Biografie und Katalog
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Biografie und Katalog
Viele Kulturen – eine Sprache Adelbert-von-Chamisso-Preisträgerinnen und Preisträger 1985 — 2007 Viele Kulturen eine Sprache Adelbert-von-ChamissoPreisträgerinnen und Preisträger 1985 — 2007 Viele Kulturen eine Sprache Adelbert-von-ChamissoPreisträgerinnen und Preisträger 1985 — 2007 Der Edelmann als Bürger Die Preisträgerinnen und Preisträger des Adelbert-von-Chamisso-Preises der Robert Bosch Stiftung 2007 Magdalena Sadlon Luo Lingyuan (Förderpreis) Que Du Luu (Förderpreis) 12 14 16 2006 Zsuzsanna Gahse Sudabeh Mohafez (Förderpreis) Eleonora Hummel (Förderpreis) 18 20 22 2005 Feridun Zaimoglu Dimitré Dinev (Förderpreis) 24 26 2004 Asfa-Wossen Asserate Zsuzsa Bánk Yadé Kara (Förderpreis) 28 30 32 2003 Ilma Rakusa Hussain Al-Mozany (Förderpreis) Marica Bodrozic´ (Förderpreis) 34 36 38 2002 SAID Catalin Dorian Florescu (Förderpreis) Francesco Micieli (Förderpreis) Harald Weinrich (Ehrengabe) 40 42 44 46 2001 Zehra Çırak Radek Knapp (Förderpreis) Vladimir Vertlib (Förderpreis) Imre Kertész (Ehrengabe) 48 50 52 54 2000 Ilija Trojanow Terézia Mora (Förderpreis) Aglaja Veteranyi (Förderpreis) † 56 58 60 1999 Emine Sevgi Özdamar Selim Özdogan (Förderpreis) 62 64 1998 Natascha Wodin Abdellatif Belfellah (Förderpreis) 66 68 1997 Güney Dal José F.A. Oliver Jirí Grusa (Ehrengabe) 70 72 74 ^ ^ Seit 1985 würdigt die Robert Bosch Stiftung mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis deutsch schreibende Autoren nichtdeutscher Muttersprache. Die Auszeichnung wird jährlich im Rahmen einer Festveranstaltung in München vorgenommen. ^ Die Robert Bosch Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Sie konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die Bereiche Wissenschaft, Gesundheit, Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur. 6 Grußwort 1996 Yoko Tawada Marian Nakitsch (Förderpreis) 76 78 1995 György Dalos Lásló Csiba (Förderpreis) 80 82 1994 Dante Andrea Franzetti Dragica Rajcic´ (Förderpreis) ^ 84 86 1993 Rafik Schami . Ismet Elçi (Förderpreis) 88 90 1992 Adel Karasholi Galsan Tschinag 92 94 1991 Libuse Moníková † SAID (Förderpreis) 1990 Cyrus Atabay † Alev Tekinay (Förderpreis) 98 100 1989 Yüksel Pazarkaya Zehra Çırak (Förderpreis) 102 48 1988 Elazar Benyoëtz ç Zafer Senocak (Förderpreis) 104 106 1987 Franco Biondi Gino Chiellino 108 110 1986 Ota Filip 112 1985 Aras Ören Rafik Schami (Förderpreis) 114 88 Bibliografien 116 Viele Kulturen – eine Sprache Der Katalog der Adelbert-von-Chamisso-Preisträger erscheint nunmehr in seiner fünften aktualisierten und überarbeiteten Auflage. Er dokumentiert einen Literaturpreis, mit dem die Robert Bosch Stiftung seit 1985 deutsch schreibende Autoren nicht deutscher Muttersprache auszeichnet, und der im deutschsprachigen Raum in seiner Ausrichtung einzigartig ist. Die ausgezeichneten Autoren haben ganz unterschiedliche kulturelle Hintergründe und sind durch Arbeitsmigration, Asyl, Exil oder Studium nach Deutschland gekommen. Eines aber verbindet sie: Die deutsche Sprache, in die sie eingewandert sind und die sie zu ihrer eigenen und wichtigsten Ausdrucksform gemacht haben. Dieser Wechsel in die deutsche Sprache geht dabei weit über deren Alltagsgebrauch hinaus. Er vollzieht sich in künstlerischer und literarischer Aneignung und macht das Werk der Adelbert-vonChamisso-Preisträger zu einem selbstverständlichen Bestandteil der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Der Preis dokumentiert, dass Literatur und Sprache der Verständigung zwischen den Kulturen dient – in Deutschland, in Europa und darüber hinaus. Die Chamisso-Preisträger, die wie Elazar Benyoëtz und Galsan Tschinag nicht in Deutschland leben und wirken, fördern mit ihren Werken den internationalen Gebrauch des Deutschen als Bildungssprache. Die im deutschen Sprachraum tätigen Preisträger sind Beispiele dafür, wie die Kultur derjenigen, die hier eine neue oder zweite Heimat gefunden haben, mit der unseren zusammenfindet. 96 40 Die Chamisso-Preisträger sind nicht nur hervorragende Schriftsteller und Vertreter der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, sondern haben auch eine wichtige Vorbildfunktion, insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Uns allen ist deutlich geworden, welche zentrale Rolle die Sprache für gelingende Integration spielt. Ohne ausreichende Sprachbeherrschung ist ein Leben und Arbeiten in der Gesellschaft nicht möglich. ^ Die Jury 2006/07 György Dalos, Berlin Clemens-Peter Haase, München Ina Hartwig, Frankfurt a. M. Florian Höllerer, Stuttgart Tilman Krause, Berlin Hubert Spiegel, Frankfurt a. M. Ludwig Steinherr, München Es war die kluge Initiative Harald Weinrichs, die Robert Bosch Stiftung von der Einrichtung des Adelbert-von-Chamisso-Preises zu überzeugen. Seit der ersten Preisverleihung 1985 an Aras Ören und Rafik Schami sind insgesamt 46 Schriftsteller aus über zwanzig Herkunftsländern ausgezeichnet worden. Wurde die mit dem Preis gewürdigte Literatur seit den 80er Jahren zunächst noch »Gastarbeiterliteratur«, später »Migrationsliteratur« genannt, so ist sie heute zu einem selbstverständlichen Bestandteil deutscher Gegenwartsliteratur geworden, die nicht selten auch als »Chamisso-Literatur« bezeichnet wird. Die seit 1997 verliehene »Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung« wurde bisher an drei Persönlichkeiten vergeben, die 5 Grußwort durch ihr Lebenswerk in besonderer Weise im Sinne des Preises gewirkt haben: Jirí Grusa, Imre Kertész und Harald Weinrich. Der Edelmann als Bürger ^ ^ Die lebhafte Resonanz auf die zahlreichen von der Stiftung angeregten und unterstützten Lesungen der Preisträger an Schulen, Büchereien und Theatern im gesamten deutschsprachigen Raum zeigt das hohe Interesse an dieser Literatur. Es macht den besonderen Charakter des Adelbert-von-ChamissoPreises aus, dass er nicht allein in einer Prämierung besteht, sondern durch eine Begleitförderung das Lesen der Autoren gerade an Schulen möglich macht. Die Robert Bosch Stiftung veranstaltet in unregelmäßigen Abständen Chamisso-Tage, die an unterschiedlichen Orten im deutschsprachigen Raum durchgeführt werden, zuletzt 2003 in Basel. Sie vergibt darüber hinaus Arbeitsstipendien an die Preisträger und fördert eine Chamisso-Poetikdozentur an der Technischen Universität Dresden. Dieser Katalog begleitet eine Fotoausstellung zu den Preisträgern, die in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut im deutschsprachigen Raum und bereits in weiten Teilen Europas präsentiert wurde. Der Erfolg eines Preises basiert vor allem auf der klugen Auswahl der Preisträger. Allen ehemaligen und gegenwärtigen Mitgliedern der Jury sei an dieser Stelle für ihre weitsichtige und kompetente Arbeit gedankt. Dieter Berg Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung Stuttgart, Februar 2007 Adelbert von Chamisso hatte mehr Glück als viele politische Emigranten unserer Tage. Der gebürtige Franzose fand eine neue Heimat in Berlin, er baute sich eine bürgerliche Existenz auf, wurde noch zu Lebzeiten als Dichter deutscher Sprache und im internationalen Wissenschaftsbetrieb als Naturforscher anerkannt. Doch Chamisso vergaß nie, wie wenig selbstverständlich sein Einwandererschicksal war. Mit elf Jahren wurde der Grafensohn aus einer heilen Kindheitswelt in die Kriegswirren nach der Französischen Revolution hineingezogen. »Von Stadt zu Stadt, von Land zu Land irrend, ohne Bindungen, ohne Vaterland, fast ohne Hoffnung, die Stütze der Elenden, habe ich das Unglück kennengelernt; kaum war es mir vergönnt, den Erzeugern meiner Tage nützlich zu sein. An ihr Schicksal gebunden und ihren Schritten folgend, habe ich Brabant, Holland, das Reich durchmessen; überall bot sich ein Bild des Unglücks meinen Augen; überall fand ich Landsleute von allerhöchstem Rang ins Elend gestürzt«, heißt es in einem Schulaufsatz Chamissos. Vier Jahre irrte die Familie durch Europa, ehe sie 1796 in Berlin eine dauerhafte Zuflucht fand. Vorher waren die bis heute üblichen Schwierigkeiten zu bestehen: Die preußische Polizei drohte den unerwünschten Gästen mit Abschiebung. Doch der alte Adelstitel der Chamissos galt noch etwas im konservativen Preußen, das sich am ersten Koalitionskrieg gegen die französischen Revolutionsheere beteiligt hatte. Die Familie fand in Berlin Anschluß an die französische Kolonie der Hugenotten und an den preußischen Hof. Adelbert konnte das Französische Gymnasium besuchen, diente als Page bei der Königin und trat 1798, mit siebzehn Jahren, als Fähnrich in die preußische Armee ein. Wie aus dem Flüchtlingskind Adelbert von Chamisso ein politischer Dichter deutscher Sprache wurde Von Michael Bienert Den Stammsitz der Familie, Schloß Boncourt in der Champagne, hatte der französische Staat beschlagnahmt und 1793 zum Abbruch durch die Bauern der Gegend freigegeben. Ich träum als Kind mich zurücke Und schüttle mein greises Haupt; Was sucht ihr mich heim, ihr Bilder, Die lang ich vergessen geglaubt? Adelbert von Chamisso, Jugendbildnis eines unbekannten Künstlers beginnt ein großes Gedicht von Chamisso mit dem Titel »Das Schloß Boncourt«. Es beschwört die verlorenen Orte der Kindheit: die malerischen Türme und Zinnen der Burg, die Steinbrücke zum Tor, die Wappenschilder und den Feigenbaum im Schloßhof, schließlich die Gräber der Vorfahren in der Burgkapelle. In den letzten drei Strophen nimmt das Gedicht jedoch eine unerwartete Wendung: 6 7 Über Adelbert von Chamisso So stehst du, o Schloß meiner Väter, Mir treu und fest in dem Sinn, Und bist von der Erde verschwunden, Der Pflug geht über dich hin. Sei fruchtbar, o teurer Boden, Ich segne dich mild und gerührt, Und segn’ ihn zwiefach, wer immer Den Pflug nun über dich führt. Mit dieser Geste der Aussöhnung könnte das Gedicht enden. Doch bei der melancholischen Schickung ins Unvermeidliche mochte es Chamisso nicht belassen: Ich aber will auf mich raffen, Mein Saitenspiel in der Hand, Die Weiten der Erde durchschweifen, Und singen von Land zu Land. »Auf der Weltreise« Illustration zu Peter Schlemihls wundersame Geschichte, 1835 8 Für den Emigranten gibt es kein Zurück in den Zustand vor der Flucht oder Vertreibung, es sei denn in der Erinnerung: Von diesem Bewußtsein war der Dichter Chamisso durchdrungen – und vom Willen, etwas in die Zukunft weisendes aus seiner Lebensgeschichte zu machen. Dieses Motiv findet sich auch in seinem bekanntesten Werk, in Peter Schlemihls wundersamer Geschichte. Mit dem Mann, der seinen Schatten verkauft hat, geht es so lange bergab, wie er sich an die Hoffnung klammert, er könne wieder in seinen alten Zustand zurückkehren. Am Wendepunkt der Geschichte verzichtet Schlemihl auf den Reichtum und seinen Schatten, wird dafür mit dem Zufallsgeschenk der Siebenmeilenstiefel belohnt und findet seine neue Lebensaufgabe als Naturforscher. Die romantischen Märchenmotive täuschen nicht darüber hinweg, daß dies eine Story aus dem Geist der Aufklärung ist: Der Held befreit sich vor allem durch Einsicht und eigene Anstrengung aus der selbstverschuldeten Misere. Wie Schlemihl fühlte sich der Deutschfranzose Chamisso in Berlin viele Jahre als Außenseiter der Gesellschaft. Als 1806 die Truppen Napoleons in Preußen einmarschierten, verschärfte sich seine Isolation. Zwei Jahre später quittierte er den Dienst in der preußischen Armee. Peter Schlemihls wundersame Geschichte schrieb Chamisso im Sommer 1813 auf einem Landgut in Brandenburg, wo ihn Freunde wegen der aufgeheizten Volksstimmung während der Befreiungskriege gegen Napoleon versteckten. Kurz zuvor hatte sich Chamisso entschlossen, statt der Literatur die Naturwissenschaften zu seinem Hauptberuf zu machen. Es scheint paradox und hat doch seine Folgerichtigkeit, daß Chamisso, bis zu diesem Zeitpunkt ein epigonaler Verseschmied, ab diesem Zeitpunkt zu einer eigenständigen Stimme der Weltliteratur geworden ist. In den Jahren 1815 bis 1818 reiste Chamisso als Naturforscher auf einem russischen Expeditionsschiff rund um die Welt. Dieses Abenteuer und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse sicherten dem Außenseiter eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, die er bis dahin nur im engeren Kreis von Freunden erfahren hatte. Eine Anstellung im Botanischen Garten von Berlin ermöglichte es ihm, eine Familie zu gründen. Aus dem mißtrauisch beäugten Immigranten mit Adelstitel wurde ein geachteter preußischer Bürger. Chamisso selbst war sehr stolz, daß er seinen bescheidenen Wohlstand nicht Adelsprivilegien verdankte, sondern sich alles selbst erarbeitet hatte: Willst deines Hauses Glanz du aufrecht halten –? Laß rosten deiner Väter Schild und Schwert; Die tun es nicht, die geben nicht den Wert, Die Zeit ist abgelaufen, wo sie galten. Das Neue wird. Das Alte muß veralten. Die Meinung hat im Lichten sich verklärt Und von der rauhen Faustkraft abgekehrt, Das Wort ist’s, der Gedanke, welche walten. Der liberale Bürger Chamisso träumte von einer Welt, die sich nicht durch Kriege und Revolutionen, sondern im Streit der Meinungen fortentwickelte. »Die Mauern von London mit ihren politischen Plakaten sind für den Fremden, der seinen Augen nicht traut, das märchenhaft wundersamste, das unglaublichste Buch, das er je zu sehen bekommen kann«, schreibt er voller Bewunderung in seinem Lebensbericht Reise um die Welt. Für jede Form von Zensur hatte Chamisso nur Verachtung übrig. Selbst ein Opfer der Französischen Revolution, wurde er als erwachsener Bürger zum poetischen Anwalt ihrer Ideale. Neben Schauerballaden und Liebeslyrik verfaßte Chamisso politische Gedichte von großer Härte. »Der Invalid im Irrenhaus« heißt eines, ein Sinnbild des Verrats der herrschenden Königshäuser an ihren Untertanen. Während der Befreiungskriege gegen Napoleon hatten sie ihren Völkern größere Freiheiten versprochen, doch auf den Triumph folgte eine Phase der politischen Restauration. In Chamissos Gedicht lehnt sich ein Soldat, der in der Völkerschlacht bei Leipzig verwundet wurde, dagegen auf: Papilio chamissonis. Zahlreiche Pflanzen und Tiere, die Chamisso entdeckt und bestimmt hat, tragen seinen Namen. Schrei ich wütend noch nach Freiheit, Nach dem bluterkauften Glück Peitscht der Wächter mit der Peitsche Mich in schnöde Ruh zurück. Ähnlich drastisch sind Chamissos sozialkritische Gedichte. So schildert er in »Der Bettler und sein Hund« die Not eines Armen, der die Hundesteuer nicht bezahlen kann. Der Mann bringt es nicht über sich, das Tier zu ersäufen – lieber bindet er sich selber einen Stein um den Hals und springt ins Wasser: 9 Über Adelbert von Chamisso Er ward verscharret in stiller Stund, Es folgt’ ihm winselnd nur der Hund, Der hat, wo den Leib die Erde deckt, Sich hingestreckt und ist verreckt. Mit solchen Versen bereitete Chamisso der kämpferischen Vormärzliteratur den Weg, ohne sich ausdrücklich als politischer Dichter zu definieren. Als Herausgeber des Deutschen Musenalmanachs in den letzten Lebensjahren förderte er junge Talente wie Ferdinand Freiligrath, Hoffmann von Fallersleben und setzte sich für den in Deutschland verbotenen Heinrich Heine ein. Das führte zum Bruch mit seinem Mitherausgeber Gustav Schwab, der den »Heineschen und jungdeutschen Teufelsdreck« verabscheute. Heine im Pariser Exil seinerseits rühmte den älteren Chamisso als einen der »eigentümlichsten und bedeutendsten modernen Dichter«, der »weit mehr dem jungen als dem alten Deutschland« angehöre. Adelbert von Chamisso, R. Schoebel nach einem Gemälde von Robert Reinicke und zu Gunsten der Frau verkaufen. 150 Taler kamen so zusammen, eine stattliche Summe. Der Sohn eines französischen Grafen, der geachtete Bürger, der weltberühmte Wissenschaftler Adelbert von Chamisso blickte voller Demut auf die einfache Arbeiterin: Und ich, an meinem Abend, wollte, Ich hätte diesem Weibe gleich, Erfüllt, was ich erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich; Ich wollt, ich hätte so gewußt, Am Kelch des Lebens mich zu laben, Und könnt am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben. Aber Chamissos Lyrik paßt in keine literaturhistorische Schublade, dazu war ihr Schöpfer viel zu eigensinnig und weltläufig. Ständig bewegte er sich zwischen den Sprachen und Kulturen. Als erster hat er Gedichte von Hans Christian Andersen aus dem Dänischen übersetzt. Er übertrug Volkspoesie aus exotischen Sprachen erstmals ins Deutsche und arbeitete viele Jahre an einem hawaiianischen Wörterbuch. »Es gibt eine ursprüngliche Poesie, die dem Menschen einwohnt, wie die Stimme den Vögeln. Das Volk läßt sich von unbefugten Vorsängern nicht verleiten, sondern bleibt seinen Liedern getreu«, schreibt Chamisso im Vorwort zu Gedichten »in malaiischer Form«. Die Lieder konnten von der Natur oder der Liebe handeln, aber auch von sozialen Spannungen, wenn diese den Alltag bestimmten. Chamisso sah keinen unüberwindlichen Wesensunterschied zwischen Naturpoesie und politischer Lyrik – für ihn war entscheidend, ob sie in poetischer Form etwas Wesentliches über das Leben eines Volkes zum Ausdruck brachten. Das Ideal des Poeten verkörperte für Chamisso der französische Chansondichter Jean Pierre de Béranger. Ähnlich freche Lieder wie seine hätte Chamisso gern in Deutschland gehört. Eine umfangreiche Übertragung von Gedichten Bérangers war Chamissos letztes großes Werk vor seinem Tod. »Gesinnung und Charakter sind eben die Wurzeln seiner Poesie, ohne dieselben würde er nur ein Mann von Talent sein, wie es deren andere gibt, nicht der Dichter, der alle überragt« – dieser Satz Chamissos über Béranger gilt auch für ihn selbst. Schluß des Gedichtes »Zum besten der alten Waschfrau« in der Originalhandschrift Chamissos aus dem Deutschen Literaturarchiv, Marbach a.N. »Wenn ich mich selbst nicht reich schreiben kann, so kann ich doch Andre reich machen«, berichtet Chamisso 1838 – in seinem Todesjahr – einer Freundin. Er schrieb zwei einfühlsame Gedichte über eine greise Berliner Waschfrau, die ihre drei Kinder weitgehend allein großgezogen hatte und nun ohne Altersversorgung war. Chamisso ließ die Gedichte auf Loseblätter drucken 10 11 Auszug aus dem Roman Solange es schön ist 12 25. Wie einfach das Leben ist, so überschaubar in den Bedürfnissen der Menschen, wenn man sich auf sie einläßt. So wie in jeder beliebigen Küche das Besteck und die Gläser leicht auffindbar sind, die Toilette am Ende des Ganges ist oder gleich um die Ecke. Und schon fühlt man sich zu Hause. Man plaziert den Blumentopf, hängt ein Bild in die vordefinierte Ordnung, und es paßt. Als hätte es nur auf einen gewartet, als ob man selbst von Anfang an das Konzept erdacht hätte. Dies überlegte Johanna, während sie die soeben in Gregors Wohnung aufgehängte Fotografie betrachtete. Darauf war eine alte Frau zu sehen, die wahrscheinlich in einem Gastgarten, auf einem Sessel sitzend, eingenickt war. »Das muß wirklich nicht sein«, schimpfte Gregor, der durch das Geklopfe angelockt ins Zimmer kam. »Wir Männer suchen immer den gedeckten Tisch und dann das Bett, und ihr seid immer am Nestbauen!« »Soll ich es wieder abhängen?« fragte Johanna kleinlaut. »Laß das verdammte Bild hängen. Tu mir aber bitte den Gefallen, fühl dich zwar wie zu Hause, aber sei hier nicht zu Hause.« Und dann murmelte er: »Wieso wollen alle Menschen mehr, als man ihnen geben kann?« »Das habe ich gehört«, sagte Johanna. »Soll ich wieder gehen?« »Nein, nicht wenn du bleiben willst. Ich will nur, daß alles klar ist. Von Anfang an, verstehst?« »Du bist also nicht verliebt in mich oder so?« »Genau. Auch nicht oder so.« Magdalena Sadlon »Und was haben wir dann? Wir zwei? Zusammen?« »Leidenschaft. Ist das nicht genug? Leidenschaft ist ansteckend, Liebe ist vergänglich. Außerdem laufen Verliebte ständig am Strand herum und spielen Fangen auf der Wiese und im Wald und überall.« Gregor holte sich ein Bier und setzte sich zu ihr: »Dafür bin ich nicht der Typ. Weißt, ich glaube, sogar der Traum von einem blühenden Garten um das Nest hat bei den meisten nur den Zweck, daß sie um ihr eigenes Haus herumlaufen können.« »Du magst die Menschen nicht. Du magst die Natur nicht, auch keine Blumen, oder? Alles, was ein wenig geborgen anmutet, ist dir zuwider. Du magst nicht berührt werden, weder vom Leben noch von irgendwem.« »Die Natur und die Geborgenheit sind zwei völlig verschiedene Baustellen.« »Für mich nicht.« »Ich weiß, du gestrandetes Küstenkind.« Er zog sie an sich, küßte ihre Augen, als würde er einem Kind die Tränen wegküssen. »Glaub mir, man ist nur in die Euphorie verliebt, die das Verliebtsein in einem auslöst. Letztlich geht man niemandem ab.« Er prüfte die Wirkung seiner Rede in ihrem Gesicht, konnte aber nichts herauslesen. »Auch ein Gedicht besteht nicht aus Gefühlen, sondern bloß aus Worten.« Johanna sah ihn abwesend an. »Für mich ist die Liebe die Vorstellung, jemand steht fünf Minuten früher auf und macht, daß die Sonne scheint.« »Das klingt wie aus dem Kinderfernsehen«, sagte Gregor abwehrend. »Es dreht sich nur um die Illusionsbildung der Liebe, die sich über das Reale hinwegsetzt. Und ich, mein Schatz, brauche für diese kurzen Selbstbetrug nicht noch jemanden zweiten. Das wäre mir zu anstrengend.« »Ich glaube, anstrengend ist, zu sein wie du. Dein fest verfugtes Gerüst, wie aus Badezimmerfliesen oder unverrückbaren Pflastersteinen, ist eine hohle Wand aus Sprüchen, die nur den ganzen Schrott aus Beziehungsangst verdecken sollen, der darunterliegt.« Johanna ging ins Badezimmer und wusch einige Male ihr Gesicht mit kaltem Wasser ab. Gregor folgte ihr wie ein Hündchen. Er lehnte sich an den Türrahmen: »Nein, Frau Gscheit, ich brauche wirklich niemanden zum Zusammensein, zum Lieben. Ab und zu brauche ich vielleicht jemanden, um mich abzugrenzen.« Er zog, mit einer Hand, ihr nasses Gesicht zu seiner Schulter und griff ihr hart an die Brust. »Körperkontakt ja, aber Vorsicht, der Körperkontakt ist auch Machtspiel, denn er erzeugt den Impuls zur Monogamie.« Johanna entwand sich seiner groben Umarmung und fuhr mit einem Finger einige Fugen zwischen den Kacheln ab, dann zwängte sie sich an ihm vorbei und ging ins Zimmer. Gregor folgte ihr: »Und Monogamie ist sicher nicht der Versuch, sein Gegenüber zu verstehen, es zu befriedigen. Monogamie ist das Bedürfnis, sich den anderen einzuverleiben, um ihn anschließend selbst zu verkörpern. Schau dir die alten Pärchen an, wie die einander gleichen!« »Es ist einfach, eine schöne Frau zu streicheln«, sagte Johanna verächtlich. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Preis 2007 geboren 1956 in Zlaté Moravce, Slowakei. 1968 emigrierte sie mit der Familie nach Österreich. Nach dem Studium der Slawistik an der Universität Wien und der Schauspielausbildung am Brucknerkonservatorium Linz arbeitete sie seit 1981 am Theater (dem Kellertheater Linz, am Musischen Zentrum und für freie Gruppen) sowie bei Experimentalfilmen an der Filmakademie Wien. Außerdem übersetzte sie aus dem Slowakischen für Lesungen, Zeitschriften und den Rundfunk. Seit 1984 lebt sie als Schriftstellerin in Wien, Niederösterreich und der Slowakei. Neben ihren Büchern hat sie Lyrik und Prosa in einer Reihe von Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Magdalena Sadlon erhielt zahlreiche Auszeichnungen (1990 und 1999 den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich, 1990 den Förderungspreis der Stadt Wien, 1992 den Theodor-KörnerPreis) und Stipendien (u.a. 1993 das Staatsstipendium für Literatur, 1996 das Wiener Autorenstipendium und 2000 das Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf). --> Bibliografie S. 123 13 Ein deutsches Kopfkissen Ausschnitt aus dem unveröffentlichten Erzählband Nachtschwimmen im Rhein 14 Ein großes deutsches Kopfkissen von den Ausmaßen eines Kaffeehaustisches liegt mit hochgewölbtem Bauch am oberen Ende des Bettes. Wie ein großer Hexenmeister einen kleinen übersieht, so blickt es hochmütig auf das flache, kaum DIN-A4 große chinesische Kissen an seiner Seite und den darauf gebetteten Kopf der kleinen Chinesin hinweg. In diesem glänzt ein rundes nachtschwarzes Augenpaar, das im fahlen Dämmerlicht starr auf das bedrohliche Monstrum gerichtet ist. Plötzlich hebt sich der Arm der kleinen Chinesin und saust mit aller Kraft auf das neben ihr liegende Kopfkissen. »Puff« entweicht die Luft aus dem von der schlanken Hand platt geschlagenen großen Kopfkissenbauch. Befriedigt kehrt die Hand zurück unter die Bettdecke. Die schwarzen Augen schließen sich für eine Sekunde, öffnen sich und starren erneut auf das Kopfkissen. Yuchi Yuni traut ihren Augen nicht: Im Nu hat sich das große Kopfkissen wieder mit Luft gefüllt und seine ursprüngliche Gestalt angenommen. Sogar das Wiedereinströmen der Luft glaubt Yuni vernommen zu haben. Es ist so weiß und prall wie der Bauch einer Schwangeren und plustert sich so vornehm auf, als sei es von einzigartiger Kostbarkeit. Yuni erträgt es nicht länger, sie wirbelt im Bett herum, zieht die Beine an und katapultiert sie nach vorn. Das Kissen macht einen Purzelbaum, dreht sich noch einmal und plumpst auf den Boden. Die Welt vor Yunis Augen ist plötzlich viel größer geworden und die Beklemmung in ihrer Brust ist gewichen. In der nächtlichen Dunkelheit vor ihrem Fenster ist schon lange niemand mehr vorbeigekommen. Lediglich das gleichmäßige Geräusch der Autos im Kreisverkehr dringt an ihr Ohr. Die Bewohner der Wielandstraße rings herum schlummern längst und auch das Liebespaar im Hinterhof, das häufig mitten in der Nacht und stets bei offenem Fenster seine Lust herausschreit, ist nach der heutigen Runde friedlich in Schlaf gesunken. Yuni jedoch wälzt sich noch immer schlaflos hin und her. Endlich hört sie ein Motorrad am oberen Ende der Straße auf. Das ist gewiss ihr heimkehrender Freund »Balla Balla«. Aber das Motorrad knattert am Fenster vorbei, ohne anzuhalten und das Motorengeräusch wird wieder leiser. Yuni sinkt in sich zusammen. Die Enttäuschung liegt ihr wie ein gewaltiger Kloß in der Brust. Als das Motorrad endgültig weg ist, verlässt sie das Bett. Drei Uhr morgens. Yuni öffnet das Fenster, lehnt sich hinaus und blickt auf die Straße. Im fahlgelben Licht der Straßenlaternen ist keine Menschenseele zu sehen. Nach einer ganzen Weile vernimmt sie Schritte, die langsam näher kommen. Es scheint sich um einen Betrunkenen zu handeln, die Schritte sind abwechselnd Luo Lingyuan leicht und schwer. Eine Flasche zerschellt auf dem Boden, und am anderen Ende der Straße fängt ein Hund an zu bellen. Der Betrunkene regt sich darüber auf und fängt an zu schimpfen. An seiner kaputten Stimme, die aus einer vom Alkohol zerlöcherten Kehle zu kommen scheint, erkennt Yuni den Hausmeister. Im Fenster des kleinen Puffs schräg gegenüber sind kleine rote Lämpchen zu einem Herz angeordnet und blinken hinaus in die Nacht. AN – AUS – AN – AUS. Komm rein, komm rein. AN – AUS – AN – AUS. Komm rein, hier schlägt noch ein Herz. Yuni schaut eine Weile zu. Wer da wohl drin ist? Seit einem Jahr wohnt sie jetzt hier in diesem Land, in dieser Straße, in dieser Wohnung, aber an das Bordell da drüben kann sie sich nicht gewöhnen. Sie will gerade zurück ins Bett gehen, als plötzlich die Tür des Puffs aufgerissen wird. Ein Mann mit kurzem Haar kommt heraus. Sie glaubt das Gel riechen zu können, das auf seinem Kopf glänzt. Yuni beugt sich weit vor. Sie möchte wirklich gern wissen, wie ein Mann aussieht, der mitten in der Nacht aus einem Puff kommt. Der Mann senkt jedoch den Kopf und steckt sich eine Zigarette an. Er schlendert in aller Seelenruhe und selbstzufrieden davon, biegt um die Ecke und ist verschwunden. Yuni schließt das Fenster und geht in die Küche, um Wasser für eine heiße Sojamilch aufzusetzen. Neben dem Herd hängt ein Kalender, die Markierung steht auf dem 7. Juni. Wütend dreht sie den Kalender zur Wand und knipst das Licht aus. Die zischende blaue Flamme des Gasherds beleuchtet die Küche. Wird es draußen schon hell? Als sie die Sojamilch getrunken hat und gerade wieder ins Bett gehen will, hört sie, wie sich langsam ein Schlüssel im Schloss dreht, jemand hereinkommt und seine Schuhe auszieht. Die Person macht kein Licht. Leise und vorsichtig schleicht sie den Flur entlang. Als der Umriss des Mannes in der Küchentür sichtbar wird, sagt Yuni: »Guten Morgen, Schatz«. Der Mann ist gerade dabei, behutsam ein Bein vorzustrecken, um mit den Zehen nach den verräterisch knarrenden Dielen zu tasten. Als er jetzt plötzlich angesprochen wird, erschrickt er zu Tode. Es dauert fast zwei Sekunden, bis er die Kontrolle über seinen Körper wiedergewinnt und den Kopf zur Küche hin dreht. In der Dunkelheit erkennt er den schemenhaften Umriss der jungen Frau, die am Küchentisch sitzt. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2007 geboren 1963 in der Volksrepublik China. Sie studierte Computerwissenschaften und Journalismus und lebt seit 1980 in Berlin. Seit 1992 Veröffentlichungen in chinesischer und deutscher Sprache in Zeitschriften und Anthologien. Sie erhielt mehrere Stipendien wie das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin, 2000, das Arbeitsstipendium des Berliner Senats, 2001, das Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin, 2002, und das Aufenthaltsstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, 2003. --> Bibliografie S. 120 15 Que Du Luu Tassen einsammeln ist ein Beruf, sagt er zu sich selbst, als niemand ihn hört. Man muss ihn erlernen, Talent besitzen und selbständig sein. Das Geschenk Auszug aus einer unveröffentlichten Erzählung Weiße Tassen. Unverziert, ungekünstelt. Unterschiedslos wie alle unbenutzten Dinge. Wie unbenutzte Schreibhefte und Taschentücher. Die umgedrehten Tassen stehen in der Palette: runde Körper quadratisch angeordnet. Ohne Köpfe und Beine. Mit einem Arm in die geradlinige Taille gestemmt. Die Trinker greifen den Arm, drehen den Körper um, beäugen ihn. Etliche Male wurde er gefüllt und ausgeschlürft, jetzt sieht er wieder jungfräulich aus. Sie stellen die Tasse auf das Gitter unter die Düse ab. Kaffee sprudelt hinein wie aus einer erhitzten Kuh, fast unberührt durch einen Knopfdruck gemolken. Der Kaffee dampft, schwappt beim Gehen leicht über den Tassenrand. Die Tasse bleibt in der Cafeteria oder wird quer durch die weiträumige Halle getragen, in Säle und Räume, zu den Sitzplätzen auf der Galerie. Sie wird auf Tischen abgesetzt, bleibt manchmal in der Hand. Wird gedreht und gestreichelt, nur aus Langeweile. Später gehen die Trinker bis zum Ende der Halle und stellen die Tasse ins Automatenhäuschen. Auf der Scheibe kreist sie, verschwindet aus dem Blick. Sie kehrt nicht zurück. Stattdessen kommt ein weißer Bon oben heraus. Sein Wert ist immer gleich, egal ob die Tasse leer ist oder nicht. Inhalt ist überflüssig. Die Cafeteria tauscht Geld gegen Bons. Manchmal werden die Tassen nicht zum Automaten gebracht. Sie stehen vereinzelt herum. Achtlos und auf nichts wartend. Sie verrotten nicht. Weil sie im trockenem Uni-Gebäude stehen. Weil sie robust sind. Weil der Tassensammler umhergeht. Ich arbeite in der Universität, sagt er zu den Menschen außerhalb. Innerhalb fragt ihn niemand. Die Putzfrauen übersehen ihn. Sie sind angestellt, haben Schichten mit fest eingeteilten Plätzen. Professoren sitzen in Büros, Studenten in Sälen, Verkäufer an der Kasse. Der Sammler läuft quer durch die helle Halle, die dunklen Gänge. In Büros, Säle, Fahrstühle. Zu Toiletten und Treppenhäusern. Umrundet die einzelnen Beton-Pfeiler. Morgens findet er die meisten Tassen auf den Tischen der Cafeteria, wenn die Trinker sie aus Müdigkeit dort vergessen haben. Dann sind die verschlungenen Gänge der Büros dran. Dort bringt niemand Tassen weg, es sind zu viele. Man will nicht als Sammler gelten. Die Wissenschaftler fühlen sich frisch, die Türen sind offen. Ihre Räume sind voller Tassen. Sie stehen mit ihren Sekretärinnen in den Gängen, miteinander plappernd. Sie haben keinen Blick für den Sammler. Er kann ohne Einwilligung und Protest die angehäuften Tassen in seinen Beutel stecken. Mittags bleiben Tassen in der Mensa stehen und nachmittags stellt sich der Sammler auf die Galerie. Von da oben erspäht man Tassen, die verstreut in der Halle liegen. Manche gönnen den Tassen Plätze in Ecken und an Wänden. Niemand steht gern mitten im Raum. Das Automaten-Häuschen läuft bis abends. Danach muss jeder seine Tasse mitnehmen und am nächsten Tag abgeben. Das ist mühselig. Die Geizigen ohne Büro und Schließfach verstecken die Tassen und geben sie erst am nächsten Morgen wieder ab. Wenn sie noch da sind. Abends fängt die wirkliche Arbeit an. Die Suche nach den unsichtbaren Tassen. Die Trinker verstecken ihre Tassen nicht in Sichthöhe, sondern hoch oben oder ganz unten wie Billigware im Supermarkt. Über den Schließfächern, unter Treppengeländern, hinter Mülleimern. Der Tassensammler muss sich in die Trinker hinein versetzen, ihren Gedanken nachgehen. Verstecke finden. Klettern und sich verrenken. Alles in einem sein: Psychologe, Detektiv, Sportler. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2007 geboren 1973 in Cholon/Vietnam als Kind einer chinesischen Familie. Seit 1976 lebt sie in Deutschland, zuerst in Herford, jetzt als Studentin der Germanistik und Philosophie in Bielefeld. Vor und parallel zu ihrem Studium hatte sie viele unterschiedliche Jobs, unter anderem als Nachtwache in der Psychiatrie und als Altenpflegerin, in der Gastronomie und als Lektoratsassistentin für Reiseliteratur. Seit 2002 veröffentlicht sie Erzählungen in Zeitschriften und Anthologien (zuletzt in Männlichkeitsrituale. Handkuss und Verbeugung, der Publikation zum 16. WürthLiteraturpreis) www.qluu.vu --> Bibliografie S. 120 Die benutzten Tassen unterscheiden sich wie die Trinker. Die Korrekten und die Gierigen trinken ihren Kaffee ganz leer. Auf dem Tassenboden sieht man nur noch eine verblasste Spur. Pingelige lassen eine Pfütze drin, aus Angst vor dem Kaffeesatz, der sich unten ansammelt. Achtlose Raucher trinken nur die Hälfte und werfen ihre Zigarettenstummel hinein, als wollten sie eine Hexenbrühe kochen. Elegante Frauen hinterlassen rote Lippenstiftspuren und Menschen mit trockener Haut Labella-Abdrücke. Klebrige Tassen stammen von Trinkern mit fettiger Haut. Duftende Tassen sind von Überparfümierten, die eitel oder unsicher sind. Es gibt Trinker, die ihre eigenen Tassen benutzen. Unifarben, mehrfarbig oder mit Motiven. Sie geben ihre Tassen nicht ab. Wie kann man nur so leben? tuschelt ein alter Mann, der aussieht wie ein Schüler, der fünfzig mal sitzen geblieben ist. Den ganzen lieben Tag nichts als Tassen einsammeln! Der Sammler schaut sich weiter nach Tassen um, als hätte man nicht über ihn gesprochen. 16 17 Zsuzsanna Gahse © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2006 Beinahe … (unveröffentlicht) 18 … alle im folgenden Text enthaltenen Wörter haben ein Virus. Möglicherweise stecken sie die noch intakten Nachbarwörter an, bzw. die Wörter, die hier stehen könnten und vor lauter Angst doch nicht stehen. (Verstummungsgefahr.) — Der erste August ist ein Nationalfeiertag in der Schweiz und jeweils mit entsprechend viel Lärm verbunden. Während in diesem Jahr am Abend farbige Raketen durch die Luft flogen, so dass kaum noch die eigene Stimme zu vernehmen war (vernehmen ist ein besonders infiziertes Wort, wobei »infiziert« ebenso schlecht dran ist, viele sagen »infisziert«, und damit ist das Wort tot), kam es in Luzern zu einem Vorfall, der inzwischen Fenstersturz genannt wird. Oder man sagt einfach »Brückli« und wer sich auskennt, weiß Bescheid, wer sich nicht auskennt, kann nicht mitreden. Erst hieß es, eine junge spärlich (spärlich!) bekleidete Frau habe sich zu Tode gestürzt, die Zeitungen (Zeitungen!) meldeten dann, in der Pfistergasse (nahe dem Brückli) sei die Puppe Olimpia aus dem Fenster gefallen und auf dem Straßenpflaster zerschellt, und tatsächlich handelte es sich bei diesem Vorfall um eine lebensgroße Puppe. Zuvor war Olimpia mehrere Wochen lang im dritten Stockwerk der zum Großteil rot beleuchteten Zimmerfluchten oberhalb des Restaurants Brückli zu sehen (was für ein Satz!, aus dem kann man einem getrost einen Strick drehen!), sie war eine Sonderanfertigung der Firma Pygmalion, stand von den Nachmittagsstunden an am Fenster, bis in die Nacht hinein, und sie konnte winken und nicken usw. — Über die Firma Pygmalion, Automatenhersteller, war in den Berichten nichts zu lesen. Pygmalion ist aber ein verdrehter, kaputter, liebloser, verschleierter, unehrlicher Name, und leider ist der ursprüngliche Sinn des Namens nicht wirklich wieder herzustellen (herstellen!). Das Wort wird trotz dieser Zeilen nie mehr das sagen können, was es einmal sagen wollte, die Bedeutung ist verloren, obwohl sie heute noch halbwegs verständlich wäre. Aber sobald jemand den Namen ausspricht und sagt, da komme Pygmalion, sieht jeder den liebevollen, kunstvollen, verständigen Mann, der eine Frau zum Leben erweckt und ihr obendrein seine Liebe gibt, schenkt (schenken, einschenken, ausschenken. Und an dieser Stelle darf man sich die Liebe des Firmenleiters zur Puppe Olimpia ausmalen.) — Der ursprüngliche Pygmalion war kein Bildhauer. War auch nicht gerade schöpferisch. Nicht aus diesem Grunde mieden ihn die Frauen, und warum sie ihn und ob sie ihn wirklich mieden, ist nicht bekannt. Es mag wohl (wohl!) stimmen, was dem vermeintlichen Künstler, dem Bildhauer nachgesagt wird. Dass er eine Frau besitzen oder haben wollte, die besser (besser!) als alle wirklichen Frauen war. Warum er das wollte, ist die erste Frage. Dieser Mann hatte insofern Pech im Leben, als daß er klein geraten war, er war pyg. Neben ihm gab es andere Männer, die nicht größer waren und trotzdem andere Sorgen hatten oder keine. Pygmalion hingegen wurde einmal und dann noch einmal bei Statuen gesehen, er wurde bei Heiligenstatuen erwischt, und zwar nicht, weil er diese Statuen (und welches Wort hier nun auch folgen mag, es kann nicht intakt sein!) gemeißelt, geschliffen oder gehauen hätte. Er hatte sich an diversen weiblichen Heiligenstatuen vergangen (vergangen). Aber noch in der Vergangenheit wurde die Geschichte schnell korrigiert und verändert, und verkehrt herum erzählt. Andererseits hat sie sich bis heute nicht so grundsätzlich umgekehrt, dass man sie nicht wieder auf die Füße stellen könnte, und es ist bemerkenswert, dass sie (sie!) die ehemaligen Inhalte noch mitschleppt. Nur wird man hier nichts so leicht auf die Füße stellen können oder wollen, denn irgendwo wird wieder ein weiblicher Automat herumstehen, in einem Schaufenster, in einem Fenster, und wegen der Nachfrage und des Angebots und weil … Lassen wir das. (Verstummungsgefahr.) geboren 1946 in Budapest. 