Geschichte
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Geschichte
Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. Danksagung Wir danken allen Mitgliedern und Mitarbeitern der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. für ihre Unterstützung sowie die zur Verfügung gestellten Dokumente und Fotos. Besonderer Dank gilt den zahlreichen Interviewpartnern, die wichtige Informationen zur genossenschaftlichen Entwicklung gaben und mit ihren Anregungen halfen, diese Veröffentlichung zu beleben. © Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. Wackenbergstraße 92 13156 Berlin Tel.: (0 30) 9 16 58 91 Fax: (0 30) 9 16 52 44 e-mail: info@wbg-wilhelmsruh.de Internet: www.wbg-wilhelmsruh.de Gesamtkonzeption und Texte: Renate Amann und Barbara von Neumann-Cosel Redaktion: Sabine Zillmann, WBG Wilhelmsruh e.G. Gestaltung: Uwe Rogal, Berlin Druck: allprintmedia GmbH, Berlin Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Genossenschaftliche Entwicklung Rückblick auf genossenschaftliche Wurzeln . . . . . . 6 Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB – Ein Trägerbetrieb mit Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Anfänge in Wilhelmsruh – Gründung der AWG Bergmann-Borsig und erste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Chronik der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Wohngebiete und ihre Bewohner Das Wohngebiet Wilhelmsruh . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Das Wohngebiet Niederschönhausen . . . . . . . . . . . 18 Das Wohngebiet Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Die Zeit nach 1990 Neuanfang und Modernisierung unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Das genossenschaftliche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . 32 3 Vorwort 50 Jahre Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.! Dies ist natürlich ein Grund zum Feiern. Darüber hinaus ist es aber auch ein Anlass zum Rückblick auf Vergangenes in unserer Genossenschaftsgeschichte, die am 03. 05. 1956 mit der Gründung der AWG Bergmann-Borsig begann. Die vorliegende Festschrift zeigt wesentliche Entwicklungsetappen auf: von den Anfängen in der frühen DDR mit dem Bau der ersten, traditionell errichteten Wohnhäuser in Wilhelmsruh über die Entstehung größerer Siedlungszusammenhänge und Erprobung industrieller Fertigungsweisen in Niederschönhausen und Buch bis zur Wandlung zum eigenständigen Wohnungsunternehmen nach der deutschen Wiedervereinigung. 4 Da Geschichte ohne Menschen nicht denkbar ist, sollten auch die Mitglieder zu Wort kommen, die mit tatkräftiger baulicher und finanzieller Unterstützung zum Aufbau beigetragen haben und die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. bis heute prägen. Ihnen allen sei Dank für die aktive Mitarbeit, auch wenn in diesem Rahmen nur ein kleiner Teil der Gespräche wiedergegeben werden konnte. eine wichtige Vertrauensgrundlage in die Sicherheit und Qualität des genossenschaftlichen Wohnens dar – eine Leistung, die besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wieder zunehmende Wertschätzung erfährt. Mit Stolz kann sich die Genossenschaft heute als modernes und solides Unternehmen präsentieren. Der größte Teil der Bestände hat die umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten erfolgreich hinter sich, die weiteren Schritte sind bereits fest eingeplant. Die moderaten Nutzungsgebühren stellen ebenfalls In enger Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Vertretern werden die Belange der Genossenschaft besprochen und ausgewogene Entscheidungen getroffen. Darüber hinaus zählt die Förderung des gemeinschaftlichen miteinander Lebens zu den zentralen Anliegen der WBG Wilhelmsruh e.G. Zusätzlich engagiert sich der Seniorenbeirat durch die Organisation regelmäßiger Treffen und Besuche bei unseren Jubilaren dafür, dass keines der älteren Mitglieder in Vergessenheit gerät. Gleichzeitig sehen wir in der Unterstützung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein sehr wichtiges Aufgabenfeld – so geschehen in der jährlichen aktiven Teilnahme am Wilhelmsruher Kinderfest sowie in der Förderung von Jugendsektionen in Sportvereinen. So kann das wirtschaftlich und sozial gut aufgestellte Mitgliederunternehmen mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Der Grundstock für die Bewahrung und sukzessive weitere qualitative Aufwertung des Wohnungsbestandes ist gelegt und wird entsprechend des historischen genossenschaftlichen Grundsatzes „Vereinte Kraft leicht Großes schafft“ auch künftig Bestand haben. Hans Schott Jörg Kleeßen Kaufmännischer Vorstand Technischer Vorstand 5 Genossenschaftliche Entwicklung 6 Rückblick auf genossenschaftliche Wurzeln Der Standort Berlin stellt seit über 120 Jahren Ausgangspunkt von genossenschaftlichen Reformbemühungen dar. Schon im frühen 20. Jahrhundert hatte sich in der damaligen Reichshauptstadt eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Richtungen und Ausprägungen herausgebildet, die von Spar- und Bauvereinen über Beamtengenossenschaften bis zu oppositionellen Siedlergruppierungen reichte. Allen gemeinsam war das Bemühen, eine Alternative zur berühmt berüchtigten „Mietskasernenstadt“ zu entwickeln, die für sozial benachteiligte Bevölkerungskreise bislang nur Wohnungsnot, Mietwucher, fehlende Bewohnerrechte, Substandards und minderwertige Architektur bedeutet