Darmkrebs

Transcription

Darmkrebs
Leben mit
Darmkrebs
Inhaltsverzeichnis
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Vorwort
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Professor Dr. med. Wolff Schmiegel
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Überblick
Anhang
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Informationen und Adressen
Glossar Volkskrankheit Darmkrebs
Der Darm – Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben
Entstehungsorte von Darmkrebs
Mit Prävention das Risiko senken
Die Entstehung von Darmkrebs
Diagnose Darmkrebs
Diagnostische Methoden
Schweregrade der Darmkrebserkrankung
Die vier Säulen der Therapie
Die Operation
Die Strahlentherapie
Die Chemotherapie
Die zielgerichtete Therapie
Hemmung der Tumor-Angiogenese
Hilfe bei Nebenwirkungen
Nach der Therapie
Regelmäßige Nachsorge
Zurück im Alltag
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht sind Sie selbst an Darmkrebs erkrankt oder jemand, der Ihnen nahesteht. Mit
dieserBroschüremöchtenwirIhnenInformationenrundumdasThemaDarmkrebsanbieten.Sieerfahren,wieDarmkrebsentsteht,undlernenMöglichkeitenderVorsorge,UntersuchungsmethodensowieaktuelleBehandlungsstrategienkennen.Darmkrebsgehört
inderBundesrepublikDeutschlandzudenhäufigstenbösartigenErkrankungen.Infrühen
Erkrankungsstadien sind die Heilungschancen sehr gut, aber auch wenn die Krankheit
bereitsfortgeschrittenist,stehenwirksameTherapieformenzurVerfügung.
BesondereBedeutungkommtderFrüherkennungzu.AlsMethodederWahlhatsichseit
vielenJahrendieKoloskopie(Darmspiegelung)etabliert:Wirdsiekonsequentdurchgeführt,kanndieEntwicklungvonDarmkrebsverhindertwerden.EshandeltsichdabeialsonichtnurumeineFrüherkennung, sondern auch um eine Vorsorgeuntersuchung. Daher empfehle ich Ihnen dringend, die gesetzlichen
AngebotezurFrüherkennungwahrzunehmen.Abdem50.LebensjahrsolltenSiejährlicheinenStuhltestvornehmen
lassenundabdem55.LebensjahrallezehnJahrezurDarmspiegelunggehen.DerzeitlicheAbstandistausreichend,
Darmkrebsvorstufen frühzeitig zu erkennen. Bei einer Häufung von Darmkrebserkrankungen in der Familie ist es
ratsam,dieUntersuchungbereitseherundinkürzerenAbständendurchzuführen.
DieserRatgeberwendetsichvorwiegendanMenschen,diebereitsanDarmkrebserkranktsind.WirmöchtenIhnen
aufzeigen,überwelcheBehandlungsmöglichkeitendieMedizinderzeitverfügt.IndiesemBereichgibtesdeutliche
Fortschritte:BessereErkenntnisseüberdenTumorhabendieEntwicklungzielgerichteterTherapiestrategienermöglicht,diesichspeziellgegendiebösartigenZellenrichten.GemeinsammitderOperationundgegebenenfallsder
StrahlentherapiestehenunsdamitwirksameBehandlungsmöglichkeitenzurVerfügung.
DieBroschüresolldaspersönlicheGesprächmitIhremArztnichtersetzen,sondernIhnenvielmehrInformationenan
dieHandgeben,dieIhnendenAustauscherleichtern.
IhrProfessorDr.med.WolffSchmiegel
DirektorderMedizinischenKlinik
amKnappschaftskrankenhausBochum
Volkskrankheit Darmkrebs
Darmkrebs gehört zu den häufigsten bösartigen Tumoren
Allein in Deutschland erkranken Jahr für Jahr circa 70.000 Menschen an Darmkrebs – Männer und
Frauen gleichermaßen. Darmkrebs stellt somit bei Frauen und Männern die zweithäufigste
Krebserkrankung dar, gleich nach Brustkrebs bzw. Prostatakrebs. Im Laufe seines Lebens wird
jeder 20. Bundesbürger mit dieser Diagnose konfrontiert. Besonders groß ist das Risiko zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
Nur fünf bis zehn Prozent der Darmkrebsfälle gehen auf vererbte Genveränderungen
zurück. Dazu gehört beispielsweise die familiäre adenomatöse Polyposis, bei der der Dickdarm von
einer großen Anzahl Polypen befallen wird. Erbliche Krebserkrankungen wie diese entwickeln sich
schon in jungen Jahren.
Bei knapp einem Drittel aller Darmkrebsfälle ist die Krankheit bereits in der engeren Verwandtschaft
aufgetreten. Auch eine solche familiäre Vorbelastung erhöht das eigene Risiko. Familienmitglieder sollten deshalb schon in frühem Alter regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen (siehe Seite 9).
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Wichtig: frühe Diagnose
Die Prognose bei Darmkrebs hängt entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Je früher
die Ärzte den Krebs erkennen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient vollständig
geheilt wird oder noch lange gut leben kann. Nachdem die Forschung über Jahrzehnte kaum Fortschritte verzeichnen konnte, wurden innerhalb kurzer Zeit mehrere neue Wirkstoffe, zielgerichtete
Antikörper, zugelassen, die die Chancen auf ein längeres Leben trotz Darmkrebs deutlich
verbessert haben.
Risikofaktoren für Darmkrebs
Inzwischen konnten Forscher einige Faktoren identifizieren, die das Darmkrebsrisiko erhöhen. Fettreiche Ernährung, Übergewicht, Alkohol, Rauchen und mangelnde Bewegung können die Entstehung begünstigen, sind aber nie die alleinige Ursache. Ein erhöhtes Darmkrebsrisiko haben
Menschen, die unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa leiden.
Wachstumshemmer
Orale Chemotherapie
Kombination von
Chemotherapie mit
Folinsäure
Weitere Chemotherapien
Anstieg der Überlebensdauer
1980er
1990er
Mit wachsender Anzahl an Therapiemöglichkeiten hat sich
auch die Überlebenszeit der Patienten deutlich erhöht.
2000er
2008
Angiogenese-Hemmer
Der Darm – Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben
Funktionen des Darms
Der menschliche Verdauungstrakt ist ein etwa acht Meter langer Schlauch, der mit einer Schleimhaut
ausgekleidet ist. Er reicht vom Mund über Speiseröhre, Magen und Darm bis zum After. Mithilfe der
Verdauungsorgane nimmt der Körper die Nährstoffe aus der Nahrung auf, nutzlose oder giftige Subs­
tanzen scheidet er aus. Maßgeblich daran beteiligt ist der Darm.
Grob unterschieden werden drei Abschnitte:
óó Mit einer Länge von ungefähr fünf Metern ist der Dünndarm der längste Teil des Darms. Er
schlängelt sich durch den gesamten Bauchraum. Seine Aufgabe ist es, die Nahrung aus dem Magen aufzunehmen und sie weiterzuverdauen. Über die Dünndarmschleimhaut gelangen dann alle
notwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in den Blutkreislauf.
óó Der Dickdarm (Kolon) ist etwa 1,5 Meter lang und legt sich wie ein Rahmen um den Dünndarm.
Im Dickdarm wird der Speisebrei durch Entzug von Wasser und Salzen auf etwa ein Viertel der
ursprünglichen Menge eingedickt und unter Mithilfe von Darmbakterien in Stuhl umgewandelt.
óó Der Enddarm (Mastdarm, Rektum) ist circa 16 Zentimeter lang und bildet über den After die
Verbindung nach außen. Auf diesem Weg wird der Stuhl ausgeschieden.
Was die wenigsten wissen: Im Darm sitzen mehr als 70 Prozent der Abwehrzellen des Körpers.
Sie produzieren sogenannte Immunglobuline, die für die Abtötung von Viren oder Bakterien notwendig sind. Damit ist der Darm ein wichtiger Teil der Immunabwehr.
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Entstehungsorte von Darmkrebs
Vor allem der Enddarm ist betroffen
Darmkrebsentwickeltsichzuetwa55ProzentindenunterenDarmabschnittenundzucirca45ProzentimDickdarm.ImBereichdesDickdarmshatderKrebsbevorzugteLokalisationsstellen(unten
dargestellt).GeradeindenunterenDarmabschnitten(Sigma-undEndddarm)trittDarmkrebsgehäuft
auf.ImDünndarmentstehtäußerstselteneinKrebsgeschwür.
querverlaufenderDickdarm
15 %
5%
25 %
absteigenderDickdarm
BlinddarmundaufsteigenderDickdarm
55 %
Sigma-undEnddarm
Mit Prävention das Risiko senken Gesundheitsbewusst leben
Dreh- und Angelpunkt in der Prävention, also der Vorbeugung,
ist ein gesunder Lebensstil. Wer normalgewichtig ist (BMI < 25),
sich regelmäßig bewegt, nicht raucht und Alkohol nur in Maßen
trinkt, hat bereits einiges getan, um sein Darmkrebsrisiko zu mindern. Und nicht nur das: Auch die Gefahr für andere Krebserkrankungen und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt.
