Geschichte

Transcription

Geschichte
Wohnungsbaugenossenschaft
Wilhelmsruh e.G.
Wohnungsbaugenossenschaft
Wilhelmsruh e.G.
Danksagung
Wir danken allen Mitgliedern und Mitarbeitern der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. für ihre Unterstützung sowie die zur
Verfügung gestellten Dokumente und Fotos. Besonderer Dank gilt den
zahlreichen Interviewpartnern, die wichtige Informationen zur genossenschaftlichen Entwicklung gaben und mit ihren Anregungen halfen, diese
Veröffentlichung zu beleben.
© Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.
Wackenbergstraße 92
13156 Berlin
Tel.:
(0 30) 9 16 58 91
Fax:
(0 30) 9 16 52 44
e-mail: info@wbg-wilhelmsruh.de
Internet: www.wbg-wilhelmsruh.de
Gesamtkonzeption und Texte:
Renate Amann und Barbara von Neumann-Cosel
Redaktion: Sabine Zillmann, WBG Wilhelmsruh e.G.
Gestaltung: Uwe Rogal, Berlin
Druck: allprintmedia GmbH, Berlin
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Genossenschaftliche Entwicklung
Rückblick auf genossenschaftliche Wurzeln . . . . . . 6
Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB –
Ein Trägerbetrieb mit Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Anfänge in Wilhelmsruh –
Gründung der AWG Bergmann-Borsig
und erste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Chronik der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. . . . . . . . . . . . . . . 12
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Das Wohngebiet Wilhelmsruh . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Das Wohngebiet Niederschönhausen . . . . . . . . . . . 18
Das Wohngebiet Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Die Zeit nach 1990
Neuanfang und Modernisierung unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Die Wohnungsbaugenossenschaft
Wilhelmsruh e.G. heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Das genossenschaftliche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . 32
3
Vorwort
50 Jahre Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.!
Dies ist natürlich ein Grund zum
Feiern. Darüber hinaus ist es aber
auch ein Anlass zum Rückblick
auf Vergangenes in unserer Genossenschaftsgeschichte, die
am 03. 05. 1956 mit der Gründung der AWG Bergmann-Borsig
begann. Die vorliegende Festschrift zeigt wesentliche Entwicklungsetappen auf: von den
Anfängen in der frühen DDR mit
dem Bau der ersten, traditionell
errichteten Wohnhäuser in Wilhelmsruh über die Entstehung
größerer Siedlungszusammenhänge und Erprobung industrieller Fertigungsweisen in Niederschönhausen und Buch bis zur
Wandlung zum eigenständigen
Wohnungsunternehmen nach der
deutschen Wiedervereinigung.
4
Da Geschichte ohne Menschen
nicht denkbar ist, sollten auch
die Mitglieder zu Wort kommen,
die mit tatkräftiger baulicher und
finanzieller Unterstützung zum
Aufbau beigetragen haben und
die Wohnungsbaugenossenschaft
Wilhelmsruh e.G. bis heute prägen. Ihnen allen sei Dank für die
aktive Mitarbeit, auch wenn in diesem Rahmen nur ein kleiner Teil
der Gespräche wiedergegeben
werden konnte.
eine wichtige Vertrauensgrundlage
in die Sicherheit und Qualität des
genossenschaftlichen Wohnens
dar – eine Leistung, die besonders
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wieder zunehmende Wertschätzung erfährt.
Mit Stolz kann sich die Genossenschaft heute als modernes und solides Unternehmen präsentieren.
Der größte Teil der Bestände hat
die umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten erfolgreich hinter sich, die weiteren Schritte sind bereits fest
eingeplant. Die moderaten Nutzungsgebühren stellen ebenfalls
In enger Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und
Vertretern werden die Belange der
Genossenschaft besprochen und
ausgewogene Entscheidungen
getroffen.
Darüber hinaus zählt die Förderung des gemeinschaftlichen miteinander Lebens zu den zentralen
Anliegen der WBG Wilhelmsruh
e.G.
Zusätzlich engagiert sich der
Seniorenbeirat durch die Organisation regelmäßiger Treffen und
Besuche bei unseren Jubilaren
dafür, dass keines der älteren
Mitglieder in Vergessenheit gerät.
Gleichzeitig sehen wir in der Unterstützung der Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen ein sehr wichtiges Aufgabenfeld – so geschehen in der jährlichen aktiven
Teilnahme am Wilhelmsruher Kinderfest sowie in der Förderung von
Jugendsektionen in Sportvereinen.
So kann das wirtschaftlich und
sozial gut aufgestellte Mitgliederunternehmen mit Zuversicht in die
Zukunft blicken. Der Grundstock
für die Bewahrung und sukzessive
weitere qualitative Aufwertung des
Wohnungsbestandes ist gelegt
und wird entsprechend des historischen genossenschaftlichen
Grundsatzes „Vereinte Kraft leicht
Großes schafft“ auch künftig Bestand haben.
Hans Schott
Jörg Kleeßen
Kaufmännischer Vorstand
Technischer Vorstand
5
Genossenschaftliche Entwicklung
6
Rückblick
auf genossenschaftliche Wurzeln
Der Standort Berlin stellt seit über
120 Jahren Ausgangspunkt von
genossenschaftlichen Reformbemühungen dar. Schon im frühen 20. Jahrhundert hatte sich in
der damaligen Reichshauptstadt
eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Richtungen und
Ausprägungen herausgebildet,
die von Spar- und Bauvereinen
über Beamtengenossenschaften
bis zu oppositionellen Siedlergruppierungen reichte. Allen
gemeinsam war das Bemühen,
eine Alternative zur berühmt berüchtigten „Mietskasernenstadt“
zu entwickeln, die für sozial benachteiligte Bevölkerungskreise
bislang nur Wohnungsnot, Mietwucher, fehlende Bewohnerrechte, Substandards und minderwertige Architektur bedeutet
hatte.