hatte. Erst das baugenossenschaftliche Modell war hier in der Lage, die demokratische Teilhabe der Mitglieder, ihre Selbsthilfepotenziale und den solidarischen Gemeinschaftssinn dauerhaft zu festigen. Darüber hinaus beinhaltete es neben der baulichen und hygienischen Verbesserung der Wohnverhältnisse die Förderung von Bildung und Kultur, von wirtschaftlichem Engagement bis zu besonderen Beiträgen im Städtebau, die die frühen Siedlungen zu „Reformoasen im steinernen Meer“ der Großstadtwüste machten. nung. Diese genossenschaftlichen Höhepunkte fanden jedoch durch den Nationalsozialismus ein jähes Ende, der aus den selbständigen Unternehmen schon kurz nach 1933 „gleichgeschaltete“ Organe machte und die Vereinheitlichung aller selbstverwalteten genossenschaftlichen Einrichtungen vorantrieb. Mit Gründung zweier deutscher Staaten 1949 wurde in Berlin die bestehende genossenschaftliche Wohnungswirtschaft auf den Westteil verwiesen. In der Hauptstadt der DDR kam es dagegen zu eigenen genossenschaftlichen Ansätzen, als 1953 im Zuge der Politik des „Neuen Kurses“ nach Wegen zur Produktionssteigerung von Konsumgütern und Wohnungen gesucht wurde. In der Ära der Weimarer Republik wirkten die Genossenschaften an den bekannten Siedlungen des „Neuen Bauens“ mit und erhielten dafür internationale Anerken- 1908 errichtete Wohnanlage des Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin in Niederschön- Zeitgenössisches Werbeplakat für das Na- hausen tionale Aufbauwerk Das neue, sozialistische Genossenschaftsmodell trat bald einen Siegeszug an. Bereits zum Ende 1954 existierten in der gesamten DDR 270 Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften mit mehr als 12 000 Mitgliedern. 1958 waren es schon 740 mit 74 000 Genossenschaftern. Die sozialistische Variante der Genossenschaftsidee kombinierte finanzielle und bauliche Eigenleistungen der Mitglieder mit betrieblicher, gewerkschaftlicher und umfangreicher staatlicher Unterstützung, grenzte sich aber bewusst von den Alt-Genossenschaften ab. Im Dezember 1953 wurde die erste „Verordnung über die Zulassung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) als freiwilliger Zusammenschluss von Arbeitern, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz zum genossenschaftlichen Bau und der Erhaltung von Wohnungen“ verabschiedet. Angesichts von Trümmerlandschaften im Nachkriegsberlin stellte sich der Wohnungsbau als enorme Herausforderung dar. Neben bautechnischen Neuerungen, die Nord“ e. G.). Gerade zu Beginn war die Bindung an den jeweiligen Trägerbetrieb prägend. Dabei dominierten zunächst die staatlich besonders geförderten Bereiche des Maschinenbaus, der Energie und des Bauwesens. In den nächsten Jahren kamen in rascher Folge weitere Bereiche der Dienstleistungen sowie Forschungseinrichtungen hinzu. Auch in Berlin setzte eine umfangreiche Gründungswelle ein. Zum Vorreiter wurde die am 30. 4. 1954 ins Leben gerufene AWG „1. Mai“ (heute: Wohnungsbaugenossenschaft „Köpenick Im nördlichen Bezirk Pankow hatten sich erste Initiativen ab Mitte der 50er Jahre gebildet. Dazu zählten der Verlag „Neues Deutschland“, der Rat Pankow und später das Klinikum Buch. Aber auch bereits bestehende Genossenschaften wie die AWG „Neues Leben“, „Junge Garde“, „Reichsbahn“ oder „DPF“ bauten hier einzelne Wohnhäuser. Nachweisheft für abgeleistete Stunden Briefkopf des Trägerbetriebs der AWG Berg- im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes mann Borsig Genossenschaftliche Entwicklung von der deutschen Bauakademie in Hinblick auf Typisierung und Standardisierung betrieben wurden, rückte die AWG vor allem die Selbsthilfepotenziale der Bewohner in den Mittelpunkt. 7 Genossenschaftliche Entwicklung Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB – Ein Trägerbetrieb mit Geschichte Der Geheimrat Siegmund Bergmann gründete 1891 die „Handelsgesellschaft Siegmund Bergmann und Co.“ in der Weddinger Seestraße. Zwei Jahre später erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „S. Bergmann & Co. Fabrik für Isolierleitungsrohre und Spezial-Installations-Artikel für elektrische Anlagen in Berlin“. Gleichzeitig wurden Zweiglager bzw. Vertretungen in Österreich, Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Russland und Frankreich errichtet. Turbinenfertigung in der Halle 16 des Bergmann-Borsig-Werkes 8 Zum Schwerpunkt entwickelte sich die Ausrüstung von Kriegsschiffen der Kaiserlichen Marine. 1897 erfolgte die Gründung der „Bergmann-Elektromotoren- und Dynamowerke, Aktiengesellschaft“, die 1900 mit dem bestehenden Unternehmen zur „Bergmann-ElektricitätsWerke, AG“ vereinigt wurde. Im Zuge der Randwanderung der Berliner Schwerindustrie verlegte man ab 1907 die Produktion schrittweise nach Rosenthal/Wilhemsruh und richtete am Ende der damaligen Lindenallee (heute Hertzstraße) die Geschäftsstelle „Elektricitätsgesellschaft für Kriegs- und Handelsmarine m.b.H.“ ein. Nach dem Neubau eines Metallwerks kamen weitere Werksanlagen für den Bau und die Ausrüstung elektrischer Straßen- und Überlandbahnen sowie elektrischer Lokomotiven hinzu. 