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Robert Schumann (Josef Kriehuber) MITTEILUNGEN IM JAZZIGES LONDON Neue Töne von den King’s Singers JUNI 2010 KAISERLICHE FESTOPER DURCHS SCHLÜSSELLOCH GELAUSCHT Caldaras Il più del nome Hausmusik bei Schumanns TOP 15 EDITORIAL LIEBE MUSIKFREUNDE, CHARTS 1 WIEGENLIEDER (VOL. 2) Banse/Mields/Ziesak/Scholl/Gerhaher/ Ullman/+ CAR 83002 2 WIEGENLIEDER (VOL. 1) Kirchschlager/Rubens/Kaufmann/ Prégardien/Hauptmann/Trekel/+ CAR 83001 GLOSSA schließt seine hoch gelobte Gesamteinspielung der italienischen Kantaten Händels ab, die uns neue und interessante Einblicke in die Musik seiner Jahre in Italien ermöglicht hat. Nicht weniger interessant ist Caldaras Serenata Il più bel nome. Frei von den starren Zwängen der Gattung „Opera seria“ entfaltet sich hier die ganze Kreativität des Komponisten. 3 TAIZÉ: MANE NOBISCUM Gemeinschaft von Taizé CHR 77329 4 PURCELL: LOVE SONGS Mields/Lautten Compagney/Katschner CAR 83435 Die King’s Singers überraschen diesen Monat mit einem Album voller jazzinspirierter Songs – aber ist ein JazzAlbum bei einem solch vielseitigen Ensemble tatsächlich eine Überraschung? Sicherlich, denn wer sie von dieser Seite bislang nicht kannte dürfte angenehm überrascht sein! 5 PACHELBEL: VESPERN The King’s Singers/Charivari Agréable/Ng SIGCD 198 6 BURGMÜLLER: SINFONIEN NR. 1 & 2 Hofkapelle Stuttgart/Bernius CAR 83226 7 LA TARANTELLA Beasley/L’Arpeggiata/Pluhar ALP 910 8 GRETRY: ANDROMAQUE (TRAGÉDIE LYRIQUE) Le Concert Spirituel/Niquet GCD 920620 9 BACH: MARKUS-PASSION (BWV 247) Horwitz/Amarcord/Kölner Akademie/ Willens CAR 83244 10 ZELENKA: MISSA VOTIVA (ZWV 18) Kammerchor Stuttgart/Barockorchester Stuttgart/Bernius CAR 83223 11 AGRELL: ORCHESTERWERKE Helsinki Baroque Orchestra/Häkkinen AE 10047 12 BACH: KANTATEN FÜR DAS KIRCHENJAHR (VOL.10) BWV 11/44/86/108 La Petite Bande/ Kuijken ACC 25310 13 CRUSADERS – IN NOMINE DOMINI Estampie CHR 77183 kaum zu glauben, dass wir mit der Juni-Ausgabe der Note 1-Mitteilungen schon die halbe Jahresproduktion unserer Labels vorgestellt haben. Die bisherigen Veröffentlichungen können sich wahrlich sehen lassen, sie sind aber auch ein Versprechen, das hohe Niveau der Neuheiten im zweiten Halbjahr beizubehalten. Schaut man sich die Juni-Neuheiten an, dann zeichnet sich schon deutlich eine Fortführung dieses Qualitätsstandards ab: Noch mehr interessante Neuheiten finden Sie auf den folgenden Seiten. Viele Entdeckerfreuden wünscht Ihnen Ihr IMPRESSUM Bernhard Blattmann Note 1 Musikvertrieb GmbH | Carl-Benz-Straße 1 | D-69115 Heidelberg Tel: 06221/720351 | Fax: 06221/720381 | info@note-1.de | www.note-1.de TEXTE: Bernhard Blattmann | REDAKTION: Manfred Glaser LAYOUT: Alice Männl - www.maennl.de MARKETING: Sandra Kohlheyer | kohlheyer@note-1.de Tel: 06221/720374 PRESSE & REPERTOIRE: Bernhard Blattmann | blattmann@note-1.de Tel: 06221/720267 ADMINISTRATION: Renate Sauer | sauer@note-1.de Tel: 06221/720351 GESCHÄFTSFÜHRUNG: Hanno Pfisterer | pfisterer@note-1.de Tel: 06221/720374 TOP 3 CHARTS NEUE MUSIK 1 CAGE: ETUDES BOREALES/HARMONIES/10’40.3'' Gauwerky/Knoop WER 67182 2 DUSAPIN: STREICHQUARTETTE NR. 1-5/ STREICHTRIO Arditti Quartett AECD 0983 14 SCHUMANN: DER ROSE PILGERFAHRT OP.112 Prégardien/Richter/Dahmen/Gees/ Süddeutscher Kammerchor/Jenemann CAR 83450 3 VASKS: DIE JAHRESZEITEN/ SOMMERABENDMUSIK Vestard Shimkus (Klavier) WER 67342 15 VIERNE: DIE ORGELSINFONIEN (VOL.2): SINFONIEN NR. 3 & 4 Daniel Roth AE 10551 3 Calmus Ensemble (Photo: Carus-Verlag) NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 BIEDERMEIERLICHES FLÜCHTEN? Die politische Welt um die Mitte des 19. Jahrhunderts war keineswegs so beschaulich, wie wir sie uns heute im Rückblick und mit anderen Problemen behaftet vielleicht vorstellen. Die Gesellschaft hatte Aufklärung, Revolution, Säkularisierung durchlaufen, und das Individuum schien fortan, trotz restaurativer Tendenzen, weitgehend auf sich selbst gestellt. Kein Wunder, dass so mancher sein Glück und ein Mindestmaß an Sicherheit in den eigenen vier Wänden suchte. Auch Schumanns Hinwendung zur vokalen Hausmusik und zum bürgerlichen Chorgesang, der damals eine erste Blüte erlebte, spiegelt die Ambivalenz seiner romantischen Befindlichkeit wider, bei der das bürgerliche Musizieren im kleinen Kreis Ausdruck jenes biedermeierlichen Flüchtens in die scheinbar heile Welt der heimischen HAUSMUSIK – ZU GAST BEI CLARA UND ROBERT SCHUMANN Werke von Schumann & Bach Calmus Ensemble/Bräunlich Idylle ist. Entsprechend uneinig war sich die Nachwelt lange Zeit bei der Bewertung dieser Sparte seines Schaffens. Die einen waren irritiert darüber, dass Schumann literarisch manchmal wenig anspruchsvolle Romanzen und Balladen vertonte, während 1849 mutige Revolutionäre bei Straßenkämpfen ihr Leben ließen; andere erkannten gerade in diesen ja nur äußerlich „harmlosen“ Werken eine Musik gewordene Zustimmung Schumanns zum gesellschaftlichen Aufbruch. Das Leipziger Calmus Ensemble bietet mit seiner Produktion Gelegenheit, sich selbst vom Wert dieser Musik ein Bild zu machen, und kombiniert die Vokalmusik Schumanns mit der eines weiteren eifrigen Hausmusikers, der für Schumann stets ein großes Vorbild gewesen ist: Johann Sebastian Bach. • Schumann-Raritäten mit „Stimmen aus Samt und Seide“ EBENFALLS ERHÄLTLICH (AUSWAHL): SCHUMANN: AN DIE STERNE – WELTLICHE VOKALMUSIK I Gedichte Op.29/Lieder Op.55/Gesänge Op.59 & 141/+ Graden/Orpheus Vokalensemble/+ CARUS CAR 83173 (T01) DDD, 2006 „Was uns heute eigentlich als naiv-romantische Schwärmerei vorkommen müsste, klingt durch die aufgeweckte Interpretation dieser Stücke erstaunlich aktuell und augenzwinkernd.