EntSchuldigung - Evangelischer Kirchenbezirk Geislingen
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EntSchuldigung - Evangelischer Kirchenbezirk Geislingen
Evangelische Kirchenbezirks-Zeitung Geislingen Nachrichten aus dem Filstal und dem Helfensteiner Land 2012/ 2013 EntSchuldigung ” Von Schulden und Schuldigen ” Neues aus Bezirk und Gemeinden ” Aktuelle Informationen Inhalt 3 Editorial Gerlinde Hühn 4 Impuls: Eltern haften für ihre Kinder Pfarrer David Dengler 43 Von Menschen, Begegnungen und Jubiläen Türkheim – Das wandernde Gottesvolk 8 Umfrage: Wann entschuldigen Sie sich? Herausgeber: Evangelischer Kirchenbezirk Geislingen Hansengasse 2, 73312 Geislingen (Steige), Tel. (0 73 31) 4 17 61 Email: Dekanatamt.Geislingen@elkw.de www.kirchenbezirk-geislingen.de Bankverbindung: Kontonummer 6 00 86 28 Bankleitzahl 610 500 00 Kreissparkasse Göppingen Druck: C. Maurer, Druck und Verlag, Geislingen (Steige) Layout, Repro, Satz: Typografie + Medienwerkstatt Hermann, Schlat Auflage: 20.000 Vertrieb: Evangelischer Kirchenbezirk Geislingen Titelbild: Jörg Schaber, Wiesensteig Rückseite: Taufsteine der evangelischen Kirchen im Kirchenbezirk Geislingen Die Amstetter Kirchenstiftung Das Schalkstetter Altarbild 6 Aus der Landessynode Anita Gröh, Geislingen Beate Keller, Süßen Zeitung des Evangelischen Kirchenbezirks Geislingen (Steige) Nr. 15 – 2012/2013 vom 1. Juli 2012 32 DISTRIKT ALB 42 Hier finden Sie Information und Hilfe Aus Kirche und Gesellschaft Impressum Aus den Distrikten 10 Auge um Auge und die ganze Welt wird erblinden Karlheinz Bauer, Amstetten 12 Portrait Reinhard Wenger, Amtsrichter in Geislingen 13 Schuld und Erinnerung – Richtiges Zeugnis reden am Beispiel der „Lokalen Geographie der Schuld“ Martin Bauch, Süssen 33 DISTRIKT GEISLINGEN Abendgebet in der Stadtkirche 100 Jahre Gesamtkirchengemeinde Geislingen Kunst in den Sommerferien Kunstbetrachtungen in der Stadtkirche Abendgottesdienste in Geislingen Schulseelsorge an der Lindenschule Geislingen 36 DISTRIKT OBERE FILS Deggingen – 50 Jahre Christuskirche Christusgemeinde i.T. Fusion von Deggingen-Bad Ditzenbach und Auendorf 16 Mission und Schuld Klaus Rieth, Stuttgart Herz-Schmerz in Deggingen 17 Schuld und Schuldgefühle Heinz Grötzinger, Stuttgart Die Gruibinger Martinskirche 18 Für unsere Schuld gestorben? – Ein theologischer Zwischenruf Klaus Hoof, Bad Überkingen 1150 Jahre Wiesensteig Kirchenmuseum in Gruibingen 38 DISTRIKT UNTERES FILSTAL 20 Fromm aber nicht hetero Stéphane Schmid, Sigmaringen Donzdorf – Fastengebet und Fastensuppe 22 Schuld und Strafvollzug Hans-Ulrich Agster, Stuttgart Kuchen – Neubau Pfarrhaus 24 Die Kirche und das Geld Hätten Sie es gewusst? 25 Giraffensprache im Kindergarten Angelika Staffhorst Donzdorf – Treffpunkt Bücherbazar Süßen – Gemeindereise nach Südindien Sommer-Predigtreihe Hund, Katze, Maus – Tierisches in der Bibel Gingen – Michakurs 26 Schuld und Schulden Dr. Peter Aubin, Volksbank Göppingen Aus dem Kirchenbezirk 28 Regionalisierung ist angesagt – Pfarrplan 2018 Gerlinde Hühn 29 40. Ökumenische Ostereieraktion im Bezirk Geislingen Helmut Poloczek, Wiesensteig 30 Religionsunterricht in der Diaspora Viola Schenk, Donzdorf Redaktion: Günther Alius, David Dengler, Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer, Anita Gröh, Klaus Hoof, Daniela Hartmann, Friederike Maier, Gertraude Reich-Bochtler Fotos: Privat V.i.S.d.P.: Dekanin Gerlinde Hühn, Hansengasse 2, 73312 Geislingen (Steige) Das Redaktionsteam v.l.n.r.: Anita Gröh, Friederike Maier, David Dengler, Daniela Hartmann, Klaus Hoof, Gertraude Reich-Bochtler, Günther Alius, Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer 2 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Editorial Liebe Leserinnen und Leser unserer Kirchenbezirkszeitung, Schuld ist ein wichtiges und zugleich schwieriges Thema. Das Wort hat eine breite Bedeutungsspanne: von Schulden, die man im Finanziellen macht, bis zu Schuld und Schuldgefühlen aufgrund von eigenem Vergehen oder Unterlassenem. Schuld treibt um. Was ist Schuld? Worin besteht sie? Wie bewältigt man sie? immer so war, was täglich geschieht, was alle tun und glauben, das legitimiert sich dadurch, dass alle es tun und dass es immer so war“. In ähnlicher Weise werden auch wir Heutigen nicht wissend-wissend schuldig, weil wir darin verstrickt sind, dass Erwachsene und Kinder in der dritten Welt ausgebeutet werden. Objektiv werden wir schuldig. Wir machen es uns nicht klar, könnten es aber wissen. Kein Wunder dass sich das Buch von Ferdinand von Schirach „Schuld“ sofort auf der BestsellerListe wiederfand. Der Autor ist Rechtsanwalt und erzählt von verzwickten Fällen aus seiner Anwaltspraxis. Besonders verstörend ist der erste Fall: eine Gruppe von Männern vergewaltigt eine junge Frau und misshandelt sie. Aber alle schweigen still, die DNA-Spuren verkommen in der Hitze: Jeder weiß, sie sind schuldig, aber keinem Einzelnen kann man die Schuld nachweisen. Sie werden freigesprochen, obwohl sie schwere Schuld auf sich geladen haben. Schuld sein und schuldig gesprochen zu werden sind in unserem Rechtsstaat zwei verschiedene Dinge. Verstörend! Das Buch regt an, über Schuld und Schuldigwerden nachzudenken. In differenzierter Weise ist das Redaktionsteam den verschiedensten Bedeutungen von Schuld nachgegangen und hat Interviews mit überraschenden Gesprächspartnern geführt. Ein Dank für die vielschichtige Durcharbeitung des Wortes Schuld. Als Strafverteidiger denke man nicht darüber nach, ob jemand schuldig ist oder nicht, sondern es gehe nur um die Frage: Reichen die Beweise aus, um jemanden zu verurteilen? Das sei etwas völlig anderes. Bei Gericht gehe es um eine Wahrheit, die mit den Mitteln des Strafprozessrechtes erkannt werden kann. Ein Dank an alle, die zum Gelingen der Zeitung beigetragen haben. Besonders auch an die vielen ehrenamtlichen Austräger und Austrägerinnen in den Gemeinden. Fulbert Steffensky weist in einer Abhandlung über Schuld auf folgendes hin: Im Dritten Reich gab es viele Menschen, die sagten: wir haben es nicht gewusst! Aber sie hätten es wissen können! „Die Gewöhnung machte das Unrecht geläufig. Was Provozierend mögen die Artikel über den Kreuzestod Jesu und über das Thema: „Fromm aber nicht hetero“ wirken. Aber sie gehören in den Kontext. Pfarrer Schaber aus Wiesensteig hat wieder das Titelbild gestaltet. Es zeigt den blutigen Riss, der durch den Lebenszusammenhang geht, wenn Schuld geschieht. Ihre Gerlinde Hühn Dekanin in Geislingen E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 Das Bürgerliche Gesetzbuch legt die Haftung fest Im Bürgerlichen Gesetzbuch jedenfalls ist dies so festgehalten: „Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt“ (BGB § 832). Eltern sind also kraft Gesetzes an ihre Aufsichtspflicht und damit auch (im wahrsten Sinne des Wortes) an ihre Haftpflicht gebunden. Eltern haften für ihre Kinder?! DAVID DENGLER Sie alle kennen dieses Schild: „Betreten der Baustelle verboten! Eltern haften für ihre Kinder!“ Meist steht es irgendwo an einer Baugrube oder an einem Gerüst. Da, wo es für Kinder gefährlich ist. Da, wo es für Kinder aber auch unheimlich viel zu entdecken gibt. An einer Baustelle. Für viele Eltern ist solch ein Schild ein großer Horror: „Wenn hier etwas passiert, dann bin ich schuld – denn ich hafte ja für mein Kind.“ Für die Baustellenbetreiber dagegen bedeutet dieses Schild eine große Absicherung: „Wenn hier etwas passiert, dann habe ich keine Schuld – denn die Eltern haften ja für ihr Kind.“ Doch stimmt das überhaupt? Haften Eltern tatsächlich für ihre Kinder? Können sie das überhaupt? Wenn den Kindern etwas passiert oder wenn sie einen Schaden verursachen – wer ist dann schuld? Sie selbst? Oder die Eltern? Oder aber jemand Drittes? 4 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Allerdings: Manchmal passiert den Kindern auch etwas, obwohl die Eltern ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen. Kinder können trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auf eine Baustelle gehen und dort einen Schaden verursachen. Was dann? Dann liegt die Beweislast beim Baustellenbetreiber – denn er trägt die Verantwortung, die Baustelle ordnungsgemäß zu sichern. Die Eltern sind in diesem Fall von ihrer Haftung befreit. Die Kinder selbst sind bei alledem nur in bestimmten Ausnahmefällen haftbar. Kinder bis sieben Jahre zum Beispiel sind generell nicht deliktfähig, d.h. sie sind unter keinen Umständen haftbar. Eigentlich eine ganz schöne Vorstellung – für die Kinder. Nicht verantwortlich sein zu müssen für den Schaden, den sie verursachen. Zu wissen, dass es da jemanden gibt, der für ihre Taten einsteht. Unter keinen Umständen selbst haftbar zu sein. Wie schön, wenn das bei uns Erwachsenen auch so wäre. Nicht verantwortlich sein zu müssen für den Schaden, den wir verursachen. Zu wissen, dass es da jemanden gibt, der für unsere Taten einsteht. Unter keinen Umständen selbst haftbar zu sein. Jedoch: Zum Erwachsensein gehört dazu, dass man selbst Verantwortung für sein Tun übernimmt, dass man für den eigenen Schaden einsteht, dass man haftbar – und damit auch haftpflichtig ist. Dies kann mitunter sehr schwierig sein. Solch eine „Haftpflicht“ kann belasten – im Extremfall sogar überlasten. Deswegen gibt es in Deutschland auch die sogenannte Haftpflichtversicherung. Eine Versicherung, die eintritt, wenn Menschen einen Schaden verursacht haben. er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes. 53,4f). Die Idee solch einer Haftpflichtversicherung ist verhältnismäßig neu. In Deutschland gibt es diese Versicherung erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Tatsache dagegen, dass erwachsene Menschen selbst für ihr Tun verantwortlich und damit haftpflichtig sind, ist allerdings überhaupt nicht neu. Diese Tatsache ist schon sehr alt – beinahe so alt wie die Menschheit überhaupt. Schon damals im Paradies wurden Adam und Eva für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen. „Warum habt ihr das getan?“, so lautete die Frage, mit der Gott die Beiden auf ihre Haftung ansprach. Adam und Eva, sie mussten für den entstandenen Schaden haften, den sie mit ihrem Ungehorsam angerichtet hatten. Sie wurden von Gott nicht aus ihrer Haftpflicht entlassen. Sie wurden schuldig gesprochen und mussten die Konsequenzen ihres Ungehorsams tragen: „Betreten des Paradieses verboten! Niemand haftet für die Sünder!“ Das ist die Botschaft des christlichen Glaubens: Es gibt da tatsächlich jemand, der unsere Last trägt. Es gibt jemand, der die Haftung für unser schuldhaftes Tun übernimmt. Es gibt jemand, der uns ent-schuldigt. Dieser Jemand ist Jesus Christus. Haftpflicht überlastet Die Haftung für das eigene Tun zu übernehmen, die Konsequenzen für schadhaftes Tun zu tragen, mit entstandener Schuld leben zu müssen – das be- und das überlastet uns, gestern wie heute. Und manchmal fragen wir uns: „Gibt es da niemand, der uns diese Last abnehmen kann? Gibt es niemand, der die Haftung für unser Tun übernimmt? Gibt es niemand, der uns (im wahrsten Sinne des Wortes) ent-schuldigen kann?