Erst das baugenossenschaftliche
Modell war hier in der Lage, die
demokratische Teilhabe der Mitglieder, ihre Selbsthilfepotenziale
und den solidarischen Gemeinschaftssinn dauerhaft zu festigen. Darüber hinaus beinhaltete
es neben der baulichen und hygienischen Verbesserung der
Wohnverhältnisse die Förderung
von Bildung und Kultur, von wirtschaftlichem Engagement bis zu
besonderen Beiträgen im Städtebau, die die frühen Siedlungen zu
„Reformoasen im steinernen
Meer“ der Großstadtwüste
machten.
nung. Diese genossenschaftlichen
Höhepunkte fanden jedoch durch
den Nationalsozialismus ein jähes
Ende, der aus den selbständigen
Unternehmen schon kurz nach
1933 „gleichgeschaltete“ Organe
machte und die Vereinheitlichung
aller selbstverwalteten genossenschaftlichen Einrichtungen vorantrieb.
Mit Gründung zweier deutscher
Staaten 1949 wurde in Berlin die
bestehende genossenschaftliche
Wohnungswirtschaft auf den
Westteil verwiesen. In der Hauptstadt der DDR kam es dagegen zu
eigenen genossenschaftlichen Ansätzen, als 1953 im Zuge der Politik des „Neuen Kurses“ nach
Wegen zur Produktionssteigerung
von Konsumgütern und Wohnungen gesucht wurde.
In der Ära der Weimarer Republik
wirkten die Genossenschaften an
den bekannten Siedlungen des
„Neuen Bauens“ mit und erhielten dafür internationale Anerken-
1908 errichtete Wohnanlage des Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin in Niederschön-
Zeitgenössisches Werbeplakat für das Na-
hausen
tionale Aufbauwerk
Das neue, sozialistische Genossenschaftsmodell trat bald einen
Siegeszug an. Bereits zum Ende
1954 existierten in der gesamten
DDR 270 Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften mit mehr als
12 000 Mitgliedern. 1958 waren
es schon 740 mit 74 000 Genossenschaftern.
Die sozialistische Variante der
Genossenschaftsidee kombinierte
finanzielle und bauliche Eigenleistungen der Mitglieder mit betrieblicher, gewerkschaftlicher und
umfangreicher staatlicher Unterstützung, grenzte sich aber bewusst von den Alt-Genossenschaften ab. Im Dezember 1953
wurde die erste „Verordnung über
die Zulassung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG)
als freiwilliger Zusammenschluss
von Arbeitern, Angestellten und
Angehörigen der Intelligenz zum
genossenschaftlichen Bau und der
Erhaltung von Wohnungen“ verabschiedet.
Angesichts von Trümmerlandschaften im Nachkriegsberlin stellte sich der Wohnungsbau als enorme Herausforderung dar. Neben
bautechnischen Neuerungen, die
Nord“ e. G.). Gerade zu Beginn
war die Bindung an den jeweiligen Trägerbetrieb prägend.
Dabei dominierten zunächst die
staatlich besonders geförderten
Bereiche des Maschinenbaus,
der Energie und des Bauwesens.
In den nächsten Jahren kamen
in rascher Folge weitere Bereiche der Dienstleistungen sowie
Forschungseinrichtungen hinzu.
Auch in Berlin setzte eine umfangreiche Gründungswelle ein.
Zum Vorreiter wurde die am
30. 4. 1954 ins Leben gerufene
AWG „1. Mai“ (heute: Wohnungsbaugenossenschaft „Köpenick
Im nördlichen Bezirk Pankow
hatten sich erste Initiativen ab
Mitte der 50er Jahre gebildet.
Dazu zählten der Verlag „Neues
Deutschland“, der Rat Pankow
und später das Klinikum Buch.
Aber auch bereits bestehende
Genossenschaften wie die AWG
„Neues Leben“, „Junge Garde“,
„Reichsbahn“ oder „DPF“ bauten hier einzelne Wohnhäuser.
Nachweisheft für abgeleistete Stunden
Briefkopf des Trägerbetriebs der AWG Berg-
im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes
mann Borsig
Genossenschaftliche Entwicklung
von der deutschen Bauakademie
in Hinblick auf Typisierung und
Standardisierung betrieben wurden, rückte die AWG vor allem
die Selbsthilfepotenziale der Bewohner in den Mittelpunkt.
7
Genossenschaftliche Entwicklung
Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB –
Ein Trägerbetrieb mit Geschichte
Der Geheimrat Siegmund Bergmann gründete 1891 die „Handelsgesellschaft Siegmund Bergmann und Co.“ in der Weddinger
Seestraße. Zwei Jahre später erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen
„S. Bergmann & Co. Fabrik für Isolierleitungsrohre und Spezial-Installations-Artikel für elektrische
Anlagen in Berlin“. Gleichzeitig
wurden Zweiglager bzw. Vertretungen in Österreich, Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen,
Russland und Frankreich errichtet.
Turbinenfertigung in der Halle 16 des Bergmann-Borsig-Werkes
8
Zum Schwerpunkt entwickelte sich
die Ausrüstung von Kriegsschiffen
der Kaiserlichen Marine.
1897 erfolgte die Gründung der
„Bergmann-Elektromotoren- und Dynamowerke, Aktiengesellschaft“, die
1900 mit dem bestehenden Unternehmen zur „Bergmann-ElektricitätsWerke, AG“ vereinigt wurde. Im Zuge
der Randwanderung der Berliner
Schwerindustrie verlegte man ab
1907 die Produktion schrittweise
nach Rosenthal/Wilhemsruh und
richtete am Ende der damaligen Lindenallee (heute Hertzstraße) die Geschäftsstelle „Elektricitätsgesellschaft für Kriegs- und Handelsmarine
m.b.H.“ ein. Nach dem Neubau eines
Metallwerks kamen weitere Werksanlagen für den Bau und die Ausrüstung
elektrischer Straßen- und Überlandbahnen sowie elektrischer Lokomotiven hinzu. 1909 konnte die Eröffnung
der neuen Kabelfabrik gefeiert werden, so dass nun auch die Fabrikation
von „Dampfturbinen eigener Konstruktion“ am Standort Wilhelmsruh
stattfand. Im Ersten Weltkrieg beteiligte sich die Firma Bergmann an der
„Kriegsmetall AG“, was die Umsätze
weiter steigen ließ.
