Pilgern bringt Menschen dem Wesen ihrer Existenz näher
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Pilgern bringt Menschen dem Wesen ihrer Existenz näher
Nr. 46 - Mai 2008 Liebe Leserin! Lieber Leser! Die Jakobsmuschel ist seit Jahrtausenden das zentrale Symbol für die Pilger auf den Pilgerwegen nach Satiago de Compostela. Foto: Fink Pilgern heißt, sich der Bürde des Fremdseins auszusetzen, mit der Routine des Alltags zu brechen. Pilgern hilft, seelische und materielle Dimension des Daseins ins Gleichgewicht zu bringen. Pilgern bringt Menschen dem Wesen ihrer Existenz näher Pilgern boomt. Und wie. Die Leute machen sich tatsächlich auf den Weg – meistens den Jakobsweg. Als einer, der sich seit 15 Jahren intensiv mit der Tradition des Pilgerns und der Geschichte der Pilgerwege und -orte auseinander setzt, sehe ich die Entwicklung der letzten zehn Jahre mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit lachendem Auge Lachend, weil es doch meine Absicht war, nach meiner Rückkehr von einer zweimonatigen Pilgerreise von Arles nach Santiago de Compostela die österreichischen Routen der Pilger zu erforschen, zu rekonstruieren, und so die wunderbare, urmenschliche Tradition des Pilgerns wieder in meine Heimat zu bringen. Hatte ich doch selbst erlebt, wie das Pilgern und die unzähligen bereichernden und berührenden Begegnungen auf dem Weg den Menschen verändern, erneuern, wieder zu sich kommen, seinen Lebensweg neu definieren, ja manchmal sogar einen neuen Zugang zu Gott finden lassen. Gerade heute, wo unser Leben immer mehr von Geschwindigkeit, Leistungsdruck und Egoismus (Stichwort Ich-AG) geprägt wird, wo wir Lebensqualität fast ausschießlich materiell definieren, kann uns so eine Zeit der Entschleunigung, der bewussten Reduktion auf das Wesentliche wieder dem Wesentlichen unserer Existenz näher bringen. Denn nichts anderes heißt „peregrinus“. Nach der uralten Praxis der irischen Wandermönche ist der „peregrinus“ der Fremde, der aus religiösen, spirituellen Motiven seine Heimat verlässt, sich auf den Weg macht, sich freiwillig der Bürde des Fremdseins aussetzt. Wobei die Fremde heute, wo wir McDonalds, Coca Cola und Becksbier weltweit konsumieren können, etwas anderes bedeutet als vor 800 Jahren. Bewusster Bruch Ich interpretiere das „sich der Fremde Aussetzen“ als bewussten Bruch mit der Routine des Alltags, das heißt, eine bestimmte Zeit ohne Fernseher, Zeitung, Handy, Auto, gewohnten Wohn- und Schlafkomfort usw. auszukommen. Als wenn ich Exerzitien mache, nur gehend, damit mich die Seele wieder kungen“, die in Zeiten der Herrschaft des Marktes anscheinend zwangsläufig sind: Pilgern wird zum (Folklore-) Produkt, das von Managern, Touristikern und EU-Funktionären designt, vermarktet, verwaltet und für eher ökonomische als spirituelle Ziele instrumentalisiert wird. Ist das alles „Pilgern“? Peter Lindenthal. Foto: Pedrop einholen kann. Und manchmal oder oft auch schweigend. Ja, mein lachendes Auge ist weit offen, denn immer mehr Menschen erkennen, dass in ihrer seelischen Balance etwas nicht stimmt, und begeben sich auf die Suche nach Antworten. Es geht darum, die seelische und materielle Dimension unseres Menschseins, beide gleich wichtig, wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Warum aber das weinende Auge? – Die wachsende Zahl von Pilgern hat „Nebenwir- Man pilgert nicht mehr, man „macht“ die Jakobswege, hakt einen nach dem anderen auf seiner „to-doListe“ ab, mit dem Fahrrad, mit dem Begleitfahrzeug (zum Gepäckstransport und für den Fall, dass ich einmal keine Lust zum Gehen habe), mit dem Mietwagen, mit geführten Gruppen inklusive Halbpension im Vier-SterneHotel oder im Laufschritt mit der Stoppuhr in der Hand, um Rekorde aufzustellen. Um nicht missverstanden zu werden: Radfahren und Wandern auch ohne Rucksack ist gut und gesund, auch auf dem Jakobsweg. Kulturtourismus ist gut und wichtig. Busreisen sind für viele Menschen die einzige Möglichkeit, andere Länder kennen zu lernen und eben auch nach Santiago zu kommen. Aber muss ich das alles „pilgern“ nennen? Wo bleibt da der „peregrinus“, der sich der Bürde des Fremdseins aussetzt? Hat irgendjemand behauptet, die Suche nach sich selbst und nach Gott sei eine nette Wanderung und nicht mühselig – wie das Gehen mit einem Rucksack oder überhaupt das Leben? Gerade die Kirche – es heißt ja für mich zu Recht – „Kirche, Volk Gottes unterwegs“ – hat hier die wichtige Aufgabe, den Begriff des Pilgerns offensiv und positiv zu besetzen, und zu verhindern, dass er banalisiert und für andere Zwecke instrumentalisiert wird. Volk Gottes unterwegs Als Hilfestellung für all jene, die sich als Pilger auf den Weg machen wollen, ein kurzes Gedicht von Pablo Neruda, dem großen chilenischen Dichter, in dem er – und nur die Poesie kann das! – das Wesentliche des Pilgerns in der kürzest möglichen Form zusammenfasst: „Nur drei Dinge nahm er auf seine Pilgerreise – die Augen, geöffnet für die Weite, die Ohren, gespitzt und den leichten Schritt …“ Peter Lindenthal, Innsbruck, ist „Pilger-Forscher“ und Autor mehrerer Bücher vor allem über Jakobswege. Geschwindigkeit, Leistungsdruck, Stress. Kaum jemand entkommt den Anforderungen unseres Alltags, der uns irgendwann sogar an die Grenzen der Leistungsfähigkeit bringen kann. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Menschen fragen, was denn der Sinn hinter all dem sein soll und sich auf die Suche nach sich selbst machen. Auch das mag ein Grund sein, warum das Pilgern derzeit so boomt. Warum immer mehr Menschen ihre Wanderschuhe schnüren und sich auf den Weg machen. Und erfahren, dass es etwas Besonderes ist, wenn man mit sich und seinen Gedanken unterwegs ist, wenn das Tempo des Alltags auf die eigene Gehgeschwindigkeit reduziert wird. Moment hat sich umgehört und sich auf die Spuren des Pilgerns und jener Menschen begeben, die den Alltag losgelassen haben. Christa Hofer THEOLOGIE Erdung. Pilgern heißt, sich auf den Weg einzulassen, es ist meditatives Gehen und die Verbundenheit mit der Erde, sagt Lioba Hesse. Seite 2 PILGERN HEUTE Moderne Zeiten. Das Pilgern an sich hat sich durch die Jahrhunderte kaum verändert. Die Ausstattung der meisten Pilger hingegen ist heutigem Standard angepasst. Seite 3 TIROLER WEG Tirol erpilgern. Elf Tage brauchte ein Pilgergruppe, um Tirol auf den Spuren des alten Jakosweges zu durchqueren. Seite 4 HERBERGE Wohnen im Widum. Pfarrer Andreas Tausch hat in seinem Widum in Inzing eine Herberge für Pilger eingerichtet. Seite 6 NEUE WEGE Wendepunkt. Wilhem Holzhammer macht sich regelmäßig auf, um für mehrere Wochen täglich 20 Kilometer ganz allein auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein. Seite 8 2 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 Pilgern bedeutet auch, die eigenen Schritte bewusst wahrzunehmen. Das Aufsetzen des Fußes symbolisiert die Besitznahme eines Ortes. D I E PI L G E R B EG LE ITE R Pilgern in Gemeinschaft Pilgern ist beliebt. Pilgern in Gemeinschaft ist Trend. Auf das Suchen nach Spiritualität und nach Erfahrungen in Gemeinschaft hat die Tourismuspastoral in Österreich reagiert. Seit 2005 gibt es Ausbildungslehrgänge für Pilgerbegleiter/innen. Anton Wintersteller, Tourismusreferent der Erzdiözese Salzburg, organisiert diese grenzüberschreitenden Lehrgänge. „Der Weg wird erst zum Pilgerweg durch den Menschen, der diesen Weg durch seine innere Einstellung und Haltung beseelt. Es war uns daher ein Anliegen, etwas zu tun, um den Wanderern auf den heimischen Pilgerwegen geistliche Nahrung anzubieten,“ erklärt Wintersteller den Hintergrund der Ausbildung. 