee wird als
„gewaschen“ (washed) bezeichnet und ist typisch für Arabica-Sorten, mit Ausnahmen
der brasilianischen Arabicas.
Laut ICO definieren sich durch die Trocknung erste Qualitätsmerkmale der
Kaffeebohnen. Trocknet der Kaffee zu lange wird dieser bröckelig und demzufolge
beim Auslesen aussortiert. Entsprechend kann eine zu kurze Trockenzeit der Bohnen
die Bildung von Pilzen hervorrufen.
Nach dem Trocknen werden die grünen Bohnen auf Größe und Qualität noch einmal
überprüft, klassifiziert und bis zum Export oder zur Weiterverarbeitung lose gelagert.
An dieser Stelle ist jedoch hervorzuheben, dass die Lagerbarkeit von Rohkaffee in
den meisten Exportländern aufgrund des tropischen Klimas beschränkt ist (Egger;
Riede und Clemenz 1992, S. 178f.). Matthey-de-l’Endroit (1996: S.14) führt in seinem
Buch an, dass in modernen Lagerhallen die Lagerfähigkeit bis zu 3 Jahre ohne
Qualitätsverluste gegeben sei, jedoch in den tropischen Erzeugerländer diese nur
einige Monate möglich sei.
€ Rösten. Grüner Kaffee kann nur durch das Rösten sein Aroma und Geschmack
entfalten. Durch die Röstung wird das im Kaffee enthaltene aromatische Öl
freigesetzt, wobei die spezifischen Geschmacksunterschiede entstehen (Schröder
1991: S.54). Mit der aufwendigen Röstung wird der Kaffee zum Genussmittel und
häufig durch die Sortenmischung an den landesspezifischen Verbrauchergeschmack
angepasst. Heute wird dieser Teilprozess von der Lebensmittelindustrie in den
Importländern übernommen. Diese hat sich über die Zeit auf anspruchsvolle Technik
des Röstens spezialisiert. Ebenfalls findet gegenwärtig auch das Mahlen und
Verpacken von geröstetem Kaffee zum größten Teil in den Nachfragerländern statt.
1.4
Kaffeeangebot
Zu den oben angeführten Besonderheiten des Kaffeeanbaus sollen nun nachfolgende
Erläuterungen Aufschluss über die Entwicklung der Weltproduktion des Rohkaffeeangebots3 in
den letzten 30 Jahren geben.
Kaffee zählt zu den Rohwaren, die deren Produktionsausbreitung der Kolonialgeschichte zu
verdanken haben (Massarrat 1993: S.237). Ursprünglich nur im afrikanischen und arabischen
Raum angebaut, gelangt dieser Rohstoff durch ehemalige Kolonialmächte wie die Niederlande
nach Asien und später mit anderen europäischen Siedlern nach Amerika. Anfang des 19. Jh.
wurde Kaffee hauptsächlich auf Inseln wie Reunión, Santo Domingo, Kuba, Jamaika, Java und
3
Angebot ist hier definiert als die Summe aus der Jahresproduktion und den verfügbaren Stocks des
Vorjahres.
11
Sri Lanka angepflanzt. Mit dem Eisenbahntransport vollzog sich einer rasche Ausbreitung der
Kaffeekulturen in ganz Amerika und so wurde zum Ende des 19. Jh. Brasilien mit einem Anteil
von 75% am Weltexport zu dem weltweiten Hauptkaffeeproduzenten. Erst in der zweiten Dekade
des 20. Jh. war die Verbreitung des Kaffeeanbaus in dem restlichen Lateinamerika möglich,
wobei Kolumbien wichtigster Konkurrent Brasiliens auf dem Weltmarkt wurde. Parallel hierzu
begann die Kaffeeproduktion in einigen afrikanischen Ländern wie Uganda und Kenia zu
wachsen. Aber erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges bekam der Kaffeesektor der restlichen
frankophonischen Länder Afrikas eine bedeutende Rolle im Welthandel (Daviron B. / Ponte, S.
2005: S.57). Besonders außergewöhnlich wurde jedoch die Verbreitung des Kaffeeanbaus im
asiatischen Kontinent zu Beginn der Achtziger Jahren und bis in die Neunziger hinein. Zuerst
wurde Indonesien einer der führenden Kaffeeproduzenten in diesem Kontinent, das nun von
Vietnams Erfolg beim Kaffeeanbau von Robusta-Sorten übertroffen wurde.
Heute wird in mehr als 60 Ländern Rohkaffee erzeugt und exportiert, von denen 45 Mitglieder in
der Internationalen Kaffeeorganisation (ICO) sind. Die Weltproduktion seit 1977 zeichnet sich
durch starke Schwankungen aber insgesamt durch eine steigende Tendenz aus. Diese
Produktionsfluktuationen haben schwankende Exporterlöse für diese Länder zur Folge. Folgende
Grafik zeigt die Entwicklung der Weltkaffeeproduktion in den letzten 30 Jahren.
Abb. 1 Weltkaffeeproduktion, Erntejahre 1977/78 bis 2007/084
Mio. Säcke je 60 Kg
140
130
120
110
100
90
80
70
60
20
20
20
20
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
07
05
03
01
99
97
95
93
91
89
87
85
83
81
79
77
Datenquelle: ICO
Zwischen 1977 und 1981 verzeichnet die Kaffeeproduktion ein stetiges jährliches Wachstum von
ca. 7,8%. Der starke Rückgang der weltweiten Kaffeeproduktion im Jahr 1982, nämlich um 15%,
4
Die Werte für 2008 sind Schätzungen der ICO
12
ist auf die durch Frost generierten Produktionssch€den in Brasilien zur‚ckzuf‚hren. Erst 1987
erreicht der Kaffeeoutput wieder ein neues Rekordniveau, das wiederum durch eine starke Ernte
im Jahr 1999 abgel•st wird. Besonders starke Mengenfluktuationen und Preisschwankungen
charakterisieren die Jahre nach dem Zusammenbruch des Internationalen Kaffeeabkommens
(ICA) von 1989. Ebenso sind die verheerenden Frost- und D‚rreperioden im Jahr 1994 f‚r eine
Reduktion der Weltproduktion verantwortlich, sowie die D‚rre von 1999, die laut ICO 40% der
Ernte vernichtet hat. Insgesamt ist das angebotene Kaffeevolumen in dem beobachteten
Zeitraum von 1977 bis 2008 um ca. 50% gestiegen. Lag 1977 die Weltkaffeeproduktion bei 69
Mio. S€cken, wird heute fast die doppelte Menge von 134 Mio. S€cken erzeugt.
Der biologische zweij€hrliche Kaffeezyklus und die Unvorhersehbarkeit von wetterbedingten
Ernteausf€llen zeichnen die schwankende Produktion dieses Rohstoffes ab und sind die
Hauptursache f‚r die geringe Preiselastizit€t des Kaffeeangebots in der kurzen Frist. Jahren von
ƒberproduktion
folgen
magere
Erntejahre
mit
den
entsprechenden
wirtschaftlichen
Konsequenzen f‚r die Erzeugerl€nder. L€nder wie Burundi und ‡thiopien, bei denen KaffeeExporte 80% bzw. 50% der Gesamtexporterl•se ausmachten (OXFAM, S. 2002: S.8), sind
besonders von ausfallenden Ertr€gen betroffen. Nach Ponte (2001: S. 4411) ist eine kurzfristige
Angebotsreaktion
auf
Preisschwankungen
nur
durch
eine
Ver€nderung
des
Faktoreinsatzverh€ltnis m•glich, da wie bereits erw€hnt eine produktive Ernte einer Kaffeepflanze
erst nach einigen Jahren zu erwarten ist.
Ein anderer Faktor, der sich auf das Weltangebot auswirkt, ist die Pr€senz von Zivilkonflikten in
einigen der Kaffeeerzeugerl€nder. So halbierte sich beispielsweise nach Angaben der ICO das
Exportvolumen von Kaffee aus der Republik C‰te dŠIvoire w€hrend des B‚rgerkonflikts in 2002,
und der einstige Hauptkaffeeexporteur Afrikas fiel damit hinter Uganda und ‡thiopien zur‚ck.
Ca. 55% der Weltproduktion wird heute in nur drei Erzeugerl€ndern angebaut. Zu den
Hauptexporteuren von gr‚nem Kaffee im Jahr 2007 z€hlen Brasilien (31%), Vietnam (14,7%),
Kolumbien (10,7%), Indonesien (5,4%) und ‡thiopien (4,2%). Die relativ starke Position
Kolumbiens als zweitgr•ˆter Weltproduzent von Kaffee in der zweiten H€lfte des 20. Jh. wurde
im Jahr 1999 durch Vietnam eingenommen. Der rasche Produktionsanstieg Vietnams und
dessen Anschluss an den Weltkaffeemarkt wurden insbesondere durch Entwicklungsfinanzierung
des Internationalen W€hrungsfonds (IWF) unterst‚tzt. W€hrend Vietnam noch 1994 nur 1,3 Mio.
Kaffees€cke produzierte, waren es bereits zu 1999 ca. 11 Mio. S€cke. Die Besonderheit der
Kaffeeexpansion (production boom) des s‚dostasiatischen Landes liegt nach Daviron und Ponte
(2005: S. 58f) am ƒbergang von einem …deltaic agricultural system† hin zum Kaffeeanbau, das
heute in der Provinz Dak Lak in den h•heren Ebenen Vietnams vorangetrieben wird. Die
brasilianische Antwort auf die vietnamesische arbeitsintensive Kaffeeproduktion war ein
mechanisiertes und kapitalintensives Anbaumodell, das nach Meinung dieser beiden Autoren zu
13
einer
„Wiedergeburt“
der
brasilianischen
Produktion
geführt
hat.
Diese
neue
Produktionsexpansion konterkariert mit dem abnehmenden Exportvolumen afrikanischer
Kaffeeerzeuger. Dieses zeigt sich in der Halbierung des Weltexportanteils Afrikas seit den 1970er
Jahren auf 14% (ebenda) (vgl. Abb. 2)
Abb. 2 Produktionsanteil nach Regionen, 2000-04
West Indies
Indonesien und Sri Lanka
Andere asiatische Länder
Brasilien
Kolumbien
Andere lateinamerikanische Länder
Afrika
0%
5%
10% 15% 20% 25% 30% 35%
Quelle: Eigene Darstellung nach Daten von Daviron B./ Ponte S. (2005: S:58)
Versuche zur Kontrolle des Kaffeeangebots fanden bereits Anfang des 20. Jh. statt. Diese
erfolgten jedoch auf unilateraler Basis seitens des jeweiligen Produzentenlandes, wie
beispielsweise Brasilien zwischen 1906 und 1918. Hierbei suchte das Land eine Aufwertung der
Rohware durch Lagerung von ca. 10 Mio. Säcken in den Häfen (Waterman 1934: S.677). Später
änderte sich diese Vorgehensweise und weltweit wurde versucht, durch internationale
Kooperation eine einheitliche marktstabilisierende Strategie zu verfolgen.
Wichtige Impulse in dieser Richtung setzten der Abschluss des ersten Internationalen
Kaffeeübereinkommens (ICA) von 1962 und die Gründung der Internationalen Kaffeeorganisation
(ICO) im Jahr 1963. Mit der Unterzeichnung des ICA von 1962 setzten sich sowohl Erzeuger- wie
Verbraucherländer für eine Stabilisierung des Weltkaffeemarktes ein. Dem für 5 Jahre
unterzeichneten Kaffeeabkommen von 1962 folgte eine weitere Übereinkunft im Jahr 19685,
welches schließlich bis 1973 verlängert wurde. Diese beiden Abkommen zeichneten sich durch
die Einführung eines Quotensystems aus, das die von der ICO verfolgte Stabilisierungsstrategie
bis ca. 1974 prägte. Anschließende konnte das Quotensystem nicht länger gehalten werden und
5
Insgesamt wurden bis dato sieben Internationale Kaffeeabkommen unterzeichnet: 1962, 1968, 1976,
1983, 1994, 2001 und 2007. Diese unterscheiden sich auch u.a. durch die vereinbarte Gültigkeitszeit
und die Zahl der jeweiligen Verlängerung.
14
erforderte eine Umorientierung der Stabilisierungsinterventionen der ICO und anderer nationaler
Organisationen.
Kaffee wird heute auf verschiedene Art und Weise gehandelt. Typisch sind beispielsweise direkte
Kaufverträge zwischen Erzeuger und Abnehmer, die i.d.R. große internationale Handelshäuser
sind. Desgleichen werden direkte Lieferverträge zwischen Röstern und Kaffeeerzeugern
abgeschlossen. Daneben werden häufig im Vorfeld vereinbarte Kaffeemengen durch
Termingeschäfte zu einem festen Preis verkauft. Hierbei sind für den Kaffeehandel zwei
Terminbörsen von zentraler Bedeutung: die New York Intercontinental Exchange (ICE), in der
meistens Arabica- und Robusta-Sorten gehandelt werden, und die London International Financial
Futures and Options Exchange (LIFFE), in der ausschließlich Terminverträge für RobustaBohnen geschlossen werden. Eine andere Handelsform, die zunehmendes Interesse findet,
bieten heute marktbasierte Finanzprodukte wie Optionen und Futures, die eine besondere Art
von Termingeschäften darstellen. Die Optionsgeschäfte, die zu den sog. Derivaten gehören,
verpflichten im Gegensatz zum konventionellen Termingeschäft jedoch nicht zum Kauf bzw.
Verkauf und sind somit eine flexiblere Transaktionsform für beide Parteien. Weiterhin wird in
vielen Erzeugerländern die Ernte von einer staatlichen oder parastaatlichen Organisation (sog.
Marketing Board) aufgekauft, die dann die Vermarktung übernimmt. Beispiele hierfür sind die
Kolumbianische Federación Nacional de Cafeteros (FEDECAFE) und das bis 1990 in Brasilien
existierende Instituto Brasileiro do Cafe (IBC).
An dieser Stelle ist auch anzumerken, dass in den meisten Erzeugerländern Exportsteuern
erhoben werden. I.d.R. fließen diese jedoch an die Produzenten zurück und werden als
Finanzierungsmittel durch nationale Stabilisierungsfonds oder Kreditanstalten bereitgestellt.
1.5
Kaffeenachfrage
Der größte Teil des produzierten Kaffees wird exportiert und in Ländern des Nordens konsumiert.
Nur in einzelnen Ländern, wie beispielsweise Brasilien oder Äthiopien, ist die Binnennachfrage
nach diesem Rohstoff signifikant (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.59). Weltweit wurden laut ICO
2007 ca. 125 Mio. Kaffeesäcke importiert6. Auch die Kaffeenachfrage weist wie das Angebot eine
geringe Preiselastizität aus und ist wie viele Agrarrohstoffe einkommensunelastisch. Nach Ponte
(2001: S.4411) geht die Nachfrage nach Kaffee nur bei großen Preissteigerungen zurück. Eine
Studie der ICO von 2004 (2004a: S. 10) leitet in diesem Zusammenhang ab, dass die
Preiselastizität im Kaffeekonsum von der beobachteten Zeitreihe abhängt. Demnach ist die
Nachfrage langfristig elastischer als in der kurzen Frist. Zusätzlich zeigt sich, dass die
Konsumsättigung in den Importländern scheinbar der aktuelle Grund ist, warum die Nachfrage
6
Einschließlich Nicht-ICO-Mitgliedern
15
nicht kurz- und mittelfristig auf einen Preisrückgang reagiert. Folgende Abbildung zeigen die
Konsumentwicklung pro Kopf in den wichtigsten Importländern.