“ Klassik.com SCHUMANN: DER ROSE PILGERFAHRT Jenemann/Süddeutscher Kammerchor/Prégardien/Richter/Dahmen/+ CARUS - CAR 83450 (T01) DDD, 2009 CARUS - CAR 83447 (T01) DDD, 2010 4 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 RUNDUM GELUNGEN Der Venezianer Antonio Caldara (1670/71-1736) prägte als Vizekapellmeister unter Johann Joseph Fux das musikalische Leben am kaiserlichen Hof in Wien mit. In dieser Funktion komponierte er hauptsächlich Vokalwerke, darunter über 40 Oratorien und über 80 Opern. Sein Instrumentalwerk geriet deshalb ein wenig aus dem Blickfeld, obwohl er, wie damals üblich, mit zwei Triosonaten-Sammlungen reüssierte. Zu seinen letzten Kompositionen zählen 17 nur anderthalb Jahre vor seinem Tod entstandene Cellosonaten. Caldara komponierte sie eigens für den cellobegeisterten Grafen Rudolf Erwein von Schönborn-Wiesentheid, der zuvor schon Adressat von einigen der Cellosonaten und -konzerte Vivaldis gewesen war. Die rundum gelungene, mitreißend musizierte Aufnahme einer Auswahl von acht dieser Werke mit Gaetano Nasillo garantiert unbeschwertes Hörvergnügen. CALDARA: SONATE À VIOLONCELLO SOLO COL BASSO CONTINUO Nasillo/Guglielmi/Bennici ARCANA - A 356 (T01) DDD, 2009 RICHTUNGSWEISEND Wohl kein anderer Komponist des 17. und 18. Jahrhunderts hat es geschafft, bereits zu Lebzeiten ein Klassiker zu werden, so wie Arcangelo Corelli (1653-1713) es war. Seine vier Sammlungen mit Triosonaten wurden zu Modellwerken der Gattung, an denen bereits seine Zeitgenossen nicht vorbeikamen und die ihre Gültigkeit noch lange nach Corellis Tod behielten. Die 1997 entstandene Gesamteinspielung der Sonate da chiesa Op.3 mit Enrico Gatti und seinem Ensemble Aurora hat mittlerweile selbst den Status eines Klassikers erreicht, der auch nach zehn Jahren nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Wie die Triosonaten, so besaßen auch die Solosonaten des Op.5 Modellcharakter für die Gattung. In der Folgezeit entstand in Italien kaum eine Sonatensammlung von Rang, die nicht als Hommage an den Komponisten und sein Op.5 mit Variationen über das berühmte Folia-Thema endete. Wie bereits bei den Violinsonaten, so legt Gatti auch hier eine Maßstab setzende Einspielung vor. Mit Gaetano Nasillo und Guido Morini erhält Gatti prominente Unterstützung. CORELLI: 12 TRIOSONATEN OP.3 / 7 POSTHUME SONATEN Gatti/Ensemble Aurora ARCANA - A 402 (R02) 2 CDs, DDD, 1997 CORELLI: 12 VIOLINSONATEN OP.5 Gatti/Nasillo/Morini ARCANA - A 423 (R02) 2 CDs, DDD, 2003 5 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 • Charmante Barockrarität in exzellenter Ausführung • Eines der verdienstvollsten Aufnahmeprojekte zum Händel-Jahr 2009 BEZAUBERND KRÖNENDER ABSCHLUSS Der Spanische Erbfolgekrieg wirbelte auch das musikalische Europa gehörig durcheinander: Da der Herzog von Mantua sich in diesem Konflikt auf die „falsche“, die französische, Seite schlug, setzte ihn Kaiser Joseph I. mittels seiner Truppen kurzerhand ab. Antonio Caldara verlor damit seinen Arbeitgeber und begab sich pikanterweise ausgerechnet nach Spanien in die Dienste des Bruders von Joseph I., Erzherzog Karl III. (der spätere Kaiser Karl VI.). Wie alle Habsburger, so war auch Karl ein musikbegeisterter Mäzen, der Caldara 1716 zu seinem Vizehofkapellmeister machen sollte. Es ist unklar, zu welchem Anlass 1708 Caldaras Serenata Il più bel nome komponiert wurde. Entstand sie tatsächlich im August zur Hochzeit des Erzherzogs mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, dann handelt es sich um nicht weniger als die erste auf spanischem Boden komponierte italienische Oper. Vielleicht erklang sie aber auch „nur“ erstmals im November zum Namenstag der deutschen Prinzessin. Einerlei, das herausragende Solistenquintett um Emilio Moreno und sein Ensemble El Concierto Español haben das bezaubernde Werk aus seinem Jahrhunderte währenden Dornröschenschlaf erweckt. Völlig zu Recht, denn wieder einmal bestätigt sich, dass die Serenata mehr als nur kurzlebige Gebrauchsmusik war, sondern ein von den Gattungskonventionen der Oper befreites musikalisches Experimentierfeld für kreative Köpfe, wie es nun einmal auch Antonio Caldara gewesen ist. Mit der siebten Folge findet das verdienstvolle Projekt der Gesamtaufnahme der italienischen Kantaten mit Instrumentalbegleitung auf GLOSSA seinen krönenden Abschluss. Als in Folge des Spanischen Erbfolgekrieges kaiserliche Truppen Rom belagerten, wich Händel kurzerhand von Rom nach Neapel aus, wo er für den außergewöhnlichen Bass Domenico Antonio Manna mehrere Werke komponierte, darunter die Kantate HWV 98. Unter den hier aufgenommenen Kompositionen dürfte die „Mini-Oper“ Apollo e Dafne allerdings die bekannteste sein. Erst 1710 in Hannover fertiggestellt, aber bereits 1708 in Neapel begonnen, stellt sie so etwas wie ein Mitbringsel des Komponisten für seinen neuen Arbeitgeber, den Kurfürsten von Hannover und späteren englischen König Georg I. dar. Mit Roberta Invernizzi, Furio Zanasi und Thomas E. Bauer konnte Fabio Bonizzoni einmal mehr die idealen Stimmen gewinnen. CALDARA: IL PIÙ BEL NOME Espada/Andueza/Kielland/Blaze/Prunell-Friend/ Moreno/El Concierto Español HÄNDEL: APOLLO E DAFNE – ITALIENISCHE KANTATEN VOL.7 Apollo e Dafne HWV 122/Agrippina condotta a morire HWV 110/Cuopre talvolta il cielo HWV 98 Invernizzi/Bauer/Zanasi/Bonizzoni/La Risonanza GLOSSA - GCD 920310 (R02) 2 CDs, DDD, 2009 PRESSESTIMMEN ZUR EDITION: STANLEY SADIE HANDEL PRIZE 2007 & 2010 „So darf man diese Reihe der italienischen Kantaten Händels mit Fug und Recht jedem Liebhaber barocker Vokalmusik zum Sammeln empfehlen!