1956 Flucht aus Ungarn mit den Eltern, Gymnasialzeit in Wien und Kassel. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert in Stuttgart lebt sie jetzt in Müllheim/Thurgau. Seit 1969 Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften wie Akzente, Neue Deutsche Literatur und Neue Sirene. Seit 1987 Übersetzungen aus dem Ungarischen von unter anderem Péter Esterházy, Miklós Mészöly, Péter Nádas, Zsuzsa Rakovsky, Endre Kukorelly, István Vörös, Otto Tolnai. Texte für Bildende Kunst, Szenische Arbeiten: »Leidlos« (UA im Kammertheater Stuttgart 1993) und mit Christoph Rütimann »LEVER oder die Morgenstunde« (UA in Zug 1994), »A.V.D.H. Ansicht Vorsicht Durchsicht Halt« (UA in Münster 1997), »Kaktuswortfahrt« (Performance im Engadin 2000). Sie hatte einen Lehrauftrag (Schreibwerkstatt) an der Universität Tübingen von 1989 – 93 und 1993 die PoetikDozentur an der Universität Bamberg inne. Zsuzsanna Gahse erhielt zahlreiche Stipendien (Kunststiftung Baden-Württemberg 1983, Edenkoben, 1987, Stadtbeobachterin in Zug, 1993), und Auszeichnungen wie den Aspekte Literaturpreis 1984, den Stuttgarter Literaturpreis 1990 und den Bodenseepreis der Stadt Überlingen 2004. Aufenthalt in London als Gast der Zuger Kulturstiftung Landis und Gyr, 2007. --> Bibliografie S. 119 19 Aus einem Work in Progress 20 Am liebsten sind mir die Fledermäuse. Sie sind still, beweglich, vergnügt. Tonlos fliegen sie durch die Dämmerung, flattern, machen Hängebögen in die Luft und verschwinden schneller, als man es sich versieht. Am allerliebsten sind mir die Fledermäuse. Ihr Flug hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem der Schwalben. Jedenfalls scheint es mir so. Cátia meint, Schwalben und Fledermäuse könne man nicht vergleichen. Sie meint, das sei so, als vergleiche man den Atlantik mit dem Bodensee. Ich frage mich, wie sie ausgerechnet auf den Bodensee kommt. Dann frage ich Cátia. Sie sieht mich an mit ihren kleinen, schmalen, kurzwimprigen Zauberaugen und sagt: »Das ist jetzt nicht dein Ernst, Afonso!« Sie steht auf und rupft Unkraut oder sieht nach den Kürbissen, obwohl gar nicht mehr genug Licht am Himmel ist, um Unkraut zu rupfen oder nach den Kürbissen zu sehen. Also denke ich nach. Ich denke darüber nach, was es mit dieser Verbindung von Bodensee und Atlantik auf sich hat. Und dann fällt mir Ingrid ein. Ingrid wohnt am Bodensee. Sie wurde dort geboren, sie lebte dort, bis sie mit dem Studium anfing, und sie ging dorthin zurück, als ich sie verließ, sie und Graça. Ich habe sie verlassen, beide. Habe die Kleine bei ihrer Mutter gelassen und bin heimgefahren, zurück, hierher. Ingrid habe ich verloren. Graça hat darauf bestanden, Treibgut zu sein: sie hat sich immer wieder in mein Leben gespült. So lange, bis ich begriff, daß der Himmel nicht endlos großzügig ist mit seiner Gnade, daß man auflesen muß, was er einem gibt, daß man es hegen und pflegen muß, wie Cátia es mit ihren Kürbisse tut. Sudabeh Mohafez All das fällt mir ein, und natürlich verstehe ich jetzt, wieso Cátia findet, daß man den Atlantik nicht mit dem Bodensee vergleichen kann. Ihre Mutter brachte Cátia in einem großen Haus an der Küste zur Welt, mit Hilfe ihres Zimmermädchens, der Putzfrau und der ortsansässigen Hebamme. Sie brachte sie im Herrenhaus eines Gutes nicht weit von hier, bei Leça, zur Welt, sozusagen im Schaumsprühen des Atlantik. Dennoch bin ich mir nicht wirklich sicher, ob Schwalben und Fledermäuse so unvergleichbar sind. Cátia und Ingrid jedenfalls kann man auf keinen Fall vergleichen, und ich glaube, das war es, was sie vorhin sagen wollte. Cátia hat genug von Kürbissen und Unkraut. Sie setzt sich neben mich auf die Bank, legt mir die Hand auf den Schenkel und ich frage sie, ob es die Fledermäuse sind, die zum Atlantik gehören, oder die Schwalben. Dann sehen wir hinunter aufs Wasser. Es ist Flut, und die Brandung ist hoch. Wir hören sie bis hier oben. Wir lauschen. Vom Atlantik sind nur schaumweiße Bänder in Schwarz zu sehen. Cátia legt sich das Wolltuch um die Schultern. Mich fröstelt. Wir gehen ins Haus. Beim Zähneputzen murmelt sie etwas. Ich verstehe sie nicht. Sie wiederholt es, und beim Einschlafen denke ich über ihre Worte nach. »Es sind doch die Fledermäuse, die du liebst, Afonso. Warum stellst du so überflüssige Fragen?« Solche Dinge sagt sie manchmal Minuten vor meinem Schlaf. Dinge, die mich in den Nächten wachhalten. Dann gehe ich ans Fenster. Hinter mir im Bett webt Cátia ihr leises Schnarchen. Ich sehe in die Nacht, lausche dem Meer und denke über Cátias Worte nach. Die Fledermäuse, das stimmt, die liebe ich über alles. Im Dunkeln kann Cátia sie kaum ausmachen, als ich mich zu ihr umwende. Ich will ihr sagen, daß es die Fledermäuse sind, die zum Atlantik gehören, und daß ich gar nicht weiß, wieso ich so lange gebraucht habe, um das zu verstehen. Aber dann bringe ich es nicht übers Herz, sie zu wecken. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2006 geboren 1963 in Teheran/Iran. 1979 Umsiedlung nach Deutschland, Abitur in Berlin, Studium der Musik, Anglistik und Erziehungswissenschaften. Langjährige Tätigkeit in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen und im Bereich der Gewaltprävention und Krisenintervention. 1999 erste Veröffentlichungen von Erzählungen in Literaturzeitschriften (Entwürfe, Konzepte) und Anthologien, seit 2001 auch als Lektorin, Übersetzerin und Leiterin von Schreibwerkstätten tätig, seit 2004 für Jugendliche mit mehrsprachigem oder nicht-deutschsprachigem Hintergrund. Sudabeh Mohafez lebt als freie Autorin in Berlin und Lissabon. 2004 erhielt sie ein Stipendium des Berliner Senats für die Arbeit an ihrem Roman, 2006 den WMLiteratur-Preis der FIFA für einen Kurzroman, der in einer Schreibwerkstatt von ihr entstanden ist, und ein Arbeitsstipendium der Robert-Bosch-Stiftung. Für 2007 wurden ihr Stipendien der Stiftung Preußische Seehandlung und des Stuttgarter Schriftstellerhauses zuerkannt, außerdem die Poetikdozentur der Fachhochschule Wiesbaden. www.sudabehmohafez.de --> Bibliografie S. 120 21 Die Venus im Fenster Auszug aus dem unveröffentlichten Romanmanuskript Die Venus am Fenster 22 Meine Großmutter, Oma Erika, sah nicht aus, als wäre sie jemals hübsch gewesen. Sie trug ihr Haar in der Mitte gescheitelt und hinten zu einem Knoten hochgesteckt. Sie trug es seit ihrer Jugend so, hatte mir Mutter erzählt. Erikas Beine, die unter dem Hauskittel hervorschauten, waren dick und schwer, die Schritte kurzatmig und langsam. Es war noch früh am Morgen, wir saßen in ihrer Einzimmerwohnung, nicht in der sechzehnten, sondern nur in der zweiten Etage, die keine bessere Aussicht bot als den Anblick eines benachbarten Fabrikgeländes, von dem Erika nicht wusste, was dort produziert wurde. Die Fabrik machte trotz der frühen Stunde viel Krach. »Nun«, sagte Großmutter, »lasst euch anschauen, ihr Lieben!« Wir tranken Milch aus Sektgläsern zur Begrüßung, damit es ein wenig feierlich aussah, und dann deckte Erika den Tisch mit allem, was die Küche hergab, das war nicht viel. »Schon gut, Mutter, nur keine Umstände. Wir sind nicht hungrig. Also, wie hast du dich hier eingelebt?« fragte Vater. »Ich kann nicht klagen, Albert. Na, jedenfalls besser als der Georg«, sagte Oma Erika, »und der hat immerhin fast vierzig Jahre hier gelebt. Aber wie! In einem Altbau mit Kohleheizung, ohne Bad und das Klo eine Treppe tiefer und kam doch ohne Rollstuhl nicht mehr aus dem Haus. Hatte einen Wohnungsantrag laufen, aber zu stolz gewesen, zum Amt zu gehen, mal nachzufragen … Der verdammte Dickschädel … Zum Schluss musste ich für ihn die Kohlen Eleonora Hummel schleppen. Er hatte ja sonst keinen mehr. Aber was wollt’ er mich belehren sein Leben lang, was ich alles falsch gemacht hätt’ und selber hat er’s doch nicht besser gemacht! Nach seinem Tod bin ich als alte alleinstehende Frau aufs Amt gegangen und siehe, sie haben mir dieses schöne fern geheizte Zimmer gegeben! Davon konnte der Georg nur träumen. Er wollt’ ja alles besser machen, aber er hat’s auch nicht gekonnt.« Ich sah mich in Großmutters Wohnung um. Ein Schrank, ein Bett, ein Tisch und vier Stühle. An der Wand ein verglastes Aquarell des goldgrünen Kronentors. Ich suchte mit den Augen nach einer Kiste und fand keine. Oma Erika und Onkel Georg hatten noch eine Schwester, Angelika Haberlach, verheiratet mit einem ehemaligen Tankstellenpächter namens Walter Ackermann. Tante Geli war eine Kapitalistin. Sie lebte seit dem Krieg im Westen und konnte es nicht erwarten, dass auch wir »rüber kämen«. Lange Jahre war die Rede davon gewesen, dass Oma Erika aus der kasachischen Steppe zu ihrer Schwester nach Hannover umsiedeln wolle, zwecks Familienzusammenführung und so. Dieses Anliegen war bei den sowjetischen Behörden stets daran gescheitert, dass Erika und Geli verschiedene Mütter hatten. Seit wann seien Halbgeschwister Verwandte ersten Grades? Und Onkel Georg sei ein furchtbarer Sturkopf gewesen; solange er konnte, habe er sich von seiner Frau daran hindern lassen, zu Geli in den Westen zu gehen und als er endlich Witwer war, da konnte er nicht mehr und es war ihm sowieso schon egal, ob er im Westen oder im Osten unter die Erde kommt. Aber nun, da Erika und Geli die einzigen überlebenden Haberlachs seien, würden sie sich nicht von einer blöden Grenze, die zufällig mitten durch Deutschland verlief, trennen lassen! Als Rentnerin sollte Oma Erika endlich die Reisefreiheit genießen, endlich etwas von ihrem Leben haben. Das hatte Tante Geli jedenfalls so beschlossen, als sie zu Georgs Beerdigung in die Stadt mit dem Kronentor gekommen war, obwohl sie ja fand, er sei ein furchtbarer Sturkopf gewesen, mit dem man nicht hatte reden können, aber immerhin war er ihr einziger Bruder und der von Erika auch. Und trotz dieses traurigen Anlasses habe Tante Geli nicht vergessen, für mich, ihre unbekannte Großnichte, schöne Sachen mitzubringen, hatte Großmutter mir in ihren Briefen geschrieben. »Westsachen«, von denen ich keine Vorstellung hatte, außer, dass sie hübsch verpackt waren und nach Kaugummi riechen mussten. Wie diese bunten Kugeln, die Erika uns ab und zu geschickt hatte und die für mich den Geruch des Westens ausmachten. Wenn ich erst da sei, würde Großmutter die Kiste öffnen, in der all die Geschenke auf mich warteten. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2006 geboren 1970 in Zelinograd/ Kasachstan. Ausbildung zur Physiklaborantin und Fremdsprachenkorrespondentin in Dresden. Sie arbeitet seit 1994 als Fremdsprachensekretärin an der TU Dresden und veröffentlicht seit 2000 Prosa in verschiedenen Literaturzeitschriften, unter anderem in Federwelt, Signum, Am Erker, Der Maskenball. Eleonora Hummel erhielt mehrere Auszeichnungen und Stipendien, unter anderem das des 5. Klagenfurter Literaturkurses 2001, den Förderpreis zum Russlanddeutschen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg für Literatur 2002, eine Einladung des Literaturhauses München zur Werkstatt für Romanautoren (Textwerk) 2003, ein Aufenthaltsstipendium für Literatur im Künstlerdorf Schöppingen 2003/04 und ein Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen für sächsische Schriftsteller 2005. --> Bibliografie S. 120 23 Auszug aus dem Roman Wildnis 24 Mein Smaragdgott hat mir einen Traum geschenkt, ich bat darum in der Schwitzhöhle meines Bettes, und er gab ihn mir: Er verscheucht die Fliegen auf meinem Gesicht. Sein Atem prallt auf meine Stirn und teilt sich in kleinere Luftzüge, in denen die Fliegen fortsirren, fort von meinen Lippen. Und ich kann meinen Mund öffnen und atmen, dann verschwindet dieses Bild, es wechselt die Farbe von gelb zu braun zu rot, und ich sehe den Mann meiner Mutter, der sich an der Haltestange der Lokomotive abstützt und absteigt. Der Zug ist auf der Strecke stehen geblieben. Ein Steinbockweibchen kreuzt das Gleis, leckt das Salz der Steine, spitzt die Ohren, als er fluchend näher kommt. Hau ab, ruft der Mann, sonst landest du in meinem Topf und auf meinem Teller, ich reiße dein Fleisch mit den Händen entzwei. Er kommt dem Tier so nahe, daß er hören kann, daß ich hören kann, wie es mit der rauhen Zunge über die Steine fährt. Näher kommt er ihm nicht, es dreht sich um, bleckt die Zähne und spricht menschenähnlich, mit einer Stimme, die aus seinem Kopf herausdröhnt, spricht es: Wär’ ich die Geiß, für die du mich hältst, könnt’ ich nicht reden! Der Mann meiner Mutter fällt vor Schreck zu Boden, die Menschgeiß schnuppert an ihm wie an einem Leblosen und lacht und heult den Himmel der Nacht an. Der Traumlärm weckt mich. Die Decken sind zurückgeschlagen, die Bodenbetten sehen aus wie leere, weiße Insektenkörper. Ich gehe auf Mäusepfoten, klackend über den Stein, ich drücke die Klinke der nächsten Kammer herunter, schlüpfe durch den Türspalt. Ihre Kniekehlen sind naß vor Schweiß. Sie bedeckt ihr Gesicht mit dem Schamtuch, einen Zipfel hält sie zwischen den Zähnen, ihre Augen sind eingedrückt in geschwollenes Fleisch. Sie taucht einen Seifenbrocken ins Wasser des Waschzubers, ihre Hand flattert im Wasser wie ein Vogelflügel, bis sich kleine Schaumflocken bilden. Dann legt sie die rot bespritzte Stelle ihres Hauskittels auf die linke Handwurzel, holt den Seifenklumpen vom Boden des Zubers hervor, reibt über die Stelle, bis der Blutschmutz ausgerieben ist. Feridun Zaimoglu Willst du dich dort krumm stehen? sagt sie, komm rein oder geh raus. Ich schließe die Tür hinter mir und sehe ihr dabei zu, wie sie ihr Gewicht vom rechten auf das linke und wieder zurück auf das rechte Knie verlagert. In der schönen Hitze will ich bleiben. Mach das noch mal, sage ich. Was soll ich machen? sagt sie. Du sollst unter dem Wasser mit den Flügeln schlagen, sage ich. Ich habe keine Zeit für Spiele, sagt sie, und dann, nach ein paar Wimpernschlägen, wird das Wasser unruhig, ich trete an den Waschzuber heran, um besser sehen zu können. Sie hat die Daumen verhakt zum Kopf einer Taube, und die abstehenden Finger sind die Federn zweier Flügel im rosarot gefärbten Wasser, die Taube fliegt hin und her, meine Mutter gurrt dazu, dann wird sie still und starrt auf einen Fleck am Boden, auf etwas, das nur sie sehen kann. Was hat er mit dir gemacht? Seine Hand fährt aus, wenn er Ungehorsam wittert, sagt sie, was soll er schon getan haben?! Wo sind sie alle hin? Sage ich. Er hat Meltem mitgenommen auf seine Geschäftsreise, in zwei Tagen wird er wieder kommen. Die anderen sind draußen. Selda ruft nach mir, und ich trete heraus aus der heißen Kammer, helfe ihr die Bodenbetten einzurollen und an der Wand aufeinander zu türmen. Wir bestücken die Orangenschalen mit Nelken und legen sie auf die Ofenplatte. Sofort riecht es wie in einer Wundertraumkammer. Von mir aus können die Orangen im Garten verderben. Ich beuge mich über die Ofenplatte und ziehe die Luft ein, doch als Selda mich ermahnt, den Teufel nicht durch gefährliche Spiele hervorzulocken, wende ich mich ab. Ich schlüpfe aus dem Nachtkittel und hinein in das Kleid aus Wäschestoff, setze mich auf ein eingerolltes Bodenbett und warte, bis ich an die Reihe komme. Erst Resul, dann Tolga, dann Selda und schließlich ich. Meine Mutter sagt, ich solle mich jetzt bereit halten. Sie holt einen Kessel warmes Wasser aus dem Ofen, sie zieht mir das Kleid über den Kopf, drückt mir den Waschlappen aus alten Nylonstrümpfen in die Hand. Erst gestern hat sie die Fußteile abgeschnitten, die Beinteile übereinander gelegt und sie zusammengenäht. Als sie mir die grüne Seife geben will, schließe ich die Augen, sie stinkt. Chinasultanseife, sage ich, ich mag sie nicht. Chininsulfatseife, sagt Selda im Türrahmen, mach jetzt zu, Mädchen! Der Schaum stinkt, sage ich, bitte nicht. Wo kommen wir hin, wenn wir dem Kleinsten der Familie seinen Willen lassen, sagt Selda, sie schöpft mit der Messingschale heißes Wasser aus dem Kessel und neigt sie leicht über die Schaumquaste. Ich seife mich blitzschnell ein, ich reinige mich, meine Mädchenschönheiten muß ich besonders säubern, weil meine Mutter darauf achtet, daß wir nicht übel riechen. Selda reibt mich trocken und hält mir die Windelhemdhose hin, sie ist aus amerikanischem Stoff, sagt meine Mutter, das steife Nesseltuch scheuert mich hinten und vorne wund. Ich mag sie nicht anziehen, doch ich muß. © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2005 Geboren 1964 in Bolu/Türkei. Aufgewachsen in Berlin, München und Bonn, seit 1985 lebt er in Kiel. Er studierte Humanmedizin und arbeitet heute als Schriftsteller, Drehbuch- und Theaterautor und Journalist. Schon mit seinem ersten Buch Kanak Sprak (1995) wurde er zum Kultautor; der Film »Kanak Attack«, die Verfilmung seines Romans Abschaum, kam im November 2000 in die Kinos. Für seinen Beitrag »Deutschland im Winter – Kanakistan. Eine RapReportage« (mit Thomas Röschner) erhielt er 1997 den Civis Hörfunk- und Fernsehpreis; 1998 wurde ihm der Drehbuchpreis des Landes SchleswigHolstein verliehen und 2002 der Friedrich-Hebbel-Preis. --> Bibliografie S. 125 25 Lass uns Radio hören Das Radio hatte im realen Sozialismus einen besonderen Stellenwert. Es war das einzige Gerät, mit dem man unmittelbar Kontakt mit dem Westen haben konnte. Um also das Gefühl zu haben, ein Dissident zu sein, brauchte man nicht mehr als ein gutes Radio, eingestellt auf die Frequenz der Sender »Freies Europa« oder »The Voice of Amerika«. Sammelten sich drei Menschen um ein Radio, um eine Flasche Schnaps zu teilen, konnte man schon von einer Widerstandsbewegung reden. Das Radio war eine wundersame Sache, denn anders als der Schnaps, gab es jedem das Gefühl ein Held zu sein. Und alle liebten es. Sarko Kischev liebte es auch, doch diesem Gefühl lag eine andere Geschichte zu Grunde. Bis zum Jahr 1987 hatte das Radio so gut wie keine Rolle in seinem Leben gespielt. Im Herbst desselben Jahres sollte sich nun alles ändern. Sarko ging nach Plovdiv, um dort Agronomie zu studieren und mietete ein Zimmer in der Wohnung einer pensionierten Volksschullehrerin. Die Wände dieser Wohnung waren aber so dünn, dass Sarko nicht nur das Blättern im Fotoalbum, das seine Vermieterin sich im Nebenzimmer ansah, hören konnte, sondern auch ihre leisesten Seufzer. All das wäre nicht so bedeutend gewesen, wenn er nicht zwei Wochen später Weneta kennengelernt hätte. Je näher er Weneta aber kam, desto wichtiger wurden die Wände um ihn herum. Eines Tages war auch die letzte unsichtbare Wand zwischen den beiden gefallen, gleich danach ihre Kleider und wie er befürchtete, geschah dies in seinem Zimmer. Im Nebenraum rührte die Wohnungsbesitzerin gerade in ihren Kaffee. »Hier hört man alles«, sagte er außer Atem. »Schalte das Radio ein«, flüsterte ihm Weneta die erlösende Idee zu. Von nun an wurde das Radio ständiger Begleiter ihres Liebeslebens. Es gab kaum eine Sendung, die sie nicht kannten. Mal hörten sie Musik, mal die Nachrichten, mal Berichte über den Wasserstand der Donau, aber auch Abhandlungen über die Erfolge sozialistischer Planwirtschaft und lobende Worte für alle Brigaden, die den Plan vorzeitig erfüllt hatten. So geschah es, dass 26 Dimitré Dinev die beiden immer, wenn sie miteinander schlafen wollten, nur einen Satz auszusprechen brauchten: »Lass uns Radio hören«. Die Sendungen beeinflussten ihre Liebesspiele auf verschiedenste Art und Weise. Während Revolutions- und Partisanenlieder Weneta am stärksten erregten und sie experimentierlustiger, erfinderischer und feuriger machten, konnte Sarko es am längsten, wenn er die Reden hoher Parteifunktionäre hörte. Vielleicht weil seine Phantasie mit dem Kommunismus beschäftigt war, dessen Kommen selbst weiter und weiter aufgeschoben wurde. Auf diese Weise verband Sarko das Nützliche mit dem Angenehmen, denn das, was durch diese Reden fester wurde, war nicht allein sein Klassenbewusstsein. Er war nie ein Dissident gewesen, aber auch ihm gab das Radio manchmal das Gefühl, ein Held zu sein. Leider sollten bald andere Zeiten kommen und mit ihnen auch andere Helden. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus trennte sich Weneta von Sarko, weil ihr Liebesleben nicht mehr so recht funktionieren wollte. Wie sollte es auch. Zwar waren viele neue Sender entstanden, aber die Parteireden waren verschwunden. Nun war Sarko nichts Festes geblieben. Er hatte keine feste Beziehung, keine feste Arbeit, keinen festen Wohnsitz, geschweige denn festes Klassenbewusstsein. Also ging er wie viele andere sein Glück im Westen suchen. Durch eine Ironie des Schicksals schmuggelte man ihn in einem mit Radiogeräten beladenen Laster nach Österreich. So begann, wie er selber später zu sagen pflegte, die längste Sendepause seines Lebens. Doch verglichen mit anderen Einwanderern hatte Sarko Glück. Nach einem Jahr schon konnte er eine eigene Wohnung mieten, nach drei Jahren hatte er einen festen Arbeitsplatz. Eine der ersten Sachen, die er sich kaufte, war ein Radio. Er schaltete es aber nie ein. Er wartete. Obwohl es keinem mehr das Gefühl gab, ein Held zu sein, spielte das Radio weiterhin eine wichtige Rolle im Leben der Einwanderer. Diejenigen, die früher den Sendern des Westens gelauscht hatten, versuchten jetzt mit derselben Inbrunst ihre Heimatsender im Äther zu finden. Es gab auch kaum eine Werkstatt oder Baustelle, wo nicht Radio gehört wurde. Nicht zufällig waren die ersten Sätze, die Einwanderer akzentfrei aussprechen konnten, den Radiowerbungen entliehen. »Schau in die Krone« sangen Sarkos polnische Kollegen oft auf der Baustelle, während sie Beton mischten. Sarko dagegen suchte nie einen Sender und schaltete kein Radio ein. Er wischte nur ab und zu den Staub von seinem Gerät und wartete. Eines Tages wurde sein Warten belohnt. Bei der Taufe der Tochter eines Kollegen aus Serbien lernte er nach dem vierten Sliwowitz Jasminka kennen. »Wenn du Lust hast, können wir zu mir gehen«, sagte er, als das Fest zur Neige ging. »Und was sollen wir dort tun?« Die Frage schien einen Teil ihrer Lippenfarbe fortgewischt zu haben, denn sogleich zog sie einen Lippenstift aus der Handtasche und schminkte sich wieder. Sarko holte tief Luft, denn er hatte 7 Jahre, 3 Monate und 12 Tage gewartet, um diesen Satz wieder aussprechen zu können. »Radio hören«, sagte er laut. © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2005 geboren 1968 in Plovdiv, Bulgarien. 1987 Matura am Deutschen Gymnasium in Pazardschik, Armeedienst und erste Veröffentlichungen in bulgarischer Sprache. 1990 Flucht nach Österreich, Beginn des Studiums der Philosophie und russischen Philologie an der Universität Wien. Seit 1991 Drehbücher, Erzählungen, Theaterstücke und Essays in deutscher Sprache, Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitungen. 1999 Uraufführung des Stücks »Russenhuhn« nach den »Troerinnen« von Euripides am WUKTheater, Wien. 2007 Uraufführung des Stücks »Das Haus des Richters« am Burgtheater, Wien. Seine Erzählsammlung Ein Licht über dem Kopf wurde im Jahr 2006 für die jährlich organisierte Aktion der Stadt Innsbruck »Eine Stadt liest ein Buch« ausgewählt. Dimitré Dinev erhielt mehrere Preise und Stipendien, unter anderen beim Satire-Wettbewerb der Akademie Graz, den Mannheimer Literaturpreis (2002), den Förderungspreis der Stadt Wien (2003), das österreichische Staatsstipendium und den Förderpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (2004). --> Bibliografie S. 118 27 Asfa-Wossen Asserate © Hartmuth Schröder Adelbert-von-Chamisso-Preis 2004 Ein äthiopisch-deutscher Brückenschlag Aus dem Theaterstück »Adua« von Dejazmatch Germatchew Tekle-Hawariat; Dialog zwischen Kaiser Menelik II. und seinem Heerführer Ras Dargé vor der Schlacht bei Adua am 2. März 1896. Zum ersten Mal hörte ich den Namen Knigge an der Deutschen Schule, die ich in Addis Abeba besuchte und an der ich mein deutsches Abitur erwarb. Es war nicht, wie man hätte erwarten können, im Deutschunterricht, der – wie alle dort gelehrten Fächer – im fernen Europa entworfenen Lehrplänen folgte. Es war mein Englischlehrer, der mir, ich muß gerade sechzehn gewesen sein, von Knigge erzählte. Auf dem Lehrplan stand der Roman Rasselas von Samuel Johnson, die Geschichte des gleichnamigen äthiopischen Prinzen, in der Äthiopien als ein wundersames Land erscheint, in dem alles zum besten bestellt ist. »Was Johnson für Deutschland ist, ist Knigge für Deutschland«, erklärte mir mein belesener Englischlehrer, »Johnson hat Äthiopien in die englische Literatur eingeführt, Knigge Äthiopien in die deutsche.« Und er nannte mir den Titel jenes Buches, der meine Phantasie beflügelte, um so mehr, als das Buch in der Schulbibliothek von Addis Abeba nicht zu bekommen war (wie die Bibliothek überhaupt der Bücher des Freiherrn Adolf Knigge gänzlich ermangelte): Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien oder Nachricht von seinem und seines Herrn Vetters Aufenthalte an dem Hofe des großen Negus, oder Priesters Johannes. Als ich kurz darauf im Jahre 1968 zum ersten Mal nach Deutschland kam, machte ich mich sogleich auf die Suche nach diesem Buch. Aber in keiner der vielen Buchhandlungen, die ich aufsuchte und die mir in den folgenden Jahren den reichen Schatz der deutschen Literatur erschließen sollten, war es zu finden. Zwar stieß ich immer wieder auf den Namen Knigge, aber wie erstaunt war ich, als ich feststellte, daß die wenigsten Bücher, die seinen Namen im Titel führten, auch tatsächlich von ihm verfaßt waren. […] Schließlich gelangte ich doch noch an Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien – ein seltenes, leicht modrig riechendes Exemplar der in wunderbarer Fraktur gesetzten Erstausgabe aus dem Jahre 1791, das ich im flackernden Schein einer Leselampe im Saal der Universitätsbibliothek Tübingen erwartungsvoll aufschlug. geboren 1948 in Addis Abeba als Sohn des Herzogs Asserate Kassa, einem der führenden Politiker unter Kaiser Haile Selassie. Nach dem Besuch der deutschen Schule studierte er Jura, Volkswirtschaft und Geschichte in Tübingen, Cambridge und Frankfurt am Main, wo er 1978 zum Dr. phil. promovierte. Durch die Revolution in Äthiopien 1974 wurden seine Berufspläne vereitelt, so blieb er in Deutschland und arbeitete zunächst bei der Frankfurter Messegesellschaft und ab 1980 als Pressechef der Düsseldorfer Messe. Seit 1983 ist er in Frankfurt am Main als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten tätig. Er gründete die erste äthiopische Menschenrechtsorganisation »Council for Civil Liberties in Ethiopia« und die Gesellschaft »Orbis Aethiopicus«, die sich für die Erhaltung und Förderung der äthiopischen Kultur einsetzt. Zahlreiche Veröffentlichungen über die Geschichte, Kultur und Politik Äthiopiens. --> Bibliografie S. 116 Auszug aus dem Vorwort zu Adolph Freiherr Knigge, Benjamin Goldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien 28 29 Da bebt etwas nach Auszug aus dem Essay »Da bebt etwas nach. Was der ungarische Aufstand von 1956 für die Nachgeborenen bedeutet«. Veröffentlicht in Die Welt, 25. Oktober 2006 30 In diesen Tagen und Wochen werde ich immer wieder nach dem Ungarnaufstand von 1956 gefragt. Was er mir bedeutet. Was er für mich ist. In RadioSendungen, in Zeitungs-Interviews, nach meinen Lesungen. Ich antworte immer etwas beschämt, als nähme ich ein Thema, das mir nicht gehört, für mich in Anspruch, als gäbe ich vor, etwas anderes zu sein, als ich bin. Immer etwas ängstlich, zaghaft, als könnte mich jemand, der es weiß, enttarnen, aufspringen und schreien: Sie lügt! Was hat sie mit 1956 zu tun? Natürlich ist es nicht mein 1956. Es ist das meiner Eltern. Ich habe es mir nur genommen. Ich habe es benutzt für einen Roman, in dem diese vier Zahlen auf keiner Seite geschrieben stehen, über den aber erstaunlich viele Leute sagen, er handele von 1956. Ich beeile mich zu sagen, ich bin Jahrgang 1965, und viele Kilometer weiter westlich, hinter einem dicken eisernen Vorhang, zur Welt gekommen. Als in Ungarn Panzer rollten, gab es mich nicht einmal als Gedanken. Geboren wurde ich als Staatenlose, in eine Familie Staatenloser. Es war etwas, das meine Eltern verschwiegen, vielleicht auch vergessen, einfach nie erwähnt hatten, weil es ihnen unwichtig, unsinnig erschien, das mich aber später, als ich davon erfuhr, zutiefst verunsicherte. Das waren also wir, meine Eltern, mein Bruder und ich. Vier Menschen ohne Zuhause, ohne Heimat. Im Besitz eines grauen Behördenfaltpapiers, auf dem kein Staat eingetragen war. Wo wir doch ein Zuhause hatten: eine kleine Wohnung, im Westen Frankfurts, mit Schlangen vor dem Bad, wenn sich dort in den Wintermonaten die Verwandtschaft drängelte, die Großeltern, die Tanten, die zähe Monate lang auf eine Besuchserlaubnis gewartet hatten. Ob 1956 meine Familie traumatisiert habe, werde ich immer wieder gefragt. Erst sage ich, nein, wie kann es das, und dann sage ich, ja, sicher bebt da etwas nach, zittert da immer noch etwas, vielleicht sogar noch durch mein Leben, viele Jahre später. Aber was kann 1956 für mich sein? Was könnte Ungarn für mich sein? Meine Eltern sind dort geboren und aufgewachsen, fest verwoben in ihr Koordinatensystem aus Petöfi Sándor, Jóseph Attila, Mutter, Vater, Édesanya, Édesapa, Bartók Bela, einem großen See und vielen staubigen Straßen, Tanzstunden und erster Liebe, erster Arbeit, erstem politischen Wollen und Wünschen. Plötzlich herausgerissen, blutjung in den Aufstand verwickelt und geflohen, in der Hoffnung, schnell zurückkehren zu können, um dann langsam zu begreifen, es geht nicht. Nicht jetzt. Nie mehr. Aber was ist es für mich, wenn es Heimat nicht sein kann, nie sein konnte? Nicht mehr als ein Bild in starken Farben, durchwirkt von einer sonderbaren Sprache, getragen durch viele heiße Sommer, die ich als Kind dort verbrachte? […] Die Geschichte meiner Eltern kannte ich, jede Winzigkeit, jede Nebensächlichkeit. Was sie mir nicht erzählt hatten, hatte ich mir selber erzählt, ausgedacht und zurechtgereimt, erträumt und verankert, irgendwo in meinem Kopf. Und doch gab es Rätsel. Der Schmerz war ein großes Rätsel. Er zeigte sich bei jedem Abschied, an jeder Straße, an jedem Gartenzaun, an dem wir standen, wenn unser ungarischer Sommer ausklang, wenn wir die Tanten umarmten, die Großeltern küßten, mit den Vettern ein letztes Mal über einen Graben sprangen. Mein Vater fuhr unseren Wagen sehr langsam. Die Räder rollten kaum. Wir schwebten lautlos, ohne ein Wort, über eine schmale Straße, hielten die Arme aus den Fenstern, winkten, schauten in den Rückspiegel, drehten uns um, warfen Kußhände. Am Ende der Straße, neben der theresiengelben Kirche, hielt mein Vater den Wagen an und setzte den Warnblinker. Es dauerte, bis es ihm gelang, auf die große Straße zu fahren, die uns wegbrachte, zurück in Richtung Westen führte, über eine Grenze, an der wir jetzt schon unsere neuen Pässe zeigen konnten, Staatsbürgerschaft: deutsch. © Walter Breitinger Zsuzsa Bánk Adelbert-von-Chamisso-Preis 2004 geboren 1965 in Frankfurt am Main als Tochter ungarischer Eltern. Nach dem Abitur Ausbildung zur Buchhändlerin. Sie studierte Literatur, Publizistik und Politik in Mainz und Washington D.C. Danach arbeitete sie als Wirtschaftsredakteurin. Seit 2000 Veröffentlichungen von Erzählungen und Geschichten in Anthologien und Zeitschriften. Für ihr Romandebüt Der Schwimmer erhielt sie u.a. 2002 den AspekteLiteraturpreis, 2003 den deutschen Bücherpreis und für die Kurzgeschichte »Unter Hunden« den Bettina-von-Arnim Preis. --> Bibliografie S. 116 31 Yadé Kara Auszüge aus Selam Berlin Mein Name ist Hasan Kazan. In Berlin nennen mich einige Leute »Hansi«, obwohl meine Eltern mir den schönen Namen Hasan Selim Khan gegeben haben. Ach ja, meine Eltern … Vor Jahren verließen sie Istanbul und emigrierten nach Westberlin, Kreuzberg. Dort kam ich auf die Welt. Meine Eltern glaubten an den Westen. Er bedeutete Fortschritt, Technik und Arbeit für sie. Doch als ich und mein Bruder Ediz heranwuchsen und mit den westlichen Werten, mit Moral und Erziehung in Berührung kamen, wendeten sich meine Eltern ab. Sie befürchteten, daß wir in Berlin zu »Kiffern«, »Hippies« und »Homos« würden. Deshalb schickten sie uns auf die deutsche Schule in Istanbul. Ich war dreizehn. […] Für Baba und Mama war Istanbul immer noch die Stadt der glitzernden Lichter, Tavernas und Open-air-Kinos, wo Moslems, Christen und Juden nebeneinander lebten. Eine Stadt auf zwei Kontinenten, sieben Hügeln und mit einer Million Einwohner. Durch dieses Istanbul war die Hippie-Route San Francisco — Katmandu verlaufen und hatte Scharen von Amerikanern, Kanadiern und Europäern auf den Platz um die Blaue Moschee gebracht. Damals liefen die Frauen in Miniröcken, hohen Plateauschuhen und mit toupierten Haaren herum, und Männer fuhren kutschengroße Chevrolets. Baba und Mama stürzten sich in die Bars und Cafés von Beyoglu (AltPera) und erlebten eine magische Stadt. Baba sagte immer: »Istanbul ist wie eine alt gewordene Odaliske, die unter ihrer faltigen Haut die Züge einer einstigen Schönheit trägt.« Nun, daran hatte ich keine Zweifel. Aber dieses Istanbul gab es nicht mehr. […] In den Restaurants dampfte es aus den Töpfen, und neu aufgesetzte Dönerspieße drehten sich pausenlos im Kreis. Die Luft roch nach Dieselgemisch mit Döner. Die Kreuzung Adalbert-/Oranienstraße war Dreh- und Angelpunkt. Das Herz Kreuzbergs. Die New-York-Sandwichbar reihte sich an die türkische Bäckerei, den Gemüseladen, daneben ein Import-Export-Geschäft mit dem letzten Kitsch. Es war immer Bewegung in dieser Ecke. Mir fiel der Spruch ein: Where is Hareket, there is Bereket*. * Wo Aktion ist, ist auch Profit © Heinrich Voelkel Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2004 Adelbert von Chamisso alias Louis Charles Adelaide de Chamisso de Boncourt und ich sind uns schon so einige Male an verschiedenen Straßen, Plätzen und Orten von Berlin über den Weg gelaufen. Keiner hat uns beide vorgestellt. Als Kind verließ Adelbert Frankreich und floh vor der französischen Revolution, ich verließ als Kind die Türkei und floh vor anatolischen Erdbeben. Wir kamen beide nach Berlin. Adelbert wohnte als Page der Königin Friederike Luise im Schloß, ich einige Straßen weiter vom Schloß in einem Berliner Altbau. Er lernte Deutsch lesen, schreiben, sprechen am preußischen Hof, ich auf einer Westberliner Grundschule. Adelbert von Chamisso wurde Adjunkt am Botanischen Garten von Berlin. Und dort drehte ich im Tropenhaus meinen ersten Kurzfilm »Helena«. In Berlin Kreuzberg ist ein schöner Platz mit Pflastersteinen und verzierten Häusern nach ihm benannt worden. Und natürlich bildet ein so historisch gut erhaltener Platz gleich eine Kulisse für verschiedene Filme. Mein erster Studentenjob fand auf dem Chamisso-Platz statt. Ich sollte eine Passantin in einem 30er-Jahre-Film spielen. Einen ganzen Vormittag saß ich mit Mario Adorf im oberen Teil eines alten Berliner Doppeldecker-Busses und wartete auf meinen Einsatz am Chamisso-Platz. Herr Adorf verbrachte seine Wartezeit mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, ich mit Lesen von Proust A la recherche du temps perdu. Adelbert von Chamisso starb an einem Spätsommertag im August, ich kam an einem solchen Tag auf die Welt. Er liegt auf dem Friedhof am Halleschen Tor in Kreuzberg begraben. Dort habe ich als Kind mit meinen Cousins Verstecken gespielt und dabei das Schild »Hunde und Kinder von der Ruhestätte fernhalten« übersehen, da ich noch kein Deutsch sprechen und lesen konnte. Adelbert von Chamisso und ich sind wie Passanten aus verschiedenen Jahrhunderten aneinander vorbeigelaufen und haben an den gleichen Straßen, Plätzen und Orten in Berlin gelebt, gewirkt und gearbeitet. Heute würden einige Kreise Adelbert von Chamisso vielleicht als »französisch-deutschen Autor« oder als »Multi-Kulti-Autor« bezeichnen und seine andere Perspektive interessant finden und etc. etc. Für mich ist Adelbert von Chamisso darüber hinaus ein Multitalent, das sich sowohl als Schriftsteller, Lyriker und Naturforscher bewiesen hat. Und vor allem ist er für mich ein Berliner. geboren 1965 in Cayirli (Türkei), studierte Anglistik und Germanistik in Berlin. Sie arbeitet als Schauspielerin, Lehrerin, Managerin und Journalistin in Berlin, London und Hongkong. Yadé Kara veröffentlichte Beiträge in Hörfunk und Fernsehen. --> Bibliografie S. 120 Auszug aus der Danksagung bei der Preisverleihung 32 33 (unveröffentlicht) 34 Der Zug. Das Rattern der Räder. Das Säuseln der Ventilation. Zehn Stunden Fahrt vor mir, zehn Stunden zwischen Hier und Dort, bei wechselnden Landschaften. Allein schon die Aussicht auf eine solche Reise beruhigt. Ob ich lese oder döse, ob ich esse oder durchs Fenster schaue, ich werde an mein Ziel getragen, über Berg und Tal. Mit obligaten Halten, in einem Tempo, das auch der Seele die Chance gibt, gleichzeitig mit dem Körper anzukommen. Aber geht es um Ankunft? Ist der Zustand des Unterwegsseins nicht besser als alles, was bevorsteht? Ein Zustand träumerischer Disponibilität, darin sich die Lettern der Reiselektüre mit Wasserfällen und mariatheresiagelben Fassaden, mit den dunkelbraunen Rechtecken der Felder und den grünen Rhomben der Wiesen liieren und das Auge schielend nach aussen und innen blickt. Geborgenheit stimuliert die Neugier, im fahrenden Haus hebt die Phantasie zu Flügen ab. Das Abenteuer bleibt vorerst draussen, und hat doch schon angefangen. We’re moving. What will come next? Eben haben wir einen namenlosen See gestreift. Das traurige Bootshaus wäre nicht der Rede wert, aber dort sass ein junges Paar, sehr jung, und eng umschlungen. Ein schnelles Bild. Die Sehnsucht lässt grüssen. Sie grüsst, für Sekunden, aus dem Dorf am Hang, dessen geduckte Häuser dünne Rauchsäulen aufsteigen lassen. Aussteigen? Hineinlaufen ins vermeintliche Glück? Zu spät. Die schöne Verheissung bleibt zurück, und draussen bleiben auch der einsame Hund, der Radfahrer, die fahle Sonne überm Moor. Zur Gnade des Zugfahrens gehört, dass die Welt hinterm Fenster lockt, aber nicht schmerzt. Und bildet sich im Waggon eine Schicksalsgemein- 1946 in Rimavská Sobota (Slowakei) als Tochter einer Ungarin und eines Slowenen geboren. Kindheit in Budapest, Ljubljana und Triest. Volksschule und Gymnasium in Zürich. 