Abb. 3 Durchschnittlicher jährlicher Konsum pro Kopf 1990-93 und 2000-2003,
kg
14
12
10
1990-93
8
2000-03
6
4
2
m
ar
k
än
e
D
nl
an
d
F
in
ux UK
em
bu
rg
B
el
g
ie
n/
L
S
pa
n
ie
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n
Ja
p
an
Fr
an
kr
ei
ch
U
D
S
eu
A
ts
ch
la
n
d
0
Datenquelle: ICO
Seit 1990 steigt der Konsum pro Kopf nur in einigen wenigen Importländern, zu denen Italien,
Japan, Belgien und Luxemburg gehören. Bei den Hauptnachfragern von Kaffee USA und
Deutschland ist dieser jedoch sogar um 8,3% bzw. 12,2% gesunken. Auch in den
skandinavischen Ländern, die traditionell einen hohen Pro-Kopf-Konsum haben, geht die
Nachfrage zurück. In Dänemark beispielsweise ist der Verbrauch per capita zwischen 1993 und
2003 um 15,3% gesunken, wobei hier laut der o.g. ICO-Studie (S. 7) eine negative Korrelation
zwischen Preise und Nachfrage vorliegt. Paradoxerweise fand diese Untersuchung heraus, dass
es Verbraucherländer gibt, in denen trotz positiver Korrelation beider Größen der Konsum pro
Kopf bei einer negativen Preisentwicklung weiterhin steigt. Dazu zählen Belgien und Italien mit
jeweils 0,16 und 0,53 als Korrelationskoeffizienten und Steigerung der Nachfrage um 53% bzw.
14% im beobachteten Zeitraum. In solchen Importländern scheinen, laut Studie, Veränderungen
der Konsummuster die wahre „Determinante“ in der Nachfrage zu sein. Dieses sei mit neuen
Röstungsverfahren verbunden, die zu alternativen Kaffeemischungen geführt haben.
USA importierte 2007 ca. 20% der Kaffeeweltproduktion und liegt damit vor Deutschland (16%)
und Japan (6%). Weitere Hauptkaffeeimportländer sind Frankreich, Italien und Spanien.
Insgesamt importierte die EU im Jahr 2007 65 Mio. Säcke und somit über die Hälfte der
Gesamtproduktion. Deutschland gilt als der Hauptumschlagplatz für grünen Kaffee weltweit und
der größte Kaffeemarkt Europas. Es zeigt sich hier jedoch ein Rückgang der Binnennachfrage in
16
Deutschland. Lag der Konsum in Deutschland Anfang der 90er durchschnittlich bei 10,2 Mio.
Säcken, waren es eine Dekade später 9,2 Mio., also 9,8 % weniger Säcke. Von den 19,5 Mio. im
Jahr 2007 in Deutschland importierten Säcken reexportiert das Land ca. 50%.
Zu dem bereits erwähnten sinkenden Pro-Kopf-Kaffeeverbrauch in den meisten Importländern
zeichnet sich laut ICO eine Veränderung der Nachfragestruktur ab. Traditionell ist der Konsum
von Robusta-Sorten in den südeuropäischen Ländern im Verhältnis zu Nordeuropa relativ hoch,
wo bisher die milderen Sorten („Milds“) eher bevorzugt wurden. Zwischen 1993 und 2003 sank
jedoch die Nachfrage nach Robustas beispielsweise in Italien um 6,9%, während die Importe für
die milden Arabicas7 um ca. 4% stieg. Demgegenüber sank im selben Zeitraum in Deutschland
der „Colombian Milds“-Anteil am Importvolumen um 26%, während die Einfuhren von Robusta
um 5,3% anstiegen. Insgesamt hat sich das gehandelte Exportvolumen von Robusta-Sorten in
den letzten Jahren weltweit erhöht.
Die Entwicklung der Weltnachfrage zeichnet sich durch ein langsames stetiges Wachstum aus.
Im dem Zeitraum von 1977 bis 2007 sind die Gesamtkaffeeimporte durchschnittlich um 2,7%
jährlich gestiegen und der Konsum um ca. 0,5%. Hierbei sind kaum große Schwankungen wie
beim Angebot zu beobachten. Die Wachstumsrate des Kaffeekonsums ist jedoch nicht gleich in
allen Ländern verteilt. Der Konsumrückgang in einigen wichtigen Importländern wird derzeit
kompensiert mit der wachsende Binnennachfrage Brasiliens und dem ansteigenden
Kaffeekonsum in China, Japan und Russland. Allein in China ist die Nachfrage zwischen 2000
und 2007 um 74% gestiegen und führt zu den hohen Erwartungen, dass der chinesische
Kaffeemarkt sich so positiv weiterentwickeln kann, wie dies beim traditionellen Tee-Konsumenten
Japan der Fall war.
Insgesamt sehen sich Produzenten und Nachfrager mit verlangsamenden Wachstumsraten beim
Kaffeekonsum konfrontiert. Wuchs der Konsum durchschnittlich in den 80ern um 0,7% jährlich,
betrug die Wachstumsrate in den 90ern nur noch 0,4% (Daviron, B. / Ponte, S. 2005: S.75).
Diese Problematik zwingt beide Akteure innovative und investive Maßnahmen zu ergreifen, um
potentielle Märkte wie Osteuropa und Asien zu erreichen. Weiterhin setzen Produzenten wie
Brasilien auf die Wirkung von Werbemaßnahmen, um die eigene Binnennachfrage nach Kaffee
weiter zu steigern.
7
„Brazilian Naturals“ und „other Milds“-Importe stiegen, während die Einfuhr von „Colombian Milds“
um 3,3% sank.
17
1.6
Preisvolatilität
Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass die Kaffeenachfrage preisunelastisch und
seit einigen Jahren einen Sättigungstrend in den meisten Importländern zeigt. Nun werden die
Preisentwicklung und einige Hauptgründe für die Preisschwankungen des Rohkaffees erläutert.
Starke Preisfluktuationen auf den Primärgütermärkten sind kein neues Phänomen in der
Handelsgeschichte. Die negativen Effekte von Preisschwankungen auf die sozioökonomische
Entwicklung von agrarexportabhängigen Ländern war unter den Physiokraten des 18. Jh.
bekannt. Eine neue Langzeituntersuchung über die Preisvolatiliät von Agrargütern fand jedoch
geringe Hinweise darauf, dass diese sich seit den letzten drei Jahrhunderten erhöht hätte (Jacks,
D./O’Rourke K. /Williamson J. 2009: S.8). Dass die Preisschwankungen für Agrargüter immer
stärker als die für Industriegüter gewesen sind, bleibt in diesem Zusammenhang unbestritten.
Preisfluktuationen auf den Rohstoffmärkten sind beispielsweise häufig in Kriegszeiten
aufgetreten, diese haben sich dennoch unterschiedlich auf die Exportländer, abhängig von ihrem
Weltmarktintegrationsgrad, ausgewirkt (ebenda: S.16f). Die Autoren schlussfolgern daraus, dass
Globalisierung und Marktintegration die Auswirkungen der Preisschwankungen auf die
Erzeugerländer von Agrargütern reduziert haben (ebenda: S: 18). Die Globalisierung war jedoch
nicht immer vorteilhaft. Arme Länder spezialisierten sich auf Rohstoffe als die Marktöffnung im
frühen 19 Jh. begonnen hatte. Durch diese konzentrierte Marktstruktur wurden diese Länder
anfälliger für sektorale Schocks.
Der Kaffee gehört zu den meist volatilen Agrarrohstoffen. So schwanken jährlich die Kaffeepreise
zwischen 1986 und 1999 um 25% vom Jahresdurchschnitt (Trend), und damit mehr als Weizen
(ca. 13%), Kakao (ca. 17%) und Zucker (ca. 22%) (Vgl. FAO 2004: S. 21). Zu den Ursachen
dieser Volatilität gehört vor allem die Anfälligkeit des Kaffeeanbaus auf Frost und Dürre aber
auch die bereits erwähnte preis- und einkommensunelastische Nachfrage sowie das unelastische
Angebot8. Abbildung 4 zeigt die Preisentwicklung auf dem Kaffeemarkt im Vergleich zu den
Exporten der ICO-Mitglider seit 1975. Der Composite Price Indicator (CPI) ist ein Preisindikator,
der sich aus den gewogenen durchschnittlichen Kaffeepreisen für die vier Sorten Colombian
Milds, Other Milds, Brazilian Naturals and Robustas zusammensetzt, die auf den drei Märkten
New York, Paris und Hamburg erfasst werden. Die hohen Kaffeepreise von 1977 entstanden als
Folge des starken Produktionsrückgangs von 1975, der in den damaligen Haupterzeugerländern
Brasilien und Kolumbien stattgefunden hat. Der große Frost von 1975 in Brasilien, Unwetter in
Kolumbien und zudem die unsicheren Erwartungen über die zukünftige Produktionsmenge
führten zu einem Anstieg der Nachfrage um ca. 3% und zum Aufbau von Buffer Stocks, während
8
Mehta A./Chavas, J.P. zitieren in diesem Zusammenhang andere Untersuchungen von Akiyama und
Varagnis (1990), nach denen die Nachfragepreiselastizität bei ca. 0,33 und die Einkommenselastizität
bei 0,6 liegen (2008: S:285).
18
die Preise weiter anstiegen. Die Rekordpreise von 1977 waren aber nur von kurzer Dauer.
Zwischen 1975 und 1977 hatten sich die Ausgleichslager des brasilianischen Instituto Brasileiro
do Cafe wieder aufgefüllt, nachdem die Regierung des Landes eine Erhöhung der Exporttaxe
eingeführt hatte. Nach und nach baute Brasilien die inzwischen überfüllten Lager ab und führte zu
dem, was Einige als den „Beginn der stetig zunehmenden strukturellen Überschüsse“
bezeichnen, da dies als Anreiz zur Ausdehnung des Anbau in anderen Gebieten galt (Egger;
Riede und Clemenz 1992, S. 178f.). Das konsequente Preistief wurde in den Jahren danach zwar
durch das Kaffeeabkommen relativ gemildert, war aber nach dem Zusammenbruch des ICA 1989
nicht mehr zu verhindern. Schließlich fielen die Preise 1992 auf ein Niveau von 53 US-Cents pro
Pfund während die Kaffee-Exporte immer noch stiegen. Im Jahr 1994 hatten sich die Preise
aufgrund starker klimabedingter Ernteausfälle verdoppelt während das Ausfuhrvolumen von 70
Mio. in 1993 auf 65 Mio. Säcke in 1994 zurückgegangen war, um 1995 wieder weiter zu steigen.
Eine der vielleicht schlimmsten Preiskrisen hat zwischen 1998 und 2005 stattgefunden, in der die
Preise sogar unter dem Tiefniveau von 1992 lagen. 2001 war ein Pfund Kaffe nur noch 45,5 USCents wert.
Abb. 4 Export- und Preisentwicklung auf dem Weltkaffeemarkt, 1975-2007
Preise in
US-cents /lb
Mio. Säcke
250
120
110
100
200
90
80
150
70
60
100
50
40
50
30
20
0
´75
´78
´81
´84
´87
´90
´93
´96
´99
´02
´05
Datenquelle: ICO; jährlicher ICO Composite Price Indicator (green coffee). Exporte von ICO- Mitgliedern.
Die Konsequenzen aus der jüngsten Kaffeekrise verschlimmerten die Einkommenssituation in
vielen Erzeugerländern. Laut Oxfam deckten die Kaffeemarktpreise von 2001 die Gesamtkosten
der Produktion weder für die Arabica- noch für die Robusta-Sorten ab. Und nach Einschätzungen
19
dieser Organisation konnten die variablen Kosten des Robustanbaus aufgrund des starken
Preisverfalls nicht kompensiert werden. Im Falle von Vietnam, eines der Länder mit den
niedrigsten Produktionskosten, konnte die Kaffeeproduzenten in dem Jahr nur noch 60% der
Anbaukosten durch den Marktpreis zurückgewinnen (Oxfam 2002: S.9)
Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, sind die Preisschwankungen beim Rohkaffee ein
Phänomen, das mit den Anbaubesonderheiten des Primärgutes verbunden ist. Verschiedene
Maßnahmen wie die Lagerhaltung und deren Abbau haben oft zu strukturellen Überschüssen
geführt. Zwischen 1980 und 1986 bestimmte ein Quotensystem den Kaffeemarkt, aber dessen
Zusammenbruch führte in den Jahren danach zum steilen Rückgang des Preises. Eine Studie
der ICO im Jahr 2005 zeigt, dass die kurzfristige Preisvolatiliät auf dem Kaffeemarkt heute
insbesondere durch die Fondsinvestments determiniert ist (ICO 2005 S:3). Waren in den 70er die
Termingeschäfte verantwortlich für Preisfluktuationen auf den Rohstoffmärkten, spielen heute
zunehmend Arbitrage-Geschäfte eine Rolle. Die zeitnahe Verfügbarkeit von Marktinformationen
auf den Wertpapiermärkten und die Möglichkeit diese kurzfristig zu kaufen bzw. zurückzukaufen
haben zur Spekulation und somit zur mehr Preisinstabilitäten geführt. Schließlich fand die ICO
Studie heraus, dass Perioden von hoher Preisvolatiliät eher sporadisch sind.
20
2 Debatten über den Beitrag der Kaffeeproduktion zur Entwicklung
An dieser Stelle wird für die Untersuchung neuer Strategien zur Förderung des
Entwicklungsbeitrags von Kaffeeproduktion zunächst ein theoretischer Rahmen dargestellt. Um
die Wirkungskraft von neuen Förderungsinstrumenten besser verstehen zu können, ist es
notwendig, zunächst die Entwicklungsdiskussion um die Länder der Dritten Welt näher zu
betrachten und nach einem theoretischen Ansatz, der die Stabilisierungsinterventionen auf dem
Weltkaffeemarkt begründet, zu suchen.
Der Kaffee als wichtiges Exportprodukt vieler Entwicklungsländer unterliegt wie die meisten
Rohstoffe einer starken Preisfluktuation. Wie im oberen Abschnitt schon angedeutet, haben
solche Preisschwankungen eine verheerende Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung
dieser Länder. Nicht nur Länder, deren Kaffee-Exportanteil hoch ist, sehen sich hierbei betroffen.
Preiskrisen auf den Rohstoffmärkten werden in den Entwicklungstheorien als eine der
Hauptgründe für sozioökonomische Unterentwicklung gesehen. Im Folgenden sollen Aspekte
dieser Diskussion aus einer normativen wie aus einer empirischen Perspektive aufgeführt
werden. Es geht nicht darum, in die einzelnen Theorien einzusteigen und diese zu beleuchten,
sondern
Zusammenhänge
zwischen
Entwicklungsstrategien
einerseits
und
Stabilisierungsstrategien auf dem Kaffeemarkt andererseits hervorzuheben. Dabei werden einige
der bisher verfolgten Maßnahmen zeitlich zugeordnet.
2.1
Zusammenhang zwischen Entwicklung und Kaffeeproduktion
Basierend auf der Definition des Entwicklungsbegriffs von Hein lassen sich hier Zusammenhänge
zwischen Marktstabilisierungsstrategien und dem Entwicklungsbeitrag von Kaffeeproduktion
herausarbeiten. Hein definiert Entwicklung als:
einen Prozess der Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung praktisch aller Menschen
innerhalb einer sozialen Einheit (Dorf, Region, nationale Gesellschaft) sowie der
Schaffung (bzw. Erhaltung) der sozio-kulturellen, politischen, ökonomischen und
ökologischen Voraussetzungen für ein langfristiges Fortschreiten dieses Prozesses. (Hein
1998: S. 155ff) (Klammern i.O.)
Diese Auslegung von Entwicklung hebt hervor, dass es sich dabei nicht nur um Maßnahmen zur
Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung als Hauptziel handelt, sondern auch um die dazu
notwendigen Voraussetzungen. Nach Hein schaffen die Voraussetzungen oder Strukturen die
materielle Grundlage dieser Bedürfnisbefriedigung und sind historisch genauso wie die
Bedürfnisse in der gesellschaftlichen Entwicklung eingebettet.
