Musik + Mode = True Love
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Musik + Mode = True Love
12_18_mode_Z 24.09.13 18:08 Seite 12 True Love Musik und Mode stehen in einem engen, wechselseitigen Verhältnis zueinander. Welche Parallelen und Synergieeffekte gibt es? Und wer sucht eigentlich die Musik für die Fashion-Shows aus, zu der die Models über die Catwalks stolzieren? adonna, die sich in einem grauen SchlabberJogging-Anzug an einer Ballettstange verrenkt? Cro, der im Karo-Flanellhemd und löchriger XXL-Jeans vor einer Strand-Kulisse rappt, während Pearl Jam in glitzernden, paillettenbesetzten Maß-Anzügen über die Bühne toben? Passt nicht? Kleider machen eben nicht nur Leute, sondern auch Popstars! Egal ob auf der Bühne, im Musikvideo oder CD-Booklet – Musik ohne Mode ist in unserer durchvisualisierten Welt nicht mehr vorstellbar. Künstler unterstreichen durch ihre Kleiderauswahl ihr Image, werden dank des richtigen Outfits erst zu einem schillernden Superstar. Auf der anderen Seite profitiert auch die Modebranche von der Strahlkraft bekannter Musiker. Immer wieder suchen Designer die Nähe von jungen Bands, um dadurch ihrer Marke einen Hauch von Coolness zu verschaffen. David Bowie diente mit seinen fantasievollen Kostümen gleich mehreren Designer-Generationen als Inspirationsquelle. Die beiden Kreativbranchen befeuern sich gegenseitig: Pop-Sängerinnen, die als Models posieren oder hinter überdimensionalen Sonnenbrillen in der ersten Reihe bei Modeschauen „Vogue”-Chefin Anna Wintour Konkurrenz machen. Models, die Musik auflegen, Modedesigner, die sich als A&Rs versuchen, Rockstars, die plötzlich Baby-Mode entwerfen. In Musikmagazinen kann sich die junge Zielgruppe in Style-Kolumnen und Modestrecken, für die ab und zu Indie-Bands posieren, FashionTipps holen. Viele der gut gekleideten Selbstdarsteller auf Mode-Blogs sehen aus, als wären sie dem neusten Videoclip einer Hipster-Indie-Garagenband aus Brooklyn entsprungen. „Die Verbindung von Musik und Mode ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken”, ist Bettina Dorn, Director Brand Partnership Central Europe bei Warner Music Group Germany, überzeugt. „Beide Bereiche zählen zu wesentlichen Elementen des Lifestyle-Kosmos und dienen dazu, sich selbst zu definieren und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Entsprechend kann Mode ein hervorragender Transmitter für neue Musik sein und die Empfehlung eines Fashion-Labels durch einen Künstler die notwendige Emotionalisierung liefern, als auch für hohe Glaubwürdigkeit sorgen und den Abverkauf schüren.” Soweit der Blick auf das Verhältnis von Musik und Mode aus Marketing-Perspektive. | (v.l.) Daft Punk in Saint Laurent, Janelle Monáe stets in schwwarz-weiß, Florence Welch by Karl Lagerfeld, Beth Ditto, die etwas andere Mode-Muse und Fashion-Victim Lady Gaga | Fotos: David Black, Andrew Zaeh, Karl Lagerfeld, Rankin, Mariano Vivanco M Weniger ist mehr Für Musiker ist der richtige Look ein wichtiges künstlerisches Ausdrucksmittel, das ihre Vision oder die Botschaft ihrer Musik unterstreicht. Janelle Monáe zum Beispiel trägt immer schwarz-weiß. Ihre maskulin geschnittenen Anzüge sind längst zum Markenzeichen der Soul-Diva mit gesellschaftskritischen Texten geworden. Es ist eine Uniform, die sie aus Respekt vor der Arbeiterklasse, der auch ihre Eltern angehörten, trägt. Pink distanziert sich durch rockige Outfits vom Pop-Mainstream. Andere untermauern einen Image-Wechsel mit modischen Akzenten. Aktuelles Beispiel: Miley Cyrus, die sich von ihrem Ruf als braves Disney-Sternchen verabschiedet, indem sie sich