Während der 20er Jahre sicherten
vor allem sowjetische Aufträge in
der Großmaschinenfertigung die
Arbeitsplätze der Beschäftigten.
Das Schicksal des florierenden Betriebs schien im Zweiten Weltkrieg
besiegelt, als die Werksgebäude
Ziel alliierter Luftangriffe wurden
und dabei 75 % an Zerstörungen
zu verzeichnen waren. 1949 kam
es zur Neugründung als VEB
Bergmann-Borsig, da nach Stilllegung der Borsig-Werke im
Westberliner Stadtteil Tegel zahl-
1959 entstandenes Foto von Arbeitskollegen der Halle 16
Ab 1951 konnte die Produktion des
Turbinenbaus wieder aufgenommen
werden. Der Betrieb spezialisierte
sich zunehmend auf die Ausrüstung
von Kraftwerken und bot eine wachsende Zahl von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Mit dem Ziel der betriebsnahen Wohnungsversorgung
erhielt die Bildung der AWG Bergmann-Borsig 1956 eine zentrale
Bedeutung.
Genossenschaftliche Entwicklung
reiche Mitglieder der dortigen Belegschaft übernommen wurden und
deshalb nun der traditionsreiche
Name Borsig im Firmensignet weiter
geführt wurde.
Durch den Bau der Berliner Mauer
im August 1961 wurde das unmittelbar im Grenzbereich gelegene Werk
auch von der bisherigen S-BahnAnbindung abgeschnitten. Nach
1990 erfolgten erste Kooperationsvereinbarungen zur Bildung eines
Konsortiums mit der ABB (Asea
Brown Boveri AG), die 1991 den Betrieb übernahm. Unter Einsatz eines
umfangreichen Restrukturierungsprogramms sowie der Einführung
neuer Technologien kam es 1993 zur
Umbenennung in „ABB Kraftwerke
Berlin GmbH“. Angesichts internationaler Überkapazitäten auf dem
Stromerzeugungsmarkt gab die
ABB zum Ende 2004 die Dampfkraftwerk-Produktion auf. Dabei
wurde die Zahl der Arbeitsplätze von
ehemals über 4 500 auf derzeit nur
noch 300 reduziert.
9
Genossenschaftliche Entwicklung
Anfänge in Wilhelmsruh –
Gründung der AWG Bergmann-Borsig
und erste Entwicklungen
Der kleine Stadtteil Wilhelmsruh,
1956 Geburtsort der AWG Bergmann-Borsig, blickte bereits auf
eine längere Vorgeschichte zurück.
Als südliche Erweiterung des im
13. Jahrhundert gegründeten Dorfes Rosenthal wurde hier 1893 die
Villenkolonie Wilhelmsruh errichtet. Die ersten Häuser im Gründerzeit- und Jugendstil entstanden
entlang der heutigen Hauptstraße,
es folgte der Bau der Lutherkirche
1905/06 mit Pfarrhaus und einem
Kindergarten. 1908 wurde die Gemeindeschule eingeweiht. Zu dieser Zeit wies Wilhelmsruh etwa
600 Einwohner auf, nach Verlegung der Bergmann AG wuchs die
Zahl bald auf über 3 000 an.
Über die Ortsbezeichnung gibt es
verschiedene Deutungen. So
könnte sie einerseits direkt auf Kaiser Wilhelm I zurückgehen, der hier
gern ausgeritten sein soll. Aber
auch zwei weitere Namensgeber
werden in Erwägung gezogen: ein
gewisser Wilhelm Burde, der dem
Haus- und Grundbesitzerverein
angehörte oder auch Wilhelm
Grande, Restaurantbesitzer des
„Seebad Wilhelmsruh“. Ungeachtet der genauen Ursprünge lebt der
traditionsreiche Name auch in der
1992 umbenannten Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh
e. G. weiter.
Blick auf die Wilhelmsruher Kirche, 1962
10
Die Gründung des VEB BergmannBorsig im Jahr 1949 setzte nach
dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang und ließ die Bedeutung von
Wilhelmsruh wieder überregional
zunehmen. Eine wachsende Zahl
von Arbeitssuchenden fand hier
Beschäftigung, sodass auch die
Wohnungsnachfrage dementsprechend stark anstieg. Vor dem
Hintergrund der dramatischen Situation im zerstörten Berlin erwies
sich daher das Modell der AWG,
das innerhalb von nur drei Jahren
die Aussicht auf eine Neubauwohnung in Nähe des Arbeitsplatzes
ermöglichte, als überzeugende Alternative zur kommunalen Wohnungsversorgung mit deutlich längeren Wartezeiten.
„Ich habe bei Bergmann-Borsig ab
1952 Spitzendreher gelernt und mich
später zum Karusselldreher qualifiziert… Die AWG-Gründung hatte sich
im Betrieb herumgesprochen. Es war
zwar damals nicht üblich, dass man
für eine Wohnung bezahlen und dann
noch selbst dafür arbeiten musste.
Das hat erst einmal eine ganze
Menge Leute abgeschreckt. Doch
dann haben wir gesagt: ‚Machen wir
es doch auch‘.“
Am 3. Mai 1956 kam es schließlich
zur Gründungsversammlung der
AWG Bergmann-Borsig. Viele Mitglieder der ersten Stunde arbeiteten als Kollegen in der zentralen
„Halle 16“. Neben dem Hauptträ-
gerbetrieb gab es eine weitere
Zahl kleinerer Betriebe, die mit ihren
Mitgliedern angeschlossen waren.
Die Geschäftsstelle befand sich zunächst im Werk und zog erst später – im Zuge wachsenden Verwaltungsaufwands – in ein separates Haus in der Fontanestraße 48
um.
Genossenschaftliche Entwicklung
Auch wenn bei vielen Interessenten zunächst noch Skepsis gegenüber der neuen Idee und dem erforderlichen Einsatz an Geld und
Arbeitsstunden bestand, gingen
die ersten Mitglieder dennoch
voller Elan an den Aufbau ihrer
Genossenschaft.