Experten empfehlen eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst
und Gemüse (fünf Portionen pro Tag) und eine Seefischmahlzeit
pro Woche. Reduziert werden sollten nach Möglichkeit Lamm-,
Rind- und Schweinefleisch, Zucker, tierische Fette und gepökelte
sowie gesalzene Wurstwaren. Regelmäßige Bewegung, idealerweise Radfahren, Wandern und Schwimmen, sollte ebenfalls auf
dem Programm stehen.
Allerdings: Ein gesundheitsbewusster Lebensstil kann das
Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, zwar senken, aber
nicht ausschließen. Deshalb ist es besonders wichtig, die angebotenen Früherkennungsmaßnahmen konsequent in Anspruch
zu nehmen, um eine Erkrankung oder Vorstufen von Darmkrebs
so früh wie möglich zu erkennen.
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Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung
Zu den Früherkennungsmaßnahmen von Darmkrebs gehören der Okkultblut-Test und die Darmspiegelung. Mit dem Okkultblut-Test werden Stuhlproben auf unsichtbare (okkulte) Blutspuren untersucht, denn Blut kann ein Hinweis auf Tumoren im Darm sein. Ab dem 50. Lebensjahr zahlen die
Krankenkassen diese Untersuchung einmal jährlich. Wird Blut nachgewiesen, muss nachfolgend
eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt werden: Nur so lässt sich klären, ob tatsächlich eine
Darmkrebserkrankung vorliegt.
Eine Koloskopie (aus dem Griechischen: Kolon = Dickdarm, skopein = schauen) ist die effektivste
und zuverlässigste Methode, Darmkrebs zu verhindern oder in einem sehr frühen Stadium zu erkennen. Der Grund: Werden Darmpolypen – Ausstülpungen im Dickdarm, die eine Vorstufe von Darmkrebs sein können – während der Spiegelung entdeckt, können sie in den meisten Fällen sofort unproblematisch und schmerzfrei entfernt werden. Für Personen ohne besondere Risiken übernehmen
die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 55. Lebensjahr alle zehn Jahre die Kosten für eine
Darmspiegelung.
Ist ein Familienmitglied an Darmkrebs erkrankt, besteht eine genetische Vorbelastung oder
liegen besondere Risikofaktoren vor, etwa eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit, werden
Vorsorge­koloskopien in wesentlich jüngeren Jahren und in kürzeren Abständen durchgeführt.
Verwandte ersten Grades eines Darmkrebspatienten wie seine Kinder sollten eine Darmspiegelung
zehn Jahre vor dessen Erkrankungsalter vornehmen lassen. Für diese Maßnahme kommen die
Krankenkassen auf. Darüber hinaus tragen die Versicherer bei Risikopatienten die Kosten für weitere
Koloskopien – etwa dann, wenn bei der Erstuntersuchung Polypen gefunden wurden.
Wird Darmkrebs im Frühstadium erkannt, beträgt die Heilungschance über 90 Prozent.
Nehmen Sie die Früherkennungsmaßnahmen daher regelmäßig wahr!
Die Entstehung von Darmkrebs
Veränderungen am Erbgut als Auslöser
Darmkrebs entsteht, wenn die Zellen der Darmschleimhaut sich ungebremst teilen und
unkontrolliert wachsen. Langfristig dringen sie in angrenzende Gewebe ein oder sie lösen sich
völlig aus ihrem Zellverband und wandern über Blut oder Lymphflüssigkeit in andere Organe, um dort
Metastasen (Tochtergeschwulste) zu bilden.
Der Grund für dieses unkontrollierte Zellwachstum sind Veränderungen an Genen (Mutationen), die das Wachstum von Zellen steuern und kontrollieren. Solche Genmutationen treten häufiger
auf, vor allem wenn Zellen sich teilen. Der Körper ist weitgehend in der Lage, solche Genschäden
zumindest teilweise wieder zu reparieren.
Mit zunehmendem Alter können sich Genmutationen jedoch anhäufen. Da auch die
Reparatur­mechanismen nicht mehr so effektiv arbeiten wie in jungen Jahren, kann es dann zu überbordendem Zellwachstum kommen. Bei erblicher Vorbelastung liegen bereits bei Geburt
Genveränderungen vor, die die Entwicklung schnell wachsender Tumorzellen begünstigen.
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reparierte Zelle
gesunde Zelle
gesunde Zelle
mutierte Zelle
mutierte Zelle
Reparaturmechanismus
Reparaturmechanismus
versagt
kontrollierte
Selbstzerstörung
unkontrollierte Teilung
Tumor
Normalerweise werden defekte Zellen durch einen Mechanismus entweder repariert oder der kontrollierte Zelltod wird eingeleitet. Versagt dieser Reparaturmechanismus, kommt es zu einer übermäßigen
Gewebeneubildung – der bösartige Tumor entsteht.
Darmkrebs entwickelt sich langsam
Darmkrebs zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Etwa 90 Prozent der Tumoren entwickeln sich
aus gutartigen Darmpolypen (Adenomen) – und zwar sehr langsam. Bis aus einem Darmpolypen
ein Karzinom wird, vergehen etwa zehn Jahre. Diese Zeitspanne kann in der Früherkennung
genutzt werden und eröffnet die Chance, Darmpolypen und frühe Darmkrebsstadien rechtzeitig zu
erkennen und zu entfernen (siehe Seite 14).
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Diagnose Darmkrebs
Vorsorgeuntersuchungen retten Leben
Darmkrebs ist eine „stille“ Krankheit und verursacht in den meisten Fällen erst in fortgeschrittenen Stadien Beschwerden. Oft ist er dann nicht mehr heilbar. In frühen Stadien hingegen ist die
Chance auf Heilung sehr gut. Deshalb sind regelmäßige Darmspiegelungen im Rahmen der
Vorsorge besonders wichtig. Gleichzeitig sind sie eine aktive Prävention, da während der Untersuchung Darmpolypen, die Vorstufen von Darmkrebs, schmerzfrei entfernt werden können.
Aus diesem Grund ist die Darmspiegelung sowohl als Vorsorgeuntersuchung als auch bei einem
konkreten Verdacht unverzichtbar.
Typische Beschwerden bei Darmkrebs:
óó
óó
óó
óó
óó
óó
óó
óó
óó
óó
óó
Blut im Stuhl
Änderung der Stuhlgewohnheiten
Stuhldrang ohne Entleerung
Stuhlunregelmäßigkeiten (Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung)
Blähungen
Bauchschmerzen
Übelkeit,Völlegefühl und Appetitlosigkeit
auffälliger Leistungsabfall
unbeabsichtigte Gewichtsabnahme
Anämie (Blutarmut)
Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Diagnostische Methoden
Die Stuhluntersuchung allein reicht nicht aus
Mittels einer Stuhluntersuchung (Okkultblut-Test) überprüfen die Ärzte den Stuhl auf nicht sichtbares
Blut. Dafür gibt der Patient an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Stuhlprobe auf einem Teststreifen ab, die der Arzt zur Untersuchung an ein Labor schickt. Ein negatives Testergebnis schließt
Dickdarmkrebs aber nicht aus, denn ein Tumor blutet nicht zwangsläufig und auch nicht ununter­
brochen. Darüber hinaus kann der Genuss bestimmter Lebensmittel das Testergebnis verfälschen.
Die Stuhluntersuchung ist daher kein Ersatz für eine Koloskopie.
Nur die Darmspiegelung gibt Sicherheit
Nur die Koloskopie kann Darmkrebs eindeutig feststellen oder
ausschließen. Bei der Untersuchung muss der Darm völlig sauber
sein, damit auch kleinste Veränderungen der Darmschleimhaut nicht
übersehen werden. Um den Darm zu reinigen, nehmen Patienten einen
Tag vor dem Eingriff mindestens zwei Liter einer speziellen Abführ­
lösung zu sich. Sie unterstützt die Darmentleerung.
Schema einer Darmspiegelung
(Koloskopie)
Während der Arzt das
Koloskop langsam durch
den Dickdarm führt, kann
er auf einem Monitor die
Darmschleimhaut genau
begutachten und mögliche
Veränderungen erkennen.
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Während der Spiegelung führt der Arzt ein dünnes schlauchför­miges
Untersuchungsgerät, das Endoskop, über den After in den Darm
ein. An der Spitze ist eine Mini-Kamera montiert, die Bilder aus dem
Darminneren liefert. Zunächst schiebt der Mediziner das biegsame Endoskop vorsichtig bis zum Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm.
Währenddessen wird etwas Luft in den Darm geblasen, damit er sich
entfaltet. Danach zieht der Arzt das Endoskop sehr langsam zurück
und begutachtet die Darmwand. Mit einer kleinen Zange entnimmt er
Gewebeproben von veränderten Schleimhautbereichen. Vorhandene
Darmpolypen – mögliche Vorstufen von Darmkrebs – können
sofort entfernt werden. Der gesamte Eingriff dauert etwa 15 bis 20
Minuten.