1909 konnte die Eröffnung der neuen Kabelfabrik gefeiert werden, so dass nun auch die Fabrikation von „Dampfturbinen eigener Konstruktion“ am Standort Wilhelmsruh stattfand. Im Ersten Weltkrieg beteiligte sich die Firma Bergmann an der „Kriegsmetall AG“, was die Umsätze weiter steigen ließ. Während der 20er Jahre sicherten vor allem sowjetische Aufträge in der Großmaschinenfertigung die Arbeitsplätze der Beschäftigten. Das Schicksal des florierenden Betriebs schien im Zweiten Weltkrieg besiegelt, als die Werksgebäude Ziel alliierter Luftangriffe wurden und dabei 75 % an Zerstörungen zu verzeichnen waren. 1949 kam es zur Neugründung als VEB Bergmann-Borsig, da nach Stilllegung der Borsig-Werke im Westberliner Stadtteil Tegel zahl- 1959 entstandenes Foto von Arbeitskollegen der Halle 16 Ab 1951 konnte die Produktion des Turbinenbaus wieder aufgenommen werden. Der Betrieb spezialisierte sich zunehmend auf die Ausrüstung von Kraftwerken und bot eine wachsende Zahl von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Mit dem Ziel der betriebsnahen Wohnungsversorgung erhielt die Bildung der AWG Bergmann-Borsig 1956 eine zentrale Bedeutung. Genossenschaftliche Entwicklung reiche Mitglieder der dortigen Belegschaft übernommen wurden und deshalb nun der traditionsreiche Name Borsig im Firmensignet weiter geführt wurde. Durch den Bau der Berliner Mauer im August 1961 wurde das unmittelbar im Grenzbereich gelegene Werk auch von der bisherigen S-BahnAnbindung abgeschnitten. Nach 1990 erfolgten erste Kooperationsvereinbarungen zur Bildung eines Konsortiums mit der ABB (Asea Brown Boveri AG), die 1991 den Betrieb übernahm. Unter Einsatz eines umfangreichen Restrukturierungsprogramms sowie der Einführung neuer Technologien kam es 1993 zur Umbenennung in „ABB Kraftwerke Berlin GmbH“. Angesichts internationaler Überkapazitäten auf dem Stromerzeugungsmarkt gab die ABB zum Ende 2004 die Dampfkraftwerk-Produktion auf. Dabei wurde die Zahl der Arbeitsplätze von ehemals über 4 500 auf derzeit nur noch 300 reduziert. 9 Genossenschaftliche Entwicklung Anfänge in Wilhelmsruh – Gründung der AWG Bergmann-Borsig und erste Entwicklungen Der kleine Stadtteil Wilhelmsruh, 1956 Geburtsort der AWG Bergmann-Borsig, blickte bereits auf eine längere Vorgeschichte zurück. Als südliche Erweiterung des im 13. Jahrhundert gegründeten Dorfes Rosenthal wurde hier 1893 die Villenkolonie Wilhelmsruh errichtet. Die ersten Häuser im Gründerzeit- und Jugendstil entstanden entlang der heutigen Hauptstraße, es folgte der Bau der Lutherkirche 1905/06 mit Pfarrhaus und einem Kindergarten. 1908 wurde die Gemeindeschule eingeweiht. Zu dieser Zeit wies Wilhelmsruh etwa 600 Einwohner auf, nach Verlegung der Bergmann AG wuchs die Zahl bald auf über 3 000 an. Über die Ortsbezeichnung gibt es verschiedene Deutungen. So könnte sie einerseits direkt auf Kaiser Wilhelm I zurückgehen, der hier gern ausgeritten sein soll. Aber auch zwei weitere Namensgeber werden in Erwägung gezogen: ein gewisser Wilhelm Burde, der dem Haus- und Grundbesitzerverein angehörte oder auch Wilhelm Grande, Restaurantbesitzer des „Seebad Wilhelmsruh“. Ungeachtet der genauen Ursprünge lebt der traditionsreiche Name auch in der 1992 umbenannten Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. weiter. Blick auf die Wilhelmsruher Kirche, 1962 10 Die Gründung des VEB BergmannBorsig im Jahr 1949 setzte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang und ließ die Bedeutung von Wilhelmsruh wieder überregional zunehmen. Eine wachsende Zahl von Arbeitssuchenden fand hier Beschäftigung, sodass auch die Wohnungsnachfrage dementsprechend stark anstieg. Vor dem Hintergrund der dramatischen Situation im zerstörten Berlin erwies sich daher das Modell der AWG, das innerhalb von nur drei Jahren die Aussicht auf eine Neubauwohnung in Nähe des Arbeitsplatzes ermöglichte, als überzeugende Alternative zur kommunalen Wohnungsversorgung mit deutlich längeren Wartezeiten. „Ich habe bei Bergmann-Borsig ab 1952 Spitzendreher gelernt und mich später zum Karusselldreher qualifiziert… Die AWG-Gründung hatte sich im Betrieb herumgesprochen. Es war zwar damals nicht üblich, dass man für eine Wohnung bezahlen und dann noch selbst dafür arbeiten musste. Das hat erst einmal eine ganze Menge Leute abgeschreckt. Doch dann haben wir gesagt: ‚Machen wir es doch auch‘.“ Am 3. Mai 1956 kam es schließlich zur Gründungsversammlung der AWG Bergmann-Borsig. Viele Mitglieder der ersten Stunde arbeiteten als Kollegen in der zentralen „Halle 16“. Neben dem Hauptträ- gerbetrieb gab es eine weitere Zahl kleinerer Betriebe, die mit ihren Mitgliedern angeschlossen waren. Die Geschäftsstelle befand sich zunächst im Werk und zog erst später – im Zuge wachsenden Verwaltungsaufwands – in ein separates Haus in der Fontanestraße 48 um. Genossenschaftliche Entwicklung Auch wenn bei vielen Interessenten zunächst noch Skepsis gegenüber der neuen Idee und dem erforderlichen Einsatz an Geld und Arbeitsstunden bestand, gingen die ersten Mitglieder dennoch voller Elan an den Aufbau ihrer Genossenschaft. Nachdem die ersten Baumaßnahmen in der nahegelegenen Lessingstraße 1957– 59 noch in Eigenregie durchgeführt werden konnten, wurde ab den 60er Jahren die Autonomie der jungen AWG zunehmend eingeschränkt. Die Abläufe waren nun klar arbeitsteilig geregelt: Der Stadtbezirk Pankow bestimmte die Anzahl von Mitgliederaufnahmen, die Betriebsgewerkschaftsleitung schlug die jeweiligen Wohnungsbewerber vor. Als Bauherr wirkte der Magistrat von Berlin, die Realisierung erfolgte über einen Baubetrieb. Nach Abschluss der Arbeiten wurden die jeweiligen Häuser der AWG zur Verwaltung übergeben. Erweiterungsbau der Geschäftsstelle in der Fontanestraße 48 (Hof) Schrittweise entstanden so die drei genossenschaftlichen Wohngebiete: Wilhelmsruh mit 1 091, Niederschönhausen mit 642 und Buch mit 790 Wohnungen. 