Ungleiche Orchester-Schwestern
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Ungleiche Orchester-Schwestern
Kultur. | Donnerstag, 19. März 2015 | Seite 24 Ungleiche Orchester-Schwestern Sinfonieorchester und Kammerorchester Basel legen ihre Pläne für 2015/2016 offen Basel. Bevor er Bands wie Jellyfish Kiss oder Züri West auf seinem Akkordeon begleitete, verdingte sich Valentin Kessler als Kabelschlepper fürs Vienna Art Orchestra. Wer sich durch seine Biografie liest, begegnet einem Probierenden. Der Musiker mit Jahrgang 1962 brach eine Lehre zum Fernmeldemonteur ebenso ab wie sein Studium an der Jazzschule St. Gallen. Später versuchte er sich auf dem Feld der Theatermusik. Kein Zufall, dass sich Kessler als ein von der Ruhelosigkeit angetriebener Autodidakt erweist. Mit der Gründung einer eigenen Formation wartete der Bündner bis nach seinem 50. Geburtstag und bis zur nötigen Gelassenheit zu. Obschon der Bandleader beim Auftritt seiner Kapelle Kessler am Dienstag im Bird’s Eye erst eine Solokostprobe gibt und dabei am seemannsnahen Chanson rührt, reklamiert er kaum Rampenlicht für sich. Vielmehr bevorzugt er es, seine Mitstreiter an der langen Leine zu führen. Auf dass sie im Kollektiv grooven und improvisieren und ihn – und das Publikum – überraschen. Basel. Das Sinfonieorchester Basel (SOB) reist mit seinem Chefdirigenten Dennis Russell Davies am Samstag nach China und Südkorea. Offenbar ist das Orchester nach seiner England-Tournee im letzten Jahr auf den Geschmack gekommen und reist öfter in die Ferne als früher. Mit etwas gutem Willen lassen sich offensichtlich auch die dispositionellen Probleme lösen – schliesslich spielt das SOB pro Jahr rund hundert Mal im Theater Basel. Weitere Gastspiele gibt das Orchester in England sowie in Baden-Baden, Lörrach, BesanÇon und in einigen Städten der Schweiz. Die Saison 2015/2016 wird die letzte unter Chefdirigent Dennis Russell Davies und vorläufig die letzte im Musiksaal sein. Dieser wird drei Jahre lang nicht benützbar sein, wenn ab 2016 die Erweiterung des Stadtcasinos realisiert wird. Tastenvirtuosin, Geigenlyriker. Hélène Grimaud und Renaud Capuçon sind in Basel zu erleben. kus Theurillat konnten für die noch laufende Saison einen positiven Trend vermelden. Die Abonnentenzahl steigt, und die Durchmischung des Publikums mit jungen Zuhörern ist beachtlich. Der «graue Teppich» ist kleiner geworden. Saisonstart in Augusta Raurica Keinen Chefdirigenten, wohl aber einen «Principal Guest Conductor» gefunden hat das Kammerorchester Basel (KOB): Giovanni Antonini. Es ist im Unterschied zu seiner grösseren «Schwester» sehr häufig im Ausland unterwegs – schon weil es seine laufenden Kosten im Unterschied zum SOB selbst einspielen muss. Die Subvention von 770 000 Franken allein reicht nicht aus. Stars trifft man hier trotzdem an. Das beginnt schon beim Dirigenten Gio- vanni Antonini – kein Unbekannter für Basel und das KOB. Nicht er, sondern der englische Barockspezialist Trevor Pinnock eröffnet die Saison Mitte August im Theater Augusta Raurica mit Musik von Purcell und Mendelssohn. In einem Konzert zehn Tage vor Weihnachten kann man nach längerer Zeit dem Countertenor Andreas Scholl begegnen, dann mit dem Deutschen Kammerchor und Bach-Kantaten. Daniel Hope tritt sowohl beim KOB als auch beim SOB auf, desgleichen Renaud CapuÇon, der in Personalunion als Geiger und Dirigent zu erleben ist, unter anderem mit den einst von Paul Sacher in Auftrag gegebenen «Metamorphosen» von Richard Strauss. Das KOB ist seinem Namen nach das Nachfolge-Orchester von Paul Sachers Basler Fotos Mat Hennek, François Darmigny Kammerorchester. Daran erinnert das KOB mit seinem Konzert im Januar und Werken von Bach, Mozart, Strawinsky und Prokofjew, in welchem die Starpianistin Hélène Grimaud Solistin ist. Während dieses Konzert im Rahmen der Konzertreihe der Allgemeinen Musikgesellschaft stattfindet, figuriert das Konzert Anfang März mit dem Dirigenten Mario Venzago und der Sopranistin Christine Schäfer im Stadtcasino-Musiksaal als KOB-Veranstaltung. Pikant daran ist die Fokussierung auf Werke von Franz Schubert – denn Schubert ist auch ein Hauptthema für das