Die Koloskopie ist die zuverlässigste Methode zur Diagnose von Darmkrebs und gleichzeitig eine
aktive Krebsvorsorge. Denn nur bei dieser Untersuchung wird der Darm direkt und umfassend untersucht. Bei allen anderen Verfahren können die Ärzte nur indirekt vorgehen oder
erreichen nicht den gesamten Darm, beispielsweise bei der Sigmoidoskopie. Hier wird nur der
untere Abschnitt des Darms kontrolliert. Aus diesem Grund können bei der Sigmoidoskopie nur
76 Prozent der Tumoren gefunden werden (siehe Grafik, Seite 7). Ein Viertel aller Darmkrebserkrankungen bleibt somit unentdeckt, da sich die Tumoren außerhalb des Untersuchungsgebiets befinden.
Eine virtuelle Koloskopie, ein bildgebendes Verfahren, ist ebenfalls nur unzureichend. Statt mit
dem Koloskop wird die Darmschleimhaut hier mithilfe des Computertomografen untersucht. Kleine
oder flache Polypen oder Adenome werden dabei häufig übersehen. Sind Polypen vorhanden, müssen die Ärzte zur Entfernung ohnehin noch eine „normale“ Koloskopie durchführen. Auch
die Kapselendoskopie, bei der Patienten eine Kapsel mit Mini-Kamera schlucken, die durch den
Körper wandert und Bilder aufnimmt, eignet sich nicht als Ersatz für eine Koloskopie. Denn die Ärzte
können die Kamera nicht gezielt steuern oder gar stoppen, wenn sie eine Auffälligkeit entdecken. Allein durch Darmbewegungen (Peristaltik) selbst gleitet die Kamera vorwärts. Entscheidende
Veränderungen können daher schnell übersehen werden. Darüber hinaus ist auch vor dieser
Untersuchung eine Darmentleerung notwendig.
Eine schmerzfreie Untersuchung
Da der Dickdarm ein schmerzunempfindliches Organ ist, verläuft die Koloskopie in der Regel schmerzfrei. Für sehr empfindliche Patienten und zur Reduzierung der Nervosität vor der Untersuchung kann
ein Beruhigungsmittel oder eine leichte Narkose gegeben werden. Die Koloskopie ist ein äußerst
sicherer Eingriff: Komplikationen, etwa eine Verletzung der Darmwand, kommen sehr selten vor.
Diagnostische Methoden
CT und MRT: nur zur Abklärung eines Verdachts
Zusätzlich zur Koloskopie werden bei Verdacht auf Darmkrebs neben einer Ultraschalluntersuchung
häufig auch die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT, auch als Kernspintomografie bezeichnet) herangezogen. Beide Verfahren liefern zusätzliche Informationen zur
genauen Lage des Tumors und seiner Ausbreitung in die Darmwand oder in andere Organe.
Außerdem können die Ärzte anhand der Untersuchungen erkennen, ob sich bereits Metastasen in der
Lunge oder in der Leber gebildet haben.
Darmtumoren streuen
óó überwiegend in die Leber (circa 75 Prozent),
óó deutlich seltener in die Lunge (circa 15 Prozent),
óó sehr selten in das Gehirn, in die Nieren und in das Knochenmark (zwei bis drei Prozent).
Daher wird im Rahmen dieser Verfahren der gesamte Bauch- und Brustbereich untersucht. Durch eine
Röntgenaufnahme des Brustbereichs klären die Ärzte ab, ob sich bereits Lungenmetastasen gebildet
haben.
Die Magnetresonanztomografie bietet den Vorteil, dass – im Gegensatz zur Computertomografie –
keine Röntgenstrahlen eingesetzt werden. Besonders gute Aufnahmen liefert sie von Gewebestruk­
turen ohne Knochen (Weichgewebe) und den Organen.
Die Ergebnisse von Koloskopie, CT und MRT erlauben eine Zuordnung des Tumors zu einem
Tumorstadium (siehe Seite 18).
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© Engels / Fotolia.com
Schweregrade der Darmkrebserkrankung
Stadieneinteilung: Basis für Therapie und Prognose
Verschiedene Untersuchungsverfahren geben Aufschluss über Größe und Position des Tumors sowie
über seine Ausbreitung im Körper. Um einzuschätzen, wie schwerwiegend die Darmkrebserkrankung ist, orientieren sich die Ärzte an dem sogenannten UICC-Schema (Union internationale
contre le cancer). Es dient als Basis für die Vorgehensweise in der Therapie sowie zur Prognosestellung. ­
Je niedriger das Stadium, desto größer sind die Chancen, dass der Krebs geheilt werden kann.
Stadium
Ausbreitung
Therapie
0
Die Krebszellen befinden sich nur in den
oberen Schichten der Darmschleimhaut, kein
Lymphknotenbefall.
keine (vollständige Entfernung des Tumors bereits während der Koloskopie erfolgt)
I
Der Tumor ist entweder auf die Darmschleimhaut beschränkt oder höchstens bis
zur Muskelschicht der Darmwand vorgewachsen, kein Lymphknotenbefall.
Eine Operation ist ausreichend.
II
Der Tumor hat die äußere Schicht der Darmwand erreicht oder sie durchbrochen und
ist ins Bauchfell oder in umliegende Organe
oder Gewebe eingewachsen, kein Lymphknotenbefall.
In der Regel genügt eine Operation. In bestimmten
Fällen zusätzliche Nachbehandlung mit Chemotherapie, um das Rückfallrisiko zu verringern.
III
IV
18
Darmkrebs mit Lymphknotenbefall, unabhängig von der Ausbreitung des Tumors in der
Darmwand. Darmkrebs mit Fernmetastasen, unabhängig von der Ausbreitung des Tumors in der
Darmwand und dem Befall der Lymphknoten.
Operation, danach wird eine halbjährige Chemotherapie empfohlen, um das Rückfallrisiko zu verringern. Beim Rektumkarzinom kannn zusätzlich
eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie
angewandt werden.
Operation nur, wenn der Primärtumor und einzelne
Metastasen vollständig entfernt werden können
oder wenn sie Beschwerden verursachen. Eine
Chemotherapie wird in jedem Fall empfohlen.
Die vier Säulen der Therapie
Individuelle Entscheidung
Neue zielgerichtete Therapien
Chemotherapie
Strahlentherapie
Operation
Die Behandlung von Darmkrebs hängt entscheidend vom Stadium und vom Tumortyp (Kolon- oder
Rektumkarzinom) sowie vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Eine Therapieentscheidung
muss deshalb für jeden Patienten individuell getroffen werden. Die Darmkrebs-Therapie fußt auf
vier Säulen:
Grundstein der Therapie: die Operation
Bei einer Darmkrebsdiagnose ist ein chirurgischer Eingriff häufig der erste Behandlungsschritt. Dabei entnehmen die Ärzte den betroffenen Darmabschnitt, die umliegenden Lymphknoten
sowie die dazugehörigen Lymph- und Blutgefäße. Ziel ist es, den Tumor möglichst komplett zu
entfernen. In der Regel wird dazu ein größeres Teilstück des Darms herausgeschnitten.
Nach dem Eingriff benötigt der Körper eine gewisse Zeit, bis die Verdauung wieder problemlos funktioniert. So können – je nachdem welcher Darmabschnitt entfernt wurde – Durchfälle auftreten, die
allerdings in der Regel medikamentös gut zu behandeln sind. Generell beginnen Patienten bereits
wenige Stunden nach der Operation, Wasser, Tee, Quark oder Joghurt zu sich zu nehmen. Auf diese
Weise soll der Darm frühzeitig aktiviert werden.
Die Operation
Eine langfristige Diät müssen Patienten nach einer Darmkrebsoperation in der Regel nicht einhalten.
Sie sollten nur auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achten. Erlaubt ist fast alles,
was schmeckt: Jeder Patient sollte dabei auf seinen Körper hören und ausprobieren, welche Speisen er gut verträgt und welche nicht. Ein Ernährungstagebuch kann hier eine Hilfe sein.
Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Ernährungsleitfaden für Patienten mit Darmkrebs
(siehe Seite 38).
Nur in frühen Stadien der Erkrankung lässt sich Darmkrebs durch eine alleinige Operation heilen. In
späteren Stadien wird dann meist zusätzlich eine Chemotherapie durchgeführt. In weit fortgeschrittenen Stadien wird manchmal auch auf eine für den Patienten belastende Operation verzichtet.
Selten dauerhaft: der künstliche Darmausgang
Bei Operationen, in denen die Operationsnaht direkt am Schließmuskel verläuft, legen die Ärzte einen
vorübergehenden künstlichen Darmausgang (Anus praeter, Stoma) an. Auf diese Weise schützen sie die Naht und unterstützen die Heilung. In den meisten Fällen bleibt das Stoma aber
nur für kurze Zeit (circa sechs Wochen) bestehen. Ist die Naht verheilt, kann es im Zuge einer
kleinen Operation verschlossen werden. Der Patient kann den Stuhl dann wieder auf natürlichem Weg
ausscheiden.