“ Klassik-heute.com „Die Musik ist ein Genuss, die Besetzung dieser Aufnahme schlichtweg ideal.“ Klassik.com GLOSSA - GCD 921527 (T01) DDD, 2009 6 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 AUSSERGEWÖHNLICHER KANTATENZYKLUS Der kleine Bachkantatenzyklus von Sigiswald Kuijken, seinem Ensemble La Petite Bande sowie einer handverlesenen Sängerbesetzung auf ACCENT geht diesen Monat in seine elfte Folge. Kuijken möchte mit seiner Serie von je einer Kantate für die Sonn- und Festtage im Kirchenjahr den klanglichen Beweis antreten, dass es sich bei der mittlerweile etablierten These, der Thomaskantor habe die Chöre seiner Kantaten mit nur einem Sänger pro Stimme besetzt, nicht um ein rein akademisches Gedankenspiel, sondern um eine reale und vor allem auch musikalisch begründete Aufführungspraxis handelt. Die Konsequenz, mit der Kuijken seinen Ansatz verfolgt, erweist sich dabei von Folge zu Folge als wahrer Glücksfall der neueren BachInterpretation, bei der sowohl Kopf- als auch Herzhörer angesprochen werden. Zu hören sind diesmal Kantaten für die Sonntage Quasimodigeniti, Misericordias Domini und Jubilate. BACH: KANTATEN FÜR DAS KIRCHENJAHR VOL.11 BWV 12/67/85 Kuijken/La Petite Bande ACCENT - ACC 25311 (U01) Hybrid-SACD, DDD, 2009 30 JAHRE RICERCAR MUSIKALISCHER MACHTKAMPF RICERCAR präsentiert hier nicht nur seine KatalogCD für 2010, sondern feiert damit auch sein nunmehr 30-jähriges Bestehen. Seit 1980 bereichert das Label des belgischen Musikwissenschaftlers und Gambisten Jerôme Lejeune die Plattensammlungen der Musikliebhaber mit herausragenden Aufnahmen Alter Musik. Zu den ersten Künstlern und Ensembles zählte auch das Ricercar Consort um Philippe Pierlot, dessen Einspielungen in der Serie Deutsche Barockkantaten maßstabsetzend wurden und nach wie vor als mustergültige Einspielungen gelten. Die Katalog-CD bietet einen preiswerten Zugang zum Katalog eines der wichtigsten Alte MusikLabels. Mit seinem 1740 erschienenen Pamphlet „Verteidigung der Viola da gamba gegen die Angriffe der Violine und die Anmaßung des Violoncellos“ wollte der Jurist und begeisterte Gambist Hubert Le Blanc gegen den unaufhaltsamen Siegeszug von Violine und Violoncello in Frankreich protestieren. Huberts Streitschrift ist dabei kein wirres Machwerk, sondern ein fein und kenntnisreich beobachteter Bericht über die französische Musik. Für uns ist sie zudem eine unschätzbare Quelle zum Gambenspiel im 18. Jahrhundert. Die drei CDs bei RICERCAR bieten neben den Ansichten Le Blancs auch einen erkenntnisreichen und kurzweiligen Überblick über das französische Repertoire der Basse de Viole sowie das ihrer Konkurrenten. BACH: AUS DER TIEFE (+ KATALOG 2010) Kantaten von J.S. Bach, C. Bernhardt, J.P. Förtsch, C. Graupner De Reyghere/ Bowman/De Mey/ Van Egmond/ Ricercar Consort DEFENSE DE LA BASSE DE VIOLE Werke von Dornel/Marais/Rebel/Barriere/+ Pierlot/ Fernandez/ Suzuki/Hantai/ Watillon/+ RICERCAR - RIC 295 (Z590) DDD, 1989-1991 RICERCAR - RIC 296 (K03) 3 CDs, DDD, 1992-1993 7 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 INSEL DER SEELIGEN PILGERWEGE „Insula felix – augia felix“, Glückliche Insel, glückliche Aue – so besingt Walahfried Strabo im 9. Jahrhundert in einem seiner berühmten Gedichte, dem Metrum saphicum, sein geliebtes Inselkloster sehnsüchtig aus der Ferne, als er zur Ausbildung in Fulda weilt. Und die Reichenau war zusammen mit St. Gallen wirklich ein Hort der Wissenschaft und Kunst, eine Wiege der europäischen Kultur im Bodenseeraum. Hier wie dort blühten Choral, Dichtung und Buchmalerei. Im Gegensatz zum Galluskloster wurden allerdings die Handschriftenschätze, die einst Reginbert, der berühmte Klosterbibliothekar, hütete, in alle Winde zerstreut. So ist es der Forschung erst in den letzten Jahren gelungen, die Musikkultur des Inselklosters wieder annäherungsweise zu rekonstruieren. Diese CD stellt erstmalig den Versuch dar, ein Programm nur mit Musik aus dem Kloster Reichenau bzw. mit in engster Beziehung zu ihm stehender Musik zu gestalten. Ende des 20. Jahrhunderts erlebte der Jakobsweg eine ungeahnte Renaissance und damit auch die Beschäftigung mit dem reichen musikalischen Erbe dieses bedeutendsten europäischen Pilgerweges. Mit der im Plural formulierten Überschrift „Pilgerwege“ hat der vorliegende Konzertmitschnitt des Ensembles Spielleyt – Early Music Freiburg aber nicht nur die Musik des Jakobswegs im Blick, sondern auch die weiterer Pilgerziele Spaniens. Als Quellen der vorliegenden Aufnahme dienten u.a. der Codex Calixtinus, das Llibre Vermell de Montserrat und das Cancionero de Palacio. Hinsichtlich des Instrumentariums orientierte sich das Ensemble an zeitgenössischen Abbildungen, die sich in Handschriften und an Kirchenportalen erhalten haben. Ein Großteil dieser Instrumente erwacht unter den Händen der „Freiburger Spielleyt“ zu neuem Leben und umrahmt den Gesang der Solistin und der „Pilger“. INSULA FELIX – GREGORIANISCHER CHORAL AUS DEM KLOSTER REICHENAU Ordo virtutum CHRISTOPHORUS CHR 77328 (T01) DDD, 2010 CAMINO DE SANTIAGO – MITTELALTERLICHE MUSIK AUF DEN