60 Pilgerbegleiter aus verschiedenen Regionen Österreichs, der Schweiz, aus Bayern und Südtirol wurden bis jetzt ausgebildet. Darunter sind auch zehn Tiroler. Sie bieten Pilgerwanderungen in Zusammenarbeit mit kirchlichen Organisationen an und helfen ihrer Gruppe, den Tag zu organisieren. Dazu gehört die Unterkunft auszuwählen genauso wie spirituelle Anregungen anzubieten. „Wir merken, dass die Menschen gerne in Gemeinschaft pilgern. Sie suchen allerdings eine Gemeinschaft, die sie nicht vereinnahmt,“ sagt Wintersteller. Gebet, Stille, Meditation sind demnach Einladungen, keine Verpflichtungen. Selbstverständlich können die Pilgerbegleiter auch von Gruppen angefragt werden. Theorie und Praxis In der Ausbildung lernen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in drei Modulen neben Grundlagen zum Thema „Pilgern und Spiritualität“ auch Organisation und Marketing. Die Praxis – das Kennenlernen von Teilstrecken der Pilgerwege an einem gemeinsamen Wochenende – wird groß geschrieben. Zum Abschluss muss jeder Teilnehmer eine eigene Pilgerwanderung planen. Zurzeit läuft ein Lehrgang in Vorarlberg, der nächste ist 2009 in Südtirol geplant. Vernetzung und Jahresprogramm Die Vernetzung der verschiedenen kirchlichen Anbieter von Pilgerwanderungen ist Wintersteller besonders wichtig. Beim Jahrestreffen der Pilgerbegleiter stimmen die einzelnen Anbieter ihre Planung für das Österreichprogramm ab. Die Internetseite www.pilgerwege.at informiert zum einen über österreichische Pilgerwege, zum anderen ist das aktuelle Programm dort abrufbar. Als Auftaktveranstaltung für die Pilgersaison hat sich ein Pilgertag am Gründonnerstag bewährt, der heuer erstmals auch am Jakobsweg in Tirol stattfand. Helene Daxecker-Okon Information und Kontakt: Arbeitskreis für Tourismuspastoral Österreich Anton Wintersteller, Kapitelplatz 2, 5010 Salzburg, Tel. 0662/8047-2064 E-mail: tourismusreferat@seelsorge.kirchen.net, www.pilgerwege.at Gottes vergessene Füße Lioba Hesse kann nicht sitzen bleiben, wenn sie vom Gehen spricht. Die Gestaltpädagogin und Erwachsenenbildnerin steht auf und demonstriert mit angehobenem Bein, was sie meint, wenn sie sagt: „Es gibt diesen kleinen Moment beim Gehen. Nachdem wir den Fuß gehoben haben, müssen wir ihn wieder ‚einpflanzen’.“ H . D A X E C K E R - O K O N Langsam setzt sie den Fuß auf dem Boden auf, Scheitel, Becken und Fuß bilden eine Linie. „In diesem Einpflanzen erlebe ich mich ganz. Es tut gut, diesem Moment Aufmerksamkeit zu schenken. In jedem Schritt spannt sich ein Bogen von Anfang, Unterwegssein und Ende. Er ist Symbol für das menschliche Leben überhaupt.“ Gehen und Beten Im alltäglichen Gehen würden die einzelnen Schritte hingegen oft nicht bewusst wahrgenommen. Dabei könne die Bewegung des Gehens durchaus Grundlage sein für Meditation und Gebet. „Meditatives Gehen ist unbeschäftigtes, absichtsloses Gehen. Indem ich in Bewegung bleibe, öffne ich meine Sinne. Ich öffne mich für mich selbst in meiner Leiblichkeit, für das, was ich sehe und höre. Ich lasse Momente geschehen, ohne dass ich sie verzwecken will,“ sagt Hesse, die in der Ausbildung und Berufsvorbereitung der Laientheologen der Diözese Feldkirch tätig ist. Gott hält in Bewegung Bewegung könne ein Weg in die Präsenz, ins Hier und Jetzt sein, die das Beten unterstützt. Diese Art zu gehen, könne Hinführung zum Gebet aber auch Gebet selbst sein. Und das meditative Gehen beinhaltet für Hesse noch mehr Symbolik: „Im Gehen verbinde ich mich Foto: Pedrop mit der Erde, ich heilige die Erde dadurch und erde den Himmel. Es geht darum, mir diese Verbundenheit und mein Ausgestrecktsein zwi„Meditatives Gehen ist unbeschäftigtes, absichtsloses Gehen.“ LIOBA HESSE Foto: Okon schen Himmel und Erde bewusst zu machen.“ Die Theologin hat sich gefragt, warum man Gott nur mit „Herzen, Mund und Händen“, so heißt es in einem beliebten Kirchenlied, loben sollte und nicht auch mit den Füßen. Bibelquellen Auf der Suche nach „Gottes vergessenen Füßen“ wurde Hesse in der Bibel fündig: In Jesaja 66,1 etwa wird die ganze Erde als Schemel der Füße Gottes bezeichnet. In Psalm 8,7 heißt es: „Alles hast du ihm [dem Menschen] unter die Füße gelegt“ – um nur zwei Beispiele aus dem Alten Testament zu nennen. Die Füße symbolisierten die Besitznahme eines Ortes. Die Erde, den Ort den Gott selbst beansprucht, spricht er dem Menschen zugleich als seinen Platz zu, deutet Hesse die Verse. In den Fußgeschichten des Neuen Testamentes spiele die Sinnlichkeit eine wichtige Rolle. Die Wahltirolerin erwähnt etwa Marias Salbung und Trocknung der Füße Jesu im Johannesevangelium. Wenn Jesus, der König, vor dem Abendmahl den Jüngern die Füße wäscht, „dann stellt er das Gewohnte nicht auf den Kopf, sondern auf die Füße.“ Und überhaupt ist die begeisterte Bergsteigerin überzeugt: „Unser Gott ist ein Wege-Gott. Er geht auf die Menschen zu. Es ist ein Gott, der in Bewegung hält.“ TI PPS U N D TE R M I N E Moskau und Israel Pilgern mit der Diözese Der Pfarrer von Innsbruck-Saggen und langjährige Pilgerbegleiter Adi Karlinger begleitet vom 14. bis 21. Juni eine Pilgerreise über Moskau nach Sagorsk, Twer, Novogorod bis nach St. Petersburg. Vom 18. bis 30. August bietet er eine Reise nach Israel, Palästina und Sinai für Jugendliche ab 17 Jahren an. Information: Tel. 0 664/32 25 728. Wallfahrten machen die Zusammengehörigkeit der Weltkirche bewusst, tragen zur Gemeinschaftsbildung teil und bringen eine Portion Urlaubsgefühl mit sich. Unter diesen Vorzeichen stehen die Pilgerfahrten der Diözese Innsbruck, die jedes Jahr an viele Ziele führen. Vom 7. bis 14. Juni begleitet Bischofsvikar Klaus Egger eine Pilgerreise nach Rumänien. Am 1. Juli steht eine eintägige Wallfahrt mit Pilgerpfarrer Peter Scheiring nach Maria Weißenstein in Südtirol auf dem Programm. Weitere Pilgerziele in diesem Jahr sind St. Petersburg, Altötting und Ägypten. Infos: Pilgerfahrten der Diözese Innsbruck, Tel. 0 512/22 30-630. E-Mail: pilgerfahrten@dibk.at Jakobsweg durch Tirol Durstige Pilger am Dorfbrunnen. „Unser Gott ist ein Wege-Gott. Er geht auf die Menschen zu. Es ist ein Gott, der in BeweFoto: Waldhäusl gung hält“, sagt die Gestaltpädagogin Lioba Hesse. Sensibel werden für die Wege, die Gott in unserem Leben mit uns gehen will. Das ist Ziel einer Pilgerwoche auf dem Tiroler Jakobsweg, Der Jakobsweg in Tirol führt durch herrliche Landschaften und man lernt die Heimat auf neue Art kennen. Foto: Pedrop zu dem das Bildungshaus St. Michael vom 12. bis 19. Juli einlädt. Die Route führt auch über den Brennerpass. Kondition und entsprechende Ausrüstung sind für die Teilnahme notwendig. Die Gehzeit beträgt täglich rund fünf Stunden. Neben Zeit für Meditation, Schweigen, Reden und Naturerlebnis werden jeden Tag auch biblische Geschichten vom Unterwegs-Sein vorgelesen. Anmeldung unter Tel. 0 52 73/62 36 oder E-Mail an st.michael@dibk.at TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 3 G RO S SE PI LG E R Z I E LE Von Heilligen Land und der Heiligen Stadt Vor allem das „Heilige Land“ und die „heilige Stadt“ Rom üben auf Katholiken auf der ganzen Welt als Ziele von Pilgerreisen große Anziehungskraft aus. Marien-Wallfahrtsorte – mit und ohne ErscheinungsHintergrund – sind auf der ganzen Welt zu finden. Pilgerziele sind aber auch Grab- und Gedenkstätten von Seligen und Heiligen. Das Pilgern stand im Mittelalter hoch im Kurs und erlebt heute eine Renaissance. Foto: Fink Die Verehrung von Heiligen und Märtyrern und das Pilgern zu verschiedenen Gedenkstätten findet in allen Religionen und Kulturen seinen festen Platz. Vom Pilgermantel zur modernen Goretexjacke Sündenvergebung, Reinigung und Sinnfindung bewegen die Pilger auf ihrem mehr oder weniger langen Weg. H E I K E F I N K „Peregrinari“ bedeutet „ins Ausland gehen“. Pilgern meint, als Fremder zu Fuß einen Weg zurücklegen. Erkenntlich war ein Pilger an Pilgermantel, Hut und Stock. Die große Muschel diente einst als Trinkgefäß. Eine Waffe war und ist den Pilgern verboten. Die erste Pilgerschaft Jesus selbst war ein Wandernder ohne festen Heimatsitz. Den Beginn des Pilgerns im Christentum ortet Professor Bernhard Kriegbaum von der Historischen Theologie der Innsbrucker Universität aber im zweiten Jahrhun- dert: „Nach der Verbrennung und feierlichen Beisetzung Bischof Polykarps von Smyrna ging ein Schreiben an die Nachbargemeinde mit der Verkündung, sich im kommenden Jahr zur Erinnerung des Märtyrers an seinem Grab wiederzutreffen. Das war quasi die Einladung zur ersten Pilgerschaft in der christlichen Geschichte.