11 Genossenschaftliche Entwicklung Chronik der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. 7. 10. 1949 Gründung der DDR 10. 12. 1953 Erste Verordnung über die Zulassung der AWG 1959–1962 Neubau von weiteren rund 441 Wohnungen des Typs 57 im Wohngebiet Wilhelmsruh 1954 Gründungen von Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften, deren Bestände später von der AWG Bergmann-Borsig übernommen werden AWG „Friedenshort“, „Deutsche Reichsbahn“, „BVG“ 3. 5. 1956 Gründung der AWG „Bergmann-Borsig“ in Berlin-Wilhelmsruh 1956 Weitere AWG-Gründungen: AWG „Humboldt-Universität“, „Junge Garde“, „Neues Berlin“, „Einheit“, „Rat des Stadtbezirks Pankow“, „Neues Leben“ 1961 Bau der Berliner Mauer 1962 Es wird eine hauptamtliche Geschäftsführung eingesetzt 1962–69 408 Neubauwohnungen vom Typ Q3A und 50 vom Typ P2 werden in den Wohngebieten Wilhelmsruh und Niederschönhausen errichtet 1966 Das 10-jährige Bestehen der AWG „Bergmann-Borsig“ wird im Kulturhaus gefeiert 1971 15-Jahr-Feier 15. 12. 1957 Bezug von 18 Wohnungen im ersten, in traditioneller Bauweise erstellten Block (Typ 57) in der Lessingstraße 50–50 b 12 1981 25-Jahr-Feier der AWG BergmannBorsig 1986 30-Jahr-Feier 1976 20-Jahr-Feier 1987 750-Jahr-Feier Berlin 3. 10. 1990 Wiedervereinigung Deutschlands 1977–86 712 Wohnungen der Serie WBS 70 und 78 im Bautyp QP 71 folgen im Wohngebiet Buch 23. 3. 1992 Verabschiedung einer neuen Satzung sowie Namensänderung in Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. Entwicklung der Genossenschaft · Vorgeschichte 1975–76 160 Wohnungen werden in vier Objekten vom Typ WBS 70 in Wilhelmsruh errichtet 11. 6. 1992 Eintragung der Genossenschaft beim Amtsgericht Charlottenburg Dez. 93 Aus dem Altschuldenhilfegesetz wird nur die Zinshilfe in Anspruch genommen, um keine Privatisierungen durchführen zu müssen 1975–90 In den Wohngebieten Niederschönhausen und Wilhelmsruh werden im Zuge der territorialen Konzentration 400 Wohnungen (Typ Q3A) und 256 (Typ 57) aus anderen AWG-Beständen übernommen 1994–2003 Umfangreiche Komplexmodernisierungen 2006 Feier zum 50-jährigen Bestehen der Genossenschaft 13 Le ssi ng str aß e eth ov en str aß e Se eg ers tra ße Betriebsgel nde Betriebsgelände ABB (ehemals VEB BergmannBorsig) Ha up tst ra ß e e a Lessingstraß z ol nh hö Sc Die Wohngebiete und ihre Bewohner Das Wohngebiet Wilhelmruh e hil Mo ler str aß e Gariba ldistra ße Wilhelmsruh Hertzstr Ha up tst raß e To lle rst ra ß e Ko pen hag ene rS tra ße r hle WILHELMSRUH 33 Wilhelmsruher See rt Ma mü Nie de rst raß e Str aß e Edelweiß i stra Heeger- aße Fontanestraße 14 Sc Ha up tst raß e Garibalditeich Garibald istraße Kurze Straße straße Fontanestra straße Goethestra Hie lsc he rst raß Uhla ndst raße Be Schillerstraße Schillerstra Kastanienallee Kabelitzweg g We fach geschah dies nach der Frühschicht, was eine nicht unerhebliche Verlängerung des Arbeitstages bedeutete. Manche Mitglieder kamen dabei auf über 1 000 Stunden Aufbautätigkeit und waren froh, endlich „ihre“ Neubauwohnung zu erhalten. eg n-W ber e W onA nt r olze önh Sch oz art str aß e r ze traße Strawinskys im traditionellen Mauerwerksbau erstellten Häuser verbinden sich noch für viele ältere Mitglieder anschauliche Erinnerungen. 1957 im ersten Haus Lessingstraße 50–50 b, aber auch in den folgenden Blöcken, wurde ein großer Anteil an Eigenleistungen erbracht. Sie bestanden zum Beispiel aus Fräsarbeiten, um später Elektroleitungen zu legen. Ebenso wurden Malerarbeiten durchgeführt, Fahnenstangen montiert oder Fundamente isoliert. Viel- Die Wohngebiete und ihre Bewohner Vor allem mit dem Bau der frühen, Weg Schlüsselübergabe für die neue AWG-Wohnung aße e aß str a th g We Blick auf das 1960 noch unbebaute Gelände in Wilhelmsruh „Ich bin in eine freigewordene 2-Zimmerwohnung in der Fontanestraße gezogen. Mein Mann war bei ‚Bergmann‘ beschäftigt und Mitglied der Genossenschaft. Wir hatten eine Wartezeit von drei Jahren durchgemacht.“ 15 Die Wohngebiete und ihre Bewohner 16 Zwischen 1959 bis 62 folgten 441 weitere Wohnungen des Typs 57 in Wilhelmsruh. Nach der Lessingstraße auch in der Fontane-, Goethe-, Garibaldi- und Uhlandstraße. Erst später kamen im Zuge der territorialen Konzentration zeitgleich gebaute Hausgruppen der AWG „Neues Leben“ in der Hertz- und Fontanestraße sowie der AWG „Rat Pankow“ in der Schiller-, Haupt-, und Hielscherstraße an die Genossenschaft und ergänzten so den Wohnungsbestand unter einheitlicher Verwaltung. AWG „Neues Leben“ in der Hertzstraße, Anfang der 60er Jahre Mit dem Einzug entstand unter den meist kinderreichen Familien bald ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch die gemeinsamen Aufbaustunden und oft den gleichen Arbeitsplatz im Trägerbetrieb noch verstärkt wurde. Man half sich gegenseitig und nutzte auch die Außenräume, um gemeinsame Feste zu feiern. Das Zusammenleben der einzelnen Hausgemeinschaften war grundsätzlich geregelt. Pro Aufgang gab es einen Hausvertrauensmann und als übergeordnete Instanz den Blockvertreter, der wiederum die Verbindung zur Geschäftsstelle herstellte. Baustellenbetrieb am Schönholzer Weg, 1968 „Bei uns wohnten vor allem Familien mit zwei bis drei Kindern. Es war eine nette Hausgemeinschaft. Für den gesamten Block haben wir mehrmals ein Kinderfest organisiert. Dort spielte dann auch ein Lehrer aus dem Haus Akkordeon. Bei gemeinsamen Aufgaben haben wir versucht, dass keiner nur hinter den Gardinen vorguckt, sondern dass sich alle irgendwie beteiligten.