1965 –1971 Studium der Slawistik und Romanistik in Zürich, Paris und St. Petersburg. Nach der Promotion, 1971, Assistentin am Slawistischen Institut der Universität Zürich, seit 1977 Lehrbeauftrage. Daneben freiberuflich als Schriftstellerin, Übersetzerin und Publizistin (Neue Zürcher Zeitung, Die Zeit) tätig. Ilma Rakusa lebt in Zürich. Übersetzungen aus dem Russischen (u.a. Alexej Remisow, Michail Prischwin und Marina Zwetajewa), aus dem Serbokroatischen (Danilo Kis), aus dem Französischen (Marguerite Duras, Leslie Kaplan) und aus dem Ungarischen (Imre Kertész, Péter Nádas). Editorische Arbeiten und Herausgabe von Anthologien. Ilma Rakusa ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 1991 den Petrarca-Übersetzerpreis, 1998 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, mehrmals Ehrengaben des Kantons und der Stadt Zürich sowie 2003 die Auszeichnung Pro Cultura Hungarica. www.ilma.rakusa.info/ --> Bibliografie S. 122 ^ Transit. Transfinit schaft, gehorcht sie scheinbar anderen Gesetzen. Alles deutet auf ein lucidum intervallum hin, eine Art Ausnahmezustand. Ich könnte von vielen Zugfahrten erzählen: bei Slivowitz und Knoblauchwurst hinunter in den wirren Balkan, auf Liegepritschen von Litauen nach Lettland, beim stummen Schachspiel durch die Birkenwälder Weissrusslands, kreuz und quer durch Mitteleuropa, von der Elbe bis zum Karpatenrand. Ich habe Holz- und Polstersitze ausprobiert, bin im Gang gestanden, auf Gepäckstücken eingeschlafen, in Speisewagen verzweifelt, ich habe Bekanntschaften geschlossen und Verse geschmiedet, habe um Anschlüsse gezittert und über Abschiede geweint. Gut so. Was wäre das Leben ohne Zugfahrten. Ohne das Fernweh, das mich schon als Kind beim Anblick von Dampflokomotiven, von verlassenen Provinzbahnhöfen und unkrautgesäumten Gleisen überkam. In Ljubljana fauchten die Züge nachts durch meinen Traum: der Rangierbahnhof befand sich gleich hinter dem Garten des Hauses, in dem ich bei meiner Tante wohnte. In Triest verkehrten die Züge vor meinem Fenster, auf dem Viadukt von Barcola, einem Relikt aus den Zeiten der Monarchie. Hier erlebte ich ein seltenes Spektakel: wie die Bora, als sie einmal besonders heftig blies, das Dach eines Zuges wegriss, das dann in den Leitungsmasten hängenblieb. Züge, Züge, von Kindheit an. Grasgrüne Abteile und scharfe Pfiffe, kobaltfarbenes Licht und weisse Spitzen, der Geruch nach Weite und oft genug nach einem Gemisch aus Schweiss, Rauch und Urin. Von solcher Romantik ist in den modernen Hochgeschwindigkeitszügen nichts mehr zu spüren. Dennoch benutze ich die weissen Flitzer, um beispielsweise in Hannover auf einen Interregio nach Braunschweig umzusteigen, und in Braunschweig auf eine winzige Regionalbahn nach Wolfenbüttel. Zwei Wagen, fünf Passagiere, der Zug zuckelt, hält alle paar Meter. Und als ich in Wolfenbüttel ankomme, glaube ich mich am Ende der Welt. Der Bahnhof döst vor sich hin, ein gelber Posten im Nirgendwo. Und still ist es hier, wie auf weiter Flur. In der Unterführung riecht es nach Moder und Pisse. Seltsam, mit solchen Orten verbindet mich eine Erinnerung. Die Sinne regen sich, die Phantasie kommt in Fahrt. Wie im Zeitraffer schiessen Bilder zusammen. Ich bin hier und zugleich anderswo. Ich bin viele und zugleich die, die mit erregter Aufmerksamkeit die Szenerie betrachtet und dabei ein unheiliges Glücksgefühl empfindet. Als ich neun Jahre alt war, wollte ich »Weltforscherin« werden. Mit neunzehn wollte ich Afghanistan bereisen, und habe es nicht geschafft. Heute träume ich von einer Zugreise quer durch Sibirien, bis in die Mongolei. Was ich mir davon verspreche? Viel Himmel, viel Musse, viel Besinnlichkeit. Ich werde nicht mehr entdecken, als ich schon weiss, aber es könnte sein, dass etwas mit mir geschieht, wovon ich nicht weiss. Im übrigen lockt nicht das Ziel, sondern der Zustand zwischen den Orten, zwischen den Wäldern und Jurten, zwischen mir und mir. Im Kopf kann ich ihn nicht simulieren, da fehlt der Takt der Räder, der sinnliche Durchzug der Stationen, bei Tee und Unschlaf. Ulan Bator – einfach. Und dort versteppen für unbestimmte Zeit. © Isolde Ohlbaum Ilma Rakusa Adelbert-von-Chamisso-Preis 2003 35 Hussain Al-Mozany © Ikhlas Abbis Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2003 langen Erklärung. Mir kommt die Aufgabe zu, die tieferen Beweggründe offenzulegen. Die ganze Geschichte begann unverfänglich und harmlos: Jemand wollte seine schleichende Verdeutschung abschütteln. Doch es kam anders, völlig unerwartet. Der wahre Othello Aus dem Anfang eines unveröffentlichten Romans 36 Man solle einen Hals wie ein Kamel haben, lautet eine alte arabische Weisheit, damit der Zorn sich auf dem langen Weg beruhige. Denn das Wort könne den Beginn einer Liebe bedeuten, aber auch den eines Mordes. In der Regel schreitet man lieber zur Tat, als einen Kamelhals zu haben. So wird jene Mahnung mit ihrem geradezu verpflichtenden Klugheitspathos außer Kraft gesetzt und das Blut fließt. Nun stehe ich, der Täter, vor vollendeten Tatsachen. Es macht wirklich wenig Sinn, die Mordtat unter dem Deckmantel der Rechtfertigung schön zu reden. Das Blut des großen Fleischbarons, des Moguls der Rheinmetropole, Reinhold Klimp, habe ich, der Fremde, vergossen während eines maliziöserhabenen Momentes. Verstümmelt, verkrüppelt, halbtot. Was nützt nun dieses Hyänengeheul über dem Scherbenhaufen! Die Nachwelt, so heißt es, kann alles von dem vermeintlich heimgesuchten, deutschkranken Fleischhändler aus erster Hand erfahren. Daß ausgerechnet Klimp von mir zum Opfer ausersehen wurde, bedarf selbstverständlich einer Vom Köln-Bonner Flughafen gestartet, landete die Maschine der Egypt Air auf der flachen Ebene Nordafrikas, im hellbraunen Land Ägypten. Die Sonne, von deren Untergang ich in der letzten, fast schlaflosen Nacht geträumt hatte, war schon vor einer Stunde hinter einem orangefarbenen Vorhang verschwunden. Laternen beleuchteten die weite Landebahn, die sich kaum von der Abendwüste unterschied. Ich atmete einen sonnengetränkten, schweren Geruch, den seltsam rauhen Geruch des frühnächtlichen Orients. Das auf den schwarzen Boden gegossene gelbe Licht breitete eine träge Hitze aus. Ein Flugzeug hielt sich startbereit, doch bevor es abhob, stieß es dichte Abgase aus, die mir in Mund und Nase stiegen und mich augenblicklich schwindeln ließen. Ich schaute mich um und erblickte einen schwarz uniformierten Soldaten mit einem langen Gewehr, der hinter mir her schritt und mich mit seinem Blick gefangen hielt. Ich versuchte aus unverständlichem Grund, ihn anzulächeln. Ein zögerliches Lächeln deutete sich auf seinem runden Gesicht an, als ob er meinte, mich zu kennen, aber vergessen hatte, woher und nun versuchte, sich an diese Begegnung zu erinnern. Ich mischte mich unter die Touristenscharen und begann, ein altes Lied zu summen. Mit den anderen Reisenden betrat ich einen geräumigen Saal mit einer niedrigen Decke, in dem die Luft merklich stickig und verbraucht war. Reisende mit braunen Gesichtern und bodenlangen, luftigen Gewändern und Soldaten drängten sich um die Schalter der Paßkontrolle. Einheimische Frauen plauderten mit blonden Stewardessen. Sie lachten und riefen so laut, als gälte es, jeglichen Lärm zu übertönen: »Please, gathering here; Pyramid Association; Sphinx Agency; welcome to Egypt …« Auch vereinzelte arabische Zurufe waren zu vernehmen. Ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann. Vielleicht war es die gewöhnliche Aufregung wegen der Polizeikontrolle. geboren 1954 in Amarah/Irak. Nach dem Schulbesuch in Bagdad seit 1978 journalistische Tätigkeiten im Libanon, 1980 Übersiedlung nach Deutschland. Studium der Arabistik, Islamwissenschaft, Germanistik und Publizistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster mit Magisterabschluß. Durchführung von Arabisch-Sprachkursen in verschiedenen Spracheninstituten und Bildungseinrichtungen, 1993– 94 Leiter des Büros IAF–Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Seit 1998 lebt er in Köln als freiberuflicher Schriftsteller und Übersetzer deutscher Literatur ins Arabische, darunter: Nicolas Born, Die Fälschung; Günter Grass, Die Blechtrommel; Robert Musil, Drei Frauen; Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge; zahlreiche Essays, Erzählungen und Gedichte von Walter Benjamin, Elias Canetti, Hans Georg Gadamer, Jürgen Habermas, Wolfgang Hildesheimer, Judith Hermann, Paul Klee und anderen. --> Bibliografie S. 116 37 Aus dem Gedichtband Ein Kolibri kam unverwandelt 38 Es gibt ein gutes Zauberbuch, das hat keine Regeln, es wundert sich, es macht, was es machen will, und ist immer im Werden. Es hat keine Gesetze in sich, jede Seite ist eine Zahl, niemand kann es wenden, es ist ein Mittagsmahl. An ihm sich satt zu essen, das ist eine gute Tat. Niemand kann es missen, niemand, der Augen hat. In den weiten Fluren, den Beständen des Morgentaus, ruht ein Wipfel Traum und ruht sich blindlings aus. Einer kommt vorbei, wie auf einer Wanderung, pflückt sich einen Blumenstrauß aus unbewiesener Erinnerung. Da sagt ein Wächter immergrün, es werde richtig Tag. Im Gelände der Dämmerung, nimmt mich eine große Helle an die schöne Hand. Die Seiten des Buches wenden sich, von allein von still von stumm, das Wundern nimmt sich aus, ein Däumling drumherum. Da wohnt er still und leise, sagt kein Wort von sich, ihn weich umarmend bemerke ich den Vater, wie er, sitzend unterm Maulbeerbaum, seine Augen bricht. Die Sonne weist ihn ein in die Vorhöfe seiner Bilder und mir scheint, ihn dort wissend, er zähle seine Kinder. An den Fingern sieht er menschengleich hinunter; er sieht die Raupen über ihm und ich eile herbei. Ich sage, Vater bleib, das Buch ist für uns zwei. Ich möchte ein Däumling gar nicht sein, nicht in der Zeit, möchte immer Bücher schreiben, zum Zeichen der Verwandtschaft. Und er sagt, ja na gut, ich geh einmal zum Wipfel, da ging er los, ganz leise und still, er pflückte dabei in der Luft etwas einzig Großes weg. Ich sah hin und sah hin, konnte es nicht glauben, das Alphabet stahl er sich, mitten in das Blaue. Ich sagte, aber Vater, das ist doch für alle, wir können keine Bücher schreiben, wenn die anderen klauen. Er sagte, ja na gut, dann nimm dir das Alphabet. Und ich nahm es und begriff, es gibt nie einen Rest. Da hielt nun ich es in meinen Händen und wusste lange nicht, was zu tun ist mit den Wörtern, mit dem Schöpfernest. Da kam mein Vater in das Buch, in den Ursprung hoch und schön, und er sagte, hör halt zu, das gehört auf die Seiten, ein Gehen muss alleine sein, allein mit dem Alphabet. Er nahm die Bäume wie im Traum ganz schlicht in seine Hand, legte Wipfel für Wipfel mir tief ins Herzland. Ich wusste aber nicht, dass Bäume das so wollen, ich weinte lange, lange, tanzend aber doch. Dann sah ich das gute Zauberbuch und liebte immer noch. Sternenvergangenheit, ein haushoher Ritt über die noch ungeteerten Planeten, eine Landebahn für angstlose Engel, für die Helligkeit der Herkunft, die Freiheit über die Befugniskraft der Gedanken: mein Leben, ein möglicherweise als Vorspiel gedachtes Siriuszimmer, in dem noch immer der Glaube an die Pyramiden zum guten Ton gehört, zum Kettenbrief des Lichtes. Aber wen erreicht er, wenn der Winter lang ist auf der Erde und niemand mehr den Neckar herauffährt, um sich an Hölderlins Luft zu sättigen. Vielfach ein Mensch ist da und draußen an den Haustüren liegen einsam die alleingelassenen Ohren, liegen die Zeichen- und Sprachprogramme der kosmischen Füße. Liegen die Zehen so herum, zentralgesonnte Universen. Jeder Zeh, ein Kitzelgebiet aus der Zeit vor der Zeit, bevor der Eiszeitmensch sich in seine Zukunft als Somali, Kroate, Ägypter und Astronaut aufmachte. Andernorts hinter den Milchstraßen, Korrespondenzen. Und all dieser Verkehr von Wörtern und Hufen und Stillehöfen und Liebesfäden. All dieses eine Wir, an dem jeder ausgesprochene, jeder ausgedachte Buchstabe mitwebt. Engel, Mensch, Tier, verwaist in der Einöde der Zeit. Vergolten das Einmaleins der Seele, des Seegangs ans eigene Sonnenland. © Markus Kirchgessner ˇ´ Marica Bodrozic geboren 1973 in Zadvarje in Dalmatien, dem heutigen Kroatien. 1983 Umzug nach Deutschland. Sie studierte Kulturanthropologie, Psychoanalyse und Slawistik in Frankfurt am Main. Ihre ersten literarischen Arbeiten, Prosa, Essays und Lyrik, veröffentlichte sie in Zeitungen und Zeitschriften (FAZ, manuskripte, Lettre Internationale). 2001 erhielt sie das Hermann Lenz-Stipendium, 2002 den Heimito von Doderer-Förderpreis, 2003 und 2004 Arbeitsstipendien der Robert Bosch Stiftung, 2005 den Adalbert StifterFörderpreis und das Jahresstipendium des Else-Heiliger-Fonds. 2005 war sie als »Writer in Residence« in Bordeaux. Marica Bodrozic´ lebt als freie Schriftstellerin und Regisseurin in Berlin. Ihr erster eigener Film »Das Herzgemälde der Erinnerung. Eine Reise durch mein Kroatien« wird in 3sat Ende Februar 2007 ausgestrahlt. --> Bibliografie S. 117 ^ Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2003 39 dein leib brachliegend SAID © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2002 Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1991 unter den argwöhnischen augen des mondes mein blick öffnet deine beine und dringt in dich ins schwarz deiner augen ein murmeln um uns ein haus wird geboren dann die letzten krumen des tages die sich vergebens wehren schon baudelaire fragte scheinheilig was modernität sei? baudelaire, hat er je richtig gehasst? hat er die zynikprobe überstanden? er wollte ja zu einem neuen verstand gelangen die moderne begann mit der einführung der guillotine, der ersten maschinellen tötung von menschen, die postmoderne mit auschwitz sie verletzte die virtuelle illusion des abendlands seither ist alles möglich das papier beruhigt der buchstabe tötet 40 1947 in Teheran, Iran, geboren. 1965 kam er als Student nach München. Hier verbanden sich seine literarischen Interessen mit einem politisch-demokratischen Engagement; damit war seine Rückkehr in den Iran ausgeschlossen. Nach dem Sturz des Schah 1979 betrat er zum ersten Mal wieder iranischen Boden, sah aber unter dem Regime der Mullahs keine Möglichkeit zu einem Neuanfang in seiner Heimat. Seither lebt er wieder im deutschen Exil. SAID war von Mai 2000 bis 2002 Präsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland. Sein literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet: 1986 mit dem Literaturpreis der Stadt München, 1992 mit dem Civis-Hörfunkpreis, 1994 mit dem Premio Letterario Internazionale »Jean Monnet«, 1996 mit dem Preis »Literatur im Exil« der Stadt Heidelberg, 1997 mit dem Stipendium »Villa Aurora«, Los Angeles/USA und 1997 mit der Hermann Kesten Medaille des P.E.N.-Zentrums Deutschland und 2006 mit der Goethe-Medaille. Sein Märchenbuch Es war einmal eine Blume wurde in die Ehrenliste zum Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1999 aufgenommen. Seine Bücher werden in englischer, französischer, niederländischer und ungarischer Sprache publiziert. www.said.at --> Bibliografie S. 123 41 Catalin Dorian Florescu sich sein möchte? Keiner will das, man will nur beschäftigt sein. Gib dem Armen und dem Reichen Krimi und Romanze und sie werden entzückt sein. Das Publikum, das der tiefen, innigen Literatur davon läuft – oder nie dorthin findet –, bevölkert den Kontinent des Krimis. Im Alltag findet jedoch niemand Leichen. Oder ist Ihnen so was schon mal passiert? Eine Leiche zum Frühstück gleich neben Ihrem Bett? Oft bräuchte man sich nur morgens im Spiegel anzuschauen und zu fragen: Wie tot bist du eigentlich? Aber da kommt kein Kommissar und fragt: »Uns wurde Ihr Tod gemeldet. Was haben Sie dazu zu sagen? Kennen Sie den Mörder?« Das wäre ein toller Krimi. Dürrenmatt konnte zeigen, dass das Böse unweit wohnt, im Dorf womöglich. Mir ist das Dorf abhanden gekommen, ich bin ein globaler Emigrant, auf Ungerechtigkeit verstehe ich mich, aber nur wenn sie global geschieht. Ich kenne nicht die Mordgedanken in den Reihenhäusern der Schweizer. Aber es ist aufregend, sich auszudenken, was sich für ein Chor von Stimmen erhebt, wenn man durch solche Siedlungen wandert. Wenn ich an Gerechtigkeit denke, dann nicht an die in den Krimis, sondern an die im Leben. Die Leichen, die wir selber sind, beunruhigen mich mehr als die Leichen in den Krimis. Die Aufklärung solcher Fälle dauert unter Umständen ein Leben lang. Zwischen Krimi und Romanze (unveröffentlicht) 42 Es ist nicht zu leugnen: Der Arme kennt die Ungerechtigkeit von klein auf. Er erlebt zuerst, wie der Vater entlassen, entwürdigt, verstoßen wird, wie das Geld nicht mehr reicht und schließlich wie die Nerven blank liegen. Später erlebt er das alles am eigenen Leib. Der Reiche entdeckt die Ungerechtigkeit, wenn es ihm passt. Meistens passt es ihm, wenn er sich bedroht fühlt, wenn man seine Karriereleiter knickt, seinen Besitz anficht. Wenn er den Verlust von Liebgewordenem fürchtet. Der Arme kann nicht verlieren, der Verlust ist eingerechnet. Nur in einem Punkt ähneln sich arm und reich: Die Nerven liegen blank – unabhängig vom Einkommen. Seit ich ahne, wie viel Ungerechtigkeit es dort draußen gibt, sind mir Krimis suspekt. Sie führen dem Bürgertum jene Spannung zu, auf die es verzichten muss, um produktiv zu bleiben. Jede Hausfrau, jeder Abteilungsleiter liebt Krimis. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Romanze, im Fernsehen oder in der Literatur, dann ist das Leben perfekt. Und es ist vielleicht ein gutes Mittel, um nicht selber Amok zu laufen. Stellvertretend tun es andere und zu bester Sendezeit. Der Krimi führt einen von sich weg. Es passiert Schlimmes, aber in der Ferne, im Dunkeln, nicht in einem selbst. Aber wer sagt, dass irgendeiner bei Wenn der Arme nichts mehr hat, so hat er doch noch Gott. Wenn eines Tages alle Armen dieser Welt ihre Entwürdigung mit klarem Verstand erkennen würden, so würde es nicht genug Gott geben, um sie von der Revolte abzuhalten. Und ihre Rache wäre grausam. Die Rache der Armen ist nicht an den feinen Schulen, den Eliteuniversitäten der reichen Weißen geschult. Ihre Rache sieht aus wie jene des Mobs an der Elfenbeinküste, der den Besitz des weißen Mannes und die Körper der weißen Frauen plünderte. Ihre Rache sieht aus wie das Töten von Margret Hasan und Ken Bigley in Irak. Enthauptet, erschossen. Vorläufig aber wirkt, mit Abstrichen, noch die Waffe des Reichen: Er gibt dem Armen so viel Gott, wie dieser tragen kann. Und er kann tragen. Tragen ist vielleicht neben Ertragen die größte Fähigkeit des Armen. Sollte Gott eines Tages nicht mehr wirken, hat der Reiche ein neues Mittel. Man nennt es Konsum. Man wird den Armen schon mundtot kriegen mit den neuesten High-tech-Produkten. Das ist beinahe wie reich sein. © Yvonne Böhler Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2002 geboren 1967 in Timisoara/Rumänien. 1976 erste Ausreise nach Italien und in die USA, Rückkehr noch im selben Jahr. Besuch der Sekundarschule. 1982 Flucht mit den Eltern in den Westen und seither wohnhaft in Zürich, inzwischen als Schweizer Staatsbürger. 1983–1989 Besuch des Sprachgymnasiums, anschließend bis 1995 Hochschulstudium der Psychologie und Psychopathologie an der Universität Zürich. Von 1995 bis 2001 Psychotherapeut, daneben fünfjährige Weiterbildung in Gestalttherapie. Seit 2001 freier Schriftsteller in Zürich. Catalin Dorian Florescu erhielt mehrere Stipendien und Auszeichnungen, unter anderen 2001 das Pro Helvetia-Stipendium, das Hermann Lenz-Stipendium und das Werkjahr der Stadt Zürich; 2002 das Villa Waldberta-Stipendium der Stadt München und die Ehrengabe des Kantons Zürich; 2003 den Anna-Seghers-Preis und Aufenthaltstipendien im Künstlerdorf Worpswede, 2004, und im Künstlerdorf Schöppingen, 2006. Im selben Jahr wurden Die Nacht davor vom Sandkorn Theater in Karlsruhe uraufgeführt und Der blinde Masseur zum Buch des Jahres der Scala-Buchhandlungen gewählt. Seine Romane wurden außer ins Rumänische auch ins Spanische und Holländische übersetzt. www.florescu.ch --> Bibliografie S. 119 43 Lamenti 4. Ich denke Dich jung Meinen Bruder im Bauch Auf diesem Stück Land Das beim Wehen der Borea Einen Streifen des Meeres Hervorzauberte damals Während Du Nur Himmel sehend Die Flugzeuge zählst 1. Lies mal Ich schreib über Dich In einer fremden Sprache Hatten wir eine Sprache? War dieses Idiom mit den Wörtern Für kochen schlafen essen sterben Eine Möglichkeit sich zu verständigen? Italoalbanisch Ein fünfhundertjähriger Sprachverlust. Die aber und das Herz kann ich benennen Mëma Zëmra Aus: Zweiundzwanzig Lamenti. Für Caterina Baffa Scirocco 5. Den Gedanken Dich am Morgen zu finden Und Du wärst schon eingeschlafen Für immer Ich würde Dich küssen Und Dir ein albanisches Lied singen. Keine Spritzen, keine Tabletten Kein Zittern beim Trinken Du – eingeschlafen wie ein Kind 2. Wo sind Deine Schultern Fragt der Held Wo Deine Brüste Fragt der Held Deine Arme die starken. Wer trägt mich Fragt der Held Nur noch dieser eine Bauch Riesig, beängstigend Deine letzte Schwangerschaft, Die des Todes 3. Lache nur Es ist wirklich besser Sich nicht zu verstehen. Weisst Du noch wie wir versuchten Über Gefühle zu sprechen Und wie Deine Grossmuttersprache Und meine Muttersprache Den Turm zu Babel bauten? Nur Brot sagen zu können, reicht eben nicht. Buk Buk Buk 44 6. Nun weiss ich Sich freuen an kleinen Sachen ist Wenn draussen Frühling und Lämmer Purzeln Während drinnen Du In den Tod atmest © Anita Schiffer-Fuchs Francesco Micieli Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2002 1956 in Santa Sofia d’Epiro, Italien, geboren. Seit 1965 in der Schweiz, Besuch der Schule in Lützelflüh und des Gymnasiums in Burgdorf. Von 1976 –1979 Schauspieler und Autor am Protheater Solothurn, 1979 –1989 Schauspieler, Autor und Regisseur am Theater am Scharffenegge Burgdorf. Seither Inszenierungen und Dramaturgie für verschiedene Bühnen und Schultheater. Seine Musiktheaterstücke werden international aufgeführt: »Winterreise« (1994) in Luzern und Wiesbaden, »Die Trilogie der Sommerfrische« (2000) in Hannover und Trier, das musikalisch-literarische Programm zu Schumann »So nimm denn hin diese Lieder …« (2003) in Bern und das Szenische Madrigal »Lamenti« (2004) in Prag und Bern. Auszüge aus seinen Bühnenstücken wurden in Literaturzeitschriften in englisch, französisch, schwedisch, slowenisch und türkisch publiziert. Nach seinem Studium der Romanistik und Germanistik an den Universitäten Bern, Cosenza und Florenz war Francesco Micieli mehrere Jahre Assistent an der Universität Bern. Heute lebt er dort als freier Autor und Dozent an der Schule für Gestaltung Bern/Biel. Er erhielt seit 1980 zahlreiche Preise und Stipendien in der Schweiz (zuletzt den Anerkennungspreis der UBS-Kulturstiftung). --> Bibliografie S. 120 45 Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2002 Aus dem Vortrag »Chamisso, die Chamisso-Autoren und die Globalisierung«, 2001 Chamisso hat sich also als deutscher Autor fremder Herkunft, sagen wir als Chamisso-Autor, einer ständigen Anfechtung und Herausforderung durch seine Zweisprachigkeit ausgesetzt. In seine sprachliche Routine hat sich wohl immer ein gewisses »Fremdeln« eingemischt, von dem nun andererseits auch gewiss jener besondere Sprachreiz ausgeht, durch den sich seine Literatursprache ästhetisch auszeichnet. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur daran zu erinnern, daß einige Literaturkritiker, zumal die »russischen Formalisten«, ein gewisses Maß an Verfremdung (ostranenie) zu den elementaren Bedingungen der »Poetizität« gerechnet haben. Das wiederum hat seinen einfachen Grund in den Gesetzen des Spracherwerbs. Im Gegensatz zur Erstsprache, die wir, wie man zu sagen pflegt, »mit der Muttermilch einsaugen«, ist jede weitere Sprache, die wir als Fremdsprache erlernen, dem Sprachbewußtsein tributpflichtig, was zu komplizierteren Bewußtseinslagen und dadurch zu einer nicht selten heilsamen Verlangsamung des Schaffensprozesses führt. Heilsam nenne ich diese Verlangsamung deshalb, weil die Literatursprache auf diese Weise die größere Chance erhält, beim literarischen Schaffensprozeß mitzudenken und nicht in der Routine des alltäglichen Sprachgebrauchs aufzugehen. Daher stehen die Chamisso-Autoren vielleicht, wenn sie bisweilen auch nach vielen Jahren in deutschsprachiger Umgebung noch fremdeln, dem Geist der Literatur um ein gewisses Maß näher als manche einheimische Autoren, die ihre Verfremdungen willentlich erzeugen müssen. Ein in mancherlei Hinsicht vergleichbares Bild ergibt sich, wenn inhaltlichthematische Gesichtspunkte in die Überlegungen einbezogen werden (was die herrschende Literaturtheorie leider nur selten tut). Einzuräumen ist zunächst, daß Chamisso-Autoren gegenüber den einheimischen Schriftstellern mit dem uneinholbaren Rückstand leben müssen, daß sie ihre Kindheit und Jugend in einer anderssprachigen Umwelt verbracht haben. Es fehlt ihnen daher in der deutschen Sprache eine bestimmte Erfahrungstiefe, die man früher mit dem Wort »Gemüt« einzufangen versucht hat. Dem steht aber auf der Seite der Chamisso-Autoren als deren spezifische Mitgift eine vertiefte Erfahrung erlebter Andersheit und Fremdheit gegenüber, die ihnen nicht selten schmerzhaft eingebrannt ist. So können uns manche Chamisso-Autoren, wenn sie diese Erfahrungen in die Literatur einbringen, weiter aus unseren routinierten Gewohnheiten herausreißen, als wir es von einheimischen Autoren in der Regel erwarten können. Die Summe dieser literarisch vermittelten Andersheiten und Fremdheiten läßt sich vielleicht mit dem Wort »Welt« bezeichnen, sofern unter diesem Begriff nicht einfach extensional der Erdball, sondern intensional eine gewisse hilfreiche Dehnung unserer anthropologischen Verfaßtheit zu verstehen ist. 46 Harald Weinrich geboren 1927 in Wismar, aufgewachsen in Münster. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er Romanistik, Germanistik, Latinistik und Philosophie in Münster, Freiburg, Toulouse und Madrid. Promotion 1954 und Habilitation 1958 in Münster. Ordentlicher Professor für Romanistik in Kiel (1959 –1965) und Köln (1965 –1969), Mitbegründer der Universität Bielefeld und erster Direktor des dortigen Zentrums für interdisziplinäre Forschung (1972 –1974) neben dem Lehrstuhl für Linguistik (1969 –1978). Danach bis 1992 Professor für Deutsch als Fremdsprache in München, anschließend bis zu seiner Emeritierung für Romanistik am Collège de France, Paris (1992 –1998). Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin (1987/88), Gastprofessor an den Universitäten von Michigan (1963/64) und Princeton (1978), Galilei-Lehrstuhl an der »Scuola Normale Superiore« von Pisa (1992/93). Harald Weinrich erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter Ehrendoktorwürden der Universitäten Bielefeld, Heidelberg, Augsburg, Rom und Madrid. Auf eine Idee von Harald Weinrich geht die Einrichtung des Adelbertvon-Chamisso-Preises zurück. Sein langjähriges Engagement wurde 2002 mit der Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis gewürdigt. --> Bibliografie S. 125 47 Chemie Zu den Elementen Dieses Gedicht aus einer Reihe von 27 unveröffentlichten Texten entstand zu einer Objektserie von Jürgen Walter zum Thema »Wissenschaften« wie viel chemische Bekanntschaft der Mensch wohl verträgt ohne sich die Freundschaft mit der Natur zu verderben das wissen nur die Götter der Elemente © Jürgen Walter Zehra Çırak Adelbert-von-Chamisso-Preis 2001 Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1989 und auch sie tragen weiße Kittel und denen sei Dank wir das Wundern und Staunen über die Verwandlungen immer wieder neu erfahren Urstoffe Zauber Erde Zauber Feuer Lebeerde Zauberei Lebensfeuer Zauberei Wasserleben Zauberei Luftgelebt Zauberei Es lehrt die Lehre von den Stoffen es lehrt von Stoffumwandlungen Zauberhaft was da geschieht Zauber Wasser Zauber Luft 1960 in Istanbul, Türkei, geboren. 1963 Übersiedlung nach Deutschland, aufgewachsen in Karlsruhe. Sie lebt seit 1982 in Berlin. Regelmäßige Lyrik-Performancegastspiele in Deutschland und im europäischen Ausland gemeinsam mit ihrem Mann, dem Künstler Jürgen Walter. Zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien: 1987 und 1992 Arbeitsstipendium vom Berliner Senat für Kultur, 1993 Friedrich-HölderlinFörderpreis, 1998 Förderstipendium der Käthe-Dorsch-Stiftung Berlin, 1999/2000 Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung und 2005 Premi di poesia Multietnica Olbia, der Lyrikpreis von Sardinien. www.juergen-walter.com --> Bibliografie S. 117 golden glänzt das Auge ohne es zu sehen es wandelt im Kopfe und dann im Labor der Verwandlung folgt Verhandlung die Benennung in Wort Zahl und Zeichen Erde Feuer Wasser Luft eine alte Freundschaft fürs Leben Sehr verehrter Herr Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim Sie unter anderem Begründer der wissenschaftlichen Chemie würden Sie heute skeptisch auf die Pillen des Lebens schauen? 48 49 Das Vorstellungsgespräch Nichts hob Walerians Laune so wie die Möglichkeit, jemanden zu spielen, der er nicht war. Obwohl diese harmlose Marotte zweifellos vorübergehend war, hatte sie ihre Gründe. Walerian ging auf die dreißig zu und verspürte ein wachsendes Schamgefühl, bis dahin keine außergewöhnlichen Taten in seinem Leben vollbracht zu haben, und was bedenklicher war, auch keine solchen zu planen. Das letzte große Vorhaben seines Lebens lag schon über achtzehn Jahre zurück, wo er als Zehnjähriger eine Maschine erfinden wollte, die ihn unsichtbar machte. Stattdessen fand er lediglich heraus, wie man die Uhr seines Vaters auseinandernahm und sich dann drei Tage erfolgreich vor den Folgen dieser Tat im Haus versteckt. Der andere Grund war der schmerzliche Verlust seines besten Freundes Bruno. Bruno, der auf die Welt mit dem Motto: »Sei bloß kein Arschloch« gekommen schien und sich damit Walerians Loyalität für alle Zeiten gesichert hatte, folgte von einem Tag auf den anderen dem Ruf des Geldes, und wurde verblüffend schnell von seinem eigenen Kommentar eingeholt. Walerian versuchte in einem ersten Anfall von Verzweiflung, seinen Freund nachzuahmen, aber er war mit einer Eigenschaft ausgestattet, die das verhinderte. So sehr er sich auch ins Zeug legte, er konnte im Gegensatz zu Bruno in einer Hunderterbanknote keinen Wagen mit Chauffeur oder eine Villa mit Garten sehen, sondern immer nur ein rechteckiges Stück Papier, auf dem ein Mann abgebildet war, der seinem ehemaligen Chemielehrer wie aus dem Gesicht geschnitten war. In der Folge machte er alle möglichen Jobs, bei denen er nicht mehr dem Ruf des Geldes folgen mußte, aber dafür wenigstens von sich behaupten konnte, daß er abgesehen von den Totengräbern, die ein ziemlich hermetischer Verein sind, so gut wie alles gemacht hatte, was der heimische Arbeitsmarkt zu bieten hat. Er war Krankenpfleger des berüchtigten Pavillons Fünf, Wärter eines Paviangeheges und schneite sogar einmal in eine Vorlesung über Astronomie herein. Der Professor fragte gerade, ob jemand wußte, daß Gold entsteht, wenn eine Supernova explodiert. Er stellte das so dar, als würde eine Supernova nur deshalb explodieren, damit Frauen heute Goldketten oder Greise Goldzähne tragen können. Da taten sich neue Horizonte auf und Walerian ging sofort in die nächste Vorlesung. Aber da war keine Rede mehr von Supernovas, sondern nur noch Zahlen oder geometrische Figuren. Das beendete seine universitäre Laufbahn. Er wollte kein weiterer Student sein, der nachts in den Himmel schauen muß, um sich zu erinnern, wie ein Stern aussieht. © Thomas Lehmann Radek Knapp Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2001 1964 in Warschau, Polen, geboren, wuchs bei den Großeltern in Polen und seit 1976 bei seiner Mutter in Wien auf. Dort lernte er deutsch, besuchte die Handelsschule und studierte Philosophie. Neben dem Schreiben übte er verschiedene Tätigkeiten aus, bis ihm 1994 die idyllisch-grotesken polnischen Dorfgeschichten in Franio einen überraschenden Erfolg und den Aspekte Literaturpreis einbrachten. Zuvor hatte er schon ein Nachwuchsstipendium des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kultur sowie den Würdigungspreis der Stadt Wien erhalten. Im Jahr 2000 war er Stadtschreiber in Schwaz und erhielt 2002 ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung. --> Bibliografie S. 120 Aus: Papiertiger 50 51 Vladimir Vertlib keinen Akzent, mache nur noch selten Fall- oder Zeitfehler und spreche sogar, wenn ich will, Dialekt.« Zu meiner Überraschung gab sich der junge Mann aus der hinteren Reihe mit dieser Antwort zufrieden. Im ganzen Saal gab es weder Gelächter, noch regte sich Widerspruch gegen meine Behauptungen. Die Leute nickten. Später, beim Signieren der Bücher, meinten einige, sie hätten von meiner »Pubertätstheorie« (die ich in Wirklichkeit spontan erfunden hatte) schon gehört. Jemand erklärte mir, dass auch Mädchen einen Stimmbruch hätten, nur dass dieser nicht so ausgeprägt sei wie bei Burschen, und er fügte hinzu, dass »das soziale Umfeld wohl auch eine gewisse Rolle spielen dürfte«. Die Frau, die bei ihm einmal in der Woche die Wohnung putze, sei im Alter von zehn Jahren von Ostanatolien nach Salzburg gekommen. Sie habe leider immer noch einen schweren türkischen Akzent … Aus: »Der Spiegel im fremden Wort – Die Erfindung des Lebens als Literatur«. Manuskript zur Dresdner Chamisso-Poetik-Dozentur 2006 Wenige Tage nachdem im Frühjahr 1995 mein erstes Buch, die Erzählung Abschiebung, publiziert wurde, fand im Salzburger Literaturhaus die Buchpräsentation statt. Es war die zweite Lesung in meinem Leben. Einige Monate zuvor hatte ich im Rahmen eines Literaturfests in Wien eine Kurzgeschichte – meine erste literarische Veröffentlichung – vorgestellt. Bei meinem Auftritt hatte ich mehr gestammelt als vorgelesen. Kein Wunder also, dass ich nun sehr nervös war. Ich bewältigte den Text trotzdem. Größere Katastrophen blieben mir erspart. Die Stimme versagte mir nicht, ich übersprang keine Zeilen, hatte keine Freudschen Versprecher, warf das Wasserglas nicht um und scharrte nicht mit den Füßen. Meine Lektorin saß neben mir auf dem Podium. Sie stellte mir im Anschluss an die Lesung ein paar Fragen zur Entstehung des Buches. Danach eröffnete sie das Publikumsgespräch. Der Saal war voll. Niemand wollte sich zu Wort melden. Etwa eine halbe Minute lang blieb es still. Schließlich zeigte ein junger Mann in der hinteren Reihe auf. Er schaute nicht mich, sondern meine Lektorin an und fragte in einer Mischung aus Hochsprache und Dialekt: »Warum spricht denn der so gut Deutsch? Das ist ja nicht seine Muttersprache, aber er hat überhaupt keinen Akzent! Wieso ist das so?« »Diese Frage reiche ich gleich an den Autor weiter«, meinte die Lektorin. Ich zögerte, holte tief Lust und sagte: »Wissen Sie, das ist so: Wenn ein Zuwanderer die neue Sprache vor der Pubertät, bei Knaben – und das ist sehr wichtig – vor dem Stimmbruch erlernt, dann macht er meist keine Grammatikfehler und hat keinen Akzent. Lernt er sie hingegen später, wird er sie nie wie ein Einheimischer beherrschen. Das ist eine Theorie, die von namhaften Ärzten und Linguisten vertreten wird. Ich persönlich kann sie nur bestätigen. Ich habe Deutsch im Alter von sechs, sieben und acht gelernt. Deshalb habe ich 52 Vorgefasste Meinungen und Klischees können manchmal amüsante Züge annehmen. Einem Autor bieten sie Stoff für seine Texte oder bereichern zumindest seine Lebenserfahrung – was meist auf dasselbe hinausläuft. Vor einigen Jahren nahm ich an einem Literatentreffen in einer deutschen Kleinstadt teil. Es war Hochsommer. Die Workshops, Lesungen und Seminare fanden meist im Freien, im weitläufigen Park einer Jugendstilvilla, statt. Dort nahmen die etwa zwanzig Teilnehmer des Treffens auch ihre Mahlzeiten ein. Für das leibliche Wohl wurde gut gesorgt, und so ist mir von diesem Treffen vor allem das gute Essen in Erinnerung geblieben. Eines Tages gab es etwas Besonderes: Spanferkel. Es lag auf einem großen langen Tisch, der auf der Terrasse stand, und war äußerst kunstvoll mit Äpfeln und Gemüse geschmückt. Doch kaum hatte ich mich dem Tisch genähert, zupfte mich einer der Veranstalter am Ärmel und meinte halblaut, man habe für mich, da ich jüdisch sei, extra etwas anderes vorbereitet. Daraufhin führte er mich zu einem etwas kleineren Tisch, auf dem zwei Töpfe standen. In einem von ihnen befanden sich Nudeln, in dem anderen, wie mir sogleich versichert wurde, »eine rein vegetarische Sauce«. Ich war überrascht, hatte ich doch während dieses Treffens weder nach koscheren Gerichten verlangt noch jemals behauptet, kein Schweinefleisch zu essen. Ich wurde auch nie danach gefragt. Da ich aber nicht unhöflich sein wollte, nahm ich mir einen Teller Nudeln. Inzwischen hatten andere Kolleginnen und Kollegen den Nudeltopf entdeckt und sich hinter mir angestellt. Doch auch diesmal erwies sich der stets höfliche Veranstalter als konsequent. »Die Nudeln sind für Herrn Vertlib«, meinte er. »Wir haben nur für eine Person gekocht, da Herr Vertlib bekanntlich …«. »Herr Vertlib ist Jude und ich bin Vegetarierin«, unterbrach ihn eine Autorin. »Ich auch«, erklärte ein Autor. »Ach so«, murmelte der Veranstalter. »Dennoch – es tut mir Leid. Aber wir haben ja noch Gemüse, Brot und Aufstriche. Und natürlich die Nachspeise.« Inzwischen hatte ich mich mit meinem Nudelteller am anderen Ende der Terrasse angestellt, »Vom Schweinefleisch möchte ich wirklich nichts«, erklärte ich. »Aber von der Sauce hätte ich gerne ein bisschen was.« © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2001 1966 in Leningrad, UdSSR, geboren. 