PILGERWEGEN SPANIENS Spielleyt – Early Music Freiburg CHRISTOPHORUS CHR 77330 (T01) DDD, 2008 FÜR DIE MADONNA ANGELICATA Francesco Petrarca schuf mit seinem Canzioniere, einer Sammlung von Sonetten für jeden Tag des Jahres, eines der wichtigsten literarischen Werke des Humanismus. Es findet seinen abschließenden Höhepunkt in den sogenannten „Vergines“. In diesen Gedichten wird die von Petrarca angebetete Laura in der Anrufung an die Gottesmutter Maria zur „madonna angelicata“ erhöht. Jede der acht Strophen dieser „geistlichen Liebeslyrik“ beginnt mit der Anrede „Vergine“, die ihnen schließlich auch den Namen gab. Bereits im 16. Jahrhundert wurden diese Gedichte von etlichen Komponisten vertont. In Palestrinas Schaffen stehen sie als „madrigali spirituali“ zwischen seinen geistlichen und den weltlichen Kompositionen und nehmen so eine ganz besondere Stellung ein. Das Ensemble Officium ergänzt diese CD sinnvoll mit der hier erstmals eingespielten Missa Ave Regina caelorum Palestrinas. PALESTRINA: LE VERGINE / MISSA AVE REGINA CAELORUM Rombach/Ensemble Officium CHRISTOPHORUS CHR 77334 (T01) DDD, 2001 8 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 HYMNISCH GELUNGENE WÜRDIGUNG Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) war zu seinen Lebzeiten eine Größe von europäischem Rang, als Komponist geschätzt und als Kompositionslehrer gesucht. Besonders seine über 200 Sakralwerke stellen einen bedeutsamen Beitrag zur Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts dar. Musikalisch stand er dabei sowohl der neudeutschen Schule als auch dem von ihm als epigonal betrachteten Cäcilianismus der katholischen Kirchenmusik skeptisch gegenüber. Dass viele seiner Kompositionen trotz hoher musikalischer Qualitäten nach seinem Tod im Jahre 1901 nicht mehr aufgeführt wurden, hängt nicht zuletzt mit äußeren Umständen zusammen: Die mit dem Jahrhundertwechsel beginnende ästhetische Neuorientierung führte zu einer radikalen Ablehnung jener konservativ-klassizistischen Richtung, der sich Rheinberger – wie auch Brahms – verpflichtet fühlte. Rheinberger ist heute vor allen Dingen als Komponist mehrstimmiger Motetten und Messen für gemischten Chor bekannt. Dass er aber auch eine ganze Reihe von solistischen, klein besetzten bzw. chorischen Werken für Frauenstimmen schrieb, ist dagegen heute weit weniger im Bewusstsein. Dabei erstreckt sich die Entstehung derartiger Werke über die ganze Schaffensperiode Rheinbergers; und nicht wenige gehören zu seinen populärsten und auch kommerziell erfolgreichsten Kompositionen. Folge 10 der Rheinberger-Serie bei CARUS widmet sich diesem interessanten, bislang wenig beachteten Genre in Rheinbergers geistlichem Œuvre. Dieses Jahr feiert die Musikwelt nicht nur den 200. Geburtstag von Frédéric Chopin und Robert Schumann, sondern auch den 150. Geburtstag von Hugo Wolf. Seinen Platz unter den größten Liedkomponisten verdankt er der Wahrhaftigkeit und Originalität sowie der lebendigen Ausdrucksstärke seiner Liedkompositionen. Diese sind nicht nur ein Ergebnis der außergewöhnlichen musikalischen Begabung Wolfs, sondern eines nicht minder außergewöhnlichen kritischen Verständnisses von Lyrik. Kein anderer Komponist hatte eine so skrupulöse Achtung vor den Gedichten, die er vertonte. Der international renommierte Bariton Dietrich Henschel führt sich mit einem reinen Wolf-Album bei FUGA LIBERA ein, dass sich ausschließlich den besonders populären Mörike-Vertonungen des Komponisten widmet. Zusammen mit seinem Begleiter Fritz Schwinghammer stellte Henschel im Rahmen mehrerer Recitals im EhrbarSaal des Prayner-Konservatoriums in Wien nahezu alle Mörike-Lieder Wolfs vor. Der Saal ist ein Juwel des 19. Jahrhunderts und bot mit seinem intimen und natürlichen Klang den idealen Rahmen für dieses anspruchsvolle Lied-Projekt. Dessen Bedeutung wird durch den ebenso kenntnisreichen wie lesenswerten Kommentar des bedeutenden Wolf-Biographen und Herausgebers Leopold Spitzer unterstrichen. Kein Zweifel, mit dieser Einspielung gelingt Henschel eine rundum gelungene Würdigung eines der herausragendsten Komponisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts. RHEINBERGER: AVE MARIA – MUSICA SACRA VOL.X Hymnen Opp. 54, 118, 128 & 171/Ave Maria WoO 7,1/ Salve Regina WoO 54,2 Teuscher/Müller/Markert/Payer/Johannsen WOLF: MÖRIKE-LIEDER Henschel/Schwinghammer CARUS - CAR 83431 (T01) DDD, 2009 FUGA LIBERA - FUG 568 (R02) 2 CDs, DDD, 2009 9 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 KULTURELLE BLÜTE REHABILITATION ERSTER HÖHEPUNKT Unter König Christian IV. von Dänemark (1577-1648) erlebte das Land nicht nur den Höhepunkt seiner politischen Macht, sondern auch eine kulturelle Blüte, die den dänischen Hof zu einem Anziehungspunkt für Musiker und Komponisten aus ganz Europa machte, darunter z.B. John Dowland. Les Witches machen uns mit der bislang viel zu wenig beachteten Musik am dänischen Hof bekannt. Zu hören sind dabei auch Werke des einheimischen Komponisten Mogns Pedersøn (ca.1585-1623). Im Mittelpunkt der vorliegenden Aufnahme steht auch die prachtvolle Compenius-Orgel von 1610, die zu den schönsten Instrumenten des 17. Jahrhunderts zählt. Das außergewöhnliche Instrument von Esaias Compenius hat mehrere lange Transporte sowie die Wirren der Zeit nahezu unbeschadet überstanden und ist das Schmuckstück der Schlosskapelle in Frederiksborg. Für viele Komponisten, über die sich Mozart in seinen Briefen, sei es nun