“ Hochblüte Mittelalter Seit Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert wurden bewusst Gräber von Heiligen und Märtyrern mit Basiliken geschmückt und Jahrestage gefeiert. Diese Feste wurden für Reisende zu Attraktionen. So ist die Reliquienverehrung untrennbar mit der Wallfahrt verbunden. Das Mittelalter gilt als Hochblüte des Pilgerwesens, die durch Luthers Reformation einen drastischen Einbruch erlebte. Erst die Gegenreformation in der Barockzeit bringt neuen Schwung in das Pilgerwesen. „Immer mehr kommt es aber zu einer Abkehr von den großen Pilgerreisen. Modern wird das Pilgern „ums Eck“, sagt Kriegbaum. Heute erlebt das Wallfahrtswesen eine Renaissance. Insbesondere der Jakobsweg erfreut sich großer Beliebtheit. „Zu den religiösen Motiven kam in den Anfängen sicherlich auch Abenteuerlust und der Drang in die Ferne hinzu. Pilgern wurde auch zur Strafe verordnet und diente somit der Sozialhygiene einer Gemeinschaft“, sagt der Theologe. Missetäter, deren Anwesenheit am Ort des Verbrechens wahrscheinlich Racheakte nach sich gezogen hätten, wurden so für einige Zeit aus dem Verkehr gezogen. Meist fanden Pilgerreisen in Gemeinschaft statt. Die Individualisierung der Menschen seit dem aus- gehenden Mittelalter veränderte aber auch das Pilgerwesen. Das Gemeinschaftserlebnis in einem religiösen Rahmen blieb ein wichtiges Motiv. Verstärkt kommt ein persönliches Moment hinzu: In der relativen Einsamkeit ganz bewusst nach der eigenen Sinnfindung zu suchen. Gastfreundschaft Auf ihrem spirituellen Weg konnten und können Pilger auf die Gastfreundschaft der Menschen hoffen. Sie waren auch in Zeiten weniger intensiver Religiosität angesehen. Schon im Altertum sind in unmittelbarer Nähe von attraktiven Wallfahrtsstätten Pilgerherbergen bekannt - oft angeschlossen an Krankenhäuser. Viele Pilger waren geschwächt oder krank und brauchten Pflege. Ab dem Mittelalter gab es an den Pilgerrouten eigene Stiftungen und Herbergen. TI PPS U N D TE R M I N E Pilgern in Tirol In vier Tagen von Kufstein bis Innsbruck führt eine Pilgerwanderung entlang des Jakobsweges vom 9. bis 12. Juni. Die Wanderung wird begleitet vom Pilgerführer Ferdinand Reindl und dem Priester und Psychotherapeuten P. Georg Dinauer. Anmeldung: Tel. 0 77 52/83 030 oder E-Mail ferdinand.reindl@ingl.at ***** Der zweite Teil dieser Wanderung führt von Stams über Imst nach Flirsch und St. Christoph am Arlberg (29. September bis 4. Oktober). ***** Ebenfalls im Tiroler Unterland – von St. Johann nach Strass im Zillertal – führt eine Jakobswanderung vom 23. bis 25. Juli. Begleitet wird die dreitätige Pilgerwanderung von Christine Schild. Anmeldung unter Tel. 0 53 58/36 96. ***** Vom Brenner bis zum Inn führt eine Pilgerwanderung vom 15. bis 17. August. Treffpunkt ist am Hauptbahnhof Innsbruck um 7.20 Uhr oder am Bahnhof Brenner um 8.15 Uhr. Jeden Tag werden rund fünf bis sechs Stunden Gehzeit geplant. Begleitet wird die Pilgerwanderung mit Körperübungen und Zeiten für Meditation von Pilgerbegleiter Hermann Muigg-Spörr. Anmeldung: Haus Marillac, Innsbruck, Tel. 0 512/57 23 13 oder E-Mail haus.marillac@ barmherzige-schwestern.at ***** Im Rahmen der Aktion „Offener Himmel“ führt am 17. Oktober eine eintä- tige Pilgerwanderung von Erl über Kufstein nach Mariastein. Begleitung: Josefine Schlechter und Toni Wintersteller. Anmeldung: Tel. 0662/8047/2064. Wallfahrt für Familien Eine Familienwallfahrt mit Bischof Manfred Scheuer führt am Sonntag, 15. Juni, zur Friedensglocke nach Mösern. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Parkplatz Seewaldalm an der Straße von Seefeld nach Mösern. Von dort führt die Wallfahrt zum Möserer See, wo um 15 Uhr der Wallfahrtsgottesdienst gefeiert wird. Anschließend Jause und um 17 Uhr Abschluss beim Geläut der Möserer Friedensglocke. Bei Schlechtwet- ter wird der Wallfahrtsgottesdienst um 14.30 Uhr in der Pfarrkirche Seefeld gefeiert. Pilgern für Männer Von Ybbs über den Sonntagsberg zum Stift Seitenstetten führt eine Pilgerwanderung der Katholischen Männerbewegung. Eingeladen sind Männer, die aus dem Gewohnten aussteigen möchten. Die Pilger übernachten im Freien, neben Gebet und Ritualen bleibt viel Zeit für das Naturerlebnis. Anmeldung für die Pilgerwanderung bei der Katholischen Männerbewegung St. Pölten, Tel. 0 27 42/398-341 oder E-Mail: kmb.ka.stpoelten@kirche.at Das Heilige Land Dass das Heilige Land mit dem Zentrum Jerusalem für Christen aller Konfessionen das Pilgerziel schlechthin ist, verwundert nicht. Als Gläubige gewinnen sie im Gebet an den heiligen Stätten, im Erleben der herrlichen Ein Paradeziel im Heiligen Landschaft am See Land ist die Geburtskirche Foto: Reuters in Bethlehem. Genesareth, aber auch im Eintauchen in die Kargheit der Wüste eine eigenartig neue, gleichsam „handfestere“ Beziehung zu Jesus, den sie als Gott und Mensch, als Erlöser verehren. Die „heilige Stadt“ Rom Rom hat als Pilgerziel der Katholiken in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt. Daran hatten Papst Johannes Paul II., die zahlreichen Seligund Heiligsprechungen und die Ausrufung der Heiligen Jahre großen Anteil. Für katholische Rom-Pilger sind das Gebet am Grab des hl. Apostels Petrus im Petersdom und am Grab des hl. Apostels Paulus in der Basilika St. Paul vor den Mauern sowie die Teilnahme an einer Papst-Audienz geradezu ein „Muss“. Marien-Pilgerorte Mit jährlich ca. 20 Millionen Pilgern ist Villa de Guadalupe, ein Vorort von Mexico City, der weltweit meist besuchte Marien-Wallfahrtsort der Welt. Unsere Liebe Frau von Guadalupe wird als Patronin von Mexiko und Patronin der indigenen Völker verehrt. In China pilgern jährlich zehntausende Gläubige zum Marienheiligtum Seshan in Shanghai. Die chinesische Regierung hat diese Wallfahrt allerdings erst kürzlich drastisch eingeschränkt. In Europa hat fast jedes Land seine Marien-Pilgerorte. Die bekanntesten sind Lourdes in Frankreich und Fatima in Portugal. Mariazell ist der meistbesuchte Wallfahrtsort Österreichs mit großer Bedeutung auch für Ungarn, Slowenen, Slowaken und Tschechen. Die Gräber von Aposteln und Heiligen Neben den Apostelgräbern von Petrus und Paulus in Rom ist Santiago de Compostela in Spanien mit der legendenhaften Grabstätte des Apostels Jakobus Ziel vieler Pilger aus ganz Europa. In Indien, aber auch international, gewinnt das ebenfalls legendenhafte Grab des Apostels Thomas in Chennai an Bedeutung. Mit bis zu sieben Millionen Pilgern jährlich ist das Grab von