Sinfonieorchester Basel, das eine Gesamteinspielung der Sinfonien in Arbeit hat. Das gibt Stoff für Vergleiche. www.sinfonieorchesterbasel.ch www.kammerorchesterbasel.ch Die Physis der Malerei Zwei Basler Galerien zeigen die Werke von Alfonso Hüppi und Maria Magdalena Z’Graggen Von Annette Hoffmann Basel. Man muss sich Alfonso Hüppi wohl als rührigen Jubilar vorstellen. Die Ausstellung «Alfonso Hüppi zum 80. Geburtstag» in seiner Riehener Galerie Henze & Ketterer & Triebold vermittelt diesen Eindruck. Sicher, der Schwerpunkt dieser Retrospektive liegt auf früheren Arbeiten, einige – und nicht die schlechtesten – stammen aus den 1960er- und 1970er-Jahren, und die jüngsten sind auch schon gut fünf Jahre alt. Doch zumindest in seiner grössten Schaffensphase wird noch jedes gefundene Holzstück zum Ausgangspunkt für ein Werk, und auf aquarellierten Blättern entstehen aus den Zufälligkeiten der Farbränder Tierköpfe und menschliche Mischwesen. Zu Beginn seiner Karriere stellte der Schweizer in Winterthur, Solothurn und Bern aus, 1974 in der Kunsthalle Basel. Ein wesentlicher Einfluss auf das Werk von Alfonso Hüppi, der Mitte der 50er-Jahre in Pforzheim Bildhauerei und in Hamburg Kalligrafie studierte, ist die Malerei des abstrakten Expressionismus. 1965 entsteht ein unbetiteltes Bild auf fünf miteinander verbundenen Holzlatten. Der Halbkreis, der auf rotem Hintergrund gemalt und von einem silbernen Rechteck abgeschnitten ist, erinnert an Jasper Johns Targetbilder. Bei der 1967 entstandenen Arbeit «Entwürfelung» muss man unweigerlich an Shaped Canvases denken, nur dass Hüppi vermeintlich einen drei- Kapelle Kessler im Bird’s Eye Von Michael Gasser Von Sigfried Schibli Glückwünsche für Boulez Ein Nachfolger für den Amerikaner Davies (bald 71) steht noch nicht fest. Im Mai will man die letzten Kandidaten erproben und dann entscheiden. Davies kündigte seine letzte Basler Saison an, die viel Zeitgenössisches – darunter eine spektakuläre Uraufführung von Hans Werner Henze –, Repertoirestücke aus dem 20. Jahrhundert von Strawinsky, Ravel, Lutoslawski, Górecki, Milhaud und Ginastera bringt. Neben Davies selbst werden Walter Weller, Michal Nesterowicz, Ivor Bolton, Diego Matheuz und Hans-Christoph Rademann dirigieren – Letzterer die «Missa Solemnis» von Beethoven, die man sehr lange nicht mehr in Basel gehört hat. Dem 90-jährigen Pierre Boulez widmet das Orchester im September ein Extrakonzert, in dem die Bratschistin Kim Kashkashian als Solistin auftritt. Daneben gibt es zahlreiche Cocktailund Promenadenkonzerte, welche die Bindung des Publikums an das Orchester verstärken sollen. Traditionell sind das BaZ-Weihnachtskonzert und ein Neujahrskonzert, beide geleitet von Erik Nielsen vom Theater Basel. Weitergeführt werden die CD-Einspielungen mit Werken von Igor Strawinsky, Franz Schubert und Arthur Honegger. Stiftungspräsidentin Barbara Schneider und Geschäftsführer Franzis- Mit Wille zum Experiment dimensionalen Körper in die Fläche auf Holz abwickelt. Später befasst er sich mit Fragen der Wahrnehmung: Die Werkgruppe der «Sehschlitze» aus den 90er-Jahren, schmale, von Eisenrahmen eingefasste Leisten mit verschiedenen Bildmotiven, können dafür stehen. Gut zehn Jahre später zeigt sich erneut eine Tendenz zur Reduktion. In dreieckige Rahmen zwängt Hüppi stilisierte Gesichter, die aus einem Rund und Kreisen für Augen, Nase und Mund bestehen. Verblüffend, wie ähnlich sie Wrestlermasken sind – es sind Hüppis ganz eigene Schreie. Widerstand für den Spachtel Nachdem zehn Jahre lang Papierarbeiten entstanden waren, ist Maria Magdalena Z’Graggen jetzt zur Ölmalerei zurückgehrt. Aktuell sind diese Bilder in ihrer ersten Ausstellung in der Anne Mosseri-Marlio Galerie zu sehen. Dort hängt auch die 2001 geschaffene Arbeit – orangefarbene, grüne und gelbe Streifen auf hellem Grund –, mit der diese Werkgruppe ihren Anfang nahm und an die die Künstlerin nun anknüpft. Bilduntergrund sind meist drei bis vier Zentimeter starke Holztafeln – Holz, nicht nur, weil es die Werke der 1958 geborenen Basler Künstlerin in eine Maltradition einbindet, der sie sich verbunden fühlt, sondern auch, weil es dem Spachtel, mit dem sie