“ Gut, dass uns die Bibel mit diesen Fragen nicht alleine lässt. Schon das Alte Testament berichtet von jemand, der genau dies tut, der die Haftung für unser schuldhaftes Tun übernimmt. Dieser Jemand ist der sogenannte Gottesknecht. Von ihm wird im Buch Jesaja berichtet: „Fürwahr, Gott haftet für seine Kinder Wie schön, dies zu wissen: dass es da jemand gibt, der für unseren Schaden einsteht, der die Haftung für uns übernimmt. Dieses Wissen befreit – und dieses Wissen ermutigt. Es gibt uns Kraft, das Leben hier auf dieser Erde – auf unserer Baustelle „Alltag“ – in Angriff zu nehmen. Es ermutigt uns, mit Zuversicht auf dieser unserer Baustelle zu arbeiten, denn: „Betreten der Baustelle ‚Alltag‘ ausdrücklich erlaubt! Gott haftet für seine Kinder!“ Gott haftet für seine Kinder. Er steht für den Schaden ein, den wir verursacht haben. Er übernimmt die Haftung für unser schuldhaftes Tun – und schenkt uns dadurch seinen Frieden. Könnte man deswegen vielleicht sogar sagen: Die Christen, sie sind eine GmbH, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung? David Dengler ist Pfarrer zur Dienstaushilfe bei der Dekanin in Geislingen E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 5 Aus Kirche und Gesellschaft A U S D E R Die Zukunft in die Hand nehmen ANITA GRÖH Der Pfarrplan beschäftigt Landessynode, Kirchenbezirke und Kirchengemeinden. Mit am deutlichsten zeigt sich am Pfarrplan, welche Auswirkungen Beschlüsse der Landessynode auf die Bezirke und Gemeinden haben. Die Landeskirche wird kleiner Die Landessynode nimmt die demographische Entwicklung in Württemberg deutlich wahr. Die Zahl der Gemeindeglieder in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wird von jetzt noch aktuell 2,1 Millionen bis ins Jahr 2030 auf ca. 1,7 Millionen Gemeindeglieder sinken. Hauptursache sind weniger die jährlich ca. 12.500 Austritte und die 3.000 Umzüge evangelischer Gemeindeglieder aus Württemberg hinaus, sondern dass mehr Menschen sterben als geboren werden. In der Landeskirche sind pro Jahr ca. 27.000 evangelische Bestattungen. Und es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Neugeborene getauft werden. Konnte seither von ca. 19.000 evangelischen Taufen pro Jahr in Württemberg ausgegangen werden, zeigt die Tendenz jedes Jahr 500 Taufen weniger. Dementsprechend sinken die Gemeindegliederzahlen der Kirchengemeinden. Im Jahr 1981 zählte der Kirchenbezirk Geislingen 32.392 Gemeindeglieder. Zum Ende des Jahres 2011 waren es 28.083 Gemeindeglieder. Pfarrplan nimmt gesellschaftliche Entwicklung auf Im Jahr 1964 hatte eine Kirchengemeinde durchschnittlich 1.960 Gemeindeglieder, aktuell sind es durchschnittlich 1.595 Gemeindeglieder. In der Landeskirche wird von einer Pastorationsdichte von 1.800 ausgegangen. Das heißt, dass im Durchschnitt zu einer 100 %-Pfarrstelle 1.800 Gemeindeglieder gerechnet werden. Berechnet wird dies nach einem gut überlegten Schlüssel mit Berücksichtigung vieler Faktoren wie Religionsunterricht, Diaspora, Zahl der Gottesdienste und anderes. Um die Zahl der Pfarrstellen den Gemeindegliederzahlen entsprechend anzugleichen, wurde von der Landessynode eine dritte Runde des Pfarrplanes beschlossen. In der Zeit bis 2018 sollen die Kirchenbezirke die Zahl der Pfarrstellen aufgrund des Beschlusses der Landessynode reduzieren. Der Kirchenbezirk Geislingen muss bis 2018 1,5 Pfarrstellen streichen. 6 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Es gilt nun, gute Lösungen zu finden. Eine aktivere Zusammenarbeit der Kirchengemeinden ist hierbei notwendig. Strukturelle Veränderungen werden kommen. Und diese sind auch sinnvoll. Auch Kirchenbezirke brauchen Mindestgröße Im Finanzausschuss der Landeskirche hat die Diskussion um Fusionen von Kirchenbezirken ebenfalls begonnen. Hier gilt ähnliches wie bei Kirchengemeinden. Ein Kirchenbezirk braucht eine bestimmte Größe, um leben und arbeiten zu können. Wird diese Größe unterschritten, sind die Aufgaben und Arbeitsbereiche, die in einem Bezirk anfallen, nicht mehr auszuführen. Dies betrifft u.a. diakonische Arbeit, Bildungsarbeit, Jugendarbeit, Kirchenmusik. Auch die Vertretung in den Kirchengemeinden bei Vakaturen, Urlaubs- bzw. Krankheitszeiten ist gefährdet. Zudem ist zu prüfen, ob Kirchen, Gemeindehäuser und Pfarrhäuser in einem Kirchenbezirk alle erhalten werden können. Im Finanzausschuss sind Überlegungen auf dem Tisch, die finanzielle Förderung von Strukturreformen auf der Ebene der Kirchenbezirke der Synode vorzulegen. Anreize sollen geschaffen werden, dass die Fusion von Kirchenbezirken auf freiwilliger Basis und nicht zum finanziellen Nachteil der Bezirke erfolgt. Strukturveränderung bringt Chancen Wie bei den Kirchengemeinden gilt es auch auf Ebene der Kirchenbezirke die Chancen einer Strukturveränderung zu sehen. Zu bedenken ist, dass die Rechtsform bzw. die Zahl der Gremien nicht entscheidet über Inhalte der Gemeindearbeit. Und solange die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung bei Strukturveränderungen gegeben ist, sollte diese genutzt werden, bevor aufgrund finanzieller Engpässe nur noch reagiert werden kann. Anita Gröh, Geislingen, Landessynodale, Offene Kirche L A N D E S S Y N O D E Versöhnungsarbeit in Europa BEATE KELLER Im Januar 2012 fand in der Akademie Bad Boll die erste Europäische Synodaltagung statt, die von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und der Evangelischen Landessynode in Württemberg vorbereitet und durchgeführt wurde. 70 Kirchenparlamentarier aus 17 europäischen Staaten (u.a. England, Frankreich, Österreich, Schweiz, Ungarn, Polen, Tschechien) nahmen daran teil und diskutierten über die Themen: Menschenrechte, Zukunft der Diakonie in Europa, Mitwirken von Laien in Kirchenämtern, Verhältnis von Jugend und Kirche. Durch die Diskussionen und den regen Austausch über die vielseitigen Themen gewann jeder Teilnehmer den Einblick in die unterschiedlichen Kirchenstrukturen in Europa. Darüber hinaus wurde deutlich, wie wichtig Versöhnungsarbeit und Friedensdienste für die Kirchen in Europa sind. Das Evangelische Jugendwerk in Württemberg leistet auf diesen Gebieten seit Jahrzehnten durch internationale Aufbaulager eine vorbildliche und wichtige Arbeit. Der Landessynode ist es wichtig, dass dieses Thema regelmäßig behandelt wird. Informationen und Berichte sollten veröffentlicht werden, um die Wahrnehmung dieser Zustände in der Öffentlichkeit zu erhöhen und dadurch Menschen zu bewegen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dagegen vorzugehen. Die Unterstützung dieser Christen im Gebet ist eine wichtige Seite, politisches Handeln eine andere. Dort muss noch viel getan werden. Das Jahr 2012 wurde von der Landeskirche als Jahr des Gottesdienstes ausgerufen. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, in unseren Gottesdiensten diese Kraft der Versöhnung und Vergebung den Menschen nahe zu bringen und erlebbar zu machen, die durch Jesus Christus in diese Welt gekommen ist. Beate Keller, Süssen, Landessynodale, Lebendige Gemeinde Versöhnung und Vergebung unter Menschen und unter Völkern ist der entscheidende Schlüssel für ein gutes Zusammenleben in Europa und darüber hinaus. Dies gilt auch oder besonders für die unterschiedlichen Kirchen in Europa, die durch das „Vater Unser“ im Gebet vereint sind und gemeinsam beten: „Und vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Von einem friedlichen Miteinander sind viele Christen in verschieden Ländern weit entfernt. Anschläge gegen christliche Einrichtungen, Verfolgung, Folter und Ermordung von Christen werden in bestimmten Ländern begangen und die Welt nimmt nur bedingt davon Kenntnis. Gedenktafel in Warschau: Der Kniefall von Willy Brandt wurde zum Zeichen der Versöhnung angesichts des Holocaust E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 7 Aus Kirche und Gesellschaft UMFRAGE: Wann sagen Sie Entschuldigung? n mir nn, wen r a d t is e mich m en Fehle huldige ist, dass ich ein ttäuscht oder c ts n e h „Ic n en geworde be ich verletzt, bewusst abe, jemanden tschuldigen erle em En all th gemach ht getan habe. men Akt – vor , c a en wird e s r ihm Un einen ganz heil ung angenomm ig dabei als n die Entschuld n e dann w tion olu die Abs . Dann ist ird w n“ erteilt chuldige n das „E ts che li eine fröh heit und n e g le Ange .“ d n ie befre 1), ägele (3 H n Steffe Pfarrer leinigi jeder K dene b t h ic mich n erschie chuldige eine Meinungsv e Stimme ts n e t s Ich selb wenn ich z.B. er mein r tte, bei d ige ich mich e a b h a , n r it e e k Elt entschuld meinen ter, dass heit mit ter wurde, dann chmal erst spä mir ie u an etwas la er merke ich m meinen, wenn s id ir e L m auch. gut mit ltern es meine E t erlauben. ich etwas n nfirmand Ko , z t Mori erJ-G-Fisch r e d 2 e r Klass uns innen de enn wir Schüler/ le Süßen w ; b a h seine hu en Grundsc einen geschlag jemand anders mes h m h Wenn ic aben; wenn ic ich etwas Schli gt hab; h n s n n e e te g it w es a b; gestr rletzt ha ich was Dumm und das e v le h Gefü ab wenn macht h egget habe; gemach etwas kaputt ge mand etwas w sagt je h ge wenn ic and; wenn ich inen Ausdruck e m je h t ic r ö enn geh habe; w nommen n ich en habe; w s Verau jemand eremng sehen a wenn e; pelt hab d mit n ich jema ins ll dem Ba schosge Gesicht e. b sen ha 8 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G h , dass ic h merke ch ehrlich ic n n e mir au mich, w huldige ht habe und es c ts n e h c Ic a rt ist. hler gem einen Fe ass es so passie d Leid tut, onfirmandin K , a Veren ann ich fen ist, k mir viel u la e g f as schie ung“ ist gend etw id. „Entschuldig ir n n e „W le ur s tut mir sagen: E chlich, das ist n ä s fl a r zu obe dewendung. D e n R e g , so eine lleicht sa dung ie v h ic könnte bei einer Einla h wenn ic hüttet habe. sc r e was v ) mitt (94 i.R. h c Inge S n ri ä t re k sse Dekanat ie zur r, weil s it sslerin: te s lä e k t t w ri h c D ), rS Stre Selina (8 Streit mit meine s gewesen. Der bends, a e e „Ich hatt agt hat, ich sei t hab ich mich ig s e ld g u a h entsc Mam te.“ tags und iten woll war mit icht wieder stre n weil ich nd ich jema „Wenn etan habe. g Unrecht hte ich öc Dann m echt nicht nr U dieses ssen.