Pater Pio in San Giovanni Rotondo in Italien zu einem der meist besuchten Wallfahrtsorte der Welt geworden. Franz Stocker Der Petersdom ist Ziel von Pilgern aus aller Welt. Foto: AP 4 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 WAS MAN Z U M PI LG E R N B R AU CH T Pilgern braucht Zeit und Vorbereitung „Zuallererst die nötige Einstellung“, antwortet Franz Lair von der Jakobsgemeinschaft Innsbruck, zuständig für alle Anliegen rund um den Jakobsweg, auf die Frage, was man zum Pilgern brauchen würde. Und die sei nicht notwendigerweise eine religiös motivierte von Anbeginn. „Viele finden zum Glauben auf dem Weg. Anliegen ist es, zu sich zu finden, Abstand zuhalten von allem alltäglichen Drumherum. Denn Gehen heißt ver- und zurücklassen, sich einzulassen auf den Weg, Mit diesem Ausweis haben der den Pilger unbedingt Pilger Anspruch auf Unterund auf jeden Fall verkunft am Jakobsweg. ändert“, so Lair. Viele Menschen machen sich auf den Weg, weil sie eine Entscheidung in ihrem Leben brauchen. Ohne spirituelles Einlassen wird das Gehen zum Weitwandern von Stempel zu Stempel. Mindestens zehn bis 14 Tage müsse man dafür schon unterwegs sein. Pilgern braucht neben der richtigen Einstellung eben auch Zeit. Denn ursprüngliches Pilgern meint, den Weg zu Fuß zurückzulegen, kein Radfahren oder gar mit dem Bus oder Auto von Herberge zu Herberge zu eilen. Pilgerpass Daneben ist die organisatorische Vorbereitung wichtig, die Pilgerreise komplett durchzuplanen allerdings unmöglich. Die Pilger sind gefordert, sich einzulassen auf den Weg. Hat man sich dann für den Jakobsweg entschieden, bekommt man in der Dompfarre Innsbruck den Pilgerpass, kostenlos oder gegen eine freiwillige Spende. Hier ist Platz für die persönlichen Daten des Pilgers, für die Wegestempel in den Herbergen und schlussendlich nach erfolgreicher Pilgerreise für das Zertifikat in Santiago de Compostela. Wählt man eine sehr lange Etappe, kann es schon nötig werden, mehrer Ausweise zu füllen. Man bekommt diese in den Pilgerherbergen. Der Pass identifiziert einen Menschen als Pilger, ist der Nachweis, dass jemand auch tatsächlich Pilger ist. Der Pass berechtigt in den günstigen Pilgerherbergen akzeptiert und aufgenommen zu werden. Bevor die Dompfarre einen Pilgerausweis ausstellt, verlangt sie ein Empfehlungsschreiben oder ein persönliches Gespräch, um die Pilgerabsicht auch sicherzustellen. Wiederholungstäter Grundsätzlich beginnt der Jakobsweg vor der Haustür. Heute gehen viele Menschen nur Teil- häufig die Schlussetappen oder in mehreren Tranchen über Jahre hinweg. „Ich kenne einige Leute, die zu Wiederholungstätern geworden sind. Denn jeder wird berührt von der Spiritualität des Weges. Es passiert ein innerer Wandel“, ist Lairs Erfahrung mit der unausweichlichen Wirkung des Jakobsweges. Um sich einzustimmen und einzulesen gibt es zahlreiche Bücher im Buchhandel – von stimmungsvollen Bildbänden bis zu genauen Führern mit Wegbeschreibungen und Herbergsführern. Dann kann´s schon fast losgehen – immer dem klassischen gelben Pfeil Viele Menschen folgen den Hinweisnach! schildern des Jakobsweges. Foto: Fink Beim Meilenstein am Pass Strub begann der Pilgerweg auf dem Tiroler Jakobsweg. Foto: Stigger Tirol ist insgesamt elf Tage lang. So lange war eine Pilgergruppe vom Pass 215 Kilometer auf dem Tiroler Jakobsweg. Eindrücke von einer besonderen Wer auf Pilgerschaft geht, anderer Mensch zurück, Eine Gruppe von Pilgern begab sich Anfag Mai auf die Spur des jahrhundertealten Jakobsweges in Tirol. W . H Ö L B L I N G Übersehen kann man sie nicht. Den schweren Rucksack am Rücken, ein Haselnussstab in der Hand, ein Hut auf dem Kopf, festes Schuhwerk und womöglich eine Jakobsmuschel um den Hals gehängt. So ist eine Gruppe von Pilgern Anfang Mai durch Tirol marschiert. Vom Pass Strub bis hinauf nach St. Christoph am Arlberg, immer in der Spur des jahrhundertealten Jakobsweges. ist oder nur Spazieren war. „Wenn sich im Leben nichts ändert, hat man nichts kapiert“, betont Lindenthal. Herberge im Widum „Pilgern heißt vertrauen und die Illusion der Autarkie abbauen“, sagt Lindenthal. Denn wer in der Früh aufbricht, weiß oft nicht, wo er am Abend schlafen wird. Die Tiroler Pilgergruppe hat immer etwas gefunden: Ob im Turnsaal in Bruckhäusl, im Pilgergasthof in Strass, im Kloster oder im Widum: Die Pilger waren herzlich Wichtiges Anliegen Zur Pilgerreise durch Tirol hat das Welthaus der Diözese Innsbruck eingeladen. Wie seit Jahrtausenden, sollen sich auch diesmal Menschen auf den Weg machen, um Antworten auf wichtige Lebensfragen zu finden, auf die Bedrohung des menschlichen Lebensraumes, auf die Gefahren der Umweltzerstörung, der sozialen Ungerechtigkeiten. Auch Bischof Manfred Scheuer hat sich an einem Tag dieser Pilgergruppe angeschlossen. Andere Wege Das Wesentliche am Pilgern ist das, was man weglässt: Geschwindigkeit, Hektik, Alltag, Lärm. „Dafür darf die Seele nachkommen, die uns im Alltag oft hinterherrennt“, sagt Peter Lindenthal. Und so, unterwegs mit der Seele, wenn der Weg unter den Füßen wächst, finden Pilger oft auch neue Wege für ihr Leben. In die Leere, die beim Gehen entsteht, treten Gedanken und Einfälle, die den eigenen Lebensentwurf verändern können. Wie das Leben nach der Pilgerreise ausschaut, ist ein Kriterium dafür, ob jemand gepilgert willkommen. In Inzing hat Pfarrer Tausch im Widum eine richtige Pilgerherberge eingerichtet. Bis Mitternacht sind die Pilger im Garten zusammen gesessen, haben ihre Füße in einem kleinen Becken in Form einer Jakobsmuschel gebadet und am Morgen ein Frühstück bekommen. Um neun Uhr hat der Pfarrer die Pilger in der Kirche gesegnet, bevor sie sich wieder auf den Weg machte. „Geh dankbar“, lautet eines der zehn „Geh-Bote für das Pilgern“, die Peter Lindenthal formuliert hat. Uraltes Wegenetz Am Ziel der Pilgerreise in St. Christoph hat Pilgerbegleiter Foto: Pedrop Peter Lindenthal eine Kerze entzündet. Vier Jahre lang hat der ehemalige Entwicklungshelfer die Routen des Jakobsweges durch ganz Österreich recherchiert. Stück für Stück ist er die Wege abgegangen, hat sich auf die Suche nach TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 5 WAS MAN Z U M PI L G E R N B R AU CH T Ein Rucksack voller Utensilien Oft führt die Route des Jakobsweges durch blühende Wiesen. Foto: Pedrop Alt und neu: Mit diesen Holzschildern (linkes Bild) wurde vor neun Jahren erstmals der Jakobsweg durch Tirol ausgeschildert. Fotos: Hölbling Moderne Hinweistafeln weisen den Pilger heute den Weg zu Pilgerunterkünften am Jakobsweg. Strubb bei Lofer bis nach St. Christoph am Arlberg unterwegs. Wanderung, die Anfang Mai in Tirol stattfand. kommt immer als als er weggegangen ist Hinweisen auf den ursprünglichen Verlauf gemacht, Pilgerherbergen gesucht und schließlich in bisher sechs Büchern den Jakobsweg beschrieben. Pilger-Typologie Den Pilgerboom rund um die Jakobswege sieht der Pionier zwiespältig. „Es soll sich nicht jeder gleich Pilger nennen, wenn er auf einem dieser Wege unterwegs ist“, erklärt Lindenthal. Er hat zu einer eigenen Typologie des Pilgerwesens gefunden, unterscheidet den Kampfpilger, der die Kilometer abspult, vom Genusspilger, der sich das Gepäck mit dem Auto führen lässt und in feinen Hotels absteigt. Der richtige Pilger schaut nicht auf die Uhr und den Komfort. Wesentlich ist die Erfahrung des Unterwegsseins selbst. Und wie sich das Gehen auf das Leben auswirkt. Neue Gedanken Wie schnell sich die Gedanken beim Pilgern umstellen, hat Manuela Schweigkofler erfahren. „Jeden Tag stellt sich ein anderer Gedanke ein, wie von selbst. Natürlich kommen auch bei einer Bergtour Gedanken, aber auf einem Pilgerweg erhalten sie größere Aufmerk- samkeit“. Im Pilgern komme sie in einen guten Dialog mit Gott, berichtet sie. „Nichts denken, nichts organisieren, nur gehen“, fasst Manfred Tiefenthaler seine Erfahrung zusammen. Er genießt die Erfahrung der Gruppe, die jeden Tag mehr zusammenwächst und es auch aushält, dass sich neue Menschen anschließen oder andere sich verabschieden. „Besonders beeindruckt mich die Stille, die man sich oft durch lärmstarke Abschnitte in der Nähe von Straßen erkaufen muss“, erzählt er. Ausdauer und Kraft „Wichtig ist, dass man mehrere Tage unterwegs ist“, sagt Werner Luef. Erst dann sind die Gedanken an den Alltag weg, kann man den Ballast hinter sich lassen. Dafür tauchen Erinnerungen an früher auf, an wichtige Ereignisse im Leben. Und mit einer paradox klingenden Bemerkung beschreibt Richard Kuenz das Geheimnis tagelanger Pilgerwege: „Die Kraft, die man dafür braucht, ist kein Problem. Die Kraft wird mit jedem Tag größer.