ihrer Kleidungsstücke entledigt. Eine, die das Wechselspiel zwischen Musik- und Modewelt perfektioniert hat, ist Lady Gaga. Ob im Fleisch- Kleid oder in Leder-Bondage-Kluft, die Pop-Diva versteht es, durch ihren extravagenten Stil von sich reden zu machen – mit gagafashionland.com gibt es sogar eine Website, die sich ausschließlich damit beschäftigt, was sie wann wo getragen hat. Lady Gaga versteht es, die Synergien von Musik- und Modebranche zu verbinden. Ein Beispiel: Der japanische Designer Nicola Formichetti, der beim „Haus Of Gaga”, der Kreativzelle der Künstlerin, lange Zeit das Modezepter schwang, wurde 2010 zum Creative Director von Mugler ernannt. Im März 2011 gab Lady Gaga dann ihr Debüt als Catwalk-Model bei einer Mugler-Show und präsentierte den Track „Scheiße” aus ihrem Album „Born This Way”, das kurz danach erschien. thema des monats musik + mode musikmarkt 39|13 12_18_mode_Z 24.09.13 18:08 Seite 13 Zauberformel: 1+1=3 Längst haben bekannte Musiker, deren Namen selbst zur Marke geworden sind, Mode in Zeiten rückläufiger Tonträgerverkäufe als zusätzliche Umsatzquelle für sich entdeckt. Kanye West zum Beispiel avancierte innerhalb der vergangenen zehn Jahre vom HipHop-Nerd zur StilIkone inklusive eigener Modelinie und lukrativen Kooperationen mit Nike und Louis Vuitton. Andere Popstars wie P. Diddy, Pharrell Williams und Beyoncé lancierten ihre eigenen Modemarken. Auch für Musiklabels sind Deals mit Modeunternehmen sehr lukrativ. „Im Idealfall treffen hier zwei Partner zusammen, die gemeinsam aus 1+1= 3 machen”, so Bettina Dorn von Warner Music. „Für beide Seiten gilt es, mehr Aufmerksamkeit, Liebe und Kaufkraft zu bekommen als andere Marken. Durch individuell abgestimmte Konzepte versuchen wir für beide Seiten neue Zielgruppen anzusprechen, eine Effizienzsteigerung innerhalb bestehender Markenwelten durch Emotionalisierung zu erzielen, Media-Reichweite auszubauen oder auch Markenprofilierung zu betreiben. Je nach Bedarf und Möglichkeit können diese Deals als Einzelmaßnahme, als integrierte Kampagne oder Exklusiv-Kooperation umgesetzt werden.” Warner Music hat gerade eine Brand-Kooperation mit der deutschen Erfolgsmarke Deichmann für zahlreiche Territories vereinbart. „Mit unseren schwedischen Newcomern NoNoNo ist es uns gelungen, die neue ,Graceland’Herbstkampagne zu besetzen”, so Dorn. Neben klassischer Media-Arbeit in den Bereichen TV und Online ist in Zusammenarbeit mit Shazam eine Competition für einen Exklusiv-Event in Berlin geplant. „Zudem konnten wir Deichmann als Toursponsor für unsere kommende NoNoNo-Tournee im Oktober gewinnen.” Warner Music bietet ein ganzheitliches Musikkonzept an. Jeder der Kooperationsbereiche wird mit exklusivem Content für die Marke, Social-Media-Kommunikation, Artist Involvement sowie besonderen Marketing-Aktivitäten begleitet. „Die Tatsache, dass wir neben dem klassischen RecordedMusic-Bereich auch unsere Geschäftsbereiche Touring und Merchandise-Items integrieren konnten, ermöglicht der Marke neben einer Emotionalisierung und exklusiven ,Money Can’t Buy’-Inhalten nicht nur eine Kampagnenverlängerung, sondern auch einen Imagetransfer”, so die Marketing-Expertin. Umgekehrt hat auch die Modeindustrie gelernt, die wirtschaftliche Zugkraft von Musik für sich zu nutzen. Karl Lagerfeld zum Beispiel, ein Musikfan, der angeblich meh- 13 musik + mode rere iPods besitzt, lässt sich immer wieder von eigenwilligen Sängerinnen inspirieren – und erweitert dadurch seine Zielgruppe. So dienten ihm bereits Lily Allen und die schwergewichtige Gossip-Frontfrau Beth Ditto als Musen. 