Die zu schaffenden Strukturen betreffen jedoch weit mehr als die physische Produktion und das
Ziel des Wachstums. Dass die Integration von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft einen
21
wichtigen Beitrag zur Bedürfnisbefriedigung leistet, bleibt in diesem Zusammenhang unbestritten
(ebenda, S. 157). Es geht aber vielmehr um den Charakter einer solchen Integration. Nach Hein
soll die soziale Einheit aktiv an dem Integrationsprozess teilnehmen, indem diese auch auf die
damit verbundenen Probleme reagieren kann, beispielsweise durch Exportdiversifizierung. Somit
muss also die Wirtschaftsintegration auch zur Schaffung der entsprechenden Strukturen
beitragen. In der vorliegenden Arbeit kann die Schaffung solcher Voraussetzungen als Kriterium
zur Beurteilung der Strategien, die den Entwicklungsbeitrag von Kaffeeproduktion fördern sollen,
dienen.
In diesem Kontext bilden die in dieser Arbeit dargestellten Strategien auch eine Reaktion auf die
Probleme ab, die kaffeeproduzierende Länder durch ihre Partizipation am Welthandel erfahren.
Die fehlende Marktstabilität auf dem Rohkaffeemarkt bedingt die Intervention der beteiligten
Akteure. Einige der auftretenden Marktfehler sind struktureller Art, wie zum Beispiel die
Überproduktion,
die
Informationsasymmetrien
sowie
Machtunterschiede
entlang
der
Wertschöpfungskette. Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts finden auf dem Kaffeemarkt
Interventionen beim Angebot, bei der Nachfrage, bei den Preisen oder durch eine Kombination
davon statt. Neben der Stabilisierung des Marktes werden hierdurch auch andere Ziele verfolgt,
wie z.B. die Steigerung des Handelsvolumens, Markteffizienz und die damit verbundenen
Wohlstandseffekte.
Drei wichtige Schlüsselfaktoren auf den Rohstoffmärkten wirken sich auf die Wohlfahrt von
Agrargüterproduzenten aus. Nach Ul Haque (2004: S.1) zählen dazu die starken Fluktuationen in
Preisen und Einkommen, die langfristigen negativen Preistrends und die sinkenden Anteile der
Agrarproduzenten in der Wertschöpfungskette. Insbesondere hat in den letzten Jahren die
Diskussion um die Machtpotentiale der Wertschöpfungsakteure zugenommen.
Bei den Stabilisierungsstrategien unterscheidet man zwischen preis- und erlösstabilisierenden
und erlöserhöhenden Maßnahmen. Am häufigsten eingesetzt werden jedoch Interventionen mit
preisstabilisierenden Charakter, obgleich in der Geschichte des Kaffeehandels alle drei
Instrumente in Kombination bisher auch verwendet wurden. Beispiele für solche Maßnahmen
sind: Exportquoten als angebotseitige Stützung eines Mindestpreises, Ausgleichslager (BufferStocks), Termingeschäfte, Indexierung oder Anpassung der Preise an einem Referenzwert sowie
kollusives Verhalten der Anbieter bzw. der Nachfrager.
Der Grund für derartige Preisinterventionen liegt in den negativen Effekten der Preisfluktuation
auf die Entwicklung agrarbasierter Volkswirtschaften. Erstens beeinflussen niedrige Kaffeepreise
und deren Volatilität das Einkommen und das Entscheidungsverhalten der Produzenten, denn
dadurch entstehen Unsicherheiten. Unsicherheiten bei Investitionsentscheidungen haben bis
heute wiederholt zum strukturellen Kaffeeüberangebot und Arbeitslosigkeitswellen in den
Produzentenländern geführt.
22
Zweitens sinken dadurch die Exporterlöse der Entwicklungsländer, die eine der Hauptquellen
zum Abbau der Außenverschuldung sind. Laut einer Studie der FAO (2004: S. 21) haben einige
dieser Länder, zumindest vorübergehend, die nachteiligen Folgen aus der Exportabhängigkeit
von Agrargütern begrenzen können, z. B. durch Produktivitätssteigerungen und Kostenreduktion.
Dies resultiert jedoch in einem race to bottom zwischen den Erzeugerländern und verstärkt sogar
den Preisdruck in anderen weniger wettbewerbsfähigen Entwicklungsregionen.
Im
Falle
der
Kaffeeproduktion
sind
Produktivitätssteigerungen
eingeschränkt.
Produktivitätszunahmen beim Kaffeeanbau waren bisher nur noch in einigen wenigen Ländern
möglich, wie beispielsweise in Brasilien mit der Verbreiterung von Großkaffeeplantagen, dem
Einsatz von Erntemaschinen sowie Düngmitteln oder in Kolumbien mit der Einführung von
nationalen Programmen zur Erneuerung der Kaffeesträucher. In den meisten Erzeugerländen
wird Kaffee jedoch in kleinen bis mittelgroßen Betrieben geerntet9, wo die Produktion noch sehr
arbeits- und ressourcenintensiv ist. Daviron und Ponte (2005: S.68) fügen in diesem
Zusammenhang hinzu, dass
das Interesse für
extensive Anbaugebiete und deren
Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren durch das Aufkommen der hochqualitativen
(specialty) und der nachhaltigen Kaffeesorten besonders geweckt wurde.
Zu den oben genannten ökonomischen Konsequenzen des niedrigen Kaffeepreisniveaus auf
Produzenteneinkommen
und
Exporterlöse
zählt
ebenfalls
die
Verschlechterung
der
Austauschverhältnisse. Laut ICO (2004b: S. 6) können die Erzeugerländer heute die für die
Modernisierung und Diversifizierung des Kaffeesektors erforderlichen Inputs nur begrenzt
importieren. Dazu gehören u.a. Düngmittel, Saatgut, Pestizide, Maschinen und Treibstoff.
Sinkende Preise wirken sich darüber hinaus auch auf soziale Entwicklungsindikatoren wie
Beschäftigung aus. Anbauregionen wie Kolumbien sind besonders von der Migration der jungen
ländlichen Bevölkerung betroffen (ebenda). Andere Produzenten ersetzen aufgrund der niedrigen
Renten die Kaffeeproduktion mit dem Anbau illegaler Drogen oder geben ihr Land auf. Der starke
Preisrückgang zwischen den Jahren 2000 und 2004 löste selbst die Intervention des
Internationalen Welternährungsprogramms in den von Hunger betroffenen Anbaugebieten von El
Salvador aus, um dort die humanitäre Krise zu lösen. Zudem führte diese jüngste Preiskrise zum
Abbau von 130 Tsd. Arbeitsplätzen in diesem Land, dessen Kaffee-Exportanteil am
Gesamtausfuhrvolumen ca. ein Drittel beträgt. All diese Probleme treten also als Konsequenz
von Preisrückgängen oder –schwankungen auf.
Ein entscheidender Aspekt von Stabilisierungspolitiken auf dem Rohkaffeemarkt ist das
Zeitfenster von Kontrollmaßnahmen. Viele Kritiker von Marktinterventionen werfen den
Marktteilnehmern vor, sich auf kurzfristige Lösungsansätze zu konzentrieren, ohne dabei die
9
Laut Oxfam wird 70% des Weltkaffeeangebots in kleinen Betrieben angebaut.
23
entsprechenden Folgen auf lange Frist vor Augen zu haben. In einer Studie von 1977 untersucht
Alan H. Gelb die Auswirkungen von Kontrollmechanismen auf dem Kaffeemarkt, insbesondere
auf die Produzenteninvestitionen. Hierbei betont Gelb (1977: S. 96ff), dass viele der bis dahin
geführten Stabilisierungspläne aus der augenblicklichen Marktlage heraus konzipiert wurden und
somit also eine kurzeitige Reaktion auf negative Marktentwicklungen darstellten. Dieses führte zu
weiteren strukturellen Ungleichgewichten, da Preisänderungen erst mit einer Verzögerung von
mindestens vier Jahre auf die Outputmenge übertragen werden können. Als Folge wurden BufferStocks auf- und abgebaut, die in gewisser Weise die tatsächliche Produktionsengpässe
„verschleierten“. Beispielsweise ignorierte Brasilien in den 30er und 40er Jahren wichtige
Wirtschaftsveränderungen und gewöhnte sich, laut Gelb, an strukturelle Angebotsüberschüsse.
Das
Land
baute
in
dieser
Periode
die
offiziellen
Ausgleichslager
ab,
um
die
Marktungleichgewichte zu kontrollieren. Diese Politik der Buffer-Stocks schob somit den in
diesem Zeitlapsus notwendigen Neukapitalzufluss hinaus und verhinderte so Investitionen in der
Produktion. Erst als Anfang der 50er Jahre die Bestände aufgebraucht und die Preise gestiegen
waren, reagierte das Land mit einem starken Produktionsaufschwung. Dieser führte letztendlich
zu einer Überproduktion, die in den 60ern mit einer massiven Vernichtung von Kaffeesträuchern
abgebaut wurde. Dieses Beispiel zeigt welche Implikationen „kurzsichtige“ Stabilisierungspolitiken
auf den Marktmechanismus haben können. Eine dauerhafte Stabilisierung ist jedoch nicht per se
durch Investitionskontrollen erreichbar, da keine langfristige Entwicklungsprognose über die
Nachfrage möglich ist. Diese sind jedoch zumindest erwünscht, um große strukturellen
Überangebote zu reduzieren. Die noch gegenwärtigen Produktionsüberschüsse lassen vermuten,
dass
ein
Gleichgewicht
zwischen
kurzfristigen
und
langfristigen
Zeithorizonten
von
Kontrollmaßnahmen noch nicht erreicht ist.
2.2
2.2.1
Die Entwicklungsdebatten seit 1950
Strukturalismus (1950-1979)
Prägend für die Entwicklungsdebatte in der Zeit von 1950 bis 1979 waren die Arbeiten von
Prebisch
und
Singer.
Im
Zentrum
der
ganzen
wirtschaftlichen
Entwicklungs-
und
Stabilisierungsdebatte von Rohmärkten in den 60er und 70er Jahren diente die Verschlechterung
der Terms of Trade als Grundlage für den Anspruch der Entwicklungsländer auf mehr Hilfe
gegenüber den Industrieländern. Im Folgenden soll diese Entwicklungstheorie näher beleuchtet
werden.
Der Wirtschaftswissenschaftler Raúl Prebisch10 gilt in diesem Zusammenhang als Urheber und
Hauptvertreter der These über die säkulare Verschlechterung der Terms of Trade in den
10
Neben Prebisch erstellte Hans Singer zeitgleich dieselbe These, wodurch diese auch mit dem
Namen Prebisch-Singer-These gekannt ist.
24
Entwicklungsländern. Demnach ändern sich über die Zeit die realen Austauchverhältnisse der
Entwicklungsländer oder der rohstoffexportierenden Wirtschaftsräume (Peripherie) gegenüber
den Industrieländern oder den fertigwarenexportierenden Ländern (Zentrum). Verantwortlich für
die Verschlechterung der Terms of Trade sind nach der Prebisch-Singer-These zwei wichtige
Faktoren. Erstens sind die Einkommenselastizitäten der Nachfrage nach Nahrungsmitteln und
Rohstoffen einerseits und nach Fertigwaren andererseits unterschiedlich. Zweitens zeichnen sich
Peripherie und Zentrum durch einen ungleichen Grad des technischen Fortschritts aus.
Als Folge hiervon verringert sich die Importkapazität der Entwicklungsländer, da diese mit einem
bestimmten Primärgütervolumen eine immer geringere Quantität an Fertigwaren aus den
Industriestaaten importieren können. (Sieber 1968: S. 9). Darüber hinaus hindert der
Preisrückgang bei Rohstoffen Entwicklungsländer beim Handel mit den Industrieländern daran,
ihre Faktoreinkommen parallel zur Produktivitätsentwicklung zu steigern. Demzufolge kann der
Exportsektor in jenen Entwicklungsländern nur beschränkt zur Wohlstandssteigerung beitragen.
Die Argumentation von Prebisch beeinflusste die Stabilisierungs- und Entwicklungsstrategien in
dieser Zeit und prägte insgesamt die entwicklungs- und außenhandelspolitische Diskussion
grundlegend. Dennoch sind für viele (vgl. Bedford 1969: S. 9ff; Sieber 1968: S. 122ff; Massarrat
1993: S.24f; Jacks, D./O’Rourke K. /Williamson J. 2009: S.12) die Erklärungsaussagen dieser
Theorie noch umstritten. Zu den Hauptkritikpunkten gehören die theoretisch-methodischen
Schwierigkeiten bei der Analyse der Terms of Trade-Entwicklung. So hängt z.B. der Aussagewert
der Prebisch-Singer-Hypothese von der Auswahl der Konzeption von Terms of Trade sowie von
der Vergleichbarkeit und Verfügbarkeit von Daten ab. Auch wenn Prebisch in seiner empirischen
Untersuchung keine Differenzierung zwischen den verschiedenen Terms of Trade-Konzepten11
vorgenommen hat (Bedford S: 1969: S. 16), gibt es eine Reihe von späteren Untersuchungen,
die sich gerade auf unterschiedlichen Definitionen von Terms of Trade stützten. Zu einer dieser
empirischen Erforschungen zählt eine Langzeitstudie von Sieber im Jahr 1968, welche die
Grenzen der Hypothese von Prebisch und Singer für den Kaffeesektor aufgezeigt hat.
Sieber12 erforschte die Entwicklung der Austauschverhältnisse zwischen Kaffee und den
Exportgütern der Industriestaaten für einige der Kaffeeerzeugerländer. In dem Zeitraum zwischen
1896 und 1964 fand der Wissenschaftler heraus, dass keine sekuläre Verschlechterung der
Austauschverhältnisse für die untersuchten Entwicklungsländer gegenüber den Industrieländern
stattfand. Nach Sieber gab es Perioden, in denen sich die Terms of Trade verschlechtert haben,
11
Bedford (1969: S. 9) unterscheidet drei Konzepte von Terms of Trade: zwischen Gütern, zwischen
Produktionsfaktoren und diejenigen, die gesamtwirtschaftliche Nutzen- und Wohlstandsänderungen
zum Ausdruck bringen.
12
Siebers Untersuchung basiert auf dem Konzept der Net Barter Terms of Trade
25
aber
keine
zu
ungunsten
des
Kaffees
kontinuierliche
negative
Entwicklung
der
Austauschverhältnisse stattgefunden hat. Verantwortlich für das Preisproblem dieses Rohstoffes
war nach Sieber nicht, dass die Kaffeepreise hinter denjenigen für industrielle Produkte
zurücklagen, sondern vielmehr die teils irregulären und teils zyklischen Schwankungen des
Kaffeeangebots. Diese werden heute noch auf die Marktstruktur und die Besonderheiten der
Kaffeenachfrage zurückgeführt.
Die Forderung von Entwicklungsländern in ihrem Kampf gegen Armut und Unterentwicklung zu
einer Veränderung der Weltwirtschaftsordnung fand besondere Resonanz seit Mitte der
Sechziger Jahre. Die Mehrheit der teilnehmenden Staaten der Genfer Welthandelskonferenz von
1964 verlangten die Einführung von Maßnahmen gegen Unterentwicklung von Ländern, um die
durch die Verschlechterung deren Terms of Trade verursachte negative Entwicklung zu
korrigieren.
Nach der durch den OPEC-Boykott verursachten Ölkrise von 1973 und der damit verbundenen
Wirtschaftkrise verschärfte sich die Diskussion um eine Lösung für die Situation der
benachteiligten Länder. Als Konsequenz wurde im Rahmen der Sondergeneralversammlung der
Vereinten Nationen 1974 das sog. Programm der Neuen Weltwirtschaftsordnung (NWWO)
beschlossen. Neben einem umfangreichen Maßnahmepaket zu einer neuen Welthandelspolitik
stand nun ein Rohstoffprogramm, das auch als Grundlage der Debatten zwischen den UNMitgliedern diente. Das Rohstoffprogramm sah u.a. eine Verbesserung der Rahmenbedingungen
für rohstoffexportierende Länder vor. Dazu gehörten die Errichtung und Finanzierung von
Ausgleichslagern, der Aufbau eines Systems zur Kompensierung von Exporterlösschwankungen,
multilaterale Kauf- und Lieferabkommen sowie Hilfe bei der Verarbeitung von Rohstoffen und
Förderung der Diversifizierung (Maennig 1985: S. 13f). Darüber hinaus behandelte die NWWO in
ihren Verhandlungen u.a. Fragen des Nord-Süd-Ressourcentransfers, des Währungssystems
und der Industrialisierung in den Entwicklungsländern.