Nur fünf Prozent aller Darmkrebspatienten müssen dauerhaft mit einem künstlichen
Darmausgang leben. Bei ihnen liegt der Krebs zu nahe am After, sodass der Schließmuskel oder
eine ausreichende Kontinenz nicht erhalten werden kann.
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Die Strahlentherapie
Nur bei Enddarmkrebs: die Strahlentherapie
Bei der Strahlentherapie (Radiotherapie) handelt es sich um eine lokale Behandlung. Sie kann
Tumorgewebe zielgenau zerstören, wirkt aber nur dort, wo bestrahlt wird. Krebszellen, die sich
bereits im Organismus verteilt haben, werden hingegen nicht erreicht.
Enddarmkrebs bildet neue Tumoren hauptsächlich am Entstehungsort des Ursprungstumors. Sie
­heißen deshalb Lokalrezidive (aus dem Lateinischen: recidere = zurückfallen). Daher wird die Strahlentherapie angewandt, um das Auftreten dieser Lokalrezidive zu verhindern. Vor einer Operation wird
Enddarmkrebs, wenn er nahe am Schließmuskel sitzt, bestrahlt, um den Tumor zu verkleinern und daraufhin mit höherer Wahrscheinlichkeit den sogenannten Sphinkter, also den Schließmuskel, erhalten
zu können. Dadurch bleibt dem Patienten unter Umständen ein dauerhafter künstlicher Darmausgang
erspart.
Die Bestrahlung verläuft nach einem genau festgelegten Behandlungsplan: Sie findet an fünf Tagen
hintereinander und in der Regel mit einer sich anschließenden zweitägigen Pause ambulant über fünf
bis sechs Wochen statt. Jede Bestrahlung dauert etwa zehn Minuten, sodass Patienten den Termin
problemlos in den persönlichen Tagesablauf einbinden können.
Die Strahlentherapie ist schmerzfrei, und die Patienten vertragen sie überwiegend gut. Bei
empfindlicher Haut können Rötungen auftreten, die sich nach der Behandlung aber wieder zurück­
bilden. Um die Haut zu schonen, empfehlen Experten den Betroffenen, sich bis etwa zwei Wochen
nach der Therapie im bestrahlten Bereich nicht zu waschen und keine Cremes zu verwenden.
Während der Therapie kann es mitunter zu einer Darmentzündung mit Durchfall und Bauchschmerzen
kommen. Auch Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen als Folge einer Blasenentzündung sind
möglich. Diese Beschwerden klingen aber erfahrungsgemäß nach einiger Zeit wieder ab. Spätfolgen
sind selten.
Die Chemotherapie
Hocheffektive Behandlung: die Chemotherapie
Chemotherapeutika (auch Zytostatika genannt) sind Medikamente, die die Vermehrung von Krebszellen verhindern. Sie wirken vor allem auf Zellen, die sich häufig teilen. Daher ist ihr Einsatz bei Krebszellen sehr effektiv. Eine Chemotherapie wirkt im ganzen Körper (systemisch) und erreicht so
nicht nur den Krebs im Darm selbst, sondern auch bereits gestreute Tumorzellen in anderen Organen.
Da diese Medikamente über einen Zeitraum von mehreren Monaten gegeben werden müssen, um
möglichst alle im Körper befindlichen Krebszellen abzutöten, leider aber auch häufig starke Nebenwirkungen haben können, erfolgt die Behandlung in sogenannten Zyklen. Nach einer Zytostatika-Gabe
wird eine Therapiepause eingelegt, in der sich die gesunden Zellen erholen können. Häufig kombinieren die Ärzte verschiedene Zytostatika mit dem Ziel, den Tumor sowie eventuell vorhandene
Metastasen so effektiv wie möglich zurückzudrängen.
Bei der Behandlung von Darmkrebs wird die Chemotherapie ab Stadium II eingesetzt. Ab Stadium III
gehört sie zur Standardtherapie. Für gewöhnlich werden Zytostatika direkt in den Blutkreislauf verabreicht. Dies geschieht über eine Infusion und dauert je nach Wirkstoff zwischen zwei und
48 Stunden (Dauerinfusion). Nach einer Behandlung folgt eine Therapiepause von circa zwei bis
drei Wochen.
Therapieschema bei infusionaler Chemotherapie
Therapie
Pause
Zyklus I
Therapie
Pause
Therapie
Zyklus II
Zyklus III
Zeit
22
Pause
Therapie
Pause
Zyklus IV
Mehr Freiraum mit Tabletten
Für Darmkrebspatienten steht auch eine orale Chemotherapie zur Verfügung. Durch eine spezifische Eigenschaft von Tumorzellen kann diese moderne Therapieform nicht nur bequem als Tablette zu Hause eingenommen werden, der Inhaltsstoff wird auch erst direkt und gezielt an der
Tumorzelle wirksam:
Ähnlich einem trojanischen Pferd wird die Substanz der Chemotherapie sozusagen „getarnt“ in den
Körper eingebracht und erst direkt an der Tumorzelle in das wirksame Medikament umgewandelt. Das
funktioniert über zwei Zwischenstationen in der Leber und an der Tumorzelle. Der Wirkstoff wird somit
erst direkt am „Ort des Geschehens“, der Tumorzelle, freigesetzt. Das bedeutet bei hoher Wirksamkeit
eine geringere Belastung für den Körper während der Chemotherapie. Einige übliche Nebenwirkungen fallen in der Regel milder aus – beispielsweise tritt der häufig gefürchtete Haarausfall bei dieser
Therapie nur in sehr seltenen Fällen auf.
Auch die orale Chemotherapie verläuft in Zyklen. Ein Zyklus dauert in der Regel drei Wochen: Der
Patient nimmt das Medikament über zwei Wochen zweimal täglich zu Hause ein, dann folgt eine einwöchige Therapiepause.
Darm
Leber
Tumor
Einnahme der Tabletten
Aufnahme vom
Darm ins Blut
Umwandlung in der Leber zu
unwirksamem Zwischenprodukt
Umwandlung im Tumor zu
wirksamem Medikament
Die zielgerichtete Therapie
Wirkweise: gezielt gegen Tumorwachstum
Die Chemotherapie hat große Erfolge für Patienten mit Darmkrebs gebracht. Allerdings greift sie neben
Krebszellen auch gesunde Körperzellen an. Daher suchten Forscher nach neuen Wirkstoffen im Kampf
gegen den Krebs: Wirkstoffe, die gezielt den Tumor angreifen und das gesunde Gewebe möglichst
unbeeinträchtigt lassen – mit Erfolg.
Für die Behandlung von Darmkrebs stehen zwei zielgerichtete Therapiestrategien, im Englischen „targeted therapies“, zur Verfügung:
óó Zwei Wirkstoffe richten sich speziell gegen den Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR
(englisch: epidermal growth factor receptor) auf den Darmkrebszellen. Sie verhindern die Signalweiterleitung ins Zellinnere und behindern dadurch das Wachstum des Tumors. Diese Wachstumshemmer wirken allerdings nicht bei Darmkrebspatienten, bei denen ein bestimmtes Gen mit
dem Namen K-ras verändert ist. Bei 40 Prozent der Patienten liegt eine solche Veränderung (Mutation) vor. Aus diesem Grund müssen Patienten auf die Mutation getestet werden, bevor diese
Wachstumshemmer eingesetzt werden, um ihnen eine eventuell unwirksame Therapie zu ersparen.
óó Bei der zweiten Therapiestrategie kommt ein sogenannter Angiogenese-Hemmer zum Einsatz.
Er schneidet den Tumor von der Blutversorgung ab und hungert ihn somit regelrecht aus (siehe
Seiten 25-27).
Beide zielgerichteten Therapiestrategien sind für die Behandlung von fortgeschrittenem
Darmkrebs im Stadium IV in Kombination mit einer Chemotherapie zugelassen und werden nach
den aktuellen deutschen ärztlichen Leitlinien als sogenannte First-Line-Therapie, das heißt Erst-Therapiekonzept, bei fortgeschrittenem Darmkrebs empfohlen.
24
Behandlungskonzept: Versorgung des Tumors stoppen
Was auf den ersten Blick sehr kompliziert klingt, ist bei näherer Betrachtung ebenso einfach wie logisch: Tumorzellen benötigen, nicht anders als gesunde Körperzellen, Nährstoffe und Sauerstoff,
damit sie überleben und wachsen können. Ihr Bedarf ist sogar besonders groß, weil sie sich häufig
teilen. Sind die Tumoren kleiner als ein bis zwei Millimeter, versorgen sie sich mit Sauerstoff und
Nährstoffen aus dem sie umgebenden Gewebe. Für das weitere Wachstum reicht das allerdings
nicht aus. Sie sind dann auf die Versorgung über Blutgefäße angewiesen. Damit Tumorzellen in
andere Körperregionen transportiert werden können, müssen sie zuerst in das Gefäßsystem gelangen.