Nachdem die ersten Baumaßnahmen in der nahegelegenen Lessingstraße 1957– 59 noch in Eigenregie durchgeführt werden konnten,
wurde ab den 60er Jahren die Autonomie der jungen AWG zunehmend
eingeschränkt. Die Abläufe waren
nun klar arbeitsteilig geregelt: Der
Stadtbezirk Pankow bestimmte die
Anzahl von Mitgliederaufnahmen,
die Betriebsgewerkschaftsleitung
schlug die jeweiligen Wohnungsbewerber vor. Als Bauherr wirkte der
Magistrat von Berlin, die Realisierung erfolgte über einen Baubetrieb.
Nach Abschluss der Arbeiten wurden die jeweiligen Häuser der AWG
zur Verwaltung übergeben.
Erweiterungsbau der Geschäftsstelle in der Fontanestraße 48 (Hof)
Schrittweise entstanden so die
drei genossenschaftlichen Wohngebiete:
Wilhelmsruh mit 1 091,
Niederschönhausen mit 642 und
Buch mit 790 Wohnungen.
11
Genossenschaftliche Entwicklung
Chronik
der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.
7. 10. 1949 Gründung der DDR
10. 12. 1953 Erste Verordnung über die Zulassung
der AWG
1959–1962 Neubau von weiteren rund 441 Wohnungen des Typs 57 im Wohngebiet
Wilhelmsruh
1954 Gründungen von Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften, deren
Bestände später von der AWG Bergmann-Borsig übernommen werden
AWG „Friedenshort“,
„Deutsche Reichsbahn“,
„BVG“
3. 5. 1956 Gründung der AWG „Bergmann-Borsig“ in Berlin-Wilhelmsruh
1956 Weitere AWG-Gründungen:
AWG „Humboldt-Universität“, „Junge
Garde“, „Neues Berlin“, „Einheit“,
„Rat des Stadtbezirks Pankow“,
„Neues Leben“
1961 Bau der Berliner Mauer
1962 Es wird eine hauptamtliche
Geschäftsführung eingesetzt
1962–69 408 Neubauwohnungen vom Typ Q3A
und 50 vom Typ P2 werden in den
Wohngebieten Wilhelmsruh und
Niederschönhausen errichtet
1966 Das 10-jährige Bestehen der AWG
„Bergmann-Borsig“ wird im Kulturhaus gefeiert
1971 15-Jahr-Feier
15. 12. 1957 Bezug von 18 Wohnungen im ersten,
in traditioneller Bauweise erstellten
Block (Typ 57) in der Lessingstraße 50–50 b
12
1981 25-Jahr-Feier der AWG BergmannBorsig
1986 30-Jahr-Feier
1976 20-Jahr-Feier
1987 750-Jahr-Feier
Berlin
3. 10. 1990 Wiedervereinigung
Deutschlands
1977–86 712 Wohnungen der Serie WBS 70
und 78 im Bautyp QP 71 folgen im
Wohngebiet Buch
23. 3. 1992 Verabschiedung
einer neuen Satzung
sowie Namensänderung
in Wohnungsbaugenossenschaft
Wilhelmsruh e. G.
Entwicklung der Genossenschaft · Vorgeschichte
1975–76 160 Wohnungen werden
in vier Objekten vom Typ WBS 70
in Wilhelmsruh errichtet
11. 6. 1992 Eintragung der Genossenschaft
beim Amtsgericht Charlottenburg
Dez. 93 Aus dem Altschuldenhilfegesetz
wird nur die Zinshilfe in Anspruch
genommen, um keine Privatisierungen durchführen zu müssen
1975–90 In den Wohngebieten Niederschönhausen und Wilhelmsruh werden im
Zuge der territorialen Konzentration
400 Wohnungen (Typ Q3A) und 256
(Typ 57) aus anderen AWG-Beständen übernommen
1994–2003 Umfangreiche Komplexmodernisierungen
2006 Feier zum 50-jährigen Bestehen
der Genossenschaft
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fach geschah dies nach der Frühschicht, was eine nicht unerhebliche
Verlängerung des Arbeitstages bedeutete. Manche Mitglieder kamen
dabei auf über 1 000 Stunden Aufbautätigkeit und waren froh, endlich
„ihre“ Neubauwohnung zu erhalten.
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im traditionellen Mauerwerksbau erstellten Häuser verbinden sich noch
für viele ältere Mitglieder anschauliche Erinnerungen. 1957 im ersten
Haus Lessingstraße 50–50 b, aber
auch in den folgenden Blöcken,
wurde ein großer Anteil an Eigenleistungen erbracht. Sie bestanden
zum Beispiel aus Fräsarbeiten, um
später Elektroleitungen zu legen.
Ebenso wurden Malerarbeiten
durchgeführt, Fahnenstangen montiert oder Fundamente isoliert. Viel-
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Vor allem mit dem Bau der frühen,
Weg
Schlüsselübergabe für die neue AWG-Wohnung
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Blick auf das 1960 noch unbebaute Gelände in Wilhelmsruh
„Ich bin in eine freigewordene
2-Zimmerwohnung in der Fontanestraße gezogen. Mein Mann war bei
‚Bergmann‘ beschäftigt und Mitglied
der Genossenschaft. Wir hatten eine
Wartezeit von drei Jahren durchgemacht.“
15
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
16
Zwischen 1959 bis 62 folgten 441
weitere Wohnungen des Typs 57 in
Wilhelmsruh. Nach der Lessingstraße auch in der Fontane-, Goethe-, Garibaldi- und Uhlandstraße.
Erst später kamen im Zuge der territorialen Konzentration zeitgleich
gebaute Hausgruppen der AWG
„Neues Leben“ in der Hertz- und
Fontanestraße sowie der AWG
„Rat Pankow“ in der Schiller-,
Haupt-, und Hielscherstraße an
die Genossenschaft und ergänzten
so den Wohnungsbestand unter
einheitlicher Verwaltung.