“ Am 5. Juni, 19 Uhr, wird eine Fotoausstellung über diesen Pilgerweg in der Caritas Innsbruck, Heilig-Geist-Str. 16, eröffnet. Die Bilder sind bis Ende Juni zu sehen. In einem eigenen Pilgerbuch können sich alle Pilger eintragen, die im Widum von Pfarrer Andreas Tausch übernachten. Mit Rucksack, Hut und Wanderstab sind die Pilger auf dem Fotos: Hölbling; Waldhaeusl (1) Jakobsweg unterwegs. Wer über viele Tage oder gar Wochen zu Fuß unterwegs ist, ist gut beraten, sich beim Gepäck intensiv Gedanken zu machen. Die Kunst liegt darin, alles dringlich Notwendige mit sich zu haben, aber mit rund sieben bis acht Kilo auch noch ein tragbares Gewicht einzuhalten. Hier den Mittelweg zwischen Beschränkung und Komfort zu finden, ist eine der Herausforderungen in der Vorbereitung auf die Pilgerreise. Was Sie unbedingt brauchen: Ausrüstung: Rucksack, Stock, Hut oder eine andere Kopfbedeckung, Sonnenbrille, Wasserflasche, Schlafsack, Isomatte, Kompass, Feuerzeug, Stirnlampe, Sicherheitsnadeln, Taschenmesser, Löffel, Wäscheleine, Blechdose, Nylonsäcke, um auch bei Regen die Kleidung im Rucksack trocken zu halten. Kleidung: Poncho, Windjacke, Schuhe, Sandalen, Gamaschen, zwei Hosen, drei Paar Socken, zwei Unterhosen, Badehose, ein langärmliges T-Shirt, zwei kurzärmlige T-Shirts. Toilettenartikel: Waschbeutel mit Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Nagelschere, Handtuch, Klopapier, Hirschtalg, Leukoplast, Muskelsalbe, Schmerzmittel, Reservebrille, Sonnencreme. Dokumente: Pilgerausweis, Begleitschreiben, Reisepass, Kreditkarte, Adressenliste. Lektüre: Wanderkarte, Handbuch Jakobsweg, kleine Taschenbibel, eventuell ein Wörterbuch, Schreibheft, Tagebuch, ev. Fotoapparat. Natürlich kann die Liste ergänzt und erweitert werden. Manchen Rucksack ziert eine typische Jakobsmuschel. Ursprünglich als Trinkgefäß verwendet, sind sie heute mehr Symbol. Eine große Unbill für Pilger sind Blasen an den Füßen. Dagegen gibt es Gut ausgerüstet für eine lange Pilkein allgemein Foto: Peter Kreuzer gerschaft. gültiges Rezept. Gut eingegangenes Schuhwerk, das auch Nässe standhält, empfiehlt sich sehr. Wenn man die Schuhe bei jeder Rast auszieht, hält man die Füße trockener – auch das ist ein Schutz gegen Blasen. Deshalb soll man auch die Innensohlen der Schuhe abends immer aus dem Schuh herausnehmen. In Gemeinschaft allein sein: Das Besondere am Jakobsweg ist laut Kennern die Mischung zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft. So kann es durchaus vorkommen, dass man während des Tages stundenlang niemandem begegnet, allein durch eine wunderbare Landschaft zieht und ganz den eigenen Gedanken und Empfindungen nachgehen kann. Abends in den Herbergen ist man in Gesellschaft, findet den Austausch mit Gleichgesinnten und kann Menschen aus aller Herren Länder kennen lernen. Immer wieder ergibt es sich, dass man auch gemeinsam ein Stück des Weges zieht. Heike Fink In den Herbergen findet der Pilger Gemeinschaft und ErFoto: Fink holung. 6 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 PI L G E R - U N D B ESI N N U N G SWEG E Die Varianten des Jakobsweges in Tirol Die Pilgerreise nach Santiago de Compostela in Spanien zählt seit dem frühen Mittelalter zu den größten Wallfahrten des abendländischen Christentums. Die Spuren der Jakobspilger sind auch auf dem Jakobsweg-Abschnitt in Tirol erkennbar. Insbesondere Innsbruck stellte ein bedeutendes Pilgerzentrum im europäischen Jakobswegenetz dar, ist doch der Dom dem Heiligen Jakobus geweiht. In Tirol sind vor allem drei Jakobswege verzeichnet. Von Norden kommend zieht der Jakobsweg von Rosenheim nach Kufstein und dort weiter im Inntal nach Westen, durch Innsbruck und bis auf den Arlberg, wo er durch Vorarlberg weiter in die Schweiz führt. Von Osten her führt der Jakobsweg durch das Kärntner Drautal nach Lienz und weiter über das Pustertal nach Brixen. Von Süden her führt der Jakobsweg von der Salurner Klause nach Bozen und weiter nach Norden über Brixen und Sterzing nach Innsbruck. Diese Varianten sind auch Schwerpunkt eines grenzüberschreitenden Interreg-III-Projektes, das unter anderem durch die Europäische Union gefördert wird. Umfassende Informationen zum Jakobsweg in Tirol gibt es im Internet unter www.jakobsweg-tirol.net. Dort finden sich nicht nur Hinweise zu den Routenverläufen, sondern auch zum Pilgerpass, den Pilgerherbergen und zu möglichen Anschlusswegen. Sogar eine Packliste ist zu finden, die dem Pilger als Hilfestellung dienen soll. Über diese Homepage können auch eine Kurzversion der Broschüre zum Jakobsweg in Tirol und eine Übersichtskarte heruntergeladen werden. (c. h.) Der Jakobsdom in Innsbruck. Foto: Parigger Von Locherboden bis zur Heilig-Geist-Kirche in Telfs Im Rahmen der Fünf-Jahres-Feier der Heilig-GeistKirche in Telfs wurde im Oktober des Vorjahres von Bischof Manfred Scheuer der Besinnungsweg für die Tiroler Firmlinge eingeweiht. Initiiert war der Weg, der von Maria Locherboden oberhalb von Mötz zum HeiligGeist-Zentrum in Telfs führt, von Alt-Bischof Alois Kothgasser worden. Der Besinnungsweg umfasst insgesamt zwölf Stationen, die sich mit verschiedenen Themen befassen. Basis dafür sind unterschiedliche Bibelstellen. Einzelne Stationen wurden von Künstlern gestaltet, die sich mit dem jeweiligen Thema auseinander gesetzt haben. Stationen sind aber auch die Kapelle mit dem Gnadenbild „Mariahilf“, eine WaldDie Wallfahrtskirche Maria lichtung und der JaLocherboden oberhalb von kobsbrunnen. (c. h.) Foto: Böhm Mötz. 1Im Inzinger Widum stehen den Jakobspilgern die Türen offen. Pfarrer Andreas Tausch hat eine Herberge für sie eingerichtet. Wohnen im Widum und ein Fußbad im Garten Vor zwei Jahren hat Pfarrer Andreas Tausch in seinem Widum eine Herberge für Pilger eingerichtet. Das Gästebuch zeugt davon, wie Recht er damit hatte. W A L T E R H Ö L B L I N G Katrin aus Villach war da. Andreas aus Weyer machte im Widum Station, Walter aus dem Waldviertel und Peter aus Tschechien. Sie alle waren unterwegs auf dem Jakobsweg und sind bei Pfarrer Andreas Tausch in Inzing eingekehrt. Was sie dort erwartet, lässt alle Pilgerherzen höher schlagen: eine einfache Unterkunft, eine Pilgerküche, eine Dusche – und ein Herbergsvater, der Zeit für ein paar Worte hat. Ein offenes Ohr „Die Pilger freuen sich, dass sie bei mir unterkommen. Wenn ich Zeit habe, sitzen wir oft bis in die Nacht hinein zusammen“, sagt Pfarrer Tausch. Die Gespräche sind für ihn immer eine