Blackburn, Song of an Irish Blacksmith - nrw
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Blackburn, Song of an Irish Blacksmith - nrw
1|3 David Smith Blackburn, Lied eines irischen Schmieds 1949 — 50 Skulptur Eisen und Bronze auf Marmorfuß Objektmaß 117 × 103,5 × 58 cm — Lehmbruck Museum Blackburn kann als eine Synthese von ganz verschiedenen Einflüssen David Smiths verstanden werden: der spätkubistischen und surrealistischen Plastik, dem amerikanischen Expressionismus und Volkskunst in Nordamerika. Obgleich David Smith, ähnlich Eduardo Chillida, mit geschmiedetem und geschweißtem Eisen arbeitet, zeigen seine Arbeiten keine groben Nahtstellen und Brüche, wie sie für die Assemblage-Technik mit diesem Material kennzeichnend sind. Smith hatte das Handwerk des Auto- und Lokomotivschweißers erlernt, war bis 1940 er zudem in den »Terminal lron Works« in Brooklyn als Industriearbeiter beschäftigt: »Dort konnte ich jede Arbeitstechnik lernen, die mir fehlte … und obendrein wurde mir häufig Material geschenkt. Es waren die Jahre wirtschaftlicher Depression.« Ein Ergebnis dieser Tätigkeit, so schrieb Smith in einem Brief an Emanuel Navaretta im November 1959, war »die Plastik Blackburn, die ich später machte, sollte an die dort verbrachte Zeit erinnern.« Bevor die Plastik im Jahr 1949/50 entstand, hatte der Künstler John Graham, der lange in Paris gelebt hatte und die europäische Avantgarde kannte, Smith 1934 die hochgeschätzte Eisenplastik Kopf von Julio González geschenkt. Unmittelbar 2|3 darauf (1935) war Smith mit seiner Frau für neun Monate durch Europa gereist, um die aktuelle Kunst in Paris (Picasso) kennen zu lernen, den antiken Bronzeguss in Griechenland zu studieren und die reichen Moskauer Sammlungen zu bewundern. In den hier gewonnenen Erfahrungen liegt der Ausgangspunkt des Smiths späteren Werks Blackburn, das als eine Synthese von ganz verschiedenen Einflüssen verstanden werden kann: der spätkubistischen und surrealistischen Plastik, dem amerikanischen Expressionismus und Volkskunst in Nordamerika. »Unsere Kunst«, so Smith 1940, »hat die gleichen internationalen Wurzeln wie das amerikanische Volk, seine Sitten und die Wissenschaft … Unsere Kunst beruht auf der abendländischen Tradition, deren Anfänge im Osten liegen … Die Tage der gegenständlichen Malerei sind nun vorbei. Abstraktion ist die Sprache unserer Zeit.« In eben diesem Jahr gewinnt die Plastik von Smith auch ihre Eigenständigkeit und Individualität. Dauerhaft nach Bolton Landing übersiedelt, entstand in seiner – nach seiner Brooklyner Ausbildungsstätte – so benannten Werkstatt »Terminal lron Works« 1949 — 50 die Plastik Blackburn. Auch die Betitelung des hier entstandenen Werks weist in diesen Zusammenhang zurück: Der Titel der Plastik Blackburn ist dem einen der beiden Besitzer jener »Terminal lron Works« gewidmet. Unausgeführt blieb eine andere, dem zweiten Besitzer gewidmete Version, obgleich Smith schrieb: »EineBuckhorn I genannte ist noch zu tun.« Zugleich lenkt die Betitelung der Plastik Blackburn, deren Untertitel Song of an Irish Blacksmith lautet, in einen anderen Zusammenhang: Sie singt das »Lied« des zunfttreuen Handwerkers, der sich zu jeder Zeit als Schmied verstand, und zu seinen handwerklichen Wurzeln bekannte. Die Plastik, die auf einem runden, hellen Marmorsockel fußt und sich in strömungsvollen Bogenlinien im Raum entfaltet, zählt zu den Landschaften, die Smith seit 1946 ausführte. Wie eine »Zeichnung in Eisen« entfaltet sie sich ähnlich dem Geäst eines Baumes, wobei der Marmorsockel als Wurzel und Stamm dient. Dabei sind die elastisch anmutenden von hier aus abzweigenden und sich an der Spitze der Mittelsenkrechten treffenden Kurvenbänder als verzweigte Aste anzusehen. Die abstrahierten Stangengebilde in Blatt-, Kreis- und Ringformen verknoten sich – wie dies besonders die Breitenansicht zeigt, über die Frucht- und Wachstumskerne auf etwa gleicher Höhe erscheinen, während die Ansicht von den Schmalseiten ein ganz anderes Bild verwirrender Fülle in sich verschobener Kleinstformen zeigt. In der Achse von Sockel und senkrechtem Mittelsteg bekrönt schließlich ein hülsenförmiges und aufgeplatztes Fruchtgebilde die 3|3 gesamte organisch anmutende Konstellation und gibt ihr überdies einen spielerisch beschwingten Charakter. Im Freien aufgestellt, wie es Smith sich für alle Landschaften wünschte, wird der gleichermaßen raumgreifende wie luftige Charakter der filigranen Plastik noch deutlicher. Dabei stellt sich zugleich über die linear bewegte Silhouettierung die Assoziation eines Miniatur-Gartens ein, in dessen Büschen und Bäumen Vögel nisten. Die in exakter Schmiedearbeit ausgeführte Plastik kann somit wohl auch zu Recht als Wunschbild des Künstler-Schmiedes verstanden werden, dessen Arbeitsrhythmus einer liedhaften Melodie folgt. © museumsplattform nrw kontakt@nrw-museum.de nrw-museum.de nrw-kultur.de N R W K U L T U R sekretariat Friedrich-Engels-Allee 85 42285 Wuppertal T +49 (0)202 698 27 00 F +49 (0)202 698 27 203