Mit der Entstehung der NWWO rückten zwei wichtige Aspekte der Entwicklungspolitik in den
Vordergrund. Nun standen die Stabilisierung der Weltmärkte im Mittelpunkt der neuen
Weltordnung hinsichtlich der Rohstoffe und die Kompensationsmaßnahmen für die negativen
Folgen von Preisschwankungen auf den Rohstoffmärkten. Aus dieser Interventionsorientierung
entstanden die sog. Stabilisierungsfonds für Rohstoffe, und dies hob die Verstärkung der
Produzentenkartelle hervor, was als Chance für die rohstoffexport-abhängige Länder galt, deren
Verhandlungsmacht gegenüber den Industrieländer zu festigen. Das OPEC Kartell und ihre
herrschende Preis- und Mengenkontrolle auf dem Ölmarkt schien neben den kurzfristigen
Rohstoffpreisanstiegen von 1973-74 als Beispiel für den Erfolg solcher Interventionsmaßnahmen
zu sein (Hein 1998: S. 327). Unter den Produzentenländern entstand somit die Erwartung, mit
solchen Instrumenten eine stärkere Stabilisierungsmacht über die Rohstoffmärkte zu erlangen.
26
Zusammenfassend führte dieser sog. Strukturalismusdiskurs der 60er und 70er Jahre, der
insbesondere durch Prebisch und Singer geprägt wurde, u.a. zu einer Kombination von
Importsubstitutions- und Angebotskontrollmaßnahmen. Diese Interventionen stellten die Frage
nach der Importkapazität und dem Wohlstand der Exportländer von Agrargütern in den
Mittelpunkt der Entwicklungsdiskussion. Hauptindikatoren hierbei waren der Verlauf der Terms of
Trade oder die Austauschverhältnisse zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern. Die
Verschlechterung dieser Terms of Trade im Handel zwischen Entwicklungs- und Industrieländern
erforderte nach Prebisch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Markt und Staat. Für einige
Akteure waren die Angebotsinterventionen effektive aber provisorische Instrumente zur Kontrolle
von bestimmten Markungleichgewichten, während für andere, wie die UNCTAD und Prebisch,
Rohstoffabkommen
gar
notwendige
und
permanente
Eingriffe
zur
Preis-
und
Einkommensstabilisierung waren (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.18f).
2.2.2
Exportwachstum und der Ungleiche Tausch (1980- )
Bei dem Diskursstrang, der das Entwicklungsdenken der 80er Jahre charakterisierte, stand vor
allem die Bekämpfung der ländlichen Armut als Hauptproblem der Drittweltländer im
Vordergrund. Im Gegensatz zum Strukturalismus wurden die Entwicklungsstrategien durch
neoliberale Ansätze geprägt, bei denen der Markt als selbstregulierendes System galt. Die
Fähigkeit des Nationalstaates, Entwicklung in den ärmeren Ländern zu fördern, wurde nun in
Frage
gestellt
und
Globalmärkte
wurden
die
neue
Haupthandelsplattform
von
rohstoffexportierenden Ländern. In den 90ern dominierten exportfördernde Instrumente bei den
Wachstumsstrategien
der
Entwicklungsländer
und
so
verloren
importsubstituierende
Maßnahmen, die besonders durch Prebisch geprägt wurden, und die Rohstoffabkommen
allmählich an Bedeutung. Letzteres entstand insbesondere aufgrund zahlreicher Studien, die die
Verschlechterung der Terms of Trade anzweifelten und zu hohe Kosten der Preisstabilisierung
gegenüber deren Nutzen belegten (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.19).
Liberalisierungsmaßnahmen hatten auch verheerende Folgen für die Kaffeeerzeugerländer.
Ponte weist beispielsweise auf die Auswirkung der Marktliberalisierung in Tansania Mitte der 90er
hin (2004: S.619). Durch die Marktöffnung in dem afrikanischen Land entfielen Kredite für
Inputgüter, während Exporte kaum stiegen und die Kaffeequalität zurückging. Letzteres ist durch
den einheitlichen an den Produzenten bezahlten Preis, der unabhängig von der Produktqualität
war, verursacht. Zudem wurden durch die Liberalisierung gesamte Produktionsstufen, von
Binnenhandel bis hin zu Export, von ausländischen Unternehmen erobert. Diese massive
Marktdurchdringung von Auslandsfirmen führte auch zu einer zunehmenden Kontrolle des
Binnenhandels und der Gewerkschaftsmacht.
Ein weiterer Diskurs, der der entwicklungspolitischen Perspektive der Rohstoffwirtschaft und den
zahlreichen Handelsverhandlungen zugrunde gelegen hat, ist der um die ungleichen
27
Machtverhältnisse der Marktakteure. Die Angebotsseite des Kaffeehandels hat verschiedene
Marktstrukturen gehabt, wie zum Beispiel die starke Monopolstellung Brasiliens zu Anfang des
20. Jh. oder später das Oligopol der vormals zwei stärksten Kaffeeproduzenten Brasilien und
Kolumbien in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Versuche, die Kaffeepreise zu beeinflussen und die
eigenen Märkte zu schützen, haben sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite bis heute
stattgefunden. Im Zusammenhang mit den Importländern wurden und werden heute noch die
geschaffenen
Markteintrittsbarrieren
als
Hauptursache
für
den
unfairen
Süd-Nord-
Einkommenstransfer thematisiert. Die Kritik an der Rohstoffpolitik der Industrieländer hat in den
letzten Verhandlungsrunden der WTO zur erneuten Auseinandersetzung mit den tarifären
Bedingungen und anderen Handelshemmnissen geführt. Dazu zählen beispielsweise sanitäre
bzw. phytosanitäre Standards und die hohen Agrarsubventionen in den Industrieländern.
Auch wenn in dieser Hinsicht zahlreiche Zölle auf Agrargüter in den letzten Jahren gesenkt bzw.
abgeschafft wurden, liegen für die rohstoffexportierenden Länder andere Hürden vor, die sie
daran hindern, auf Marktinstabilitäten zu reagieren. Zu nennen wären zum Beispiel die fehlenden
Diversifizierungsmöglichkeiten. Dieses hängt mit zwei Aspekten zusammen. Einerseits wurden
zwar die Importzölle auf den Rohkaffee gesenkt, die auf die verarbeiteten Kaffeederivate blieben
jedoch sehr hoch. Nach Angaben der ICO liegen die europäischen Einfuhrzölle auf Rohkaffee
derzeit zwischen 7,5% und 9,5% (ad valorem) während diese bei Kaffeeprodukten in der zweiten
Verarbeitungsstufe immer noch bei 11% liegen. In Japan liegt der Wertzoll sogar bei 20% 13 (ICO
2007: S.4f). Andererseits bestehen weiterhin tarifäre und nicht-tarifäre Beschränkungen auf
andere Agrarprodukte, was das Ausfuhrvolumen solcher Produkte aus den Erzeugerländern
weiter einschränkt (Vgl. Oxfam 2003: S.12f).
Zu dem Argument des ungleichen Tausches in der Entwicklungsdebatte zählt die Tatsache, dass
die auf dem Rohkaffeemarkt erzielten Preisen immer weniger die Produktionskosten der
Erzeuger decken, während die Konsumentenpreise weiter ansteigen und damit die Erlöse der
Kaffeeverarbeiter in den Importländern. Diese Preisdisparität kann als asymmetrische Reaktion
der Binnenmarktpreise gegenüber den internationalen Preisen verstanden werden (Daviron
B./Ponte, S. 2005: S.23). Dieses wird in der Entwicklungsdiskussion häufig mit sinkender
Marktdurchsetzungsmacht der Produzenten gegenüber den großen Kaffeehandelsunternehmen
begründet, die den Markt und insbesondere die Preisübertragung zwischen Verbraucherpreisen
und Marktpreisen kontrollieren. In diesem Zusammenhang spricht Massarat auch von
unterbewerteten Marktpreisen oder Dumpingpreisen, die an den Produzenten gezahlt werden,
ohne dass diese dabei die Grenzkosten und die „ökologischen Folgekosten“ decken (1993: S.
241).
13
Nach Einschätzungen der ICO liegen die Exportzölle einiger Erzeugerländer sogar über denen der
Importländer, was der Handel zwischen Erzeugerländern in den letzten Jahren verringert hat.
28
Heute steht aber fest, dass nicht nur wirtschaftliches Wachstum Antrieb für Entwicklung ist. Neue
Strategien versuchen, Produzenten bei der Marktintegration zu unterstützen und zielen dabei
weniger auf direkte Marktinterventionen ab. Ein wichtiges Instrument in den letzten Jahren zur
Untersuchung von Marktmachtverhältnissen ist der sog. Global Value Chain Ansatz (GVC).
Dieser Ansatz erlaubt eine umfassende Analyse von Marktregulierung und Handelsstrategien auf
den globalen Märkten. Einige der neuen Strategien zur Förderung des Entwicklungsbeitrags in
dieser Arbeit basieren auf dem GVC-Ansatz, der die vertikale und horizontale Vernetzung der
Marktakteure über die gesamte Wertschöpfungskette durchleuchtet. Nach Stamm, hat dieses
Analyseinstrument im Gegensatz zu den Ansätzen in den 70ern und 80ern keinen deskriptiven
sondern einen politisch-ökonomischen Charakter, und dient insgesamt zum Verständnis von
Entwicklung und Unterentwicklung im Rahmen der Marktglobalisierung (Stamm 2004: S. 8).
Dieser Ansatz wird im Zusammenhang mit den privatwirtschaftlichen Strategien später näher
erläutert.
29
3 Neue Strategien
3.1
Internationale Ebene
In der Kaffeewirtschaft gab es bis heute zahlreiche Versuche, auf internationaler Ebene den
Marktungleichgewichten durch Stabilisierungsinstrumente entgegenzuwirken. Zu diesen zählen
die bereits erwähnten Internationalen Kaffeeabkommen (ICAs). In der Diskussion um die
Wirkungskraft solcher preisinterventionistischen Maßnahmen finden sich sowohl Befürworter als
auch Gegner einer marktbasierten Kontrolle. Nach dem Scheitern des ICA von 1989 stellt sich
die Frage, ob das im Jahr 2007 unterzeichnetes ICA bessere Möglichkeiten bietet, die
Preisfluktuationen und somit die negativen Auswirkungen auf die Exportländern zu reduzieren.
Zwei der großen Probleme auf dem heutigen Kaffeemarkt sind die Überproduktion und die
tendenziell niedrige Kaffeequalität, insbesondere bei den Robusta-Sorten. Die Forderung von
Organisationen wie Oxfam zur Vernichtung von 5 Mio. Kaffeesäcken sowie zur Verbesserung der
Qualitätskontrollen (Mehta, A./Chavas, J.P. 2008: S.286) und die Bemühungen der ICO, neue
Qualitätsverbesserungsprogramme zu fördern, lassen erkennen, dass noch ein Konsens auf
internationaler Ebene getroffen werden muss. Während der zweiten Weltkaffeekonferenz von
2002 kamen die ICO Mitglieder zu dem Ergebnis, dass der gegenwärtige Kaffeemarkt keinen
Raum für ein erneutes Quotensystem oder zu ähnlichen Vereinbarungen, um die
Produktionsmenge weltweit einzuschränken, hat. Im Folgenden soll analysiert werden, welche
Veränderungen in der Handelsregime des Kaffeemarktes stattgefunden haben und welche
Aufgaben der internationalen Gemeinschaft heute zugeschrieben werden können, insbesondere
in Hinsicht auf eine mögliche Marktstabilisierung. Es geht darum, die Standpunkte der Diskussion
gegenüberzustellen.
Supply Management und ein Neues Internationales Kaffeeabkommen
Kaffee gehört zu den ersten Agrarprodukten, bei denen eine Preiskontrolle auf internationaler
Ebene versucht wurde. Seit dem Abschluss des ersten Internationalen Kaffeeabkommens
zwischen Produzenten- und Konsumentenländer im Jahr 1962 bis zum Ende des ICA von 1989
existierte ein Zielpreis und ein Exportquotensystem, um über das Weltangebot die internationalen
Kaffeemarktpreise zu kontrollieren.
In dieser Zeit
dienten auch Buffer
Stocks
als
Steuerungsinstrument, die in Perioden hoher Weltpreise abgebaut und in Krisenzeiten wieder
aufgefüllt wurden. Bis heute halten weiterhin sowohl Anbauländer wie Verbraucherländer
Pufferlager, auch wenn die Exportquoten nicht mehr gelten und sind weiterhin ein wichtiges
Kontrollinstrument. Die Meinungen über den Nutzen solcher Lager in den Verbraucherländern.
Zum einen wird behauptet, diese seien auch eine Art „Preispuffermechanismus“, der dem Großbzw. dem Einzelhandel in den Importländern erlaubt, starke plötzlich auftretende internationale
Preissteigerungen sehr langsam an den Verbraucher zu übertragen, wodurch der Handelssektor
30
Marktmacht erlangt. Zum anderen berufen sich andere auf die steigende Macht derselben
Akteure dadurch, dass die Lager aufgrund hoher Kosten heute noch kaum gehalten werden
können und größere Mengenanpassungen kurzfristig aufgrund technischer Verfahren bei den
Mischungen oder beim Transport möglich seien.
Auch Verbraucherländer wie Kolumbien berechnen noch heute häufig wie viele Kaffeesäcke in
dem Land vom Produzentenverband (FEDECAFE) aufgekauft und schließlich gelagert werden,
um eine Preisreaktion auf dem Kaffeemarkt zu erzielen (vgl. El Tiempo 2008). So wollte das Land
beispielsweise in den Jahren 2008 und 2009 bis zu 400 Tsd. Säcke einlagern, in der Hoffnung,
dass die Kaffeepreise wieder ein höheres Niveau erreichen würden. Dieses können aber nur die
wenigsten Anbauländer wie Brasilien und Kolumbien, denn dazu gehören sehr hohe finanzielle
und technische Ressourcen sowie ein entsprechender hoher Marktanteil an der Weltproduktion.
Andere Erzeugerländer versuchen heute durch die Verbrennung von Kaffeebeständen
minderwertiger Qualität den Preis zu beeinflussen, wie beispielsweise Costa Rica in 2002 mit der
Zerstörung von 63 Tsd. Säcke (Oxfam 2003: S.3).
Unter Supply Management (SM) versteht man die bewusste Preissteuerung eines Gutes
(commodity), bei dem das Angebot relativ zu der Nachfrage kontrolliert wird (Lines 2007: 1ff).
Lines assoziiert hiermit die Steuerung auf verschieden Ebenen: international, national
privatwirtschaftlich oder durch den einzelnen Produzenten kontrolliert. Im engeren Sinne wird der
Begriff SM in der Regel auf Quoten und Buffer Stocks-Kontrollen reduziert. Hierbei werden
jedoch unternehmenseigene Techniken, die auch in ähnlicher Weise angewendet werden,
ausgeklammert. Deshalb führt Lines hinzu, dass der Begriff SM auf alle Mechanismen zu
erweitern ist, die die angebotenen Mengen auf einem Markt „manipulieren“ oder „kontrollieren“,
seien sie öffentlicher oder privater Art.