Bereicherung, manchmal hält der Kontakt zum Pilger auch länger an. Viele Pilger, die häufig vor Lebenswenden oder in Krisen auf Pilgerschaft gehen, finden bei ihm ein offenes Ohr. Vor zwei Jahren hat Tausch zusammen mit vielen Helferinnen und Helfern die Pilgerherberge eingerichtet. Ein kleine Küche, Matratzen zum Schlafen, im Vorjahr ein eigenes WC mit Dusche, vor kurzem ein Stockbett. Und ein Fußbad im Garten, in Form einer Jakobsmuschel. Sinn fürs Detail Pfarrer Andreas Tausch weiß, was Pilger brauchen. Vor einiger Zeit ist er selbst in Italien als Pilger unterwegs gewesen, ohne Geld, ange- Ein einfaches Stockbett dient den Pilgern als Schlafstätte für die Nacht. Im Zimmer liegt eiFoto:Hölbling ne Mappe, in der Andreas Tausch den Umbau zum Pilgerzimmer illustriert hat. wiesen auf die Gastfreundschaft der Menschen. Und darum achtet er auch auf die Kleinigkeiten, die das Pilgerleben angenehmer machen. In seiner Herberge finden die Pilger Schuhcreme ebenso wie Blasenpflaster, Duschgel und Sonnencreme. Der Herbergsvater Der gastfreundliche Pfarrer hat sich in der Pilgerszene schnell herumgesprochen. In Stoßzeiten finden sich nahezu jeden Tag Eintragungen in seinem Pilgerbuch. Von Terfens weg hat der Pfarrer kleine Hinweisschilder am Jakobsweg angebracht. Auch in Pilgerführern ist seine Unterkunft verzeichnet. Herberge zu geben ist für Pfarrer Tausch eine gute Möglichkeit, ein sympathisches Bild von Kirche zu vermitteln. „Viele Pilger bekommen so wieder einen Zugang zur Kirche“, freut er sich. Herzliche Aufnahme Andreas Tausch wünscht sich, dass noch weitere Pfarrer seinem Beispiel folgen und ihre Häuser für die Pilger öffnen, vor allem in jenen Pfarren, die am Jakobsweg liegen. „Mein großer Wunsch ist es, dass die Pfarrhäuser in Tirol für die Pilger offen stehen.“ Dies sei eine große Chance für die Kirche und die Begegnungen mit den Pilgern seien eine Bereicherung. Das bestätigt jede einzelne Seite im Pilgerbuch. Dort ist von „herzlicher Aufnahme“ die Rede oder von „wundervollen Begegnungen“. Oder, wie Sabine und Gitti aus Linz geschrieben haben: „Danke für diesen besonderen Ort und seine Menschen.“ I N F O BOX Andreas Tausch ist seit drei Jahren Pfarrer von Inzing. Wie zuvor in Zams hat er auch im Inzinger Widum vor zwei Jahren eine Unterkunft für Pilger eingerichtet. Die Bilder, die er von den Pilgern macht, sind auch im Internet abrufbar: www.pfarre-inzing.at. PI L G E R B Ü CH E R %RFAHRUNGENäUNDä7EGWEISER Pilgern ist wieder „in“. Das zeigt sich auch am Büchermarkt, der eine unübersehbare Auswahl an Literatur bietet. Moment präsentiert eine kleine Auswahl – gesehen in der Buchhandlung Tyrolia. Ulrich Wegner: „Der Jakobsweg“, Herder Verlag, 2. Auflage 2007, 30,80 Euro: Ein schönes reich bebildertes Buch über die spanische Etappe des Jakobsweges. Reich an Wissenswertem über den Jakobsweg, dessen Geschichte, aber auch viel Informationen zu Landschaft, Kunst und Kultur. Nützliches und Praktisches macht dieses Buch zu einem interessanten Schmöker sowohl für Pilgereinsteiger als auch Fortgeschrittene. Peter Lindenthal: „Auf dem Jakobsweg durch Österreich“, Tyrolia Verlag, 6. aktualisierte Auflage 2008, 21,90 Euro: In 28 Etappen gut 800 Kilometer von Pressburg nach Feldkirch inklusive Kartenmaterial, Wegbeschreibungen mit Zeitangaben und Ortsbeschreibungen machen das Büchlein zu einem geeigneten Wegbegleiter. Tipps von A bis Z, von Asphalt bis Warnung und Wege führen den Interessierten ins Pil- gern ein. Auch Adressen von Pilgerherbergen und Hinweise auf Bus- und Bahnverbindungen finden sich in dem informativen Führer des Tiroler Jakobsweg-Spezialisten. Hermann Multhaupt: „Zu Hause auf den Wegen der Welt“, Grünewald Verlag 2007, 15,40 Euro: „Die ewige Unruhe..., seit der Mensch geboren ist, spürt er sie, begleitet sie ihn, triebt sie ihn an. Woher? Wohin? Unterwegs ist der Mensch, sein Leben lang unterwegs auf der Suche nach irgendwas.“ Das Büchlein sucht Antworten auf das Phänomen Pilgern und fördert dabei Wissenswertes und auch Erstaunliches ans Licht. Felix Bernhard: „Dem eigenen Leben auf der Spur“, Fischer Verlag 2008, 9,20 Euro: Ein berührender Erfahrungsbericht eines Pilgers. „Ich bin aufgebrochen, um zu spüren, das ich auf eigenen Füßen stehen kann, auch wenn das nur im übertragenen und nicht mehr im physischen Sinne geht.“ Der Autor legte 2500 Kilometer auf dem Jakobsweg zurück, mit Blasen an eher unüblichen Stellen, denn als Rollstuhlfahrer hat er weniger Probleme mit den Füßen als mit den Händen. Von den Strapazen wie auch den Glücksmomenten erzählt dieses eindrückliche Buch. TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG Freitag, 30. Mai 2008 Pfarrer Peter Scheiring erlebt bei Pilgerreisen und Wallfahrten, wie Menschen im gemeinsamen Unterwegssein zur Gemeinschaft zusammenwachsen. Wenn 30.000 singen, ist das ein riesiges Erlebnis Mehr als 1000 Gläubige begleitet Pfarrer Peter Scheiring jedes Jahr auf Pilgerfahrten. In den vergangenen 15 Jahren hat er über 100 Pilgerfahrten in die ganze Welt gemacht. W . H Ö L B L I N G Die Rede vom momentanen Pilgerboom greift für Peter Scheiring zu kurz. Lourdes oder Rom seien immer schon beliebte Wallfahrtsziele gewesen, wo sich die Pilgermassen eingefunden haben. Dennoch weiß er aus Erzählungen von Jakobspilgern, dass gerade die Wege in Spanien derzeit überlaufen sind. „Einige Jakobspilger sind richtig enttäuscht, dass jetzt so viele Pilger am Weg sind“, erzählt er. Wer die Stille beim Pilgern sucht, sollte die vielbegangenen Wege in Spanien derzeit lieber meiden. Pilgern im Bus Die Pilgerfahrten, die Peter Scheiring begleitet, sind ohnehin anders angelegt als die Fußpilgerwege auf dem Jakobsweg. Lourdes, Israel, Toskana, St. Petersburg heißen die Ziele der diözesanen Pilgerfahrten. Die Anreise erfolgt mit Bahn, Bus oder Flugzeug. Reisebusse haben für Scheiring eine ideale Größe, um die Pilgergruppe zu einer Gemeinschaft zusammenzuschweißen und gemeinsam zu beten, aber auch Spaß zu haben. „Wer eine Woche lang gemeinsam unterwegs ist, wächst schnell zu einer Gruppe zusammen“, so die Erfahrung des Pfarrers, der seit 1993 Pilgerfahrten begleitet. Begonnen hat seine Pilgerkarriere nach einem Auslandsjahr in Rom, in dessen Folge er bereits 37 Mal Immer wieder zieht Peter Scheiring die Bibel hervor, um auf den Pilgerfahrten zu Besinnung Foto: Diözese Innsbruck und Gebet einzuladen. mit Pilgergruppen die Ewige Stadt besucht hat. Gemeinsam glauben Die Höhepunkte der Pilgerfahrten sind für den Pfarrer von Telfs-Heilig Geist die gemeinsamen Zeiten des Gebetes und die Messfeiern. „Die meisten Menschen haben ihre persönlichen Gebetsanliegen mit“, erklärt er, warum diese Pilgerfahrten immer zu einem tiefen Glaubenserlebnis werden. Wenn wie in Lourdes 30.000 Menschen gemeinsam beten und singen, sei das für alle ein beeindruckendes Erlebnis. Kulturgenuss Auch das Drumherum kommt auf den Pilgerfahrten nicht zu kurz. Mit einer gelungenen Mischung aus Gebetszeiten, Besichtigungen und Informationen zu Geschichte und Kultur gelingt es Scheiring, die Pilgerreise zu einem Erlebnis zu machen. „Manche haben vielleicht Angst, dass auf den Pilgerreisen nur gebetet wird“, „Manche haben Angst, dass auf Pilgerreisen nur gebetet wird.