Könnten sich Tumoren nicht mit Blut versorgen, wären sie wahrscheinlich völlig harmlos und innerhalb
kurzer Zeit wieder verschwunden.
Doch Tumorzellen sind erfinderisch: Sie klinken sich in das Blutgefäßsystem des Körpers ein und
sind sogar in der Lage, den Körper dazu zu bringen, neue Blutgefäße zu bilden, die den
Tumor an das Versorgungssystem des Körpers anschließen.
Der Prozess der Gefäßneubildung wird als Angiogenese bezeichnet. Der Begriff leitet sich aus dem
Griechischen ab: Angio = Gefäß, Genese = Entstehung. Die Gefäßneubildung, die durch Tumorzellen initiiert wird, wird entsprechend als Tumor-Angiogenese bezeichnet.
Kommt es zum Versorgungsengpass, senden die Tumorzellen ein Wachstumssignal aus, das die Blutgefäße des Körpers zur Gefäßneubildung anregt. Vermittelt wird dieses Wachstumssignal durch einen
Gefäßwachstumsfaktor, der als vascular endothelial growth factor, abgekürzt VEGF, bezeichnet wird.
Die folgenden Grafiken veranschaulichen diesen Prozess.
Hemmung der Tumor-Angiogenese
Der Tumor als Schmarotzer
Tumor
Blutgefäß
VEGF dockt nun an den Rezeptor auf der Oberfläche von Blutgefäßen an und löst ein Wachstumssignal aus. Sobald die Blutgefäße das
VEGF-Signal empfangen, sprossen neue Blutgefäße aus, und zwar in die Richtung, aus
der die Signale ­kommen.
Wachstumsfaktor
VEGF
durchbluteter Tumor
Wachstumsfaktor
VEGF
26
Um körpereigene Blutgefäße zur Gefäßneubildung anzuregen, produziert der Tumor den
Wachstumsfaktor VEGF und setzt ihn frei.
Bei VEGF (englisch: vascular endothelial growth
factor) handelt es sich um ein kleines Molekül
mit großer Wirkung!
Der Tumor wird schon bald von einem engen
Netzwerk aus Gefäßen umgeben, das mit dem
Blutkreislauf des Patienten verbunden ist.
Er bedient sich der Blutgefäße des Körpers, um
wachsen und um sich weiterverbreiten zu
können. Dieser Prozess schreitet kontinuierlich
fort: Je größer der Tumor wird und je mehr Sauerstoff und Nährstoffe er benötigt, desto mehr
Blutgefäße werden gebildet. Sie versorgen den
Tumor mit allem, was er für sein Wachstum benötigt, und halten ihn am Leben.
Den Tumor aushungern
VEGF-Antikörper
ausgehungerter
Tumor
Die faszinierende Idee, den Tumor von der Blutversorgung abzuschneiden und ihn dadurch
„auszuhungern“, wurde schon in den 70er-Jahren geboren. Realisieren ließ sich das Konzept
jedoch erst, als der Wachstumsfaktor VEGF entdeckt wurde. Die Forscher haben daraufhin einen
Antikörper entwickelt, der perfekt an den
Wachstumsfaktor VEGF bindet und ihn „schachmatt“ setzt. VEGF ist dadurch nicht mehr in der
Lage, an die Rezeptoren der Blutgefäße anzu­
docken und das Signal zur Gefäßneubildung
auszusenden. Die Tumorgefäße bilden sich
nach und nach zurück, neue Tumorge­
fäße entstehen nicht mehr.
Die Tumorzellen werden so vom Blutkreislauf abgeschnitten. Ohne Sauerstoff und Nährstoffe sterben
sie allmählich ab. Der Tumor wird regelrecht ausgehungert.
In klinischen Studien, die 2005 in Deutschland zur Zulassung des VEGF-Antikörpers bei fortgeschrittenem Darmkrebs geführt haben, konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit dem Antikörper
in Kombination mit einer Standard-Chemotherapie das Fortschreiten der Erkrankung im Vergleich zur
alleinigen Chemotherapie um mehrere Monate hinauszögern kann. Auch konnte demonstriert werden,
dass der Angiogenese-Hemmer die Gesamtüberlebenszeit der Patienten im Mittel im Vergleich um
mehrere Monate verlängern kann. Aufgrund seines universellen Wirkmechanismus wird der VEGFAntikörper auch bei fortgeschrittenem Brust- und ­Eierstockkrebs, beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom sowie beim Nierenzellkarzinom eingesetzt.
Hilfe bei Nebenwirkungen
Beschwerden während der Therapie
Chemotherapien wirken vor allem auf Zellen, die sich häufig teilen – deswegen reagieren Tumor­zellen
besonders empfindlich auf Zytostatika. Gleichzeitig schädigen die Medikamente aber auch gesunde Körperzellen – besonders betroffen sind die Zellen, die sich ebenfalls schnell teilen. Dazu
gehören beispielsweise Schleimhautzellen von Mund, Magen und Darm sowie blutbildende Zellen des
Knochenmarks und Haarwurzelzellen. Als Nebenwirkungen sind daher Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schleimhautentzündungen, Veränderungen im Blutbild, Nagelschäden und Haarausfall möglich.
Während der Chemotherapie fühlen sich viele Krebspatienten zudem sehr müde und erschöpft. Einen
Großteil der Nebenwirkungen können Ärzte gut behandeln und lindern. In schweren Fällen
besteht die Möglichkeit, die Dosis der Medikamente zu verändern oder auf andere Wirkstoffe zurückzugreifen.
Jeder Schritt zählt
Die im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftretende Form der Erschöpfung wird als Fatigue
bezeichnet und betrifft etwa 90 Prozent der Krebspatienten. Als Ursache diskutieren Experten
ein Zusammenspiel der Faktoren Tumorbefall, Blutarmut, Belastung durch Chemo- und Strahlentherapie sowie Probleme bei der Verarbeitung der Krankheit. Wie bei den meisten anderen Nebenwirkungen klingt die Fatigue einige Zeit nach Ende der Therapie ab. Auch wenn es schwierig scheint, sind
Schonung und Ruhe hier die falsche Strategie. Besser ist es, sich regelmäßig zu bewegen, beispielsweise täglich spazieren zu gehen. Tipps für ein individuelles Bewegungsprogramm finden Sie unter:
www.darmkrebszentrale.de
Nebenwirkungen können, müssen aber nicht auftreten und sind kein Anzeichen für die
Wirksamkeit einer Therapie! Falls Sie Beschwerden haben, sollten Sie Ihren Arzt auf jeden Fall
darüber informieren. Nach Abschluss der Behandlung klingen die meisten Folgen einer Chemotherapie rasch ab.
28
Medikamente lindern Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
Zytostatika lösen häufig Übelkeit und Erbrechen aus. Für Zytostatika gegen Darmkrebs wird dieses
Risiko allerdings als niedrig bis mäßig eingestuft. Gegen Übelkeit und Erbrechen helfen beispielsweise sogenannte Antiemetika, die schon vor der Behandlung eingenommen werden und
somit diese Nebenwirkungen bereits im Vorfeld verhindern bzw. lindern können.
Auch Durchfall ist als Folge von Veränderungen an der Darmschleimhaut eine Nebenwirkung der
Chemotherapie. Starker Durchfall führt zu einem hohen Flüssigkeitsverlust, der wiederum Schwindel,
Müdigkeit und Blutdruckabfall verursachen kann. Deshalb ist es wichtig, ausreichend zu trinken.
Auch diese Nebenwirkung lässt sich medikamentös in der Regel gut eindämmen.
Ein bewährtes Hausmittel bei Durchfall sind Rosinen: Sie gleichen verloren gegangene Mineralstoffe
aus und haben eine stopfende Wirkung. Mehr Ernährungstipps finden Sie in der Broschüre „Zeit für
mich. Leben mit Krebs – ein Ratgeber“ (siehe Seite 38).
Vitamin B1 gegen Kribbeln
Unangenehmes Kribbeln sowie Schmerzen in Armen und Beinen sind mögliche Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Die Berührungsempfindlichkeit kann dabei eingeschränkt sein. Empfindungen dieser Art gehen auf eine Schädigung der Nervenbahnen an Händen und Füßen zurück. Hier können spezielle Medikamente schmerzlindernd wirken. Die Einnahme von Vitamin B1 kann ebenfalls
helfen. Das Vitamin ist beispielsweise in Vollkornbrot oder Hefe enthalten. Darüber hinaus können Bewegung und physiotherapeutische Anwendungen wie eine Fußreflex­zonenmassage hilfreich sein.
