Ready for Take-off - wunschel

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Ready for Take-off - wunschel
dezember 2008
Ein fast unabhängigEs monatsmagazin
Ready for
Take-off
Die neue Dimension
des Thomas Morgenstern
www.rEdbullEtin.com
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POST AUS RÖSLAU
Wer seinen Sport liebt, trägt Custom Paint. Wunschel Design lackiert
jährlich 550 Helme, und keiner ist wie der andere. Uns zeigen die
fidelen Jungs, worauf es ankommt, und wir luftpinseln fröhlich mit.
TEXT WERNER JESSNER BILDER DAVID PAYR
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DER ANFÄNGER
Aus eins mach drei. Drei identische Uvex PS 430,
drei Designvorschläge, drei Welten: links für Anfänger, rechts
für Fortgeschrittene, in der Mitte für Profis. Komm, mach mit!
D
ieter Wunschel erzählt von früher. Wie er und sein Bruder ein
Supercross-Team hatten. Von
der Offroad-Strecke im Hinterland der Firma, von der Jugendfreundschaft zu Christian Abt, der später
mit Audi in die DTM gehen sollte, von
USA-Besuchen und dem geilen Zeug, das
die Amis schon hatten, als MX in Europa
noch eine Sache von einfärbig bedruckten
Baumwoll-Leiberln und weißen Kopftöpfen war. Die Wunschels, VW-Händler aus
Röslau in Franken (das ist dort, wo Bay-
der profi
ern, Tschechien und die Ex-DDR aneinanderstoßen), brachten Style in die Schottergruben. War es anfangs ein Streifen,
um den Helm zu verschönern, ließ sich
Dieter Jahre später von Style-Gott Troy
Lee persönlich einen Helm bemalen.
Eines Tages spazierte dann der alte
Kumpel Christian Abt mit seinem neuen
Helm ins Autohaus Wunschel rein: schönes Design, aber lausig gemacht. „Das
machen wir dir besser“, beschlossen die
Wunschels, und so kam eins zum anderen, die Liebe zur Sorgfalt und Letztere
der fortgeschrittene
zum Geschmack. Kein Wunder, dass Wunschel nun der Haus- und Hof-Designer
von Red Bull ist; die Helme fast aller
Athleten kommen aus Röslau.
Die Wunschels sind gründliche Leute,
und vor allem sind das solche, auf die du
dich verlassen kannst. Unter allen Umständen. Garantiert. Damals wie heute.
Ob ein Helm noch im Zoll hängt und
trotzdem 48 Stunden später lackiert in
Imola sein muss, ob jemand einen ganz
speziellen Spezialwunsch hat, den umzusetzen bislang noch keiner geschafft hat,
Schrecklich nette Familie. Dieter, Tobias, Thomas, Mama, Josef, Markus und Hans-Jürgen (v. li. n. re.)., dazwischen der eine oder andere nette Helm. Das Geheimnis dieser
Design-Elite-Einheit: Jeder hat sein ausgewiesenes Spezialgebiet. Der ruhige Thomas zum Beispiel gilt laut Kollegen als „der Weltbeste beim Schleifen“.
oder ob die Eishockeybullen eine Wagenladung Helme abladen, die bitte, wenn es
möglich ist, in einer Woche beginnt nämlich … Kein Problem. Wenn die Wunschels Nervenflattern haben, lassen sie
einen das nicht spüren. Wie sonst nur bei
tollen Athleten sieht alles leicht aus, was
sie tun. Das ist die hohe Kunst.
WIR HABEN es hier mit einem klassischen
Familienbetrieb im besten Sinn zu tun,
heuer gibt es ihn seit sechzig Jahren.
Mama Wunschel ist kaum 78 Jahre jung
und noch immer voll im Betrieb. Nur nicht
am Vormittag, da kocht sie, und ihre Söhne, Dieter und Hans-Jürgen, essen selbstverständlich täglich um Punkt zwölf vorzüglich im oberen Stock des Autohauses
bei der Mama. Heute gibt’s Faschiertes
mit Kartoffeln, Zucchini und Gurkensalat, als Nachspeise Zwetschkenkompott
vom eigenen Baum, für die Gäste aus Österreich ist ganz selbstverständlich auch
aufgedeckt. Manche Dinge funktionieren
nur im ländlichen Mikrokosmos, wo einer
dem anderen hilft und kein großes Auf-
hebens drum macht. In der Anonymität
einer Großstadt könntest du beispielsweise kaum erwarten, dass wer um drei
in der Früh den Schneideplotter anwirft,
nur weil bei Wunschels wieder einmal der
Helm am Brennen ist, wortwörtlich.