2009 hofierte er die niederländische Band Moke. Der umtriebige Modeschöpfer stattete die Band mit seiner Jeansline „K” by Karl Lagerfeld aus. „Das Ankleiden einer solchen Band ist ein guter Weg, um Kontakt zur Jugend zu behalten”, ließ Lagerfeld damals verlauten. Zuletzt suchte der deutsche Mode-Zar die Nähe von Florence Welch, Frontfrau der Band Florence + The Machine. Die beiden lernten sich bei einem Foto-Shooting für die japanische „Vogue” kennen. Später performte die britische Sängerin mit Hang zur Theatralik bei der Präsentation von Lagerfelds ChanelShow ihren Song „What The Water Gave Me”. Der Modeschöpfer revanchierte sich mit Pressefotos und einem Plattencover für eine limitierte Vinyl-Auflage der Single „Shake It Out”. Es ist ein Geben und Nehmen, von dem beide Seiten profitieren: Die von bekannten Designern und Modehäusern protegierten Musiker erhalten dank der Medienberichterstattung, die Prêt-à-porter-Schauen zuteil wird, weltweite Aufmerksamkeit und können dadurch ihre Fanbasis erweitern. Die De- hintergrund musikmarkt 39|13 thema des monats 12_18_mode_Z 24.09.13 18:08 Seite 14 signer wiederum erhoffen sich einen Hauch des jugendlichen Glamours der Popstars, um im Idealfall für ihre Marken neue, jüngere Käuferschichten zu erreichen. Auch die Jeans-Marke Levi’s nutzte das Marketing-Potenzial von Popmusik in der Vergangenheit immer wieder für ihre Werbezwecke. Songs, die in den viel beachteten Spots liefen, knackten europaweit die Charts. 1991 sorgte etwa ein Werbeclip dafür, dass „Should I Stay or Should I Go” von The Clash auf Platz eins der UK-Charts stürmte – zehn Jahre, nachdem der Song ursprünglich erschienen war. Dem französischen DJ Mr. Oizo gelang mit „Flat Beat” aus der Levi’s-Werbung ebenfalls der Sprung an die Spitze. Superstars im Bikini H&M warb u.a. bereits mit Ex-Roxy-MusicSänger Bryan Ferry. Zuletzt räkelte sich Superstar Beyoncé für eine Kampagne des Konzerns vor Palmenkulisse, in den dazugehörigen Spots gab es neue Songs der R’n’B-Queen zu hören. Die Schweden locken die jungen Käufer mit zielgruppen-affinen Spezial-Kollektionen – wie kürzlich mit Entwürfen von Gute-Laune-Rapper Cro – in ihre Filialen. Zudem werden die Konsumenten in den H&MStores stets mit frischer, hipper Musik berieselt. Der Moderiese hat die Verzahnung von Music meets Fashion: Kitsuné gend auf einen Mix aus Elektro-Pop und Indie-Rock. „Wir suchen nach tollen Songs, die die Leute berühren und langfristig Bestand haben”, erklärt Loaëc. Für die Kitsuné-Modekollektionen lassen sich die kreativen Köpfe weniger von Musik, als viel mehr von Filmen beeinflussen, wie Loaëc verrät. „Vor allem von US-Produktionen der späten 60er und frühen 70er Jahre.” Das Credo der Modelinie: Chic und zeitlos. „Die Mode ist vielleicht einen Tick cleaner als die Musik von Kitsuné”, so Loaëc weiter. | „Monsieur Kitsuné” Gildas Loaëc | Foto: Alice Moitié Kitsuné steht für einen exquisiten Geschmack – in Sachen Mode und Musik. Das französische Unternehmen kombiniert Musikund Fashion-Label unter einem Dach. „Wir lieben Musik und wir lieben Mode”, sagt Gildas Loaëc, einer der Mitbegründer des 2002 lancierten Pariser Labels. Kitsuné hat in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche zuvor unbekannte Bands gefördert, denen später der Durchbruch gelang, darunter Two Door Cinema Club, Is Tropical, Citizens! und La Roux. Bekannt wurde Kitsuné vor allem durch seine „Maison”-Compilation-Reihe, die im Oktober in die 15. Runde geht. Musikalisch setzen die Macher vorwie- 14 Mode und Musik unter einem Dach, die perfekte Symbiose. Die Synergie-Effekte liegen auf der