AWG „Neues Leben“ in der Hertzstraße, Anfang der 60er Jahre
Mit dem Einzug entstand unter den
meist kinderreichen Familien bald
ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch die gemeinsamen Aufbaustunden und oft den
gleichen Arbeitsplatz im Trägerbetrieb noch verstärkt wurde. Man
half sich gegenseitig und nutzte
auch die Außenräume, um gemeinsame Feste zu feiern. Das Zusammenleben der einzelnen Hausgemeinschaften war grundsätzlich
geregelt. Pro Aufgang gab es einen Hausvertrauensmann und als
übergeordnete Instanz den Blockvertreter, der wiederum die Verbindung zur Geschäftsstelle herstellte.
Baustellenbetrieb am Schönholzer Weg, 1968
„Bei uns wohnten vor allem Familien
mit zwei bis drei Kindern. Es war eine
nette Hausgemeinschaft. Für den gesamten Block haben wir mehrmals ein
Kinderfest organisiert. Dort spielte
dann auch ein Lehrer aus dem Haus
Akkordeon. Bei gemeinsamen Aufgaben haben wir versucht, dass keiner
nur hinter den Gardinen vorguckt,
sondern dass sich alle irgendwie beteiligten.“
Blick von der Baustelle Fontanestraße auf das Märkische Viertel
„Das Märkische Viertel haben wir auf
der anderen Seite der Mauer gesehen. Eigentlich haben wir die Leute
dort bedauert und gesagt: ‚Ist das eng
dort, nur hohe Häuser und kein bisschen Grün.‘“
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Nach dem Bau der Berliner Mauer
im August 1961 wurde der Ortsteil
von der bisherigen S-Bahn-Verbindung abgeschnitten und zu einer
Art Enklave im Grenzgebiet. Das
ab Mitte der 60er Jahre errichtete
Hochhausgebiet Märkisches Viertel im Westberliner Bezirk Reinickendorf weckte durch seine
Dimensionen jedoch eher Kritik als
Bewunderung.
Umzug in die neue Wohnung mit „Kind und Kegel“
Im Gegensatz zu den zeitgleich
erstellten, großflächigen und
homogenen Genossenschaftssiedlungen in anderen Berliner Bezirken ist der Ortsteil Wilhelmsruh
von einer Mischung aus alter Bebauung mit den typischen Zeilenbauten der AWG-Epoche geprägt.
Nach den noch traditionell errichteten Häusern folgten ab Ende der
60er Jahre Blöcke des Typs Q3A in
der Fontane-, Lessing-, Hauptund Schillerstraße sowie im
Schönholzer Weg und 1975/76 die
Bauserie WBS 70 in der Beethoven- und Mozartstraße.
Errichtung der WBS 70-Bauten in der Mozartstraße
17
Das Wohngebiet Niederschönhausen
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Die dörfliche Vorgeschichte von
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Niederschönhausen reicht bis ins
Mittelalter zurück. Überregionale
Bekanntheit erhielt der Ortsteil
jedoch erst 1704 durch den Bau
des Schlosses unter dem späteren
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Im Unterschied zu den baulichen
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Die Wohngebiete und ihre Bewohner
hausen zunächst verschiedenen
Genossenschaften zugeordnet worden. Mit Ausnahme von Häusern in
der Rolandstaße, Blankenburger
Straße und Schloßallee, die von Beginn zur AWG Bergmann-Borsig gehörten, findet sich im heutigen Be-
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„Die Lage unserer Häuser war schon
immer sehr gut, vor allem durch den
Park und das Schwimmbad.“
Von 1949-60 war das Schloss
Niederschönhausen Sitz des ersten
Präsidenten der DDR, Wilhelm
Pieck. So galt die Lage des genossenschaftlichen Baugrundstücks in
unmittelbarer Nachbarschaft von
Schloss und Parkanlagen aus mehrfachen Gründen als attraktiv für die
neuen Bewohner.
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Das Baugelände an der Rolandstraße im Mai 1961
stand der WBG Wilhelmsruh ein kleiner Stammbaum der Berliner AWGGeschichte. Ursprünge reichen hier
zur AWG „BVG“, „Friedenshort“,
„Deutsche Reichsbahn“, „Junge
Garde“, „Einheit“, „Humboldt-Universität“ und „Neues Berlin“ zurück.
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Panke
„Ich bin in Pankow zur Schule gegangen und diese Ecke hier war
eigentlich immer mein Wunschgebiet. Man hätte auch im Baumschulenweg Wohnungen bekommen
können, aber ich wollte unbedingt
hierhin ziehen.“
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19
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Bis heute noch finden sich bei den
Bewohnern unterschiedliche Erinnerungen an die Aufbaujahre im
Neubaugebiet und die Entstehung
der nachbarschaftlichen Gemeinschaften. Hier lebten Mitarbeiter der
Ministerien, der Reichsbahn, der
Volkspolizei oder der HumboldtUniversität in nahezu gleichen
Haustypen, darunter vor allem der
Serie Q3A. Besonders die Wohnungsvergabe und die ersten Zeiten
im unbefestigten Umfeld sind vielen
noch lebendig im Gedächtnis. Verbindend für die einzelnen Mitglieder
war das gemeinsame Engagement
für ihre AWG.