“ la stehen chof is Landesb ied July tfr O Frank son vereine Per Manchh ic n n ich, we rperlich. uldige m eelisch ober kö so, sondern ist h c ts n e Ich bs ht e. Egal o rdings h gar nic letzt hab man es ja auc außer sich. Alle nn t e h in mal me Moment einfac einmal, weil, w ng r u u m in diese eistens auch n eine Entschuldig sein. m t s s e is hilft da r macht, Das aber sollte e m im s r. man da maliges“ meh in nichts „e onfirmandin K , Tamara ss es ja tlich mu entn e ig e r ich (ode “, denn uldige m Entschuldigung ssen Schuld h c ts n e um „Ich in de „Ich bitte ich ja nur der, on jemandem v heißen: m n r Schuld en kan inen Feh schuldig wenn ich in de verletzt habe, e einge), n ch ich stehe nn ich jemande Gegenüber fals er mal e s m a W d im . l r e e ie p od steh ht habe assiert zum Beis würde meinen c a m e g ler re as p er Ande witzig habe. D schätzt enn ich denke, d das dann nicht dann r w e, wieder, rstehen. Wenn e berspannt hab ls ü A e v Humor r ich den Bogen igung zu bitten. chen s e ld n d findet o an, um Entschu für andere Me für r r e n d h ete d tlic bin ich rantwor ht sein, stellvertr e V r e d Leiter o uch angebrac a ulkann es m Entsch . u e r e d n .B z A u bitten, ilz g n u ig te d h Freizeit wenn sic neben da nehmer n haben. e m benom rgenthaler e M Stefan er rr fa P (31), h hatte ssler: hr her. Ic ieder lä k Ja t t ri in e D t , aber w Ediz (9) tschuldigung is t, es ihr n u E la e k in e e g ld „M utter Ge meiner M eben.“ eg zurückg Allerer bei so htih e ir m t ewic tsch – das ru en heraus. 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K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 9 Aus Kirche und Gesellschaft Auge um Auge – und die ganze Welt wird erblinden KARLHEINZ BAUER Schuld zwischen Rache und Vergebung Von seinem sprachgeschichtlichen (althochdeutschen) Ursprung her hängt der Begriff „Schuld“ mit den Verben „sollen“ und „müssen“ zusammen. Gemeint ist, dass man etwas tun soll oder muss, um eine Schuldigkeit abzulösen. Genauer betrachtet ist der Begriff aber doppeldeutig; denn er beinhaltet das Schuldenmachen und das Schuldigwerden. Wer im finanziellen Sinn Schulden macht, steht in der Verpflichtung, eine (Geld-)Leistung zu erbringen, die ihn von seinen Schulden befreit. Wer dagegen schuldig wird, hat eine rechtliche, sittliche oder religiöse Norm verletzt und steht in der Verantwortung, eine Sühne zu leisten. Schuldenmachen ist grundsätzlich nicht ehrenrührig, Schuldigwerden folgt jedoch einer unrechten Tat. Handlungen unter Berücksichtigung ihrer möglichen Tragweite selbst zu bestimmen. An sich weder gut noch böse, jedoch mit dem Hang zum Guten und zum Bösen begabt, kann der Mensch das Gute in sich zur Herrschaft bringen, wenn er die Achtung für die Normen zum Richtmaß seines Willens und seiner Grundsätze erhebt. Doch wer kann Schuld beurteilen? Die nächstliegende Instanz ist wohl das eigene Gewissen, vor dem der Mensch sich als schuldig erfährt. Auch die soziale Gruppe und die Gesellschaft, in der Menschen leben, bewerten nach den jeweils für sie gültigen moralischen Normen; im juristischen Sinn urteilen Gerichte nach geltendem Recht. In den östlichen Religionen bestimmt das unerbittliche Gesetz des Karma das Rad der Wiedergeburten, und in der Tradition der abrahamitischen Religionen ist es schließlich Gott, der menschliches Handeln abschließend bewertet. Schuld als menschliche Urerfahrung Schuld als soziale Störung Die Geschichte der Religionen und die antike Tragödie zeigen, dass Schuldigwerden eine Urerfahrung des Menschen darstellt, die in den mythologischen Erzählungen aller Völker ihren Ausdruck findet. Menschen gleiten vom Zustand der Unschuld in den Zustand der Schuld, wie es im Alten Testament der Fall aus dem Paradies zeigt, oder die schicksalhafte Macht der Schuld wird zum Verhängnis des Menschen, wie es der Mythos des Ödipus darstellt. Die archaische Sprache, die diesen Übergang mythologisch deutet, enthält in allen Kulturen eine Reihe wiederkehrender Bilder und sie spricht immer vom Schuldigwerden des Menschen, der Normen verletzt, vom Weg abirrt oder sein Ziel verfehlt. Das Problem, wie begangene Schuld wieder aufgehoben werden kann, erweist sich als äußerst komplex. Dazu gab und gibt es die unterschiedlichsten Antworten. Schuld wird vergolten, gerächt, bestraft, gesühnt, gebüßt, entschuldigt, abgetragen, bereut, wiedergutgemacht, erlassen, amnestiert, verziehen oder vergeben. Schuld bezieht sich auf menschliches Handeln und bezeichnet immer ein Verhalten, das fremde Rechtsgüter benachteiligt oder schädigt. Entstehen kann Schuld nur vor dem Hintergrund bestimmter Normen. Im normenfreien Raum gibt es keine Schuld; in der freien Wildbahn herrscht das Naturgesetz von Fressen und Gefressenwerden, wobei naturgegebene Vorgänge wertfrei sind. Im menschlichen Zusammenleben trägt der einzelne Mensch dagegen im Unterschied zum Tier Verantwortung für sein Verhalten. Daraus erwächst eine natürliche Ordnung als Gebot des sittlich Guten und als Verbot des sittlich Schlechten, ein Sittengesetz, das von positiven Gesetzen und menschlichen Konventionen unabhängig ist. Immanuel Kant fand dafür die Formel: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Zum Schuldbegriff gehört ein Zuwiderhandeln gegen das natürliche Sittengesetz, gegen religiöse Gebote oder Verbote, die für bestimmte Bekenntnisse verbindlich sind, oder gegen gesetzte Normen, die für menschliche Lebensgemeinschaften nach allgemeinem oder mehrheitlichem Konsens gelten. Schuldfähig ist der Mensch, wenn er die Freiheit hat, zwischen Alternativen zu wählen und seine 1 0 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G In der modernen Strafgerichtsbarkeit ist genau geregelt, wie der Staat „im Namen des Volkes“ Verstöße gegen Gesetze ahndet. Polizei und Gerichte müssen dem Täter seine Schuld nachweisen, er selbst kann seine Tat abstreiten. Im Strafprozess muss geprüft werden, ob der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Straftat schuldig ist, ob die Tat und ihre Begehung durch den Angeklagten erwiesen ist, ob Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Notwehr vorliegen, ob Umstände zu berücksichtigen sind, die eine Strafe ausschließen, mindern oder erhöhen. Dennoch sind der Schuldbegriff und auch der Strafzweck in der juristischen Wissenschaft sehr umstritten. Die Praxis der Gerichte schwankte in der Vergangenheit zwischen den Theorien der Vergeltung, Prävention und Resozialisierung. Das sind veränderbare, zeitbedingte Konzepte, mit denen die staatliche Justiz versucht, die durch eine Straftat entstandene soziale Störung zu beseitigen. Während die weltlichen Obrigkeiten im Lauf der Geschichte sehr unterschiedlich und oft abhängig von den jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen mit den Begriffen Schuld und Strafe umgingen, waren die Religionen durch all die Jahrhunderte sehr viel beständiger und konsequenter in der Bewertung von Schuld und Sühne. Ihre Intention war vorrangig, ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und übermenschlichen Mächten wiederherzustellen. Zu diesem Zweck finden sich die verschiedensten Formen, bis zur rein mechanischen Leistung, wie etwa dem Drehen der Gebetsmühle in Tibet, durch das automatisch die Vergebung der Sünden gewährt wird. Eine Beichte mit anschließender Waschung oder innerer Reinigung durch Einnahme eines Brechmittels, um damit der Sünden ledig zu werden, kennen viele Völker. Oft wird dem Sünder als Buße auch Blut entnommen, in Mexiko etwa demjenigen, der sich auf sexuellem Gebiet verging. Bekannt sind die babylonischen Bußpsalmen, die den Zustand des sündigen Beters schildern. Der allgemeinen Sündenvergebung dienen besondere öffentliche Bußtage, wie im Judentum der Versöhnungstag (Jom Kippur). Im Islam ist die Buße meist freiwillig, sie umfasst Fasten, Waschungen und gute Werke. In den Religionen des Ostens gibt es eine asketische Bußpraxis zur Schuldbewältigung, vor allem dort, wo klösterliche Traditionen existieren. Auch im Christentum ist Buße die Voraussetzung für die Tilgung von Schuld. Die katholische Kirche kennt ein besonderes Bußsakrament, die Beichte, bei der, aufrichtige Reue vorausgesetzt, der Sünder die Lossprechung durch den Priester erfährt. Nach evangelischer Auffassung ist Buße eine Gesinnung der Umkehr, keine Leistung, auch kein Sakrament, vielmehr Reue über die Sünde und Glaube an Gottes Vergebung. Im Pietismus, Methodismus und in den Erweckungsbewegungen steht die Buße in der Mitte ihrer Auffassung vom Christsein, wenn auch oft psychologisch übersteigert. Schuld als Chance zur Versöhnung Mahatma Gandhi, der Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, entwickelte unter dem Einfluss der altindischen Lehre des Ahimsa (Sanskrit „Gewaltlosigkeit“), der christlichen Bergpredigt und der Ideen Leo Tolstois Formen des gewaltlosen Kampfes und machte auf die unweigerlichen Folgen jeder gewaltsamen Rache aufmerksam. Ihm wird der Satz zugeschrieben: „Auge um Auge – und die ganze Welt wird erblinden“. In archaischen Gesellschaften herrschte die blanke Rache, um erlittenes Unrecht auszugleichen. Rache war zwar immer eine Gewalttat, wurde aber als rechtmäßiges Mittel angesehen, den sozialen Frieden wiederherzustellen. Es kam allerdings vor, dass selbst wegen kleinerer Delikte Menschen erschlagen wurden, was in der Folge eine Gewaltspirale, teils über Generationen, auslöste und in gegenseitige Ausrottung ausartete (Blutrache). Dieser Willkür setzte der Kodex des Königs Hammurapi von Babylon (um 1700 v. Chr.) Grenzen, indem er verfügte, dass grundsätzlich Gleiches nur mit Gleichem vergolten werden sollte („Wie du mir, so ich dir“). Diese altorientalische Rechtstradition ging vollinhaltlich in die jüdische Thora ein. Sie begegnet uns im Alten Testament der Bibel gleich dreimal: 2. Mose 21, 23-25; 3. Mose, 24, 17-21; 5. Mose, 19, 16-21. Es heißt dort: „So sollst du geben Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde.“ Diese Aussage ist babylonischen Ursprungs und nicht spezifisch biblisch; jedenfalls widerspricht der biblische Kontext die- Justizia-Statue ser Auslegung. In den Sprüchen Salomos steht (Spr 24, 29): „Sprich nicht: ‚Wie einer mir tut, so will ich ihm auch tun und einem jeglichen sein Tun vergelten’.“ Nach rabbinischer und historisch-kritischer Auffassung verlangte die Formel „Auge um Auge“ angemessenen Schadenersatz vom Täter, um die im alten Orient verbreitete Blutrache einzudämmen und durch eine Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe abzulösen. Schon vor der Zeitenwende war das Judentum unter dem Einfluss der römischen Rechtstradition (außer bei Mord) von Körperstrafen zugunsten von Geldbußen abgerückt. In der Bergpredigt (Mt 5-7) nimmt Jesus auf diese schon vor seiner Zeit umstrittene Formel Bezug: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn’. Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Solche Antithesen betonen den Kontrast des Rechtsverzichtes zur Vergeltung, was dem damaligen Judentum unbekannt war. Paulus führt diesen Gedanken im Römerbrief fort (Röm 12, 17-21): „Vergeltet niemand Böses mit Bösem … sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Karlheinz Bauer war Stadtoberarchivrat und Leiter des Geislinger Kulturamtes von 1965 bis 1977 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 11 Aus Kirche und Gesellschaft PORTRAIT „Ich mag die Menschen“ Reinhard Wenger, Richter am Amtsgericht Geislingen ANITA GRÖH UND DR. KARL-HEINZ DRESCHER-PFEIFFER Reinhard Wenger, Amtsrichter in Geislingen, hat einen Grundsatz. „Ich spreche das Urteil, das ich guten Herzens vertreten kann“. Bisher habe er kein Urteil gesprochen, das er für falsch halte. „Vielleicht“, so sagt der mit viel Humor gesegnete Richter, „bin ich ein- oder zweimal zu milde gewesen.