Hand. Kitsuné hat jedoch keine Sponsoring-Verträge mit seinen Künstlern. „Aber wenn einer unserer Künstler die Mode von Maison Kitsuné mag, haben wir natürlich nichts dagegen, wenn er die Kleider trägt”, so Label-Chef Loaëc. Einige der Kitsuné-Musiker stehen aber als Models für das Modelabel vor der Kamera, darunter etwa die beiden australischen Zwillingsschwestern Miranda und Elektra von Say Lou Lou. Beide Bereiche – Musik und Mode – laufen sehr gut, wie Loaëc versichert. „Weltweit erzielen wir mit den Modekollektionen natürlich höhere Umsätze, aber die Investments sind auch höher”, erläutert er. In den Kitsuné-Stores laufen übrigens vorwiegend die „Kitsuné Maison”-Compilations. „Wir haben mittlerweile einen ziemlich großen Katalog, so dass die Musik sehr abwechslungsreich ist – und nicht zu anstrengend für unsere Mitarbeiter in den Filialen wird”, grinst Loaëc. | rw Mehr Informationen: www.kitsune.fr Popwelt und Fashion-Branche perfektioniert. Im Frühjahr organisierte das Modelabel zum Release seiner Festival-inspirierten „Divided”-Kollektion unter dem Motto „H&M Loves Music Festival” in Paris ein Event mit Live-Gigs und DJ-Set. Apropos Festival: Dank der zahlreichen Stars, die topgestylt bei den großen Open-Air-Veranstaltungen auftauchen und deren Fotos danach in der Boulevard-Presse kursieren, hat sich „Festival Fashion” als eigenständiger Look etabliert: Gummistiefel, luftigleichte Maxikleider mit Blumenmuster – und ein wasserfester Schutz gegen Regen und Schlamm. Zum Beispiel von Barbour. Die mit Wachs beschichteten Jacken der britischen Traditionsmarke werden bei Open-AirEvents aufgrund ihrer wetterfesten Ausstattung gerne getragen. „Der Ruf unserer Marke und der Fakt, dass wir Funktionalität mit Style kombinieren, machen uns zu einem Festival-Favoriten”, meint Ian Bergin, Head of Menswear bei Barbour. Insbesondere seit 2006, als die Arctic Monkeys bei Festivals im Barbour-Outfit gesehen wurden, nahm die Popularität der Marke stetig zu. „Wir begrüßen es, wenn Celebrities unsere Produkte tragen, weil sie sie mögen und unser Stil zu ihnen passt”, erklärt Ian Bergin. Image und Marke müssen passen Authentizität ist von zentraler Bedeutung. Es geht um den idealen Brand-Fit, erklärt Bettina Dorn. Konkret: „Für welche Attribute steht die Modemarke, für welches Image steht der Künstler und wie groß sind hier die Übereinstimmungen beider Marken?” Es gehe darum, ein glaubwürdiges Storytelling aufzusetzen, das den Act authentisch mit der Marke in Zusammenhang stelle und zudem gewährleiste, dass die Marke einen positiven Imagetransfer durch die Zusammenarbeit mit dem Künstler erfahre. Mit anderen Worten: Testimonial und Marke müssen zusammenpassen. Sonst profitiert keine der beiden Seiten. Eine Win-Win-Situation ist die Verschmelzung von Musik und Mode im Live-Entertainment-Bereich. Die Ausstattung durch Star-Designer gehört längst zum StandardProgramm von Superstars. Beyoncé ließ sich für ihre aktuelle Welttournee gleich von mehreren Designern ausstaffieren. Und auch Kylie Minogue arbeitet regelmäßig mit ModeGrößen wie Dolce & Gabbana oder Jean-Paul Gaultier zusammen. Letzterer setzte bereits zahlreiche Popstars für ihre Bühnenshows in Szene. Legendär ist sein Büstenhalter, den er Madonna 1990 für deren „Blonde Ambition”Welttournee auf den Leib schneiderte. Das ikonenhafte Kleidungsstück verschaffte der „Queen Of Pop” Aufmerksamkeit und der Look brannte sich ins allgemeine popkulturelle Gedächtnis. Gleichzeitig machte sich der französische Modedesigner über die Modewelt hinaus einen Namen. Spektakulär und komfortabel Bühnenoutfits