„Jedes Mitglied musste 100 Aufbaustunden leisten. Ich habe Wachdienst
auf Baustellen gemacht. In die Baubude nahm ich meine Lehrhefte mit und
arbeitete so 6 bis 8 Stunden. Meine
Frau kam dann mit unseren Kindern
und brachte Essen.“
„1961 gehörten wir zu den ersten Familien, die in der
AWG ‚Neues Berlin’ eine Wohnung bekamen. Das ging
nach Eintrittsdatum. Zudem wurde der bevorzugt, der
ehrenamtlich oder bei der AWG mitgearbeitet hatte. Ich
war der 7. oder 8. Da wurde mein Name aufgerufen und
ich konnte auf der Karte zeigen, welche Wohnung ich
haben wollte.“
Rohbau in der Rolandstraße
20
Die Wohnanlage nach Bezug
„Wir haben immer Frühjahrs- und
Herbstputz gemacht. Die AWG hat gesagt, was zu tun ist. Das ging dann
meistens am Sonnabend so gegen
9.00 Uhr los, später gab es Würstchen
und Bier und dann wurde noch miteinander gesprochen und diskutiert.“
Nach dem Einzug der oft jungen
Familien mit kleinen Kindern und
der Freude über die eigene Neubauwohnung engagierten sich
viele Hausgemeinschaften im
weiteren Siedlungsleben. Einige
von ihnen wurden für ihr Engagement bei der Hausreinigung, der
Gestaltung des Wohnumfeldes
und Durchführung von Kleinreparaturen mit der Verleihung
der „Goldenen Hausnummer“
geehrt.
Im Zuge der territorialen Konzentration wurden die Wohnungsbestände der unterschiedlichen
Genossenschaften zwischen
1982 und 1988 sukzessive von
der AWG Bergmann-Borsig
übernommen. Für die Mitglieder
verlief dieser Prozess meist in
voller Übereinstimmung.
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
„Wir waren alle Eisenbahner und so kannten sich die
meisten untereinander. Man stand also nicht draußen,
sondern tauschte auch viele Informationen unter den
Kollegen aus. Als wir einzogen, waren wir jung und tatenfreudig. Man konnte schippen, machen, tun – zum
Beispiel in der Anfangszeit auch bei der Urbarmachung
des Geländes mithelfen.“
„1987 gab es eine große Versammlung, auf der festgelegt
wurde, dass wir Reichsbahner alle Mitglieder der AWG
Bergmann-Borsig werden sollten. Darüber waren wir nicht
unglücklich. Bisher mussten wir immer zum Baumschulenweg, wenn wir was von der AWG wollten, später nur noch
nach Wilhemsruh. Durch die Übernahme hatten wir uns
nur verbessert.“
Schloßallee 26, 26 a–d
21
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Das Wohngebiet Buch
Auch das dritte Wohngebiet Buch
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für das gesamte
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Neubauareal
mit insgesamt rund
17 000 Einwohnern hatten bereits
in den 60er Jahren begonnen.
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Der AWG Bergmann-Borsig wur-Be
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den jedoch erst in den späteren
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(Buch III und IV)
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insgesamt
790 Wohnungen zugewiesen, die zwischen 1977–86
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Bei den günstig an die S-Bahn
angebundenen genossenschaftlichen Wohnungsbeständen handelt es sich – anders als in den
davor entstandenen gemischten
Bereichen Wilhelmsruh und
Niederschönhausen – um eine
nahezu homogene Baustruktur,
die hier kurz nach Einführung der
neuen industriellen Fertigung mit
den Wohnungsbauserien WBS 70
und QP 71 errichtet wurde.
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liegt in der Nähe alter historischer
Ansiedlungen. 1240 als Straßendorf mit anschließendem Rittergut
gegründet, erwarb die Stadt Berlin S
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Ende des 19. Jahrhunderts das
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heutige Alt-Buch, um vor allem
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städtische Wohlfahrtseinrichtunke
gen hier anzusiedeln. Von der frühen Zeit zeugen noch die Schloßkirche und der an die Panke
anschließende Schloßpark. Zwischen 1899 bis 1929 wurde das
Städtische Klinikum Berlin-Buch
im Pavillonsystem errichtet, das
weiterhin im Berliner Raum eine
wichtige Rolle spielt.
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durch die Abteilung Wohnungspolitik des Magistrats von Berlin
errichtet worden waren. Zur Anwendung kamen 5-, 6-, 10- und
11-geschossige Wohnbauten, die
sich um großzügige Innenhöfe
gruppieren.
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
„Buch ist eine wunderschöne Wohnlage, es liegt im Grünen und die City
ist dennoch gut zu erreichen. Wir
waren damals hundertprozentig
glücklich über unsere Neubauwohnung. Sie war auch sehr gut geschnitten.“
WBS 70-Block in Buch 1985
23
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Die begehrten Neubauwohnungen
wurden verlost, wobei die besten
Voraussetzungen Schichtarbeiter
mit Kindern hatten. Am Anfang
mussten jedoch noch einige Unannehmlichkeiten in Kauf genommen
werden.
„Ich bin Erstbezieher in Buch gewesen und im Sommer 1976 eingezogen. Damals gab es noch keine Wege,
wir liefen alle nur in Gummistiefeln.
Die wurden im Hausflur abgestellt und
dann sind wir mit anderen Schuhen
nach oben gegangen.“
Nachdem die ersten Hürden des Einzugs überwunden waren, entwickelte
sich das genossenschaftliche Leben
in vielfältiger Form. In Häusern, die
keine Heizzentralen im Keller hatten,
baute sich so manche Hausgemeinschaft Clubräume in Eigenregie aus.
Im Wohngebiet Buch befand sich
auch ein Reparaturstützpunkt der
AWG Bergmann-Borsig, der bis zu
15 Mitarbeiter beschäftigte und
direkt den Bewohnern vor Ort zur
Verfügung stand.
Ausschnitt von einer Seite eines Hausbuches
„In den Clubräumen wurden auch
Feten gefeiert. Die HGL veranstaltete
zudem Skatturniere oder man hat sich
zu Weihnachten und Silvester getroffen. Jeder aus der Hausgemeinschaft
brachte dann etwas mit.“
24
In den letzten Jahren wurde mit
der Modernisierung der genossenschaftlichen Wohnhäuser begonnen. Unter der Zielsetzung auch
langfristig attraktive Wohnangebote zu schaffen, leitete die WBG
Wilhelmsruh e.G. eine Reihe von
umfassenden Maßnahmen ein.