“ Aber ihm ist auch schon von vorgesetzter Stelle gesagt worden, was von Geislingen komme, habe Hand und Fuß. Ein Richter trägt Verantwortung Reinhard Wenger mag die Menschen und den Umgang mit Menschen. Wichtig ist ihm immer die Lebensgeschichte der vor Gericht Stehenden. In seinen Urteilsbegründungen befasst er sich auch ausführlich mit den Umständen, die zu einer Schuld führen. Früher, so erzählt Reinhard Wenger, habe er sich nicht zugetraut, die Verantwortung als Richter zu übernehmen. Als tiefgläubiger Mensch habe er aber Hilfe. Vor großen Prozessen bete er, dass Gott ihm die Kraft gebe, zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Vom Staatsanwalt zum Richter Reinhard Wenger ist 1950 in Stuttgart geboren und hat 1969 am Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Zuffenhausen das Abitur gemacht. Von 1969 bis 1971 war er bei der Bundeswehr in Dornstadt. Anschließend bis zu seinem Ausscheiden 2005 war er Reserveoffizier in verschiedenen Einheiten, zuletzt im Stab II. Korps in Ulm als Oberstleutnant der Reserve. An der Universität Tübingen studierte Wenger von 1971 bis 1976 Rechtswissenschaft. Anschließend kam er dann zum Landgericht Ulm und war ab 1979 Staatsanwalt. Neben Jugendsachen war er zuständig für Gewalt in der Familie, Sexualdelikte, Wehrstraf-, Waffen- und Sprengstoffsachen, Zivildienstsachen. Er war auch Staatsanwalt im Stadion für den SSV Ulm, zuständig für Fußball und Hooligans. „Bei jedem Bundesligaspiel ist ein Staatsanwalt im Büro der Polizei“, erzählt Reinhard Wenger. Wichtig sei dabei, die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen und als Staatsanwalt zu beobachten und zu begleiten. Das alles wurde dann irgendwann zu viel. Gesundheitliche Probleme traten auf. Es war Gottes Fingerzeig, erinnert sich der Jurist, der ihm den Wechsel nach Geislingen ermöglicht habe. Seit Mai 2002 ist er in Geislingen als Schöffen-, Jugend- und Strafrichter tätig. Ein Richter, der durch seine 22-jährige Tätigkeit als Staatsanwalt bestens weiß, wie es am Tatort aussieht. Gnade ist uns geschenkt Was versteht ein Richter unter Schuld? Reinhard Wenger differenziert. Als Strafrichter muss er mit Schuld umgehen. Das Strafgesetzbuch ist die Grundlage. Es gibt die Möglichkeit zwischen Freiheitsstrafe mit oder ohne Bewährung und Geldstrafe. Es sei im Strafrecht so, dass die Verurteilten die Verlierer wären, die andern triumphierten. Als Jugendrichter ist bei ihm der Erziehungsgedanke im 1 2 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Vordergrund. Er frage sich immer, was erzieherisch wichtig sei. Das Jugendrecht habe eine große Variationsbreite mit flexiblen Maßgaben wie Weisungen und Auflagen. „Ich versuche, das Gesetz so auszuführen, wie es in mir drin anwendbar ist“. Oft frage er sich, ob man auf alles knallhart reagieren müsse. Hier spielt auch sein Glaube eine Rolle. Der Richter: „Wir haben kein Anrecht auf Gnade, sondern sie ist uns geschenkt.“ Eine Bibelstelle aus dem Brief des Paulus an die Epheser ist ihm wichtig: „Denn aus Gnade allein seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.“ (Eph. 2, 8) Jugend und Gewalt Dass es in den letzten zwei oder drei Jahren wesentlich mehr Straftaten im Jugendbereich gegeben hat, bestätigt uns Richter Wenger. Schlägereien hätten zugenommen, vor allem auch auf den Schulhöfen. Und die Schulleitungen würden kompromisslos Anzeige erstatten. „Den Jugendbanden haben wir die Zähne gezeigt und haben uns nicht vorführen lassen“, erzählt der Amtsrichter. Die örtliche Polizei und die Bereitschaftspolizei sollen bei den Verhandlungen für Ruhe sorgen. Jugendbanden wären weniger aktiv seither. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist sehr gut, bestätigt der Richter, obwohl, schmunzelt er „Ich habe auch schon Polizisten verurteilen müssen.“ Persönlich bedroht war er in seiner Zeit als Geislinger Amtsrichter noch nie, jedoch kennt er Bedrohungen aus seiner Staatsanwaltszeit. Wenger privat Was tut Amtsrichter Wenger als Privatmensch? Wichtig ist ihm seine Familie. Er ist seit über 32 Jahren mit einer Pastorentochter verheiratet, die als Erzieherin arbeitet. Zwei erwachsene Kinder sind außer Haus. Was ist sein Hobby? Reinhard Wengers Augen leuchten: „Ich singe“. Er war als Jugendlicher acht Jahre lang Mitglied im Kaffeetassen auf Stuttgarter Hymnuschor und singt jetzt in der dem Schreibtisch Kantorei in Ulm. Lange Jahre hat er auch den des Amtsrichters Chor der evangelisch-methodistischen Zionsgemeinde in Ulm geleitet. Mit viel Begeisterung und Fachwissen berichtet er von den Werken von Bach, Rossini und Mendelssohn, die in der Ulmer Kantorei momentan einstudiert werden: „Mendelssohn kannte die Werke Bachs am besten“, so seine Überzeugung. Wenn er es heute nochmals entscheiden könnte, würde er wieder Jura studieren? Das Ja kommt ohne Zögern. Nicht umsonst sei in der Geislinger Zeitung über ihn gestanden: Mit Leib und Seele Geislinger Amtsrichter. Das Gespräch führten Anita Gröh und Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer Schuld und Erinnerung – Richtiges Zeugnis reden am Beispiel der „Lokalen Geographie der Schuld“ MARTIN BAUCH Wenn sich heute Neonazis mit sogenannten „Mahnwachen“ in Fußgängerzonen stellen, wie jüngst in Geislingen, und das angesichts der vielen Toten und Opfer des Nationalsozialismus, die uns aus dem Filstal bekannt sind, so müssen wir durch Erinnerung den rechtsextremen Ideologien entgegentreten. Es gibt in ganz Deutschland, auch in unmittelbarer Nähe hier im Filstal, Zeugnisse, die die Verbrechen der Nazis sichtbar machen und die wir nicht vergessen dürfen. Die Nazis haben in einer tödlichen Logik Menschen stigmatisiert und isoliert. Neonazis wiederholen, was damals geschah: sie isolieren und werten Menschen als minderwertig ab. Mit Grauen haben wir erlebt, dass bis heute immer wieder MitbürgerInnen von rechten Terroristen kaltblütig ermordet werden, nur weil sie einer anderen Rasse, Religion oder Nation angehören. Mahnmale und Stolpersteine sind Merkzeichen der Schuld Der „Geschundene Kopf“ auf dem Friedhof Heiligenäcker in Geislingen, in Süßen eine Szene auf dem Marktbrunnen, ein Mahnmal auf dem Friedhof und Stolpersteine, sind Merkzeichen, die uns mahnen, heute nicht wieder schuldig zu werden. Sie stellen eine „lokale Geographie der Schuld“ dar. Hier im Filstal lässt sich rekonstruieren, wie Juden ins KZ deportiert wurden – aus Göppingen und Süßen. Es lässt sich nachvollziehen, wie Zwangsarbeiter lebten, arbeiteten und starben. Man kann wissen, dass jüdische Frauen hier bei uns in Geislingen im Außenlager des KZ Natzweiler im Elsass untergebracht waren. Darunter befanden sich auch Kinder von zwölf Jahren, die älter gemacht wurden, um bei der Selektion in Auschwitz als arbeitsfähig eingestuft zu werden. Wir wissen, dass Kranke in mindestens zwei Transporte aus dem KZ-Außenlager in den Tod geschickt wurden. Zwölf Häftlinge des Geislinger KZ-Außenlagers starben, das ist bekannt. Den Häftlingen wurden die Haare abgeschnitten, sie wurden in Häftlingskleidung gesteckt, an den Füßen trugen sie Holzpantinen. Die einfachsten Formen der Körperpflege wurden ihnen verweigert, die Verpflegung war erbärmlich. Die Menschen wurden durch Kennzeichnung entwürdigt: Juden trugen den Judenstern, O stand für Ostarbeiter, P für Polen. So wurden sie entmenschlicht und in „Schubladen“ eingeteilt. Damit sollte es der einheimischen Bevölkerung schwerer gemacht werden, in ihnen den Nächsten zu sehen, der unsere Solidarität und unser Mitgefühl braucht. Das Naziregime hat uns gelehrt, wozu der Mensch fähig ist, wenn er im Anderen nicht mehr den Mitmenschen, sondern den Untermenschen sieht. Das Erinnern muss uns dazu dienen, die Demokratie zu gestalten und die Menschenwürde zu verteidigen, sonst machen wir uns erneut schuldig. Wir müssen der Opfer gedenken und Ursachen für die Verbrechen benennen. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die Lehren aus der Geschichte gezogen und als einen alle Parteien übergreifenden Konsens im Grundgesetz festgelegt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Erinnerung an das Geschehene Auch Schweigen kann ein „falsches Zeugnis wider den Nächsten“ (8. Gebot) werden. Es beginnt auch heute in vielen Ländern der Welt immer wieder mit der Diffamierung von Menschen und in der Folge mit der Außerkraftsetzung von Freiheit, Grundrechten, der Würde jedes Menschen, der Rechtstaatlichkeit und der Presseund Meinungsfreiheit. Wir verurteilen dies, wenn es um andere Länder geht, aber wir haben Berührungsängste, wenn es um die Schauplätze bei uns zuhause geht. In den Archiven der Kommunen befinden sich Zeugnisse aus der Zeit des Dritten Reiches. Für Geislingen kann in einem Heft von „Geschichte regional“ (1982) durch die Arbeiten von Annette Schäfer (1988) und von Renate Kümmel (1993) das Geschehene nachvollzogen werden. In der offiziellen Geschichtsschreibung der Stadt Geislingen sind sie lange ausgespart worden. Im Jahre 1995 wurde – 50 Jahre nach Kriegende und nach der Auflösung des KZ-Außenlagers – in verschiedenen Veranstaltungen und mit einem Friedensmarsch der Geislinger Schüler diese Zeit erneut aufgearbeitet. Denkmal „Geschundener Kopf“, Heiligenäcker Geislingen E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 1 3 Aus Kirche und Gesellschaft Zur Erinnerung: über 2000 Zwangsarbeiter bzw. Kriegsgefangenen aus 19 Nationen waren 1943 in mindestens zehn Lagern in Geislingen untergebracht, eine Zahl, die 10 % der Einwohnerschaft entsprach. Es ist bekannt, dass mindestens 24 polnische und 41 russische Menschen in dieser Zeit begraben wurden. Von ihren Gräbern gibt es keine Spur. Wir wissen von zwölf verstorbenen sowjetischen Kindern, von einem französischen und einem jugoslawischen Kind. Wir wissen von zwölf toten jüdischen Frauen aus dem KZ-Außenlager und es ist bekannt, dass kranke jüdische Frauen aus diesem Lager in den Tod geschickt wurden. Am 28. Juli 1944 trafen die ersten etwa 700 jüdischen Frauen aus Ungarn ein, die bei der Selektion in Auschwitz als „arbeitsfähig“ eingestuft worden waren. Sie mussten zerlumpt, abgemagert und kahlgeschoren vom Bahnhof ins KZ-Außenlager in der Heidenheimer Straße/RobertBosch-Straße laufen, später sind sie täglich zur Arbeit durch die Straßen Geislingens zur WMF geleitet worden. lien sind nicht bekannt. Auf Wunsch der Israelitischen Kultusvereinigung Stuttgart wurden sie am 22. Juni 1946 ausgegraben und auf den Jüdischen Friedhof in Göppingen überführt. Wir vermuten auch, dass diese Liste nicht vollständig ist. Der totale Krieg ab 1943 verlangte die totale Kriegswirtschaft und das Mitwirken aller Industriebereiche. Die Facharbeiter, die an der Front waren, wurden ersetzt