Angelehnt an Lines Klassifizierung von SM-Arten kann diskutiert werden, welche Regulierungsart
heute auf dem Kaffeemarkt herrscht. Werden SM-Systeme nach dem herrschenden
Handelsregime unterschieden, würde heute für den Kaffeemarkt ein „commercial-buyer driven“
Angebotsmanagement zutreffen (vgl. ebenda: S.4f). Diese Art von SM zeichnet sich durch eine
käufergesteuerte Marktregulierung aus, die im Falle des Kaffees insbesondere durch die
zunehmende Marktkonzentration der Röstungsunternehmen in der Produktionskette nach dem
Zusammenbruch des ICA von 1989 entstanden ist. Fügt man zu dem SM eine
entwicklungspolitische Komponente hinzu, würden die Internationale Rohstoffabkommen, wie das
ICA, als
ein „public-international, under producer-consumer agreement“ System der
Angebotssteuerung gelten. Insgesamt hat in den letzten Jahren eine Verschiebung der
Marktmachtverhältnisse stattgefunden, was zur Entstehung einer neuen Dimension von SM
geführt hat, nämlich das Handels-Supply-Chain-Management, bei dem die Wertschöpfungskette
durch den Käufermarkt dominiert wird. Die Frage, die sich hieraus stellt ist, ob diese neue
31
Situation eine steuerungsrelevante Perspektive für das ICA übrig lässt, insbesondere im Bezug
auf das ICA von 1989.
Für viele diente insbesondere das ICA bis 1989 als geeignetes Instrument, welches sich bei der
Preisstabilisierung auf dem internationalen Kaffeemarkt bewährt hat (vgl. Mehta, A./Chavas, J.P.
2008: S. 288f; Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.86f). Dieses ist u.a. auf folgende Aspekte
zurückzuführen: die Teilnahme von Konsumentenländern in dem Zusammenschluss, die Existenz
von Erzeugerländern mit stark staatlich kontrolliertem Exportsektor und die Bereitschaft von
Brasilien sowie anderer Erzeugerländer zur „Umverteilung“ der Marktanteile. Kritik an die durch
das ICA entstandenen Angebotskontrollen wird im Bezug auf die Trittbrettfahrer-Effekte, die
parallel hierzu entstanden, geübt. Preiskollusion fand ausschließlich nur unter den
Erzeugerländern statt und wurde in der Regel nach ca. sieben Jahren aufgrund von starker
Überproduktion eingestellt.
Dieses Phänomen trat
fast
immer gleichzeitig mit
dem
Produktionszyklus der neu gepflanzten Kaffeesträucher auf, so dass automatisch die
Angebotsüberschüsse die Preise wieder sinken ließen. Mit anderen Worten, die Versuche der
Erzeugerländer zur Preiserhöhung wurden erstens durch die Importländer genutzt, ohne dass
diese sich an den Preisübereinkünften beteiligen mussten, und zweites wurden diese durch die
Überproduktion immer wieder zunichte gemacht. Ul Haque benennt einen weiteren MitnahmeEffekt bei Internationalen Rohstoffabkommen. Demnach beteiligen sich die größten Produzenten
an den Exportkontrollen und alle Bündnismitglieder tragen die Kosten hierfür, während alle
Produzenten hiervon profitieren (Ul Haque 2004: S.16).
Ein weiterer Kritikpunkt am ICA betrifft die Distribution des durch das Quotensystem generierten
Einkommens unter den Marktakteuren. Mehta und Chavas haben herausgefunden, dass die
Preisspanne
zwischen
brasilianischen
Erzeugerpreisen
(farm-gate
prices)
und
den
Großhandelpreisen am höchsten während des ICA war (Mehta, A./Chavas, J.P. 2008: S. 284ff).
Dagegen nährten sich diese beiden Preise nach Abbruch des Abkommens fast immer an. Dieses
deutet daraufhin, dass während des ICA nicht die Erzeuger davon profitierten, sondern die
übergeordneten Instanzen, i.d.R. die staatliche Marketing Boards, die die Exportquoten besaßen
und damit den Großhandel beherrschten. Die Verteilung dieser Renditen sowohl unter den
Produzentenländern wie innerhalb der Produktionskette blieb ein offener Punkt.
Im Allgemeinen prägte das ICA die Gesamtmarketingstruktur durch Marktstabilität. Dies vollzog
sich nicht nur auf internationaler Ebene, sondern wurde auch auf die nationalen
Marketingsysteme übertragen. Es zeigte sich, dass Länder mit stabilen Wirtschafts- sowie
Kaffeepolitiken
hohe
Angebotselastizitäten
aufwiesen,
da
diese
in
Ihren
Investitionsentscheidungen die verfügbaren Markt- und Preisinformationen berücksichtigt hatten
(ebenda: S. 288). In dieser Hinsicht verbesserte das ICA die Anpassungsentscheidungen der
Produzenten maßgeblich. Problematisch war jedoch, dass häufig nationale Quotenpolitiken mit
32
dem internationalen Quotensystem nicht konsistent waren und hinzu eigene Wechsel- und
Steuerpolitiken der Anbauländer ins Spiel kamen. Unter diesen Bedingungen konnten diese
Produzenten immer weniger auf Preisveränderungen reagieren, was die Folge eines Konflikts
zwischen Außen- und Innenstabilisierungspolitiken war.
Es gab andere zahlreiche ähnliche Marktstabilisierungsversuche auf internationaler Ebene wie
z.B.
die
Bogotá-Gruppe
in
1978
und
später
1980
die
PANCAFE,
die
als
Produzentenorganisationen entstanden. Diese waren jedoch in ihrem Vorhaben wenig erfolgreich
und verloren gegen Ende der 80er komplett ihre Wirkung. Da es keine Einigung im Rahmen des
ICA 1989 bezüglich eines neuen Quotensystems gab und darauf ein Preisverfall auftrat, standen
die Produzentenländern wieder unter starkem Druck. 1993 gründeten diese deshalb die
Association of Coffee Producing Countries (ACPC) mit Sitz in London. Zu dieser Organisation
gehörten mehr als 28 lateinamerikanische, asiatische und afrikanische Anbauländer, von denen
die Hälfte 75% der Weltproduktion kontrollierten. Wie vor dem Zusammenbruch des ICA 1989
wurde hier auf Regierungsebene der Produzenten versucht, durch Exportkontrolle und eine im
Jahr 2000 beschlossene Zurückhaltung von 20% der Produktion das Preisniveau zu steigern.
Als Reaktion auf die Gründung der ACPC traten die Vereinigten Staaten aus der ICO zurück
(Matthey-de-l’Endroit 1996: S. 27). Die ACPC ist seit 2002 nicht mehr aktiv und laut FAO haben
sich nur wenige Exportländer tatsächlich am Retentionsprogramm beteiligt (FAO 2006: S. 1ff).
Die Erwartung durch eine Mengenreduzierung den Marktpreis um 17% zu erhöhen, scheiterte
durch die geringe Partizipation der ACPC-Länder und anderer Nicht-Mitglieder. Außerdem hätte
eine Senkung der Exportmenge laut FAO zu einem Rückgang von 6% in den Exporterlösen der
ACPC-Länder geführt. Hier lautet die Devise: umso höher die Zielpreise sind, desto höher ist die
Motivation einiger Produzenten, sich nicht daran zu beteiligen.
Im Jahr 2005 traten die USA in die Internationale Kaffeeorganisation ICO wieder ein. Das letzte
ICA wurde 2007 von den ICO-Mitgliedern, einschließlich des größten Weltkaffeeimporteurs USA,
unterzeichnet. Diesmal enthält das ICA keine marktregulierenden bzw. wirtschaftlichen Klauseln
mehr. Das Ziel des neuen Abkommens hat sich wesentlich verändert im Vergleich zum ICA vor
1989. Heute sieht sich die ICO durch die Übereinkunft der Kaffeeproduzenten und –konsumenten
als Organisation zur Förderung des Kaffeesektors und der nachhaltigen Expansion in einem
marktbasierten Umfeld. Zu den wichtigen Neuerungen des ICA gehören die Gründung eines
Beratungsforums für Finanzen und die Einführung eines Kapitels zur Finanzierung und
Durchführung
von
Entwicklungsprojekten.
Ersteres
zielt
auf
einen
Informationszufluss von KMUs unter den Kaffeeproduzenten bezüglich
verbesserten
Finanz-
und
Risikomanagement ab. Insgesamt soll das neue Abkommen die Informationsaufgaben der ICO
verstärken und ausweiten. Die ICO repräsentiert heute 45 Export- und 32 Importländer. Zu den
letzten Entwicklungsprojekten gehören die Finanzierung von Qualitätsverbesserungsmaßnahmen
33
in den Erzeugerländern und die Bekämpfung vom Schimmelpilz Ochtaroxin (OTA) an den
Kaffeebohnen. Laut ICO-Angaben hat die Zusammenarbeit mit der Welternährungsorganisation
FAO in einem langjährigen Projekt zur Kontrolle des OTA, in dem 6 Mio. USD investiert wurden,
dazu geführt, dass die EU auf die Festlegung eines Höchstwertes für OTA in grünem Kaffee
verzichtet. Durch dieses Programm sollen sowohl Entwicklungsländer als auch die Importländer
davon profitieren, da einerseits Qualitätsverbesserung des Produktes garantiert wird und
andererseits die Kaffeeindustrie hierdurch mehr als 100 Mio. USD per annum einspart.
Wichtiger Schritt im Bereich Qualitätsverbesserung seit 2002 ist die Einführung der ICCResolutionen Nr. 407 und Nr. 420 im dem Qualitätsverbesserungsprogramm der ICO (ICO 2004:
S. 1ff). Durch diese beiden Beschlüsse wird die Einhaltung von Mindestqualitätsstandards bei
den Arabica- und Robusta-Sorten in den Importländern gefördert. Demnach sollen nur Bohnen
exportiert werden, die einen bestimmten Feuchtigkeitsgehalt und eine maximale Zahl von
Mängeln aufweisen. Exportländer, dessen Kaffee diese Standards einhält, dürfen zu der
Herkunftsbezeichnung des Produktes einen Zertifizierungssiegel als Nachweis hinzufügen.
Organisationen wie Oxfam betonen die Bedeutung einer Kombination von preisstabilisierenden
Politiken und nachhaltigen Entwicklungsstrategien (Oxfam 2007: S. 3f). Nachhaltigkeit soll
demnach als eine soziale, ökonomische und ökologische Dimension verstanden werden, wobei
wirtschaftlich die Kaffeepreise die notwendigen Produktionskosten und einen Entwicklungsbeitrag
beinhalten sollen. Auch die Forderung nach mehr Partizipation der Kleinproduzenten und deren
Organisationen wird gestellt.
Darüber hinaus wird die steigende Unternehmenskonzentration in der Verarbeitungsindustrie und
im Einzelhandel als einer der Hauptgründe für das Auseinanderklaffen zwischen Produzentenund Konsumentenanteil am Endpreis gesehen. Hier müssen nach Meinungen vieler Experten
mehr Ansätze zur Steigerung des Wettbewerbs folgen.
Einige Studien belegen, dass die Steuerung des Angebots durch das ICA vor 1989 zu mehr
Instabilität auf dem Kaffeemarkt geführt hat (Mehta, A./Chavas, J.P. 2008: S.307). Nach Mehta
und Chavas würde auch eine Zerstörung von 5 Mio. Säcken heute nur zu einer vorübergehenden
Preisanhebung führen, bei der letztendlich die Röster und Einzelhändler profitieren würden, da
die Einzelhandelspreise schneller steigen als diese sinken. Dennoch hängt der Effekt einer
solchen Maßnahme von den Erwartungen der Marktakteure ab.
Insgesamt könnte die neue Orientierung des ICA 2007 im Sinne von Supply Management zu
einem wichtigen Instrument zur Stabilisierung des Marktes werden. Für einige Autoren bleibt das
SM ein vertrautes Instrument, das heute die Unternehmensmacht in einer käufergesteuerten
Produktionskette abschwächen und gleichzeitig die Marktmacht der Produzenten stärken würde
34
(Lines 2007: 1ff). Auch wenn unter der Devise der Marktliberalisierung keine bewusste
Beeinflussung des Marktmechanismus erwünscht ist, scheint die Partizipation von Internationalen
Akteuren notwendig. Maßnahmen zur Förderung der Kaffeequalität wirken sich auf das Angebot
und zielen auf eine indirekte Preissteigerung. SM erfordert aber parallel einen starken Konsens
zwischen Produzenten und Konsumenten, der wie gezeigt wurde, bis heute nicht leicht gewesen
ist.
3.2
3.2.1
Nationale Ebene
Diversifizierung
In diesem Abschnitt soll diskutiert werden, welche Chancen sich für Kaffeeanbauländer ergeben,
wenn Diversifizierungsstrategien eingeführt werden. Preiskrisen auf dem Kaffeemarkt stellen für
die Anbauländer einen sehr großen ökonomischen Druck dar. Seit vielen Jahren versuchen
kaffeeproduzierende Länder durch Diversifizierung ihre Abhängigkeit von schwankenden
Kaffeeexporterlösen zu reduzieren. Was insbesondere die neuen Diversifizierungsstrategien
kennzeichnet sind die Ausrichtung und die notwendigen Instrumente, die in den letzten Jahren
entwickelt wurden, um diese Strategien zu unterstützen. Durch Diversifizierung können
Kaffeeanbauländer das Risiko eines unstabilen Marktes senken. Der Begriff Diversifizierung
umfasst hierbei nicht nur eine Reaktion auf sinkende oder unstabile Preise sondern auch eine
Strategie zur Stabilisierung bzw. Erhöhung des Einkommens.
Diversifizierungsstrategien können sowohl innerhalb der Kaffeeproduktion aber auch außerhalb
dieser stattfinden. Innerhalb der Kaffeelandwirtschaft geht es bei der vertikalen Diversifikation um
die Erhöhung der Wertschöpfung innerhalb der Produktionskette und somit auch der
Wettbewerbsfähigkeit des Produktes. Außerhalb der Produktion, in der sog. horizontalen
Diversifikation, findet ein Vorgang statt, bei dem der Kaffeeerzeuger seine Produktion partiell
oder ganz zugunsten eines anderen erweitert, mitunter auch auf Nicht-Agrarprodukte umstellt. In
diesem Zusammenhang geht die Reichweite der Diversifizierung weit über die Notwendigkeit
hinaus, den Output zu erhöhen, es geht nämlich um die Konkurrenzfähigkeit des Produktes oder
Sektors im Sinne der sozioökonomischen Entwicklung.
Sowohl die horizontale als auch die vertikale Diversifikation zielen insbesondere auf zwei Aspekte
ab.
Zum
einen
sollen
hierdurch
Kaffeebauer
flexibler
mit
deren
Erzeugnis
auf
Preisveränderungen reagieren können und zum anderen soll die Allokation der Ressourcen
derart gestaltet werden, dass der Wechsel von Aktivitäten, Technologien, Verarbeitung, etc mit
niedrigen Kosten zu realisieren ist. Zudem erfordert die Diversifikation eine zeitliche Anpassung
an Nachfrageveränderungen, was wiederum eine kurzfristige und eine langfristige Perspektive
haben kann. In der Regel setzen kurzfristige Anpassungsmaßnahmen auf die Erhöhung der
35
Konkurrenzfähigkeit oder auf Wertschöpfung durch Qualitätsverbesserungen, und langfristig
richten sich diese eher auf den Wandel von einem Produktionssystem auf ein völlig anderes aus.
Diversifizierung außerhalb der Kaffeeproduktion gab es bereits in einigen Anbauländern
Lateinamerikas und Afrikas. In Ländern wie Costa Rica, Guatemala, El Salvador, Honduras und
Kolumbien spielen vor allem staatliche und halbstaatliche Institutionen eine große Rolle. In Costa
Rica beispielsweise suchte man Anfang der 80er nach Alternativagrarprodukten in dem Anbau
von Macadamia, Blumen sowie in der Försterei als eine Antwort auf den starken
Kaffeepreisrückgang (Varagnis et al 2003: S. 39f). Hierzu wurden auch in einigen Ländern
staatliche Programme oder Kooperation mit Produzentenverbänden initiiert, um erforderliche
Studien und Projekte durchzuführen. In Guatemala wurde 1982 der Verband der Exporteure
Nicht-traditioneller Produkte (AGEXPRONT) ins Leben gerufen, der gemeinsam mit dem
Agrarministerium des Landes nach alternativen Agrarrohstoffen für niedrig gelegenen Gebiete
geforscht hat. Heute fördert dieser Verband nicht nur den Handel mit anderen Rohstoffen
sondern auch den sog. Agrar- und Eco-Tourismus in Guatemala. Dieses zeigt zum Beispiel den
Erfolg einer Diversifizierungsstrategie, die andere außersektorale Bereiche erfasst bzw.
miteingebunden hat. Denn auch Diversifizierungsstrategien zielen heute nicht ausschließlich auf
wirtschaftliche Aspekte sondern auch auf Möglichkeiten der ländlichen Entwicklung durch andere
Branchen
und
Sektoren
ab.