So wurden bereits im Jahr 2002
vor den Ein- und Zweiraumwohnungen in der Wolfgang-HeinzStraße 30–36 Loggien angebracht,
um die Nutzungsqualitäten auch in
den kleineren Wohneinheiten zu
erhöhen. Dieses Haus der Genossenschaft hat noch eine Besonderheit. Hier wurde das Treppenhaus
entkernt und – zusammen mit einem barrierefreien Aufzug außen –
neu errichtet. Die dadurch entstandenen separaten Etagen werden
durch ein Glasdach mit Tageslicht
durchflutet.
Ausgehend von den Arbeiten
am Haus Wolfgang-Heinz-Straße
30–36 sind zurzeit umfangreiche
Bauaktivitäten in der FriedrichRichter-Straße 56–62 im Gange.
In der gesamten Wohnanlage
legte man in den letzten Jahren
besonderen Wert auf die Instandsetzung der Treppenhäuser. Es
ist geplant, diese Arbeiten in den
kommenden Jahren auch in den
Häusern Friedrich-Richter-Straße
48–54 und der Bruno-Apitz-Straße 15–19 zu beginnen, um so zukünftig einen hohen genossenschaftlichen Standard in grüner,
ruhiger Wohnlage anbieten zu
können.
Die Wohngebiete und ihre Bewohner
Bis heute zeichnet sich das Wohngebiet Buch durch seine grüne
Umgebung aus, die viel Raum für
Spaziergänge, Radtouren und
Ausflüge bietet. Ein neues Einkaufszentrum am S-Bahnhof Buch
bietet Läden für die tägliche Versorgung und lädt zum Bummeln
ein. Eine Erweiterung ist für die
Zukunft in Aussicht gestellt worden.
25
Die Zeit nach 1990
26
Neuanfang und Modernisierung
unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen
„Nach der Wende ging es darum, die
Genossenschaft zu erhalten. Zunächst
gab es unter den Mitgliedern eine gewisse Distanz. Aber es hat sich im
Laufe der Jahre gezeigt, dass wir uns
die Idee der Genossenschaft – die Solidarität – erhalten haben.“
Mit der deutschen Wiedervereinigung begann auch für die AWG
Bergmann-Borsig eine neue Ära als
eigenständiges Unternehmen, das
nun dem bundesdeutschen Genossenschaftsrecht unterstellt war. Der
Übergang zur Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. war zunächst verbunden mit der Annahme
einer Satzung, die die Tätigkeit der
neuen Organe – Vertreterversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand –
regelte. Nach der ersten Vertreterversammlung Anfang 1992 konnte
im Juni desselben Jahres die Eintragung ins Genossenschaftsregister
„Ängste hatten wir schon, Hoffnununter der Nr. 488 Nz. erfolgen.
gen wenig. Ich habe an vielen Versammlungen teilgenommen. Das
Der auf dieser Vertreterversammlung gewählte Aufsichtsrat bestellte war nicht einfach. Da gab es auch
im Mai 1993 einen neuen Vorstand, Befürchtungen, dass die Genossender sich neben der Modernisierung schaft das nicht übersteht.“
der Verwaltung zunächst vor allem
mit der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Genossenschaft auseinander zu setzen hatte.
Mit dem Verlust des Trägerbetriebes
fehlte nun auch ein wichtiger wirtschaftlicher Förderer. So galt es,
die außerordentliche Vertreterversammlung vom Verzicht auf die
Teilentlastung aus dem Altschuldenhilfegesetz zu überzeugen.
„Auch für die Mitarbeiter der GenosDies konnte vor dem Hintergrund
senschaft war das eine große Umstellung. Sie mussten viele Lehrgänge und
einer relativ hohen Belastung als
durchaus unkonventioneller Schritt Weiterbildungen besuchen. Da haben
uns die Kontakte zu den Genossenschafgelten, der die Genossenschaft
ten in Westberlin und zum Verband Beraber vor dem Verkauf eines Teils
lin-Brandenburgischer Wohnungsunterihrer Wohnungsbestände benehmen sehr geholfen.“
wahrte.
Die Zeit nach 1990
Nach einer umfassenden Erhebung des Instandsetzung- und
Modernisierungsbedarfs startete
ab 1994 ein ehrgeiziges Bauprogramm, das mit den Arbeiten an
den ältesten Wohnhäusern in Wilhelmsruh begann. Vorausgegangen waren umfangreiche Befragungen der Bewohner, um deren
Wünsche in die Planungen mit einfließen zu lassen. Ziel war, einen
Standard zu erreichen, der auch
dauerhaft ein gutes Niveau bietet
und damit die langfristige Vermietbarkeit der Wohnungen sichert.
„Bei der Komplexmodernisierung
sind wir so vorgegangen, dass wir die
ältesten Gebäude und die Bereiche,
die öffentlich gefördert wurden, zuerst
in Angriff nahmen. Damals galt das
vor allem für die Mauerwerksbauten.
Die Wohnungen hatten noch Ofenheizungen oder Gasaußenwandheizer.
Jeder Genossenschafter wurde
gefragt, ob er mit den Maßnahmen
einverstanden sei. Der Umfang der
Bauarbeiten erschien anfangs vielen
als ein Wagnis. Wie das so auf dem
Dorf ist, waren wir das tägliche
Gesprächsthema in Wilhelmsruh.
Als wir dann im Frühjahr 1995 plangerecht die nächsten Häuser anpackten, waren die Kritiker sofort ruhig.“
(Vorstand)
27
Die Zeit nach 1990
Den Mitgliedern wurde in dieser
Zeit sowohl finanziell als auch in
Hinblick auf persönliche Einschränkungen einiges abverlangt. So wurden die Genossenschaftsanteile auf den Betrag
von heute 35 Euro pro qm er-
höht. Gleichzeitig stiegen die Zahlungen für Mieten, sowie Betriebsund Heizkosten kontinuierlich an.
Vor allem die Modernisierungsarbeiten forderten von den Bewohnern ein hohes Maß an Toleranz
gegenüber Lärm, Baudreck und
Eingriffen in das gewohnte Alltagsleben. Für die Genossenschaft
stand daher vor Beginn der Bauarbeiten die Überzeugung der Mitglieder im Vordergrund. Mit Fragebogenaktionen, auf zahlreichen
Versammlungen und vor allem in
sich über Wochen hinziehenden
Einzelberatungen wurde vom Vorstand neben betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten auch viel
psychologisches Geschick gefordert.