zu Recht oder lediglich aus Neid oder Frustration, negativ ausließ, bedeutete dies über kurz oder lang eine Art Todesurteil im Ansehen der Nachwelt, da man Mozarts Urteil viel zu häufig kritiklos übernahm. Zu den Opfern gehört neben Muzio Clementi auch Giuseppe Maria Cambini (17291783), den Mozart beschuldigte, die Aufführung seiner Sinfonia concertante KV 297B hintertrieben zu haben. Dass Cambini z.B. den Streichersatz virtuos beherrschte, beweist seine Mitwirkung im legendären Quartett, bestehend aus Filippo Manfredini, Pietro Nardini und Luigi Boccherini. Anhand der drei hier eingespielten Streichquintetten zeigt uns das auf historischen Instrumenten spielende Ensemble Entr’acte, dass die Musik Cambinis tatsächlich weitaus besser ist, als es uns Mozart mit seinem etwas abfälligen „recht hüpsch“ glauben machen will. Im frühen 17. Jahrhundert prägten drei „SCHs“ die deutsche Musik: Schein, Scheidt und Schütz. Wie sein berühmter Zeitgenosse Heinrich Schütz, so verstand es auch Samuel Scheidt (1587-1654), die polyphone Tradition des protestantischen Chorals mit den neuesten Tendenzen der expressiven italienischen Madrigalkunst zu verknüpfen. Auch wenn Schütz heute weitaus mehr geschätzt wird, so ist Scheidt doch eindeutig der vielseitigere Komponist, der alle damals gängigen Gattungen bedient hat. Seine 1620 gedruckten Cantiones Sacrae markieren nicht weniger als einen der ersten Höhepunkte frühbarocker Musik in Deutschland und unterstreichen die bislang zu wenig wahrgenommene Bedeutung des Komponisten. Nach seiner hochgelobten Einspielung mit Chorwerken Scarlattis (RIC 258) beweist Vox Luminis nun auch seine Kompetenz in Sachen protestantische Chormusik. KONGE AF DANMARK – DAS MUSIKALISCHE EUROPA AM HOF CHRISTIAN IV. Werke von Hume/Scheidt/Pedersøn/ Robinson/+ Les Witches ALPHA - ALP 163 DDD, 2009 CAMBINI: STREICHQUINTETTE NR.1, 4 & 23 Ensemble Entr’acte PAN CLASSICS PC10218 (T01) DDD, 2009 SCHEIDT: CANTIONES SACRAE Meunier/Vox Luminis RICERCAR RIC 301 (T01) DDD, 2009 10 HÖRENSWERTE SINFONIEN Hätten sich nicht Generationen von Klavierschülern mit seinen Etüden herumschlagen müssen, Carl Czerny (1791-1857) würde heute als Komponist wohlwollender und gebührender wahrgenommen werden. Denn der Beethoven-Eleve hat wirklich hörenswerte Sinfonien hinterlassen, wie uns Nikos Athinäos und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt 1997 überzeugend darlegten. CZERNY: SINFONIEN NR. 1 & 5 Athinäos/Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt CHRISTOPHORUS CHR 01522 (D01) DDD, 1997 KLAR UND SCHNÖRKELLOS NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 DER SINFONIKER UNERHÖRTES Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) ist heute eher als Komponist geistlicher Werke bekannt. Die wenigsten dürften wissen, dass er auch ein umfangreiches, nicht minder interessantes sinfonisches Œuvre hinterlassen hat. Nikos Athinäos und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt machten Mitte der 1990er Jahre mit dem Sinfoniker Rheinberger bekannt. Spielte das Göbel-Trio einen unbekannten Komponisten oder Unbekanntes eines namhaften Komponisten ein, dann konnte man stets sicher sein, in mehrerlei Hinsicht „Unerhörtes“ zu entdecken. 2001 zeigten sie uns zum Beispiel den Meister der Ballade, Carl Loewe (1796-1869), einmal als ebenso meisterhaften Kammermusikkomponisten. RHEINBERGER: SINFONISCHE WERKE Wallenstein Op.10/Fantasie Op.79/ Akademische Ouvertüre Op.195/+ Athinäos/Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt/+ CHRISTOPHORUS CHE 1532 (D02) 2 CDs, DDD, 1994/1995 LOEWE: GRAND TRIO OP.12 BERIOT: KLAVIERTRIO NR.2 OP.58 Göbel-Trio Berlin CHRISTOPHORUS CHE 01542 (D01) DDD, 2001 ENGES VERHÄLTNIS NEUE STREICHTRIOS Der Zyklus Dichterliebe op.48 nach Gedichten von Heinrich Heine ist eine von Schumanns originellsten und tiefgründigsten Schöpfungen. Der vielfach ausgezeichnete Tenor Daniel Johannsen und seine Partnerin Elena Larina stellen in ihrer klaren und schnörkellosen Interpretation besonders die kompositorische Finesse der Lieder in den Vordergrund. Bremen und Brahms sind enger miteinander verbunden, als mancher zunächst annehmen würde: „Ich verzichte gar ungern auf den Besuch in Bremen“ ist nur eine der vielen positiven Äußerungen des Komponisten über die Hansestadt. Die Einspielung der Bremer Philharmoniker unter Markus Poschner bei DREYER-GAIDO bestätigt das enge Verhältnis von Bremen und Brahms. Das Neue Wuppertaler Streichtrio hat sich stets um die Repertoireerweiterung verdient gemacht. Hier präsentiert es zwei 2007 bzw. 2008 entstandene Streichtrios von LutzWerner Hesse (*1955) und Joseph Kolkovich (*1957). Kolkovichs Seven faces of the world wurden eigens für das Ensemble komponiert und im Rahmen der 8. Bergischen Biennale für Neue Musik uraufgeführt. SCHUMANN: DICHTERLIEBE OP.48/+ Johannsen/ Larina BRAHMS: SINFONIEN NR. 1 & 2 Poschner/ Bremer Philharmoniker HESSE & KOLKOVICH: STREICHTRIOS Neues Wuppertaler Streichtrio COVIELLO CLASSICS COV 51010 (T01) DDD, 2009 DREYER-GAIDO DGCD 21056 (K02) 2 CDs, DDD, 2009 ARS PRODUKTION ARS 38493 (T01) DDD, 2009 WÜRDIGUNG SPASS AN DER FREUD Der Thomanerchor würdigt mit dieser CD die 1968 zerstörte Leipziger Universitätskirche St. Pauli. Im 13. Jahrhundert erbaut, überdauerte die Kirche den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet. 1968 jedoch beschlossen das Politbüro der SED, der Leipziger Stadtrat sowie der Senat der Universität, die Kirche