550 Helme verlassen jährlich Röslau,
von der superleichten Kletterschale mit
handgemaltem Drachenmotiv bis zum
Racing-Helm. Jeder einzelne ist Handarbeit, aber auf die Arbeitsstunden wird
nicht geschaut: Schlussendlich zählt nur
das Ergebnis und dass der Athlet eine
Freude hat. Die Wunschels sind das Back
Office des guten Geschmacks.
HANDARBEIT braucht Hände. Geschickte
Hände. Die von Markus, Josef, Tobias
und Thomas. Die vier Jungs machen die
Arbeit, lackieren, schleifen, kleben, zerlegen, designen, airbrushen, grundieren,
trocknen. Nebenbei haben sie eine Hetz
miteinander, „wenn einer auf Urlaub ist,
fehlt richtig was“. Sie halten sich gegenseitig am Schmäh, und wehe, Dieter oder
Hans-Jürgen kommen vorbei im Lackie-
rer-Reich, dann kriegen die auch ihren
Anteil davon ab.
Normalerweise sehen die Jungs aus
Röslau ihre Helme nur im TV, selten genug schaut einer der Athleten persönlich
vorbei. „Und dann wundern sie sich
meist, dass wir das hier in der relativen
Intimität einer Handvoll Freaks machen
und keine riesige Designfirma sind.“ Josef, Tobias und Thomas sitzen auf vielleicht 15 Quadratmetern plus LackierWintergarten, nur Markus hat jetzt ein
eigenes Zimmer gekriegt mit Schreibtisch, Computer und Schaufensterpuppen, die echte Rennoveralls tragen und
verdiente Helme.
Jeden Tag packt Markus im Schnitt
zwei Helme in Kartons, beschriftet sie und
lässt sie von Mama Wunschel zu DHL
bringen. Im Schnitt kriegen jeden Tag
zwei Menschen Post aus Röslau, darin
genau der Helm, den sie sich gewünscht
haben: Einzigartig. Perfekt lackiert. Mit
Liebe gemacht. ♉
NIGHT OF THE JUMPS: 13. DEZEMBER 2008,
FORTALEZA, BRASILIEN; WWW.WUNSCHEL.DE
GALERIE WUNSCHEL
Ein paar ausgewählte Beispiele
besonders gelungener Werke zum
Schutz großer Athletenköpfe.
Karl Wendlinger
FIA GT
Dirk von Zitzewitz
Enduro
Kirby Chambliss
Red Bull Air Race
Sébastien Loeb
WRC
Kye Forte
BMX
Alex Albon
Kart
ACTION
DEZEMBER 2008
THE RED BULLETIN
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HEIMARBEIT
MACH’S DIR SELBER!
Wir haben Wunschel drei Uvex-Helme und drei Designvorschläge geschickt. Jetzt werden drei Custom-Helme
daraus. Ein einfacher, ein schwieriger und einer für Künstler, aber alle drei für Sie. Und so geht’s:
6. Grundieren mit Füller (Autobranche).
Einfach mit dem Luftpinsel auftragen.
7. Ist der Füller trocken, kommt die
Grundfarbe drauf. Die Kunst ist, genau
den gewünschten Farbton zu treffen.
Eventuell muss man für ein einwandfreies
Ergebnis mit Weiß vorlackieren.
unserem Flügelhelm sind das die drei
Streifen. Wir haben sie am Computer gezeichnet, ausgedruckt und ausgeschnitten.
Mit Bleistift werden die Konturen übertragen, der Rest wird abgeklebt.
15. Farbe fertig machen, trocknen lassen,
Klarlack drüber, nächste Farbe. Klarlack
neutralisiert die Kanten zwischen den
einzelnen Farbschichten. Idealer weise
spürt man die Übergänge nicht.
16. Eins nach dem anderen. Beim
schwar zen Helm haben wir vier Schichten.
MAN NEHME:
ACHTUNG: Die Spritzen nach jeder
Farbe mit Nitro und Druckluft reinigen!
LOS GEHT’S!