durch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, die zu bedingungslosem Arbeitseinsatz gezwungen wurden. Als die Front näher kam, wenige Tage bevor sie hätten befreit werden können, wurde von der Firmenleitung der WMF kein Wert mehr auf der Beschäftigung der Insassen des KZ-Außenlagers gelegt, sie waren überflüssig, ja bedrohlich, man wollte sie loswerden. Deshalb wurden sie zur Vernichtung freigegeben und sollten nach Dachau geschickt werden. Der Transport wurde zum Glück vor Allach, einem Außenlager von Dachau, von den Alliierten gestoppt, und die Häftlinge wurden befreit. Im Oktober 1944 trafen sechs „politische“ und zehn „asoziale“ Häftlinge aus Ravensbrück ein. Am 29. November ein weiterer Transport mit 130 Häftlingen, am 28. März 1945 ein letzter mit etwa 230 Frauen. In der Zeit vom 1. Dezember 1944 bis 4. April 1945 wurden acht Tote außerhalb der Friedhofsmauer verscharrt, nähere Persona- Mahnmal im Alltag 1 4 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Es stünde der Kirche und der Kommune gut an, an einem zentralen Ort, an dem man auch im Alltag vorbeikommt, auf diese Opfer hinzuweisen. Die eindrucksvolle Skulptur „Geschundener Kopf“ gehört nicht auf den Friedhof Heiligenäcker, denn dort ist sie kein Stolperstein im Alltag als Mahnung. Außerdem wurde den Toten damals ein Platz auf dem Friedhof verweigert. Eigentlich gehörte die Skulptur vor die WMF, in die Fußgängerzone, auf einen Schulhof oder den Kirchplatz. Nur wenn die Liste der Opfer uns erschüttert, wenn wir ihnen als Menschen begegnen, wird sie uns anhalten, richtiges Zeugnis zu reden. Als Christen müssen wir immer beherzigen, dass die Würde des Menschen darin begründet ist, dass Gott „den Menschen nach seinem Bilde“ (1. Mose 1) schuf, und dass damit allen Menschen die gleiche Würde zusteht. In Bezug auf alle Menschen gilt: „Du sollst nicht töten“ (5. Gebot). Töten beginnt mit sozialer Ausgrenzung, Diffamierung und Stigmatisierung und entfaltet dadurch seine Logik. Wir haben aufmerksam zu bleiben. Martin Bauch Oberbürgermeister a.D. Quellen: Materialien zu den Veranstaltungen 1983 in Süßen und 1995 in Geislingen. DIE STUTTGARTER SCHULDERKLÄRUNG Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland begrüßt bei seiner Sitzung am 18. und 19. Oktober 1945 in Stuttgart Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wir sind für diesen Besuch um so dankbarer, als wir uns mit unserem Volk nicht nur in einer großen Gemeinschaft der Leiden wissen, sondern auch in einer Solidarität der Schuld. Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Länder und Völker gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. Stuttgart, den 19. Oktober 1945 Landesbischof D. Wurm Landesbischof D. Meiser Bischof D. Dr. Dibelius Superintendent Hahn Pastor Asmussen D. D. Pastor Niemöller D. D. Landesoberkirchenrat Dr. Lilje Superintendent Held Pastor Lic. Niesel Dr. Dr. Heinemann E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 1 5 Aus Kirche und Gesellschaft Mission und Schuld KLAUS RIETH Mission und Schuld, beide sind seit es Mission gibt, oft eine unheilige Allianz eingegangen. Zu erinnern ist da etwa an die Missionierung oder müsste man nicht besser sagen: Unterwerfung und Eroberung, Lateinamerikas. An die unsäglichen und unzählbaren Grausamkeiten, die mit dem Evangelium nichts, aber auch gar nichts zu tun hatten. Hier haben wir uns als Kirchen im Norden schuldig gemacht und können unsere Schwestern und Brüder in diesen Ländern nur demütig um Entschuldigung und Vergebung bitten. Gehet hin in alle Welt … Zu erinnern ist auch bis heute an brutale Missionsversuche weltweit, wenn es darum geht, eine andere Religion zu übertreffen oder den eigenen Standortvorteil auszunutzen. Mission auf Bezahlung nennt man das oder mit Sachmitteln wie etwa Bestechung mit kostenlosem Schulbesuch für die Kinder. All das ist verwerflich und kann nicht im Sinne dessen sein, der gesagt hat: „Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker!“ Um diesen schuldbeladenen Missionsstrategien der Vergangenheit und leider auch manchmal der Gegenwart einen Riegel vorzuschieben, haben katholische, evangelische, orthodoxe und evangelikale Kirchen eine Erklärung unterschrieben, in dem sie auf zwangsweise Mission mit unlauteren Mittel freiwillig verzichten. Dies ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen. Etwa in der Frage des Bibelverständnisses. Das Verständnis der Bibel Es waren deutsche Missionare, die vor mehr als hundert Jahren nach Afrika gegangen sind, um die Menschen zum christlichen Glauben zu bekehren. Sie brachten den „Ungläubigen“ dort bei, dass die Bibel Grund und Basis allen Glaubens, und dass sie wörtlich zu verstehen sei. Dieses wörtliche Bibelverständnis herrscht bis heute in vielen afrikanischen Kirchen vor. Als ob es keine Weiterentwicklung der theologischen Forschung gegeben hätte. Und nun haben wir die bizarre Situation, etwa in Fragen der Homosexualität, dass viele afrikanische Kirchen hier eine extrem fundamentalistische Haltung einnehmen und wir im Norden sagen, dass diese Fragen aus dem Kontext heraus zu verstehen und zu lösen seien. Haben wir es hier versäumt, theologische Forschungsergebnisse weiterzuvermitteln, haben wir bewusst unsere Schwestern und Brüder im Süden im Unklaren gelassen? Haben wir so Schuld auf uns geladen? Heute sprechen wir von kontextueller und von interkultureller Mission. Das heißt, man nimmt den, der die frohe Botschaft von Jesu hören soll, ernst in seiner Kultur, seinen Lebensumständen, seiner Sprache und seinen Möglichkeiten. 1 6 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Mission im eigenen Land Noch ein letztes: Vielleicht machen wir uns gegenwärtig auch schuldig, wenn wir nicht genug missionieren im eigenen Land. Wenn wir suchenden Menschen die frohe Botschaft von der Sündenvergebung vorenthalten. Wenn wir nicht fröhlicher glauben und bekennen, was uns geholfen hat. Wenn wir uns hinter Strukturveränderungen und Sparplänen verstecken anstatt dem Heiligen Geist Wirkungsmöglichkeiten zu gewähren. Kirchenrat Klaus Rieth ist zuständig für Mission, Ökumene und Entwicklung in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Schuld und Schuldgefühle HEINZ GRÖTZINGER Ich schreibe meine sehr persönlichen Zeilen auf dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen. Mit Schrecken erinnere ich mich noch an eine Zeit, da ich von Schuldgefühlen geplagt wurde. In dieser Zeit hatte ich einen strengen, unnachsichtigen Gott. Dieser Gott war bereit, mich schon wegen Kleinigkeiten, etwa wegen meines falschen Glaubens, zu bestrafen. Natürlich war es nicht der reale Gott, sondern mein Gottesbild, meine eigene Vorstellung, die ich von ihm hatte. In meinem Erleben war das jedoch dasselbe. Psychologen empfahlen mir, mich von meinen Schuldgefühlen zu befreien. Schon der Gedanke daran erzeugte bei mir zusätzliche Schuldgefühle. Es kam mir so vor, als würde ich allem Negativen Tür und Tor öffnen, wenn ich keine Schuldgefühle hätte. Ich denke heute, dass diese Einstellung das Ergebnis meiner christlichen Erziehung, aber auch der christlichen Verkündigung in Religionsunterricht und Predigt war. „Wir sollen Gott fürchten und lieben“ – Ist das überhaupt möglich? Können wir etwas lieben, das wir fürchten? Und wenn wir etwas lieben, werden wir das fürchten? Zu häufig, denke ich, wird in Erziehung und Verkündigung mit Drohung, Strafe und auch Moral oder, wenn man letzteres vornehmer ausdrücken will, mit Ethik gearbeitet. Man sollte ganz darauf verzichten. Das Gottesbild verwandeln Es war ein sehr langer Prozess der inneren Arbeit bis sich nach vielen Jahren mein Gottesbild von einem strafenden in einen liebevollen, unterstützenden Gott verwandelte. Und ich wünschte mir, dass dieser Prozess auch in unserer Kultur vollzogen werden könnte. Jeder, der sich mit einigermaßen offenen Augen in unserer Kultur umsieht, kann leicht erkennen, welch unselige Wirkung gerade die Schuldgefühle auf jeden einzelnen, aber auch auf unsere Kultur insgesamt haben. Ich will das an einem allfälligen Beispiel illustrieren: Ich habe bislang noch kein Ehepaar erlebt, das einen tiefen Konflikt hatte oder gar in Scheidung lebte, bei dem jeder der Partner die gleiche Geschichte berichtete. Jeder erzählte eine Story, nach der jeweils der andere die gesamte Schuld an diesem Konflikt hatte. Die Geschichte des einen hatte mit der Geschichte des anderen überhaupt nichts zu tun. Warum ist das so? Warum sagen sie nicht einfach: „Unsere Interessen sind verschieden, wir haben gemeinsam beschlossen, uns zu trennen“? Warum muss die Schuld auf den jeweils anderen Partner abgeschoben werden? Warum muss es überhaupt einen Schuldigen geben? Ist das nicht so, weil jeder den Konflikt unter einem moralischen Gesichtspunkt betrachtet? „Es darf nicht sein, dass wir uns trennen. Und wenn wir uns schon trennen, dann bin ich jedenfalls nicht der Schuldige!“ Schuldgefühle führen zur Weigerung, die Wahrheit anzuschauen, wie sie ist. Wer die Wahrheit nicht anschaut, kann nichts daraus lernen. Er kann sich nicht verändern und wird in der nächsten Beziehung wieder die gleichen Probleme haben! „Die Wahrheit wird euch freimachen.“ Ist es nicht so? Schuldgefühle und Angst vor Strafe machen die Menschen nicht besser, im Gegenteil, sie konservieren die vorhandene Einstellung und die daraus resultierenden Probleme. Moralisieren und Verurteilen Schauen wir uns in unserer Gesellschaft um, wenn irgendwo was passiert, suchen wir sofort nach einem Schuldigen, auf den wir mit Fingern zeigen können. Dann fühlen wir uns gut. Das ist genau das Gegenteil der Verkündigung Jesu. Er hat nie jemanden verurteilt, nie moralisiert. Umso häufiger geschieht das bei uns. Moralisieren und Verurteilen sind die Kehrseite der Schuldgefühle! Ermutigt uns nicht Paulus, zu uns zu stehen, zu dem, was wir tatsächlich sind? „Wir sind allzumal Sünder …“ Es scheint noch ein weiter Weg zu sein, bis wir tatsächlich und ganz konkret im Einzelfall zu dem stehen können, was wir sind. Solche Aussagen verschieben wir allzu gerne in den Andachtsraum, um sie aus unserem konkreten Leben fernzuhalten! Schuld ohne Selbstverurteilung und ohne Ausreden Jedoch: „Wenn keine Schuldgefühle mehr da sind, ist es dann nicht so, dass du unmoralisch handelst, deinen egoistischen Wünschen auf Kosten der anderen Menschen folgst? Ist nicht Schuld eine reale menschliche Erfahrung?