“ PETER SCHEIRING Foto: Hölbling sagt Scheiring. Das richtige Verhältnis von Gebet, Freizeit, Kultur und Spaß richte sich aber auch nach den jeweiligen Bedürfnissen der Gruppe. Dennoch mache er die Erfahrung, dass an den Pilgerfahrten auch Menschen teilnehmen, die der Kirche eher fern stehen. Jede An einem „kleinen Pilgerweg“ lebt Scheiring auch in seiner Pfarre Telfs-Hl. Geist. Die Pfarrkirche ist Ziel des neuen Besinnungsweges von der Wallfahrtskirche Locherboden nach Telfs. Ob betende Pilger, Jogger oder Radfahrer, Scheiring konnte schon viele begrüßen, die den drei Stunden langen Weg gegangen ist. Viele Jugendliche gehen auch im Rahmen ihrer Firmvorbereitung auf diesem Weg und übernachten dann im Pfarrheim. Ein Besinnungsweg, der vielleicht den einen oder anderen auf den Geschmack bringt, auch einmal einen großen Pilgerweg zu gehen. Symbolgehalt Der Überlieferung nach ist Jakobus der erste Märtyrer unter den Aposteln. Im heutigen Santiago de Compostela sollen am 25. Juli 816 seine Reliquien in der Kirche beigesetzt worden sein. Schon bald wuchs dieser Ort zu einem der größten Wallfahrtszentren des Abendlandes heran. von einer Haselstaude, erleichtert das Gehen vor allem im flachen Gelände. Oft baumelt am Pilgerstab eine Jakobsmuschel. Jakobskirchen Die Muschel – zentrales Symbol der Jakobspilger. Foto: Pedrop Tirol führen sogar einige Gemeinden die Jakobsmuschel in ihrem Wappen wie etwa St. Jakob in Haus oder St. Jakob im Defereggental. Muschel samt Pilgerstab zieren das Wappen der Gemeinde Strass im Zillertal. Nicht nur Symbol, sondern eine große praktische Hilfe ist der Pilgerstab. Der übermannshohe Stab, meist Der Stadtbesinnungsweg der Pfarre St. Pirmin in Innsbruck In Innsbruck entstand zur Zehn-Jahres-Feier der Pfarrkirche St. Pirmin der Stadtbesinnungsweg. Initiiert wurde dieser Weg, der unter dem Motto „Gott ist an diesem Ort und ich wusste es nicht“ steht, von Pfarrer Franz Troyer. Der Stadtbesinnungsweg umfasst insgesamt zwölf Stationen und beginnt bei der Pfarrkirche St. Pirmin (Motto: „Täglich neu den Aufbruch wagen“. Anschließend führt er weiter zu den Wohnhäusern Durigstraße („Heimat für Leib und Seele“), zum Park in der Prof.-Martin-Spörr-Straße („Wer verwurzelt ist, kann sich entfalten“), zur Bushaltestelle Radetzkystraße („Worauf warte ich?“), zur Tiefgarage Burghard-Breitner-Straße („Ich darf manches abstellen und muss nicht alles mit-schleppen“), zum Seniorenwohnheim Reichenau („Menschen-würdig leben bis zuletzt“), zum Freizeitpark Innpromenade („Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele gerne darin wohnt“), zur Grenobler Brücke („Inn s Bruck – Brücken bauen“), zum KZ-Auffanglager („Lernt der Mensch aus der Geschichte“), zur Kreuzung Langer Weg („Ich habe die Freiheit, Entscheidungen zu treffen“) und über das Industriegebiet Rossau („Kann ich meine Talente in der Arbeit einbringen?“) zurück zum Pfarrplatz St. Pirmin („Mit Gottes Hilfe weiter gehen“). Um den Stadtbesinnungsweg zu begehen, werden etwa eineinhalb Stunden benötigt. Entlang des Weges gibt es im Park Prof.-Martin-Spörr-Straße und am Inn Sitzbänke, die zum Verweilen einladen. Ziel des Weges ist es, Menschen und die Umgebung bewusst wahrzunehmen. (c. h.) Besinnungsweg -USCHELä3TABäUNDäEINä0ATRON Zum wohl bekanntesten Symbol der Pilger ist die Jakobsmuschel geworden. Diese schmackhafte Muschel wurde bereits im Mittelalter den Pilgern überreicht, die entlang des Jakobsweges nach Santiago kamen. Der Brauch geht vermutlich zurück auf Legenden rund um den hl. Jakob, der zum Dank für die Rettung eines Ertrinkenden eine Jakobsmuschel erhalten haben soll. Das Symbol der Jakobsmuschel ist auf allen Hinweistafeln und Wegpfeilen des Jakobsweges zu finden. Viele Pilger, die nach Santiago kommen, setzen ihren Weg noch rund 60 km lang fort, um im Atlantik eigenhändig eine Jakobsmuschel aus dem Meer zu fischen. In PI LG E R - U N D B ESI N N U N G SWEG E Pilgerreise sei eben eine besondere Situation, in der sich die Menschen in besonderer Weise für neue Erfahrungen öffnen. D I E SYM BO LE Wer auf Pilgerreise geht, kommt um Jakob kaum herum. Aufgrund des Booms rund um die unzähligen Jakobswege hat sich dieser Apostel einen besonderen Namen gemacht. Mit seinem Bruder Johannes sowie Petrus gehört er zu den drei bevorzugten Begleitern im Leben Jesu. 7 Auch Jakobus als Kirchenpatron weist in Tirol auf die uralten Jakobswege hin. Dem hl. Jakobus geweiht sind etwa die Pfarrkirche von Hopfgarten im Brixental, die Pfarrkirchen von St. Jakob am Arlberg oder in Defereggen. Auch die Pfarrkirchen von Strass im Zillertal und Strassen in Osttirol haben den hl. Jakobus zum Patron. Ein bedeutendes Zentrum des Pilgerwesens in Tirol war Innsbruck, dessen Dom ebenfalls dem hl. Jakobus geweiht ist. Die Pfarrkirche St. Pirmin. Foto: Böhm Entlang des Franziskusweges in der Wildschönau Der Franziskusweg in der Wildschönau ist ein knapp zwei Kilometer langer Besinnungsweg, der die Ortsteile Niederau und Oberau verbindet. Er vereint Kunst und Natur und soll zum Innehalten und zur Besinnung anregen. Dem Weg liegt der „Sonnengesang“ des heiligen Franziskus zu Grunde. Der Wildschönauer Künstler Hubert Flörl schuf insgesamt neun Skulpturen, die entlang des Weges stehen und den einzelnen Strophen des „Sonnengesanges“ gewidmet sind. Gepriesen werden das Universum, Sonne, Mond und Sterne, der Wind und das Wetter, das Die Skulpturen entlang des Franziskusweges schuf der Wasser, das Feuer Wildschönauer Künstler Huund die Erde, Liebe bert Flörl. Foto: TVb Wildschönau/Ascher und Tod. Die einzelnen Stationen sollen an die Bedeutung und die Schönheit der Schöpfung erinnern – laut Intention der Initiatoren aber auch an die Verantwortung des Menschen, die Schöpfung zu bewahren und zu achten. (c. h.) 8 TIROLER TAGESZEITUNG Nr. 125-BG D I E U M F R AG E Was beeindruckt Sie am Pilgern? Maria Helbok, Angestellte, Innsbruck: Pilgern bedeutet für mich, mich auf den Weg zu machen zu einem bestimmten Ziel, noch nicht bestimmter Zeit. Man reduziert bereits zu Hause beim Packen des Rucksackes, Gepäck, das man innerlich mitträgt, wird leichter oder klarer. Stücke des Weges gehe ich schweigend, betend, andere wütend, fragend, fröhlich. Entscheidungen sind zu treffen, wenn Orientierungstafeln fehlen oder drei Richtungen für ein Ziel gegeben Maria Helbok. Foto: Hölbling sind. Man findet seine Geschwindigkeit, man darf entschleunigen. Da und dort ergeben sich Begegnungen und Gespräche mit Einheimischen. Und am Ziel solch wunderbare Erfahrungen: geschafft, stolz, glücklich, demütig, getragen. Gottfried Kühnelt-Leddihn, Malteser Hospitaldienst Austria: Wallfahrt bedeutet für mich Entsorgung von Altlasten – vor dem Aufbruch, unterwegs, am Ziel. Wallfahrt ist eine schöpferische Pause in einer mit Stress angefüllten Zeit, verschafft mir Klarheit über meinen Lebensweg, ist ein Danke, ist ein Bitte. Wallfahrt ist Wartung für die Seele, bringt Zufriedenheit. Wallfahrt ist: am Gipfel stehen Gottfried Kühnelt-Leddihn. und ganz tief durchatFoto: Malteser men, SEINEN Geist auf mich wirken zu lassen. Manchmal genügt eine halbe Stunde bei Unserer Lieben Frau unter den vier Säulen, ein anderes Mal ein Gang nach Heiligwasser oder auf’s Höttinger Bild, von Zeit zu Zeit muss es ein weiter Weg sein. Richard Norz, Kammerdirektor der Landwirtschaftskammer Tirol: Pilgern bedeutet für mich Aufbrechen, Alltag und Gewohntes hinter sich lassen und damit offen und frei werden für Eindrücke und Begegnungen. Pilgern zu Fuß bietet außerdem einzigartige Möglichkeiten des Wahrnehmens der mich begleitenden Natur, sie als Schöpfung und damit Mitwelt zu bestaunen und zu begreifen. Gemeinsamkeiten, und damit Gemeinschaft zu erleben, gehören zu den Kraftquellen des Pilgerns Richard Norz. Foto: LKT („Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, Matthäus 18, 20). Auffallend sind der Unterschied in der Stimmung, das persönliche Empfinden und die Zuversicht zwischen Hin- und Rückweg. Diesen Mehrwert durch das Pilgern gilt es, in den Alltag hineinzustellen. Moment 30. Mai 2008 – Sonderbeilage Gründungsherausgeber: Komm.