1971 Emigration der Familie nach Israel, 1972 Übersiedlung nach Österreich, 1975 in die Niederlande, kurze Zeit später abermals nach Israel, 1976 nach Zwischenstation in Rom wieder nach Österreich, 1980 in die USA und schließlich, 1981, endgültig nach Wien. Seit 1986 ist Vladimir Vertlib österreichischer Staatsbürger. 1984–89 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien, danach freier Mitarbeiter bei der japanischen Presseagentur »Kyodo News Service«, Zivildienst, Statistiker bei der Donau Versicherungs AG und Länderanalytiker bei der Österreichischen Kontrollbank AG. Seit 1993 freiberuflicher Schriftsteller, Sozialwissenschaftler und Übersetzer in Salzburg und Wien, seit 1995 Redaktionsmitglied der Wiener Literaturzeitschrift Mit der Ziehharmonika, jetzt: Zwischenwelt – Zeitschrift für Literatur des Exils und des Widerstands. Veröffentlichungen zahlreicher Erzählungen, Artikel, Essays, Berichte, Rezensionen, etc. in deutschen und österreichischen Zeitschriften und Zeitungen. Verschiedene Auszeichnungen und Stipendien, u.a. 2002 den Anton-WildgansLiteraturpreis und ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung sowie 2006 die ChamissoPoetik-Dozentur in Dresden. --> Bibliografie S. 125 53 Der Schriftsteller des Holocaust ist überall und in allen Sprachen ein Asylant Aus: »Die exilierte Sprache«. Rede im Rahmen der Berliner Lektionen, abgedruckt in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. November 2000. Übersetzt von Kristin Schwamm 54 Damals, in der kurzen und hoffnungsvollen Zeitspanne, als die Berliner Mauer fiel und West- und Osteuropa sich einander euphorisch zuneigten, wagte ich niederzuschreiben, daß der Holocaust in geistig-moralischem, also kulturellem Sinn ein Wert ist, weil er durch unermeßliches Leid zu unermeßlichem Wissen geführt hat und damit eine unermeßliche moralische Reserve in sich birgt. Das schrieb ich auch vor zwei Jahren noch in meinem Essay-Band: »Was sich durch die Endlösung und das ›Konzentrationsuniversum‹ äußerte, läßt sich nicht mißverstehen, und die einzige Möglichkeit, zu überleben und die Kreativität zu erhalten, ist, diesen Nullpunkt klar zu sehen. Warum sollte diese Klarsicht nicht produktiv sein? In der Tiefe großer Erkenntnisse, auch wenn sie sich auf unverwindbare Tragödien gründen, steckt immer ein Moment der Freiheit, das irgendwie als ein Mehr, als Bereicherung in unser Leben eingeht und uns die wahre Realität unserer Existenz und unsere Verantwortung für sie zu Bewußtsein bringt. Wenn ich also über die traumatische Wirkung von Auschwitz nachdenke, dann denke ich paradoxerweise eher über die Zukunft als über die Vergangenheit nach.« Verstehen Sie mich nicht falsch, nichts von alledem nehme ich zurück; höchstens würde ich das gleiche heute leiser sagen, eher flüsternd, im kleinen Kreis, zu ganz wenigen oder vielleicht nur zu mir selbst. Möglicherweise hat jener Kritiker in Ungarn recht, dem zufolge das Ganze nichts als eine Illusion von mir ist, weil ich sonst nichts hätte, um meine Existenz, vor allem mein Werk, zu rechtfertigen. Das sind boshafte Worte, doch mitunter verbirgt sich hinter Boshaftigkeit Scharfblick. In Ungarn sieht man den Holocaust nicht als Zivilisationstrauma – er ist im geschichtlichen und moralischen Bewußtsein des Landes überhaupt nicht vorhanden, wenn, dann nur als Negativum, das heißt als Antisemitismus –, und dafür gibt es gesellschaftliche und geschichtliche Gründe, auf die einzugehen hier unnötig ist. Jedenfalls schreibe ich meine Bücher in einer Gastsprache, von der sie naturgemäß abgewiesen oder allenfalls am Rande der Bewußtseinswelt geduldet werden. Ich sage deshalb naturgemäß, weil dieses Land im Verlauf der jahrhundertelangen Kämpfe um seinen Fortbestand ein eigenes Subjekt herausgebildet hat, das in Form eines stillschweigenden nationalen Konsenses auch der Literatur seinen Stempel aufdrückt. Dieses dominante Ich, das in jeder Art von öffentlichem, gesellschaftlich-politischem Diskurs das Recht der Objektivierung an sich reißt und sich für solche peripheren Erscheinungen wie die Träger der lebendigen Erfahrung des Holocaust ein für allemal nur das Paul-Celansche »Er« und »Es« und allenfalls noch das »Sie« vorbehält. Das sind unangenehme Wahrheiten für einen Schriftsteller, der ja im übrigen die Sprache liebt, in der er schreibt. Doch das ist wohl nicht wirklich von Bedeutung: Je fremder ich in der Sprache bin, um so authentischer empfinde ich mich selbst und das von mir Gesagte. Ich schreibe gern auf unga- Imre Kertész risch, denn so empfinde ich die Unmöglichkeit des Schreibens besser. Das ist übrigens ein Wort Kafkas, der, als er in einem Brief an Max Brod die Situation des jüdischen Schriftstellers analysiert, von drei Unmöglichkeiten spricht: »der Unmöglichkeit, nicht zu schreiben, der Unmöglichkeit, deutsch zu schreiben, der Unmöglichkeit, anders zu schreiben«. Und dann sagt er: »Fast könnte man eine vierte Unmöglichkeit hinzufügen, die Unmöglichkeit, zu schreiben.« Heute würde er vielleicht noch hinzusetzen: die Unmöglichkeit, über den Holocaust zu schreiben. Aber diese Paradoxien der Unmöglichkeit sind leicht bis ins Unendliche fortzusetzen. Wir könnten die Unmöglichkeit nennen, nicht über den Holocaust zu schreiben, die Unmöglichkeit, über den Holocaust deutsch zu schreiben, und die Unmöglichkeit, anders über den Holocaust zu schreiben. Der Schriftsteller des Holocaust ist überall und in allen Sprachen ein Asylant, der immer in fremden Sprachen um geistiges Asyl bittet. Wenn es stimmt, daß es nur ein wirkliches philosophisches Problem gibt, das des Selbstmords, dann kann der Schriftsteller des Holocaust, der zum Weiterleben entschlossen ist, nur ein wirkliches Problem kennen, das der Emigration. Doch er sagt statt Emigration besser Exilierung. Exiliert aus der einzig wahren Heimat, die es nie gab. Wenn es sie nämlich gäbe, dann gäbe es die Unmöglichkeit, über den Holocaust zu schreiben, nicht, denn dann hätte der Holocaust eine Sprache und der Schriftsteller des Holocaust könnte sich in eine vorhandene Kultur einbetten. Die aber gibt es nicht. Ich erwähnte vorhin bereits, im Zusammenhang mit meiner eigenen ungarischen Muttersprache, die affirmative Funktion des Rechts auf Objektivierung und des allgemeinen Subjekts der Nation, durch die sozusagen qua Bewußtseins-Stoffwechsel für sie unerwünschte Tatsachen, Erscheinungen, Probleme herausgefiltert und ausgeblendet werden. Dieses Recht der Objektivierung, oder nennen wir es einfach die Frage des Blickwinkels, ist in gewissem Sinn eine Machtentscheidung. Jede Sprache, jedes Volk, jede Zivilisation besitzt ein dominantes Ich, das die Welt registriert, beherrscht, und widerspiegelt. Dieses permanent tätige kollektive Ich ist das Subjekt, mit dem sich eine große Gemeinschaft – Nation, Volk, Kultur – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, im allgemeinen aber doch, identifizieren kann. Wo aber findet das Bewußtsein des Holocaust seine Heimat, welche Sprache kann von sich sagen, allgemeines Subjekt des Holocaust, dominantes Ich des Holocaust, Sprache des Holocaust zu sein? Und wenn wir diese Frage stellen, können wir dann unterlassen, auch die folgende zu stellen, die, ob eine eigene und ausschließliche Sprache des Holocaust überhaupt vorstellbar ist? Und wenn ja, müßte diese Sprache dann nicht so grauenhaft und so düster sein, daß sie schließlich die zerstören würde, die sie sprechen? © Isolde Ohlbaum Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis 2001 1929 in Budapest, Ungarn, geboren, wurde 1944 im Alter von fünfzehn Jahren nach Ausschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. 1948 Abitur und Beginn der journalistischen Tätigkeit bei einer Tageszeitung, die bald zum kommunistischen Parteiorgan umgewandelt wurde. Nach seiner Entlassung zweijähriger Militärdienst. Seit 1953 freier Schriftsteller in Budapest, Broterwerb mit Musicals und Unterhaltungsstücken für das Theater. Seit 1960 Arbeit an dem Roman Sorstalanság, 1975 in Ungarn veröffentlicht; erste deutsche Ausgabe 1990 unter dem Titel Mensch ohne Schicksal, autorisierte Übersetzung 1996 als Roman eines Schicksalslosen. Seit 1976 Tätigkeit als Übersetzer u.a. von Friedrich Nietzsche, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud, Ludwig Wittgenstein, Joseph Roth, Elias Canetti, Tankred Dorst. Zahlreiche Auszeichnungen: 1995 Brandenburgischer Literaturpreis, 1997 Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, JosephKossuth-Preis in Budapest, Jeanette-Schocken-Preis und Gundolf-Preis, 2000 Welt-Literaturpreis, 2002 Nobelpreis für Literatur und 2004 die »Corine«. --> Bibliografie S. 120 55 Der Diener Aus: Der Weltensammler 56 Der Mann dort, mitten auf der Straße. Ein Kunde? Sogleich ist er umlauert, ein hochgewachsener Mann, der etwas gebeugt da steht, der seinen Kopf senkt und wieder hebt, dessen Körper keinen Widerstand leistet gegen die vielen Hände, die an ihm zerren. Der Mann steht wie angewurzelt. Jetzt hebt er seinen Kopf. Einer der Schakale löst sich aus der Meute, andere folgen ihm. Sie lassen ab von diesem Mann, der sie überragt. Der Lahiya sieht, wie die anderen Schreiber mit ihren besserwisserischen Fingern auf ihn zeigen. Der hochgewachsene Mann kommt auf ihn zu, das Gesicht maskiert von widerspenstigem Stolz und einem faden, grauen Schnurrbart. Der Lahiya weiß, daß die anderen Schreiberlinge dieses Mal das Nachsehen haben, obwohl sie lässig ihren Dhoti nachbinden und sich gebärden, als hüte die Welt vor ihnen keine Geheimnisse. Dieser Mann hat gewiß einen Wunsch, den allein der alte Lahiya erfüllen kann. — Briefe an Behörden des Britischen Reiches sind meine Spezialität. — Es soll kein üblicher Brief ... — Ebenso Briefe an die Ostindische Gesellschaft. — Auch an Offiziere? — Selbstverständlich. — Es soll kein förmlicher Brief werden. — Wir schreiben, was Sie wünschen. Aber gewisse Formen sollten gewahrt werden. Die Herrschaften bestehen auf Form. Der kleinste Fehler im Aufbau, das kleinste Versäumnis bei der Anrede, und der Brief ist keinen Anna wert. — Es muß viel erklärt werden. Ich habe Aufgaben übernommen, wie sie kein anderer ... — Wir werden so ausführlich sein, wie die Angelegenheit gebietet. — Ich stand ihm viele Jahre zur Seite. Nicht nur hier in Baroda, ich bin mit ihm gezogen, als er versetzt wurde … — Verstehe, verstehe. — Ich habe ihm treu gedient. — Zweifellos. — Ohne mich wäre er verloren gewesen. — Natürlich. — Und wie hat er mich dafür entlohnt? — Undankbarkeit ist des Edlen Lohn. — Ich habe ihm das Leben gerettet. — Dürfte ich erfahren, an wen sich das Schreiben richtet? — An niemanden. — An niemanden? Das wäre unüblich. — An keine bestimmte Person. — Verstehe, Sie wollen den Brief mehrfach verwenden? — Nein. Oder doch, ja. Ich weiß nicht, wem ich den Brief geben soll. Alle Angrezi der Stadt haben ihn gekannt, das ist lange her, vielleicht zu lange, ich weiß nicht, einige sind bestimmt noch in Baroda. Heute morgen erst habe ich Leutnant Whistler gesehen. Er fuhr in einer Kutsche vorbei, eine dieser neuen Kutschen mit einem halben Dach aus Leder, ein schöner Wagen. Fast hätte er mich überfahren. Ich habe den Leutnant Whistler gleich erkannt. Er war einige Male bei uns. Ich bin dem Wagen hinterhergerannt, er mußte bald halten. Ich habe den Kutscher gefragt. — Und? — Nein, sagte er, dies ist der Wagen von Oberst Whistler. Ich habe mich nicht getäuscht. Mein Herr hat sich über seinen Namen lustig gemacht. — Wir werden also an Oberst Whistler schreiben! Um seine Bereitschaft zu demonstrieren, öffnet der Lahiya das Tintenfäßchen, nimmt die Feder in die Hand, tupft, kratzt zur Probe, beugt sich um einige Zeilen nach vorne und verharrt. Der von dem Ankömmling aufgewirbelte Staub hat sich gesetzt. Aus dem peinigenden Licht heraus, in das der Lahiya nicht mehr blinzeln will, beginnt die zaghafte Stimme zu erzählen. Aus Vermutungen werden Andeutungen, aus Andeutungen werden Schemen, aus Schemen werden Personen, aus Unbekannten werden Menschen mit Namen, Eigenschaften und Gesichtern. Der Lahiya hält die Feder fest zwischen den Fingern, doch er versteht weder Ausgang noch Grund der Lebensgeschichte, die dieser Mann vor ihm ausbreitet. Es ergibt keinen Sinn, diese konfusen Umrisse aufzuschreiben. — Hören Sie. Das bringt so nichts. Einige Gedanken, einige Notizen, einige Skizzen zuerst, dann werde ich Vorschläge unterbreiten, wie wir den Brief gestalten können. — Aber … ich muß wissen, was wird es kosten? — Zahlen Sie zwei Rupien an, Naukaram-bhai. Wir werden später sehen, wieviel Aufwand es bedarf. © Isolde Ohlbaum Ilija Trojanow Adelbert-von-Chamisso-Preis 2000 1965 in Sofia, Bulgarien, geboren. 1971 Flucht über Jugoslawien nach Italien, dann nach Deutschland. Politisches Asyl. Bedingt durch den Beruf des Vaters 1972–77 Schulbesuch in Kenya. 1978 – 81 Erlernen der deutschen Sprache in Deutschland, danach Besuch der deutschen Auslandsschule in Kenya. 1984 Abitur und Aufenthalt in Paris, Beginn der journalistischen Arbeit. 1984 – 89 Studium Jura, Ethnologie und (laut eigenem Bekunden) »Havarie« in München, Reisen durch Afrika. 1989 gründet Ilija Trojanow den Marino Verlag für Bücher aus und über Afrika, 1997 entsteht mit dem ZDF das Internet-Projekt »Novel-in-Progress«. Nach einigen Jahren in Bombay lebt er seit 2003 in Südafrika. Er arbeitet vor allem im journalistischen Bereich und hat einige Bücher ins Deutsche übersetzt. Ilija Trojanow erhielt neben Stipendien des Künstlerhauses Schloß Wiepersdorf und des Deutschen Literaturfonds eine Reihe von Auszeichnungen: 1995 den Bertelsmann Literaturpreis beim IngeborgBachmann-Wettbewerb; 1996 den Marburger Literaturpreis; 1997 den Viktor-von-Scheffel-Preis und den Thomas-Valentin-Preis der Stadt Lippstadt. Für den Roman Der Weltensammler erhielt er 2006 den Leipziger Buchpreis und den Berliner Literaturpreis; 2007 ist er Stadtschreiber in Mainz. --> Bibliografie S. 124 57 Unveröffentlichter Text nach Inszenierungsfotos der Berliner Volksbühne, 2005 58 WIR, das sind: ich und die anderen, die auch hier sind, teilweise Familie. Wir teilen uns ein Haus, teils Bunker, teils Hotel. Zur Straße hin auf jeden Fall ein Amüsierbetrieb, nach hinten hinaus eine künstlich angelegte Oase – dahinter und rundherum ist die Wüste. Wir sind eine Karawanserei, wir kleiden und wir benehmen uns so, gehen mit großem Getöse ein und aus, erzeugen, und nicht schlecht, die Illusion von Bewegung. In Wahrheit rühren wir uns nicht vom Fleck. Warum auch, das hier ist unser Zuhause, auch wenn alles etwas provisorisch wirkt, als würden wir gleich weiterziehen, aber das, wie gesagt, passiert nicht. Was unter anderem daran liegt, dass hier niemand in seinen eigenen Schuhen steckt. Dass hier irgendetwas Gemeineigentum wäre, denke ich nicht. Es handelt sich wohl eher um ein Spiel, das schon so lange geht, dass wir längst vergessen haben, was wem gehört oder wer wer ist. Habe ich (Wer oder was? Ein Gast? Ein Familienmitglied? Die heimliche Besitzerin von all dem? Eine beauftragte Beobachterin?) je ein eigenes Kleid besessen, oder hat man mich bei meiner Ankunft (Bin ich geboren worden? Bin ich angereist? War ich beide Male nackt?) mit dem nächst besten verhüllt, und so halte ich es bis heute? Hat mein Vater den geblümten Kimono meiner Mutter weggenommen, um sich an ihr zu rächen, – Wofür, dafür, dass sie jetzt draußen steht und in die Sterne schaut; oder dafür, dass sie junge Männer in ihren Garten lockt, oder sich unten in der Bar in ihre Band drängt, aus sexuellen Gründen und um sich zujubeln zu lassen; oder dafür, dass sie uns beim Abendessen anschaut, als wären wir Fremde –, oder hat er ihn sich bei einer der einsamen jungen Frauen ausgeborgt, die nicht selten bei uns absteigen. Meist sind sie nicht im Urlaub, sondern auf der Flucht, und oft tragen sie altmodische getupfte Kleider. Marilyn ist nie passé. Wenn eine weiterzieht, kommt sofort die nächste, ich werde den Verdacht nicht los, dass es immer wieder dieselbe ist, sie trägt bloß eine andere Perücke. In der Bar scharen sich sofort die allesamt nicht in Frage kommenden Männer um sie, ob sie will oder nicht, sie versteht es, zu posieren. Oben im Zimmer, wo es etwas privater ist, kommt manchmal mein Vater vorbei, der sich in Schale geworfen hat, lässt sich lässig neben sie aufs Bett fallen und macht einen auf väterlich. Seine wahren Absichten sind klar. Wenn das nicht geht, weil meine Mutter den Anzug versteckt hat oder der amerikanische Cousin (dieser Gigolo!) ihn, wie zu erwarten war, ausgestochen hat, zieht er sich in die Küche zurück und wartet dort auf seine Chance, wohl wissend, dass einem unter Umständen ein Unterhemd und ein Omelett beträchtlich weiter bringen. Manchmal ist es die Fremde, die verlockt, und manchmal das Zuhause. Je mehr es wie ein chinesischer Trödelmarkt eingerichtet ist, umso besser. Das selige Vertrauen, das in benutzten Möbeln wohnt. Da folgt mein Vater, ebenso wie die anderen, seinem Instinkt, denn dass er allzu reflektiert wäre, kann man nicht behaupten. Offen gestanden, hat er von den meisten Dingen keine Ahnung, auch wenn er gelegentlich, allein oder mit anderen, trunken oder nüchtern, dazu neigt, viel zu reden. (Und ich rede viel über ihn. Ist das so, weil das Patriarchat herrscht, oder ist seine Abwesenheit tatsächlich interessanter als die meiner Mutter?) Von Zeit zu Zeit, nüchtern oder nicht, neigt er also zu vielen Reden. Meist spricht er über den Staat, also Terézia Mora die Ordnung, viel in Form von Beschimpfungen, insbesondere Polizisten hat er gefressen (War da was? Oder sind sie für ihn, wie er für mich ist?), im Großen und Ganzen aber, soweit ich ihn verstanden habe, ist er Kapitalist. Was das mindeste ist, schließlich lebt er davon. Salude, dinero e amor, heben wir das Glas. Er lebt also davon und ignoriert es, so umfassend, wie es eben geht. Zum Beispiel tut er so, als wüsste er nicht, dass Krieg ist. Das gelegentliche Auftauchen junger Soldaten, die sich als alte Frauen verkleiden, verbucht er unter Crossdressing. Er kann es sich leisten, weil er hier etwas ab vom Schuss ist, das heißt, sein Leben ist nicht unmittelbar bedroht, egal, was er tut oder sagt oder nicht tut oder nicht sagt. Seine größten Kämpfe trägt er im Bett aus. Wer mich vergewaltigt, den bringe ich um. Ja, auch ich habe meine Aggressionen. Manchmal ist einfach das Kostüm, das mir für den Tag zugefallen ist, unbequem. Klar, dass man da unleidlich wird. Und manchmal ist es einfach alles, was da zu sehr aufeinander liegt, diese ganze schäbige Welt, billig, laut und scharfkantig. Alles ist im Überfluss da, also auch der Hunger und der Morast. Wobei mich, anders, als man vielleicht denken würde, nicht das Welke beunruhigt, nicht die Indizien der Vergänglichkeit (ehrlich gesagt, ist das sogar meine hauptsächliche Hoffnung), im Gegenteil, es ist die Dauer in den Dingen. Plastik, das so alt ist wie ich, wird noch die zehnte Generation, die mich vergessen haben wird (oder verwechselt; einmal machte mir mein Vater fast eine Stunde lang den Hof, und das lag nicht an meinem getupften Kleid), überleben. Die neueren Sorten zerfallen angeblich an der Luft, lösen sich sozusagen in Luft auf, das zu beobachten könnte mir gefallen. Sicher entsteht dabei etwas Hitze und auch ein Geräusch. Wobei es mit den leisen Geräuschen so eine Sache ist, hier, wo immer etwas an ist, Musik, Spielkonsolen und die unvermeidlichen Videos. Ich wundere mich, wie die Soldaten schlafen können. Obwohl, bei entsprechendem Leidensdruck geht bekanntlich alles. Notfalls baut man ans Haus an, stellt die Bühne um, gelegentlich ein Aderlass oder ein Besäufnis – jeweils aus medizinischen Gründen. Was mich anbelangt, bin ich mit sehr wenig zufrieden. Das Angebot – materiell, geistig, ja sogar emotional – übersteigt bei weitem meine Nachfrage. Aus dem Gewimmel der Texte schnappe ich mir selten mehr als einen Satz, weil er mir gefällt, oder weil er mir nicht gefällt. Mit dem verziehe ich mich dann in meine stille (die Relativität dessen siehe oben) Ecke und wälze mich mit ihm, solange ich will. Oder er will. Wer mich vergewaltigt, den verscharre ich hinter dem Haus, wo üppig die Bananen wuchern. Alles in allem kann ich sagen, dass ich mich heimisch fühle hier. Was nicht dasselbe ist wie glücklich, aber auch nicht das Gegenteil. Alles ist etwas künstlich, aber was wäre noch mal das Natürliche? Und könnten wir das überleben? Gelegentlich, ich gebe es zu, langweilt mich das alles auch, aber das ist in Ordnung. Ablenken kann jeder Idiot. Es auszuhalten ist die hohe Kunst. © Julia Scheiermann Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2000 1971 in Sopron, Ungarn, geboren. 1990 Übersiedlung nach Deutschland. Von 1989–95 studierte sie Theater- und Literaturwissenschaft in Budapest und Berlin. 1996/97 arbeitete sie als freie Dramaturgin für Drehbuchentwicklung, anschließend begann sie ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Das ZDF sendete im Jahr 2000 den Film »Das Alibi« (Regie: Christine Wiegand), zu dem sie das Drehbuch verfaßt hat. Seit 1998 freie Autorin und Übersetzerin aus dem Ungarischen, unter anderem Harmonia Cælestis von Péter Esterházy, Minutennovellen von István Örkény, Die letzte Fenster-giraffe von Péter Zihaly und Meines Helden Platz von Lajos Parti Nagy sowie für verschiedene Anthologien und Zeitschriften. Uraufführung ihres Theaterstücks »Sowas in der Art« im Mai 2003 in Mühlheim/Ruhr. 2006 hatte sie gemeinsam mit Péter Esterházy die Tübinger Poetikdozentur inne. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen und Preise, u.a. den OpenMike-Literaturpreis, 1999 den Ingeborg-Bachmann-Preis, 2002 den Jayne-Scatcherd-Übersetzerpreis, 2004 den Preis der Literatour Nord und den Mara-CassensPreis sowie 2005 den Preis der Leipziger Buchmesse. www.tereziamora.de --> Bibliografie S. 121 59 Der Koffer Im Urlaub schließt sie sich in ihrer Wohnung ein Und schreibt Ansichtskarten an die Verwandten. Liebe Grüße aus dem Ausland. Ich habe viel zu tun. Es geht mir gut. Ich vermisse Euch. Wollen die Verwandten sie besuchen, schreibt sie zurück. Leider bin ich in den nächsten Wochen weg. Gerne empfange ich Euch ein andermal. Ich vermisse Euch. Die Karten ihrer Verwandten legt sie in den großen Ansichtskartenkoffer. Er liegt auf dem Schrank und erinnert sie an die Reise. Einmal wird sie die Verwandten vielleicht besuchen. Sie bereitet sich seit 20 Jahren darauf vor. Die Dyrektorin Die Fremde Teodor Pop steht auf der Brücke. Neben ihm Koffer und Füsse. Im Koffer hat Teodor Pop Zungen. 3 Zloty das Stück. Die Dyrektorin kommt. Heute trägt sie ein schwarzes Seidenkleid und ein polnisches Schultertuch. In der Hand ein Lacktäschchen, groß wie eine Birne. Heute kommt die Dyrektorin in Begleitung. Sie führt den Fluss Spazieren. Neulich ist eine alte Frau beim Aussteigen aus dem Bus gestürzt. Ihre Perücke fiel auf den Boden und blieb neben ihr liegen. Ein zweiter Kopf ohne Gesicht. Es eilten sofort viele Menschen herbei, aber die Frau blieb reglos liegen. Es hat sich niemand mehr bewegt seither, obwohl die Frau eine Fremde war und diese Stadt nicht liebte. Dieser Text entstand während einer Schreibwerkstatt der Robert Bosch Stiftung in Krakau im Juni 2001. Die Autorin widmete ihn Zehra Çırak. Aus: Vom geräumten Meer, den gemieteten Socken und Frau Butter. © Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, München 60 © Isolde Ohlbaum Aglaja Veteranyi Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2000 1962 in Bukarest, Rumänien, geboren. Als Kind einer Zirkusfamilie Reisen mit dem Zirkus in Europa, Afrika und Südamerika, Auftritte in Varietés. Schauspielausbildung an der Schauspiel-Gemeinschaft Zürich (SGZ) und danach freie Schauspielerin und Autorin. Ab 1985 Unterricht, 1988 Leitung der SGZ zusammen mit Christian Seiler. 1992 – 98 Mitleitung der Schreibwerkstatt »Ohrenhöhe«. 1993 Gründung der literarischen Experimentiergruppe »Die Wortpumpe« mit René Oberholzer, 1996 Gründung der Theatergruppe »Die Engelmaschine« mit Jens Nielsen. Sie veröffentlichte Prosa und Lyrik in Anthologien, zahlreichen Literaturzeitschriften und Zeitungen, und gastierte mit literarischen und Theater-Projekten im In- und Ausland. Der Roman Warum das Kind in der Polenta kocht wurde 2001 ins Rumänische, Spanische und Französische übersetzt; Uraufführung der Bühnenfassung im Theater Neumarkt, Zürich 2001. Sie erhielt seit 1988 zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u.a. 1999 Werkjahr der Stadt Zürich und Ehrengabe des Kantons Zürich und 2000 den Förderpreis »Kunstpreis Berlin 2000«. Aglaja Veteranyi ist am 2. Februar 2002 in Zürich gestorben. --> Bibliografie S. 125 61 Gastgesichter Auszug aus der gleichnamigen Erzählung Abbildung aus Seltsame Sterne starren zur Erde 62 Als Kind in Istanbul war das erste europäische Wort, das ich gehört habe: »Deux-Pièces«. Meine Eltern gingen jeden Montag zu einem Kino, das »Teyyare Sinemasi« hieß. Das bedeutete auf Deutsch: Flugzeugkino. Dieses Kino zeigte nur europäische Filme. Meine Mutter erzählte mir von dem Besitzer des Flugzeugkinos, der sich selbst wie ein Filmstar verkleidete und die Besucher am Eingang seines Kinos empfing. Er wusste, dass die Zuschauer in manchen europäischen Filmen, die er zeigte, weinen würden. Für solche traurigen Filme ließ er aus feinen Stoffen Taschentücher herstellen, die er persönlich vor dem Kino verteilte. Meine Mutter gab mir eines von diesen Tüchern, mit dem sie im Kino ihre Tränen getrocknet hatte. Ich legte dieses Taschentuch mit den Tränen meiner Mutter in meinen Schulatlas, genau zwischen die Seiten, wo Europa abgebildet war. Meine Mutter und mein Vater zogen sich jeden Montag sehr schick an, um zum Flugzeugkino zu gehen. »Was wirst du anziehen?«, fragten sie jedesmal. Einmal sagte meine Mutter: »Ich werde mein ›Deux-Pièces‹ anziehen«. Ich fragte: »Mutter, was heißt ›Deux-Pièces?‹« »Deux-Pièces ist Deux-Pièces«, antwortete meine Mutter. Meine Großmutter war eine abergläubische Frau. Sie hatte Angst, dass die Schatten auf der Leinwand die Gesichter meiner Eltern wegnehmen würden. Am nächsten Morgen fragte ich meine Eltern, was sie im Kino gesehen hatten und wie der Film hieß. Mein Vater antwortete: »Ich hab vergessen, wie der Film heißt, aber schau, der Schauspieler Jean Gabin raucht so«, und er machte Jean Gabin nach, wie er rauchte. Die Zigarette steckte in seinem Mundwinkel, bis die Asche herunterfiel. So rauchte mein Vater ein paar Wochen lang wie Jean Gabin, bis er an einem anderen Montag im Flugzeugkino einen Film mit Rossano Brazzi sah und am Dienstag zu Brazzi überwechselte. So waren unsere ersten europäischen Gäste in unserem Istanbuler Holzhaus Jean Gabin und Rossano Brazzi. Als Kind hatte ich Schwierigkeiten, die Namen unserer europäischen Gäste richtig auszusprechen und fand für Jean ein türkisches Wort, »Can«, was auf türkisch »die Seele« heißt, also »Seele Gabin«, und für Brazzi, das türkische Wort, »Biraz iyi«, das bedeutet auf Deutsch, »ein bisschen besser«. Bevor ich ins Kino ging und »Seele Gabin« und »Rossano Einbisschenbesser« selbst auf der Leinwand sah, hatte ich sie schon im Gesicht und Körper meines Vaters kennengelernt. Auch meine Mutter brachte in ihrem Gesicht und ihrem Körper zwei europäische Gäste nach Hause: Silvana Mangano und Anna Magnani. Für ihre Namen gab es auf Türkisch auch ähnliche Wörter: »Silbana«, d.h. wisch mich ab, Mangano, und »Ana«, d.h. Mutter, Magnani. Die ersten Gesichter, die zwischen den Ländern ausgetauscht wurden, waren die Filmgesichter. Irgendwann tauchte in unserem Istanbuler Haus ein Hut namens »Borsalino« auf. Mein Vater setzte ihn jeden Morgen vor dem Spiegel auf und warf einen letzten Blick auf seinen Hut, bevor er die Tür aufschloss um raus- zugehen. Er legte soviel Wert darauf, diesen Hut richtig aufzusetzen und blieb so lange vor dem Spiegel stehen, dass ich dachte, sein Kopf mit dem Borsalino bliebe im Spiegel zurück, auch wenn mein Vater aus dem Haus gegangen war. Atatürk hatte den Hut in der Türkei als »Europäisierung« eingeführt. Auf den Fotos sah man Atatürk entweder mit einem Hut auf dem Kopf oder in der Hand. Er begrüßte die Menschen immer mit dem Hut. Er reiste in der Türkei herum, um die Menschen von der Europäisierung zu überzeugen. In einer Kleinstadt am Schwarzen Meer trugen alle Männer auf einmal europäische Damenhüte, um Atatürk zu empfangen. Ein schlauer Kaufmann hatte keine Männerhüte mehr, sondern nur altmodische Damenhüte, und die Männer kannten den Unterschied noch nicht. Als meine Eltern »Seele Gabin« und »Rossano Einbisschenbesser« und »Wischmichab Mangano« und »Mutter Magnani« als Gastgesichter in ihre Gesichter eingeladen hatten und sich mit ihnen sehr gut verstanden, hatte ich meine ersten europäischen Freunde gefunden. © Isolde Ohlbaum Emine Sevgi Özdamar Adelbert-von-Chamisso-Preis 1999 1946 in Malatya, Türkei, geboren. Mit zwölf Jahren erste Theaterrolle am Staatstheater Bursa im »Bürger als Edelmann« von Molière. 1965–67 Aufenthalt in Berlin, Arbeit in einer Fabrik. 1967–70 Schauspielschule in Istanbul. Erste professionelle Rollen in der Türkei. 1976 an der Volksbühne in Ost-Berlin, 1978–79 in Paris und Avignon, Doktorandin an der Pariser Universität 8–Vincennes; 1979–84 Engagement als Schauspielerin am Bochumer Schauspielhaus. In dessen Auftrag entstand ihr erstes Theaterstück »Karagöz in Alemania«, das 1986 am Frankfurter Schauspielhaus unter ihrer Regie aufgeführt wurde. Neben verschiedenen Theaterrollen (zuletzt 1994 und 1997/98 in Frankreich) hat sie auch in mehreren Filmen gespielt: »Freddy Türkenkönig«, »Yasemin«, »Airport, Rückflug nach Teheran«, »Eine Liebe in Istanbul«, »Happy Birthday, Türke«, »Die Reise in die Nacht«. Seit 1986 freie Schriftstellerin. Sie erhielt Auszeichnungen wie 1991 den Ingeborg-Bachmann-Preis, 1993 den Walter-Hasenclever-Preis, Stipendien des Deutschen Literaturfonds und 1999 Literatour Nord. 2001 folgten der Künstlerinnenpreis NRW, 2003 der Literaturpreis der Stadt Bergen-Enkheim und 2004 der Kleist-Preis. --> Bibliografie S. 121 63 Aus: Feuer, Lebenslust! Erzählungen deutscher Einwanderer Nur Streber und Vollidioten setzen sich in die erste Reihe. Nur Schleimer und Anwärter des Schwachsinns, nur Leute, denen die Worte des Lehrer mehr bedeuten als ein paar gute Witze und Mutmaßungen darüber, welches von den Mädchen nicht mehr Jungfrau ist. Leute, die die Schule als ihren einzigen Lebensinhalt betrachten, die keine anderen Begierden und Sehnsüchte haben außer einem Zeugnis voller Einser, die sich noch nie mit Marmelade bekleckert haben. Die Leute in der ersten Reihe konnte man vergessen. Wie gesagt, es saßen nur Streber und Vollidioten da. Und ich. Weil ich keine Angst davor hatte, vorn zu sitzen und die Schweißperlen auf der Glatze des Lehrers zu betrachten, und aus Trotz. Und weil die da hinten sich vielleicht wunderten, warum ich das tat. Die Schüler vorn interessierten sich nicht für mich, die hatten nur ihre Bücher und Noten im Kopf, aber die in der letzten Reihe hielten mich bestimmt für seltsam. Früher saß ich noch in einer der mittleren Reihen, doch eines Tages fingen sie an, über mich zu lachen. Sie tuschelten und kicherten hinter meinem Rücken. Wenn ich irgendwo Gelächter hörte, fühlten sich meine Beine an, als hätte ich nie laufen gelernt. Dann versuchte ich mich zu erinnern, wie die übliche Stellung meiner Beine beim Gehen war, aber in wie viele verschiedene Stellungen ich sie auch brachte, keine schien die richtige zu sein. Ich hatte die Gewißheit, lächerlich auszusehen und jede Sekunde, in der sie in meiner Nähe giggelten, fühlte ich mich mieser und kleiner. Hinterher haßte ich sie jedesmal ein bißchen mehr. Sogar auf der Straße lachten wildfremde Leute über mich. Oft schielte ich dann in ein Schaufenster, um festzustellen, ob mir jemand etwas auf den Rücken geklebt hatte. Aber da war nie etwas. Ich war nicht in Scheiße getreten, meine Hose hatte keinen klaffenden Riß, und es war auch nicht »Dummkopf« in meinen Nacken tätowiert. Die Menschen lachten nur dann nicht, wenn ich versuchte, einen Witz zu machen. Selim Özdogan © Peter Feldhaus Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1999 1971 in Köln als Sohn türkischer Eltern geboren. Nach dem Abitur Studium der Völkerkunde, das er ohne Abschluß abgebrochen hat. Danach arbeitete er in zahlreichen Jobs, bevor er anfing, für Zeitungen zu schreiben. 1996 erhielt er den Förderpreis des Landes NRW in der Sparte Dichter, Schriftsteller. --> Bibliografie S. 121 Ich war siebzehn Jahre alt, trug nur schwarze Klamotten, saß in der ersten Reihe, und meistens ging es mir schlecht. Hinter mir die Blödköpfe in der letzten Reihe, neben mir die Geistwesen und zwischendrin der ganze Rest, weder Fisch noch Fleisch, nicht mal Junkfood. Das Leben lief an mir vorbei. Ich fühlte mich alt und müde, monatelang lag ich nachmittags auf meinem Bett, hörte Joy Division und Smiths und träumte oder las in einem Buch, was auf das gleiche hinauslief. Ab und zu kam meine Mutter ins Zimmer, ließ mich den Müll hinuntertragen und beklagte sich über meine Faulheit. Sonst passierte nichts. Ich lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ich wußte nicht, wie die anderen ihre Nachmittage verbrachten, und ich hätte einiges darum gegeben, es in Erfahrung zu bringen. Sie mußten etwas gefunden haben, sie waren nicht so wie ich. Sie schienen ihr Leben zu genießen, aber mir war nicht klar, wie sie das machten. 64 65 Auszug aus der Erzählung Das Singen der Fische 66 Ich lag im Liegestuhl auf der schattigen Terrasse, Günter und Marlies waren am Strand und badeten. Warum hatte Günter mich nicht gewarnt? Er, der wusste, der lange vor mir mit eigenen Augen gesehen hatte, was man die Dritte Welt nannte. Wer war er, dass er freiwillig in diese brutale Realität zurückgekehrt war, um hier seine Semesterferien zu verbringen? Wie konnte er hier glücklich sein, unbeschwert baden, essen, schlafen, sich für Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten begeistern? Warum fühlte er nicht dasselbe Grauen wie ich? Er war der erste Mensch, der mich liebte, und ich wusste nicht, warum. Aber seit ich ihn kannte, wusste ich, dass ich mich gegen fast alles wehren konnte, nur gegen eines nicht: gegen die Liebe. Sie überwältigte mich, sie machte mich hilflos. Manchmal hasste ich Günter dafür. Und immer öfter fragte ich mich, was ich gemeinsam hatte mit seiner Welt. Was konnte ich gemeinsam haben mit den deutschen Studenten der 68er-Generation? Ich war unter ihnen die falsche Braut mit Blut im Schuh. Mein Deutschland war nie das ihre gewesen, sie rebellierten gegen Verhältnisse, die ich nicht kannte, zu denen ich nie gehört hatte. Ich hatte mich nur nach einer neuen, anderen Zugehörigkeit gesehnt, aber ich konnte nicht zu etwas gehören, das ich in seinem Wesen weder kannte noch verstand. Ich gehörte zu gar nichts. Weder zu Deutschland noch zu Russland und immer weniger auch zu mir selbst. Ich gehörte zu Sri Lanka. Hier war ich in meiner eigenen inneren Wildnis angekommen, im Nichts, in genau jener Fremde, in der ich immer schon war. Sehnsüchtig blickte ich von der Terrasse auf die Wellen des Indischen Ozeans. Das glycerinwarme Wasser versprach eine wenigstens minimale Natascha Wodin Kühlung, aber selbst die hundert Meter bis dorthin schaffte ich nicht. Die Bilder der paradiesischen Strände in den Hochglanz-Reiseprospekten verrieten nicht, dass der weiße Sand an diesen Stränden glühte wie Feuer, dass jeder Weg durch die Sonne ein Weg wie durch einen Backofen war, dass die gebogenen Palmen, die ins Bild ragten, der Beginn des Dschungels waren. Nachts lag ich unter dem Moskitonetz und hörte seine Geräusche. Der Dschungel keuchte, ächzte, stampfte in der Dunkelheit, er säuselte, er knackte, er schmatzte. Ich wälzte mich auf meinem Bett wie in heißem Aspik. Der Atem des Dschungels erstickte mich. Alles war durchdrungen von diesem Atem, von einer klebrigen, schmierigen Feuchtigkeit, unsere Bettlaken, unsere Kleider, unser Haar, das nach dem Waschen nicht trocken wurde. Wie mit einem persönlichen Feind kämpfte ich mit dem Dschungel um jeden Schluck Luft, ich atmete mit ihm um die Wette. Wenn man eine Schneise durch sein Dickicht schlug, hatte uns jemand gesagt, würde sie sich nach zwei Stunden wieder schließen, so, als sei sie nie da gewesen. Einmal war Günter nur ein paar Schritte hineingegangen in dieses Dickicht und gleich darauf übersät von riesigen Blutegeln wieder herausgekommen. Ich lag da und hörte den Dschungel wachsen, ich hörte, wie er sich ausbreitete, wie er auf uns zu kroch in der Dunkelheit mit seinen gierigen, unersättlichen Wucherungen, die sich gegenseitig den Platz streitig machten, sich gegenseitig erdrückten, auffraßen, erstickten. Ich lag wie vor einem riesigen grünen Maul, das nach mir schnappte und mich im nächsten Augenblick verschlucken würde wie ein zufälliges Insekt. Auch der Ozean war wie gelähmt, auch er konnte nicht atmen in den Nächten, er gluckste nur. Mit Wehmut dachte ich an den deutschen Herbst, den Winter, den Schnee. Hier lebte man in einer Welt ohne Jahreszeiten, hier sah man immer nur Grün. Ein ganzes Leben lang nur Grün. Die ewige Schönheit und Farbenpracht der Orchideen, den ewig blühenden Lotos, die immer brennend roten Flamboyanbäume. Auch die Schönheit kannte hier kein Gegenteil, keinen Kontrast. Auch die Schönheit war immer schön, sie änderte nie ihr Gesicht. Ewige Fruchtbarkeit, ewige Fortpflanzung, ohne Rast, ohne Pause. Und Tag für Tag dieselbe schleimige Sonne am Himmel, dieselben Monsunwolken, die sich für kurze Zeit zusammenzogen, in brachialen Regengüssen ausschütteten und eine geringfügige Abkühlung mit sich brachten. Danach verwandelte sich die Luft in noch dichteren, noch heißeren Dampf. Erst kurz vor dem Sonnenaufgang wurde es etwas kühler, ich schlief endlich ein. Ich wusste, dass jetzt draußen am Strand die Fischer ihre Netze aus dem Ozean zogen, jetzt, am Rand des Morgens, bevor die Sonne wie rote Lava aufstieg aus dem Dschungel, als hätte sie nachts in ihm geschlafen. Das Bild aus dem Leinenband begann zu singen. Eladelawela. Vielleicht träumte ich das nur. Eladelawela. Jeden Morgen derselbe Singsang der Fischer, die draußen ihre Netze einzogen, mit den Füssen im weißen Wellenschaum, eladelawela, mein Schlaflied vor dem Sonnenaufgang, eladelawela, die Musik von Slon. © Georg Pöhlein Adelbert-von-Chamisso-Preis 1998 1945 als Tochter russischer Emigranten in Fürth, Bayern, geboren, in Nürnberg und Forchheim aufgewachsen. Ausbildung zur Übersetzerin und Dolmetscherin für die russische Sprache. Mehrjährige Tätigkeit in diesem Beruf, später literarische Übersetzerin von Lyrik und Romanen, u.a. von Wenedikt Jerofjew, Jewgenia Ginsburg, Andrej Bitow und Alexandra Marinina. Seit 1981 freie Schriftstellerin in Berlin. Natascha Wodin erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. 