zu sprengen und den Leipziger Augustusplatz im sozialistischen Sinne umzugestalten. Eine Kirche passte da nicht in den Campus der damaligen Karl-Marx-Universität. Das neu entstehende Paulinum vereinigt unter seinem Dach sowohl wissenschaftliche Institute, die Aula der Universität als auch ihren Andachtsraum. Aula und Andachtsraum können für größere Veranstaltungen über einen transparenten Raumteiler miteinander verbunden werden. In Erinnerung an die Kirche, in der bis dahin die Universitätsgottesdienste stattfanden, wird der neue Andachtsraum im Paulinum den Namen „Universitätskirche St. Pauli“ tragen. Die CD erscheint zum Jahrestag der Zerstörung. Gemeinsam mit dem Gewandhausorchester erinnert der Thomanerchor an die historische und kulturelle Bedeutung der Universitätskirche. Werke u.a. von Bach über Mendelssohn Bartholdy bis zu Terzakis beleuchten die Jahrhunderte lange gemeinsame Geschichte und die musikalischen Beziehungen zwischen Universität und Thomanerchor Leipzig. Ein Kritiker bemerkte einmal zurecht: „If the King‘s Singers can‘t put a smile on your face, you‘re a pretty hopeless grump.“ Das wird ihnen ohne Zweifel auch wieder mit dem vorliegenden Album gelingen. Die sechs Herren haben hier vierzehn jazzinspirierte Songs aufgenommen, darunter allein fünf brandneue, die eigens für dieses CD komponiert wurden. Highlights sind aber auch die Arrangements von Pop-Hits wie Angel von Sarah MacLachlan oder Home von Michael Bublé. Das Arrangement By the time entstand im Rahmen von gemeinsamen Auftritten mit dem Popstar Mika. Der titelgebende Song Swimming over London schließlich stammt von Bob Chilcott. Um diese fünf Titel gruppieren sich Klassiker und Standards von Harold Arlen, Nat King Cole und Pat Metheny. Kein Zweifel, in puncto Vielseitigkeit kann keiner den King’s Singers das Wasser reichen. DER THOMANERCHOR UND DIE UNIVERSITÄTSKIRCHE ST.PAULI LEIPZIG Werke von Bach/Mendelssohn/Reger/Terzakis/+ Biller/Thomanerchor Leipzig/Gewandhausorchester/+ SWIMMING OVER LONDON Angel (Sarah MacLachlan)/By the time (Mika)/ Straighten up and fly right (Nat King Cole)/Home (Michael Bublé)/It’s a new world (Harold Arlen), u.v.a The King’s Singers RONDEAU - ROP 4032 (R01) DDD, 2010 SIGNUM RECORDS - SIGCD 192 (T01) DDD, 2010 The King‘s Singers (Photo: Marco Borggreve) 11 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 12 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 GEHEIMTIPP AUSSENSEITER Nach wie vor besitzt die Klaviermusik von Gabriel Fauré (1845-1924) hierzulande unter den Pianisten und Musikliebhabern nicht den Stellenwert, der ihr wegen ihrer unleugbaren Qualitäten zustehen würde. Zu den bekannteren Werkzyklen des Franzosen gehören die dreizehn zwischen 1880 und 1921 entstandenen Barcarolles, an denen sich sehr schön die stilistische Entwicklung der Klaviermusik Faurés nachvollziehen lässt. Delphine Bardin macht uns auf ALPHA mit dieser wunderbaren Musik bekannt, der immer noch so etwas wie der Status eines Geheimtipps für Kenner anhaftet. André Jolivet (1905-1974) war unter den französischen Komponisten seiner Zeit ein Außenseiter, der sich den Zwängen von Schulen und Stilrichtungen ganz bewusst und auch erfolgreich verweigerte. Trotzdem gilt Jolivet heute neben Olivier Messiaen als bedeutendster französischer Komponist seiner Generation, dessen Werke 1964 als am häufigsten zur Aufführung gebracht ermittelt wurden. Das SWR Vokalensemble Stuttgart unter Marcus Creed macht hier mit einigen seiner hörenswerten Chorwerke bekannt, die nicht zuletzt bei Interpreten mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. FAURÉ: DIE BARCAROLLES Delphine Bardin, Klavier JOLIVET: ÉPITHALAME/ MADRIGAL/MISSA UXOR TUA Creed/SWR Vokalensemble Stuttgart/ Mitglieder des RSO Stuttgart ALPHA - ALP 162 (T01) DDD, 2008 CARUS - CAR 83445 (T01) DDD, 2005/2008 LECKERBISSEN ABSEITS VON TRENDS UND MODEN Der aus Albanien stammende Geiger Tedi Papavrami begeistert hier gleich mit mehreren Leckerbissen des französisch-romantischen Repertoires. Zusammen mit dem Orchestre Philharmonique de Liège unter seinem neuen musikalischen Leiter François-Xavier Roth entstand gewissermaßen ein Portrait der Solovioline durch die Brille der französischen Schule des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die gelungene Mischung aus Virtuosität und Eleganz der Werke evoziert nicht von ungefähr Prousts berühmte imaginäre Vinteuil-Sonate aus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Der Schweizer Klaus Huber (*1924) nimmt innerhalb der zeitgenössischen Musik einen durch und durch singulären Platz ein. Abseits von Trends und Moden ging der Komponist einen Weg, der ihn mehr und mehr die ethischen Dimensionen der Musik erkunden ließ. Sein Œuvre offenbart einen außerordentlich humanen Komponisten, dem es immer auch um seine Mitmenschen geht. Mit seinem Werk hat Huber dabei Generationen von Musikern beeinflusst. Dies gilt auch für seine Werke für Violoncello, die Alexis Descharmes für AEON erstmals komplett eingespielt hat. SAINT-SAËNS: VIOLINKONZERT NR.3/INTRODUKTION & RONDO CAPRICCIOSO CHAUSSON: POÈME YSAŸE: POÈME ÉLÉGIAQUE Papavrami/Roth/ Orchestre Philharmonique de Liège HUBER: DAS GESAMTWERK FÜR VIOLONCELLO Descharmes/+ AEON - AECD 1088 (T01) DDD, 2009 AEON - AECD 1089 (T01) DDD, 2009 13 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 DENKWÜRDIG INITIALZÜNDUNG Der große Konzerthaussaal in Wien hat in seiner langen Geschichte eine ganze Reihe denkwürdiger Konzerte erlebt. Die Wiener Symphoniker öffnen in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Label MUSIC & ARTS jetzt ihr Archiv, und so können wir nun so manches unvergessliches Konzertereignis zumindest als Mitschnitt nacherleben. Darunter auch diese bemerkenswerte Johannes-Passion von 1955 unter dem legendären BachDirigenten Fritz Lehmann mit einer erlesenen Sängerbesetzung, darunter Gérard Souzay und Walter Berry. Eine eher weniger bekannte Seite von Paul Hindemith sind seine großen Verdienste um die Wiederbelebung Alter Musik. 