“ Ja natürlich, Schuld ist eine reale Erfahrung, die uns allen bekannt ist. Allerdings können zu schnelle Selbstvorwürfe und Schuldgefühle meinen Blick trüben und so verhindern, dass ich zu meiner wirklichen Schuld auch tatsächlich stehen und sie anerkennen kann. Andernfalls werde ich zehntausend Ausreden erfinden. Allzu schnell sind wir bereit, uns freizusprechen von jeglicher Schuld und sie anderen zuzuschieben. Wenn ich mich nüchtern und ohne Selbstverurteilung anschaue, dann werde ich erkennen, dass ich etwas getan habe, was nicht meinem Selbst entspricht. Dass ich mich nicht meinem Selbstbild gemäß verhalten habe. Das ist kein angenehmes Gefühl. Denn ich muss erkennen, dass ich nicht so bin, wie ich gerne sein möchte. Das ehrlich wahrzunehmen, dazu zu stehen, hilft mir, mich in Zukunft zu korrigieren. Das ist keine einmalige Entscheidung, sondern lebenslange Aufgabe. Es ist ein lohnenswertes Unterfangen, dessen Ziel die eigene persönliche Transformation ist. Es gilt hinzuschauen und mich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen. Dann kann ich Wege finden, meine Schuld abzutragen. Wenn ich das, was ich jemand schuldig geblieben bin, wieder in Ordnung bringen kann, dann stärkt das mein Selbstgefühl. Wenn ich es nicht mehr in Ordnung bringen kann, kann ich es getrost dem überlassen, der mehr kann und weiß. Mit Schuldgefühlen kann ich keine Wirklichkeit verändern! Ich kann mir nur selbst das Leben verbittern. Kein liebevoller Gott verlangt das von uns! Heinz Grötzinger war beim Diakonischen Werk Württemberg tätig E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 1 7 Aus Kirche und Gesellschaft Für unsere Schuld gestorben? Ein theologischer Zwischenruf KLAUS HOOF „Ach, das hat unsre Schuld und Missetat verschuldet“, dichtete Adam Thebesius 1652 in seinem Passionslied „Du großer Schmerzensmann, vom Vater so geschlagen“ (EG 87). Ist es so? Erfahrungen Weinend kommt die siebenjährige Laura aus der Schule nach Hause. Die Mutter nimmt sie in den Arm: „Was ist denn passiert? Hast Du ein schlechtes Diktat geschrieben?“ „Nein,“schluchzt die Kleine, „ich bin schuld, dass Jesus ans Kreuz geschlagen worden ist.“ – „Aber Kind, wer sagt denn so was?“ – „Unser Lehrer hat uns das vorhin in Reli gesagt.“ – „Aber das hat er bestimmt nicht so gemeint!“ – „Doch, das hat er gesagt. Wir sind daran schuld, weil wir so böse Gedanken haben, weil wir lügen, weil wir uns streiten und schlimme Wörter hinter anderen her rufen.“ Krankenbesuch in der Helfenstein Klinik. Mit Blick auf das Kruzifix, das auf dem Nachttisch seines Zimmergenossen steht, sagt mir der Patient: „Wissen Sie, Herr Pfarrer, so ein blutrünstiger Gott kann mir gestohlen bleiben. Was ist das denn für ein Gott, der seinen Sohn ans Messer liefert, damit er und sein gekränkter Gerechtigkeitssinn zufriedengestellt werden?! Solche Väter haben schon immer ihren Söhnen entweder das Genick gebrochen oder ihre Seelen mit Hass vergiftet.“ Und er fügt hinzu: „Ich weiß, wovon ich rede.“ Sühnopfertheologie „Du großer Schmerzensmann, vom Vater so geschlagen“? Hinter dieser Auffassung steht die „Sühnopfertheologie“ des im Jahr 1109 verstorbenen Theologen Anselm von Canterbury. Er war der Meinung, dass Gott Mensch werden musste, um die durch die Erbsünde gefallene Menschheit wieder mit sich zu versöhnen. Sünde muss gesühnt werden, meinte er, und auf diese Sühne kann Gott um der Gerechtigkeit willen nicht verzichten. Der Mensch allerdings kann seine Schuld nicht aus eigener Kraft sühnen. Aber Gott hat den Menschen aus Liebe geschaffen und liebt ihn weiter. Deshalb musste Gott selbst in Gestalt seines Sohnes Jesus Mensch werden und die nötige Sühne durch sein vergossenes Opferblut erbringen. Diese Denkweise ist tief in die Tradition der Kirche eingedrungen. Paul Gerhardt hat ihr in seinem ergreifenden Lied „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder“ (EG 83) ein dichterisches Denkmal gesetzt. Nichtsdestoweniger gilt es aber festzuhalten, dass diese Interpretation auf zeitbedingten mittelalterlichen Vorstellungen fußt, die Gott als Feudalherren versteht, der juristische Ansprüche an seine Untertanen hat, denen Genugtuung zu leisten ist. Ich halte sie nicht für biblisch. Wie kann man den Kreuzestod Jesu verstehen? Der Kreuzestod Jesu war für das kleine Häuflein der Jesusanhänger ein Schock. Wie konnten sie verstehen, was doch nicht zu verstehen war? Ist es verwunderlich, dass sie in ihrer Verstehensnot mit Bildern aus ihrer Zeit und Tradition versuchten, das Ungeheuerliche zu deuten? Drei Beispiele von vielen: • Da war im Buch des Propheten Jesaja von dem leidenden Gottesknecht die Rede, der 600 Jahre vor Jesus gelitten hatte: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes. 53). War es Jesus nicht geradeso ergangen? War dieser leidende Gottesknecht nicht das Urbild für Jesu Schicksal? • In der damaligen Sklavenhaltergesellschaft geschah es je und dann, dass jemand auf dem Sklavenmarkt einen Sklaven „loskaufte“ und ihn frei gab. War das nicht ein treffendes Bild dafür, dass Jesus Menschen aus der Gewalt böser Mächte loskauft und zum Leben befreit? • Die ersten Jesusnachfolger waren mit dem Jerusalemer Opferkult vertraut. Ein Lamm wurde z.B. geschlachtet und geopfert, damit der das Opfer darbringende Mensch von seiner Schuld entlastet und Gott besänftigt wird. Um seinen ehemals jüdischen Lesern zu erklären, was am Kreuz geschehen ist, deutet Matthäus den Tod Jesu mit dem damaligen jüdischen Opferverständnis. Er überliefert z.B. die Einsetzungsworte des Abendmahls so: „Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden“. Es fällt auf, dass die Passage „… das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden“ sowohl bei Paulus (1. Kor.11, 23-26) als auch bei Markus und Lukas fehlt. Für sie ist das Abendmahl eher ein Gemeinschafts- und Erinnerungsmahl an Jesu Leben und Tod („das tut zu meinem Gedächtnis“). Das Johannesevangelium überliefert keine Erzählung von einem Mahl, das Jesu Tod deutet. Die Sühneopferdeutung des Todes Jesu fehlt in ihm. Chorgestühl Maulbronn Opfer Kain und Abel Fresko Geiselkammer Maulbronn 1 8 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Abschied von Deutungen, die Glauben hindern Und was sagen wir nun der weinenden Laura und dem Patienten in seinem Krankenbett, der mit einem BrutaloGott längst abgeschlossen hat? Es ist höchste Zeit, dass wir den Mut aufbringen, uns als Kirche von zeitgebundenen Deutungen zu verabschieden, die dem Glauben an einen liebenden Gott heute im Wege stehen. Wir sollten uns auf die Suche nach Bildern und Deutungen machen, die uns und unseren Zeitgenossen helfen, den Tod Jesu am Kreuz zu verstehen. Das Gottesbild Jesu – Schlüssel für das Verstehen des Kreuzes Es gilt neu auf das Leben und Reden Jesu zu sehen. Wenn wir darauf achten, wie er von und mit Gott geredet hat, stellen wir unschwer fest, dass zwischen einem Genugtuung fordernden Vater-Gott und dem Gott, den Jesus in der liebevoll-vertrauten, aramäisch-umgangssprachlichen Form als „Abba“ (im Deutschen am ehesten mit „Papa“ wiederzugeben) anspricht, unüberbrückbare Abgründe klaffen. Jesus selbst spricht Gott an – und er lädt seine Jünger ebenso dazu ein – mit einem „Urwort des Vertrauens, mit einem der beiden ersten Worte, die der Mensch sagen lernt, wenn er sich der bergenden, liebenden Gegenwart von Mutter und Vater bewusst wird“ (Körner, S. 70). Von einem solchen Gott zu hören, zu erleben, wie dieser Gott der Liebe in den Begegnungen Jesu mit den Menschen erfahrbar wurde, das war für viele eine Befreiung. Sie spürten, wie da ein neuer Geist in ihr Leben und in die Welt gekommen war. Sie erfuhren Heilung von ihren Ängsten, Erlösung aus knechtenden, religiösen Strukturen, Befreiung von einem strafenden Richtergott. Für andere wurde Jesus durch seine Art von Gott zu reden und dementsprechend zu handeln zum Ketzer. Die einflussreichen Berufsstände, die von und für den Tempelkult lebten, spürten die Gefahr für die althergebrachte Gottesverehrung im Opferkult und für ihre Macht. Für sie war klar: „Es ist besser, dass ein Mensch stirbt, als dass das ganze Volk verderbe“ (Joh. 11,49). Das hat Jesus ans Kreuz gebracht und nicht ein Sühne verlangender GottVater oder gar ein Schulkind, das einem anderen ein Schimpfwort hinterherruft! Das Kreuz – Gott bei den Leidenden Der drohende Tod und sein Sterben haben Jesus nicht von seinem Vertrauen in die Liebe seines „Abba“ abgebracht. Am Kreuz hängend betet er mit Blick auf seine Henker: „Abba, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun“. Und er stirbt mit den Worten: „Abba, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Und so ist er den Leidenden und Sterbenden aller Zeiten nahe gekommen. Wer über dieses Thema weiterdiskutieren möchte, kann bei dieser Veranstaltung mit der Kirchenbezirkszeitung ins Gespräch kommen: N O T W E N D I G E S O P F E R ?! Theologischer Salon mit Klaus Hoof und Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer Ein offenes Gespräch über die Bedeutung, die wir persönlich dem Kreuztod Jesu geben. Moderation: Günther Alius, Bildungsreferent Mittwoch, 17. Oktober 2012, 19.30 Uhr Haus der Begegnung, Bahnhofstraße 75, Geislingen Sein Tod am Kreuz zeigt: Gott ist auch im Leiden und Sterben bei uns. „Er wird zum Vorausgänger für die, die ‚ihm durch viele Drangsale nachfolgen‘ (Apg. 14,22)“ (Zink, S. 321). Darin vor allem liegt die Bedeutung seines Todes. Er „leistet nicht irgendeine Sühne, er geht vielmehr vor uns her und macht uns den Weg frei“ (Zink, ebd.). Unsere Schuld – durchschaut und „durchliebt“ Jesus hat schon in seinem Erdenleben Menschen vollmächtig Vergebung zugesprochen! Was könnte sein Tod darüber hinaus noch mehr bewirken?! „Wer Gott um Vergebung bittet, wird sie bekommen und kann sie weitergeben an andere. Für diese Botschaft hat Jesus gelebt und sich umbringen lassen“ (Jörns, S. 23). Er hat „jeden einzelnen Menschen so angeschaut, dass er sich nicht nur ganz und gar durchschaut, sondern – wenn dieser Ausdruck erlaubt ist – auch ganz und gar Ikone aus Zypern ‚durchliebt‘ wusste“ (Menke, S. 102). Lukas erzählt, was Petrus durch dieses Anschauen erlebt. Im Palast des Hohenpriesters hat er den gefangenen Jesus dreimal verleugnet. „Und der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich“ (Luk. 22, 61.62) – durchschaut und durchliebt. Ganz ähnlich erging es einer Frau unserer Tage. Sie erzählt: „Wenn ich mit Gott redete, hatte ich immer das unangenehme Gefühl, er wolle, dass ich ihm in die Augen sah. Doch ich sah immer weg, denn ich hatte Angst, dort einen Vorwurf zu finden wegen irgendeiner noch nicht bereuten Sünde. Ich dachte, irgendetwas wollte er wohl von mir. Eines Tages fasste ich Mut und blickte ihn an! Da war kein Vorwurf. Da war keine Forderung. Die Augen sagten nur: Ich liebe Dich. Ich blickte lange in diese Augen, forschend blickte ich in sie hinein. Doch die einzige Botschaft lautete: Ich liebe dich. Und ich ging hinaus und wie Petrus weinte ich“(Körner, S. 193). Solche Erfahrungen mit einem liebenden Gott zu erzählen, das brauchen wir heute! Klaus Hoof ist Pfarrer. Bis zu seiner Pensionierung war er Klinikpfarrer an der Helfenstein-Klinik Geislingen Zitierte Literatur: Reinhard Körner, Das Vater unser, Leipzig 2009 Karl-Heinz Menke, Handelt Gott, wenn ich ihn bitte? Regensburg 2000 Klaus-Peter Jörns; Abschied vom Sühneopfer, in: Für uns gestorben, Themenheft des Evang. Gemeindeblattes für Württemberg Jörg Zink, Jesus, Stuttgart 2008 