“ Blick von der Baustelle Fontanestraße auf das Märkische Viertel „Das Märkische Viertel haben wir auf der anderen Seite der Mauer gesehen. Eigentlich haben wir die Leute dort bedauert und gesagt: ‚Ist das eng dort, nur hohe Häuser und kein bisschen Grün.‘“ Die Wohngebiete und ihre Bewohner Nach dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 wurde der Ortsteil von der bisherigen S-Bahn-Verbindung abgeschnitten und zu einer Art Enklave im Grenzgebiet. Das ab Mitte der 60er Jahre errichtete Hochhausgebiet Märkisches Viertel im Westberliner Bezirk Reinickendorf weckte durch seine Dimensionen jedoch eher Kritik als Bewunderung. Umzug in die neue Wohnung mit „Kind und Kegel“ Im Gegensatz zu den zeitgleich erstellten, großflächigen und homogenen Genossenschaftssiedlungen in anderen Berliner Bezirken ist der Ortsteil Wilhelmsruh von einer Mischung aus alter Bebauung mit den typischen Zeilenbauten der AWG-Epoche geprägt. Nach den noch traditionell errichteten Häusern folgten ab Ende der 60er Jahre Blöcke des Typs Q3A in der Fontane-, Lessing-, Hauptund Schillerstraße sowie im Schönholzer Weg und 1975/76 die Bauserie WBS 70 in der Beethoven- und Mozartstraße. Errichtung der WBS 70-Bauten in der Mozartstraße 17 Das Wohngebiet Niederschönhausen u Re tzFri Die dörfliche Vorgeschichte von s ten a erstr ße tra Körn ße ße ens ott arl Ch ho lz er St ra c Wa Bu ch e ße ße Bu ch ho lz e e aß str Ida rS tra e raß Beu ast h t r Herthaplatz Ma e aß str lde thi Klo e aß tr ths Brosepark e aß ß tra a erstr ße rstra ema Wald Körn raße owst Wald e Straß BöllrichHein Niederschönhausen reicht bis ins Mittelalter zurück. Überregionale Bekanntheit erhielt der Ortsteil jedoch erst 1704 durch den Bau des Schlosses unter dem späteren e aß Friedrich I, der preußischentrKönig S er seinen durch eine retSommersitz eu R präsentative Parkanlage erweitern z t i Fr ließ. Ab dem frühen 20. Jahre ßhundert bekam Niederschönhautra s h sen städtisches Gepräge, was t u Be auch durch das neu errichtete Rathaus signifikant unterstrichen wurde. ße rstra ema Wald traße öll-S ill Sch -St ter ot arl Ch B richraße erst e raß raße owst Wald Hein Die Wohngebiete und ihre Bewohner e traß s iller Sch str erg b n ke e aß c Wa s tr erg b n ke bu en k n Bla ße Str a ho ch Bu e aß Str r ol hh e lde e aß str Bu c aß Str ze er thi Klo aße str la Ro Schloßpark Schloßpark erg nb dfrie e traß Schloßpark Schlo park e ß a tr s nd Schloßpark Schlo park de g Sie e aß str d lan Ro Lin aße str e traß ens tzg Die traße urger S nb Blanke Bla e aß str lde thi Klo ens lz rg bu en nk Niederschönhausen traße urger S aße Str er erg nb e raß er de st de Herthaplatz nb Blanke ße stra berg Lin hil tzg Die en k Wac 18 ied gfarße Sisetr Ida e traß e ergs b raß n ke ast c h a t r W Ma Brosepark t Klo Niederschönhausen Niedersch nhausen e Pank Pank e aß s tr e 41 Im Unterschied zu den baulichen Jü Anfängen in Wilhelmsruh, rgedie im n-SBergWesentlichen durch die AWG traße mann-Borsig entstanden, war das Siedlungsgebiet in Niederschön- Die Wohngebiete und ihre Bewohner hausen zunächst verschiedenen Genossenschaften zugeordnet worden. Mit Ausnahme von Häusern in der Rolandstaße, Blankenburger Straße und Schloßallee, die von Beginn zur AWG Bergmann-Borsig gehörten, findet sich im heutigen Be- ns Ha ow bk um Gr e aß Str „Die Lage unserer Häuser war schon immer sehr gut, vor allem durch den Park und das Schwimmbad.“ Von 1949-60 war das Schloss Niederschönhausen Sitz des ersten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. So galt die Lage des genossenschaftlichen Baugrundstücks in unmittelbarer Nachbarschaft von Schloss und Parkanlagen aus mehrfachen Gründen als attraktiv für die neuen Bewohner. e e raß -St en tin ris -Ch eth sab Eli aß Str r e urg Das Baugelände an der Rolandstraße im Mai 1961 stand der WBG Wilhelmsruh ein kleiner Stammbaum der Berliner AWGGeschichte. Ursprünge reichen hier zur AWG „BVG“, „Friedenshort“, „Deutsche Reichsbahn“, „Junge Garde“, „Einheit“, „Humboldt-Universität“ und „Neues Berlin“ zurück. e aß str d lan Ro aße tstr r e ech D e raß r St e w aro K llee loßa h c S Panke „Ich bin in Pankow zur Schule gegangen und diese Ecke hier war eigentlich immer mein Wunschgebiet. Man hätte auch im Baumschulenweg Wohnungen bekommen können, aber ich wollte unbedingt hierhin ziehen.“ ße tra len Ga s us 19 Die Wohngebiete und ihre Bewohner Bis heute noch finden sich bei den Bewohnern unterschiedliche Erinnerungen an die Aufbaujahre im Neubaugebiet und die Entstehung der nachbarschaftlichen Gemeinschaften. Hier lebten Mitarbeiter der Ministerien, der Reichsbahn, der Volkspolizei oder der HumboldtUniversität in nahezu gleichen Haustypen, darunter vor allem der Serie Q3A. Besonders die Wohnungsvergabe und die ersten Zeiten im unbefestigten Umfeld sind vielen noch lebendig im Gedächtnis. Verbindend für die einzelnen Mitglieder war das gemeinsame Engagement für ihre AWG. „Jedes Mitglied musste 100 Aufbaustunden leisten. Ich habe Wachdienst auf Baustellen gemacht. In die Baubude nahm ich meine Lehrhefte mit und arbeitete so 6 bis 8 Stunden. Meine Frau kam dann mit unseren Kindern und brachte Essen.