1954 besorgte er im Wiener Konzerthaus eine der ersten weitgehend historisch informierten Aufführungen von Monteverdis Orfeo, die z.B. nicht massiv in die Partitur eingriffen. Im Orchester saß seinerzeit übrigens Nikolaus Harnoncourt; für ihn hatte diese denkwürdige Aufführung die Wirkung eines Blitzschlages. Auf MACD kann man nun dieser wichtigen „Initialzündung“ der historischen Aufführungspraxis beiwohnen. BACH: JOHANNES-PASSION Lehmann/ Graf/Hoeffgen/ Patzak/Souzay/ Berry/Wiener Symphoniker/+ MONTEVERDI: ORFEO Hindemith/ Mitglieder der Wiener Symphoniker/+ MUSIC & ARTS - MACD 1238 (M02) 2 CDs, AAD, mono, 1955 MUSIC & ARTS - MACD 1237 (M02) 2 CDs, AAD, mono, 1954 EXEMPLARISCH EIN ABSOLUTES MUSS In der ARS PRODUKTION-Serie wird diesmal die Sopranistin Elisabeth Grümmer vorgestellt. Bereits in den 1940er Jahren von Herbert von Karajan entdeckt, arbeitete sie den Rest des Krieges bei der Post. 1946 engagierte sie die Berliner Oper (heute Deutsche Oper Berlin), der sie bis zum Ende ihrer aktiven Laufbahn verbunden blieb. Ab den 1950er Jahren folgten Gastauftritte an allen großen Bühnen der Welt. Anhand von exemplarischen Aufnahmen aus den Jahren 1953-58 ergibt sich ein klingendes Portrait dieser großartigen Sängerin. Auf sechs CDs sowie einer Bonus-DVD bietet WESTHILL RADIO ARCHIVES einen umfassenden Einblick in die Kunst eines der bedeutendsten Cellisten des 20. Jahrhunderts. Gregor Piatigorsky ist hier zusammen mit so herausragenden Musikern wie z.B. Artur Schnabel, Arthur Rubinstein, Fritz Reiner und John Barbirolli zu hören. Der ausführliche und reich bebilderte Kommentar von Terry King führt kenntnisreich in die Kunst Piatigorskys ein. Die vorliegende Box ist ein Muss für jeden cellobegeisterten Musikfreund. LEGENDEN DES GESANGS VOL.11: ELISABETH GRÜMMER Arien und Szenen von Mozart/Weber/ Humperdinck/ Verdi/Strauss Grümmer/ Felbermayer/ Schwarzkopf/+ THE ART OF PIATIGORSKY – SELTENE STUDIO-, LIVE- UND RUNDFUNKAUFNAHMEN Werke von SaintSaëns/Schumann/Strauss/ Weber/Debussy/+ Gregor Piatigorsky/+ ARS PRODUKTION - ARS 38711 (P01) ADD,1953-1958 WESTHILL RADIO ARCHIVES WHRA 6032 (K06) 6 CDs, AAD, mono, 1924-1955 14 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 ZINKWANNE, KUGELN, BÄLLE 75 ZUGÄNGE ZUR GEGENWART Die Macht der Geräusche – das war der ursprüngliche Titel der zur Münchner Biennale 2008 uraufgeführten Geräuschoper hellhörig, und er charakterisiert treffend, was hier im Mittelpunkt steht: Carola Bauckholt geht nicht den üblichen Weg, den Klang traditioneller Instrumente ins Geräuschhafte auszuweiten, sondern den umgekehrten: Die Geräusche stehen am Anfang, Instrumente und menschliche Stimmen treten zu ihnen in Beziehung, imitieren sie und sorgen für irritierende Wechselwirkungen. Zum Instrumentarium treten u.a. hinzu eine Zinkwanne, Lampenschirme aus Metall, Dosen und Schachteln, Kugeln, Staubsauger, Luftballons. Seit 1986 publiziert der Deutsche Musikrat seine „Edition Zeitgenössische Musik“ auf dem Label WERGO. In diesem Jahr darf man die 75. Veröffentlichung feiern – Anlass genug, eine „Compilation 75“ zusammenzustellen, um möglichst vielen Musikinteressierten den Aufund Umbruch in der Neuen Musik nahe zu bringen. Die Musik dieser Reihe zeigt sich ironisch, tiefgründig, atemlos, frei, manchmal aber auch knochig, sperrig oder mit sich selbst hadernd. Kurz, sie ist Teil unserer Zeit. Der Sampler bietet allen, die gerne auf musikalische Endeckungsreise gehen, einen äußerst preiswerten Zugang zur Neuen Musik in Deutschland. BAUCKHOLT: HELLHÖRIG (GERÄUSCHOPER) Oña/Nopper/Van der Poel/Horn/ Bugallo/Cellotrio blue/ Schlagquartett Köln EDITION ZEITGENÖSSISCHE MUSIK – COMPILATION 75 Werke von Schwartz/Poppe/ Widman/ Mundry/ Hamel/+ HR-Sinfonieorchester/Ensemble Modern/ Anzellotti/+ COVIELLO CLASSICS - COV 61009 (T01) DDD, 2009 WERGO - WER 65922 (Z010) DDD, diverse Aufnahmedaten MELANCOLIA KLASSIKER DER AVANTGARDE Schwarze Galle hielt man früher für den Auslöser der Melancholie. Diese galt wiederum als Allegorie der künstlerischen Fantasie, deren Stunde wiederum des Nachts schlug. Die dritte CD der Reihe mit Aufnahme des Ensembles musikFabrik ist so etwas wie eine Einführung in das Schattenreich. Auf vielfältige Weise nutzen die hier vorgestellten Kompositionen Licht- und Schattenwirkungen, sind wie Stefano Gervasonis Far niente „nachtaktiv“ oder offenbaren wie Brian Ferneyhoughs Shadowtime VI unmittelbar einen Hang zur Schwermut. Die 18 LPs seiner legendären Contemporary Sound Series, die Earle Brown (1926-2002) zwischen 1960 und 1973 aufnahm, sind, nachdem die Reihe 1978 eingestellt wurde, eine gesuchte Rarität, da sie die aufregende und ungemein innovative Neue Musik dieser Zeit dokumentiert. Diese seltenen und historisch bedeutsamen Produktionen wurden von der Earle Brown Music Foundation sorgfältig digitalisiert und aufbereitet. Die dritte CD-Box