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 1 9 Aus Kirche und Gesellschaft Fromm aber nicht hetero Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut (Gen. 1, 31) STÉPHANE SCHMID Sonntagnachmittag in Stuttgart. In einer Kirche treffen sich Männer und Frauen verschiedenen Alters zum Hauskreis. Es werden Kirchenlieder und neueres Liedgut gesungen, es wird gebetet, einer Andacht wird zugehört, Gespräche werden geführt und zur Nachmittagszeit gebührend Kaffee und Kuchen verzehrt. Evangelikales Idyll in der modernen Schwabenmetropole – bisher nichts Ungewöhnliches. Doch die Christen, die hier über Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam Hauskreis feiern, stellen einige überkommene Weltbilder in Frage: Sie sind «fromm aber nicht hetero», wie sie es selbst bezeichnen, in anderen Worten: evangelikal/pietistisch geprägt und homosexuell. Eigentlich geht das nicht Man kann nicht fromm und schwul sein. Man kann sich nicht als Kind Gottes ausgeben und gleichzeitig gegen seine Gebote (vgl. Lev. 18, 22), und noch schlimmer gegen die Schöpfungsordnung verstoßen. Das war meine Überzeugung als junger Christ. In diesem Dilemma befand ich mich mit Anfang 20. Bisher behütet aufgewachsen in einem kleinen württembergischen Dörfchen im Schwarzwald, christliches, intaktes Elternhaus und fest im Pietismus durch Kinderstunde, Jungschar, «d’Schtond» etc. verankert. Homosexualität gab es in dieser Wirklichkeit nicht, wenn dann nur im Fernsehen à la Dirk Bach und Konsorten. In diese heile Welt brach dann aber die Erfahrung, dass ich mich von einem Freund in einer Weise angezogen empfand, wie ich es bisher noch nicht kannte. Später stellte sich dann die Erkenntnis ein, dass ich homosexuelle Empfindungen ihm gegenüber hegte. Überzeugt von der Unvereinbarkeit meines Glaubens und der Homosexualität, vertraute ich darauf, dass Gott «diesen Kelch» an mir vorübergehen lassen würde. Nur eine Phase, eine Prüfung des Glaubens. Ein paar Monate später, eine Veränderung konnte ich noch nicht wahrnehmen, versuchte ich es mit intensiven Gebeten, Gelübden, weihte meinen Hauskreisleiter ein und bat ihn um Gebetsunterstützung. Gott solle mir die Partnerin zeigen, die er für mich vorgesehen hat, dann wäre alles erledigt und in Ordnung. Ich lernte dann auch eine überaus attraktive Christin kennen; ich hoffte auf das Wunder. Es kam aber mein Damaskus. Noch bevor die Beziehung richtig beginnen konnte, musste ich an einem schönen gemeinsamen Abend feststellen, dass die homosexuellen Regungen in mir stärker waren als die Zuneigung zu dieser Frau. Danach versuchte ich noch zwei Jahre lang, Änderung – manche Mitchristen nennen es auch Heilung – zu erlangen. Jedoch ohne Erfolg. Am Ende dieser Phase stand ich vor der Wahl: Glaube oder Neigung. An Gott verzweifeln oder auf ein Leben in Partnerschaft verzichten. Jede Entscheidung käme einer grausamen seelischen Amputation gleich. Eigentlich geht das doch Gut lutherisch ereignete sich die Wende in meiner Krise ausgehend von einer Vorlesung zum Römerbrief. Es ging um das neue Gesetz Christi vom Kreuz und was dieses gerade in der Auseinandersetzung mit dem alten Gesetz bedeutet. Jesu Antwort auf die Frage der Pharisäer kann diesen Gedanken konkreter werden lassen: «Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.» (Mk 2, 27). Jesus zeigt hier auf, dass das oberste ethische Kriterium die Liebe sein soll und nicht die Buchstabentreue zum Gesetz. Dieser Erinnerungsruf an die Gnade Gottes half mir, mich selber als schwulen Christen zu akzeptieren. Ja, Gott hat mich so gemacht, wie ich bin, und er liebt mich so, wie ich bin. Nichts kann mich aus meiner Gotteskindschaft vertreiben, auch keine homosexuellen Gefühle. Ganz wichtig ist mir in dieser Zeit ein Vers aus dem ersten Schöpfungsbericht geworden, mit dem die Schöpfung nach ihrer Entstehung qualifiziert wird: «Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut» (Gen. 1, 31). Dieses göttliche «sehr gut» lernte ich nun auch über meinem Leben zu formulieren. Wenn Gott die Vereinbarkeit von Glaube und Homosexualität in meinem Leben gut heißt, warum wage ich ihn dann zu kritisieren?! Was sagt die Bibel dazu? Doch wie geht man als guter Christ mit den einschlägigen Bibelstellen um, die den geschlechtlichen Akt zwischen zwei Männern oder Frauen verbieten oder als Verwirrung betrachten? Die Homosexualität, wie wir sie heute kennen, gab es weder zu Zeiten des Alten noch Neuen Testamentes. Der Bibel Antworten zu diesem Thema abzuringen, ist ähnlich schwierig, wie eindeutige biblische Positionen zu anderen Themen wie atomarer Energie, Patchworkfamilien oder dem islamisch-christlichen Dialog zu finden. Zur Zeit von Paulus war es hauptsächlich im griechischen Kulturraum verbreitet, dass ein verheirateter, gut situierter Mann einen Lustknaben haben konnte. Oft nahm der Stéphane Schmid (links) mit Partner 2 0 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G ältere Mann die Rolle des Mäzen oder Mentors ein. In diesem Zusammenhang kann man auch verstehen, wenn Paulus im 1. Kapitel des Römerbriefs davon spricht, dass die Männer oder Frauen ihren «natürlichen mit dem widernatürlichen Verkehr vertauscht haben» (V. 26 f). Paulus sieht hier Männer vor sich, die ihre sexuelle Orientierung wechseln können. Dass man seine Orientierung aber nicht so einfach wechseln kann, musste nicht nur ich erfahren. Auch sieht Paulus diese Verwirrung in einer absichtlichen und wider besseren Wissens durchgeführten Ablehnung Gottes begründet. Die «Heiden» haben sich von Gott abgewendet und bekommen nun das, was sie verdienen. Paulus konnte sich nicht vorstellen, dass es auch Gläubige geben wird, die schon als Gläubige homosexuell empfinden. Orientierung in den Herausforderungen der heutigen Zeit sollte uns eher die «Mitte der Schrift» geben, nämlich das Doppelgebot der Liebe. Die Liebe zu den Menschen soll unser Handeln und Denken bestimmen und nicht die Ablehnung. Ich würde mich über eine Kirche freuen, die den Mut hat, ihre Position gegenüber Homosexuellen auch im kirchlichen Dienst zu überdenken, und so gegen die stille Abwanderung schwuler und lesbischer Gemeindeglieder vorgeht. Ich würde mich freuen, wenn der gemeinsame Glaube in unserer Kirche höher geachtet würde als die sexuelle Orientierung und somit auch homosexuelle Männer und Frauen bei ihrem Seelsorger und in ihren Gemeinden offene Türen anstatt Ablehnung oder Angst vorfinden könnten. Ich würde mich freuen, wenn nicht Hass und Abgrenzung die Diskussionen prägen würden, sondern die Einheit im Glauben durch gelebte Liebe bezeugt würde. Stéphane Schmid Sigmaringen Der eingangs erwähnte Hauskreis trifft sich einmal im Monat an einem Sonntagnachmittag in Stuttgart. Er gehört zur ökumenischen Initiative «Zwischenraum e.V.» und besteht seit 2004 im Großraum Stuttgart. Weitere Informationen und Kontakt zu Zwischenraum: www.zwischenraum.net Rund um die Schuld(en) Schuld schulden schuldig schuldlos unschuldig beschuldigen (sich) entschuldigen etwas verschulden schuldig sprechen Schuldgefühl Schuldspruch Bringschuld Schuld verdrängen, aufladen, übernehmen, bekennen, erlassen, sühnen Vergebung der Schuld Schulden Schuldner Schuldenfalle sich verschulden entschulden Schuldnerberatung Schuldenerlass Schuldenkrise Restschuld Staatsschulden schuldenfrei Schuldenberg Schuld und Sühne Entschuldigung! Ich bin unschuldig! Du bist schuld! Entschuldigen Sie mal! Schuld sind immer die anderen! Ich bitte um Entschuldigung. Ich steh in deiner Schuld. die Unschuld vom Lande … und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern … „Schultes“ oder „Schultheiß“ [bezeichnete einen in vielen westgermanischen Rechten auftretenden Beamten, „der Schuld heischt“, das heißt, der im Auftrag eines Herren (Landesherrn, Stadtherrn, Grundherrn) die Mitglieder einer Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeit anzuhalten hat, also Abgaben einzieht oder für die Einhaltung anderer Verpflichtungen Sorge zu tragen hat.*] Friederike Maier * Quelle: Wikipedia E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 2 1 Aus Kirche und Gesellschaft Schuld und Strafvollzug Gespräch mit Hans-Ulrich Agster, Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart DR. KARL-HEINZ DRESCHER-PFEIFFER Was hat Sie bewogen, Pfarrer in einer JVA zu werden? War das Ihre Traumstelle? Agster: Als Theologiestudent und Vikar habe ich nicht daran gedacht, in einem Gefängnis zu arbeiten. Auf den Gemeindestellen in Schwäbisch Hall und Langenau bei Ulm bin ich aber mit der Arbeit der Gefängnisseelsorge in Kontakt gekommen. Das Angebot des Oberkirchenrats hat mich gereizt, weil es eine Herausforderung für mich war, als Pfarrer in ganz anderen als den gewohnten Kirchenstrukturen zu arbeiten und mit Menschen zusammenzukommen, denen man sonst nur selten begegnet. Und ich habe das nicht bereut. Als Pfarrer sind Sie kirchlicher Mitarbeiter, gleichzeitig arbeiten Sie in einer staatlichen Einrichtung mit ihren eigenen Strukturen. Wie geht das? Agster: Die Mitarbeitenden in der Seelsorge unterstehen zwar der Dienstaufsicht der Anstaltsleitung, sie sind aber inhaltlich frei in dem, was sie machen. Die Arbeit erfolgt innerhalb des Sicherheitsrahmens, den die Anstalt festlegt. Der kirchliche Dienst in der JVA arbeitet ökumenisch und ist für alle Menschen da, die im Vollzug leben und/oder arbeiten. Im Blick auf die Gefangenen ist die Zuständigkeit der zwei evangelischen und zwei katholischen Seelsorgenden nach Abteilungen aufgeteilt. Man hört immer wieder, dass die meisten Häftlinge sich unschuldig fühlen. Stimmt das? Agster: Das kann man generell so nicht sagen. Es gibt viele, die sich durchaus bewusst sind, dass sie gegen Gesetze verstoßen und Schuld auf sich geladen haben. Probleme haben viele mit einem Urteil, das ihnen nicht angemessen erscheint und ihrer Persönlichkeit zu wenig gerecht wird. Viele lassen sich auch auf sogenannte Deals ein, d.h. ein Gerichtsverfahren wird verkürzt und eine mildere Strafe in Aussicht gestellt, wenn sie gestehen. Hinterher haben sie aber Schwierigkeiten mit solchen Geständnissen. Da die Gerichte unter erheblichem Zeitdruck arbeiten, bleibt gar nicht genug Zeit, um die persönlichen Hintergründe einer Tat zu klären. Schon von daher können die Gerichte nur sehr vorläufig für die irdische Gerechtigkeit sorgen. Dass im Zweifel für den Angeklagten entschieden werden soll, erleben viele so nicht. Trotz Vergütungsordnung werden die Rechtsanwaltsgebühren frei vereinbart, damit können sich einkommensschwache Menschen kaum einen Anwalt leisten, der sich engagiert für sie 2 2 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G einsetzt. Die Überlastung von Gerichten und die komplexen und umfangreichen Ermittlungen führen dazu, dass die Untersuchungshaft oft bis weit über ein Jahr dauert, obwohl nur sechs Monate vom Gesetz her zulässig sind. Welche Möglichkeiten hat eine JVA, zur Resozialisierung beizutragen, d.h. zu einem Leben ohne