“ „1961 gehörten wir zu den ersten Familien, die in der AWG ‚Neues Berlin’ eine Wohnung bekamen. Das ging nach Eintrittsdatum. Zudem wurde der bevorzugt, der ehrenamtlich oder bei der AWG mitgearbeitet hatte. Ich war der 7. oder 8. Da wurde mein Name aufgerufen und ich konnte auf der Karte zeigen, welche Wohnung ich haben wollte.“ Rohbau in der Rolandstraße 20 Die Wohnanlage nach Bezug „Wir haben immer Frühjahrs- und Herbstputz gemacht. Die AWG hat gesagt, was zu tun ist. Das ging dann meistens am Sonnabend so gegen 9.00 Uhr los, später gab es Würstchen und Bier und dann wurde noch miteinander gesprochen und diskutiert.“ Nach dem Einzug der oft jungen Familien mit kleinen Kindern und der Freude über die eigene Neubauwohnung engagierten sich viele Hausgemeinschaften im weiteren Siedlungsleben. Einige von ihnen wurden für ihr Engagement bei der Hausreinigung, der Gestaltung des Wohnumfeldes und Durchführung von Kleinreparaturen mit der Verleihung der „Goldenen Hausnummer“ geehrt. Im Zuge der territorialen Konzentration wurden die Wohnungsbestände der unterschiedlichen Genossenschaften zwischen 1982 und 1988 sukzessive von der AWG Bergmann-Borsig übernommen. Für die Mitglieder verlief dieser Prozess meist in voller Übereinstimmung. Die Wohngebiete und ihre Bewohner „Wir waren alle Eisenbahner und so kannten sich die meisten untereinander. Man stand also nicht draußen, sondern tauschte auch viele Informationen unter den Kollegen aus. Als wir einzogen, waren wir jung und tatenfreudig. Man konnte schippen, machen, tun – zum Beispiel in der Anfangszeit auch bei der Urbarmachung des Geländes mithelfen.“ „1987 gab es eine große Versammlung, auf der festgelegt wurde, dass wir Reichsbahner alle Mitglieder der AWG Bergmann-Borsig werden sollten. Darüber waren wir nicht unglücklich. Bisher mussten wir immer zum Baumschulenweg, wenn wir was von der AWG wollten, später nur noch nach Wilhemsruh. Durch die Übernahme hatten wir uns nur verbessert.“ Schloßallee 26, 26 a–d 21 Die Wohngebiete und ihre Bewohner Das Wohngebiet Buch Auch das dritte Wohngebiet Buch pa oß l ch S Schloßpark Schlo park h Buc Alt- W ilt be cu Kar owe r Ch aus see aße Gro scu rths tr Ch au ss ee Ka ro we r itz Ap fg an gHe in zSt ra ße odo r-Br ugs c hDieSPlanungen für das gesamte tra ße Neubauareal mit insgesamt rund 17 000 Einwohnern hatten bereits in den 60er Jahren begonnen. Ge org Der AWG Bergmann-Borsig wur-Be nja den jedoch erst in den späteren mi n-S (Buch III und IV) trBauabschnitten aß e insgesamt 790 Wohnungen zugewiesen, die zwischen 1977–86 be rtRö ss le -S tra ße Er ns t-L ud wi g- He im -S tr. ße St ra Wa lt Pa nk e W ol e aß ra ße r St St r 22 -R ich te r- Bei den günstig an die S-Bahn angebundenen genossenschaftlichen Wohnungsbeständen handelt es sich – anders als in den davor entstandenen gemischten Bereichen Wilhelmsruh und Niederschönhausen – um eine nahezu homogene Baustruktur, die hier kurz nach Einführung der neuen industriellen Fertigung mit den Wohnungsbauserien WBS 70 und QP 71 errichtet wurde. ge er ied ric h The Ro St ra ße nb Wo lfg an g-H ein z-S tra ße Fr Str aß e nd e o- Buch e r-F rie dri ch -Sr aß un ra ße Li erFr ied ric h- dt - ße Stra z-S ch mi Wa lte Br st rt h- an wer ro s Karo rg st ra ße G Fr liegt in der Nähe alter historischer Ansiedlungen. 1240 als Straßendorf mit anschließendem Rittergut gegründet, erwarb die Stadt Berlin S ch Ende des 19. Jahrhunderts das w an heutige Alt-Buch, um vor allem eb ec städtische Wohlfahrtseinrichtunke gen hier anzusiedeln. Von der frühen Zeit zeugen noch die Schloßkirche und der an die Panke anschließende Schloßpark. Zwischen 1899 bis 1929 wurde das Städtische Klinikum Berlin-Buch im Pavillonsystem errichtet, das weiterhin im Berliner Raum eine wichtige Rolle spielt. a gr rk Pan ke BUCH n be durch die Abteilung Wohnungspolitik des Magistrats von Berlin errichtet worden waren. Zur Anwendung kamen 5-, 6-, 10- und 11-geschossige Wohnbauten, die sich um großzügige Innenhöfe gruppieren. Die Wohngebiete und ihre Bewohner „Buch ist eine wunderschöne Wohnlage, es liegt im Grünen und die City ist dennoch gut zu erreichen. Wir waren damals hundertprozentig glücklich über unsere Neubauwohnung. Sie war auch sehr gut geschnitten.“ WBS 70-Block in Buch 1985 23 Die Wohngebiete und ihre Bewohner Die begehrten Neubauwohnungen wurden verlost, wobei die besten Voraussetzungen Schichtarbeiter mit Kindern hatten. Am Anfang mussten jedoch noch einige Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden. „Ich bin Erstbezieher in Buch gewesen und im Sommer 1976 eingezogen. Damals gab es noch keine Wege, wir liefen alle nur in Gummistiefeln. Die wurden im Hausflur abgestellt und dann sind wir mit anderen Schuhen nach oben gegangen.“ Nachdem die ersten Hürden des Einzugs überwunden waren, entwickelte sich das genossenschaftliche Leben in vielfältiger Form. In Häusern, die keine Heizzentralen im Keller hatten, baute sich so manche Hausgemeinschaft Clubräume in Eigenregie aus. Im Wohngebiet Buch befand sich auch ein Reparaturstützpunkt der AWG Bergmann-Borsig, der bis zu 15 Mitarbeiter beschäftigte und direkt den Bewohnern vor Ort zur Verfügung stand. Ausschnitt von einer Seite eines Hausbuches „In den Clubräumen wurden auch Feten gefeiert. Die HGL veranstaltete zudem Skatturniere oder man hat sich zu Weihnachten und Silvester getroffen. Jeder aus der Hausgemeinschaft brachte dann etwas mit.