Dazu
ist
aber
gerade
die
Gründung
solcher
Interessengemeinschaften im Bereich der Diversifikation, in dem bis heute in vielen Ländern nur
die Agrarministerien, Marketing Boards bzw. Produzentenverbänden tätig waren, wichtig.
Studien zeigen, dass die Wege zur horizontalen Diversifizierung unterschiedlich gewesen sind
und vor allem mit verschiedenem Erfolgsgrad. Eine Langzeitstudie in Zentralamerika weist zum
Beispiel daraufhin, dass die Zeit der Einsatzverpflichtung seitens des Projektträgers in der Regel
langfristig ist, was aber maßgebend für den Erfolg der entsprechenden Strategie sein kann
(Chemonics International Inc. 2002: S.60). Die Bindezeit eines Projektträgers kann von Produkt
zu Produkt im großen Maße variieren, bei Förstereien ca. 30 Jahre und bei Obstbäumen
mindestens zwischen ca. 5-7 Jahren, um eine adäquate Unterstützung beim späteren
Marktvertrieb und Nachkontrolle der Diversifikationsmaßnahme zu garantieren. Diese
Unterstützung erhöht das Vertrauen unter den Kaffeebauern, denn häufig ist der
Maßnahmeerfolg abhängig von der Risikobereitschaft des einzelnen Agrarerzeugers. Insgesamt
handelt es sich dabei um das Zusammenspiel makroökonomischer Politiken zur Vereinfachung
des Markteintrittes und die Entwicklung eines langfristig ausgerichteten Diversifikationssystems.
Dorsey hat für die 80er und 90er in Kenia den Zusammenhang zwischen Einkommen,
Produktionsintensivierung, Diversifikation und Vertrieb bei Kleinkaffeeanbauer untersucht (Dorsey
1999: S.191ff). Mit ihrem Modell fand Dorsey heraus, dass bei der Diversifizierung ein zweiter
Faktor von entscheidender Bedeutung ist, nämlich eine „Input- und Output-Intensivierung“ der
Produktion auf dem vorhandenen Landstück. Demnach reicht die horizontale Diversifikation, zum
36
Beispiel durch den Anbau von alternativen Produkten bzw. die Erweiterung der Anbaufläche,
allein nicht aus, um das Einkommen des Produzenten zu steigern. Vielmehr geht es darum,
kommerzielle Handelsspezialisierung auf der einen Seite und Diversifikation des Agraranbaus auf
der anderen Seite zu kombinieren, um auf saisonale Marktbedingungen reagieren zu können. Auf
den ersten Blick scheint die positive Korrelation beider Strategien gegensätzlich, denn es würde
heißen, dass der Kaffeeproduzent nur wenige Produkte auf dem Markt verkauft, obwohl er
diversifiziert. Es zeigt sich jedoch, dass die Diversifikation dem Kaffeeproduzenten dabei hilft, die
richtige Auswahl eines Agrarproduktes zu treffen, auf das er sich für eine bestimmte Erntezeit
oder Saison spezialisiert. Hierdurch und mit Hilfe von Produktivitätsmaßnahmen kann der
Kaffeeproduzent auch mit einer eher kleinen Anbaufläche ein höheres Einkommen erzielen, denn
laut Dorsey kann eine sehr ausgeweitete Anbaufläche das Marktrisiko des Produzenten erhöhen.
Eine Untersuchung der ICO für Honduras und Nicaragua fand heraus, dass nicht alle
Produzenten von Diversifikation in die Nicht-Agrarlandwirtschaft (RNFE) profitiert haben (ICO
2006a: S.1ff). Der Hauptgrund liegt darin, dass in der Regel RFNE-Produkte viel arbeits- und
kapitalintensiver als Agrarprodukte sind. Doch in den Kaffeeanbauländern fehlen häufig diese
Ressourcen. Auch Versuche durch internationale Finanzmitteln aus anderen Institutionen wie die
amerikanische Agency for International Development (USAID), im Bereich der vertikalen
Diversifizierung in den sog. specialty coffees (Fair Trade-, Gourmetkaffee sowie Shade-grownSorten und ökologisch angebauter Kaffee) in Honduras und Nicaragua waren wenig erfolgreich.
Denn Nachbarländer wie Costa Rica und Guatemala verfügen in diesem Marktsegment der
Hochqualitätsorten bereits über langjährige Erfahrungen und starke Marktanteile. Dennoch
spielen laut Studie Impulse des Privatsektors und aus der Zivil-Gesellschaft genauso wie der
Zugang zu Marktinformationen eine wichtige Rolle.
3.2.2
Neue Herausforderungen für die nationalen Akteure
Brasilien ist das beste Beispiel für eine erfolgreiche Exportdiversifizierung. Gemessen am
Exportwert belegt Kaffee nur die fünfte Stelle nach anderen Erzeugnissen wie Soja und Fleisch.
Das BIP Brasiliens betrug 2007 laut FAO ca. 1,7 Billionen USD, wobei davon ca. 65,8% im
Dienstleistungssektor, 28,7% in der Industrie und nur 10% in der Landwirtschaft entstehen. Der
wertmäßige Exportanteil von Kaffee ist sehr gering und beträgt heute weniger als ca. 5%. Aus
diesem Grund wird auf den Vergleich der Diversifizierungsstrategie in der Kaffeeproduktion
Brasiliens mit denen anderer kleinerer Ländern bewusst hier verzichtet. Es bietet sich jedoch die
Analyse anderer ebenfalls erfolgreicherer Strategien in anderen Ländern an, bei denen der
Kaffee noch eine sehr wichtige Quelle des Nationaleinkommens ist.
Bei der Umstellung des Anbauprodukts sind die Kaffeeproduzenten sehr stark auf andere private
und öffentliche Akteure angewiesen. So spielen Forschungsinstitute und Produzentenverbände
37
eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der richtigen Produktarten, mit denen diversifiziert
wird. In Kolumbien und Costa Rica hat die Zusammenarbeit der Forschungszentren mit den
anderen Akteuren zur Umsetzung von strengeren Qualitätskontrollen nicht nur für den Kaffee
sondern für eine Reihe von anderen Agrarprodukten große Früchte getragen. Hierbei sind große
Netzwerke entstanden, die gemeinschaftlich für den Gesamtagrarsektor arbeiten. So kooperieren
in
Kolumbien beispielsweise
Agrarverbände mit
der
Kaffeeproduzentenverband
dem Ministerium für
die Landwirtschaft
FEDECAFE
und
andere
und Entwicklung
sowie
Bildungseinrichtungen in der Umsetzung und Standarisierung von Agrarprodukten, die
internationalen Qualitätsstandards entsprechen. Es geht dabei um die Normierung von
Produktkennzeichnungen,
Verpackungen
und
insgesamt
Qualitätsstandards
die
vom
Kolumbianischen Institut für technische Normung und Zertifizierung (ICONTEC) in Bezug auf die
Entsprechung mit internationalen technischen Standards geprüft werden, um damit Agrarexporte
zu fördern. Zudem werden Prüfexperten ausgebildet, um strengere Qualitätskontrollen
durchzuführen. Diese Art von Kooperationen entwickeln sich in einigen Ländern wie Kolumbien
und Costa Rica zu nationalen Quasi-Wissenssystemen, die erfolgreich sowohl die
Kaffeeproduktion
unterstützen
als
sich
auch
generell
der
Notwendigkeit
von
Diversifikationsstrategien bewusst sind. Die Kaffeeforschungsinstitute in diesen Ländern
(CENECAFE in Kolumbien und ICAFE in Costa Rica) sind führende und anerkannte
Organisationen weltweit. Ihre Arbeit beinhaltet auch die Verbesserung von existierenden
Kaffeesorten und die Kombination dieser mit dem Anbau von anderen Agrarprodukten. Häufig
sind Forschungskooperationen zwischen Instituten in Lateinamerika anzutreffen.
Zu einer erfolgreichen Diversifikation gehören notwendige ökonomische Anreize. In Kolumbien
wurde um das Jahr 2000 eine Initiative zum sog. Intercropping von Mais und Kaffee eingeführt.
Ziel dieser Strategie ist die Nutzung von Kostenvorteilen beim Anbau. Dabei profitiert das Land
vom gegenwärtigen großflächigen Nationalprogramm zur Erneuerung von Kaffeesträuchern. Die
neuen Kaffeesetzlinge werden parallel mit Maispflanzen gleichzeitig angebaut. Zu den Vorteilen
dieser Anbautechnik gehören: die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur sowie von Wissensund Beratungsangeboten, die Stabilisierung der Arbeitsnachfrage, eine Senkung der Kosten für
die Sträuchererneuerung, die Verstärkung der Produzentengenossenschaften und vor allem ein
höheres Einkommen (ICO 2003: S. 2). Intercropping bietet also insbesondere dem Produzenten
eine Risikostreuung und eigene Existenzsicherung bei Marktinstabilitäten und zusätzlich dem
Land eine Reduktion dessen Abhängigkeit von Maisimporten aus anderen Nachbarländern. Um
Anreize zur Umstellung und Qualitätssteigerung zu schaffen, zahlt die Kolumbianische
Kaffeeproduzentenvereinigung (FEDECAFE) an die Bauern bestimmte Prämien. So erhält der
Produzent für jeden erneuerten Kaffeestrauch eine Prämie von 100 Pesos (ca. 4 US-Cent) und
zusätzlich 10 Pesos, wenn er mit Mais eine vergleichsgroße Anbaufläche auf seinem Grundstück
diversifiziert (ebenda). Voraussetzung ist, dass der Kaffeeproduzent sich an die technischen
Empfehlungen von CENECAFE und des Händlerverbands (FENALCO) hält.
38
Die oben eingeführte Diversifizierungsstrategie hat zur Gründung einer Reihe von kleineren
Genossenschaften geführt, die die Vertriebskanäle definieren und best practices entwickeln. Eine
weitere wichtige staatliche Unterstützung ist, dass im Übereinkommen mit der Industrie, sich
private Unternehmen zur Abnahme der produzierten Maismenge verpflichten. Importquoten für
Mais wurden zudem eingeführt und sind von der Binnennachfrage nach Mais abhängig. Darüber
hinaus werden Finanzierungsinstrumente mit fixen Zinssätzen für einen Zeitraum von 1 bis 2
Jahre angeboten sowie ein Mindestpreis von 165 USD/t. Die Diversifizierungsstrategien werden
zum größten Teil durch den kolumbianischen Stabilisierungsfonds finanziert, der auch von
FEDECAFE verwaltet wird. Die Internationale Kaffeeorganisation (ICO) durch den Common Fund
for Commodities (CFC) und anderen zahlreichen Entwicklungsorganisationen sind in den
Diversifizierungsprogrammen ebenfalls involviert.
Einige Wissenschaftler behaupten, dass Stabilisierungsstrategien auf nationaler Ebene nur dann
funktionieren, wenn die Kompensationsfonds in dem jeweiligen Anbauland über sehr hohe
finanzielle Ressourcen verfügen oder das Stabilisierungspreisband sehr groß ist (vgl. de
Fontenay, P./Leung, S. 2002: S. 2). Außerdem stellten einige dieser Diversifikationsmodelle ein
Risiko dar, das auch Marketing Boards, Handelsgenossenschaften und andere Verbände
erfassen kann, da die Lagerhaltung von Agrargütern sehr kostenintensiv ist. Mit anderen Worten
werden Marktrisiken in der Regel vom Produzenten auf die staatlichen Instanzen weiter gereicht,
die in vielen Fällen finanziell überfordert sind oder den erforderlichen technischen und
wissensbasierten Kapazitäten nicht genügen. Es zeigt sich bei einigen Ländern jedoch, dass
Diversifizierungsstrategien
oft
auf
langen
Zeitfenstern
beruhen
und
vor
allem
auf
Wissensakkumulation und –austausch angewiesen sind. Es wird oft in diesem Zusammenhang
das Argument hervorgebracht, dass es für Diversifizierungsstrategien keine Musterlösung gäbe
und die wirtschaftlichen und sozialen Ausgangsvoraussetzungen von Land zu Land sowie von
Produzent zu Produzent sehr unterschiedlich seien. Kooperationen zwischen den Marktakteuren
und den staatlichen Institutionen können aber vermutlich die Erfolgschancen der Diversifikation
erhöhen, denn der ganze Kaffeesektor profitiert von einer verbesserten Produktqualität.
Ein erfolgreiches Beispiel für die Interaktion von nationalen Akteuren stellt Uganda dar. Dieses
afrikanische Land hat in den letzten Jahren eine Marktnische in der Sparte der specialty coffees
entwickelt. Der Wert der Exporte Ugandas konnte durch die Fokussierung auf diese Produkte um
25% gesteigert werden (Dubosse 2006 , S.99f). Wichtig in diesem Prozess ist die Rolle der
Uganda Coffee Development Authority (UCDA) gewesen. Die UCDA, die in ihrem Ursprung als
Kontrollinstanz für Verträge und Kaffeequalität 1991 entstanden ist, kooperiert heute mit
zahlreichen Akteuren, um die specialty coffees und den Gesamtkaffeesektor des Landes zu
unterstützen. So hat Uganda eine erste Instantkaffeemarke 2004 ins Leben gerufen. Hierbei
arbeitet das Land zusammen mit Tansania in einem Joint-Venture, bei dem Uganda das Säubern
und die Sortierung des Kaffees und Tansania das anschließende Rösten und Verarbeiten
39
übernimmt. Andere wichtige Organisationen, die mit der UCDA kooperieren, sind die UN und die
USAID. Letztere finanziert teilweise die notwendige Infrastruktur für die Anwendung von der sog.
nassen Verarbeitung der Kaffeekirschen (ebenda). Auch die UCDA versucht seit einiger Zeit die
Vermarktung ihres Kaffees in eigener Regie zu fördern. Uganda besitzt einige Läden in China,
die bereits Hotels und Handelsketten in Beijing beliefern. Hier setzt man auf die einheimische
Kaffeequalität, ohne, im Gegensatz zu marktüblichen Röstern, den Kaffee mit anderen Sorten zu
mischen. Diese Arten von Interessengemeinschaften kombinieren Strategien zur Aufwertung des
Agrarrohstoffes, bei denen das Produkt selbst und seine Verarbeitung optimiert werden, während
das Land von institutionellen und geschäftlichen Beziehungen profitiert.
Häufig können Diversifikationsprogramme sich als eine induzierte Angebotssenkung auswirken.
Diversifizieren die Kaffeeproduzenten, sinkt die Gesamtoutputmenge an Kaffee weltweit während
die Preise weltweit steigen. Ein paralleler Anstieg der Kaffeequalität kann die Gewinnmarge der
Produzenten noch weiter erhöhen.
Der steigende Wettbewerb unter den Anbauländern und der Druck aufgrund unstabiler Preise
haben die nationalen Akteure zu einem Umdenken und zur Umgestaltung deren Aufgaben
bewegt. Die Marketing Boards und im Allgemeinen der nationale Kaffeesektor setzen verstärkt
auf Qualitätsverbesserungen und haben erkannt, dass die Zusammenarbeit auf mehreren
Ebenen zunehmend wichtiger wird. Außerdem hat sich gezeigt, dass sowohl vertikale und als
auch horizontale Diversifikation besonders von strengeren Qualitätskontrollen profitieren und
somit nicht konkurrierend sind. Horizontale und vertikale Diversifikationsstrategien ergänzen sich
dadurch, dass beide die Wertschöpfung steigern und auch weitere Existenzquellen für die
Kaffeeproduzenten bieten. Laut Barghouthi, Timmer und Siegel geht es dabei nicht um das
Abwägen zwischen „picking the losers“ oder „picking the winners“ (1999 in Varagnis et al 2003:
S. 23), sondern um das Finden von Alternativen für den Kaffeeanbau und für die Monokulturen,
insbesondere unter Berücksichtung der langfristigen Folgen.