1987 den HermannHesse-Preis, 1985 den AndreasGryphius-Förderpreis, 1987 und 1988 das Stipendium des Deutschen Literaturfonds, 1989 den Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau, 2005 den Wolframvon-Eschenbach-Preis und 2006 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung. --> Bibliografie S. 125 67 ACH, DU LIEBER MUND … … »Kann etwa ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Panther seine Flecken?« Martin Luther (1483 –1546) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) Ob Panther Flecken oder Streifen haben? … … ?! Welches Tier kommt eigentlich in der Übertragung vor? Mal Tiger, mal Panther, mal Leopard, mal Pardel? Ob Mohren Häute oder Farben ans Licht bringen? Er – wer war er? Mal Neger, mal Mohr, mal Äthiopier, mal Farbiger? Im Grunde wurde er zum Bild einer Oberfläche – eine zum Namen gewordene Körperoberfläche. Auf Übersetzer und deren Dolmetscher kam es an! Auf Stärke und Schwäche der Farbenblindheit des Auges. Denn für jedes Auge gab es einen Blick. Denn für jedes Wort ein Wort – je nachdem was man in Deiner Nähe fällt: Urteile oder Bäume? Wörter oder Dinge? Was tun? Stell das Wort Malzeichen Deinem Alltag voran! (…) Bist Du so beschaffen, daß man Dich in die Bestandteile Deiner Verwandlungen zerlegen kann? Dich wird schon der Humor der Mathematik trösten, Dir ermöglichen, das Ich in Faktoren zu zerlegen. Man strich Dir Monade durch – in Abwesenheit. Ersetzte die Monade durch Nomade in der Absicht, vermeintlich Falsches zu berichtigen. Dies auch in Abwesenheit! Wörter … Wörter … Wörter und deren Worte wurden zu Orten ungefährer Zufälle und unverständlicher Mißverständnisse. Widerwörter und deren Wiederworte nahmen Wort an am Ort ungeschriebener Lebensblätter anhand ungelebter Biographien, welche sich mal weiblich, mal männlich verkleideten ohne Anspruch auf Geschlechtserfindung noch Anspruch auf sprachliche Ermittlungen. Und obwohl sich keine Wortleichtsinnigkeit noch Sprachfahrlässigkeit am Sprachort auswies, wurde er zur Mundverantwortung gezogen im Namen …, in wessen Namen eigentlich?! (…) Eine Wende fand in ihm statt. Eine Wende, deren Bestimmungswort ein anderes Wort war als das Wort Zeit: Sprachwende! ( … ) Indem er der Sprache beiwohnte, entkam er jüngsten Sprachen und Wenden, alten Mythen und Fiktionen. Indem er sich wortlich erfand, entstand er sprachlich in einem Mythenbecher, in einem Würfelbecher, warten auf Glückswort und Wortglück – auf den Wurf. Die Erfindung entsprang beweglicher Ontologie freiwilliger Mundwahl innerhalb zufälliger Sprache. Er lebte aufs Geratewort mit Empfindungen und Neigungen zu Mundkonturen, eigentlich mit dem Verlangen danach: aus eigenem Wort, aus eigenem Mythos zu bestehen: sich in eigener Sprache zu bewegen mit dem Mundgefühl, ein Wort für sich allein zu haben so wie ein 68 Abdellatif Belfellah Zimmer für sich allein zu bewohnen: Sprache bewohnen, von ihr bewohnt werden! Ach, Du lieber Mund, der Fisch hat gesprochen – ja es sei! (…) In seinem Verständnis sei Sprache, daseinsmäßig gesprochen, eine unsichtbare, wohl sprech- und hörbare Größe gewesen, da die Zugehörigkeit allein durch die, nicht institutionell, sondern grammati(kali)sch erfassbare, Mundrechtfertigung begründet werde – in Erinnerung an die verborgene Kirche, an deren verborgenen Mund, an Martin Luthers Gottesbildungsroman: So geh nun hin, ich will mit deinem Mund sein und dir lehren, wie du es sagen kannst. Was wollte er sagen? Ob es sich um eine Sprache handle, welche Dir keine Sprache sein könne? Ein Haus, welches Dir kein Haus sein könne? Letzten Endes entschied das Wort – des Wortes letztes Wort. Nicht um eines Wortes Reiz ging es. Denn anderes als diese Mundwahl und deren Verwirklichung auf Grund von Wortverwandtschaften innerhalb bloßer Sprachgrenzen: die hiesige Sprache. Auf dem Wortspiel standen Wörter, die sich erfinden, ihn in deren Worterfindung unterbringen ließen. Diese nahmen ihm die Illusion, ein Ganzes, ein Vollendetes gewesen zu sein. Nachdem Sprache ihn vor vollendeten Mund gestellt hatte, stellte sie ihn nun vor vollendetes Sein, nun vor vollendetes Dasein: Er solle sprechen – einstweilen! Die Mischung aus Forderungen und Herausforderungen versetzte ihn in den Zustand des Vielleichts – ins Gefüge des Magseins. (…) Dem Artikel drei des Grundgesetzes fehle seinem Rechtsempfinden, also seinem Sprachempfinden, ein vierter Paragraph, niemand dürfe wegen seiner mythologischen noch literarischen, also sprachlichen Anschauungen und wortlichen Erfindungen und Prägungen benachteiligt werden. Dieses Recht auf sprachliche Wende im Sinne beweglicher Ontologie hätte er mit vergnügten Augen in die Erklärung der Menschenrechte aufgenommen gesehen. Daneben: Charles Baudelaires Wunsch Le droit de s’en aller – das Recht wegzugehen. Im Grunde genommen ein Recht auf nichtursprünglichen Ursprung, auf nichtetymologische Etymologie – die erfundene Genealogie auf die Gefahr eigener Philologie: das Alter der Selbsterfindung in dieser oder jener Sprache anhand eines volljährigen Mundes zu erreichen – die Sprache gewähre, die Politik verweigere. (…) Ob das Beiwort groß das Wort Größe groß mache? Müsse er sich stets erfinden? Ja, er mußte sich täglich erfinden! Möglich wär’s, sich in nicht ursprünglicher Sprache Mythen und Existenzen zu erfinden – zu ersprechen!? Ob es möglich wäre, deren Erfindung zu vergessen, nachdem man sie erfunden habe? Der Maler malt sich aus Farben Wirklichkeiten und Landschaften. Müsse er die Memoiren eines Wendehals schreiben: Wie man sich schnell Neuem anpasse und noch schneller Altes verleugne? Wie könne er Hiesiger sein ? Die Antwort: Wie konnte er das sein, was er war? Das werden, was er ward? Ach, Du lieber Mund, der Fisch hat gesprochen – ja es sei! © Mechthild Rottkemper Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1998 geboren 1954 in der Hafenstadt Asfi in Marokko, 250 km südlich von Casablanca. Nach dem Baccalauréat (Lettres Modernes) am Gymnasium Ibn Khaldun Studium der Philosophie und Literatur an der Universität Mohammed V in Rabat, Abschluß an der Sorbonne (Paris I). Filmclub-Moderator und Französischlehrer am Collège Moulay Youssef in Asfi. Von 1978 – 88 Aufenthalt in Paris, unterbrochen von Reisen durch Europa, Afrika, Asien, Nordund Südamerika. 1988 Übersiedlung nach Deutschland, DeutschStudium an der Universität Münster/Westfalen. Seit 1991 Veröffentlichungen in deutschen Anthologien, in lit. Zs. und Tageszeitungen sowie im Radio (u.a. ad libitum, Chiffre, die horen, Die Weltbühne, Freitag, Neues Deutschland, Frankfurter Rundschau, Lettre International). Seit dem 11. Mai 2000 deutscher Staatsbürger. --> Bibliografie S. 116 69 Aus: Teestunden am Ring Güney Dal Exil bedeutet Angst. Ob man nun wegen politischer oder ökonomischer Probleme, oder aber wegen solcher mit seiner eigenen Innenwelt in die Verbannung, in das Exil geschickt wird, bzw. sich dorthin aufmacht, immer flieht man dabei vor einer Summe von Ängsten und stürzt sich in das Unbekannte, das man Exil nennt, taucht hinein und überläßt sich einer Welt der Ängste, die noch verwickelter und hoffnungsloser ist. Dort findet man sich plötzlich in noch größerer Ausweglosigkeit wieder. »Ein Baum wird entwurzelt«, »ein Berg verpflanzt« – und der Mensch, der in die Verbannung, ins Exil geht, ist nicht mehr der alte, ist nicht derselbe wie vor der Verbannung. Selbst wenn die Bedingungen für eine Verbannung oder ein Exil nicht mehr vorhanden sind, lassen sich die Spuren der Vertreibung und die daraus erwachsenen Ängste, die gelegentlich das Atmen schwer machen, aus den Tiefen von Psyche und Hirn eines Menschen nie wieder entfernen. Beständig ist er in Sorge; selbst wenn er an einem wirklich »sicheren« Ort wohnt, wo niemand hinkommen kann und die Türen ganz fest verschlossen sind, taucht bestimmt von irgendwo jemand auf und will ihn auf seine Weise und mit Methoden foltern, an die er nie gedacht, auf die er nie gekommen wäre. Denn im Exil, in dieser Wartezeit, hat er sich so viele verschiedene Phantasien ausgemalt, hat sich vorgestellt, wie er selbst, seine Kinder, seine Frau, wie alle möglichen Menschen, die ihm nahestehen, gefoltert und gequält werden, und er kann sich ein Leben ohne Angst gar nicht mehr denken. Mit der Seele ist der Leib, mit dem Leib ist nun auch stets die Seele krank. In O. M. Grafs Die Flucht ins Mittelmäßige sagt Martin: »Unsere Emigration fängt doch jetzt an, nachdem der Krieg vorüber ist. Bis jetzt war’s doch bloß eine Wartezeit! …« Und das »Warten« geht ein Leben lang weiter, selbst dann, wenn alle Bedingungen für das Exil aufgehoben sind … Die Angst, die einen Schriftsteller dabei am stärksten ins Schwitzen bringt, ist die, seine Muttersprache, die er ins Exil mitgebracht hat, könne dort geschwächt, sie könne, da sie dort weniger oder gar keinerlei Nährquellen findet, mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Stefan Zweig schreibt in einem Brief an Felix Braun, ständig eine Fremdsprache benutzen zu müssen, ermüde sein Hirn, es überkomme ihn die Angst, er könne seine eigene Sprache vergessen. Es ist mir immer schwergefallen, nach den Stunden der Arbeit in die »deutschsprachige Welt« hinüberzugehen. Wenn ich gleich nach den Stunden der Arbeit mit dem Briefträger, meinen Nachbarn, dem Kaufmann rede, gerät meine Zunge ins Stocken, ich brauche Zeit, die deutschen Wörter aus den türkischen herauszusortieren, und natürlich wartet auch mein Gegenüber nicht immer geduldig. © Isolde Ohlbaum Adelbert-von-Chamisso-Preis 1997 1944 in Canakkale, Türkei, geboren, wuchs in Anatolien auf. Er studierte in Istanbul Romanistik, arbeitete als Landvermesser, Synchronsprecher, Buchhändler und Journalist. Seit 1972 lebt er in Berlin. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise, 1976 den Romanpreis des Istanbuler Millyet Verlages sowie 1980, 1983 und 1986 Literaturstipendien des Berliner Senats. --> Bibliografie S. 118 Aus: Berlin – Eine Ortsbesichtigung. Kultur, Geschichte, Architektur. Berlin: Transit Verlag, 1996 70 71 Maskenfiebrig eigen oder die gemeinsame Lust am Spättle Auszug aus dem gleichnamigen Essay Es gibt Seelenfenster, die sich nur hin und wieder öffnen. Es gibt eine vertraute Zartheit ins Eingehegte der Vorstellungen vom Ich und dem Verlangen, sich selber Ort zu werden. Die Sehnsucht, ein anderer zu sein. Den verborgensten Geheimnissen auf der Spur, um auszuloten, wer man ist. Auch ist. Zumindest aber ein Aug voll dessen zuzulassen, was man hin und wieder sein möchte und ob der Verhältnisse nicht sein darf oder kann. Dann ist unter anderem Fastnacht. Narrenfieber, Maskenzauber, Spattenzeit. Zauber, der das Flickwerk Leben um ein paar ausgelassenere Tage sicht- und hörbarer macht. Ein Gefühl von Katzenmusik, die sich die Nacht unterwirft. Vielleicht sind aus diesem Verlangen heraus, das bestimmt eines immer war und ist, eine Notwendigkeit ins Überleben, ins Erträglichere des Lebens, auf der Landkarte der schwäbisch-alemannischen Fasent die unterschiedlichsten Figuren entstanden, die wir als ihre Liebhaber bis heute herzen wie Seelenverwandte oder notanrufen wie Komplizen. Manch einer verzärtelt und küsst sogar die Maske, bevor er das filigrane Holzschnitzwerk anlegt und sich dem Andergesicht offenbart. Die Hausacher Spättlemadlee ist ein solches Eigenwesen, das vom Innersten nach außen treibt, die Innerzeit hervorkehrt. Eine leibhaftige Gruselvettel. Ein heruntergekommenes Altweib mit dem unberechenbaren Lauerblick der hämischeren Art unter einer Runzelstirn, dessen Drohgebärde zum feisten Bockssprung anzusetzen scheint und bei näherem Betrachten dann doch nur datschsatt platt vom Strohschuh schleicht: rockzahm, altweiberpätrig und die Straße schlürfend. Auch diese Gleichzeitigkeit schminkt ihr Wesen aus. Immer ein Doppeltes. Immer ein in sich zwiefaches Gesicht. Alte, gutbeseelte Jungfer und zwielichtiges, straßentriebiges Mannweib. Gezielt, hinterhältig, mit Spottlust teuflisch, um sich kurz danach doch wieder weich und schunkelanschmiegsam im Frohsinn zu verschnurren. Ein Maskenspiel ins Schattenlicht. Gepaart mit einem Kribbeln aus Tollerei und Angstneugier. Ein Kribbeln, das niemals fehlen darf. Furchtanspannung, die sich schließlich in einem Lachen auflöst. Humor als kleine Wiedergutmachung. Spaß und Ausgelächter. Seelenglück. Verwandlung also. Der Mensch in seinen Widersprüchen. In seinem übermütigen Größenwahn. Zwischen Pfauenfeder und Eselskappe. Ein Ausleben der Gegensätze vor der Demutshaltung unterm bewusst empfangenen Kreuz am Aschermittwoch – Memento mori! Immer aber ehrlich in seinem Durst nach sich selber. Ohne den zeitschnürenden Terminkalender der Verpflichtungen aus Alltag und Wiederholung und doch darum wissend, dass diese nicht abzuschütteln sind und die Fünfte Jahreszeit allenfalls eine Atempause bedeuten kann. Nicht mehr. Nicht weniger. Nicht existentiell wie es in früheren, vermeintlich unaufgeklärteren und undemokratischeren Zeiten gewesen sein mag, aber entspannend und Luft holend, wo die Uhr zur ungeduldigen Jägerin geworden ist. Eine Zeitflocke Harlekinaden und Verrücktheiten mit tieferem Sinn. Den Schalk im Narrennacken. Das Hausacher Spättle, das auf den ersten Blick ein roheres Exemplar der dreisten Bocksgeschöpfe verkörpert und also doch viel mehr ist als nur der ewig nachgebildete Mythos eines lüstern schamlosen Hexenweibes im prallen Spiel um die Phantasien derjenigen, die sie sich ausgedacht und als Narrenfigur nachgeschöpft haben. Das Häs ist Wirklichkeit und Vorstellung der Wirklichkeit. Und diese liegen wie so oft sehr nah bei- wenn nicht gar ineinander. © Ralph Weber José F. A. Oliver Adelbert-von-Chamisso-Preis 1997 1961 in Hausach im Schwarzwald als Sohn andalusischer Eltern geboren, er lebt dort als freier Schriftsteller. Für seine dichterischen Arbeiten erhielt er unter anderem 1989 das Literaturstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg, 1994 das Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin und 1996/97 das Stipendium der Kurt-Tucholsky-Stiftung Hamburg. Im Jahr 2000 arbeitete er mit einem Stipendium in der Villa Waldberta in München, 2001 war er Stadtschreiber in Dresden. 2002 Gastprofessor und »writerin-residence« am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) und 2004 Stadtschreiber in Kairo. --> Bibliografie S. 122 Maskenfinster ins Verruchtere und rätselschämmig zottelt sie ihre Haarsträhnen ins Gesicht, als gelte es den auggehöhlten Blick nur schattenweise preiszugeben. Als gelte es nur konturenhaft anzudeuten, was eigenschaut und das Offene sucht im Verborgenen einer Dorfgeschichte aus Überliefertem und Erfundenem. Grinsmäulig und eckzahnscharf. Mit vollen Lippen ein Faltenbündel unter Warzen. Herausspringende, schaurig nackte Glubschaugen, die lauernd auf der bloßen Hexengabel ihrer Blicke sitzen, um launig loszustechen, das anvisierte Opfer in das Scharmützel aus »Gut und Bös« zu bannen. 72 73 Wortschaft Aus: Wandersteine Erst im stummland rantia« wird gefragt. Es kommen die Zeiten der Maß-Regelungen überall und allerorts. Bald werden wir sehen: diejenigen, die kein Selbst haben, werden keins finden. Die Prediger der unerschöpflichen Originalität eines jeweiligen Stammes, entdecken sie in der Uniform der Milizen. © Renate von Mangoldt Jirí ˇ Grusa ˇ Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis 1997 bin ich stumm geworden das tier das schweigsam bedeutet und wacht unsagbar im raum des redens Rede über Deutschland Auszug aus: Reden über Deutschland 3. München: C. Bertelsmann, 1992 74 Wenn Begriffe wie Wahrheit, Freiheit, Einheit – und ihre politischen Abbilder wie Identität, Selbstbestimmung und Nation – ihre Grausamkeit verlieren sollen – die sie ja seit eh und je besitzen, müssen wir fähig sein, sie als freie, wahrhaftige und einheitliche Menschen zu denken. Es ist an der Zeit, im Osten aus dem Dissens den Konsens zu machen. Und es ist an der Zeit, bei Ihnen im Westen, Dissens zu suchen, dort wo man im Namen des Konsens eben nur Ganzheit sucht. Falls Deutschland nicht wieder wie eine Wanderniere Europas herumirren will, muß es seine Einheit verkraften. Denn sie ist kein Bauen, sondern ein Backen. Ein Vorgang, kein Unternehmen. Die Elemente, die Ingredienzen, die hier in Verbindung treten sollen, können es, müssen es aber nicht tun. Hitze, Zeit und Zutaten sind einzuhalten, nicht herbeizutrotzen. Mit anderen Worten, die bei den Deutschen so ungeliebte Tugend des Maßes »Tempe- Es war einmal ein Deutscher, der uns Slawen die gute Nachricht brachte, wir seien göttlichen Ursprungs. Er flößte uns Selbsteinschätzung ein und drückte uns ganz ahnungslos eine antideutsche Waffe in die Hand. Doch Herders Göttlichkeit der Völker, von der hier die Rede ist, war keine Gotteseigenschaft der Nationen im Alltag. Eher ein Innehalten, ein Anerkennen des launischen Zustandekommens jedes Lebens, dieses Wunders, das nichts heilt, weil es heil ist. Diejenigen, die in falscher Anlehnung an Herder ihre Identität selbstisch finden möchten, um einen Selbstbedienungsladen zu eröffnen, in dem alles zum Selbstverständnis wird, sollten mal zu dem O-Ton greifen, – medikamentös. Denn es steht dort wörtlich: »Was in den Herzen Anderer von uns lebt, ist unser wahrhaftes und tiefes Selbst, was mit der weiten Welt uns einet, was, uns innern Frieden schafft im Sturm der Zeit, uns Frevel übersehn, vergessen lernt, und mild erkläret, wie denn und woher der Tot ein Tor sei, ist ein großes Selbst …« Dieses präromantische Gedicht als Lektion der Postmoderne … möchte ich den Deutschen geben … auf den Weg zur Einheit – als Hilfe zur Selbsthilfe. 1938 in Pardubice, Böhmen, geboren. Studium der Philosophie und Geschichte an der Karlsuniversität zu Prag, 1962 Promotion zum Dr. phil., Tätigkeit als Redakteur, Lektor, Herausgeber verschiedener Zeitschriften, 1970 Berufsverbot wegen kritischer Stellungnahmen. Arbeit in einer Werbeagentur, einem MarketingInstitut, als Polier und Angestellter einer Baufirma. Aktive Beteiligung am »Prager Frühling«, Unterzeichner der Charta 77 und Mitbegründer des Untergrund-Verlags »Edice petlice«. Nach Erscheinen des Romans Der 16. Fragebogen 1978 inhaftiert, nach zwei Monaten auf Intervention von Heinrich Böll freigelassen. 1981 während eines Auslandsaufenthaltes gegen seinen Willen ausgebürgert, arbeitete Jirí Grusa in Bonn, zunächst als freier Schriftsteller im Exil, dann 1990 Botschafter der CSFR in Bonn, 1993 Botschafter Tschechiens, 1997 Minister für Bildungswesen, Jugend und Sport in Prag. 1998 –2003 Botschafter der tschechischen Republik in Wien, dann Präsident des Internationalen P.E.N.-Clubs und seit 2005 Direktor der Diplomatischen Akademie Wien. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 1996 den Andreas-Gryphius-Preis, 1998 den Internationalen Brücke-Preis, Görlitz, den Inter Nationes-Kulturpreis, 1999 die Goethe-Medaille und 2006 den New Culture of New Europe Award. --> Bibliografie S. 119 ^ verstand ich Die Selbstbestimmler werden fremdbestimmt und werden sich darüber nicht einmal sehr wundern. Die Schaffer der Ministaaten werden sich einmal dafür verantworten müssen, ihre Völker aus dem Wettbewerb anderer Nationen hinausgeworfen zu haben. Um das Aufkommende zu meistern, brauchen wir Deutschland. Oder besser: Wir brauchen eine Bundesrepublik, die ihre DDR verdaut hat. Der Friede Deutschlands mit seiner Geschichte ist auch unser Friede. ^ erst im stummland 75 Slavia in Berlin Ich nahm Abu Simbel von meinen Kamerun und ging Los Angeles, verabredet um drei Uhr. Ein Sonntag mit leuchtenden Aluminiumblättern in Berlin. Zigarettenautomaten waren Heilbronn, Fahrkartenautomaten waren Kapstadt. Die Maschine nahm meine Europa nicht an, weder München noch Scheine. Willst du dann in den Schwarzwald fahren? Nein, aber ich war spät dran, mußte ein Texas nehmen. »Nach Prag, bitte«, sagte ich, »Prag auf der Stubenrauchstraße, Ecke Wiesbadenerstraße!« Der Texasfahrer schaute mich besorgt an. »Sinai, Sinai, Sie finden dort kein Prag!« »Abu Dhabi ich muß nach Prag!« Wir fuhren südwärts, Strassenschilder flogen vorbei, unbekannte und bekannte Namen, ohne Bindestrich miteinander verbunden. Mein Kummer ist eine Komma, nach der alten Rechtschreibung eingesetzt. Und dann ein Punkt – er ist weder alt noch neu. »Hier sind wir, aber wie gesagt ...« »Lassen Sie mich dann hier Australien!« »Hier Ägypten es aber kein Prag.« »Ich werde sie schon Finnland.« Ein Sportplatz, eine Graz bewachsene Baustelle. Von der Richtung Rheingaustraße kamst du in einer Leopardenjacke. »Ich habe Dir den Ort falsch beschrieben«, sagtest du zu mir. Dann hast du mir den Kopenhagen abgenommen, ihn getragen, die Tür geöffnet, meinen Montreal abgenommen und ihn aufgehängt. Den hellsten Tisch am Fenster fanden wir ohne Stadtplan. Eine Kellnerin kam, stolperte, (Achtung!) und mein Wasserglas kippte feierlich um. Sie mochte uns. 76 Auf der Speisekarte stand eine Jungfrausäule. Was Süßes? Was Salziges? (Du warst in K, Ich war auch in K, Ich werde in G sein, Du wirst in T sein.) Geographisches Gespräch mit dem Dreieck einer Palatschinke. Nur Italia sollte in der Tasse bleiben, sie frißt meine Freunde auf und gibt sie mir nicht wieder . Zum Glück gibt es aber Hamburg, und selbst wenn Hamburg ... ist immer noch Hamburg ... Den Hafen auf der Zunge singen lassen, um ein Lächeln aus deinem Gesicht herauszulocken. »Aber ich werde dich auch dahin begleiten, wo kein Name mehr wächst.« Ein weiteres Lächeln gewonnen. In Kalifornien warst du ein Reh, in San-F, in San-D, Ich aber war in einem San-atorium, dort blühte eine Akademia, nicht berühmt aber duftend. Ich hatte eine botanische Tür hinter mir geschlossen, wollte nur noch für dich schreiben, weiter schreiben, fleißig Arabien, aber doch nicht heute! Heute ist für das ewige Kaffeetrinken reserviert. Ein Faya brennt in mir, es kennt keine Grenzach. Zu spät. Du bist schon aufgestanden, die Rechnung in der Hand. Auf dem Boden kriechend suche ich nach dem Sekundenzeiger, der aus deinem Mund gefallen ist. Wie lautet der Name der Stadt, der nie endet? Seine erste Silbe fällt mir nicht ein. An ihrer Stelle beginnt schon deine Abwesenheit. Der Vorhang fällt. Das Licht geht aus. Und das Publikum? Ab-Laus! Laos liegt in der Ferne, fast wäre ich dort gewesen, in einem anderen Leben vielleicht. Du gehst in den Taunus zurück, und ich fahre zu dem Bahnhof Nirgendzoo. © Isolde Ohlbaum Yoko Tawada Adelbert-von-Chamisso-Preis 1996 1960 in Tokyo, Japan geboren. Seit 1982 lebt sie in Hamburg, wo sie Literaturwissenschaft studierte und auf japanisch und deutsch zu schreiben begann. Seit 1986 Veröffentlichungen in Deutschland und Japan. Sie war 1997 als Stipendiatin der Villa Aurora (Feuchtwanger-Haus) in Los Angeles und 1999 als Max Kade Distinguished Visitor am Massachusetts Institute of Technology, 1998 Poetik-Dozentin an der Universität Tübingen. 2001 war sie »Writer in Residence« im Literaturhaus Basel, im Winter 2004/05 als Stipendiatin des Deutschen Literaturfonds in New York. Sie erhielt zahlreiche Preise in Japan und Deutschland: unter anderen 1991 den Gunzô-ShinjinBungaku-Shô, 1993 den Akutagawa-Shô, 1994 den Lessing-Förderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg, 2000 den Izumi-KyookaLiteraturpreis, 2002 den Bunkamura Prix Des Deux Magots, 2003 den Ito-Sei-Literaturpreis und den Junichiro-Tanizaki-Literaturpreis. Ihre Theaterstücke (»Die Kranichmaske die bei Nacht strahlt«, »Orpheus oder Izanagi. Till« und »Wie der Wind im Ei«) wurden in Graz und Hannover uraufgeführt und international als Gastspiele gezeigt. Zusammen mit der Pianistin Aki Takase hat Yoko Tawada 2002 die CD »diagonal« eingespielt. www.tawada.com --> Bibliografie S. 124 77 Gegenglocke Geläut für die Toten von Deutsch-Zerne Dennewitz Die Häuser, in Deckung © Renate von Mangoldt Marian Nakitsch Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1996 der Linden, haben die Torbogen gespannt. 1 Josef, Anna, Peter, Magdalena, diese friedlichen Leute der Ebene, Der Dorfplatz zeigt die Pflastersteine die Furchen hinterließen wie Boote Wie Zähne. und hinter deren Lippen in zwei Reihen Maiskörner reiften, wurden zur Beute Selbst das Bülow-Denkmal von Russen, Serben und Zigeunern. ist in Stellung. 2 Bestien streiften deutsche Trachten über, ihre Körper waren nichts als ein Glied, sie drangen in die versteinerten Frauen ein, auch mit Geschossen. Die Männer, lebende Schlagzeuge, wurden zu Tode getrommelt. 3 Dann traten die Ställe an die Straßen, 1952 in Novska, Kroatien, geboren. 1967–1970 Maurerlehre. 1970 erster Besuch bei seiner ausgewanderten Familie in Deutschland. Studium der Ökonomie in Agram (Zagreb); autodidaktisches Deutschstudium. Seit 1974 Veröffentlichung von Lyrik, Erzählungen und Essays in jugoslawischen Literaturzeitschriften und Nachdichtungen angloamerikanischer und deutschsprachiger Autoren, seit Anfang der 80er Jahre schreibt er deutsche Gedichte. 1994 Übersiedlung nach Deutschland, Marian Nakitsch lebte erst in Werl/Westfalen, seit 1996 in Berlin. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, u.a. 1992 den LiteraturFörderpreis der Jürgen-PontoStiftung und 1995 den AndreasGryphius-Förderpreis. --> Bibliografie S. 121 im Kirchturm läuteten große Kuhglocken, getrieben wurde ein Volk in Herden. 4 Die Erniedrigte erhob sich in die Umarmung des Strickes, den Himmel zu küssen; Im Hohen Fläming Reiterlose Pferde, die Erde küssend. der Nackte, durch Genickschuß zur Skulptur geworden, fand Zuschauer. Gepflügt der Hangschatten des Waldes. Die schöne Frau Stiebel 78 trug ein Kleid aus Brandwunden, Im ergrünenden Feld das Partisanen ihr bügelten. Steine wie Hasenrücken. 79 György Dalos © Doris Poklekowski Adelbert-von-Chamisso-Preis 1995 Russe sucht Russin Laut einem der hungrigen Witze der postsowjetischer Diaspora in Deutschland sagt der Unternehmer dem russischen Bewerber: »Zunächst zahle ich Ihnen monatlich tausend Euro, später kann das Gehalt höher werden.« – »Dann komme ich eben später wieder«, antwortet prompt der Immigrant. Juden aus der ehemaligen Sowjetunion haben philosophischere, aber auch schwärzere Scherze im Reisegepäck. Nach einem »Anjekdot« aus diesem Milieu soll der Messias auferstanden sein und die Erde besucht haben. Alle sind begeistert, die ganze Menschheit feiert, allein der Rabbi Liebermann nimmt an keiner Massenansammlung teil. Schließlich verliert der Messias seine Geduld und besucht den Rabbi persönlich: »Liebermann, wie lange soll ich noch auf Sie warten?« Darauf der Rabbi im galligen Ton: »Und das fragen ausgerechnet Sie!« Ja, der Erlöser hat es offensichtlich nicht eilig mit den hunderttausenden von Russen, die im Besitz eines alten, zerknitterten sowjetischen Reisepasses im goldenen Westen gelandet sind. Das einzige, womit man sie verwöhnt, ist die Presse. Allein in der Bundesrepublik existiert mehr als ein Dutzend russischer Zeitungen, nicht gerechnet die Beilagen »für unsere Landsleute« der in Moskau erscheinenden Blätter. Wenn ich durch Deutschland reise, oder auf Urlaub anderswo in Europa bin, sehe ich in den Zügen immer wieder Russen, die in ihren Zeitungen lesen und – insoweit das der taktlose Blick über die Schulter errät – vor allem den Annoncenteil studieren. Sie lesen Ausschreibungen von Stellen, Billigflügen und Eheanzeigen – Russe sucht Russin oder umgekehrt, jedenfalls eine menschliche Beziehung, die in der Muttersprache aufblühen kann. Die Völkerwanderung aus der UdSSR ist keiner früheren Massenemigration ähnlich. Wenn berühmte russische PopsängerInnen wie Alla Pugatschowa, Rosenbaum oder Schufuntisinkij durch die Welt reisen, können sie von Prag 80 über Berlin und Paris bis Jerusalem auf begeisterte Fans rechnen. Das ist ein Publikum, das zwar sein Land verlassen hat und im Vergleich zu dessen Bevölkerung eindeutig besser (obwohl auch nicht im westlichen Wohlstand) lebt, das aber niemals ganz an dem neuen Bestimmungsort angekommen ist. Dieses Exil ist, außer der Tatsache, daß das Imperium, in dem sie ihr wahres Leben zurückgelassen haben, nicht mehr gibt, grundsätzlich unpolitisch. Und wie sagt es Brecht? »Wenn das Haus eines Großen ⁄ zusammenbricht, ⁄ werden viele Kleine erschlagen« … Der doppelzüngige Westen bezeichnet sie allzu leicht als »Wirtschaftsflüchtlinge«. Als ginge es um eine noch so bescheidene Profitsucht und nicht um die Existenz selbst. Ich habe fünf Jahre meiner Studentenzeit in Moskau verbracht und kenne diese Leute, wenigstens aus der eigenen Generation. Das sind die Musiklehrer, die lieber arbeitslos im trostlosen Bielefeld leben, denn als Kfz-Fahrer in Donetsk zu schuften. Außerdem hat ein Teil von ihnen eine berechtigte Angst vor der »historischen Heimat«, in der scharf geschossen wird und der Ingenieur aus Taganrog oder der Arzt aus Kemerowo weder mit Juden noch Palästinensern sprechen kann. Die deutschen Behörden scheinen doch eine Ahnung von der sozialen Lage »ihrer« RussInnen zu haben, denn in den Zügen niedrigerer Klasse liest man neuerdings nicht mehr nur serbokrotaisch, polnisch oder türkisch, sondern auch in Puschkins Sprache die Warnung: »Die ›verehrten Reisenden‹ ohne gültiges Ticket müssen Geldstrafe zahlen«. Dies ist auch eine Form der Integration. 1943 in Budapest, Ungarn, in einer jüdischen Familie geboren. Studium der Geschichte an der Moskauer Universität. 1964 erschien sein erster Lyrikband in Ungarn, und er wurde Mitglied der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. 1968 wurde er in einem politischen Prozeß zu Gefängnis mit Bewährung und Publikationsverbot verurteilt. 1977 schloß er sich der demokratischen Opposition in Ungarn an. 1984 Stipendium des DAAD und Arbeit an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, seit 1984 abwechselnd in Wien und Budapest, Mitarbeit bei deutschen Rundfunksendern und Zeitungen. 1992–1996 Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. Köln, 1995–1999 Direktor des ungarischen Kulturinstituts in Berlin und literarischer Kurator des Schwerpunktthemas »Ungarn unbegrenzt« auf der Frankfurter Buchmesse 1999. Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, 1998. 1999 erhielt er den Gryphius-Sonderpreis, 2000 »Goldenes Plakett«, die persönliche Anerkennung des Präsidenten der Republik Ungarn. Zur Zeit lebt er als freischaffender Autor in Berlin; einige seiner Bücher erschienen übersetzt in England, Frankreich, Dänemark, Schweden, Japan, Türkei, Portugal, Rußland, Australien, Israel, den USA und den Niederlanden. --> Bibliografie S. 118 81 die peitschenschläge der bandscheiben literatur natürlich Liberté! Egalité! Fraternité! freiheit natürlich natürlich unabhängigkeit eingemauert im ich aber solange ich schreibe bin ich nicht verzagt die schildkröte wird zum vogel im wasser »Es ist etwas in mir. Was ist es nur!« van Gogh (unveröffentlicht) 82 schreiben natürlich veröffentlichen natürlich für all das den preis bezahlen natürlich viertausend zigaretten eimer voll kaffee für ein schmales bändchen käse und wein natürlich natürlich poker spielen meine herren! die karten auf den tisch! tacheles reden natürlich vor niemandes karren spannen lassen natürlich einsamkeit natürlich im ausgedehnten königreich der verschwiegenheit bis alles in mir vereint gekrümmt über dem leeren blatt als wäre es die quelle des lichts das auge schärft sich die hand wird sicherer dann und wann natürlich und der morgen ist nicht verloren ich begehre zu sein ich begehre zu wissen auf dem geflickten gehsteig kleben dürre blütenblätter an der ecke ein zerlumpter dilettiert mit einer violine ich blicke ins gesicht CHOPIN seltsame reinheit ich wage nicht stehenzubleiben staub fällt auf das gerippe der stadt mittagessen mit van Gogh der mund voller asche in den augen erloschenes gold in den händen wüten die farben immer noch immer noch stillleben und landschaften ich trinke absinth natürlich absinth aber mit wasser verdünnt dann entspannt sich der tag zwischen den steinplatten büschel von mohn das rot von unerhörter dichte die blödsinnige lust zu weinen wohlan gastliche nacht zu dir kehre ich zurück die stille natürlich die stille so weit so weit wie mein denken © Barbara Csiba Lászó Csiba Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1995 1949 in Mosonmagyaróvár, Ungarn, geboren. 1966 erste lyrische Versuche. 1968 Übersiedlung in die DDR. 1978 –79 Übersetzungen ungarischer Prosawerke und Gedichte. 1981–86 Miniaturen, Kurzgeschichten und Gedichte in deutscher Sprache. 1987– 91 Direktstudium am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 1992 diverse Stipendien, u.a. des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt, im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf, in der »Art Stiftung Plaas«, Lindau am Bodensee, des Kuratoriums der Stiftung Kulturfonds, Berlin. Rundfunklesungen beim WDR, Köln, und MDR, Leipzig, Veröffentlichungen von Lyrik und Essays in Zeitschriften (Am Erker, Neue Sirene, Blätter für Literatur SachsenAnhalt) und Anthologien. 2000 erhielt László Csiba ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung für das Stück »Ich töte Mozart nicht« (Uraufführung 2006 im Stuttgarter Renitenz-Theater), 2002 und 2005 Stipendien des Kultusministeriums und der Kunststiftung des Landes SachsenAnhalt, 2004 das Stipendium der Batz-Foundation Kloster Altzelle/ Sachsen und 2004 das Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Wiepersdorf. Im selben Jahr nahm er am internationalen »Poesie«Festival in Dornbirn/Österreich teil und der Leipziger Komponist Christian Kram vertonte seinen Gedichtzyklus »Grasbrechen«. --> Bibliografie S. 118 83 Auszug aus dem Romanmanuskript Die Frauen Sabrina ist die Frau, die mich zu sich und in sich aufnimmt an jenem Abend, an dem mir der in seiner Militärjacke als Friedensapostel getarnte Weiberfreund mein freches Maul stopft. eine kleine wülstige Stelle. Ihr Körper wabbelt auf dir, passt sich an dich an, füllt die Zwischenräume aus, bedeckt dich nahtlos und schwappt gleichförmig in einer wellenartigen Bewegung. Sie ist das Schiff, und du bist das Meer. Die Nacht ist herbstlich kühl, es nieselt auf uns herab, sie hält mich um die Taille, wärmt mich, blickt mich mit ihren Stahlaugen spöttisch, aber auch liebevoll an, als sei ich ein zu groß geratener Junge. Sie fragt nach meinem Anzug ohne anklagenden Ton. Sie fragt, ob ich mich darin sicherer fühle; ich zucke die Schultern, denke jedoch lange darüber nach. Sie hat mich gepflückt, mit einer Selbstverständlichkeit, die mich anzieht und vorsichtig stimmt. In der Küche stellt sie eine bauchige Flasche Strohrum auf den Tisch und sagt: Das wird dich aufwärmen und beruhigen. Ich sitze als Schüler in der Küche, doch ich bin lernwillig. Ich unterwerfe mich, bleibe dabei aber hölzig und ängstlich. Sie hat die Lederjacke über eine Stuhllehne gehängt und die halbhohen Stiefel ausgezogen. Mit ihrem zerzausten schwarzen Haar, dem spitzen Mund, dem scharfen Blick, der Adlernase wirkt sie wie eine Gangsterbraut. Sie raucht Haschisch, ich huste. Sie habe die Tage, ob es mich störe – oder fragt sie mich das erst im Bett? Wir werden uns im Zoo den Zitteraal, die Pinguine und das Krokodil ansehen. Wir gehen Hand in Hand, sie erzählt von ihrer Diplomarbeit über das Triebleben der Schimpansen. Verhaltensforschung. Zoologie. Die Bindungen der Schimpansenpaare sind locker und veränderlich. Sie bleiben nicht treu wie die Gibbons, die Kleinfamilien gründen, sondern erobern und lassen sich erobern je nach Lage und Möglichkeit. Die Männchen kämpfen um die Weibchen, das scheint Sabrina zu beeindrucken, verlieren aber nach der Paarung bald das Interesse. Eine Welt ohne Zärtlichkeit. – Wir sehen in den Schimpansen unsere nächsten Verwandten, nicht in den Gibbons, sagt sie. Du wirst diese Frau eine Hure nennen, als du an einem Abend bei Freunden die Fassung verlierst. Nicht wahr, Noral? Gleichgültig, beherrscht, bist du nur mit solchen wie Martina. Dass eine Frau deine Theorien beansprucht, hältst du nicht für statthaft. Pass nur auf, Nerbal, dass sich deine Frau – die Frau, die telefoniert – nicht plötzlich anbietet gegen Geld und dein Spiel spielt und sich die falsche Unterwerfung vergüten lässt. Vorstellungen hast du, eine blühende Fantasie, Noral. Sagte schon meine Mutter. Ich erinnere mich an jene Nacht mit Sabrina und an eine zweite. Du hast in der Mansardenwohnung auf sie gewartet. Du hast dir ihr Nachtprogramm auf einem Lokalsender angehört, du sitzt bei einer Flasche Rotwein mit ausgestreckten Beinen in der großen Küche und sehnst dich nach ihrer samtenen tiefen Stimme (zu tief für die kleine Person, denkst du). Du kämpfst mit der Erregung in Erwartung des kommenden Morgens – und mit den feinen Stichen der Eifersucht. Ihr Satz, du bräuchtest nicht auf sie zu warten, hatte genügt, dich in ein leicht zitterndes Bündel auf jenem Küchenstuhl zu verwandeln. Jetzt Noral, willst du plötzlich ein Paar mit ihr werden? Ihre Stimme wiegt die Zuhörer von einem Musikstück zum nächsten – die Musik etwas zu schrill für ein Nachtprogramm –, doch sie ist es ja, die ihr moderato singt, gleichmäßig und routiniert, als begleite sie zarte Wiegenlieder. Du hast Gedichte und einen Roman veröffentlicht, die Zeitungen haben für eine Saison den Baikaldichter entdeckt und loben die saubere Sprache (Baikal ist Schmutz und verwaschenes Leben, die Emigranten können kaum ihre Koffer anschreiben), du wärst angesagt, gäbe es das Wort schon, doch du blickst auch darauf mit der Überheblichkeit des Dichters auf alles Profane und lehnst daher die besseren Verträge ab, mit denen du dich in der übernächsten Saison zum Großverlag hangeln könntest, du begegnest allen mit demselben Jargon, der zu den zynischen älteren Freunden passt, den einzigen, mit denen du dich triffst, und schmuggelst bösartige Blumen in das gepflegte Ambiente – und einer, der mit seinem Manuskript hausieren geht und dich voll labert an einem Fest schüttet sein Glas Rotwein über dich aus, nachdem du dich absichtlich im Ton vergreifst. Sabrina wirst du verlieren, bevor dein Abstieg in die Gewöhnlichkeit beginnt. Sie fällt nicht auf dich herein. Wenn sie auf mir sitzt, schaukelt sie bedächtig wie ein großer Dampfer. Ich bin auf einer Kreuzfahrt, denke ich. Ihr Körper ist mollig und an den Hüften bilden sich weiche Wülste, die Oberschenkel sind schlaff, und doch wirkt ihr Körper nicht dick. Er scheint nur umgeben von einer zusätzlichen Schicht, unter der die Muskeln liegen, einer sinnlichen Puddingschicht, in die du ohne Gefahr, sie zu verletzten, deine Finger graben kannst. Während sie auf dir gondelt, behält sie die Augen offen, betrachtet dich mit ihrem Sperberblick, so dass du zur Seite blickst an irgendeine geblümte Wand, dich dann gehen lässt, die Augen verschließt. Sandkörner, Meer und Muscheln ziehen an dir vorüber, du verteilst ihren Schweiß über ihren Körper wie Sonnencreme. Wenn du aufschaust, siehst du sie lächeln. Ihre Brüste sind groß und leicht hängend, wie Birnen. Deine Hände bilden Schalen, in denen sie zittern wie Gelatine. Nun fährst du ihr am Gesicht entlang, über das kantige Kinn, die runden Backen, die harte Stirn. Stachelig stehen die struppigen Haare auf, im Nacken berührst du wieder 84 Dante Andrea Franzetti © Susanne Kern Adelbert-von-Chamisso-Preis 1994 1959 in Zürich geboren. Seine Muttersprache ist italienisch, aber er wuchs zweisprachig auf. Studium der italienischen Literatur, Germanistik und Soziologie, danach Lehrbeauftragter, Radiomitarbeiter in Zürich und Lugano. Heute lebte Dante Andrea Franzetti als Journalist und Schriftsteller in Zürich und Rom. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. --> Bibliografie S. 119 85 Hertzketten Aus einer Kolumne 86 Es war im Sommer 1993 auf dem kroatischen Insel Mali Losinj, fast jeden Abend sassen sie auf der Treppen und verkauften seltsame Ketten aus Schneckenhausern. Der kleiner gebuckte mann sprach mit Deutschen Deutsch, mit Italienern Italienisch, fünfzehn Kuna das Stück zahlen für die Ketten und kleine Handarbeiten aus Garn. Hinter ihm sass alte Frauchen mit einem schönen Halstuch und wirkte abwesend, wie dass es ihr nicht gefiel das was der Mann von ihren Knien machte. Sie schaute verlegen irgendwo in die Nacht. Eines Abends, er sammelte schon die Halsketten in die Kartonschachtell nahm ich mein Mut zusammen und sprach die beiden an. »Woher kommen sie liebe Opa?« »Aus der Hölle von Vukovar und meine Frau hat nachdem sie Vukovar überlebt hat noch Monate im Lager Mitrovica verbracht.« Ich stelte mich der Frau vor und sie nickte. So sass ich noch manche Abende am Treppen neben den beiden und wen keine Turisten kammen, erzehlten sie mich Stückweise ihr Leben. Ihr Sohn sei umgekommen. Enkelsohn ist geblieben, ist hier auf der Flucht mit ihnen. Wegen ihm lebt Baba Kata. Ja sie hatte schon vor dem Krieg den Krebs gehabt, aber dan plötzlich, als die Krankenhaus im Vukovar nicht mehr für so alte und aussichtslose Fälle Platz hatte, weil es so viele junge verletzte gab, wurde sie nach Hause entlassen. Seit dem hat sie von Krebs nicht mehr gehört, sagte sie, und ein verschmilztes lecheln erhelte ihre Augen. Die Familie gehörte zur polnischen Gemeinde in Bosnien, es gab dreissig Dörfer in Posavina ebene während der osterreichisch-ungarische Monarchie. Sie züchteten beste Pferde in der Gegend und waren sonst begabte Handwerker. Er hat Tischler gelernt und sein Sohn auch. Seine Augen waren dunkel. Er war selbständig, hat darum keine Pension. Alles was er hatte war ein kleines Haus in Vukovar. ˇ Dragica Rajcić »Und wie ist das mit ihrem Hass auf die Serben, auf die welche Ihnen soviel leid am ende ihres lebens angetan haben?« fragte ich Baba Kata. Sie schaute mich etwas verwundert an und sagte dan: »Mit dem hass habe ich nicht im Hut ich glaube an Gott und an Jesus Christus.« Da schwieg sie lange wie um ein Gebet auszusprechen. Ihr Mann half ihr aufzustehen und so gingen sie zum Flüchtlingsheim. Ich weiss nicht mehr, ob sie noch leben, ob ihr Haus in Vukovar repariert wird. Es wird mir in der Schweiz oft Frage gestellt nach dem hass und verzeihung. Bevor ich Antwort gebe, sehe ich Babas Kata gesicht und wiederholle diese Geschichte. Baba Kata hat das mit sich aussgemacht. Sie hat im glauben ihre wurzeln. Es gibt vielleicht noch unzählige solche Menschen in allen teilen meines Landes. Niemand spricht über sie, sie haben kein lobby, keine Pension vielleicht, sie haben ihre nexten verloren und doch beharren sie am leben und tragen ihre last mit der würde. Ihre Geschichten werden unter Rubrik »kleine Leute« vermerkt oder unter keine Rubrik, weil sie für kriegsantreiber keine gute ware sind. Man hat sie auch aus den Wahllisten gestrichen, niemand weiss, was sie einstellen könnten, wen, sie Wählen würden. Vielleicht werden sie eine Partei unter den Namen »Die schöne kette« wählen und das werde schon ende und untergang der kroatischmuslemischalbanischserbischmazedonischslowenisch-national parteien bedeuten. Vielleicht werden sie einfach diese partei »Die schöne kette« auf Europa ausdehnen, oder noch weiter. So sieht zukunft unter der Herrschaft von Schnekensammlern und tischtuchhäklerin aus. Ich hoffe und meine Stimme ist ihnen sicher. © A. Galic Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1994 1959 in Split, Kroatien, geboren, kam über Australien 1978 in die Schweiz. Sie schreibt seit 1972; Gedichte und Kurzprosa erschienen in kroatischen Zeitungen. 1988 Rückkehr nach Kroatien, Gründung der Zeitung Glas Kastela und journalistische Arbeit. 1991 nach Ausbruch des Krieges mit ihren drei Kindern Flucht in die Schweiz, Öffentlichkeitsarbeit über den Krieg in Ex-Jugoslawien. Ihre Theaterstücke »Ein Stück Sauberkeit« (1995) und »Aufliebeseen« (2000) wurden in München, Schaffhausen und am Stadttheater St. Gallen aufgeführt. Sie lebt und arbeitet als Zeitungsredakteurin in St. Gallen. 1994 erhielt sie den Lyrik-Preis Meran und 1995 den Förderpreis St. Gallen. --> Bibliografie S. 122 87 Der Liebesmantel (unveröffentlicht) 88 Die Fahrt nach Braunschweig war problemlos. Die Züge hatten keine Verspätung. Ich hatte noch fünf Stunden Zeit bis zur Lesung. Schnell verstaute ich meine Kleider im Schrank, warf einen Blick aus dem Fenster auf den bronzenen Löwen auf dem Burgplatz und ging pfeifend die Treppe hinunter. »Herr Schami! Eine Nachricht für Sie«, rief der Mann an der Rezeption und lächelte routiniert und leer. »Bitte ruf mich an! Iblisos Braun«, stand auf dem kleinen Zettel, daneben eine Telefonnummer. Warum ich das tat, was ich in den nächsten Stunden getan habe, ist mir bis heute ein Rätsel. Ich rief an. Ein Höllenlärm und dann eine Stimme, die mich erfrieren ließ. Sie hörte sich an wie das Kratzen eines Messers auf einer Glasscheibe: »Sehr nett, dass du anrufst. Könntest du mir bitte helfen? Ich werde dich reichlich belohnen.« »Wenn ich kann, gerne«, sagte ich aus Höflichkeit. »Komm schnell, bitte!« Ich verstand nichts. Wer war das? Wo sollen wir uns treffen? »Im Lokal ›Zu den vier Leichen‹, beim Elvis«, sagte er. Als ich entsetzt »Wo, bitte?« in den Hörer rief, lachte er, »›Zu den vier Linden‹«, antwortete er gekünstelt vornehm. Ihm genüge eine halbe Stunde, um mir seine Bitte vorzutragen. Das Lokal befindet sich in der Wiesenstraße, im östlichen Ringgebiet, ein schöner Stadtteil, Gründerzeit und Jugendstil. Es war voll und erinnerte mich an manche Intellektuellenkneipe in Süddeutschland. Hinten in einer dunklen Ecke winkte ein hässliches Männlein. Es grinste mich süffisant an. Die Ecke roch nach Schwefel und faulen Eiern. »Ich höre«, sagte ich und bestellte Wasser. Ich trinke nie Alkohol vor Lesungen, weil ich mein Gedächtnis zu hundert und nicht zu neunundneunzig Prozent beanspruche. Weder der mitleidige Blick christlicher Erziehung noch Kurzsichtigkeit konnte seine Hässlichkeit mildern. Es stimmte gar nichts an ihm. Gerne würde ich ihn beschreiben, würde eine detailgetreue Beschreibung nicht wie eine schlechte Karikatur wirken. Nur seine Augen waren nicht zum Lachen: Sie waren klein, kalt und böse. Er erzählte eine tragische, wirre Geschichte von einer Liebesaffäre zwischen ihm, einem armen aber jungen Teufel, und Serenada, der wunderschönen jungen Gattin des mächtigsten aber zahnlosen Satans. Er sei nun verdammt, in Braunschweig zu bleiben, seine Schöne jedoch sei in einer Gruft unter dem Petersdom gefangen. Nur mit meiner Stimme könne er die Wächter überlisten und sich bald mit seiner Geliebten vereinen. Ich bekäme mein Gewicht in Gold. Alles klang etwas überladen und übertrieben wie die Geschichten eines Anfängers. Ich hätte lachen können, oder einfach aufstehen, mich höflich verabschieden und gehen, doch er begann – als könne er Gedanken lesen – bitterlich über die Schönheit seiner Geliebten zu weinen, so dass meine Hand gegen meinen Willen seinen Arm streichelte. Und ich tröstete ihn, aber er weinte und wollte nicht aufhören. Rafik Schami Doch so sehr ich Mitleid fühlte, ich konnte ihm nicht helfen. »Warum ich?«, fragte ich, worauf er böse mit dem Zeigefinger auf einen Mann zeigte, und der Rentner, der eben noch mit seiner Frau in ein Gespräch vertieft war, begann einen frivolen Bauchtanz aufzuführen. Iblisos Braun zeigte auf einen anderen vornehmen Mann, und dieser stand auf und begann seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Das Männlein schien über einige Zauberkünste und über Macht zu verfügen. Ich warf einen Blick auf die Uhr: »Ich muss leider gehen.« »Und deine Stimme?« »Die brauche ich noch ein paar Jahre.« Er packte mich blitzschnell am Kragen: »Nur deine Stimme kann mich retten. Ich hätte dich getötet, aber die Liebe deiner Mutter hat dich ummantelt. Ich kann dir aber das Leben in Braunschweig so zur Hölle machen, dass du den Tag verfluchst, an dem du die Stadt betreten hast.« Das mit dem Liebesmantel meiner Mutter hätte mir gefallen, wäre es nicht aus seinem Munde gekommen. »Lass los«, fauchte ich ihn an. Ich konnte seinen Mundgeruch kaum noch ertragen. Er lockerte seine Finger langsam. »Solltest du bis heute Abend deine Meinung nicht geändert haben …«, zischte er. Ich hörte nicht mehr zu. Draußen herrschten sommerliche Temperaturen. Die Lesung war im Botanischen Garten unter der malerischen Süntelbuche angesetzt. Vierhundert Leute saßen erwartungsvoll auf ihren Plätzen. Ich begann zu erzählen, und das Publikum reagierte sensibel und bald vergaß ich Iblisos und wanderte mit meinen Figuren in den Gassen von Damaskus umher. Plötzlich erschien das Männlein in der letzten Reihe. Ich sprach gerade den Satz: »Und der Himmel in Damaskus war damals beinahe so blau wie hier über Braunschweig.« Einige lachten. Iblisos Braun wurde rot und zeigte mit der rechten Hand steif gen Himmel. Seine Lippen bebten. Plötzlich wehte eine starke Böe. Dunkle Wolken nahmen über uns Platz. Zwei Minuten später begann es zu regnen. Und nun erlebte ich die Überraschung meines Lebens. Die Braunschweiger blieben sitzen. Sie ignorierten den Regen und lachten wie fröhliche Kinder. Einige, die aus reiner Gewohnheit ihre Schirme mitgebracht hatten, machten sie auf. Aber alle, ob beschirmt oder nicht, spendeten mir tosenden Beifall, um zu sagen, dass sie weiter zuhören wollten. Ich erzählte, fast zu Tränen gerührt, so gut wie noch nie. Ich, dessen Heimat ihn ausgespuckt hat, finde hier, im angeblich kalten Norden, eine solche Liebe. Und diese Liebe war es, die bald einen unsichtbaren aber mächtigen Schirm aufbaute, mit dem sie die Wolken zur Seite schob. Die Sonne färbte wieder den Horizont und der Himmel klarte auf. Ich zeigte dem Männlein unauffällig meinen Stinkefinger. Er stand entkräftet und wie verschrumpelt abseits. »Aber beim nächsten Mal wirst du was erleben«, fauchte er mich von der Seite an, Schwefel und faule Eier stanken aus seinem Mund, während ich ein Buch signierte. »Braun, schweig!!!« erwiderte ich mit nassen Haaren und hüpfendem Herzen. © Root Leeb Adelbert-von-Chamisso-Preis 1993 Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1985 1946 in Damaskus, Syrien geboren. 1965 –1970 Gründung und Leitung der Wandzeitung Al-Muntalek im alten Stadtviertel von Damaskus. 1971 in die Bundesrepublik ausgewandert, Arbeit in Fabriken und als Aushilfskraft in Kaufhäusern, Restaurants und Baustellen. Studium der Chemie in Heidelberg mit Promotion 1979. 1971–1977 Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien in arabischer und deutscher Sprache. 1980 Mitgründer der Literaturgruppe Südwind und des PoLiKunst-Vereins. 1980 –1985 Mitherausgeber und Autor der Reihe »Südwind-Gastarbeiter-deutsch« und der Reihe »Südwind-Literatur«. Seit 2002 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er lebt als freier Schriftsteller in Kirchheimbolanden. Seine Bücher sind in 24 Sprachen erschienen; zahlreiche Hörspiele, auch auf MC und CD, sowie Theaterstücke und Fernsehfilme. Zahlreiche Literaturpreise, u.a. Hermann-Hesse-Literaturpreis 1994, Preis der Deutschen Schallplattenkritik 1995 und 1996, Prix de Lecture à deux voix 1996, Hans-Erich-Nossack-Preis und Storytelling World Award 1997, Heidelberger Leander für Kinderliteratur 2002, Weilheimer Literaturpreis und Kunstpreis Rheinland-Pfalz 2003. --> Bibliografie S. 123 89 . Ismet Elçi Unser Bruder berichtete, seit Tagen nichts gegessen zu haben und gefoltert worden zu sein. Vier Stunden lang habe er bei fast zwanzig Grad Minus und Schnee völlig nackt draußen im Gefängnishof stehen müssen, streng bewacht von Soldaten. Während es das erzählte, unterbrach einer der Wächter und erklärte, der Gefangene spreche nicht die Wahrheit. Er, der Wächter, wisse genau, dass unser Bruder lediglich zwei Stunden habe nackt in der Kälte stehen müssen. Ich versuchte zu verstehen, wo genau der Unterschied zwischen zwei und vier Stunden Frieren in eisiger Kälte liege. Je mehr ich nachdachte, um so lauter meldeten sich meine Gedanken. Je lauter die Gedanken wurden, um so mehr begannen nun die Bilder zu sprechen. Ich bat und schrie zum lieben Gott, dem Schöpfer des Universums, dass er die Zeit unbedingt für zwei Stunden stillstehen lasse. Er tat es. Langsam legte sich alles, Ruhe kehrte ein und tiefste Dunkelheit. Aus der gefrorenen Erde stiegen Nebel auf. Der Planet Erde bewegte sich nicht mehr, alles Denken der Menschen war ausgeschaltet. Jegliches Leben hielt inne, schien wie tot. […] Mein Bruder brach dann das Schweigen und berichtete, er sei während der Zeit, die er nackt in bittere Kälte ausharren musste, tot gewesen. Daher habe sein irdischer Körper nichts wahrgenommen und kein Zeitgefühl gekannt. Ein mitfühlender Zeitgenosse habe ihm später die Zeit genannt. Als die Ideen laut wurden »Die Muttersprache ist die Haut des Menschen, die Fremdsprache ist das Kleid, das wir tragen.« Sprichwort Auszug aus dem unveröffentlichten Text »Die Feststellung« Als ich im Februar 1991 in Berlin von der Verhaftung meines Bruders durch türkisches Militär in der Stadt Elazig erfuhr, machte ich mich sofort auf den Weg, ihn zu besuchen. Seit Jahren hatte ich nichts von ihm gehört und musste nun ins Gefängnis, um ihn zu sehen. Mit einem zweiten Bruder aus unserer ç standen wir vor der Staatsanwaltschaft und baten um BeHeimatstadt Mus suchserlaubnis. Die Staatsanwalt aber erteilte uns zunächst eine Belehrung, unser Bruder habe sich vom Separatismus zu distanzieren. Dann erst folgte die Erteilung eines Besucherscheins. Wir machten uns umgehend auf den Weg zum Gefängnis, in dem der Bruder bereits seit zwei Monaten saß. Das hatten wir aber erst eine Woche vorher erfahren. Voller Freude begrüßten wir ihn, nachdem wir siebenmal, entsprechend der Anzahl der Gefängnistore, durchsucht worden waren und siebenmal die gleichen Fragen beantwortet hatten. Sieben Wächter überwachten uns und eben so viele den gefangenen Bruder. Wir drei unterhielten uns, voneinander durch dicke Gitterstäbe getrennt, in türkischer Sprache. Kurdisch war verboten. Und gerade wegen diesem Verbot saß der Bruder im Gefängnis; kämpfte er doch für den Sieg der verbotenen Sprache. 90 Dann überlegte er und wandte sich den Wächtern zu, sprach mit ihnen in kurdischer Sprache, die auch sie verstanden. Er habe sie doch während der Kälte gebeten, ihn zu töten. Er bitte erneut um den Tod, er könne den Schmerz der eisigen Kühle, die sich seitdem auf seinen Körper gelegt habe, nicht mehr aushalten. Doch die Wächter verweigerten dies. Da bat ich sie, den Bruder zu töten. Sie fragten: wozu? Ich antwortete, damit meine Augen wahrnehmen und mein Gehirn sich in Bewegung setzen könne. Sie fragten: wozu? Ich antwortete, damit auch ich ein Ungeheuer Mensch werde. Sie fragten abermals: warum? Ich antwortete: »Damit wir als Menschen neu geboren werden und wir unsere Muttersprache, die kurdische Sprache, befreien.« Während ich noch auf eine weitere Gegenfrage wartete, ertönte eine Stimme: Uns seien bereits einige Befreiungsmöglichkeiten geschenkt worden, eine Wiederholung werde es nicht geben. Jetzt versuchten die Wächter mit Hilfe von herbei gerufenen Soldaten, das Verbot der kurdischen Sprache durchzusetzen. Wir aber wurden noch lauter, und die Ideen, die Bilder, liefen schneller. Sie sprengten mit ihrer Unaufhaltsamkeit alle Dimensionen und zerstörten bald die Mauern des Gefängnisses. Da entschlossen wir uns, unendlich weiter zu kämpfen. Unseren Kampf begleiteten Tausende von Stimmen, die in unserer Muttersprache erklangen. Niemand konnte uns mehr aufhalten, und der Sieg war unser. […] © privat Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1993 ç Ostanatolien, als 1964 in Mus, Kurde geboren. Im Alter von 15 Jahren kam er mit seinem Vater, einem streng religiös lebenden Moslem, nach Berlin. Arbeit in einer Textilfabrik und Deutschunterricht in der Abendschule. Seine heimliche Liebe zum Film wurde zur Leidenschaft: 1986 drehte er seinen ersten Kurzfilm »Das letzte Rendezvous«, im gleichen Jahr folgte sein erster Spielfilm »Kismet, Kismet«. Der vom ZDF hergestellte dreiteilige Fernsehfilm nach seinem ersten Roman Sinan ohne Land wurde 1989 mit dem Civis-Preis ausgezeichnet. Es folgten 1990 der Kinofilm »Dügün – die Heirat« und 1995 der Film »Cemile oder das Märchen von der Hoffnung«. Neben seinen Arbeiten als Regisseur und Autor hat Elçi in zahlreichen Filmen als Schauspieler und Berater mitgewirkt, gründete 1997 den Orient Filmverleih, drehte Werbespots und Musikclips. 2002 erhielt er ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung. --> Bibliografie S. 118 91 © Anita Schiffer-Fuchs Adel Karasholi Adelbert-von-Chamisso-Preis 1992 Gedichte Aus: Daheim in der Fremde, 1984 Brücken schlagen Von mir Zu mir Des Regens Flüstern Im Ohr der Bäume Abtasten die Poren der Welt Im Dunkeln Noch Wir sind nur so fremd, wie man uns als Fremde sieht Aus der Begrüßungsansprache anlässlich der zweiten Chamisso-Tage in Leipzig 2001 92 Nach einer Lesung in der Nähe von Leipzig stand einmal ein junger Lehrer auf und sagte fast wörtlich: »Als mein Freund mich hierher mitschleppte, war ich sehr skeptisch. Nachdem ich nun Ihre Gedichte hörte, muss ich sagen: Hut ab. Ich hätte nie gedacht, dass ein Ausländer, zumal ein Araber, solche Gedichte in deutscher Sprache schreiben könnte«. Ich habe mich für diese Beleidigung natürlich herzlich bedankt und erwidert, dies liege vielleicht nur daran, dass ich bestimmt länger als er in Deutschland gelebt habe. In solchen Lesungen lobt man auch in meinen Gedichten oft eine Modernität, die fast europäisch sei. Offensichtlich glaubt man, dass arabische Dichter sich in einem abgeschlossenen, isolierten, von allen Seiten abgesperrten Raum befänden, wo die Luft ausschließlich von orientalischen Gewürzen übersättigt ist und die Landschaft nur aus Sand, Kamelen, Märchen, fetten Bauchtänzerinnen und neuerdings womöglich lauter Fanatikern und Terroristen besteht. Man erstaunt, wenn ich mich nicht fortwährend mit Ali Baba und seinen vierzig Räubern herumschlage oder Aladin und seine Zauberlampe bemühe, vielmehr zuweilen die Fesseln von Tausendundeine Nacht sprenge und wie alle Schriftsteller dieser Welt die Geschehnisse in den Tag oder aber vor allem in den Innenraum verlege. Ich war noch nicht zwanzig Jahre alt, als ich Biographien von Lord Byron, Rimbaud und Heine las. Dichter wie Neruda, Hikmet, Tagore oder Lorca gehörten ebenso zu meiner Lektüre wie der Koran, Tausendundeine Nacht, die Psalmen und das Hohe Lied Salomos. Autoren wie Dostojewski oder Cechov, Balzac oder Kafka, Sartre oder Hemingway, um nur einige Namen zu nennen, aber auch Figuren wie Goethes Faust und Werther saßen in den fünfziger Jahren oft so hautnah neben uns in den orientalischen Cafes, als rauchten sie unsere Wasserpfeifen mit. Literatur ist Literatur. Sie kann alles sein, muss aber vor allem Literatur bleiben. Sie vermag, Grenzen unbekümmert zu durchbrechen. Sie braucht weder Visum noch Staatsbürgerschaft. Ihre Identität liegt im Ästhetischen, nicht im Soziologischen. Andererseits entscheidet über den Standort eines literarischen Werkes nicht nur die Sprache, sondern auch der Realitäts- und Adressatenbezug. Und wenn Literatur überhaupt als Vermittlerin zwischen den Kulturen und zwischen den Varianten des Menschlichen zu fungieren imstande wäre, dann nur von innen heraus und in ihrer Summe, nicht aber im operativen Appell, der eine direkte Adressierung nach außen voraussetzt … Heute kann diese neue deutschsprachige Literatur in der Tat nicht mehr einfach ignoriert, in einem Schubfach abgelegt, mit einer flüchigen Äußerung oder einer Fußnote beiseite geschoben werden. Sie hat sich längst in der beleuchteten Kulturszene Deutschlands etabliert und den Beweis erbracht, dass sie weder, wie es manchmal in einschlägigen Abhandlungen heißt, eine »Projektnische im Sektor der assimilatorischen Sozialpädagogik« noch ein »Manipulator zur Ethnisierung sozialer Gegensätze und Konflikte« ist. Sie ist schlicht und einfach Literatur, sogar nicht selten eine sehr gute… 1936 in Damaskus, Syrien, geboren. Als jüngstes Mitglied des arabischen Schriftstellerverbandes mußte er nach dessen Verbot 1959 Syrien verlassen. Er kam über Beirut, München und WestBerlin 1961 nach Leipzig, wo er seitdem lebt. Er studierte am dortigen Literaturinstitut und promovierte 1970 über das Theater Brechts. 1968 bis 1993 Lektor an der Universität Leipzig, seither freier Schriftsteller, 1985 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Leipzig. --> Bibliografie S. 120 93 Galsan Tschinag Jahren schon sehr oft gedacht und alle Male nur für sich behalten hatte. Aber dabei hat er die Wahrheit dessen, was er dachte, nur selten so heftig empfinden können, empfinden müssen wie soeben. Und dies ist schon immer eine süßbittere Wahrheit gewesen. So auch jetzt. Aus dem Roman Die neun Träume des Dschingis Khan 94 Nach und nach fiel ihm ein, was sich alles zuvor ereignet hatte. Und er folgerte aus der Abfolge dessen und aus dem, was darüber, unsichtbar zwar, aber spürbar gelegen hatte, was dann geschehen sein musste. Jetzt merkte er, dass er von Menschen umgeben war. Wie sonst denn auch, dachte er dazu. Sollte man ihn etwa allein lassen, den Geiern und Füchsen, seinem Schicksal überlassen, weil er, wie auch immer, das Bewusstsein verloren hatte und zu einem gefällten Mensch-Baum geworden war? Und dabei spürte er, dass er auf einem weichen dicken Polster und unter einer ebenso weichen und warmen Decke lag. Wie es sich gehört, dachte er dazu lässig, was daraufhin in ihm ein heftiges, dankbares Gefühl auslöste, dass ihm die Tränen aufzukommen drohten, die er jedoch niederzuhalten vermochte. Wie gut, dass er nicht irgendwer, sondern Dschingis Khan war! Dies war ein Gedanke, den er in den Ja, der dankbare Gedanke an das eigene herausragende Schicksal ließ ihm – zum wievielten Male nun! – alle anderen menschlichen Geschöpfe mit ihrer niedrigen Herkunft und dementsprechenden Schicksalen vor seinem inneren Auge sogleich erstehen und erstarren: Eine endlose graudunkle Wolke aus zahllosen Schwärmen Gesichts- und Namenloser. Einen satten Bruchteil davon bildeten seine Krieger, ohne die er nichts wäre. Und wie viele von ihnen werden zur Stunde wie er ohnmächtig am Boden liegen, verletzt und beschädigt am Leib? Am winterkalten, steinharten Boden aber! Und wie vielen jener Verwundeten wird ein Mensch helfend zur Seite stehen? Viele dieser blutjungen Männer, bei der Schlacht für ihn vom Pech erwischt, werden sterben, während er alter Mann, wahrscheinlich genesen und zu allem, was sich Leben nennt, zurückkehren würde! Es war ungerecht, aber was sollte man da tun? Wäre er nicht gerade Dschingis Khan geworden, wäre er bestimmt unter die Peitsche eines anderen gekommen und hätte für ihn den Säbel schwingen und den Bogen spannen müssen. Und wie oft hätte er schon in den vielen Jahren des endlosen Krieges in die Krallen des Todes geraten können, und mittlerweile wäre von ihm bestenfalls eine Handvoll Knochensplitter irgendwo auf einem der zahllos vielen Schlachtfelder entlang des Erdkörpers noch übrig geblieben. So war der Verlauf der Dinge und das Schicksal des Menschen eben. Und weil es nun einmal so war, konnte ihn keiner mehr beschuldigen, dafür, dass gerade er zu Dschingis Khan geworden war und es ihm daher besser erging als allen anderen. Dabei sollte sich ein jeder, den er unterworfen und für sich hat kämpfen und sterben lassen, noch glücklich wähnen, weil er wenigstens Untertan eines siegreichen Herrschers war, denn wie viele gab es noch, die von Niederlage zu Niederlage stolperten, wodurch ihre Untertanen seelisch verwundet und verkrüppelt und schon tot waren, bevor dann auch noch ihre Körper vom Tod erwischt wurden! Was ihn wohl nicht nur berechtigte, sondern auch verpflichtete, den Huldigungen der Untertanen, er sei ihr Wohltäter, Glauben zu schenken. © Rosemarie von Schnoy Adelbert-von-Chamisso-Preis 1992 Galsan Tschinag, eigentlich Irgit Schynykbaj-Oglu Dshuruk-Uwaa, geboren und aufgewachsen Anfang der 40er Jahre im AltaiGebirge in der Westmongolei. Seine Nomadenfamilie gehört zum turksprachigen Volksstamm der Tuwa. 1961 kam er nach Leipzig, lernte Deutsch, studierte Germanistik und schreibt seit dieser Zeit auf deutsch. Nach seiner Rückkehr in die Mongolei unterrichtete er Deutsch an der Staatsuniversität, bekam 1976 aus politischen Gründen Berufsverbot und arbeitete bis 1987 für die Gewerkschaftszeitung Hödölmör. Übersetzungen deutscher Literatur ins Mongolische. 1987–90 Herausgeber der Zeitschrift Setgüültsch (Der Journalist) und Lektor bei MongolKino. Verfilmung seiner Erstlingserzählung Eine tuwinische Geschichte. 1995 führte er als Fürst und Stammesoberhaupt die weit über das Land verstreut lebenden Tuwa mit einer Karawane in die angestammte Heimat zurück. 1995 erhielt er den PuchheimerLeserpreis, den Mongolischen Orden des Roten Arbeiterbanners, 2001 den Heimito-von-DodererPreis und 2002 das Bundesverdienstkreuz. www.galsan.info --> Bibliografie S. 124 95 »Kafka auf deutsch zu lesen, war eine Offenbarung für mich. Er hat mich ermutigt zu schreiben, in einer Sprache, die nicht die meine war und in der ich nie sicher bin. […] Ich brauche zum Schreiben die lebendige deutsche Sprache um mich, aber es ist teuer erkauft, durch zwanzig Jahre Exil, zwanzig Jahre Abwesenheit von Prag.« Aus: Der Taumel. Mit einem Nachwort von Michael Krüger © 2000 Carl Hanser Verlag, München/Wien 96 Eine Bahnfahrt nach S., in die kleine Stadt, wo er eine Klasse junger Restaurateure ausbildete. Zweimal Umsteigen. Das Schwindelgefühl hatte in der letzten Zeit zugenommen, dazu Magenschmerzen, Flirren vor Augen, Kribbeln in Arm und Bein, beide kalt und starr vor mangelnder Durchblutung. Die Tasche von Station zu Station schwerer geworden als bei seinem Aufbruch von zu Hause. Dabei hatte er sie mehrmals in der Hand gewogen, überlegt, was noch zurückbleiben sollte. Er hatte den Inhalt aufs Minimum reduziert, die Bücher, aus denen er lesen wollte, die Malerutensilien. Die Pyjamahose, die er nie trug, ließ er zu Hause liegen, auch die Handtasche, so daß er die Bücher für den Vortrag in einer Plastiktüte tragen würde, was provinziell aussah. Darüber hatte er nie nachgedacht, die Leute sollten ihn so nehmen, wie er war, wie die Barnabasschen den Landvermesser. Eine Frau auf dem Sitz über den Gang nieste dreimal, laut, ohne Taschentuch, jedesmal fuhr er zusammen, erschrocken. So weit war es also schon mit ihm gekommen. Der Personalwechsel bot den Kontrolleuren Gelegenheit, ihn wieder zu wecken, nach den Fahrscheinen zu fragen, ihn suchen zu lassen. Bei jeder Fahrscheinkontrolle, in der Straßenbahn, in der Metro, im Bus, zuckte er zusammen, wie ertappt, und suchte nach dem Fahrschein, den er jedesmal sorgfältig aufbewahrte und dann doch nicht finden konnte. In den unmöglichsten, unwahrscheinlichsten Ecken und Taschen, in den mitgeführten Büchern suchte er vergeblich, in den Außen- und Innentaschen des Mantels und der Reise- und Handtasche, dann war er im Portemonnaie, wohin er ihn sorgfältig gesteckt hatte, neben dem Geld für die Strafgebühr, die er schon bereit war zu zahlen, froh darüber, daß er genügend bei sich hatte. Der Kontrolleur, der schon seinen Strafzettel gezückt und bereits angefangen hatte, ihn auszufüllen, war enttäuscht wie die Mitfahrenden, auch gereizt wegen der verlorenen Zeit, in der sich die übrigen Schwarzfahrer bereits in einen anderen Wagen zurückziehen konnten, weit genug, die nächste Station ohne Kontrolle zu erreichen, oder auf die Toiletten zu gehen und sich dort noch andere Tricks und Ausreden zu überlegen. Notfalls gar nicht zu öffnen und einen Ohnmachtsanfall vorzutäuschen. Brandls Ohnmachtsanfälle ließen die Kontrolleure völlig kalt, sie bemerkten sie gar nicht. Er versuchte sie auch zu vertuschen. Lächelte zur Entschuldigung, wenn er geschlafen hatte und von ihnen grob geweckt wurde. Nicht sie, er entschuldigte sich. Sie schlugen bestenfalls einen jovialen Ton an, wie um seine Schwäche, als wäre es sein Fehler, zu überspielen. Nicht sie, er war an der Verzögerung schuld, er war der Sand im Getriebe, in dem sie das Öl waren, mit ihrem jovialen Ton, ihren Schmerbäuchen und Plattfüßen. Er fiel noch einmal in einen Dämmerzustand, aus dem er mit der Meldung einer technischen Störung gerüttelt wurde. Eine ungeübte, rohe Stimme, es war nicht zu verstehen, ob es einen technischen Schaden gab oder ob er bereits behoben war. Der Zug fuhr weiter – keine besonderen Vorkommnisse. Dann wurde ihm ernstlich schlecht. Die weitere Meldung, nach weiterem Dämmern: in wenigen Minuten erreichen wir … die Stimme wiederholte die Meldung noch einmal, mit der Aufzählung aller vorherigen und aller nachfolgenden Stationen, wo sich der Zug in den nächsten zwölf Stunden befinden würde. Diese sinnlosen Wiederholungen, die vertraute Traumszenerie, der er hilflos ausgesetzt war, das Suchen nach dem Fahrschein, seine Schwäche, die Unmöglichkeit, dieses Treiben, diese unsinnige Fahrt zu unterbrechen, als käme er aus diesem Gespenster-Zug gar nicht heraus … Endlich hielt der Zug an. Er stieg in L. aus. Zwei Männer trugen einen Sarg über die Straße. Einen braunen, unauffälligen Sarg. Sie gingen diskret, schnell, obwohl an ihrer Haltung und ihrem Gang zu merken war, daß der Sarg nicht leer war. Es war nicht die Bahnhofstraße, sondern eine Nebenstraße, leer, aber auch die Bahnhofstraße war fast leer, es war spät, dämmrig, leichtes Nieseln. © Renate von Mangoldt ˇ Moníková Libuse 1945 in Prag geboren. Studium der Germanistik und Anglistik und Abschluß mit einer Promotion über Shakespeare/Brecht Coriolan. Sie lebte seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland und arbeitete über Franz Kafka, Jorge Luis Borges und Arno Schmidt. Lehrtätigkeit an den Universitäten Kassel und Bremen. Für den Roman Die Fassade, der in elf Sprachen übersetzt wurde, erhielt sie den Alfred-Döblin-Preis. Libuse Moníková ist am 12. Januar 1998 in Berlin gestorben. --> Bibliografie S. 120 ^ Adelbert-von-Chamisso-Preis 1991 97 Auszug aus Selbstauskunft Geboren wurde ich am 6. September 1929 in Teheran. Mein Vater hatte in den dreißiger Jahren in Berlin an der Charité Medizin studiert und bei Sauerbruch promoviert. Er beschloß, seine zwei Söhne in Deutschland erziehen zu lassen. Ein solcher Entschluß wäre unverantwortlich, hätte man ein Kind aus einer Geborgenheit gerissen. Doch ich war in einer magischen Welt aufgewachsen, in der das Bedrohliche vorherrschte. So vertauschte ich eine Benommenheit mit einer anderen, als ich 1937 nach Berlin kam. Das Gefühl der Unwirklichkeit verließ mich in der neuen Umgebung nie, während die regenerativen Kräfte für Orientierungspunkte sorgten: Innerhalb eines Jahres hatte ich die Berliner Floskeln, die ich für meine Streifzüge auf dem Roller in der Fasanenstraße vonnöten hatte, auswendig gelernt. Noch immer ist es mir ein Rätsel, welche orientalischen Tricks in Anwendung gebracht wurden, daß ich kaum drei Jahre später in das renommierte Arndt-Gymnasium in Dahlem aufgenommen wurde. Durch die Schludrigkeit eines Vormunds, der die Möglichkeit, meinen Bruder und mich in die Schweiz zu bringen, ungenutzt ließ, blieb ich bis Kriegsende in Deutschland. Als ich im Sommer 1945, nach acht Jahren Trennung, wieder nach Persien kam, hatte ich die persische Sprache verlernt. Beschämt hörte ich die Fragen meiner Mutter in persischer Sprache, auf die ich nicht antworten konnte. Langsam wurde mir meine Muttersprache wieder vertraut, doch der Wiedergewinn an Sprache reichte nicht aus, um in einer Klasse meiner Altersgruppe eine persische Schule zu besuchen. Auf meinen Wunsch wurde ich in die Schweiz geschickt, um meinen Schulbesuch fortzusetzen. In Zürich schrieb ich meine ersten Gedichte, die 1948 in der Zeitung Die Tat gedruckt wurden, deren Literaturteil Max Rychner leitete. Auf einigen Umwegen begann ich schließlich 1952 mit dem Studium der Germanistik in München. Einige Schatten hieß das erste Gedichtheft, das von mir in der Reihe »Dichtung unserer Zeit« 1956 im Limes Verlag erschien. Zwei weitere Gedichtbände wurden vom Hanser Verlag herausgebracht. Seit Anfang der sechziger Jahre lebte ich abwechselnd in Teheran und in London. In London entstanden viele Gedichte und Prosastücke, die in dem Buch Doppelte Wahrheit zusammengefaßt wurden. Die unvergessene Hilde Claassen erklärte sich bereit, meine Gedichte und Übersetzungen zu drucken, allerdings ohne Anspruch auf ein Honorar. Ich wohnte in den Belsize Park Gardens, heimisch in der Nachbarschaft jüdischer Emigranten; unweit, in der Thurlow Road, wohnte Elias Canetti, den ich häufig besuchte. Obschon oder gerade weil ich die englische Sprache liebe, beschäftigte mich unablässig das Problem der Sprache für den Dichter, der im Exil oder längere Zeit fern von seiner Heimat lebt. Zunächst schien mir die Distanz zur Sprache fruchtbar und womöglich die Sprachkraft des Dichters steigernd; eine zu lange Trennung vom Resonanzboden der Sprache konnte andererseits Erosionen auslösen, die zu Sprachverfall und zunehmender Abstraktion führten. Meine eigene Sorge war, daß das Echo der Sprache im Ohr erlöschen könnte, wenn die gesprochene Sprache es nicht wieder akkumulierte. © Brigitte Friedrich Cyrus Atabay Adelbert-von-Chamisso-Preis 1990 Der Osten sagte zu dir erzähl mir deine Herkunft der Westen sagte zu dir erzähl mir deine Wandlung 1929 in Teheran, Iran, geboren. 1937– 45 in Berlin, ab 1952 Studium der Germanistik in München, danach wechselnde Wohnorte in Europa und im Iran. 1978 erhielt er – durch die iranische Revolution staatenlos geworden – in London Asyl. Seit 1983 lebte er in München als Staatenloser und freier Schriftsteller. 1990 wurde er mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. Cyrus Atabay starb am 26. Januar 1996 in München. --> Bibliografie S. 116 doch der eine ließ dich nicht der andere fiel dir ins Wort Laßt dem Alten sein graues Haar er will etwas erzählen was euch beiden gefällt Stadtplan von Samarkand Verschlagen in die Smogstädte, die sich von den Ausscheidungen der Maschine nähren, war ich verloren, Stockung an der Paßkontrolle der sich immerhin einmal du bist jetzt Emigrant zu Hause im in der Unterwelt zurechtfand. Woanders Ach, ich kannte andere Städte, schönes Wort Vergangenheitsdasein deren Maße die Musik Händels es gewährt dir Asyl ein Sommergarten in Architektur übersetzten. Bignonienranken hängen über das Gittertor Im Stadtplan von Samarkand Feuerdorn säumt den Weg zum Haus fand ich den Garten ein Wort wie ein Granatapfel und die Karawanserei, die Körner auf der Schwelle – auch die Straße, ein überlieferter Brauch in der du wohnst – ist das Zugrundegehn ich bin ein Reisender, es söhnt dich aus mit allem unterwegs nach Samarkand. Alles aus: Poet und Vagant. Der Dichter Cyrus Atabay 98 99 Alev Tekinay Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1990 Du redest, denkst und träumst in zwei Sprachen, aber in keiner bist du zuhause. Zwei Stiefmuttersprachen also, im Kopf-an-Kopf-Rennen, zwei Rabenmütter, verflucht nochmal. Reden ist vielleicht immer schon nicht meine Stärke gewesen. »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Und dieses Schweigen beinhaltet vieles, z.B. Denken, Träumen und – Schreiben. Ich sah die Sprache nun nicht mehr als Mutter und suchte nach neuen Definitionen: … am liebsten ein Zug, ein Bosporus-Alpen-Expreß, ständig unterwegs: Hin und her, hin und her, das gleichmäßige Donnern der Räder. … eine grüne Steppenlandschaft mit sauberen Straßen und einer warmen Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Gibt es das überhaupt? Sobald die Straßen sauber sind – wie in einer Klinik – mangelt es an Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Die Realität: Es gibt keine grüne Steppe. Eines Tages wußte ich plötzlich: die Sprache war ein Haus, in dem die beiden Heimatländer zusammengeschmolzen waren. Schreiben – ein Drang in mir. Die Feder ist der Rebell des goldenen Schweigens und hilft mir beim Bauen meines Hauses. Das Haus hatte einen Garten mit bunten Blumen, jede Blume war ein deutsches oder türkisches Wort, ein Zauberwort. Das leise Plätschern des Springbrunnens war ein deutsch-türkisches Lied. Das Haus hatte viele Zimmer, deren Türen nicht verschlossen waren. Jedes Zimmer war ein Kapitel aus der deutschen oder türkischen Grammatik. Das ganze Haus war so schön, wie ein deutsch-türkisches Gedicht, schöner und stabiler als die Burg, und das Burgfräulein war kein Burgfräulein mehr, sondern die Hausherrin. Es hatte sie Jahre gekostet, bis sie dieses Haus Stein für Stein gebaut hatte. Dazwischen Jeden Tag packe ich den Koffer © privat Aus: Die Deutschprüfung ein und dann wieder aus. Morgens, wenn ich aufwache, plane ich die Rückkehr, aber bis Mittag gewöhne ich mich mehr an Deutschland. 