Sanierungsbeginn
in der Groscurthstraße in Buch, im
Jahr 1996
28
„Wir haben mit einem immensen Zeitaufwand Einzelgespräche geführt. Das
ging manchmal bis 23.00 Uhr. Meistens
konnten wir zuerst die Frauen gewinnen.
Wenn sie von den neuen Küchen und
Bäder hörten, dann haben sie sich
schnell entschieden.“ (Vorstand)
Im Jahr des 50. Jubiläums kann
die Genossenschaft mit Stolz auf
das Erreichte zurückblicken. Nach
den ersten Arbeiten in Wilhelmsruh
folgte das Wohngebiet Niederschönhausen und ab 1996 der
Bereich Buch mit den jüngsten Beständen. Im Mittelpunkt standen
Maßnahmen zum Einbau von Heizstationen, die ökologischen Kriterien Rechnung tragen, ebenso der
Austausch und Umbau von Eingangstüren und Instandsetzung
der Versorgungsleitungen sowie
die Erneuerung der Treppenhäuser. In den Wohnungen wurden
nach Wunsch Bäder und Küchen
modernisiert.
Balkonerneuerung im Wohngebiet Niederschönhausen
„Unsere Wohnungen wurden ganz erheblich aufgewertet. Alle Mieter empfinden die Modernisierung nun als eine großartige Sache. Das Vierteljahr
war natürlich schlimm. Küche, Bad
und Flur wurden auseinander genommen. Heute sind alle Leitungssysteme herrlich isoliert. Es ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht.“
Die Zeit nach 1990
„Wir haben einen Plan, der bis 2013
geht. Die wesentlichen Schwachstellen sind beseitigt. So können wir uns
in der nächsten Zeit auf die eigene
Kraft stützen und werden keine Kredite mehr aufnehmen. Nachdem die
älteren Bauten in Wilhelmsruh und
Niederschönhausen komplett modernisiert wurden, geht es jetzt an die
jüngeren Bestände in Buch. Dabei
werden wir keine Häuser aufgeben.
Abriss steht bei uns nicht zur Disposition. Auch unser einziges, noch nicht
saniertes Hochhaus wird unter Nutzung der guten Möglichkeiten, die
diese WBS-Bauten bieten, hochwertig
saniert. Wir wollen intelligente technische Lösungen finden, um hier
dann 120 barrierefreie Wohnungen zu
haben. Die Linie der nächsten Jahre
wird sein, mit Eigenkapital weiter den
Bestand auf modernstes Niveau zu
bringen.“ (Vorstand)
Heute können 92% des Wohnungsbestandes als saniert und
mehr als zwei Drittel als komplex
saniert gelten. Auch bei den Bewohnern wich die anfängliche
Skepsis bald der Freude über die
angenehme und verbesserte
Wohnsituation. Auch weiterhin
steht die Fortführung des Modernisierungsplans im Vordergrund
der Geschäftsführung.
29
Die Zeit nach 1990
30
Die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. heute
Die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. zählt
heute mit ihren 2 520 Wohnungen
zu den wirtschaftlich stabilen
genossenschaftlichen Unternehmen. Das im Jahr 1999 bezogene Geschäftshaus unweit des
Wohngebiets Niederschönhausen bietet nicht nur moderne Verwaltungsbüros, sondern auch
Anlaufstelle und kleinere Versammlungsräume für die Vertreter. Fast 3 000 Mitglieder profitieren heute von der gesicherten
Die Zeit nach 1990
Miet- und Wohnsituation. Darüber hinaus sorgen regelmäßige
Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten für deren Einflussnahme auf die Entwicklung des
Unternehmens. Traditionell
zählen dazu die halbjährlichen
Wohngebiets-Vertreterversammlungen, auf denen alle anstehenden Aufgaben in den einzelnen
Siedlungen angesprochen werden.
Seit einigen Jahren ist zudem ein
ehrenamtlicher Seniorenbeirat
tätig, der sich speziell um die
Belange der älteren Mitglieder
kümmert. Ergänzt wird der genossenschaftliche Service durch
zwei Gästewohnungen in Buch
sowie Kooperationen mit Sozialund Sportvereinen vor Ort.
„So wie wir es die letzten Jahre gemacht haben, werden auch weiterhin
die Mitglieder als Eigner der Genossenschaft im Mittelpunkt stehen. Auch
in Zukunft bekommen sie ihren geldwerten Vorteil darüber, dass wir eine
Politik der stabilen Mieten machen.“
(Vorstand)
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Das genossenschaftliche Prinzip
bestellt
Aufsichtsrat
Vorstand
wählen
beschäftigt
Vertreter
Mitarbeiter und
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Mitglieder
Die Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.
wählen in der Vertreterversammlung 2005 den Aufsichtsrat
Dr. Klaus Meyer, Vorsitzender des Aufsichtsrates, beginnt die
Vertreterversammlung 2005 mit einer Eröffnungsrede
Literaturauswahl:
Albrecht, G., Haendly, G. (Hrsg.): Ausbildungsinitiativen und Innovationen im PankowPark;
Bonn 2005
Genossenschaftsforum e.V.: Die AWG – Ein Genossenschaftsmodell der DDR, Berliner Entwicklungslinien seit 1954; Berlin 2004
Institut für Denkmalpflege der DDR: Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR/ Hauptstadt
Berlin II: Berlin 1987
Liefländer, K.H., Beretitsch, S.: (Fast) Einhundert Jahre Industriegeschichte im Pankow
Park in Wilhelmsruh, in: Albrecht,G… (s. o.)
Schulz, J., Gräbner. W.: Berlin, Architektur von Pankow bis Köpenick; Berlin 1987
Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.: 40 Jahre Festschrift: Berlin 1996
Abbildungen:
Die Fotos und Dokumente stammen aus den Archiven der WBG Wilhelmsruh e.G. und des
Genossenschaftsforums sowie aus Privatbesitz.
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