-Rat Joseph S. Moser, April 1993 †; Herausgeber: Gesellschafterversammlung der Moser Holding AG; Medieninhaber (Verleger): Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH.; Hersteller: Intergraphik Ges. m. b. H.; Sonderpublikationen, Leitung: Stefan Fuisz; Redaktion: Karin Bauer, Helene Daxecker-Okon, Heike Fink, Christa Hofer, Walter Hölbling, Franz Stocker, Christina Vogt. Diözese Innsbruck, Abteilung ÖA: Karin Bauer. Anschrift für alle: 6020 Innsbruck, Ing.-Etzel-Straße 30, Postfach 578, Tel. 0 512/53 54-0, Fax 0 512/53 54-577. Freitag, 30. Mai 2008 Sich auf den Weg einlassen und offen sein für das was kommt: Wilhelm Holzhammer bricht an einem Wendepunkt seines Lebens zu einer Pilgerreise auf. Neue Wege beschreiten Schon oft hat Wilhelm Holzhammer aus Rum zum Pilgerstab gegriffen, um auf dem Jakobsweg unterwegs zu sein. Demnächst packt er wieder seinen Rucksack und bricht zu einer Pilgerreise auf. Vor einigen Jahren hat Sie das Pilgerfieber gepackt. Was war der Auslöser dafür? Vor sechs Jahren habe ich für die Pfarre eine Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg in Frankreich organisiert. Damals habe ich erfahren, wie bereichernd es ist, täglich 20 Kilometer zu gehen. Seither habe ich mehrfach Teilstücke des Jakobswegs zurückgelegt. Auf der Suche nach den Spuren meines Namenspatrons Wilhelm von Aquitanien habe ich dabei das Kloster gefunden, das er gegründet hat. Zum meinem 60. Geburtstag habe ich mir eine Pilgerreise von St. Guilhemle-Desert nach Puenta La Reina gewünscht und durfte den Weg auch gehen. Unterwegs mit Gott Eine Pilgerreise zum Geburtstag: Worin liegt das Geschenk beim Pilgern? Das Gehen, allein mit sich und mit Gott und in seiner Schöpfung, das ruhige Gehen, das lange, schweigsame Gehen, das macht viel vom Pilgern aus. Und alles, was dazugehört: die körperliche Anstrengung, die Natur, die Menschen, denen man begegnet, Gedanken und Gefühle, die aufsteigen, Gespräche am Abend. Welche Rolle spielt die sportliche Seite des Pilgerns? Wenn ich zu sehr mit Zeit und Leistung beschäftigt bin, kann sich das Herz nicht öffnen. Pilgern ohne diese Spiritualität ist nicht viel anders als Wandern. Das hat auch seinen Reiz, aber dazu muss ich nicht auf einem Pilgerweg unterwegs sein. Nehmen Sie sich spirituelle Impulse auf die Reise mit? Viel kommt von innen heraus, Impulse sind aber hilfreich. Ich habe stets das Stundenbuch und die Bibel dabei. Der Tag beginnt mit der Laudes und dem Tagesevangelium. Mit diesem Text bin ich den ganzen Tag unterwegs. Ich bin oft überrascht, wie genau die Bibelstellen zum jeweiligen Tag passen. Was passiert mit einem, wenn man tage- oder wochenlang alleine unterwegs ist? Die Seele wird frei durch das Abgeben des ganzen Ballastes aus dem Alltag. Die Sensibilität nimmt zu und dadurch werden die Erfahrungen viel unmittelbarer. Die Natur, die Menschen kommen einem viel näher, weil der seelische Panzer nicht mehr da ist, den man Z U R PE RSO N Wilhelm Holzhammer ist Diakon in der Pfarre Rum St. Georg und Vater von fünf erwachsenen Kindern. Jeden Tag nimmt sich Wilhem Holzhammer Zeit, um in der Bibel und im Stundenbuch zu leFoto: Holzhammer sen. Die texte begleiten ihn den ganzen Tag. sich im Alltag oft aufgebaut hat. Sind das nur positive Erfahrungen? Phasen der Krise sind beim Pilgern unausweichlich. Da muss man hindurch, weil man nur so weiter wachsen kann. Es ist so wie im Leben, hier jedoch intensiver und in kurzer Zeit. Gelassener werden Wie gelingt der Ausstieg aus dem Pilgern, nachdem man wochenlang jeden Tag unterwegs gewesen ist? Fällt der Einstieg in den Alltag schwer? Wenn die Zeit, die man sich zum Pilgern vorgenommen hat, vorbei ist, dann sagt einem das Gefühl, dass es Zeit ist, heimzukommen. Ich hatte dann auch genug vom Gehen und war froh, wieder mein normales Leben aufnehmen zu können. Das Pilgern führt nicht aus der Welt hinaus, sondern man kommt im Gegenteil mehr zu sich selbst, ist ruhiger und gelassener. Es bleibt also nicht alles beim Alten? Es gibt den alten Pilgerspruch: „Nach dem Weg ist vor dem Weg.“ Wenn der Pilgerweg vorbei ist, steht man am Beginn seines persönlichen Weges. Dann kann es schon sein, dass man in seinem Leben gewisse Dinge ändern, neue Gewichtungen vornehmen will. Erinnern Sie sich an Erfahrungen, wo sich für Ihr Leben einschneidende Veränderungen ergeben haben? Es gibt ein paar besondere Orte und Momente, wo die Nähe Gottes intensiv spürbar geworden ist. Aber ich kann nicht genau festmachen, was sich da geändert hat. Allerdings an einen Tag kann ich mich aber erinnern, an dem ich einen klaren Hinweis für eine persönliche Entschei- dung bekommen habe. Sie werden demnächst für längere Zeit auf den Pilgerweg nach Santiago de Compostela aufbrechen. Wie bereiten Sie sich darauf vor? Ich werde meinen Weg mit einer bestimmten Frage beginnen. Ein ausgefeiltes spirituelles Programm werde ich mir nicht zurechtlegen. „Ich möchte offen sein für das, was auf mich zukommt.“ WILHELM HOLZHAMMER Foto: Holzhammer Ich möchte mich auf den Weg einlassen und offen sein für das, was auf mich zukommt. Wer sich da zu viel verplant, verstellt sich den Blick auf das, was kommt. Antwort auf Fragen Wie stellen sich beim Pilgern Antworten auf diese Frage ein? So mancher hat die Erfahrung gemacht, dass er auf dem Weg Menschen begegnet, die ihm oder ihr Antworten auf seine oder ihre Fragen geben. Irgendein Mensch quert deinen Weg, der dir den entscheidenden Anhaltspunkt gibt, oft, ohne es selbst zu wissen. Anderen erschließt sich eine Antwort im Gebet. Hier hellhörig zu sein und hinzuhören, ist wichtig. Worin besteht die größte Herausforderung beim Pilgern? Wichtig ist: Man muss es wollen und die Zeit muss reif dafür sein. Nicht immer ist die passende Zeit für das Pilgern. Vielleicht hat jemand auch Angst davor, länger allein unterwegs zu sein. Es ist auch eine Frage, ob es für die anderen passt, ob ich selbst der Herausforderung gewachsen bin? Ich habe mich nach Gesprächen in der Familie und mit Freunden entschlossen, diesen Weg zu gehen. Meine Frau Hilde wird die ersten zehn Tage bis Einsiedeln mit mir gehen. Licht und Schatten Wir erleben derzeit einen Pilgerboom. Wie erleben Sie diesen Megatrend? Der deutsche Fernsehstar Hape Kerkeling hat mit seinem Pilgerbuch im deutschsprachigen Raum einen Pilgerboom ausgelöst. Das hat dazu geführt, dass Promis oder Politiker auf dem Pilgerweg gefilmt werden. Das tut der Sache keinen guten Dienst. Eine positive Auswirkung des Pilgerbooms ist allerdings, dass andere Pilgerwege, wie zum Beispiel nach Mariazell oder nach Assisi oder die weit verzweigten Jakobswege in ganz Europa, mehr an Aufmerksamkeit gewinnen. Haben Sie spezielle Erwartungen für Ihren Pilgerweg? Es ist eine Art Regeneration, sowohl körperlich als auch spirituell und in meinem Glaubensleben. In meinen Gebeten nehme ich meine Familie, Freunde und die Pfarrgemeinde mit. Ich hoffe, dass danach manches in meinem Leben klarer wird. An Wendepunkten – bei mir ist es der Eintritt in den Ruhestand – ist eine Bestandsaufnahme und Neubewertung hilfreich. Es ist wichtig, vorübergehend aus den eingefahrenen Wegen auszusteigen, um einen neuen Blick für das eigene Leben zu gewinnen und vielleicht zu erfahren, was Gott mit einem vorhat. Das Interview Walter Hölbling führte