sollen nicht nur für offene Münder bei den Zuschauern sorgen, sondern müssen auch praktische Voraussetzungen erfüllen. So sollten sie nicht zuletzt bequem sein. Schließlich müssen die Künstler je nach Dauer einer Tour mehrere Male pro Woche in den Kostümen über die Bühne wirbeln. Im Unterschied zu den Großen der Branche tragen die drei Mitglieder der schwedischen Newcomer-Band NoNoNo on stage eher schlichte Outfits, die sie auch privat tragen würden, wenn sie abends weggehen, wie dieses Live-Feeling”, sagt Wäppling. Wenn eine Band für einen Designer auf der Bühne steht, erhalten die Musiker Aufmerksamkeit. Gleichzeitig profitieren die Modehäuser vom „Coolness”-Faktor. Auch das britische R’n’BDuo AlunaGeorge gab bereits live bei einer Moschino-Show den Takt vor. Ist es nicht seltsam, statt in euphorisierte Gesichter von Fans auf kühl herum stolzierende Models zu blicken? „Es war schon sehr bizarr”, lacht Produzent George Reid. „Wir sind daran gewöhnt, Gigs zu spielen, vor Publikum aufzutreten. Bei einer Modenschau geht es ja lediglich darum, für die Hintergrundmusik zu sorgen. Es war wirklich surreal.” Seine Kollegin, Sängerin Aluna Francis, arbeitet nebenbei als Model und begeistert sich sehr für Mode. „Sie kommt immer wieder mit neuen Stage-Outfit-Ideen an”, berichtet Reid und fügt hinzu: enge, körperbetontere Outfits. Für die aktuelle Herbst-Kollektion von Saint Laurent, die vom Grunge der 90er Jahre inspiriert wurde, konnte Slimane mit Courtney Love, Marilyn Manson und Sonic-Youth-Sängerin Kim Gordon drei gestandene Rocker als Werbegesichter gewinnen. Für seine Modeschauen setzt das kreative Multitalent auf eine exklusive Musikauswahl. So wurde der Song „In The Morning” der Indie-Band Razorlight speziell für eine Show von Dior Homme, für die Slimane früher arbeitete, komponiert. Eine Fashion-Show ohne Musik wäre undenkbar. „Das Zusammenspiel von Musik und Mode wird gerade bei einer Modenschau sehr deutlich. Eine Show ohne Musik wäre sehr bedrückend”, meint Model Eva Padberg, die zusammen mit ihrem Mann, Niklas Worgt, als Dapayk & Padberg Musik macht thema des monats musik + mode musikmarkt 39|13 12_18_mode_Z 24.09.13 18:09 Seite 15 | Kennen sich in Sachen Mode und Musik aus: Tausendsassa Jerry Bouthier, Model und Musikerin Eva Padberg, Festival-Outfitter Ian Bergin (Barbour) und Marketing-Expertin Bettina Dorn (Warner Music) | Foto: Elsa Okazaki, Mo’s Ferry Productions, Barbour, Warner Sängerin Stina Wäppling betont. Es gehe schließlich darum, sich auf der Bühne wohl zu fühlen. Die Band eröffnete dieses Jahr die Präsentation von Michael Michalskys neuer Sommer-Kollektion. Das Trio stellte seinen Song „Pumpin Blood” vor, in dem es um Freiheit geht, darum, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Der Sound und die Botschaft passten zum Motto der aktuellen Michalsky-Show: „Sweet Freedom”. Der deutsche Designer engagiert für seine „Michalsky StyleNite” bei der Berlin Fashion Week regelmäßig vielversprechende Live-Acts (s. Interview ab Seite 17). Er bot heutigen Topacts wie Lady Gaga, Hurts, Icona Pop und Marina And The Diamonds vor deren Durchbruch eine Plattform, sich und ihre Musik im Rahmen seiner Modenschau zu präsentieren. Und was ist es für ein Gefühl, bei einer Modenschau aufzutreten, wenn die geladenen Gäste mit strengen Mienen in der ersten Reihe sitzen und ein Wippen des Fußes bereits einen emotionalen Ausbruch bedeutet? „Man spürt trotzdem eine gewisse Energie, „Ich bin da eher etwas einfacher gestrickt. Ich möchte mich auf der Bühne in meinen Klamotten vor allem wohl fühlen. Schließlich ist es schon seltsam