Hilfe bei Nebenwirkungen
Regelmäßige Kontrolle des Blutbilds
Zytostatika können die Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die für die Immunabwehr notwendig sind, vorübergehend senken. Dadurch steigt das Risiko für Infektionen. Während
einer Chemotherapie kontrollieren die Ärzte daher regelmäßig das Blutbild. Sinkt die Leukozytenanzahl
drastisch, unterbrechen sie die Behandlung oder verlängern die zeitlichen Abstände zwischen den
Zytostatika-Gaben. Bei Chemotherapien mit hohem Risiko des Absinkens der weißen Blutkörperchen
kann dieser Nebenwirkung medikamentös vorgebeugt werden.
Auch die Anzahl roter Blutkörperchen kann während der Therapie abnehmen. Daraus entwickelt sich
mitunter eine Blutarmut (Anämie), die mit Müdigkeit und Leistungsabfall einhergehen kann. Ist die
Anämie sehr ausgeprägt, erhalten Patienten verschiedene Medikamente, die die Anzahl der roten
Blutkörperchen wieder erhöhen.
Nicht zwingend: Haarverlust
Nicht alle Zytostatika führen zwangsläufig zu Haarausfall. Art und Ausprägung des Verlusts der Körperbehaarung hängen vom verwendeten Medikament ab und sind von Person zu Person unterschiedlich. Vor allem Frauen­ belastet es, wenn ihnen während einer Chemotherapie die Haare ausfallen.
Manche tragen dann ein Tuch, andere bevorzugen eine Perücke. Die Kosten für einen Haarersatz
übernehmen die Krankenkassen. Empfehlenswert ist, sich die Perücke bereits vor der Chemotherapie
verordnen und vom Friseur anpassen zu lassen. Tröstlich ist, dass alle ausgefallenen Haarwurzeln
nahezu unmittelbar nach der Chemotherapie wieder zu wachsen beginnen. Etwa drei
Monate später bedecken die Haare oft schon den gesamten Kopf.
30
Bei einer Therapie mit EGFR-Hemmern (siehe Seite 24) kann ein sogenannter „skin rash“ auftreten.
Dabei handelt es sich um einen schweren akneähnlichen Hautausschlag, der sich vor allem auf
trockenen Körperstellen entwickelt. Betroffene sollten daher trockene Haut vermeiden, indem sie Duschöle und feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte verwenden. Außerdem sollten
sie auf Sonnenbäder verzichten. Kommt es zu einem schweren „rash“, wird mit Steroiden
und/oder Antibiotika behandelt.
Salben helfen beim Hand-Fuß-Syndrom
Infolge einer Chemotherapie können schmerzhafte Rötungen an den Handflächen und Fußsohlen auftreten. Ärzte sprechen hier vom Hand-Fuß-Syndrom. Die dauerhafte Pflege mit
einer fettenden Creme hilft, die Symptome abzumildern. Patienten sollten außerdem oberflächliche Belastungen der Haut wie Kratzen, den Umgang mit Werkzeugen oder den Kontakt
mit heißem Wasser vermeiden. Ärzte verwenden zur Behandlung auch
Schmerzmittel. Je nach Ausmaß des Hand-Fuß-Syndroms kann es notwendig werden, dass die Chemotherapie angepasst oder unterbrochen wird.
Medikamente senken den Bluthochdruck
Die Gabe des Angiogenese-Hemmers (siehe Seite 24) kann zu therapiebedingtem Bluthochdruck
führen. Dieser lässt sich mit den üblichen blutdrucksenkenden Medikamenten in der Regel gut einstellen und normalisiert sich nach Ende der Therapie in der Regel wieder.
© Kryu / iStockphoto.com
Mit Cremes Hautausschlag vorbeugen
Nach der Therapie
Rehabilitation: Angebote nutzen
Die Krebstherapie ist körperlich und seelisch sehr belastend, und auch nach ihrem Abschluss halten
die Strapazen der medizinischen Behandlung für einen gewissen Zeitraum noch an. Der Körper ist
meist noch geschwächt, die große Belastung vielfach spürbar – und für die Verarbeitung der Krebserkrankung blieb bislang wenig Zeit. Gerade deshalb ist es sinnvoll und hilfreich, nach Beendigung der
Therapie Angebote zur Rehabilitation zu nutzen. Das können Kuren in spezialisierten Rehakliniken sein
oder ambulante Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massagen, Entspannungsübungen, Einzel- und
Gruppengespräche sowie eine umfassende Ernährungsberatung. Ziel der Rehabilitation ist, die akuten
Auswirkungen der Behandlung zu mildern, die körperliche Leistungsfähigkeit so weit wie möglich
wiederherzustellen und Langzeitfolgen vorzubeugen. Zusätzlich erhalten die Patienten individuelle Hilfestellungen, um die Krankheit seelisch zu bewältigen.
Wie beantrage ich eine Rehabilitation und wer bezahlt die Maßnahmen?
In der Regel haben Patienten im Anschluss an die Krebsbehandlung Anspruch auf Leistungen
im Rahmen der Rehabilitation. Als Betroffene/r können Sie eine Reha bei Ihrer Krankenkasse, der Rentenversicherung oder beim Sozialamt beantragen, aber auch der Sozialdienst in
Ihrem Krankenhaus kann Sie direkt für eine Rehabilitation anmelden. In diesem Fall wird die
Maßnahme rückwirkend durch die entsprechenden Stellen genehmigt. Die Rehabilitation kann
stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen und dauert gewöhnlich drei Wochen. Gesetzlich
versicherte Patienten können sich von den zentralen Reha-Servicestellen über mögliche RehaAngebote beraten lassen. Ihre Krankenkasse gibt Ihnen Auskunft. Eine Übersicht der RehaServicestellen finden Sie auch im Internet unter: www.reha-servicestellen.de
32
Anschlussheilbehandlung oder onkologische Rehabilitationsleistung?
Generell unterscheidet man im Rahmen der Rehabilitation zwischen der Anschlussheilbehandlung
und der sogenannten onkologischen Rehabilitationsleistung. Letztere nutzen vor allem Betroffene, die
sich nach einem längeren Krankenhausaufenthalt im privaten Umfeld erholen möchten. Dieses RehaAngebot können Patienten oder ihre Ärzte in der Regel nach Abschluss der Erstbehandlung bis zu
einem Jahr später beantragen.
Im Gegensatz dazu beginnt die Anschlussheilbehandlung, wie der Name signalisiert, direkt nach der
Therapie und muss daher frühzeitig beantragt werden. Ein Vorteil besteht darin, dass der Sozialdienst
der behandelnden Klinik die Anmeldeformalitäten für die Anschlussheilbehandlung übernehmen kann.
Es müssen dabei gewisse Fristen beachtet werden:
Beantragung der Anschlussheilbehandlung
Die Therapie umfasste ausschließlich eine Operation: zwei Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt
Die Therapie umfasste eine Operation und anschließend eine Chemotherapie:
zwei Wochen nach der letzten Chemotherapie
Die Therapie umfasste eine Operation, (eine Chemotherapie) und eine Bestrahlung: vier Wochen nach der letzten Bestrahlung
Da die Folgen einer Krebstherapie von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind, ist es ratsam, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt den Zeitpunkt der Rehabilitation festzulegen.
Regelmäßige Nachsorge
Engmaschige Kontrolle über fünf Jahre
Auch wenn der Tumor vollständig entfernt werden konnte, sind regelmäßige Nachsorgeunter­
suchungen notwendig, um einen Rückfall zu erkennen und zu behandeln. Die Gefahr ist in den
ersten beiden Jahren am größten und sinkt dann kontinuierlich. Erleidet der Patient innerhalb von fünf
Jahren keinen Rückfall, gilt er als geheilt. Das intensive Nachsorgeprogramm erstreckt sich deshalb über insgesamt fünf Jahre mit halbjährlicher Überwachung. Nur wenn der Darmkrebs in
einem sehr frühen Stadium (UICC-Stadium I, siehe Seite 18) entdeckt wurde, kann auf die Nachsorge
verzichtet werden. Nach Entfernung kolorektaler Karzinome im UICC-Stadium II oder III wird folgendes
Nachsorgeprogramm empfohlen:
óó Befragung (Anamnese), insbesondere nach Verdauungsproblemen, und körperliche Untersuchung alle sechs Monate;
óó Koloskopie: sechs Monate nach der Operation, wenn vor der Operation keine vollständige
Darmspiegelung durchgeführt werden konnte, andernfalls erstmals nach drei Jahren;
óó Bestimmung des Tumormarkers CEA im Blut alle sechs Monate. Eine Erhöhung des
­Tumormarkerwerts deutet auf ein Fortschreiten der Krankheit hin;
óó Ultraschalluntersuchung von Bauchraum und Leber alle sechs Monate.