“ 24 In den letzten Jahren wurde mit der Modernisierung der genossenschaftlichen Wohnhäuser begonnen. Unter der Zielsetzung auch langfristig attraktive Wohnangebote zu schaffen, leitete die WBG Wilhelmsruh e.G. eine Reihe von umfassenden Maßnahmen ein. So wurden bereits im Jahr 2002 vor den Ein- und Zweiraumwohnungen in der Wolfgang-HeinzStraße 30–36 Loggien angebracht, um die Nutzungsqualitäten auch in den kleineren Wohneinheiten zu erhöhen. Dieses Haus der Genossenschaft hat noch eine Besonderheit. Hier wurde das Treppenhaus entkernt und – zusammen mit einem barrierefreien Aufzug außen – neu errichtet. Die dadurch entstandenen separaten Etagen werden durch ein Glasdach mit Tageslicht durchflutet. Ausgehend von den Arbeiten am Haus Wolfgang-Heinz-Straße 30–36 sind zurzeit umfangreiche Bauaktivitäten in der FriedrichRichter-Straße 56–62 im Gange. In der gesamten Wohnanlage legte man in den letzten Jahren besonderen Wert auf die Instandsetzung der Treppenhäuser. Es ist geplant, diese Arbeiten in den kommenden Jahren auch in den Häusern Friedrich-Richter-Straße 48–54 und der Bruno-Apitz-Straße 15–19 zu beginnen, um so zukünftig einen hohen genossenschaftlichen Standard in grüner, ruhiger Wohnlage anbieten zu können. Die Wohngebiete und ihre Bewohner Bis heute zeichnet sich das Wohngebiet Buch durch seine grüne Umgebung aus, die viel Raum für Spaziergänge, Radtouren und Ausflüge bietet. Ein neues Einkaufszentrum am S-Bahnhof Buch bietet Läden für die tägliche Versorgung und lädt zum Bummeln ein. Eine Erweiterung ist für die Zukunft in Aussicht gestellt worden. 25 Die Zeit nach 1990 26 Neuanfang und Modernisierung unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen „Nach der Wende ging es darum, die Genossenschaft zu erhalten. Zunächst gab es unter den Mitgliedern eine gewisse Distanz. Aber es hat sich im Laufe der Jahre gezeigt, dass wir uns die Idee der Genossenschaft – die Solidarität – erhalten haben.“ Mit der deutschen Wiedervereinigung begann auch für die AWG Bergmann-Borsig eine neue Ära als eigenständiges Unternehmen, das nun dem bundesdeutschen Genossenschaftsrecht unterstellt war. Der Übergang zur Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. war zunächst verbunden mit der Annahme einer Satzung, die die Tätigkeit der neuen Organe – Vertreterversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand – regelte. Nach der ersten Vertreterversammlung Anfang 1992 konnte im Juni desselben Jahres die Eintragung ins Genossenschaftsregister „Ängste hatten wir schon, Hoffnununter der Nr. 488 Nz. erfolgen. gen wenig. Ich habe an vielen Versammlungen teilgenommen. Das Der auf dieser Vertreterversammlung gewählte Aufsichtsrat bestellte war nicht einfach. Da gab es auch im Mai 1993 einen neuen Vorstand, Befürchtungen, dass die Genossender sich neben der Modernisierung schaft das nicht übersteht.“ der Verwaltung zunächst vor allem mit der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Genossenschaft auseinander zu setzen hatte. Mit dem Verlust des Trägerbetriebes fehlte nun auch ein wichtiger wirtschaftlicher Förderer. So galt es, die außerordentliche Vertreterversammlung vom Verzicht auf die Teilentlastung aus dem Altschuldenhilfegesetz zu überzeugen. „Auch für die Mitarbeiter der GenosDies konnte vor dem Hintergrund senschaft war das eine große Umstellung. Sie mussten viele Lehrgänge und einer relativ hohen Belastung als durchaus unkonventioneller Schritt Weiterbildungen besuchen. Da haben uns die Kontakte zu den Genossenschafgelten, der die Genossenschaft ten in Westberlin und zum Verband Beraber vor dem Verkauf eines Teils lin-Brandenburgischer Wohnungsunterihrer Wohnungsbestände benehmen sehr geholfen.“ wahrte. Die Zeit nach 1990 Nach einer umfassenden Erhebung des Instandsetzung- und Modernisierungsbedarfs startete ab 1994 ein ehrgeiziges Bauprogramm, das mit den Arbeiten an den ältesten Wohnhäusern in Wilhelmsruh begann. Vorausgegangen waren umfangreiche Befragungen der Bewohner, um deren Wünsche in die Planungen mit einfließen zu lassen. Ziel war, einen Standard zu erreichen, der auch dauerhaft ein gutes Niveau bietet und damit die langfristige Vermietbarkeit der Wohnungen sichert. „Bei der Komplexmodernisierung sind wir so vorgegangen, dass wir die ältesten Gebäude und die Bereiche, die öffentlich gefördert wurden, zuerst in Angriff nahmen. Damals galt das vor allem für die Mauerwerksbauten. Die Wohnungen hatten noch Ofenheizungen oder Gasaußenwandheizer. Jeder Genossenschafter wurde gefragt, ob er mit den Maßnahmen einverstanden sei. Der Umfang der Bauarbeiten erschien anfangs vielen als ein Wagnis. Wie das so auf dem Dorf ist, waren wir das tägliche Gesprächsthema in Wilhelmsruh. Als wir dann im Frühjahr 1995 plangerecht die nächsten Häuser anpackten, waren die Kritiker sofort ruhig.