genug, vor Leuten auf der Bühne zu stehen.” Anderen kann es nicht glamourös genug sein. Daft Punk ließen sich für ihr spektakuläres Comeback funkelnde Disco-Anzüge von Saint Laurent anfertigen. Bei dem französischen Traditionshaus zeichnet seit kurzem Hedi Slimane als Creative Director verantwortlich. Der 45-Jährige ist ein großer Musikliebhaber. Für seinen Blog „Rock Diary” fotografiert er seine Lieblingsmusiker, er gestaltete Album-Cover, von Lady Gagas „The Fame Monster” bis „Alphabetical” von Phoenix. Und nebenbei machte Slimane die Röhrenjeans für Männer wieder salonfähig. Zahlreiche Indie-Rocker wie The Strokes prägten Anfang des vergangenen Jahrzehnts den neuen Look. Mittlerweile haben Skinny Jeans sogar die für Rapper lange Zeit typischen Baggy-Pants verdrängt. Die junge Rap-Garde um Casper und Cro setzt auf und mit „Smoke” gerade Album Nummer vier vorlegte. „Für die meisten Designer ist Musik bereits beim Entwicklungsprozess einer Kollektion integraler Bestandteil der Arbeit”, so Padberg. „Mutter des Punk” steht auf Klassik Viele Modeschöpfer hören bereits während des Schaffensprozesses bestimmte Songs oder Alben. Die Musikauswahl für ihre Shows überlassen die meisten Designer aber den Experten. Musikkennern wie Jerry Bouthier. Der DJ und Produzent ist für die Musikauswahl für verschiedene Modelabels verantwortlich. Es sei keine bewusste Entscheidung gewesen, Musik und Mode zu verbinden, sagt Bouthier. „Es ist einfach passiert.” Im Londoner Club BoomBox, wo Bouthier als Resident-DJ auflegt, verkehren viele Modestudenten und Designer. So lernte er nach und nach immer mehr Leute aus der Branche kennen. „Eins führte zum anderen.” Heute arbeitet er eng mit den Designern zusammen. Manche zeigen ihm einzelne Teile ihrer Kol- 15 musikmarkt 39|13 thema des monats 12_18_mode_Z 24.09.13 18:09 Seite 16 musik + mode lektionen vorab, so dass er sich Gedanken über die musikalische Umsetzung machen kann. Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht. Meist erfährt Bouthier erst kurz vor Start einer Fashion Week, für wen er arbeitet. „Die Musik kommt im Produktionsprozess immer ziemlich zum Schluss. Ein, zwei Wochen vor der Show.” Das sei aber auch besser so: „Erst dann weiß ich genau, wie viele Looks gezeigt werden und die Designer haben eine klarere Vorstellung davon, wie die Show aussehen und die Kollektion präsentiert werden soll. „In einem früheren Stadium würden sie vermutlich ständig ihre Meinung ändern.” Bouthier ist es gewohnt, unter Druck zu arbeiten. „Wenn ich 48 oder sogar nur 24 Stunden Zeit habe, reicht das!” Reich wird man damit allerdings nicht. „Außer, man arbeitet für Chanel oder Prada!” Meistens sind nur wenige Verantwortliche an der Musikauswahl für die Defilees beteiligt. „Je mehr Personen mitreden, desto komplizierter wird es. Dann muss ich gegebenenfalls mehr Leute von meiner Song-Auswahl überzeugen”, lacht Bouthier. Je besser er einen Designer kenne, desto leichter sei es für ihn, passende Vorschläge für Musik zu machen, die zur Marke und zur jeweiligen Show wir uns aber auch einfach sehr viel Musik an, stundenlang, und wählen die Titel aus, die ihnen am besten gefallen”, so Bouthier. „Mein Job ist es, sie auf neuere Sounds, die sie vielleicht nicht kennt, aufmerksam zu machen. Vivienne Westwood ist sehr offen für Neues.” Die Designerin begeistere sich etwa für World Music aus Afrika, China oder Südamerika. So mag Vivienne Westwood zum Beispiel HipHop aus den brasilianischen Armenvierteln, Baile Funk, wie Bouthier verrät. Sie steht aber auch auf Klassik. Die „Mutter des Punk” schickt ihre Models gerne