3.3
3.3.1
Privatwirtschaftliche Ebene
Upgrading entlang der Wertschöpfungskette
Seit einigen Jahren versuchen Akteure aus dem privatwirtschaftlichen Sektor mit verschiedenen
Initiativen ihren Beitrag zu der Entwicklung von Kaffeeanbauländern zu leisten. Hierbei lassen
sich sowohl rein privatwirtschaftliche Interessengemeinschaften aber auch Kooperationen von
Akteuren
aus
dem
Privatsektor
und
zivil-gesellschaftlichen
Instanzen
unterscheiden.
Partnerschaften unter Produzenten, Industrie-, Handels- und Zivilakteuren spielen zunehmend
eine wichtige Rolle. Im Fokus der meisten privatwirtschaftlichen bzw. zivil-gesellschaftlichen
Strategien
im
Agrarsektor
liegen
insbesondere
die
Ausgestaltung
der
globalen
Wertschöpfungsketten und deren Auswirkungen auf die sozioökonomische Entwicklung von
40
Anbauländern. Durch unterschiedliche Mechanismen wird versucht, Einfluss auf Aspekte wie
Produktqualität,
Produktionskosten
und
Prozessoptimierung
zu
nehmen,
um
die
Lebensbedingungen der Agrarproduzenten nachhaltig zu verbessern. Dazu gehören aber auch
die Anstöße zu einer gerechteren Verteilung der Machtverhältnisse unter den Marktakteuren
entlang der Produktionskette.
Zur Schaffung von dieser Art von Strategien ist neben der Berücksichtigung der einzelnen
Defizite in den Entwicklungsländern die Analyse der Faktoren, die die Marktstruktur und die
Arbeitsteilung auf globaler Ebene prägen, von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang
kann der Begriff Wertschöpfungskette, der insbesondere von Michael Porter geprägt wurde,
erweitert werden, so dass dieser mehr als die Wertentstehung durch die verschiedenen
Produktionsprozesse auf der internen Unternehmensebene umfasst. So zeigt z.B. der Ansatz von
Gereffi, dass die Wertschöpfungskette sich aus einer Reihe von Organisationsnetzwerken
zusammen setzt und das Unternehmen nicht isoliert betrachtet werden darf. Dieser Ansatz wird
Global Commodity Chain (GCC) genannt. Diese Netzwerke umfassen Haushalte, Unternehmen
und Staaten (Stamm 2004: S. 14). Gereffi unterscheidet vier Schlüsseldimensionen der
commodity chains: eine Input-Output-Struktur, eine geografische Dimension, eine GovernanceStruktur und einen institutionellen Rahmen. Die ersten beiden Dimensionen nutzen als Werkzeug
für die Analyse der Wertschöpfungszusammensetzung, z.B. im Bezug auf die benötigten
Rohstoffe, immatierelle Güter wie Wissen und die geographische Verteilung der Marktakteure.
Die Governance-Dimension stellt die Frage nach den Machtverhältnissen unter den
Marktteilnehmern. So existieren anhand der Bestimmungsherrschaft zwei Arten von
Produktionsketten: producer-driven und buyer-driven. Im Falle der Wertschöpfungskette in der
Kaffeeproduktion bestimmt fast ausschließlich der Käufer über Verteilung von Ressourcen
entlang der Produktionskette. Und zuletzt setzt der institutionelle Rahmen die Bedingungen, unter
welchen die führenden Akteure (lead agents) über den Eintritt anderer nachgeordneter Stellen
(subordinate agents) durch den Markt- und Informationszugang, den die lead agents
kontrollieren, bestimmen (vgl. Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.27ff). Gereffi legt bezogen auf
diesen institutionellen Rahmen nahe, dass durch die Einführung von nachgeordneten agents in
der Wertschöpfungskette, die Produzenten von einem kostengünstigereren indirekten
Marktzugang profitieren, als es bei den einzelnen Kleinbauern (small scale farmers) der Fall
wäre. Zudem könnten diese sich entlang der Produktionskettenhierarchie nach oben bewegen,
wenn die Informationen und das angehäufte tazite Wissen ihnen es dabei erlauben. Mit anderen
Worten nur durch das Zusammenspiel eines funktionierenden Informationsflusses und der
Partizipation untergeordneter agents gibt es reale Möglichkeiten, einen Aufstieg zu erlangen. Das
setzt aber voraus, dass es im dem „Aufstiegsversuch“ die durch die dominierenden Firmen
festgelegten Bedingungen von den anderen nachgeordneten Instanzen akzeptiert werden.
41
Seit einigen Jahren hat der Begriff value chain den Ausdruck commodity chain in der Literatur
ersetzt. Dieser Ansatz basiert auf der vertikalen und horizontalen Integration von Produktionsund Distributionsprozessen und erlaubt eine Bestimmung des Ortes, an dem Qualitätsmerkmale
„produziert“ werden (ebenda). Er findet zunehmend in der Entwicklungsforschung Anwendung
und wird als Global Value Chain (GVC) Ansatz bezeichnet. Der Rahmen dieses Ansatzes in
Bezug auf die Implikationen widmet besondere Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten der
Aufwertung bzw. des „Upgrading“ (z.B. durch Qualitätsverbesserung). Dieses soll nach Gereffi in
buyer-driven Ketten den Entwicklungsländern umso mehr Chancen bieten, je größer die Anzahl
der Verarbeitungsstufen ist, die von ihnen kontrolliert werden. „Upgrading“ ist mit Wissens- und
Informationsflüssen innerhalb der Value Chain zwischen den marktdominierenden Firmen (lead
firms) und den Anbieterländern verbunden. Nach einigen Autoren kann der Upgrading-Vorgang in
vier Ausprägungen stattfinden: Prozess-, Produkt-, Funktions-Upgrading und ein in der
horizontalen Dimension vorkommendes intersektorales Upgrading.
Basierend auf dem GVC Ansatzes können bei der Gestaltung der privat- und zivilgesellschaftlichen Entwicklungsstrategien größere Spielräume zum Aufbau von höherwertigen
Wertschöpfungsstufen geschaffen werden, mit dem Ziel den Kaffeeproduzenten neue
Markeintrittschancen zu verschaffen. Bevor diese Strategien näher analysiert werden können,
muss zunächst die aktuelle Wertsschöpfungskette näher betrachtet werden.
Die
Wertschöpfungskette
in
der
Kaffeeproduktion
ist
charakterisiert
durch
eine
Käufermarktstruktur. Der Kaffee-Exporthandel ist dominiert durch große Handelsunternehmen.
Die Marktkonzentration dieser Unternehmen ist auf drei Ebenen zu finden: in den
kaffeeexportierenden Ländern, auf dem internationalen Rohkaffeemarkt und auf der
Handelsebene
in
den
Importländern.
Folgende
Abbildung
verdeutlicht
die
starke
Marktkonzentration in den jeweiligen Wertschöpfungsstufen: Anbau, Export, Röstung und
Vertrieb.
42
Abb. 5 Marktkonzentration in der Kaffeewertschöpfungskette
500 Mio.
25 Mio.
Konsu-
Kaffeebauern
menten
/-arbeiter
30 Einzelhändler:
4 intern.
W al-Mart, Carefour, Arhold, Kroger, Metro Group, Taget, Tesco,
Exporteure:
3 Röster:
Neumann, Volcafé,
Philip Morris,
Kmart, W algreens, Ito-Yokado, Edeka, Auchan, Sainsbury’s,
ECOM, Dreyfus
Nestlé, Sara Lee
Aeon, Tengelmann, CVS, Leclerc, Schwartz Group, Casino,
(39%)
(45%)
Delhaize Group, Daiei, Üublics, Rite Aid
Costco, Albertsons, Rewe, Aldi, JCPenny, Safeway (USA), ITM,
(33%)
Eigene Darstellung in Anlehnung an FAO (2004: S.30)
Mit der Abschaffung zahlreicher Marketing Boards und die Marktliberalisierung in einigen
Kaffeeexportländern, insbesondere in Westafrika, nahm die Marktkonzentration zu. Große
Handelsunternehmen nutzten deren finanziellen und logistischen Vorteile mit Hilfe von Lagern
und Transportmitteln (FAO 2004: S. 30) und fanden sich hierdurch stärker in der vertikalen
Integration eingebunden. Der Export aus den Erzeugerländern wird heute durch vier große
Export-Unternehmen dominiert, die insgesamt einen Marktanteil von 39% besitzen. Die
Konzentration auf der Röstungsstufe ist noch deutlich höher ausgeprägt. Hier bilden drei
Unternehmen einen Marktanteil von 45% ab. Die Marktmacht der Röster hat sich sogar aufgrund
der Überproduktion auf die Vorstufe, also auf die Groß-Exporteure, ausgedehnt. Nach Ponte
zeigen Röster heute wenig Interesse an einer vertikalen Integration, so dass sich derzeit deren
Unternehmensstrategien auf Marketing- und Branding-Aktivitäten beschränken (Daviron B. /
Ponte, S. 2005: S.94f). Die Röster haben eine eigene Strategie gefunden, sich gegen
Marktinstabilitäten zu schützen, indem sie beispielsweise den Kaffee direkt von lokalen
Erzeugern beziehen. Zudem ist die Unabhängigkeit der Röster durch innovative Verfahren in der
Röstung gestiegen, da sie
hierdurch die Qualität von minderwertigem Kaffee bei
Angebotsengpässen erhöhen können.
Der GVC-Ansatz bietet den Produzenten in den Entwicklungsländern neue Potentiale vor allem
im Hinblick auf ökologische und sozialgerechte Produktion und eine damit verbundene Erhöhung
ihrer Wertschöpfung. Entsprechende Zertifizierungsprogramme gehören hier
zu einer
Möglichkeit der Qualitätsverbesserung im Sinne von „Upgrading“ sowie der Verbesserung der
Informationsflüsse zwischen den Marktakteuren in den Im- und Exportländern.
43
Das Interesse an den sog. Spezialitätenkaffee oder specialty coffee hat in den letzten Jahren
stark zugenommen. Zu diesen gehören der Fair Trade-Kaffee, der Gourmetkaffee, die Shadegrown-Sorten und der ökologisch angebaute Kaffee. Im Jahr 1982 wurde die Specialty Coffee
Association of America (SCAA) gegründet, mit dem Ziel, hohe Qualitätsstandards in der
Kaffeeproduktion und -verarbeitung zu setzen. Das europäische Gegenstück dazu, die SCAE
wurde 1998 in London gegründet. Diese beiden Verbände stellen einzelne Beispiele für die
zunehmende Rolle, die die Kaffeequalität im Bewusstsein der Markteilnehmer eingenommen hat,
dar. Qualität hat zwei Dimensionen: eine physische oder materielle und eine symbolische Seite.
Zu den materiellen Eigenschaften des Kaffees gehören Beispielsweise der Grad der
Bohnentrocknung und die Farbe der getrockneten Bohnen, und sind somit insgesamt messbar.
Bei der sog. symbolischen Qualität geht es um die Eigenschaften, die mit einem Produkt
verbunden sind, aber mehr mit dem Ruf oder psychologischer Wahrnehmung zu tun haben. Dazu
zählen zum Beispiel Marken, Nachhaltigkeits- und Herkunftsbezeichnungen.
Im Folgenden werden zwei Arten von Nachhaltigkeitszertifizierungen, „Fairer Handel“ und
„Ökologisch angebauter Kaffee“, beschrieben und entsprechend ihrer Auswirkung auf die
Entwicklung der Anbauländer analysiert. Nachhaltigkeit in der Kaffeeproduktion ist von ICO
definiert als die Bedingungen in der Wertschöpfungskette, die erstens den Produzenten einen
kostendeckenden Erlös zuzüglich eines Entwicklungsnachtrages verschafft, zweitens einen
nachhaltigen ökologischen Ressourcenumgang fördert und drittens soziale Sicherheit und
gerechte Arbeitsbedingungen begünstigt (ICO 2006b: S. 2).
Ökologisch angebauter Kaffee (organic coffee)
Im Hinblick auf das steigende Umweltbewusstsein sowohl auf Produzenten- als auch auf
Konsumentenseite hat das Interesse zum Anbau von ökologischen Kaffeekulturen in den letzten
30 Jahren zugenommen. Die ökologische Landwirtschaft fing als eine Bewegung zur Förderung
dieser Art des Landbaus an, die insbesondere auf freiwillige Kontrollen basierte. Mit der Zeit hat
sich ein eigener Markt, der auch diese Art von Zertifizierung als Bestandteil des Handels macht.,
etabliert. Heute ist die Zertifizierung in vielen Ländern für die Kennzeichnung eines Produktes als
„ökologisch angebaut“ erforderlich.
Der ökologisch angebaute Kaffee („organic coffee“) setzt auf die Einhaltung von Maßnahmen des
ökologischen Landbaus und auf den Verzicht des Einsatzes von künstlichen landwirtschaftlichen
Mitteln. Zudem müssen die Kaffeeerzeuger- und –verarbeiter in den Erzeugerländern detaillierte
Aufzeichnungen von angewendeten Methoden und Input-Gütern führen. Die Einhaltung dieser
Standards wird von einer unabhängigen Organisation zertifiziert. Die Zertifizierung kann seitens
nationaler und internationaler Organisationen wie die FAO oder die International Federation of
Organic
Agriculture
Movements
(IFOAM)
erfolgen.
44
IFOAM
bietet
vor
allem
eine
Zusammenstellung von Standards (basic standards), die als Referenz für die Entwicklung von
eigenen Standards durch Dritte dienen kann. Weitere Angebote sind die Accreditation Services,
die zur Anerkennung von Zertifizierungsorganisationen bzw. –instanzen genutzt werden.
Der Konsum von organic coffee in Europa weist hohe Wachstumsraten auf, nicht zuletzt weil es
sich um ein Produkt handelt, bei dem durch entsprechendes Marketing hohe Prämien
insbesondere beim Einzelhandelspreis zu erwarten sind. Besonders gestiegen ist die Nachfrage
nach dieser Kaffeesorte in Ländern wie Italien, Schweden und Großbritannien. Zwischen 1999und 2001 ist in Italien der Absatz von organic coffee um 60% und in Schweden um 28%
gestiegen (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.168). Besonders interessant ist, dass die britische
Nachfrage nach Biokaffee14 im selben Zeitraum um 18% gestiegen ist, obwohl hier der
Gesamtkaffeekonsum im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr niedrig ist.
Die Verteilung der Öko-Prämien soll an folgendem Beispiel gezeigt werden:
Tab. 2 Preise und Prämien in USD/lb für ökologisch angebauten Kaffee in Uganda 2002/03
Export
Robusta
Milde Arabica
FOB Preis
0,34
0,63
Öko-Exportpreis
0,45
0,79
Prämie
0,10
0,16
Prämie in %
30
30
Produzenten
Robusta (trockene Kirschen)
Milde Arabica (Pergament)
Normalpreis
0,11
0,26
Öko-Preis
0,14
0,31
Prämie
0,04
0,05
35
17
Prämie in %
Quelle: Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.172
Die obere Tabelle zeigt, dass durch die Öko-Zertifizierung in Uganda die Exporteure von
ökologisch angebautem Kaffee eine Prämie zwischen 25 und 30% erzielt haben, während diese
bei den Produzenten zwischen 17 und 35% lag. Bei der Sorte „Milde Arabica“ beträgt die
Produzentenprämie prozentual fast die Hälfte der des Exporteurs. Für beide Kaffeesorten zeigt
sich, dass sich der Kaffeepreis zwischen dem Verkauf durch den Produzenten und dem Export
(FOB-Preise) fast schon verdreifacht hat.