1951 geboren in Izmir, Türkei. Nach dem deutschen Abitur studierte sie in München Germanistik und schloß mit der Promotion zur Dr. phil. ab. Sie unterrichtet Deutsch als Fremdsprache und Türkisch an verschiedenen bayerischen Universitäten. --> Bibliografie S. 124 Ich ändere mich und bleibe doch gleich und weiß nicht mehr, wer ich bin. Jeden Tag ist das Heimweh unwiderstehlicher, aber die neue Heimat hält mich fest Tag für Tag noch stärker. Und jeden Tag fahre ich zweitausend Kilometer in einem imaginären Zug hin und her, unentschlossen zwischen dem Kleiderschrank und dem Koffer, und dazwischen ist meine Welt. Aus: Die Deutschprüfung 100 101 So nahm Gott dem listigen Menschen die Fähigkeit zu fliegen. Und seine Flügel taugten plötzlich nichts mehr. Er sackte auf das Wasser und begann zu versinken und zu ersaufen. Dabei flennte er Gott den Schöpfer an, ihn bitte, bitte nicht ersaufen zu lassen und tat Buße … Gott sagte: »Ich gab dir den Verstand nicht für die List, sondern für die Liebe …« Und Gott der Erbarmer vergab ihm und gab ihm alle Fähigkeiten zu überleben – doch fliegen durfte er nicht mehr. Nur um der Liebenden willen dreht sich der Himmel Auszug aus dem gleichnamigen Essay Eine Schöpfungsgeschichte 1 Es war einmal … Es war keinmal … Die Zeit war noch graue Vorzeit … Der Raum war noch grauer Vorraum … Vorraum und Vorzeit waren angefüllt von Wasser. Es gab nichts als Wasser. Und Gott, der Große Schöpfer, blickte unentwegt auf das Wasser… Er starrte und starrte auf das Wasser und langweilte sich nach einer Weile, die keine Weile war und keine Zeit, er langweilte sich ob des bloßen Starrens … Und er beschloss, den Menschen zu erschaffen. Und so geschah es. Der Mensch wurde von Gottes Hand erschaffen aus Wasser, aus einem Tropfen Wasser. 2 Der Mensch hatte Flügel wie ein Schwan, damit er über dem Wasser schweben konnte. Er flog hin, er flog her, er flog kreuz und quer… Doch das bloße Herumfliegen über dem Wasser langweilte den Menschen bald. Er wollte sich nicht länger mit der Herumfliegerei begnügen. Er wollte hoch hinaus in die oberen Sphären steigen. Von quälender Neugier gepackt … Und er ersann sich List und Trug, Gott, seinen Schöpfer hinters Licht zu führen, zu noch höheren Sphären zu kommen. Was er jedoch nicht wusste, dass List und Trug den Verstand verleitete, den Gott gegeben, damit der Mensch Gutes ersinne. 3 So konnte er nicht ahnen, dass Gott, der Große Schöpfer, der ihm den Verstand gab, natürlich auch seine geheimsten Gedanken und Wünsche kannte. Dass er, der Mensch, also das Geschöpf, vor seinem Schöpfer nichts aber auch gar nichts verbergen konnte. 102 4 Das Geschöpf Mensch brauchte nun etwas Festes unter den Füßen. So ließ Gott aus der Gischt der Wasser einen Stern emporsteigen. Gott hieß den Menschen, eine Handvoll Erde von diesem Stern zu nehmen und sie übers Wasser zu streuen. Und so machte er es. Er streute die Erde aufs Wasser. Daraus wuchs eine Insel, und der Mensch hatte nun festen Boden unter den Füßen. Doch das Wesen des Menschen war von Gott bewusst nicht vollkommen geschaffen, damit der Mensch seinen Verstand benutze und sich selbst bilde. Und in diesem Wesen waren Antipoden zusammengeführt, so auch Ehrlichkeit und Falschheit. Der Verstand – Gott gegeben – hatte die Möglichkeit, zwischen gut und böse zu scheiden und sich zu entscheiden. 5 Der Stern leuchtete so hell und so schön, dass dem Menschen die Sinne ganz taub wurden. Hingerissen von dieser Schönheit nahm er sich heimlich eine zweite Handvoll von dem die Sinne betäubenden Stern und steckte sie hastig in den Mund. Auch diesmal behielt also die List des Menschen die Oberhand. Doch die Sternenerde im Mund wuchs und wuchs unversehens und beinahe wäre ihm der Mund zerplatzt und zerfetzt. Einmal mehr bettelte er den Großen Schöpfer reuevoll an, ihn von dieser Plage zu befreien. Gott befahl ihm, die Erde im Mund auszuspucken. Er tat es und daraus entstanden die Gebirge. © Anita Schiffer-Fuchs Yüksel Pazarkaya Adelbert-von-Chamisso-Preis 1989 1940 in Izmir, Türkei, geboren. 1958 kam er zum Studium der Chemie nach Stuttgart, das er 1966 abschloß. Danach Studium der Germanistik, Promotion zum Dr. phil. 1972. Tätigkeit als Fachbereichsleiter an der Volkshochschule in Stuttgart. Von 1986 bis 2002 Redaktionsleiter beim Westdeutschen Rundfunk in Köln, unterbrochen 1994 durch einen Aufenthalt in den USA als Writer in Residence an der Washington University St. Louis. Seit 1960 schreibt er Gedichte auf türkisch und deutsch. 1980 – 82 Herausgeber der zweisprachigen Zeitschrift Anadil. Außer mehreren Literaturpreisen in der Türkei erhielt er 1987 das Bundesverdienstkreuz, 1994 den Kinderbuchpreis des Berliner Senats. Im Frühjahr 2000 hatte er die Chamisso-Poetik-Dozentur an der TU Dresden inne, seit 2003 lebt er als freier Schriftsteller in Bergisch-Gladbach. 2006 erhielt er den Ehrendoktor der Universität Çanakkale. --> Bibliografie S. 122 6 Dabei gelangte jedoch ein Staubkörnchen in seinen Körper. Und im Brustkorb wuchs dieses Staubkörnchen. Vor allem eine Seite schwoll an, wurde immer dicker. Schließlich konnte er die Wehen nicht mehr aushalten. »O großer Gott, erbarme Dich meiner«, sprach er zu Gott. Gott, der Große Schöpfer, nahm ihm die dick geschwollene Rippe heraus und befreite ihn von seinem Leiden. Die herausgenommene Seite erschien als eine wunderschöne Frau, die der Mann ebenso stark begehrte wie den blendenden Stern. 103 Hart an Gott vorbei © Günther Kresser Elazar Benyoëtz Adelbert-von-Chamisso-Preis 1988 Schlussgespräch und nur knapp mit dem Leben Noch führst du große Reden, davon bald stehst du im Wort, allein blattleis und dellyrisch Bald ist das Wort, in dem allein du stehst, mich aufgegeben in deinen Augen zu lesen und von mir nicht Abschied genommen Du bist mein Anfang an jedem Ende, und möchte es das bitterste sein; deiner gedenkend beginne ich täglich Ich von vorn stehe vor dir, Alles habe ich hinter mir, bestehe die Hoffnung eingeschlossen; und falle es ist volldacht, beständig. ich bin dir wo magst du zugetan mich suchen, 1937 in Wiener Neustadt geboren, lebt seit 1939 in Jerusalem. Nach dem Tod des Vaters 1943 entstanden die ersten Verse, mit zwölf Jahren publizierte er sein erstes Gedicht auf hebräisch, mit 16 entdeckte er die deutsche Literatur. 1963 – 68 lebte er mit Unterbrechungen in Deutschland und arbeitete an einer Bibliographia Judaica. Seit den 60er Jahren erschienen zahlreiche Bücher mit Essays, Aphorismen, Gedichten in deutscher Sprache. Benyoëtz ist Mitglied der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 1997 erhielt er das Bundesverdienstkreuz und 2002 den JosephBreitbach-Preis. --> Bibliografie S. 116 wenn ich dich gefunden habe »Rede nicht, lass redlich deine Stimme sprechen ich komme hinterher« 104 105 Dialog über die dritte Sprache Deutsche Türken und ihre Zukunft Auszug aus: Atlas des tropischen Deutschland Das Mädchen, bei dem ich bei meinem Aufenthalt in Istanbul jeden Tag Zeitungen kaufte, fragte mich einmal, ob ich Deutscher oder Türke wäre. Als sie merkte, daß ich über ihre Frage staunte und mit der Antwort zögerte, sprach sie, wie für mich, weiter: Ich bin sehr glücklich darüber, kein Deutscher zu sein. Deutscher in Deutschland zu sein, ist doppelt schwer. Wieso? Es gibt viele Völker, die sich selbst nicht leiden können und die deshalb beginnen, andere zu hassen. Aber sie lieben ihr Land, die Landschaft, die Luft, das Klima, in dem sie leben. Den Haß in ihrem Kopf gleichen sie durch ihren Körper aus. So wie die Türken, entgegnete das Mädchen. In letzter Zeit kommen viele hierher, um Türkisch zu lernen. Türken oder Deutsche? fragte ich zurück, in der Hoffnung, einer Antwort auf diese Weise ausweichen zu können. Solche wie du, weder noch. Oder beides, sagte ich. Ich kann doch Türkisch und lese täglich Zeitungen und Bücher in beiden Sprachen. Und wo ist deine Heimat? fragte das Mädchen zurück. Heimat! Wer hat denn diesen Begriff erfunden, und von wem hast du es, entfuhr es mir, obwohl ich mich innerlich ruhig und ausgeglichen fühlte. Du mußt sehr traurig sein. Bist du mir böse? Ich bin nicht traurig. Ich lebe in Deutschland und bin glücklich dort. Ich bin dort aufgewachsen, weißt du. Ich kenne dort fast jeden Winkel. Machst du Urlaub hier? Endlich eine Frage, die ich beantworten kann, weil die Antwort anders ausfallen wird, als was sie sich denkt, ging mir durch den Kopf. Nein, ich arbeite hier. Ich bin hierher gekommen, um ein Buch zu schreiben. Ein Buch über die Deutschen. Ein Buch über die Deutschen? Über die, die du kennst oder auch über welche, die du nicht kennst? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich glaube, die Deutschen im allgemeinen sehr gut zu kennen. Die Deutschen aber, sie können weder sich selbst leiden noch ihr Land. Sie hassen mit Kopf und Körper. Deshalb brauchen sie auch Distanz zwischen sich und den anderen. Eine Art Pufferzone. Die anderen verstehen es meistens nicht, aber das ist nur zu ihren Gunsten. Ein Hygienegürtel, der die Übertragung von Keimen hemmt. Man muß sich ja nicht gleich um den Hals fallen. Aber sie fahren so viel in der Welt herum. Auch hier sind viele. Das ist nur um den anderen zu zeigen, wie stark und überlegen sie sind. Außerdem, wie ich dir schon sagte, sie fühlen sich ja zuhause unwohl. Es ist viel zu kalt und voller Fabriken und Autobahnen. © Doris Poklekowski Zafer Ç Senocak Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 1988 1961 in Ankara, Türkei, geboren, seit 1970 in Deutschland. Er studierte in München Germanistik, Politik und Philosophie. Seit 1979 Veröffentlichungen von Gedichten, Essays und Erzählungen in deutscher Sprache, seit Mitte der 80er Jahre Arbeit an literarischen Übersetzungen türkischer Autoren. Er lebt seit 1990 in Berlin, arbeitet für verschiedene Zeitungen und Radiosender zum Themenbereich Orient-Okzident und zur türkischen Kultur und Literatur. Außerdem ist er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Sirene. Er erhielt zahlreiche Stipendien. --> Bibliografie S. 123 Das stimmt doch gar nicht, protestierte das Mädchen laut. Ein Onkel von mir lebt auch in Deutschland. Er hat mir einmal einen Kalender geschickt. Einen Wandkalender mit zwölf Blättern, für jeden Monat eins. Da waren viele wunderschöne, grüne Landschaften zu sehen, mit sehr viel Wald und alten Kirchen. Ich hatte ein seltsames Gefühl in mir, sofort dort hinfahren zu wollen, ein Gefühl wie eine Sehnsucht, obwohl ich noch nie dort war und meinen Onkel nicht leiden kann. Kannst du jetzt verstehen, warum ich gerne dort lebe? Deutschland ist ein Land, daß man vor Sehnsucht haßt. Eine Sehnsucht, die man unbedingt tilgen muß. Ein Land, in dem sich jede Art von Fröhlichkeit in Trauer verwandelt. Für jeden Zungenschlag und jeden Fußtritt gibt es Vereine und Verbände, und der Staat kassiert Geld für den Glauben an Gott. Du mußt dir mal vorstellen, wie schwierig es für einen Deutschen sein muß: alle beneiden ihn wegen seines Erfolgs und seines Reichtums und wegen der Schönheit seines Landes, aber keiner liebt ihn. Er haßt die anderen für das, was sie an ihm bewundern. Er ist wie ein unglücklicher Verliebter, dessen Verzweiflung mal Unvorstellbares erschafft, mal unvorstellbar zerstört. Er ist einsam. Ja, du bist ja selber einer. Das Mädchen lachte verschmitzt. 106 107 Auszug aus dem Roman: Karussellkinder 108 Über dem Rummelplatz war es sehr bewölkt. Die Böen fegten Papier über den Platz. Nichtsdestotrotz flanierten etliche Leute auf und ab. Karusselle und Buden waren mäßig besucht. Babbo sagte: Wir drehen noch eine Runde. Als er sich umsah, meinte er, dass es sich nicht lohnen würde, den Tisch mit dem Würfelspiel aufzustellen. Dennoch ging er zum Platzverwalter und bat um eine Genehmigung. Dieser zierte sich und gab ihm eine unter der Hand, sogar ohne Zusatzzahlung. Den Nachmittag verbrachten sie in der Osteria vor dem Rathaus. Dario klebte sein Gesicht an die Fensterfront, Moro seine Lippen an das Weinglas. Es dämmerte. Die Luna Park Lichter gingen an und legten einen glitzernden Mantel über das Städtchen. Moro tauchte seine gute Laune in das Lichtgefunkel ein, Dario hinterher. Die Böen waren inzwischen rar geworden und überraschten die Leute nur dann und wann mit einem kräftigen Windschlag. Inmitten des Rummelplatzes wimmelte es von Besuchern. Es sieht gut aus, sagte Moro und suchte einen Platz im Licht, wo der Tisch aufgestellt werden konnte. Vom Dodge holten Vater und Sohn das Würfelspiel. Kaum waren Plane, Würfel und Würfelkorb auf den Tisch gelegt, sammelten sich Neugierige um das Spiel. Moro ließ Dario die Würfel im Korb schütteln und auf den Tisch werfen, während er stehengebliebene Neugierige zum Spielen animierte. Die Hände am Tisch begannen sich zu bewegen. Einsätze und Gewinne wanderten hin und her. Es ging lebendig zu. Das Würfelspiel erlebte eine rege Teilnahme, weil es fast an jedem Spiel jemanden gab, der lauthals jauchzte und das Doppelte bis das Vierfache des Einsatzes einsackte. Dass es Gewinner gab, freute Moro und Dario, denn je mehr Leute sich am Würfelspiel beteiligten, desto höher die Wahrscheinlichkeiten zugunsten des Spielbetreibers und damit die Beute. Das wusste Moro nicht nur aus Erfahrung, sondern auch aus selbst angestellten Berechnungen. Franco Biondi Das Würfelspiel hatte einen Anfang und schien kein Ende zu kennen. Mehr und mehr schmerzten Dario die Arme. Sein Würfelschütteln wurde immer kürzer. Babbo zwang ihn zur Pause, aber die Glücksspieler protestierten. Sie wähnten sich mit den würfelschüttelnden Händen eines Kindes eher im Glück. Um Babbo und die Spielenden nicht zu enttäuschen, biss Dario die Zähne zusammen und versuchte, die Schmerzen zu überlisten. Manchmal gelang es ihm, häufiger nicht. Da Darios Gesichtsverzerrungen zunahmen, schüttelte Moro den Korb und reichte ihn Dario, um ihn nur noch einmal schütteln zu lassen und die Würfel auf den Tisch zu werfen. Mit dieser Lösung waren die Würfelfixierten ebenfalls zufrieden. Babbo lachte unentwegt und mit ihm seine Hosentaschen, die sich mit Scheinen füllten und sich wölbten, wie die Backen mit dem Lieblingsessen. Dario vergaß die Schmerzen in den Armen und lachte, weil Babbo lachte. Vor allem lachte er, weil er sich zum ersten Mal an der Seite seines Babbos so nahe und so direkt am Spiel und am Geldverdienen beteiligt empfand. Zu fortgeschrittener Stunde erschien der Platzverwalter, der Moro zur Seite rief und mit ihm tuschelte. Danach nahm Moro das Würfelspiel wieder auf, um nach drei Würfen anzukündigen, dass er noch fünf Würfelpartien laufen ließe und für den Abend das Würfelspiel beenden müsse. Einige Würfelfixierte reagierten enttäuscht und drohten mit Konsequenzen, doch Moro konnte nicht mehr umgestimmt werden. Auf dem Weg zum Dodge beklagte Moro die Trockenheit seiner Kehle. Er schob das Zeug zum Dodgeeingang und sagte: Eigentlich müsste ich dich ins Bett verfrachten, aber ich muss meinen Schlund unbedingt anfeuchten, sonst wird mir die Nacht zur Hölle. Und wenn ich ehrlich bin, mag ich auch nicht alleine in der Osteria sitzen. Ja, Dario, ich vermisse meine Freunde. Schaffst du es noch, kurz mit mir in die Osteria zu gehen? Oder soll ich dich ins Bett begleiten und gehe alleine fort? Ich will mitgehen! Ich sehe, du schaffst es nicht, aber doch, gehe mit! Es war ein erfolgreicher Abend, heute! Wir haben so viel einkassiert wie drei Tage Piantachiodi! Schade nur, dass der Platzverwalter einer Beschwerde nachgehen musste! Dario blickte Babbo verständnislos an. Babbo fuhr fort. Du weißt ja, wie das mit den Karten ist. Mit den Dreihütchen ist es auch so. Hasardspiele sind nicht erlaubt, und das mit dem Würfelspiel ist ein Grenzfall, das geht nur mit Sondergenehmigung. Weißt du, wir haben Glück gehabt, jemand von den Carabinieri hat uns gesehen und ist zum Platzverwalter gerannt, der Carabinieri hat Mitleid mit dem Kind gehabt, das die Würfel so leidenschaftlich geschüttelt hat, und wollte die Sondergenehmigung sehen. Der Verwalter wusste von der Sondergenehmigung nichts, daraufhin hat der Carabiniere mit der Hand abgewinkt und ist gegangen. Erzählend betraten Vater und Sohn die Osteria. Als der Mezzolitro für Moro und die Limonade für seinen Sohn an den Tisch gebracht wurden, schlief Dario längst, das Gesicht auf die Tischplatte gelegt. © Markus Kirchgessner Adelbert-von-Chamisso-Preis 1987 1947 in Forli, Italien, geboren. 1955–61 erste Erfahrung der Heimatlosigkeit als Kind einer Schaustellerfamilie beim Umherziehen durch Nord- und Mittelitalien. Ausbildung zum Schlosser und Elektroschweißer. 1965 Emigration in die Bundesrepublik, rund zehn Jahre Tätigkeit als »Gastarbeiter« in verschiedenen Berufen, daneben Nachholen der Mittleren Reife und des Abiturs in Abendkursen. 1976–82 Studium der Psychologie. Erste Gedichte erschienen auf italienisch, u.a. in der 1975 gegründeten Zeitschrift Il Mulino. Mitarbeit im »Werkkreis Literatur der Arbeitswelt« und bis 1980 kritischer Wortführer der »Associazione Letteraria e Facottà Artistische« (ALFA), einer von italienischen Arbeitsimmigranten gegründeten Literaturgruppe. 1980 Gründung einer Herausgebergruppe zusammen mit Jusuf Naoum, Suleman Taufiq und Rafik Schami zur Publikation der Anthologienreihe Südwind Gastarbeiterdeutsch und der PoLiKunst-Vereinigung (1980– 87). Franco Biondi arbeitet als Familientherapeut in Hanau. 2005 erhielt er ein Arbeitsstipendium der Robert Bosch Stiftung. --> Bibliografie S. 117 109 Gino Carmine Chiellino Adelbert-von-Chamisso-Preis 1987 © Marzio Marzot Zimmer ich erlebe mich nur als Bewohner fremder Zimmer wie dieses hier, Nr. 34 im Hotel Kent mit Blick auf das Museum zeitgenössischer Kunst. Von hier aus erkenne ich mich Den weißen Hunden als Bewohner des Zimmers Nr. 44 mit Blick auf die Università La Sapienza. Den weißen Hunden aus meiner Kindheit hinterlasse ich einen Lebenslauf Es war keine Zeit der heiteren Wissenschaft: mit einer geschändeten Kinderseele es gab Mord und Raub, Vergewaltigung und Seelenbetrug und dann die Ruhe eines Klosterzimmers Sie und ich teilten uns täglich in Düsseldorf, ihr folgte der Blick auf den Rhein das Gefühl frei und verlassen zu sein aus dem Stadtturm, ein unschuldiges Zimmer in einem Stadtpuff, An der Grenze ihres Muts und meines Heimwehs entlang und immer wieder ein Zimmer bei unbekannten Gastgebern. bellten sie ihre Verlassenheit aus sich heraus und ich rannte an ihnen vorbei und um mein Leben In Mannheim wurde ich Bewohner von Zimmern im Kolpinghaus, beim CVJM, Zimmern unterm Dach oder im Keller – mit oder ohne Klo. Mit leiser Stimme kehre ich oft an diese Stelle meines Lebenslaufs zurück Die weißen Hunde aus meiner Kindheit sind längst tot 1946 in Carlopoli (Kalabrien), Italien, geboren. 1966–70 Studium der Italianistik und Soziologie in Rom. Ab 1970 in Deutschland mit verschiedenen Lehrtätigkeiten, Studium der Germanistik mit Promotion 1976. Seit 1978 Lektor für italienische Sprache an der Universität Augsburg. Habilitation 1994, seither Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft. Mitbegründer von PoLiKunst (1980–87) und deren erster Vorsitzender (1981– 84). Seit 1985 Lesereisen in Italien, Ungarn, Kanada, Japan, Österreich, Polen, Spanien, Finnland, der Schweiz, den Niederlanden und USA. 1990 und 1995 Gastpoet beim Weltkongreß der IVG in Tokio bzw. Vancouver, 2001 ChamissoPoetik-Dozentur in Dresden. Im Jahr 2004 Kreatives Schreiben mit Patienten einer psychiatrischen Klinik. Die Zeitschrift Akzente widmete Gino Carmine Chiellino das Titelblatt der Ausgabe 5/2005. www.chiellino.com --> Bibliografie S. 117 nur der Elfjährige kommt mir entgegen um mir zu zeigen Es gibt Zimmer die voll sind mit Ideen, wie schnell er laufen würde, wären bloß die Hunde da andere bewahren Orgasmen auf. Meine Seele setzt sich aus Zimmern zusammen und sie ist nirgendwo so wahrhaft wie in diesem Zimmer in dem ich heute auf mich warte und in mir die Sehnsucht nach dem Gast aufkommt, der eintreffen wird. 110 111 Wenn ich deutsch schreibe oder mich vorbereite deutsch zu lesen, überfällt mich immer öfters eine besonders beklemmende Art von metaphysischer Angst, dass ich mein Tschechisch verliere, leichtsinnig aufgebe, dass ich auf eine seltsame Art und Weise sprachlich zerspringe. Und wenn ich tschechisch schreibe, zu viel tschechisch rede oder lese, fühle ich, wie aus mir mein angelerntes Deutsch entweicht, wie die Luft aus einem Ball. Unlängst stand ich in der einst deutschen, allerdings böhmisch-königlichen Stadt Zatec vor dem altwürdigen Rathaus, in dem Anfang des 15. Jahrhunderts der Ackermann von Böhmen deutsch gedichtet wurde, hörte die Leute tschechisch reden und plötzlich, weil ich vergessen hatte, wo ich war, schoss mir durch den Kopf: Mein Gott, gibt es aber hier viel Tschechen! Wo kommen die alle nur her? Auch nach einem Vierteljahrhundert in Deutschland passiert es mir in München oder in einer anderen deutschen Großstadt, dass ich auf der Straße, von der deutschen Sprache umringt, erschrocken stehen bleibe, mich von der ^ Aus dem in Vorbereitung befindlichen Roman O du meine Heimat fremden Sprache aus unerklärlichen Gründen eingeschlossen, erdrückt oder wie gefangen fühle und mich frage: Um Gottes Willen, wo bist du? Und wieso bist du, ein Fremder, hier, wo doch alle nur deutsch reden? Mit meinem fortschreitenden Alter verliere ich die Lust oder sogar den Mut, tschechisch zu schreiben und nicht selten muss ich mich mit Gewalt überwinden, um etwas deutsch zu tippen. Ich habe die Flucht in die deutsche Sprache angetreten, und als mein Fluchtweg – ungefähr vor fünfzehn Jahren – zu Ende war und ich mich im Deutschen als Fremdsprache fast wie zu Hause fühlte, entdeckte ich die Schönheiten meiner Muttersprache wieder. Mir kommt es immer öfter vor, als bewegte ich mich in einem verzauberten, sprachlich-magischen Kreis, dem ich wohl niemals entkomme. Deutsch als Fremdsprache bleibt für mich, einen eingebürgerten Ersatzteutonen, der seit Jahrzehnten deutsch schreibt und deutsch publiziert, auch nach einer so langen Zeit dennoch ein Rätsel. Je länger ich in der deutschen Sprachwelt lebe, umso bewusster beunruhigt mich die Tatsache, dass die deutsche Sprache sich für mich immer deutlicher als eine Fremdsprache entpuppt. Mit meinen zwei Sprachen bekomme ich immer häufiger Schwierigkeiten; ich spreche sie nicht spontan, sondern auf eine seltsame Art und Weise »bewusst«. Mit einem schieren Entsetzen stelle ich jetzt fest, dass mir ein Gespräch, egal ob in tschechischer oder in deutscher Sprache, Probleme macht; in beiden Sprachen gerate ich immer öfter ins Stottern und wenn ich öffentlich meine tschechischen oder deutschen Texte lese, finde ich sie in beiden Sprachen so schlecht geschrieben, dass ich mich für sie schämen muss. Nach fast dreißig Jahren in Deutschland halte ich meine zwei Sprachen für Fremdsprachen und gehe mit ihnen wie mit Fremdsprachen um. Deutsch ist für mich auch nach so langen Jahren immer noch eine Fremdsprache geblieben, das Tschechische hat sich mir in den drei Jahrzehnten meines Bemühens, die deutsche Sprache voll und ganz zu beherrschen, entfremdet, es hat sich von mir entfernt; meine Muttersprache ist für mich heute zu meiner zweiten Fremdsprache verkommen. Ich lebe in einer sprachlich geteilten, oder auf eine unheimliche Art und Weise eingekreisten Welt und bin – sprachlich betrachtet – wahrscheinlich nirgendwo zu Hause. © Stefan Moses Ota Filip Adelbert-von-Chamisso-Preis 1986 1930 in Ostrava/CSR geboren. Nach Abitur und JournalistikStudium Redakteur bei verschiedenen Zeitungen und im Rundfunk, 1960 bis Ende 1967 Hilfsarbeiter. In dieser Zeit begann er aus Langeweile den Roman Café an der Straße zum Friedhof zu schreiben, für den er 1967 den Großen Preis der Stadt Ostrau erhielt. Tätigkeit als Verlagslektor, ein Jahr nach der Okkupation der Tschechoslowakei wegen Unterwühlung der sozialistischen Gesellschaft zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. 1974 wurde er mit seiner Familie ausgebürgert und lebte in München, seit 1995 in Murnau am Staffelsee; er schreibt für deutsche und seit 1989 auch für tschechische Zeitungen. Ota Filip erhielt diverse Auszeichnungen, 1991 den AndreasGryphius-Preis und Die Löwenpfote, Münchner Großstadtpreis für Literatur, 1999 das Stipendium der Villa Massimo in Rom. www.otafilip.homepage.t-online.de --> Bibliografie S. 118 ^ 112 113 Was bleibt? »TÜRKEN RAUS«, sagen sie … © Marianne Fleitmann Aras Ören Adelbert-von-Chamisso-Preis 1985 Aber wenn wir gehen und diese vergoldete Demokratie mitnehmen, was bleibt? Es bleibt der verrostete Himmel da oben. Juni 1982 Die Rache der Worte »Dreck Ausländer«, sagte er, ging und schaute in den Spiegel: Aus: Berlin Savignyplatz 114 Du darfst keinen Fehler machen. Du mußt zuallererst lernen. Wenn du die Straße bei Rot überquerst, machst du dich schuldig. Wenn du ein Verbotsschild übersiehst, machst du dich schuldig. Wenn du im Winter am vereisten Kanalufer ausrutschst und fällst, machst du dich schuldig. Wenn du mit einem Beamten im Dienst mit erhobener Stimme sprichst, machst du dich schuldig. Wenn du im Bus jemandem auf den Fuß trittst und dich nicht entschuldigst, machst du dich schuldig. Personen, die du nicht kennst, mußt du mit »Sie« anreden. Du darfst dich nicht ärgern, wenn du außer Atem an der Bushaltestelle angelaufen kommst und der Busfahrer dir die Tür vor der Nase zumacht und ohne dich abfährt, oder wenn an der Kasse, an der du im Supermarkt Schlange stehst, ausgerechnet dann die Spule ausgeht, wenn du drankommst, so daß du dich woanders von neuem anstellen mußt. Wenn du beschimpft wirst, weil du etwas Verbotenes getan hast, darfst du nicht widersprechen. Wenn du beim Spielen verlierst, darfst du nicht traurig sein. Sein Mund war voller Schmutz. September 1981, aus: Das Wrack 1939 in Bebek-Istanbul, Türkei, geboren. Schreibt seit 1957 Gedichte, 1958 erste Prosa. 1959 – 1969 Schauspieler und Dramaturg vornehmlich in Istanbul. 1960 erster Gedichtband in der Türkei, Teilnahme am internationalen Wettbewerb der Jugendtheater Erlangen. 1962 Schauspieler an der »Neuen Bühne« in Frankfurt am Main, 1965 –1967 Versuche, eine Theatergruppe für die türkischen Arbeiter in der BRD und Westberlin zu gründen. 1966 – 1969 Schauspielarbeit in Istanbul, dort auch Theaterpreis. 1969 Umzug nach Westberlin. Arbeit in Fabriken, in der Gastronomie und als Schauspieler. Anfang der 70er Jahre stößt er zur »Gruppe der schreibenden Arbeiter« in der Berliner Künstlervereinigung »Rote Nelke«. Seit 1974 arbeitet er als Redakteur, seit 1996 als Leiter in der türkischen Redaktion im Sender Freies Berlin (SFB). 1999 hatte er die Poetik-Dozentur an der Universität Tübingen inne. Nach dem Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (1980) und der Literarischen Ehrengabe der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1983) erhielt er 1985 als erster Autor den Adelbert-vonChamisso-Preis. www.arasoeren.de --> Bibliografie S. 121 115 Bibliographie Asserate, Asfa Wossen 28 Die Geschichte von Sawa (Äthiopien) 1700 –1865. Wiesbaden: Franz Steiner, 1980 Manieren. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag, 2003 Freiherr Adolph von Knigge, Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien. Vorgestellt und mit einem äthiopisch-deutschen Brückenschlag versehen von Asfa-Wossen Asserate. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag, 2006 Ein Prinz aus dem Hause David und warum er in Deutschland blieb. Erinnerungen. Frankfurt am Main: Scherz Verlag, 2007 Bánk, Zsusa 30 Der Schwimmer. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 2002 Der Schwimmer 2004 als TB Heißester Sommer. Erzählungen. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2004 Belfellah, Abdellatif 68 Atabay, Cyrus 98 Einige Schatten. Gedichte. Mit einem Nachwort von Max Rychner. Wiesbaden: Limes, 1956 (Dichtung unserer Zeit 5) An- und Abflüge. Gedichte. München: C. Hanser, 1958 Meditation am Webstuhl. Neue Gedichte. München: C. Hanser, 1960 Gegenüber der Sonne. Gedichte und kleine Prosa. Hamburg: Claassen, 1964 Doppelte Wahrheit. Gedichte und Prosa. Hamburg/Düsseldorf: Claassen, 1969 Die Worte der Ameisen. Persische Weisheiten. Mit 5 Drucken. Hamburg/Düsseldorf: Claassen, 1971 116 »Der Geruch von Tazmamart«. In: Die Weltbühne (Wochenschrift für Politik Kunst Wirtschaft). Heft46, 10. November 1992 »Die Satanischen Verse oder das Versäumte literarische Rendezvous«. In: ad libitum (Sammlung Zerstreuung Nr. 24). Berlin: Verlag Volk und Welt, 1992 »Deutsche Sprache«. In: Lettre international, Heft 20, Frühjahr 1993 »Thomas Morus’ Utopia oder die zweideutige Rhetorik«. In: Chiffre (Zeitschrift für Literatur und andere Hirngespinste Nr. 5), November 1995 – April 1996 »Konfession – wem gehört die deutsche Sprache?«. In: »Titrit«. In: Am Erker (Zeitschrift für Literatur Nr. 34), Winter 1997/98 »Lichter der Kleinstadt«. In: Am Erker (Zeitschrift für Literatur Nr. 36), Winter 1998 »Am Ort…« und »Labyrinth« (Romanauszüge). In: Neue Sirene (Zeitschrift für Literatur), 5. Jahrgang Nr. 8. April 1998 »Monolog«. In: Ich habe eine fremde Sprache gewählt. – Gerlingen: Bleicher, 1998 »Woher kommt die Taubheit der Bäckerin«. In: Bei Anruf Poesie. Münster: Ardey-Verlag, 1999 »Niemand empfahl mir Sir Lichtenberg«. In: die horen (Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik Nr. 193), 44. Jahrgang 1. Quartal 1999 »Am offenen Wort, Mythen – Wende zur Sprache«. In: Male – Zeichen und Spiegel der Zeit. Bönen: Druck-Verlag Kettler, 2000 Benyoëtz, Elazar 104 Paul Engelmann. Dem Andenken an Karl Kraus. Hrsg. von Elazar Benyoëtz. Wien: Kerry, 1967 Sahadutha. Mit einem Nachwort von George Itamar. Berlin: Paian-Verlag, 1969 (ApeironReihe. Buch 1) Annette Kolb und Israel. Heidelberg: Lothar Stiehm, 1970 Einsprüche. München: Gotthold Müller, 1973 Einsätze. München: Gotthold Müller, 1975 Worthaltung. Sätze und Gegensätze. München/Wien: C. Hanser, 1977 Eingeholt. Neue Einsätze. Aphorismen. München/Wien: C. Hanser, 1979 Wort in Erwartung. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1980 Vielleicht – Vielschwer. Aphorismen. München/Wien: C. Hanser, 1981 Fraglicht. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1981 Im Vorschein. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1982 Nahsucht. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1982 Andersgleich. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1983 Für- und Gegenwart. Aphorismen. Kreuzlingen: Bodan Verlag, 1984 Treffpunkte. Bad Soden/Taunus: A. & V. Woywood, 1985 Solange wie das eingehaltene Licht. Briefe 1966 –1982. Clara von Bodman und Elazar Benyoëtz. Konstanz: Hartung-Gorre, 1989 Treffpunkt Scheideweg. München/Wien: C. Hanser, 1990 Taumeltau. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 2, 1992 Filigranit. Ein Buch aus Büchern. Göttingen: Steidl, 1992 Paradiesseits – Eine Dichtung. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 1, 1992 Träuma. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 3, 1993 Beten. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 4, 1993 Brüderlichkeit. Das älteste Spiel mit dem Feuer. München/Wien: C. Hanser, 1994 Hörsicht. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 5, 1994 Wirklich ist, was sich träumen läßt. Gedanken über den Glauben. Wuppertal: Kiefel, 1994 Endsagung. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 6, 1995 Identitäeuschung. Herrlingen bei Ulm: 1. Sonderheft der Herrlinger Drucke, 1995 Querschluss. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 7, 1995 Entwirt. Herrlingen bei Ulm: 2. Sonderheft der Herrlinger Drucke, 1996 Variationen über ein verlorenes Thema. München/Wien: C. Hanser, 1997 Keineswegs. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke 8, 1998 Wenn Gott verloren geht. Die Zukunft des Glaubens in der säkularisierten Gesellschaft. Hrsg. von Theo Faulhaber und Bernhard Stillfried. Freiburg: Herder, 1998 (Quaestiones disputatae 174) Anschluß. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke N.F. 2, 1999 Ichmandu. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke N.F. 3, 2000 Die Zukunft sitzt uns im Nacken. Vom Menschen und seiner Ausgesprochenheit. München/Wien: C. Hanser, 2000 Allerwegsdahin. Mein Weg als Israeli und Jude ins Deutsche. Hamburg/Zürich: Arche Verlag, 2001 Der Mensch besteht von Fall zu Fall. Aphorismen. Leipzig: Reclam, 2002 Finden macht das Suchen leichter. München/Wien: C. Hanser 2003 Hinnämlich. Herrlingen bei Ulm: Herrlinger Drucke N.F. 4, 2003 Die Eselin Bileams und Kohelets Hund. München: C. Hanser, 2007 Sandkronen. Aphorismen. Frauenfeld: Waldgut Verlag, 2007 Biondi, Franco 108 Isolde e Fernandez. Dramma in 13 Quadri. Poggibonsi 1978 Nicht nur gastarbeiterdeutsch. Gedichte. Klein Winternheim: Eigenverlag, 1979 Abschied der zerschellten Jahre. Novelle. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1984 Von den Tränen zu den Bürgerrechten. Italienische Emigrantenliteratur in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main: Hessischer Volkshochschulverband, 1984 Passavantis Rückkehr. Erzählungen. München: dtv, 1985 »Die Fremde wohnt in der Sprache«. In: Irmgard Ackermann und Harald Weinrich (Hrsg.), Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der »Ausländerliteratur«. München: Piper, 1986 Die Unversöhnlichen oder Im Labyrinth der Herkunft. Roman. Tübingen: HeliopolisVerlag, 1991 Ode an die Fremde. Gedichte 1973 –1993. Sankt Augustin: Avlos-Verlag, 1995 In deutschen Küchen. Roman. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 1997 »Meine Heimat?« In: Hans G. Meyer und Klaus Wiegerling (Hrsg.), Heimat: Das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war. Deutsch-israelisch-palästinensisches Lesebuch. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 1997 Der Stau. Roman. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 2001 Giri e rigiri, laufend. Gedichte/poesie, zweisprachig. Frankfurt: Brandes & Apsel, 2005 Karussellkinder. Roman. Frankfurt: Brandes & Apsel, 2007 Vita Emigrata. Racconti. Isernia: Cosmo Iannone Editore, 2007 Bodrozic, ´ Marica 38 Tito ist tot. Erzählungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Bilder des neuen Jahrhunderts. Von Marica Bodrozic, ´ Kerstin Hensel und Dagmar Leupold. Göttingen: Wallstein Verlag 2002 (Literarisches Kollegium Wolfenbüttel) »Augen, Schritte, Menschengebiete«. Erzählung. In: Bilder eines neuen Jahrhunderts. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Göttingen: Wallstein Verlag, 2002 Gedichte. In: Werkstatt II. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Göttingen: Wallstein Verlag, 2003 »Der Wunderlehrling«. Essay. In: Mit Lessing ins Gespräch. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Göttingen: Wallstein Verlag, 2004 Der Spieler der inneren Stunde. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005 »Wunden haben keine Grenzen«. Essay. In: Ungefragt, Über Literatur und Politik. Hrsg. von Klaus Amann, Heinz Lunzer und Ursula Seeber. Wien: Czernin Verlag, 2005 »Herzkränze, Stundenland«. In: Kluge Mädchen, wie wir wurden, was wir nicht werden sollten. Hrsg. von A. Meiners. München: Elisabeth Sandmann Verlag, 2006 Ein Kolibri kam unverwandelt. Gedichte. Salzburg: Otto Müller Verlag, 2007 Sterne erben, Sterne färben. Mein Leben in der deutschen Sprache. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2007 Der Windsammler. Erzählungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2007 ^ Gedichte in deutscher Sprache. In: In die Flucht geschlagen. Hrsg. von Anja Tuckermann. Darmstadt: Luchterhand, 1989 Herbst der Städte. Erzählungen in arabischer Sprache. Köln/Beirut: Al Kamel Verlag, 1996 Die Bekenntnisse des Fleischhändlers. Roman in arabischer Sprache. Köln/Beirut: Al Kamel Verlag, 1997. Deutsch. Berlin: Schiler, 2007 Der Marschländer. Bagdad – Beirut – Berlin. Roman in deutscher Sprache. Frankfurt am Main: Glaré Verlag, 1999 Mansur oder der Duft des Abendlandes. Roman in deutscher Sprache. Leipzig: Reclam, 2002 Wächter des verborgenen Imams. Erzählungen in arabischer Sprache. Köln/Beirut: AlKamel Verlag, 2004 »Das Café am Haschemitenplatz«. Erzählung. In: Sommer am Meer und anderswo. Neue Geschichten aus aller Welt. München: Bertelsmann, 2004 »Der Wächter des entrückten Imams«. Erzählung. In: Wortmagier des Orients. Arabische Erzählungen. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 2004 An diesem Tage lasen wir keine Zeile mehr. Gedichte. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1974 Das Auftauchen an einem anderen Ort. Gedichte. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1977 Die Leidenschaft der Neugierde. Neue Gedichte. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1981 Stadtplan von Samarkand. Porträts, Skizzen, Gedichte. Mit Originalgraphiken von Winfred Gaul. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1983 Salut den Tieren. Ein Bestiarum. Mit OriginalOffsetlithos von Bernhard Jäger. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1983 Prosperos Tagebuch. Gedichte. Mit farbigen Offsetlithos von Winfred Gaul. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1985 Die Linien des Lebens. Gedichte mit Offsetlithos von Winfred Gaul. Düsseldorf: EremitenPresse, 1986 Puschkiniana. Gedichte. Mit Offsetlithos von Ulrich Erben. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1990 Gedichte. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel Verlag, 1991 Leise Revolten. Kleine Prosa aus drei Jahrzehnten. Hrsg. von Jens Olsson. Mit OriginalLithographien von Winfred Gaul. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1992 Die Wege des Leichtsinns. Zerstreutes äolisches Material. Gedichte. Düsseldorf: Eremiten-Presse, 1994 Poet und Vagant. Der Dichter Cyrus Atabay 1929–1996. Hrsg. von Werner Ross. München: C. H. Beck, 1997 ^ Al-Mozany, Hussain 36 Bibliographie Chiellino, Gino 110 Nach dem Gestern. Aus dem Alltag italienischer Emigranten. Dopo ieri. Dalla vita de emigranti italiani. Hrsg. von Gino Chiellino. Grafiken von Pino Cali. Bremen: Edition Con, 1983 Mein fremder Alltag. Gedichte. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1984 Sehnsucht nach Sprache. Gedichte 1983– 1985. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1987 Die Reise hält an. Ausländische Künstler in der Bundesrepublik. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1988 Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur italienischer Autoren in der Bundesrepublik. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1989 Hommage á Augsburg. Drei Gedichte mit drei Grafiken von Gjelosh Gjokaj. Augsburg: Atelier Gjelosh Gjokaj, 1991 Sich die Fremde nehmen. Gedichte 1986– 1991. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1992 Gino Chiellino. Werkheft Litertur. Hrsg. von Mechthild Borries und Hartmut Retzlaff (unter Mitarbeit von Gloria Fischer). München: Iudicium Verlag, 1992 Am Ufer der Fremde. Literatur und Arbeitsmigration 1870 –1991. Stuttgart: J. B. Metzler, 1995 Die drei großen Mythen um das Wort. Drei Gedichte mit drei Grafiken von Gjelosh Gjokaj. Augsburg: Atelier Gjelosh Gjokaj, 1997 Die interkulturelle Literatur in Deutschland. Ein Handbuch. Hrsg. von Carmine Chiellino. Stuttgart: J. B. Metzler, 2000 Liebe und Interkulturalität. Essays 1988– 2000. Tübingen: Stauffenburg Verlag, 2001 Parole erranti. Saggi 1995–2000. 2001 In Sprache Leben. Meine Ankunft in die deutsche Sprache. Prosa. Gedichte. Essays. Dresden: Thelen Universitätsverlag, 2003 Ich in Dresden. Eine Poetikvorlesung. Dresden: Thelen Universitätsverlag, 2003 Es gab einmal die Alpen. Anthologie. Hrsg. von Gino Carmine Chiellino. Reihe Wortwechsel, Bd. 4. Dresden, 2005 Weil Rosa die Weberin. Gesammelte Gedichte 1977–1991. Dresden: Thelen Universitätsverlag, 2005 Çırak, Zehra 48 Flugfänger. Gedichte. Mit Illustrationen von Jürgen Walter. Hrsg. vom Bund deutscher Künstler Baden-Württemberg. Karlsruhe: edition artinform 1987 Vogel auf dem Rücken eines Elefanten. Gedichte und Kurzprosa. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1991 Nach Europa. Texte zu einem Mythos. Von Zsuzsanna Gahse, Zehra Çırak, Sara Gerstl, Barbara Honigmann, Renée Zucker, Ginka 117 Bibliographie ^ Wunderzeit. Roman. Zürich/München: Pendo Verlag, 2001. NA München: Diana Tb, 2003 »Im Nabel der Welt«. Erzählung in der Anthologie Swiss Made – Junge Literatur aus der Schweiz. Berlin: Wagenbach Verlag, 2001 Der kurze Weg nach Hause. Roman. Zürich/ München: Pendo Verlag, 2002 »11. September«. In: Feuer, Lebenslust! Erzählungen deutscher Einwanderer. Stuttgart: Klett-Cotta, 2003 »Radu und der Mann, der reden wollte«. In: Enemies – a love affair. Künzelsau: Swiridoff, 2002, und in: Ach wie gut, dass niemand weiß. Ein Schweizer Lese- und Vorlesebuch. München/Wien: Nagel und Kimche, 2004 Der blinde Masseur. Roman. Zürich/ München: Pendo Verlag, 2006 Zero. Prosa. München: List, 1983 Berganza. Erzählung. München: List, 1984. NA München, Serie Piper, 1987 Abendgesellschaft. München: Piper, 1986 Liedrige Stücke. Leonberg-Warmbronn: Keicher, 1987 Stadt · Land · Fluß. Geschichten. München: List, 1988 Einfach eben Edenkoben. Klagenfurt/ Salzburg: Wieser, 1990 Hundertundein Stilleben. Prosa. Klagenfurt/ Salzburg:Wieser, 1991 Nachtarbeit. Prosa. Leonberg-Warmbronn: Keicher, 1991 Essig und Öl. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1992 Sandor Petöfi, Rede am 15. März 1848. Essay. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1993 Übersetzt. Eine Entzweiung. Hrsg. vom LCB/ DAAD. Berlin Weimar: Aufbau Verlag, 1993. NA Lausanne: Centre de traduction littéraire, 2000 Passepartout. Prosa. Klagenfurt/Salzburg: Wieser, 1994 Kellnerroman. Prosa. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1996 Auskünfte von und über Zsuzsanna Gahse. Hrsg. von Wulf Segebrecht. Bamberg: Fußnoten zur Literatur, 1996 Wie geht es dem Text? Bamberger Vorlesungen. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1997 Nichts ist wie oder Rosa kehrt nicht zurück. Roman. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1999 Der 16. Fragebogen. Roman. Übersetzt von Marianne Pasetti-Swoboda. Hamburg: Hoffmann und Campe; Luzern: Reich, 1979. NA Frankfurt am Main/Berlin: Ullstein Tb, 1991 Franz Kafka aus Prag. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1983 Janinka. Roman. Köln: Bund-Verlag, 1984 Mimner oder das Tier der Trauer. Roman. Köln: Bund-Verlag, 1986 Prager Frühling – Prager Herbst. Blicke zurück und nach vorn von Heinrich Böll u.a. Hrsg. von Tomas Kosta und Jirí Grusa. Köln: Bund-Verlag, 1988 Babylonwald. Gedichte 1988. Mit einem Nachwort von Sarah Kirsch. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1991 Auf der Brücke zum Morgen. Prag – Die goldene Stadt der 100 Türme. Mit Jan Hnízdo. Freiburg i.Br.: Eulen-Verlag, 1991 »Wie sehen unsere Nachbarn die deutsche Entwicklung?« Die deutsche Entwicklung aus tschechoslowakischer Sicht. Vortrag. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, 1991 Prag. Einst Stadt der Tschechen, Deutschen und Juden. Bildband. Jirí Grusa, Eda Kriseova, Petr Pithart. München: LangenMüller, 1993 Wandersteine. Gedichte. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1994 Das Gesicht – der Schriftsteller – der Fall. Vorlesungen. Mit einem Essay von Utz Rachowsky, einem Nachwort von Ludger Udolph und einer Bibliographie von Susanne Fritz. Dresden: Thelem bei w.e.b.-UniversitätsVerlag, 1999 Laterna Magica. Einblicke in eine tschechische Fotografie der Zwischenkriegszeit. Hrsg. von Margit Zuckriegl. Mit einem Text von Jirí Grusa. Salzburg: Rupertinum, 2000 Gebrauchsanweisung für Tschechien. ^ Das Café an der Straße zum Friedhof. Roman. Übersetzt von Josefine Spitzer. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1968 Ein Narr für jede Stadt. Roman. Übersetzt von Josefine Spitzer. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1969 Die Himmelfahrt des Lojzek Lapácek aus Schlesisch Ostrau. Roman. Übersetzt von Josefine Spitzer. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1973 Zweikämpfe. Roman. Übersetzt von Josefine Spitzer. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1975 Prag. Unabhängiges Forum nicht-exilierter tschechoslowakischer Autoren. Hrsg. von Ota Filip und Pavel Tigrid. Frankfurt am Main/ Berlin: Ullstein, 1976 Maiandacht. Roman. Übersetzt von Marianne Pasetti-Swoboda. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1977 Schwejk heute. Politischer Witz in Prag. Mit Florescu, Catalin Dorian 42 Gahse, Zsuzsanna 18 Grusa, Jirí 74 ^ Filip, Ota 112 Der Großvater. Erzählung. Zürich: Nagel & Kimche, 1985 (München: Piper Tb, 1987) Cosimo und Hamlet. Roman zweier Brüder. Zürich: Nagel & Kimche, 1987 Die Versammlung der Engel im Hotel Excelsior. Roman. Zürich/Frauenfeld: Nagel & Kimche, 1990 (München: Piper Tb, 1994) Das Funkhaus. Roman. München: Piper, 1993 Die Sardinennacht. Dreißig Fernsehschnitte aus dem Zeitalter Berlusconi. Zürich/BadenBaden: Elster Verlag, 1996 Liebeslügen. Roman. Zürich/Frauenfeld: Nagel & Kimche, 1996 (München: Heyne Tb 1998) Vaterland. Mit Beiträgen von Emanuel LaRoche, Claude Delarue und Dante Andrea Franzetti. Zürich: Vontobel-Stiftung, 1998 Curriculum eines Grabräubers. Erzählungen. Zürich: Nagel & Kimche, 2000 Passion. Journal für Liliane. Innsbruck/Wien: Haymon Verlag, 2006 Calgary. April 1997. Mit einer Zeichnung von Christoph Rütimann. Leonberg-Warmbronn: Keicher, 2000 Kaktus haben. Buchobjekt mit einem Siebdruck von Christoph Rütimann. Altdorf: Edition Nyffeler & Wallimann, 2000 durch und durch, Müllheim/Thur in drei Kapiteln. Wien: Edition Korrespondenzen, 2004 Blicken. Mit Klaus Merz. Bild-Lyrik-Projekt von Nikolaus Lenherr. Alpnach Dorf: Verlag Martin Wallimann, 2004 »Im übersetzten Sinn/Vom literarischen Übersetzen«. Die Horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik. Heft 218. Hrsg. von Zsuzsanna Gahse. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, 2005 Instabile Texte/zu zweit. Wien: Edition Korrespondenzen, 2005 ^ Sinan ohne Land. Drei Erzählungen. Berlin: Clemens Zerling, 1988 Gesetz des Schweigens. Roman. Berlin: Clemens Zerling, 1990 Cemile oder das Märchen von der Hoffnung. Berlin: Clemens Zerling, 1990 Dügün – Die Heirat. Drehbuch. Istanbul/ Berlin: Verlag Yabanel, 1991 Die verwundeten Kinder des Zarathustra. Eine Odyssee zwischen Wirklichkeit und Alptraum. Berlin: Edition Amadis, 1997 Der rosarote Fahrstuhl. Roman. Berlin: Hans Schiler Verlag, 2007 ^ Elçi, Ismet 90 ^ 118 Die Inschrift. Erzählungen. Wien: Edition Exil, 2001 Engelszungen. Roman. Wien/Frankfurt am Main: Deuticke Verlag, 2003 Ein Licht über dem Kopf. Erzählungen. Wien: Deuticke Verlag, 2006 ^ Wenn Ali die Glocken läuten hört. Übersetzt von Brigitte Schreiber-Grabitz. Berlin: Edition der 2, 1979 Europastraße 5. Roman. Übersetzt von Carl Koß. Hamburg: Buntbuch-Verlag, 1981 Die Vögel des falschen Paradieses. Yanlıs Cennetin Kusları. Erzählungen in zwei Sprachen. Übersetzt von Eva Warth-Karabulut. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1985 Der enthaarte Affe. Roman. Übersetzt von Carl Koß. München/Zürich: Piper, 1988 Geschichten aus der Geschichte der Türkei. Übersetzt und hrsg. von Güney Dal und Yüksel Pazarkaya. Frankfurt am Main: Luchterhand Literaturverlag, 1990 Eine kurze Reise nach Gallipoli. Roman. Übersetzt von Carl Koß. München: Piper, 1994 Dinev, Dimitré 26 Franzetti, Dante Andrea 84 ^ Dal, Güney 70 Meine Lage in der Lage. Gedichte und Geschichten. Übersetzt von Thomas Brasch und Hans Magnus Enzensberger. Berlin: Rotbuch Verlag, 1979 Neunzehnhundertfünfundachtzig. Ein historischer Bericht. (Hongkong 2936). Dt. Bearbeitung von Reinhard Weißhuhn. Berlin: Rotbuch Verlag, 1982 Kurzer Lehrgang, langer Marsch. Dokumontage. Übersetzt von Reinhard Weishuhn und Elisabeth Käsbauer. Berlin: Rotbuch Verlag, 1985 Mein Großvater und die Weltgeschichte. Dt. Bearbeitung von Matthias Fienbork. Berlin: Literarisches Colloquium, 1985 Archipel Gulasch: Entstehung der demokratischen Opposition in Ungarn. Mit vielen Dokumenten. Dt. Bearbeitung von Elsbeth Zylla. Bremen: Edition Temmen, 1986 Die Beschneidung. Eine Geschichte. Übersetzt von György Dalos und Elsbeth Zylla. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1990. NA Suhrkamp Tb, 1993, 1997, 1999 Ungarn – Vom Roten Stern zur Stephanskrone. Übersetzt von György Dalos und Elsbeth Zylla. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991 (2. erw. Ausg. 1997) Vom Propheten zum Produzenten. Zum Rollenwandel der Literaten in Ungarn und Osteuropa. Wien: Wespennest Verlag, 1992 Proletarier aller Länder, entschuldigt mich! Das Ende des Ostblockwitzes. Dt. Bearbeitung von Elsbeth Zylla. Bremen: Edition Temmen, 1993 (7. Aufl. 1999) Der Versteckspieler. Gesellschaftsroman. Übersetzt von György Dalos und Elsbeth Zylla. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel Verlag, 1994. NA Suhrkamp Tb, 1997 Der Rock meiner Großmutter. Frühe Prosa. Dt. Bearbeitung von Thomas Brasch, Matthias Fienbork, Peter-Paul Zahl und Elsbeth Zylla. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996 Der Gast aus der Zukunft. Anna Achamatowa und Sir Isaiah Berlin. Eine Liebesgeschichte. Übersetzt von Elsbeth Zylla. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1996 Lajos Kossuth: »Ungarn ist in Gefahr!« Die große Ministerrede, 11. Juli 1848. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1998 Der Gottsucher. Eine Geschichte. Übersetzt von György Dalos und Elsbeth Zylla. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel Verlag 1999 (Frankfurt am Main: Suhrkamp Tb, 2001) Olga. Pasternaks letzte Liebe. Fast ein Roman. Dt. Bearbeitung von Elsbeth Zylla. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1999 Illustrationen von Ivan Steiger. Berlin: Universitas, 1977 Wallenstein und Lukretia. Roman. Übersetzt von Marianne Pasetti-Swoboda. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1978 Weihnachtsknödel, böhmisch. WindeckAltwindeck: Windecker Winkelpresse, 1980 Großvater und die Kanone. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1981 Tomatendiebe in Aserbaidschan und andere Satiren. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1981 Die zerbrochene Feder. Schriftsteller im Exil. Hrsg. von Ota Filip und Egon Larsen, unter Mitwirkung von Gunter W. Lorenz. Stuttgart: K. Thienemanns, 1984 Café Slavia. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1985 Die Sehnsucht nach Procida. Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1988 Die stillen Toten unterm Klee. Wiedersehen mit Böhmen. München: Langen-Müller, 1992 Mein Prag. Fotografien von Michael Schilhansl. Dortmund: Harenberg Edition, 1992 … doch die Märchen sprechen deutsch. Geschichten aus Böhmen. München: LangenMüller, 1996 Der siebente Lebenslauf. Roman. München: Langen Müller Herbig Buchverlage, 2002 Das andere Weihnachten. Mährische Geschichten. München: Langen-Müller, 2004 Sousedé. Roman in tschechischer Sprache. Brünn: Verlag Host, 2003 Grand Pére et son canon. Roman. Montriche/ Schweiz: Les Edtions Noir sur Blanc, 2005 Wniebowstapienie Lojzka Lapaczka ze Slaskej Ostrawy. Roman. Warschau: swiat Ksiazki, 2005 ^ »Das Klavier«. In: Jahreszeiten des Verlangens. Ein Zeitmitschrift-Buch mit Geschichten von Begehren und Hingabe. Hrsg. von Stefan Bollmann. Düsseldorf-Bensheim: Bollmann, 1992 »Gleichgewichtsstörung«. In: Grenzgedanken. Köln: Bund Verlag, 1991 Gleichgewichtsstörung. Erzählungen. Tübingen: Heliopolis Verlag, 1995 Durch das Flugloch der Bleistiftspitze. Gedichte. Eggingen: Edition Klaus Isele, 1998 Das Komma in der Milch. Prosa und Gedichte. Halle/Saale: Hallesche Autorenhefte 8, 2001 Das Lachen der Fische. Gedichte. Halle/Saale: Verlag Stekovics, 2003 ich liebe zu frühstücken. Gedichte. Halle/Saale: Projekte Verlag 2004 Bastard – Chose my Identiti. Prosa und Lyrik. Barcelona: Edition Actar, 2006 nachtfenster – tagtüren. Gedichte. München: Salon-Literatur-Verlag, 2007 Dalos, György 80 Die Reise nach Sachalin. Auf den Spuren von Anton Tschechow 2001. Ein historischer Reisebericht. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2001 Seilschaften. Roman. Köln: DuMont, 2002 Ungarn in der Nussschale. Geschichte meines Landes. München: C.H. Beck, 2004 1956. Der Aufstand in Ungarn. Übersetzt von Elsbeth Zylla. München: C. H. Beck, 2006 Die Balaton-Brigade. Erzählung. Hamburg: Rotbuch Verlag in der Europäischen Verlagsanstalt, 2006 ^ Csiba, Lásló 82 Teestunden am Ring. Roman. Übersetzt von Carl Koß. München: Piper, 1999 ^ Steinwachs. Hrsg. von Sabine Groenewold. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1993 Fremde Flügel auf eigener Schulter. Gedichte. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1994 Brüche & Übergänge. Zwischen den Kulturen. Beiträge von Zehra Çırak, Ewa M. Slaska, John Shreve. Hrsg. von Olav Münzberg, Elsbeth de Roos, Dieter Straub. Berlin: Jovis Verlag, 1997 Leibesübungen. Gedichte. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2000 »Von Stadt aus Land in Sicht«. In: Ich bin nicht innerlich. Annäherungen an Gottfried Benn. Hrsg. Von Jan Bürger. Stuttgart: Verlag KlettCotta, 2003 Bibliographie 119 Bibliographie Die Fische von Berlin. Roman. Göttingen: Steidl, 2005, Taschenbuchausgabe 2006 Kara, Yadé 32 Selam Berlin. Roman. Zürich: Diogenes Verlag, 2003 Karasholi, Adel 92 Wie Seide aus Damaskus. Gedichte (dt. Nachdichtungen von Rainer Kirsch, Heinz Kahlau und Klaus Steinhaußen). Berlin: Verlag Volk und Welt, 1968 Umarmung der Meridiane. Gedichte. Halle/ Leipzig: Mitteldeutscher Verlag, 1978 Brecht in arabischer Sicht. Berlin: BrechtZentrum der DDR, 1982 Daheim in der Fremde. Gedichte mit Holzschnitten von Wolfgang Mattheuer. Halle/ Leipzig: Mitteldeutscher Verlag, 1984 Wenn Damaskus nicht wäre. Gedichte. München: A 1 Verlag, 1992 Also sprach Abdulla. Gedichte. München: A 1 Verlag, 1995 »wo du warst und wo du bist«. Nachdichtungen arabischer Gedichte des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish. München: A 1 Verlag, 2004 Kertész, Imre 54 Kaddisch für ein nicht geborenes Kind. Roman. Übers. von György Buda und Kristin Schwamm. Berlin: Rowohlt Berlin, 1992 (Rowohlt Tb 1996, NA1999/2002) Galeerentagebuch. Übersetzt von Kristin Schwamm. Berlin: Rowohlt Berlin, 1993 (Rowohlt Tb 1997, NA 1999/2002) Eine Geschichte, zwei Geschichten. Mit Péter Esterházy. Übersetzt von Kristin Schwamm und Hans Skirecki. Salzburg/Wien: Residenz Verlag, 1994 (Berliner Taschenbuch Verlag, 2005) Roman eines Schicksalslosen. Übersetzt von 120 Gebrauchsanweisung für Polen. München: Piper, 2006 Lingyuan, Luo 14 Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock! Erzählungen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2005 Die chinesische Delegation. Roman oder Erzählungen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2007 Totalschaden. Roman. Stuttgart: Reclam Verlag, 2006 Micieli, Francesco 44 Ich weiss nur, dass mein Vater grosse Hände hat. Bern: Salchli, 1986 Das Lachen der Schafe. Bern: Salchli, 1989 Sieben Gedichte für Max. Bern: Salchli, 1989 Meine italienische Reise. Prosaaufzeichnungen. Bern: Zytglogge Verlag, 1996 Ich weiss nur, dass mein Vater grosse Hände hat. Das Lachen der Schafe. Meine italienische Reise. Trilogie einer Emigration. Bern: Zytglogge Verlag, 1998 Blues. Himmel. Ein Album. Bern: Zytglogge Verlag, 2000 Mohafez, Sudabeh 20 Wüstenhimmel, Sternenland. Erzählungen. Zürich-Hamburg: Arche Verlag, 2004 Gespräch in Meeresnähe. Roman. ZürichHamburg: Arche Verlag, 2005 Knapp, Radek 50 Franio. Erzählungen. Mit einem Vorwort von Stanislaw Lem. Wien: Deuticke, 1994 (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tb, 1996. München/Zürich: Piper Tb, 2000) Herrn Kukas Empfehlungen. Roman. München/Zürich: Piper, 1999 (Tb 2001), Hamburg: Gruner & Jahr, 2006 Literatur & Wein. Mit Franzobel und Margit Hahn. Frankfurt am Main: POD Print, 2001 Papiertiger. Eine Geschichte in fünf Episoden. München: Piper, 2003 (NA 2004) »Miss Polonia 2002– ein sexistischer Bericht«. In: Feuer, Lebenslust! Erzählungen deutscher Einwanderer. Stuttgart: Klett-Cotta, 2003 Letzter Wunsch. Roman: Wien: Deuticke/ Zsolnay, 2003 Möglichkeiten. Erzählungen aus der Arbeitswelt. Wien: Edition Atelier im Wiener Journal. 2004 und Michael Wiesehöfer. Fotoforum Schwarzbunt, 1993 Prager Fenster. Essays. München/Wien: C. Hanser, 1994 (Edition Akzente) Verklärte Nacht. München/Wien: C. Hanser, 1996 Prag – Berlin: Libuse Moníková. Literaturmagazin 44. Erinnerung der Freunde an die früh verstorbene Autorin. Hrsg. von Delf Schmidt und Michael Schidtal. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1999 Der Taumel. Roman. Mit einem Nachwort von Michael Krüger. München/Wien: C. Hanser, 2000 Luu, Que Du 16 Moníková, Libuse 96 Eine Schädigung. Roman. Berlin: Rotbuch Verlag, 1981 Pavane für eine verstorbene Infantin. Roman. Berlin: Rotbuch Verlag, 1983 Die Fassade. M. N. O. P. Q. Roman. München/Wien: C. Hanser, 1987 Schloß, Aleph, Wunschtorte. Essays. München/Wien: C. Hanser, 1990 (Edition Akzente) Unter Menschenfressern. Ein dramatisches Menü in vier Gängen. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 1990 (Theaterbibliothek) Treibeis. Roman. München/Wien: C. Hanser, 1992 Weltweit. Begegnung mit der Fremde. Beiträge von Gertrud Schier, Franjo Tholen, Libuse Moníková u. a. Hrsg. von Thomas Selig ^ Hummel, Eleonora 22 Christina Viragh. Berlin: Rowohlt Berlin, 1996 (Rowohlt Tb 1998/2002.) Ich – ein anderer. Übersetzt von Ilma Rakusa. Berlin: Rowohlt Berlin, 1998 (Rowohlt Tb 1999/2002) Eine Gedankenlänge Stille, während das Erschießungskommando neu lädt. Essays. Übersetzt von György Buda. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tb, 1999/2002 Fiasko. Roman. Übersetzt von György Buda und Agnes Relle. Berlin: Rowohlt Berlin, 1999 (Rowohlt Tb, 2001/2002) Die englische Flagge. Erzählungen. Übersetzt von György Buda und Kristin Schwamm. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tb, 1999/ 2002 Heureka! Rede zum Nobelpreis für Literatur 2002. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Der Spurensucher. Übers. von György Buda. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Schritt für Schritt. Drehbuch zum »Roman eines Schicksallosen«. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Die exilierte Sprache. Essays und Reden. Mit einem Vorwort von Péter Nádas. Übers. von Kristin Schwamm, Ilma Rakusa, Christina Viragh. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003 (Tb 2004) Liquidation. Roman. Übers. von Laszlo Kornitzer und Ingrid Krüger. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003 (Rowohlt Tb, 2005) Detektivgeschichte. Übersetzt von Angelika und Peter Máté. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2004 (Tb 2006) Dossier K. Eine Ermittlung. Übersetzt von Kristin Schwamm. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006 Opfer und Henker. Übersetzt von Ilma Rakusa, Agnes Relle und Kristin Schwamm. Berlin: Transit Verlag, 2007 ^ München: Piper, 2000. NA 2003 und 2005 Glücklich heimatlos. Einblicke und Rückblicke eines tschechischen Nachbarn. Stuttgart: Hohenheim Verlag, 2002 Als ich ein Feuilleton versprach. Handbuch des Dissens und Präsens. Essays, Überlegungen und Interviews 1964–2004. Wien: Czernin, 2004 Die Macht der Mächtigen oder Die Macht der Machtlosen. Mit Václav Havel. Klagenfurt: Wieser, 2006 Bibliographie Mora, Terézia 58 Seltsame Materie. Erzählungen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1999 (Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 2000; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tb, 2000) NULL. Anthologie im Internet. Köln: DuMont Verlag, 1999 »Der ungleichgültige Ort. So kam ich«. In: New York–Berlin–Moskau. Literaturmagazin 46. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2001 Alle Tage. Roman. München: Luchterhand Literaturverlag, 2004 Nakitsch, Marian 78 Unutar zidova (Innerhalb der Mauern). Jugoslawien, 1977 Flügelapplaus. Gedichte. Mit einem Paß-Bild von Reiner Kunze. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1994 (Collection S. Fischer 2378) Ören, Aras 114 Disteln für Blumen. Gedichte. Holzschnitte von Kurt Mühlenhaupt. Berlin: Polyphem, 1970 Der Hinterhof. U-Bahn. Erzählungen. Holzschnitte von Kurt Mühlenhaupt. Berlin: Polyphem, 1972 Was will Niyazi in der Naunynstraße. Ein Poem. Übersetzt von H. Achmed Schmiede und Johannes Schenk. Berlin: Rotbuch Verlag, 1973 Der kurze Traum aus Kagithane. Ein Poem. Übersetzt von H. Achmed Schmiede. Bearbeitet von Jürgen Theobaldy. Berlin: Rotbuch Verlag, 1974 Privatexil. Übersetzt von Gisela Kraft. Berlin: Rotbuch Verlag, 1977 Deutschland, ein türkisches Märchen. Gedichte. Übersetzt von Gisela Kraft. Düsseldorf: Claassen, 1978 Alte Märchen neu erzählt. Texte in zwei Sprachen. Dt.-türk. Übersetzt von Petra Kappert. Berlin: Ararat-Verlag, 1979 Die Fremde ist auch ein Haus. Berlin-Poem. Übersetzt von Gisela Kraft. Berlin: Rotbuch, 1980 Mitten in der Odyssee. Gedichte. Übersetzt von Gisela Kraft. Düsseldorf: Claassen, 1980 Bitte nix Polizei. Kriminalerzählung. Übersetzt von Cornelius Bischoff. Düsseldorf: Claassen, 1981 Der Gastkonsument/Konuk Türketici und andere Erzählungen in fremden Sprachen/ iki dilde anlatilar. Dt.-türk. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Berlin: Rotbuch Verlag, 1982 Ich anders sprechen lernen. Wörter von Aras Ören, Bilder von Wolfgang Nieblich. Berlin: Nishen, 1983 (Kreuzberger Hefte 3) Manege. Erzählungen. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Düsseldorf: Claassen, 1983 Widersinnige Sinnsprüche/Hikmetli aykiri sözler. Dt.-türk. Mit fünf Radierungen von Ergin Inan. Übersetzt von Petra Kappert. Berlin: Edition Mariannenpresse, 1984 Gefühllosigkeiten. Reisen von Berlin nach Berlin. Gedichte. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne; Yildirim Dagyeli und Yüksel Pazarkaya. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1986 Paradies kaputt. Erzählungen. Übersetzt von Petra Kappert, Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986 Das Wrack. Second-hand Bilder. Gedichte. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1986 Dazwischen. Gedichte. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1987 Eine verspätete Abrechnung oder der Aufstieg der Gündogdus. Roman. Übersetzt von Zafer Senocak und Eva Hund. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1988 Anlatilar. 1970 –1982. Berlin: Babel Verlag Hund und Toker, 1991 Die Hälfte. Gedichte. Mit Hanefi Yeter. Übersetzt von Eva Hund und Zafer Senocak. Berlin: Eigendruck, 1991 Verlorene Zärtlichkeit. Übersetzt von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1991 Wie die Spree in den Bosporus fließt. Briefe zwischen Istanbul und Berlin 1990–91 von Aras Ören und Peter Schneider. Berlin: Babel Verlag Hund und Toker, 1991 Leyla und Mecnun. Märchen für Musik. Mit Peter Schneider. Berlin: Babel Verlag, 1992 Der Uhrmacher der Einsamkeit. Gedichte. Übersetzt von Eva Hund und Zafer Senocak. Berlin: Berliner Handpresse, 1993 Aus dem Leben verbannt. Übersetzt von Cornelius Bischoff. Mit Linolschnitten von Wolfgang Jörg. Berlin: Berliner Handpresse, 1994 Berlin Savignyplatz. Roman. Übersetzt von Deniz Göktürk. Berlin: Elefanten Press Verlag, 1995 Der kleine Pascha. Märchen. Linolschnitte von Ingrid Jörg. Berlin: Berliner Handpresse, 1995 Das Geheimnis des Uhrturms. Märchen. Übersetzt von Deniz Göktürk. Linolschnitte von Ingrid Jörg. Berlin: Berliner Handpresse, 1996 Trugbilder, Wörter und danach. Imgeler – sozler ve otesi. Gedichte in zwei Sprachen. Mit Linolschnitten von Wolfgang Jörg. Berlin: Berliner Handpresse, 1996 Unerwarteter Besuch. Übersetzt von Deniz Göktürk. Berlin: Elefanten Press Verlag, 1997 Granatapfelblüte. Roman. Berlin: Elefanten Press Verlag, 1998 Privatexil ein Programm? Drei Vorlesungen. Übersetzt von Cem Dalaman. Tübinger Poetikvorlesung. Tübingen: Konkursbuch Verlag, 1999 Sehnsucht nach Hollywood. Übersetzt von Deniz Göktürk. Berlin: Elefantenpresse. 1999 Der Haifisch in meinem Kopf. Prosa, Lyrik, Szenen & Essays zum 9. Würth-Literaturpreis. Hrsg. von A. Ö. Künzelsau: Swiridoff, 2000 Özdamar, Emine Sevgi 62 Karagöz in Alemania. Theaterstück. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 1982 Mutterzunge. Erzählungen. Berlin: Rotbuch Verlag, 1990 Kelogan in Alemania, die Versöhnung von Schwein und Lamm. Theaterstück. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 1991 Das Leben ist eine Karawanserei/hat zwei Türen/aus einer kam ich rein/aus der anderen ging ich raus. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1992 (Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 1993) Die Brücke vom Goldenen Horn. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1998 (KiWi Tb 2002) Der Hof im Spiegel. Erzählungen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2001 Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding – Pankow 1976/77. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2003 (KiWi Tb 2004) Özdogan, Selim 64 Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist. Roman. Berlin: Rütten & Loening, 1995 (Berlin: Aufbau-Taschenbuchverlag, 1996/ 1999) Nirgendwo & Hormone. Roman. Berlin: Rütten & Loening, 1996 (Berlin: AufbauTaschenbuchverlag, 1999) Ein gutes Leben ist die beste Rache. Ge- 121 Bibliographie 122 Rajcic, Dragica 86 Halbgedichte einer Gastfrau. St. Gallen: Narziss & Ego, 1986 (NA Zürich: Eco-Verlag, 1994) Lebendigkeit Ihre züruck. Gedichte. Zürich: Eco-Verlag, 1992 Nur Gute kommt ins Himmel. Über lebende, tote und die dazwischen. Kurzprosa. Zürich: Eco-Verlag, 1994 Post bellum. Gedichte. Zürich: Edition 8, 2000 Buch von Glück. Zürich: Edition 8, Herbst 2003 Rakusa, Ilma 34 Wie Winter. Gedichte. Zürich: Edition Howeg, 1977 Die Insel. Erzählung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1982 Miramar. Erzählungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986 Steppe. Erzählungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990 Leben. Fünfzehn Akronyme. Zürich: Edition Howeg, 1990 Les mots/morts. Gedichte. Zürich: Edition Howeg, 1992 Jim. Sieben Dramolette. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993 Farbband und Randfigur. Vorlesungen zur Poetik. Graz: Droschl, 1994 Ein Strich durch alles. Neunzig Neunzeiler. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997 Love after love. Acht Abgesänge. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2001 Von Ketzern und Klassikern. Streifzüge durch die russische Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003 Langsamer! Gegen Atemlosigkeit Akzeleration und andere Zumutungen. Graz: Droschl, 2005 Stille. Zeit. Essays. Salzburg: Tartin Editionen, 2005 Durch Schnee. Erzählungen und Prosaminiaturen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006 Zur Sprache gehen. Dresdner ChamissoPoetikvorlesungen 2005. Dresden: Thelem, 2006 Garten, Züge. Eine Erzählung und zehn Gedichte. Ottensheim: Edition Thanhäuser, 2006 Dostojewksij in der Schweiz. Ein Reader. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1981 Marguerite Duras, Materialienband. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988 Anna Achmatowa, Gedichte. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988 Danilo Kis, Homo Poeticus. Gespräche und Essays. Hrsg. von I.R. München/Wien: C. Hanser, 1994 Einsamkeiten. Ein Lesebuch. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1996 Joseph Brodsky, Haltestelle in der Wüste. Gedichte. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997 Marina Zwetajewa, Versuch, eifersüchtig zu sein. Gedichte. Hrsg. von I.R. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Sadlon, Magdalena 12 Man sucht ein Leben lang. 41 Anagramme. Graz: gangan Verlag, 1988 Entweder Olga. Prosa. Graz: gangan Verlag, 1993 Die wunderbaren Wege. Roman. Wien: Zsolnay Verlag, 1999 Solange es schön ist. Roman. Wien: Zsolnay Verlag, 2006 SAID 40 Liebesgedichte von SAID. München: Friedrich, 1981 Wo ich sterbe, ist meine Fremde. Exil und Liebe. Gedichte und ein Gespräch mit Gino Chiellino. Frankfurt am Main: R.G. Fischer, 1984. NA München: P. Kirchheim, 1987; Norderstedt: Libri Books on Demand, 2000 Ich und der Schah – Die Beichte des Ayatollah. Hörspiele. Illustrationen von Nils Burwitz. Hamburg: Perspol-Verlag, 1987 Sei Nacht zu mir. Liebesgedichte. München: Hafis-Verlag, 1989. NA München: C.H. Beck 1998 Liebesgedichte. München: P. Kirchheim, 1989 Dann schreie ich, bis Stille ist. Gedichte. Tübingen: Heliopolis, 1990 (Die grenzenlose Bibliothek) Selbstbildnis für eine ferne Mutter. München: P. Kirchheim, 1992 Der lange Arm der Mullahs. Notizen aus meinem Exil. München: C.H. Beck, 1995 Es war einmal eine Blume. Ein Märchen mit Bildern von Kveta Pacovska. Salzburg: Neugebauer, 1998 Die Ballade vom Esel Trauermaul. Mit Original-Holzschnitten von Margarita, Joseph und Ludwig Thanhäuser. Ottensheim an der Donau: Thanhäuser Verlag, 1999. Dieses Tier, das es nicht gibt. Ein Bestiarium. München: C.H. Beck, 1999 Landschaften einer fernen Mutter. München: C.H. Beck, 2001 (München: dtv, 2003) Clara. Ein Märchen. Mit Bildern von Moidi Kretschmann. St.Pölten/Wien/Linz: NP-Buchverlag, 2001 Friedrich Hölderlin empfängt niemanden mehr. Ein Hörspiel. München: C.H. Beck, 2002 (CD) Außenhaut, Binnenträume. Gedichte. München: C.H. Beck, 2002 In Deutschland leben. Ein Gespräch mit Wieland Freund. München: C.H. Beck, 2004 Auf den Leib. Mit Fotos von James Dummler. München: C.H. Beck Verlag, 2004 Ich und der Islam. München: C.H. Beck Verlag, 2005 Das Rot lächelt, das Blau schweigt. Geschichten über Bilder. München: C.H. Beck Verlag, 2006 Mukulele. Ein Märchen mit Bildern von Katharina Grossmann-Hensel. Düsseldorf: Sauerländer Verlag, 2007 Schami, Rafik 88 Das letzte Wort der Wanderratte. Märchen, Fabeln & phantastische Geschichten. Ill. von Erika Rapp. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1984 (München: dtv, 1987) Der erste Ritt durchs Nadelöhr. Noch mehr Märchen, Fabeln & phantastische Geschichten. Ill. von Erika Rapp. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1985 (München: dtv, 1996) Der Fliegenmelker. Geschichten aus Damaskus. Ill. von Root Leeb. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1993 (München: dtv, 1989) und NA München/Wien: C. Hanser 1997 Eine Hand voller Sterne. Roman. Weinheim: Beltz & Gelberg, 1987 (München: dtv, 1995) Malula. Märchen und Märchenhaftes aus meinem Dorf. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1987 Märchen aus Malula. Ill. von Root Leeb. München: dtv, 1990. NA München/Wien: C. Hanser, 1997 Die Sehnsucht fährt schwarz. Geschichten aus der Fremde. München: dtv, 1988. NA mit Ill. von Root Leeb. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1996. NA München/Wien: C. Hanser, 1997 Erzähler der Nacht. Weinheim: Beltz & Gelberg, 1989 (München: dtv, 1994) Vom Zauber der Zunge. Reden gegen das Verstummen. Frauenfeld: Verlag im Waldgut, 1991 (München: dtv, 1998) Der ehrliche Lügner. Roman von tausendundeiner Lüge. Weinheim: Beltz & Gelberg, 1992 (München: dtv, 1996) Reise zwischen Nacht und Morgen. München/Wien: Carl Hanser, 1995 (München: dtv, 1999/2002) Gesammelte Olivenkerne. Aus dem Tagebuch der Fremde. Ill. von Root Leeb. München/Wien: C. Hanser, 1997 (München: dtv, 2000) Milad. Von einem der auszog, um einundzwanzig Tage satt zu werden. München/ Wien: C. Hanser, 1997 (München: dtv, 2000) Der geheime Bericht über den Dichter Goethe, der eine Prüfung auf einer arabischen Insel bestand. München/Wien: C. Hanser, 1999 (München: dtv, 2001) Sieben Doppelgänger. München/Wien: C. Hanser, 1999 (München: dtv, 2001) Die Sehnsucht der Schwalbe. München/ Wien: C. Hanser, 2000 (München: dtv, 2002) Mit fremden Augen. Tagebuch über den 11. September, den Palästina-Konflikt und die arabische Welt. Heidelberg: Palmyra Verlag, 2002 Die Farbe der Worte. Bilder und Geschichten. Mit Root Leeb. Cadolzburg: ars vivendi Verlag, 2002 Damaskus. Der Geschmack einer Stadt. Mit Maria Fadel. Zürich: Sanssouci im Verlag Nagel & Kimche, 2002 Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm. München: C. Hanser, 2003 Die dunkle Seite der Liebe. Roman. München: C. Hanser, 2004 Damaskus im Herzen. München: C. Hanser, 2006 Der Kameltreiber von Heidelberg. München: C. Hanser, 2006 Ç Senocak, Zafer 106 Hauptweg und Nebenweg. Gedichte, Photographien, Zeichnungen. Mit Peter Stefan, Fletcher Lynd, Joachim Puls und Wolfgang Schindler. Putbrunn: Druckpartner, 1980 Elektrisches Blau. Gedichte. München: Ströme Verlag, 1983 Verkauf der Morgenstimmungen am Markt. Gedichte. München: Edition Literazette, 1983 Flammentropfen. Gedichte. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1985 Ritual der Jugend. Gedichte. Frankfurt am Main: Dagyeli, 1987 Das senkrechte Meer. Gedichte. Berlin: Babel Verlag, 1991 Jedem Wort gehört ein Himmel. Türkei literarisch. München: Babel Verlag, 1991 Atlas des tropischen Deutschland. Essays. Berlin: Babel Verlag, 1992 Deutsche Türken. Türk Almanlar. Das Ende der Geduld. sabrin sonu. Zafer Ç Senocak und Claus Leggewie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1994 Der gebrochene Blick nach Westen. Positionen und Perspektiven türkischer Kultur. Hrsg. von Zafer Ç Senocak. Berlin: Babel Verlag Hund & van Uffelen, 1994 ^ Die Liebe von der Liebe und andere Gedichte. Gestaltung: Franz Handschuh. Stuttgart: Selbstverlag, 1968 Du Gegenden. Lyrik (deutsch-türkisch). Erlangen: Sardes Verlag, 2005 Nur um der Liebenden willen dreht sich der Himmel. Essays. Erlangen: Sardes Verlag, 2006 ^ Pazarkaya, Yüksel 102 ^ Auf-Bruch. Lyrik. Berlin: Das Arabische Buch, 1987 Heimatt und andere fossile Träume. Lyrik. Berlin: Das Arabische Buch, 1989 Weil ich dieses Land liebe. Lyrik. Berlin: Das Arabische Buch, 1991 Vater unser in Lima. Gedichte. Tübingen: Heliopolis, 1991 Gastling. Lyrik. Berlin: Das Arabische Buch, 1993 Los Caminos Son Yollardir. Secme siirler. Dt.-türk. Übersetzt von Hasan Özdemir. Istanbul: Papyrus, 1994 Austernfischer, Marinero, Vogelfrau. 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Erzählungen. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 1990 (Literarisches Programm 17) Engin im Englischen Garten. Ravensburg: Otto Maier, 1990 (Ravensburger junge Reihe) Das Rosenmädchen und die Schildkröte. Märchen. Zeichnungen von Barbara Rieder. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 1991 (Literarisches Programm 21) Nur der Hauch vom Paradies. Roman. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel, 1993 (Literarisches Programm 29) Günaydin. Türkisch für Fortgeschrittene. Einführung in die moderne türkische Sprache. Wiesbaden: Reichert, 2005 Trojanow, Ilija 56 Afrikanissimo (Hrsg.). Wuppertal: Peter Hammer, 1991 In Afrika. Reiseerzählung. Wuppertal: Marino Verlag, 1993 Naturwunder Ostafrika. München: Frederking & Thaler, 1994 Hüter der Sonne. Begegnung mit Simbabwes Ältesten. Zusammen mit Chenjerai Hove. München: Frederking & Thaler, 1996 Die Welt ist groß und Rettung lauert überall. Roman. München/Wien: C. Hanser, 1996 Autopol. Ein Internetroman. München: dtv, 1997 Hundezeiten. 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Albers, Irene Ferchl Gestaltung röger & röttenbacher, Büro für Gestaltung, Leonberg Druck Gulde Druck, Tübingen Copyright 2007 © 1998, 2001, 2003, 2005 und 2007 bei den Autoren, Fotografen und dem Herausgeber Bildnachweise S. 7, S. 8 © bpk/Dietmar Katz Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Viele Kulturen – eine Sprache : Adelbert-von-Chamisso-Preisträgerinnen und -Preisträger 1985 — 2007 / Robert Bosch Stiftung. - Stuttgart : Robert Bosch Stiftung, 2007 ISBN 978-3-939574-04-0