1. Darf überhaupt lackiert werden?
Moderne Helme dürfen fast immer,
frühere Polycarbonat-Schüsseln nicht.
8. Beim Flügelhelm wird Glitzer beigemischt: Das sind feinste Metallpartikel,
die es in verschiedenen Körnungen und
Farben gibt. Ein Teelöffel pro Helm reicht.
13. Beinhaltet das Design feine Linien
wie beim gelben und schwarzen Helm,
arbeitet man mit Linienbändern: feinen
Klebebändern, die es in Millimeter-Abstufungen zu kaufen gibt. Damit das Design
tatsächlich symmetrisch wird, markiert
man die Helmmitte mit einer Bleistiftlinie,
bevor man beginnt abzukleben.
9. Trocknen lassen. Die Wunschels haben
einen Backofen umgebaut, wo der Lack
bei 50 Grad schneller aushärtet.
10. Die meisten Lacke sind aus Umweltgründen auf Wasserbasis. Nachteil: Sie
trocknen langsamer, und Kanten reißen
schneller aus als bei den alten NitroLacken. Josef: „Schütte einen Kübel Wasser
auf den Boden und einen Kübel Nitro,
dann schau, was schneller trocken ist.“
Genau darum arbeitet man bei Wasserlacken mit Zwischenschichten, die immer
wieder mit Klarlack versiegelt werden.
11. Ist der Klarlack trocken, wird mit
1200er-Papier angeschliffen. Jetzt
kommt der Glanz.
2. Zerlegen: Visier und Mechanismus
runter, Futter raus, Dichtungen werden
mit Stanley-Messer vorsichtig abgelöst.
17. Jetzt kommen die Sticker drauf, wenn
man welche hat. Die Bullen zum Beispiel,
oder Sponsorlogos, Startnummern, der
Name, bei uns: das Wings for Life-Logo.
Manchmal ist Kleben ökonomischer und
das Ergebnis regelmäßiger als Lackieren.
18. Ist das komplette Design drauf, wird
der Helm wieder angeschliffen.
19. Letzte Chance für Korrekturen.
20. Wieder Klarlack: Je mehr, desto mehr
Tiefe kriegt auch das Design. Kleine Fehler
im Klarlack lassen sich mit 2000er-Schleifpapier auspolieren.
14. Bei Airbrush-Arbeiten (gelber Helm)
ist es wichtig, die Luftpistole gleichmäßig zu ziehen und in vielen hauchdünnen Schichten zu arbeiten, statt die
(rote) Linie auf einmal durchziehen zu
wollen. Wer zu gierig ist, produziert
lauter Knödel.
3. Wenn das Futter nicht rausgenommen
werden kann, wird es abgeklebt.
21. Gründlich trocknen lassen.
4. Anschleifen: zuerst mit 600er-, dann
mit 1200er-Körnung. Händisch, um nicht
versehentlich Kanten niederzuschleifen.
22. Zusammenbauen: Innenleben einklicken, Visiermechanismus einbauen,
Lüftungsgitter einbauen. Die abgenommenen Gummidichtungen werden mit
Sekundenkleber wieder angepickt.
5. Abwischen mit Silikonentferner beseitigt Fett und Staub. Jetzt hält der Lack.
Jordan Parise
Eishockey
Jaime Alguersuari
F3
12. Nun kommt das Muster. Grundregel:
Immer mit dem größten Teil anfangen. Bei
Jean-Karl Vernay
F3
Kenan Sofuoğlu
Superbike
23. Fertig!
Mikhail Aleshin
Formel Renault
Daniel Juncadella
Formel BMW
Dieter Quester
Oldtimer
Sébastien Buemi
GP2
BILDER: DAVID PAYR, WUNSCHEL.DE
Kompressor
Luftpinsel mit 0,8- bis 2-mm-Düse
fürs Grundieren
Luftpinsel mit 0,2- bis 0,4-mm-Düse
zum Malen
Schleifpapier mit 2000er-Körnung
Schleifpapier mit 1200er-Körnung
Schleifpapier mit 600er-Körnung
Füller (50 bis 100 g pro Helm)
Ein halber Teelöffel Glitter
(je nach Geschmack)
Verdünnung
Silikonentferner
Lack (Uni-Farben decken besser)
Küchenrolle
Abdeckbänder gibt’s von 0,1 bis 2 cm
Kurvenbänder
Kreppband