zu klassischen Klängen über den Laufsteg. „Sie liebt Tschaikowsky”, weiß Jerry Bouthier zu berichten. „Wenn sie direkt in die Song-Auswahl involviert ist, sind mindestens ein oder zwei Klassik-Stücke dabei. Aber Rock spielt natürlich auch eine große Rolle.” Schließlich hat Vivienne Westwood ein Erbe zu bewahren. Die Geschichte der britischen Modeschöpferin ist eng mit der Punk-Bewegung verknüpft. Zusammen mit Malcolm McLaren eröffnete sie 1971 in Londons Kings Road Nummer 430 einen Laden. Sie entwarfen TShirts mit provokanten Messages. So provokant, dass sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Ihre Antwort darauf: noch radikalere | Modebewusste Popstars: AlunaGeorge, Kanye West und Pharrell Williams | Fotos: Universal Music, passe. „Es ist immer ein reger Austausch: Ich schlage Tracks vor, sie beschreiben die Stimmung, die sie haben wollen.” Seit fünf Jahren berät der Franzose auch Vivienne Westwood bei der Musikauswahl für ihre Shows. Die Mode-Ikone sei oft persönlich in die Musikauswahl involviert, so Bouthier. Die Songauswahl hänge jeweils vom Motto der Kollektion ab. „Manchmal hat das Team bereits Ideen und bringt Songs mit, auf denen ich aufbauen kann. Manchmal hören 16 Botschaften. 1974 wurde der Shop in SEX umbenannt. Zwei Jahre später stürmten die Sex Pistols, die von McLaren gemanagt wurden und die T-Shirts trugen, mit „God Save The Queen” die UK-Charts. Rock, Elektro, Weltmusik, Klassik – Jerry Bouthiers Aufgabe ist es am Ende, diese verschiedenen Einflüsse in einem ca. 15-minütigen Soundtrack zusammenzufügen, so dass die Titel nicht isoliert dastehen, sondern wie aus einem Guss klingen. „Ich versuche, aus den einzelnen Zutaten ein Gericht zu kreieren. Am Ende entsteht dabei eine Art AudioFilm, Musik, die Bilder im Köpf auslöst.” Für die Modenschauen setzt Bouthier auf eklektische Mixe, kombiniert verschiedene Stilrichtungen. „Nur ein Musikgenre würde mich zu sehr einschränken. Die Shows dauern ja bis zu einer Viertelstunde, da würde es schnell langweilig werden, wenn nur Klassik oder Rock laufen würde.” Bouthier, der nebenbei mit Continental Records sein eigenes Musiklabel betreibt und regelmäßig für das Pariser Label Kitsuné arbeitet, legt in Clubs genauso gerne auf wie bei Modenschauen. „Ich liebe es, Leute zum Tanzen zu bringen. Eine Modenschau ist natürlich anders: Man legt zwar auch Musik auf, aber es geht nicht darum, das Publikum zum Bewegen zu animieren, sondern eine bestimmte Atmosphäre, eine gewisse Stimmung zu schaffen. Das macht ebenso Spaß!” It’s The Beat! Neben der Vision des Designers, welche Stimmung er bei einer Show vermitteln will, geht es bei vielen auch ums Tempo, den Beat, zu dem die Models im Takt über die Catwalks laufen. Für die ist es einfacher, sich zu einem Rhythmus zu bewegen. Bei einer Show in London sollten die Models zu sphärischen Klängen sehr langsam, fast in Zeitlupe laufen, erinnert sich Eva Padberg. „Das war eher eine Kunst-Installation und etwas unangenehm.” Fest steht: Schlechte Musik kann eine ganze Modenschau ruinieren. „Die richtige Musikauswahl ist sehr wichtig, und die Designer wissen das”, so Bouthier. Bei bekannten Labels wie Westwood gebe es viele Zuschauer, ein großes Venue und satten Sound. „Das ist fast wie eine richtige Rock-Show. Ich versuche dann, die Zuschauer nicht von den Sitzen zu pusten, aber es soll schon ein Eindruck hinterlassen werden.” Mode funktioniert nicht ohne Musik. Und die Welt des Pop wäre ohne die atemberaubenden Outfits und Mode-Fauxpas wohl um einiges fader. Es ist und bleibt ein Wechselspiel. „True Love” eben. | Renzo Wellinger