14
Ab hier sollen die Bezeichnungen „Bio“ oder „Öko“ für „ökologisch angebauten Kaffee“ synonym
verwendet werden.
45
Fairer Handel (Fair Trade)
Anders als der ökologische Landbau setzt die Strategie „fairer Handel“ hauptsächlich auf die
soziale und wirtschaftliche Aspekte auf. Im Zentrum dieser Strategie steht eine gerechte
Handelsstruktur auf dem Kaffeemarkt im Vordergrund. Mit Fairem Handel werden mehrere Ziele
angestrebt.
Erstens
soll
durch
verbesserten
Marktzugang
und
die
Stärkung
der
Produzentenorganisation der Wohlstand in den Entwicklungsländern gesteigert werden. Zweitens
soll durch Zahlung höherer Preise an die Produzenten und stabile Handelsbeziehungen die
Marktposition der Produzenten gefestigt werden. Und drittens soll der Dialog zwischen den
Marktakteuren gefördert werden, um mehr Transparenz und Gerechtigkeit zu ermöglichen
(Schierenberg 2004: S. 13).
Fairer Handel ist ein alternativer Ansatz zu dem konventionellen Handeln und basiert auf
Partnerschaften zwischen alternative Handelsorganisationen (ATOs) wie z.B. Twin Trading,
Oxfam Trading, Equal Exchange und dem Kaffeeerzeuger. Die Zertifizierung von „fair“
gehandelten
Produkten
begann
in
den
späten
80er
Jahren.
Die
wichtigste
Zertifizierungsorganisation ist die Fair Trade Labelling Organisation (FLO) und hat verschiedene
Standards für bestimmte Agrarprodukte entwickelt. Kaffee wird unter zwei Zertifizierungen
gehandelt, nämlich „Fairer Handel“ und ökologisch angebauter Kaffee. Zu den Voraussetzungen
für eine Mitgliedschaft von Kaffeeproduzenten an dieser Organisation gehört u.a. dass die
Produktion im Klein-Anbau erfolgt und dass die Produzentenorganisation politisch unabhängig ist.
Darüber hinaus müssen seitens der Produzenten bestimmte Mindest-Umweltstandards
eingehalten werden. Die Besonderheit bei dem Fairen Handel ist die Festsetzung eines
Mindestpreises für den Kaffeeproduzenten, der in Form eines Zuschlages auf den
börsengehandelten Marktpreises garantiert wird. Dieser Zuschlag kann jedoch variieren und ist
von der angebotenen Kaffeequalität abhängig.
3.3.2
Nachhaltigkeitsstandards und deren Auswirkung
Neben den oben bereits erwähnten Möglichkeiten im Bereich der ökologischen und sozialen
Zertifizierungen, gibt es noch zahlreiche weitere Nachhaltigkeitszertifikate. Es hat sich jedoch
gezeigt, dass durch die Vielzahl von unterschiedlichen Zertifizierungen diese auch untereinander
konkurrieren. So fordern beispielsweise andere Zertifizierungen wie „Rainforest Alliance“ und „Utz
Kapeh“ im Vergleich zu den oben eingeführten Zertifizierungen niedrigere soziale und
ökologische Standards, was eine Herausforderung für die Organisationen mit dem Label
„organic“ oder „fair trade“ ist, da hier höhere Standards gelten.
Einige Studien zeigen, dass aufgrund des starken internationalen Preisverfalls keine weiteren
Investitionen in die kostenintensive ökologische Kaffeelandwirtschaft möglich sind. Es hat sich
46
z.B. in Mexiko herausgestellt, dass beim organischen Kaffeeanbau die Kaffeeerzeuger ohne eine
staatliche Unterstützung die gleiche Angreifbarkeit durch Preisfluktuationen erfahren haben, wie
die Kaffeebauer beim konventionellen Anbau (Calo, M./Wise, T. 2005: S. 35). Darüber hinaus hat
der ökologische Kaffeeanbau teilweise zu einer Art Spaltung unter den Kaffeeproduzenten
geführt, da einerseits der Markt nicht genug Anreize zur Umstellung von konventioneller zu
ökologischer Landwirtschaft geboten hat und andererseits die hohen und notwendigen
Qualitätsstandards zur Zertifizierung nicht erfüllt werden konnten. Daviron und Ponte bestätigen,
dass der faire Handel mit geringeren Kosten verbunden ist im Vergleich zu ökologischem
Kaffeeanbau (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.187). Bei der Ökozertifizierung entstehen dem
Produzenten zum Beispiel Kosten für das Zertifikat, falls die Genossenschaft diese nicht
übernimmt, und dazu weitere Kosten für die Anbaukontrolle. Diese Kosten entstehen dagegen
beim Fairen Handel nicht.
Im Bezug auf den ökologischen und sozialen Beitrag dieser beiden Zertifizierungsarten konnten
verschiedene Beobachtungen gemacht werden. Beim ökologischen Anbau sind die positiven
Spill-over-Effekte stärker ausgeprägt. Untersuchungen zeigen, dass die Ökolandwirtschaft
hauptsächlich zur Verbesserung des Lebensraums und der Bedingungen für den Anbau anderer
Bioagrarrohstoffe wie Biobananen beiträgt (ebenda). Dies könnte eine andere Einkommensquelle
darstellen, wobei auch einige dieser Produkte selbst unter denselben Nachfrageproblemen des
Kaffees leiden. Zu den spill-over-Effekten des fairen Handels zählt vor allem die Finanzierung von
anderen Entwicklungsprojekten in den Anbaugebieten.
Darüber hinaus haben Fair Trade- und Biokaffee in einigen Erzeugerländern zum Aufbau von
Netzwerken zwischen Produktion und Konsumption geführt. Der Informationsfluss zwischen
Erzeuger und Verbraucher hat sich dadurch verbessert. Dieses gibt den Produzenten die
Chance, die Anforderungen und Bedürfnisse der Konsumenten besser zu kennen und diesen
damit gerecht zu werden (Bacon 2005: S. 507).
Eine weitere positive Auswirkung der Teilnahme an Zertifizierungsprogrammen ist die Gründung
von Produzentenorganisationen mit Gemeinschaftsinteressen und somit die Bündelung von
Kompetenzen und Marktpositionierungen (Bacon 2005: S. 108). Ein solcher Zusammenschluss
ermöglicht vor allem auch den besseren Zugang zu Krediten und die Teilnahme an nationalen
Programmen und Dienstleistungen, die von den meisten Genossenschaften angeboten werden.
In einigen afrikanischen Erzeugerländern wird die sog. Vertragslandwirtschaft (contract farming)
in
Kombination
mit
Zertifizierungsprogrammen
praktiziert.
Die
Besonderheit
dieses
Handelssystem besteht in den kontraktualen Vereinbarungen zwischen dem Produzenten und
dem Käufer bezüglich des Preises und der Kaufmenge. In Uganda zum Beispiel verwaltet der
drittgrößte Kaffeeexporteur des Landes Kawacom Ltda das sog. Sipi Organic Arabica-Projekt
47
(Bolwig, S. et al. 2009: S.2). 2005 waren ca. 3.870 Ökokaffeebauer an diesem Projekt beteiligt.
Kawacom bezahlt den Ökobauern einen vertraglich festgelegten Preis bar, wobei die gesamte
Angebotsmenge in der Haupterntezeit unabhängig von der Nachfrage aufgekauft und an
bestimmten Orten eingesammelt wird. Die hohe Teilnahme von Kleinkaffeeproduzenten an dieser
Initiative ist insbesondere darin begründet, dass hierfür keine Registrierungsgebühren von den
Produzenten verlangt werden. Diese müssen ausschließlich die Ökostandards einhalten, da
Kawacom die Kosten für die Zertifizierung und Kontrolle der Farms übernimmt. Zusätzlich kauft
Kawacom nur verarbeitete bzw. getrocknete Kaffeebohnen. Das bedeutet, dass der
Kaffeeproduzent einen Teil der Verarbeitung übernimmt und im Vergleich zum konventionellen
Landanbau, eine höhere Prämie für diesen Prozess erhält. Ingesamt stellen Bolwig et al. fest,
dass die Teilnahme an der Vertragslandwirtschaft sich positiv auf das Einkommen der Kleinbauer
in Uganda ausgewirkt hat. Durch die Kombination aus Ökozertifizierung und Verarbeitung
konnten die Erzeuger eine höhere Rente als beim konventionellen Anbaumodell erwirtschaften.
Die Autoren der Studie schätzen die Steigerung der Nettoerträge für die an dem Projekt
teilnehmenden Produzenten auf ca. 75% (ebenda: S. 9). Unsicherheit bezüglich dieses
Handelssystems besteht darin, dass die Verbreitung von „low-cost“-Biolandwirtschaft die
Gewinnmarge schmälern lassen könnte.
Eine weitere Alternative zu den Zertifizierungsprogrammen bieten Interessengemeinschaften wie
die Common Code for the Coffee Community (CCCC oder 4C), die sich auch an der
Nachhaltigkeit orientiert. Diese Organisation wurde mit der Unterstützung der GTZ und des
Deutschen Kaffeeverbandes im Jahr 2002 gegründet. Ziel der CCCC ist die Förderung von
sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit in der Kaffeeproduktion, in der
Verarbeitung und im Handel. Zu den Interessengruppen der 4C gehören u.a. Produzenten und
ihre Verbände, Vertreter aus der Kaffeeindustrie und dem Einzelhandel wie Nestlé und Kraft,
NROs wie Oxfam und andere internationale Partnerorganisation wie die ICO. Diese Akteure
haben im Jahr 2004 den Entwurf für den sog. Common Coffee Code gemeinsam erarbeitet. Es
geht insbesondere um die Koordinierung von Handlungen auf dem Kaffeesektor, die
internationalen Standards entsprechen und um Beurteilungskriterien für best practices. Letzteres
basiert auf ein Ampelsystem (vgl. Abb. 6) entsprechend den Nachhaltigkeitszielen. Das System
bietet Anhaltspunkte zur Umsetzung von bereits existierenden Richtlinien, z.B. innerhalb des UNRahmens (Daviron B. / Ponte, S. 2005: S.196f). Das Beispiel in der unteren Abbildung zeigt
innerhalb der ökologischen Dimension, welche Handlungen hinsichtlich der Erhaltung der
Artenvielfalt erwünscht (green) bzw. nicht erwünscht (red) sind.
48
Abb. 6 Beispiel für die Coffee Code Matrix
Quelle: CCCC
Einige sehen diesen Versuch als ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Produzentenseite,
aber sind sich deren Grenzen auch bewusst. Der Common Coffee Code sucht,
Qualitätsstandards zu fördern aber formuliert an sich keine konkrete Strategie hierzu.
Desweiteren wird befürchtet, dass diese Initiative nur eine von vielen Nachhaltigkeitsinstrumenten
wird und dass ohne die Unterstützung von Produzentenländern wie Brasilien kaum Erfolge
verzeichnen werde (Kolk: 2005: 234).
49
Zusammenfassung und Ausblick
Der
Rohkaffeemarkt
zeichnet
sich
wie
andere
Agrarrohstoffmärkte
durch
starke
Preisfluktuationen aus, die sich auf die Entwicklung der Produzentenländer auswirken. Seit
Beginn des 20. Jh. wird durch internationale, nationale und privatwirtschaftliche Akteure versucht
eine Preisstabilisierung zu erzielen. Viele dieser Interventionen wie das bis 1989 geltende
Exportquotensystem führten zum Teil zu mehr Ungleichgewichten zwischen Angebot und
Nachfrage. Der zweijährliche biologische Kaffeezyklus sowie wetterbedingte Ernteausfälle
spielen hier auch eine bedeutende Rolle.
Bezüglich des Konsumtrends zeigen sich zwei wichtige Entwicklungen auf dem Kaffeemarkt. In
den meisten Importländern sinkt der Verbrauch pro Kopf, so dass hier von einer
Nachfragesättigung ausgegangen wird. Neue Wachstumsmärkte wie China und Osteuropa sollen
dabei Chancen auf einen Exportanstieg bieten. Desweiteren hat sich der Anteil der beiden
wichtigsten Kaffeesorten an den Weltexporten in den letzten Jahren verändert. Das
Weltexportvolumen von Robusta-Sorten hat im Vergleich zu den Arabica-Sorten deutlich
zugenommen. Die aktuelle Entwicklungsdiskussion um die Stabilität der Rohstoffmärkte und
deren Rolle bei der Entwicklung von armen Produzentenländern konzentriert sich auf die
Unterstützung der Kaffeeerzeuger bei der Marktintegration. Wachstum wird heute nicht mehr als
der einzige Entwicklungsmotor dieser Länder betrachtet.
Im internationalen Kontext ist nach wie vor das Supply Management ein wichtiges Instrument zur
Stabilisierung des Kaffeemarktes. Heute gilt dieses als ein Gegengewicht gegenüber der
zunehmenden Marktmacht der Kaffeeröster und Einzelhändler. Zudem konzentriert sich die ICO
heute auf die Qualitätssteigerung der Weltproduktion und auf die Unterstützung der
Kaffeeproduzenten in diesem Vorhaben. Die Hauptproblematik hierbei besteht in dem fehlenden
Konsens zwischen Produzenten- und Konsumentenländern.
Diversifikation ist eine bewährte Entwicklungsstrategie, die auf nationaler Ebene vielen
Kaffeeerzeugern einen Weg aus der Exportabhängigkeit von Kaffee bietet. Die Aufgabe der
Marketing Boards und im Allgemeinen des nationalen Kaffeesektors hat sich deutlich verändert
und
zeichnet
sich
durch
eine
Kombination
aus
vertikalen
und
horizontalen
Diversifikationsstrategien aus.
Die privatwirtschaftwirtschaftlichen Strategien profitieren insbesondere von der Kooperation mit
anderen zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Akteuren. Ziel dieser Strategien ist vor allem die
ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung der Kaffeeanbauländer zu fördern. Die
Wirkung dieser Instrumente ist jedoch relativ, da zum Beispiel bei Zertifizierungen nur wenige
50
Kaffeeproduzenten die Qualitätsstandards erfüllen können. Vertragslandwirtschaft könnte in
diesem Zusammenhang eine Alternative bieten, da keine Teilnahmekosten anfallen und höhere
Prämien durch die Übernahme der Trocknung der Kaffeebohnen erzielt werden können. Es
besteht jedoch die Gefahr, dass sich hierbei eine Art low-cost- Zertifizierungssystem entwickelt,
das langfristig die Profite bei den Produzenten wieder sinken lässt.
In der Kaffeewirtschaft hat faktisch eine Verlagerung der Marktmachtverhältnisse zugunsten der
Verarbeitungsindustrie und des Einzelhandels in den Importländern stattgefunden. Die starke
Kontrolle und Einflussnahme von internationalen und nationalen Kaffeeinstitutionen, die noch vor
der Marktliberalisierung galten, haben in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Dieses hat
jedoch die Rolle dieser Organe im Sinne der Marktstabilisierung nicht unwirksam gemacht,
sondern
ihnen
eine
neue
Aufgabenorientierung
gegeben.
Die
ICO
und
die
Kaffeeproduzentenorganisationen orientieren sich heute an einer markbasierten Unterstützung
der Entwicklungsländer bei der Handelsintegration. Marktnischen auf der Basis einer
nachhaltigen Entwicklung in den Erzeugerländern können, zusammen mit konsistenten
Marktpolitiken, als Ausgleich gegenüber der Industrie und dem Einzelhandel dienen und damit
einen großen Beitrag zur Marktstabilisierung leisten.
.
51
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55
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich eidesstattlich, die vorliegende Bachelor-Thesis zum Thema: „Neue
Internationalen,
Nationale
und
Privatwirtschaftliche
Strategien
zur
Förderung
des
Entwicklungsbeitrags von Kaffeeproduktion“ selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt zu
haben. Direkte oder indirekte Angaben aus fremden Quellen sind als solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher noch keiner weiteren Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht
veröffentlicht. Mir ist bewusst, dass eine unwahre Erklärung rechtliche Folgen haben kann.
Bremen, den 28.04.2009
56