34
Nach Entfernung kolorektaler Karzinome im UICC-Stadium II oder III empfehlen Experten fol­gendes
Nachsorgeprogramm:
Untersuchung
Monate
6
12
18
24
36
48
60
óó Anamnese, körperliche
Untersuchung, CEA-Bestimmung
X
X
X
X
X
X
X
óó Darmspiegelung
X*
X
óó Ultraschall des Bauchraums
X
X
X
X
X
X
X
óó Sigmoidoskopie**
X
X
X
X
* nur, wenn vor der Operation keine vollständige Darmspiegelung durchgeführt wurde
**nur beim Rektumkarzinom, wenn keine neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie durchgeführt wurde
Nach Schmiegel, W. et al.: S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, Z. Gastroenterol 2008: 46: 1-73
Konnte der Darmkrebs nicht vollständig operativ entfernt werden (Stadium IV), wird der weitere
Unter­suchungsplan individuell mit dem Arzt besprochen.
Zurück im Alltag
Schritt für Schritt zur normalen Ernährung
Nach einer Darmkrebsoperation ist eine gesunde, ausgewogene Kost wichtig, die den Körper
mit allem versorgt, was er benötigt. Denn eine gesunde Ernährung wirkt sich auch positiv
auf den Allgemeinzustand aus und steigert so die Lebensqualität. Ein guter Anhaltspunkt sind die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de). Auch
während der Rehabilitation erhalten Patienten sicherlich viele Informationen zu diesem Thema.
Es kann jedoch etwas dauern, bis sie ihre gewohnte Ernährung wieder vertragen. Sie können bisweilen unter Verdauungsproblemen wie Durchfall, Verstopfung oder Blähungen leiden. Manche Patienten
verspüren eine Zeit lang häufigen und heftigen Stuhldrang. Ein Arzt oder ein Ernährungsberater
kann ihnen helfen, sich schrittweise an normale Mahlzeiten zu gewöhnen. Auf das Rauchen sollten
Betroffene möglichst verzichten.
Leben mit dem Stoma
Bei einem geringen Teil der Patienten mit Enddarmkrebs können die Ärzte den Schließmuskel nicht
erhalten, sodass die Betroffenen dauerhaft einen künstlichen Darmausgang benötigen. Der Umgang mit dem sogenannten Stoma wird in intensiven Schulungen genau gezeigt. An den meisten
größeren Kliniken und Darmzentren arbeiten speziell ausgebildete Stomatherapeuten, die die Betroffenen über die Anpassung der Ernährung und das richtige Wechseln der Beutel
informieren. Sie erläutern ihnen außerdem, wie sie die Stuhlentleerung beeinflussen können. Eine Geruchsbelästigung brauchen sie nicht zu befürchten: Die modernen Stomabeutel sind absolut
geruchsfrei. Wenn die Patienten sich an den Umgang gewöhnt haben, können sie wie vorher am
Leben teilhaben, auch Sport treiben oder ein Schwimmbad aufsuchen. Eine unbeschwerte Sexualität
ist ebenfalls möglich.
Mehr Informationen finden Sie unter www.ilco.de, einer Selbsthilfeorganisation, die sich auf die In­
formation und Unterstützung von Menschen mit Darmkrebs (mit und ohne Stoma) spezialisiert hat.
36
Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen als Ausgleich
Regelmäßige Bewegung ist wichtig, auch oder gerade nach einer Krebsoperation. Sie kann dem
­Fatigue-Syndrom entgegenwirken, die Muskeln wieder aufbauen, das Herz-Kreislauf-System in
Schwung bringen, den Stoffwechsel anregen und die Stimmung verbessern. Patienten sollten es
aber langsam angehen lassen. Bereits in der Klinik oder der Reha können Physiotherapeuten den
Betroffenen einfache Übungen für zu Hause zeigen. Wenn sie sich fit genug fühlen, können Patienten
früher betriebene Sportarten wieder aufnehmen. Auch wer bislang keinen Sport gemacht hat, sollte für
regelmäßige Bewegung sorgen. Ideal sind Wandern, Nordic Walking, Fahrradfahren und Schwimmen.
Informationen und Adressen
Darmkrebs
Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige
Hermann Delbrück
Kohlhammer Verlag, 2004
ISBN 978-3-17-018314-8
Hilfe bei Darmkrebs
Hans-Dieter Allescher, Astrid Kors, Verena Drebing, Christa Maar (Hrsg.)
TRIAS Verlag, 2004
ISBN 978-3-830-43159-6
Darmkrebs Patientenratgeber
Hans-Joachim Schmoll, Michael Bamberg, Werner Hohenberger
Abw Wissenschaftsverlag, 2008
ISBN 978-3936072853
Ernährungsleitfaden
Für Patienten mit Darmkrebs.
Mit vielen Tipps und Rezepten!
38
Ernährungsleitfaden
Roche Pharma AG
Zum Bestellen oder als Download: www.roche.de/pharma/indikation/
onkologie/darmkrebs
Kursbuch Darmkrebs
Ernst-Dietrich Kreuser,
Katrin Würdinger
Südwest-Verlag, 2006
ISBN 978-3-517-06998-2
Krebs ganzheitlich behandeln
Josef Beuth
TRIAS Verlag, 2007
ISBN 978-3-830-43374-3
Thema Krebs
Hilke Stamatiadis-Smidt,
Harald zur Hausen, Otmar D. Wiestler
Springer Verlag, 2006
ISBN 978-3-540-25792-9
Zeit für mich
Leben mit Krebs – ein Ratgeber
Roche Pharma AG
Zum Bestellen oder als Download:
www.roche.de/pharma/indikation/
onkologie/darmkrebs
Zeit für mich
Leben mit Krebs – ein Ratgeber
Deutsche ILCO e. V.
Selbsthilfeorganisation für Stomaträger
und Menschen mit Darmkrebs
Thomas-Mann-Str. 40
53111 Bonn
Tel.: 0228 / 33 88 94-50
Fax: 0228 / 33 88 94-75
E-Mail: info@ilco.de
Internet: www.ilco.de
Felix Burda Stiftung
Arabellastr. 27
81925 München
Tel.: 089 / 9250-2501
Fax: 089 / 9250-2713
E-Mail: kontakt@felix-burda-stiftung.de
Internet: www.felix-burda-stiftung.de
Deutsche Arbeitsgemeinschaft
für Psychosoziale Onkologie e. V. (dapo)
Kardinal-von-Galen-Ring 10
48149 Münster
Tel.: 0700 / 20 00 66 66
(Mo.-Fr. von 9-18 Uhr 12,4 Cent pro Minute, zu allen anderen Zeiten 6,2 Cent pro Minute)
E-Mail: info@dapo-ev.de
Internet: www.dapo-ev.de
Deutsche Krebshilfe e. V.
Buschstr. 32
53113 Bonn
Tel.: 0228 / 7 29 90-0
Fax: 0228 / 7 29 90-11
E-Mail: deutsche@krebshilfe.de
Internet: www.krebshilfe.de
Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
TiergartenTower
Straße des 17. Juni 106-108
10623 Berlin
Tel.: 030 / 322 93 29-0
Fax: 030 / 322 93 29-66
E-Mail: service@krebsgesellschaft.de
Internet: www.krebsgesellschaft.de
LebensBlicke
Stiftung Früherkennung Darmkrebs
Geschäftsstelle
Haus R
Bremserstr. 79
67063 Ludwigshafen
Tel.: 0621 / 503-28 38
Fax: 0621 / 503-28 39
E-Mail: stiftung@lebensblicke.de
Internet: www.lebensblicke.de
Krebsinformationsdienst KID
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
Tel.: 0800 / 420 30 40 (täglich 8-20 Uhr;
kostenlos aus dem deutschen Festnetz)
E-Mail: krebsinformationsdienst@dkfz.de
Internet: www.krebsinformationsdienst.de
Informationen und Adressen zu psychosozialen Krebsberatungsstellen für Patienten
und Angehörige erhalten Sie beim Krebsinformationsdienst KID und bei der Deutschen
Krebshilfe.
Glossar
A
C
Adenom
gutartige Geschwulst aus Drüsenzellen der
Schleimhaut.
Anti-Angiogenese
Unterdrückung der Angiogenese, also der
Bildung neuer Blutgefäße.
adjuvante Therapie
unterstützende Behandlung nach operativer Entfernung des Tumors. Das Ziel der
Operation ist die vollständige Entfernung
des vom Darmkrebs befallenen Gewebes.
Die adjuvante Therapie soll die Operation
darin unterstützen, indem sie im Körper
verbliebene Tumorzellen beseitigt.
Antikörper
Bestandteil des körpereigenen Abwehrsystems; Antikörper binden Fremdstoffe, wie
z. B. Giftstoffe und Viren, und machen sie
unschädlich. In der Medizin können Antikörper zu diagnostischen und zu Behandlungszwecken eingesetzt werden.
Anamnese
Krankengeschichte; Art, Beginn und Verlauf
der (aktuellen) Beschwerden, die im ArztPatienten-Gespräch erfragt werden.
Angiogenese
(Neu-)Bildung von Blutgefäßen. Tumoren
regen durch Ausschüttung bestimmter
Wachstumsfaktoren (z. B. VEGF) die
Angiogenese an, um ihren Sauerstoff- und
Nährstoffbedarf zu sichern.