“ (Vorstand) 27 Die Zeit nach 1990 Den Mitgliedern wurde in dieser Zeit sowohl finanziell als auch in Hinblick auf persönliche Einschränkungen einiges abverlangt. So wurden die Genossenschaftsanteile auf den Betrag von heute 35 Euro pro qm er- höht. Gleichzeitig stiegen die Zahlungen für Mieten, sowie Betriebsund Heizkosten kontinuierlich an. Vor allem die Modernisierungsarbeiten forderten von den Bewohnern ein hohes Maß an Toleranz gegenüber Lärm, Baudreck und Eingriffen in das gewohnte Alltagsleben. Für die Genossenschaft stand daher vor Beginn der Bauarbeiten die Überzeugung der Mitglieder im Vordergrund. Mit Fragebogenaktionen, auf zahlreichen Versammlungen und vor allem in sich über Wochen hinziehenden Einzelberatungen wurde vom Vorstand neben betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten auch viel psychologisches Geschick gefordert. Sanierungsbeginn in der Groscurthstraße in Buch, im Jahr 1996 28 „Wir haben mit einem immensen Zeitaufwand Einzelgespräche geführt. Das ging manchmal bis 23.00 Uhr. Meistens konnten wir zuerst die Frauen gewinnen. Wenn sie von den neuen Küchen und Bäder hörten, dann haben sie sich schnell entschieden.“ (Vorstand) Im Jahr des 50. Jubiläums kann die Genossenschaft mit Stolz auf das Erreichte zurückblicken. Nach den ersten Arbeiten in Wilhelmsruh folgte das Wohngebiet Niederschönhausen und ab 1996 der Bereich Buch mit den jüngsten Beständen. Im Mittelpunkt standen Maßnahmen zum Einbau von Heizstationen, die ökologischen Kriterien Rechnung tragen, ebenso der Austausch und Umbau von Eingangstüren und Instandsetzung der Versorgungsleitungen sowie die Erneuerung der Treppenhäuser. In den Wohnungen wurden nach Wunsch Bäder und Küchen modernisiert. Balkonerneuerung im Wohngebiet Niederschönhausen „Unsere Wohnungen wurden ganz erheblich aufgewertet. Alle Mieter empfinden die Modernisierung nun als eine großartige Sache. Das Vierteljahr war natürlich schlimm. Küche, Bad und Flur wurden auseinander genommen. Heute sind alle Leitungssysteme herrlich isoliert. Es ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht.“ Die Zeit nach 1990 „Wir haben einen Plan, der bis 2013 geht. Die wesentlichen Schwachstellen sind beseitigt. So können wir uns in der nächsten Zeit auf die eigene Kraft stützen und werden keine Kredite mehr aufnehmen. Nachdem die älteren Bauten in Wilhelmsruh und Niederschönhausen komplett modernisiert wurden, geht es jetzt an die jüngeren Bestände in Buch. Dabei werden wir keine Häuser aufgeben. Abriss steht bei uns nicht zur Disposition. Auch unser einziges, noch nicht saniertes Hochhaus wird unter Nutzung der guten Möglichkeiten, die diese WBS-Bauten bieten, hochwertig saniert. Wir wollen intelligente technische Lösungen finden, um hier dann 120 barrierefreie Wohnungen zu haben. Die Linie der nächsten Jahre wird sein, mit Eigenkapital weiter den Bestand auf modernstes Niveau zu bringen.“ (Vorstand) Heute können 92% des Wohnungsbestandes als saniert und mehr als zwei Drittel als komplex saniert gelten. Auch bei den Bewohnern wich die anfängliche Skepsis bald der Freude über die angenehme und verbesserte Wohnsituation. Auch weiterhin steht die Fortführung des Modernisierungsplans im Vordergrund der Geschäftsführung. 29 Die Zeit nach 1990 30 Die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. heute Die Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e. G. zählt heute mit ihren 2 520 Wohnungen zu den wirtschaftlich stabilen genossenschaftlichen Unternehmen. Das im Jahr 1999 bezogene Geschäftshaus unweit des Wohngebiets Niederschönhausen bietet nicht nur moderne Verwaltungsbüros, sondern auch Anlaufstelle und kleinere Versammlungsräume für die Vertreter. Fast 3 000 Mitglieder profitieren heute von der gesicherten Die Zeit nach 1990 Miet- und Wohnsituation. Darüber hinaus sorgen regelmäßige Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten für deren Einflussnahme auf die Entwicklung des Unternehmens. Traditionell zählen dazu die halbjährlichen Wohngebiets-Vertreterversammlungen, auf denen alle anstehenden Aufgaben in den einzelnen Siedlungen angesprochen werden. Seit einigen Jahren ist zudem ein ehrenamtlicher Seniorenbeirat tätig, der sich speziell um die Belange der älteren Mitglieder kümmert. Ergänzt wird der genossenschaftliche Service durch zwei Gästewohnungen in Buch sowie Kooperationen mit Sozialund Sportvereinen vor Ort. „So wie wir es die letzten Jahre gemacht haben, werden auch weiterhin die Mitglieder als Eigner der Genossenschaft im Mittelpunkt stehen. Auch in Zukunft bekommen sie ihren geldwerten Vorteil darüber, dass wir eine Politik der stabilen Mieten machen.“ (Vorstand) 31 Das genossenschaftliche Prinzip bestellt Aufsichtsrat Vorstand wählen beschäftigt Vertreter Mitarbeiter und Hausbetreuer wählen Mitglieder Die Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G. wählen in der Vertreterversammlung 2005 den Aufsichtsrat Dr. Klaus Meyer, Vorsitzender des Aufsichtsrates, beginnt die Vertreterversammlung 2005 mit einer Eröffnungsrede Literaturauswahl: Albrecht, G., Haendly, G. (Hrsg.): Ausbildungsinitiativen und Innovationen im PankowPark; Bonn 2005 Genossenschaftsforum e.V.: Die AWG – Ein Genossenschaftsmodell der DDR, Berliner Entwicklungslinien seit 1954; Berlin 2004 Institut für Denkmalpflege der DDR: Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR/ Hauptstadt Berlin II: Berlin 1987 Liefländer, K.H., Beretitsch, S.: (Fast) Einhundert Jahre Industriegeschichte im Pankow Park in Wilhelmsruh, in: Albrecht,G… (s. o.) Schulz, J., Gräbner. W.: Berlin, Architektur von Pankow bis Köpenick; Berlin 1987 Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh e.G.: 40 Jahre Festschrift: Berlin 1996 Abbildungen: Die Fotos und Dokumente stammen aus den Archiven der WBG Wilhelmsruh e.G. und des Genossenschaftsforums sowie aus Privatbesitz. 32