enthält u.a. Werke von Klassikern der Avantgarde: Berio, Bussotti, Xenakis und Cage. SCHATTENSPIELE Werke von Jarrell/ Gervasoni/ Durand/ Ferneyhough musikFabrik EARLE BROWN – A LIFE IN MUSIC VOL.3 Werke von Berio/ Mayuzumi/ Xenakis/Cage/+ Diverse Interpreten WERGO - WER 68542 (S01) DDD, 2004-2007 WERGO - WER 69342 (M03) 3 CDs, ADD, div. Aufnahmedaten 15 NEUHEITEN NOTE 1 - JUNI 2010 BERÜHREND Rodion Shchedrin hat mit seiner Russischen Liturgie Der versiegelte Engel ein Werk der inneren Einkehr von zeitloser Aktualität geschrieben, das jene Hörer, die ihm offenen Herzens begegnen, nahe gehen dürfte. Tief berührt und begeistert war der Komponist auch von dem hier als Mitschnitt vorliegenden Konzert im Kloster Eberbach im Rahmen des Rheingau Musikfestivals 2009: „Der lettische Staatschor ist einer der wunderbarsten Chöre, die ich je zu hören bekommen habe. Mit Maris Sirmais verfügt der Chor über einen außergewöhnlichen Leiter. Mit der Ausdrucksstärke seines Dirigats zieht er sowohl die Singenden als auch das Publikum in seinen Bann. Die Akustik des alten, legendären Klosters Eberbach verwandelt sich in seinen erfahrenen Händen in einen treuen Verbündeten und Zaubergehilfen. Ich bin davon überzeugt, Sie werden nach dem Hören dieser CD meine Begeisterung teilen.“ SHCHEDRIN: DER VERSIEGELTE ENGEL Sirmais/Lettischer Staatschor/Romancane/Zilberte/ Liepnieks/Krenberga WERGO - WER 67322 (T01) DDD, 2009 NEUES AUS ESTLAND René Eespere (*1953) studierte von 1972 bis 1977 Komposition an der Estnischen Musikakademie bei Anatoli Garschnek und war danach am Moskauer Konservatorium Assistent bei Aram Chatschaturjan und Aleksei Nikolajew. Seit 1979 unterrichtet er Komposition und Musiktheorie an der Estnischen Musikakademie. In den 70er und 80er Jahren machte sich Eespere vor allem mit vokalsymphonischen Werken einen Namen. Seine Musik zeichnet sich stets durch eine klar definierte Textur aus, die dem Hörer nicht zuletzt ein unmittelbares Erfassen der Werke Eesperes erleichtert. Die beiden Alben auf ESTONIAN RECORD PRODUCTION beschäftigen sich allesamt mit Kompositionen jüngeren Datums. Februa versammelt mehrere kleinere Kammer- und Vokalmusikkompositionen der Jahre 2002 bis 2009. Faszinierend sind hier immer wieder die klanglich aparten Besetzungen bzw. neuen Klänge, die Eeespere für konventionelle Besetzungen findet. Der Vokalzyklus De spe für Solisten, Erzähler, Chor und Orchester entstand seit 2001 und vertont lateinische Texte von Seneca, Ovid und anonymer mittelalterlichen Autoren zum Thema „Hoffnung“. EESPERE: DE SPE Joost/Soulet/Tiilikainen/Soom/Lamp/Estonian Philharmonic Chamber Choir/Tallinn Chamber Orchestra/ ESTONIAN R P - ERP 1909 (T01) DDD, 2009 EESPERE: FEBRUA – KAMMERMUSIK 2002-2009 Urb/Tiilikainen/Järvi/Käo/+ ESTONIAN R P - ERP 3209 (T01) DDD, 2003-2009 CD-EMPFEHLUNG DES MONATS Nur diesen Monat $9,99* *UNVERBINDLICHE PREISEMPFEHLUNG INKL. MWST. Händels Neun deutsche Arien sind seine letzten Vertonungen in deutscher Sprache. Die romantisierende Rezeption sah in ihnen Abschied von der Muttersprache bzw. Ausdruck des Heimwehs nach seinem Vaterland. Dem ist natürlich nicht so, denn gerade 1724, zur Zeit der Komposition der Arien, erging es Händel in London sogar ganz besonders gut: Die fünfte und sechste Saison der Royal Academy sahen z.B. die Uraufführung von Erfolgsopern wie Giulio Cesare, Tamerlano und Rodelinda. Händel hatte keineswegs Grund, sich nach Deutschland zurückzusehnen und sollte 1727 schließlich sogar die englische Staatsbürgerschaft beantragen. Vielmehr scheint die Komposition der Arien entweder ein Auftragswerk oder eine Gefälligkeit für den Dichter Barthold Heinrich Brockes gewesen zu sein, den Händel noch aus Hamburger Tagen kannte. Brockes schätzte die Vertonung jedenfalls außerordentlich und ließ sie sich noch 1743 vortragen. Bei der Komposition orientierte sich Händel an den Solokantaten für Singstimme und Basso continuo, wie er sie in Italien kennengelernt hatte. Allerdings verzichtet er hier auf virtuose Koloraturen und achtet im Dialog zwischen Singstimme und Instrumenten besonders auf die Textverständlichkeit. Zum Händeljahr 2009 legten Monika Mauch und L’arpa festante eine hoch gelobte Einspielung der neun Werke vor und überraschten dabei mit einer besonderen Rarität als sinnvolle Ergänzung: Nicht nur Händel hatte Texte aus Brockes‘ Sammlung Irdisches Vergnügen in Gott vertont, sondern auch sein Jugendfreund Johann Mattheson (1681-1764), der bereits zehn Jahre vor ihm drei Arien vorgelegt hatte. Die interessante Aufnahme ist unsere Monatsempfehlung im Juni. HÄNDEL: NEUN DEUTSCHE ARIEN MATTHESON: DREI DEUTSCHE ARIEN Mauch/Voskuilen/L’Arpa festante CARUS - CAR 83426 (Z580) DDD, 2008 PRESSESTIMMEN „Im Vergleich mit anderen Einspielung dieser Arien gefällt mir besonders die Schlichtheit und Natürlichkeit des Gesangs, ohne allzu viel Vibrato oder Pathos, aber durchaus mit Ausdruck und Innerlichkeit." SWR 2, 28.08.2008 „Monika Mauch trägt die Stücke mit angenehmem Timbre und guter Textausdeutung vor.“ Fono Forum 3/2009 „Eine feine, differenzierte Interpretation, die von der sensiblen Interaktion der beteiligten Künstler lebt.“ Klassik.com Georg Friedrich Händel PORTRAIT IRDISCHES VERGNÜGEN IM An dieser Stelle möchten wir Ihnen monatlich einen Künstler oder Komponisten aus dem Vertriebsprogramm von Note 1 kurz vorstellen. Verbunden ist das Portrait mit einem ausgewählten Titel zu einem g attraktiven Sonderpreis.