Angiogenese-Hemmung
Verhinderung der Neubildung von Blutgefäßen. Dient dazu, den Tumor von der Blutund Nährstoffversorgung abzuschneiden.
40
Anus praeter
künstlicher Darmausgang in der Bauchhaut.
Kann vorübergehend zur Unterstützung
der Heilung des operierten Darmabschnitts
oder dauerhaft zur Ausleitung des Stuhls
eingesetzt werden.
Carcino-Embryonales Antigen (CEA)
spezieller Eiweißstoff, der vom wachsenden
Tumor gebildet und ins Blut abgegeben
wird. Wichtigster Tumormarker bei Darmkrebs (siehe auch Tumormarker).
Chemotherapie
Allgemein wird unter Chemotherapie
die Hemmung von Infektionserregern
oder Tumorzellen im Organismus durch
Verwendung von Medikamenten verstanden. Bei Krebserkrankungen versteht man
unter Chemotherapie in der Regel die
Behandlung mit Medikamenten, die das
Zellwachstum oder die Zellteilung hemmen
(Zytostatika).
Colitis ulcerosa
chronisch-entzündliche Erkrankung der
Darmschleimhaut, häufig mit Blut im Stuhl.
Computertomografie (CT)
computergestütztes röntgendiagnostisches
Verfahren zur Herstellung von Schnittbildern (Tomogrammen, Quer- und Längsschnitten) des menschlichen Körpers. Die
Bilder errechnet der Computer mithilfe von
Röntgenstrahlen, die durch die zu untersuchende Schicht hindurchgeschickt werden.
D
Darmpolypen
Wucherungen der Darmschleimhaut.
Darmspiegelung
siehe Koloskopie.
E
EGFR
Abkürzung für epidermal growth factor
receptor (epidermaler WachstumsfaktorRezeptor). EGFR ist bei verschiedenen
Tumorarten, auch bei Dickdarm- und
Enddarmkrebs, häufig hoch- oder fehlreguliert, sodass es zu einem unkontrollierten
Tumorwachstum kommt.
Endoskop
schlauchförmiges Untersuchungsgerät mit
einer Mini-Kamera an der Spitze, das bei
der Darmspiegelung zum Einsatz kommt.
F, H, I
Familiäre adenomatöse Polyposis
(FAP)
Erbkrankheit mit vermehrter Polypenbildung
im Darm.
Fatigue
häufige Begleiterscheinung einer Krebserkrankung, gekennzeichnet durch Erschöpfung, Abgeschlagenheit und Müdigkeit.
Hand-Fuß-Syndrom (HFS)
schmerzhafte, gerötete Schwellungen an
den Handflächen und Fußsohlen. Können
als Nebenwirkung einer Chemotherapie
auftreten.
Infusion
Verabreichung einer Flüssigkeit in den
Körper; in der Regel intravenös, also in eine
Vene.
Kernspintomografie
(Magnetresonanztomografie, MRT)
bildgebendes Untersuchungsverfahren,
erzeugt Schnittbilder von Organen mithilfe
starker Magnetfelder.
Kolon
Dickdarm.
kolorektal
Kolon (Dickdarm) und Rektum (Enddarm)
betreffend.
Koloskopie
Darmspiegelung.
K
L
Kapselendoskopie
Untersuchung, bei der der Patient eine
Kapsel mit einer Kamera schluckt, die später Bilder aus dem Körper liefert.
Lymphknoten
Die linsen- bis bohnengroßen Lymphknoten
sind an zahlreichen Stellen des Körpers
(Lymphknotenstationen) Filter für das
Gewebewasser (Lymphe) einer Körperregion. Die oft verwendete Bezeichnung
Lymphdrüsen ist falsch, da die Lymphknoten keinerlei Drüsenfunktion besitzen. Die
Lymphknoten sind ein wichtiger Teil des
Immunsystems.
Karzinom
Geschwulst, die aus Deckgewebe (Epithel) entsteht. Karzinome besitzen viele,
hinsichtlich des Gewebeaufbaus und des
Wachstums unterscheidbare Formen (z. B.
Adenokarzinom = von Drüsen ausgehend,
Plattenepithelkarzinom = von Plattenepithel
tragenden Schleimhäuten ausgehend).
Glossar
M
O
R
Metastase (Tochtergeschwulst)
Absiedelung eines bösartigen Tumors
in andere Organe durch die Verbreitung
bösartiger Zellen über das Blut oder die
Lymphe. Eine Metastase, die auf dem Blutoder Lymphweg übertragen und fern des
ursprünglichen Tumors angetroffen wird,
bezeichnet man als Fernmetastase.
okkult
versteckt, verborgen (lateinisch: occultus).
rash
Hautausschlag, der als Nebenwirkung einer
Behandlung auftreten kann.
Morbus Crohn
chronisch-entzündliche Darmerkrankung.
Mutation
Veränderung in der Struktur des Erbgutes.
N
neoadjuvante Therapie
unterstützende Behandlung vor einer Operation zur Reduktion der Tumormasse mit
dem Ziel, die Operation zu erleichtern.
Okkultblut-Test
Test, mit dem im Stuhl verborgenes, mit
bloßem Auge nicht sichtbares Blut nachgewiesen wird.
Rektum
Enddarm, Mastdarm, letzter Teil des Dickdarms vor dem Darmausgang.
orale Chemotherapie
Chemotherapie in Tablettenform, die der
Patient zu Hause durchführen kann.
Rezidiv
erneutes Auftreten eines Tumors nach einer
erscheinungsfreien Periode.
P
S
Peristaltik
Muskeltätigkeit der Hohlorgane wie Speiseröhre, Magen und Darm sowie Harnleiter,
Eileiter und Uterus. Im Dickdarm wird der
Speisebrei durch die wellenförmigen Bewegungen transportiert.
Sigma (Colon sigmoideum)
S-förmig verlaufender Teil des Dickdarmes
vor dem Enddarm.
Polypen
Wucherungen der Schleimhaut.
Prävention
Vorbeugung.
Prognose
Vorhersage über den möglichen Verlauf
einer Krankheit.
42
Sigmoidoskopie
Untersuchung der unteren Dickdarmanteile
einschließlich des Enddarms. Das Sigmoid
(auch: Sigmaschleife) ist der Dickdarmabschnitt vor dem Enddarm.
Stoma
künstlicher Darmausgang in der Bauchhaut.
Kann vorübergehend zur Unterstützung
der Heilung des operierten Darmabschnitts
oder dauerhaft zur Ausleitung des Stuhls
eingesetzt werden.
Z
Stuhltest
Test, mit dem im Stuhl verborgenes, mit
bloßem Auge nicht sichtbares Blut nachgewiesen wird.
Symptome
Anzeichen einer Erkrankung.
systemische Wirkung
Wirkung eines Arzneimittels auf den ganzen
Körper (System). Das Medikament wird
in den Blutkreislauf aufgenommen und so
im gesamten Körper verteilt. Im Gegensatz
dazu gibt es Arzneimittel, die nur an einer
speziellen Stelle ihre Wirkung entfalten.
T, U, V
Tumor
unkontrolliert wachsende Zellwucherungen,
die im gesamten Körper auftreten können.
Tumormarker
Stoffe, deren Nachweis - oder genauer gesagt - deren erhöhte Konzentration im Blut
einen Zusammenhang mit dem Vorhandensein und/oder dem Verlauf bösartiger
Tumoren aufweisen kann.
UICC-Stadieneinteilung
Schema, nach dem die Ärzte den Schweregrad einer Krebserkrankung beurteilen und
das als Basis für die Therapieentscheidung
und Prognosestellung dient.
VEGF
(englisch: vascular endothelial growth
factor/vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor). VEGF ist ein Wachstumsfaktor, der
die Neubildung von Blutgefäßen anregt. Er
wird vom Tumor in die Blutbahn ausgeschüttet und bindet an Zellen benachbarter
Blutgefäße. Diese werden zum Wachstum
und zur Bildung neuer Blutgefäße angeregt
(siehe auch Angiogenese).
W
Wachstumsfaktoren
körpereigene Stoffe, die das Wachstum
von normalen, aber auch von Krebszellen
stimulieren können (siehe auch VEGF).
Wachstumshemmer (Darmkrebs)
Wirkstoff, der sich gezielt gegen den
Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR (epidermal growth factor receptor) auf den Darmkrebszellen richtet und diesen blockiert.
Dadurch wird das Wachstum des Tumors
gestoppt.
zielgerichtete Therapie
Therapie, die – im Gegensatz zur Chemotherapie – direkt am Tumor wirkt und nicht
den gesamten Körper angreift.
Zyklus
Abfolge der Chemotherapie. Ein Zyklus
besteht aus Tagen, in denen Zytostatika
verabreicht werden, und behandlungsfreien
Tagen.
Zytostatika
natürliche oder synthetische Substanzen,
die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen. Sie werden vor allem zur
Behandlung von Krebs (Chemotherapie)
eingesetzt.
Roche Pharma AG
D-79630 Grenzach-Wyhlen
roche-onkologie.de