arbeitet, mehr Widerstand bietet. Die seidig-glänzende Oberfläche mit den Streifen- und Kreismustern ist Ein Stück ohne Geschichte «Remmidemmi», eine Komposition von Kessler, setzt auf Rasanz, Tempowechsel und Sounds, die sich auch zur Untermalung eines dramatischen Hochseilaktes eignete. Flirrende Rhythmen und ein selbstvergessen agierendes Akkordeon legen den Boden, auf dem Trompeter Manuel Mengis abrupte und nonchalante Töne setzt. Bei «Alpenros am Strassenrand», das an ein Jodellied mit Text von Art-Brut-Künstler Adolf Wölfli angelehnt ist, manifestiert sich Nähe zur einheimischen Folklore: Während Gitarrist Franz Hellmüller auf einem geglätteten Jazz-Rock-Feld agiert, wird er von ländlichen Motiven umgarnt, die entspannt anmuten und doch nicht ohne Reibung sind. Zum Stück «Warship Requiem» gäbe es keine Geschichte, behauptet Kontrabassist Luca Sisera und wird prompt von einem Zuschauer geoutet: «Doch, die gibt es.» Erzählen mag der Musiker gleichwohl nichts. Das überlässt er dem Lied, das sich zu Beginn als Trümmerfeld präsentiert, bei dem die Trompete aus dem letzten Loch pfeift. Der Wiederaufbau ist quälend langsam und wird melancholischen Momenten unterworfen, doch er gelingt. Das rund 90-minütige Konzert der Kapelle Kessler fokussiert auf das Vertrackte und doch Unprätentiöse. Hin und wieder gerät die Truppe in die Sackgasse, etwa wenn sich Luca Sisera von seinem ungelenken Scat-Gesang davontragen lässt, aber: Der Fluss der Musik ist so mächtig, dass sich die paar Nebengeräusche im Nu verflüchtigen. Was bleibt, ist der ungebrochene Wille zum Experiment und ein Eindruck virtuoser Stärke. Nachrichten Knecht wird Direktor am Theater St.Gallen Sinnliche Abstraktion. In «#780215 (Manatee)» von 2015 sind Maria Magdalena Z’Graggens Schaffensprozesse genau erkennbar. die Folge eigentlich paradoxer Prozesse. Sie beginnen damit, dass Z’Graggen den Pinsel nur dort einsetzt, wo die Augen des Betrachters nicht hinreichen: bei den untersten Schichten. Sie setzen sich fort, indem Maria Magdalena Z’Graggen zwar mit einem Malwerkzeug arbeitet, das zuverlässig alle individuellen Spuren eines Farbauftrags tilgt, es aber so einsetzt, dass der Prozess der Bildentstehung ablesbar wird. Die Atmung und damit ein schnelleres oder langsameres Hantieren mit dem Spachtel wirkt sich somit auf die sichtbare Oberfläche aus. Dann ist wie ein zartes Zittern zu erkennen. Ein Tortensegment eines Kreises etwa ist in Z’Graggens Arbeit «#780215 (Manatee)» durch einen Rand hervorgehoben. Sie gehe der «Physis der Farbe» nach, sagt die Baslerin zur ihrem Schaffensprozess. Maria Magdalena Z’Graggens Malweise ist dadurch alles andere als clean, überschüssige Farbe ist als Linie sichtbar, und manchmal wirkt sich die jeweilige Beschaffenheit des Pigments in einen mehr oder weniger gebrochenen Strich aus, der die darunter liegende Schicht nicht völlig abdeckt. Nicht das kleinste Paradox jedoch ist, wie sinnlich sich Abstraktion dann ausdrücken kann. Alfonso Hüppi: Galerie Henze & Ketterer & Triebold, Wettsteinstrasse 4, Riehen. Di–Fr 10–12 Uhr, 14–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr. Bis 30. April. www.henze-ketterer.ch Maria Magdalena Z’Graggen: Anne Mosseri-Marlio Galerie, Malzgasse 20. Mi–Fr 13–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr. Bis 30. April. www.annemoma.com St.Gallen. Der Verwaltungsrat der Genossenschaft von Konzert und Theater St. Gallen hat Jonas Knecht zum neuen Schauspieldirektor ab der Saison 2016/2017 gewählt. Knecht gilt als ausgewiesener Kenner der deutschsprachigen und speziell der schweizerischen Theaterlandschaft und verfügt über ein breites künstlerisches Netzwerk sowohl in der freien Szene als auch im Staatstheaterbetrieb. mat Ehemaliger Free-Bassist Andy Fraser gestorben Temecula. Andy Fraser, Bassist der britischen 70er-Jahre-Rockband Free, ist tot. Er starb am Montag im Alter von 62 Jahren im kalifornischen Temecula, wie am Dienstag bekannt wurde. «Andy zu verlieren, ist sehr persönlich. Keine Worte, ein trauriger Tag», schrieb Frasers ehemaliger Bandkollege Paul Rodgers auf seiner Facebook-Seite. Fraser war 1970 Co-Autor des Welthits «All Right Now». SDA