erneute Straffälligkeit? Agster: Die Freiheitsstrafe ist nur sinnvoll, wenn es im Vollzug auch gute und ausreichende Arbeits-, Ausbildungs-, Fortbildungsund Therapieangebote gibt. Jeder Strafentlassene sollte eine echte zweite Chance bekommen. Das ist eine Aufgabe der Gesellschaft, zum Beispiel von möglichen Arbeitgebern und Vermietern. Der Übergang in ein „normales“ Leben muss am Ende der Haftstrafe eingeleitet werden. Die Angehörigen und verschiedene Organisationen, die Straffälligen helfen, müssen einbezogen werden. Und selbstverständlich muss der straffällig Gewordene das selbst auch wirklich wollen. Für viele bleibt es schwer, ihr gewohntes soziales Umfeld zu verlassen und sie müssen meist bereit sein, z.B. mit weniger Geld zufrieden zu sein. Wie ist Ihr Kontakt zu den Inhaftierten? Agster: Es gibt viele Anfragen, um Alltagsfragen in der JVA zu klären. Besonders Menschen, die zum ersten Mal in Haft sind haben erhebliche Probleme die Situation zu akzeptieren. Es gibt (Lebens-)Beichten und viele tiefgehende Gespräche. Im Schutz des Seelsorgegeheimnisses öffnen sich Menschen und reden über ihre Lebensgeschichte, über ihre Ängste und Süchte, über ihre Enttäuschungen und Hoffnungen. Oft geht es um die Frage nach einem Sinn, um die Frage nach Gott, um die Möglichkeiten der Veränderung des Lebens. Es wird auch deutlich, dass viele keine wirkliche Chance zu einem „normalen“ Leben hatten und wahrscheinlich auch nicht haben werden. Pfarrer Hans-Ulrich Agster Wie nimmt die Gesellschaft den Strafvollzug wahr? Agster: Bei wenigen gravierenden Straftaten gibt es eine öffentliche Diskussion, die fast nur Strafverschärfung im Blick hat und schnell wieder abebbt. Meist sind die Mitbürger froh, wenn Inhaftierte eingesperrt sind und man sie nicht zu sehen bekommt. Sichere Verwahrung scheint wichtiger als das Ziel der Resozialisierung. Auch in der Politik ist der Strafvollzug ein Randthema, politische Mehrheiten lassen sich kaum finden, wenn es um sinnvolle Verbesserungen im Strafvollzug geht. Welche Aufgabe hat das Personal in der JVA für den Strafvollzug? Agster: Für die Arbeit im Vollzug und für das Leben der Inhaftierten sind die Justizvollzugsbediensteten sehr wichtig. Wichtig wäre für sie, dass ihre Belastungen gesehen werden und sie, zum Beispiel in Supervisionsgruppen, die Möglichkeit zur Bearbeitung von Problemen hätten. Viele machen eine engagierte und gute Arbeit, es gibt aber auch Ermüdung und Resignation. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten in der JVA? Agster: Für den kirchlichen Dienst ist die Zusammenarbeit mit den anderen sozialen Diensten, den Sozialarbeitern und den Psychologen und den Lehrern sehr wichtig. Die unterschiedlichen Menschenbilder der einzelnen Berufsgruppen sind da manchmal hinderlich. Bei Absprachen ist es wichtig, mit den Inhaftierten vorher zu klären, welche Informationen ich als Pfarrer weiter geben darf. Welche Angebote macht die kirchliche Seelsorge? Agster: Am Sonntag finden zwei ökumenische Gottesdienste statt, an denen alle teilnehmen können, die das wollen, sofern nicht Sicherheitserwägungen dagegen stehen. 10 bis 15 % der Inhaftierten, d.h. 50 bis 80 Personen, besuchen regelmäßig die Gottesdienste. Neben den Gottesdiensten besteht der Schwerpunkt der Arbeit in Einzelgesprächen. Und wir können sogenannte (zusätzliche) Sonderbesuche ermöglichen, z.B. in sehr schwierigen Paar- und Familienbeziehungen, denn die Haft kann für die Angehörigen zu einer extremen Belastungssituation werden. Es gibt Gesprächsgruppen und einen Chor. Wichtig ist, Kontakte nach draußen herzustellen, in der kirchlichen Öffentlichkeit über die Arbeit im Vollzug zu informieren und Verständnis für Inhaftierte zu wecken. Die kirchliche Seelsorge hat auch ein offenes Ohr für die Bediensteten. Die Begleitung der Angehörigen müsste verstärkt werden. Wie begegnen Sie islamischen Inhaftierten? Agster: Über ein Viertel der Inhaftierten sind Muslime. Monatlich kommt ein Hodscha der DITIB, der türkischen staatlichen Religionsbehörde. Er erreicht die Muslime anderer Nationalität kaum. Es ist bisher nicht gelungen, z.B. ein Freitagsgebet für alle, besonders auch für die nicht-türkischen Gefangenen, zu organisieren. Seelsorge in unserem Sinn gibt es im Islam traditionell nicht. Hier gibt es aber seit kurzem Interesse von islamischen Geistlichen und da wird sich manches noch entwickeln. Wie beurteilen Sie die gesellschaftliche Perspektive für die Gefängnisseelsorge? Agster: Bisher werden je eine evangelische und katholische Pfarrstelle an allen großen Vollzugsanstalten des Landes vom Land BadenWürttemberg finanziert. Aufgrund der veränderten Situation im Blick auf Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit in Deutschland sind Veränderungen zu erwarten, die aber noch nicht klar erkennbar sind. Herr Agster, ich danke Ihnen für das offene Gespräch. Die Fragen stellte Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 2 3 Aus Kirche und Gesellschaft Die Kirche und das Geld Hätten Sie es gewusst? Die können doch gar nicht richtig mit Geld umgehen – sagt der Banker. Die haben die Zeichen der Zeit verschlafen – sagt der Journalist. Die sind doch reich – sagt der Mann auf der Straße. Wir haben nicht genug, um allen Erwartungen zu entsprechen – sagt der Bischof. Ja, was denn nun?! Wer hat recht bei diesem Thema, zu dem jede und jeder was zu sagen weiß? Dazu im Folgenden einige Informationen: Kirchensteuer – 8 % von der Einkommensbzw. Lohnsteuer Die wichtigste Einnahmequelle der Kirchen ist die Kirchensteuer. Knapp acht Milliarden Euro Kirchensteuern zahlen die 52 Millionen Mitglieder der evangelischen und der katholischen Kirchen. 14 Milliarden Euro Tabaksteuer zahlen die 17 Millionen Raucher im Land. Was ist viel, was ist wenig? Staatsleistungen – nur zwei Prozent der Einnahmen Eine andere Einnahmequelle – die z. Zt. wieder einmal groß in die öffentliche Diskussion gekommen ist – sind die sogenannten „Staatsleistungen“ an die großen Kirchen in Deutschland. Sie betragen insgesamt etwa 450 Millionen Euro pro Jahr, also deutlich weniger als die Kirchensteuereinnahmen. Die Staatsleistungen haben ihre Grundlage darin, dass immer wieder in der Vergangenheit kirchliche Güter und Besitzungen enteignet bzw. verstaatlicht wurden. In besonders großem Ausmaß geschah dies am Beginn des 19. Jahrhunderts, im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss des Jahres 1803. Damals übernahmen die Landesherren die Verpflichtung, die Besoldung und Versorgung der Pfarrer – sofern erforderlich – sicherzustellen. Es handelt sich also um eine Art von Pachtersatzleistungen und nicht um irgendwelche Zusatzzahlungen, sie sind durch Artikel 140 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgt. Die Staatsleistungen machen übrigens nur etwa zwei Prozent der gesamten kirchlichen Einnahmen aus. Im Grundgesetz und bereits gleichlautend in der Weimarer Reichsverfassung wird gefordert, dass die Staatsleistungen an die Kirchen gegen eine angemessene Entschädigung aufgehoben werden. Deswegen gibt es die Staatsleistungen wohl noch immer, denn der Staat scheut eine erhebliche Einmalleistung und zahlt lieber Jahr für Jahr weiter. Alle öffentliche Polemik, die Kirchen sollten von sich aus ersatzlos auf die Staatsleistungen verzichten, entbehrt jeder Grundlage. Das wäre so, als wenn ein Mieter (in diesem Fall der Staat) einem Besitzer (in diesem Fall den Kirchen) lange Miete zahlt und auf einmal behauptet, das Haus gehöre ihm, ohne das Haus kaufen zu wollen. 2 4 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Die beiden großen Kirchen haben aber immer wieder gesagt, dass sie zu Gesprächen über eine Ablöse bereit sind. Bisher haben staatliche Stellen diesen „Ball“ aber nicht aufgenommen. Kostenerstattungen für öffentliche Aufgaben Achtung: Nicht zu den Staatsleistungen gehören Kostenerstattungen an die Kirchen für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, zum Beispiel den Betrieb von Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern. Solche Leistungen erhalten alle Wohlfahrtseinrichtungen, nicht nur die Kirchen. Was geschieht mit den kirchlichen Geldern? Wer bestimmt, was mit dem Geld der Kirche geschieht? Wer verwaltet es? Wer kontrolliert das? Gewählte Gremien wie die Landessynode, Bezirkssynoden und Kirchengemeinderäte sind dafür zuständig. Weitere Antworten gibt es unter www.kirchenfinanzen.de, einer Website, die das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingerichtet hat. Quelle: Gemeindebrief.de, 3/2012 Giraffensprache im Kindergarten Den Schuldigen suchen – oder verstehen, was der andere wirklich braucht? ANGELIKA STAFFHORST „Lena hat meinen Turm umgestoßen. Immer macht sie alles kaputt!“, schreit Rosi und beginnt zu weinen. Alltag im Kindergarten. Marianne Witziok, Leiterin des Kindergartens in Aufhausen, erzählt aus der Praxis: „Wie überall gibt es auch bei uns Streit und Konfliktsituationen. Wir Erzieherinnen wollen dabei deeskalierend wirken, den Kindern Orientierung geben und ihnen die Konsequenzen ihres Verhaltens aufzeigen. Früher fragten wir oft nach den Schuldigen und glaubten, durch Sanktionen eine „Besserung“ erreichen zu können. Häufig mussten wir erleben, dass wir dadurch eher Widerstand provozierten. Dabei ging es uns doch darum, dass die Kinder freiwillig – sozusagen aus Einsicht – das tun, was wir für das Richtige, das für sie Beste hielten. War das eine Illusion? Seit wir Erzieherinnen gemeinsam mit den Kindern eine neue Sprache lernen, die sogenannte Giraffensprache, gelingt es uns immer mehr, eine wertschätzende Beziehung zu einander aufzubauen als Basis für ein respektvolles Miteinander. In der Szene am Anfang wäre z.B. eine herkömmliche Reaktion gewesen: „Lena, du sollst nicht immer die Sachen der anderen kaputtmachen. Jetzt gehst du weg aus der Spielecke und malst.“ Dabei handelt es sich um eine moralische Beurteilung: Lena hat etwas falsch gemacht, sie ist schuld und muss bestraft werden. In Giraffensprache könnte es so lauten: Erzieherin: „Lena, du siehst, der Turm ist umgefallen und Rosi weint. Was sagst du dazu? Lena: „Ich wollte doch den Turm gar nicht kaputt machen. Ich wollte doch bloß mithelfen.“ Erzieherin: „Du wolltest auch mitspielen? Hast du denn Rosi gefragt, ob sie den Turm mit dir zusammen bauen möchte?“ Hier fehlt die Schuldzuweisung. Die Erzieherin versucht vielmehr, Lenas Bedürfnis hinter ihrem Tun zu erraten, und überlegt, wie es erfüllt werden könnte.“ Die Sprache des Herzens Was verbirgt sich nun hinter der Giraffensprache und wie hängt dies mit dem Thema Schuld zusammen? Die Giraffensprache, auch einfühlsame oder gewaltfreie Kommunikation genannt, geht auf ihren „Erfinder“ Marshall B. Rosenberg zurück (Psychologe und Religionswissenschaftler aus den USA, der sich als Mediator weltweit um ein friedliches Zusammenleben der Menschen bemüht). Für ihn ist sie eine Sprache, die dem Leben dient, die ein respektvolles, verständnisvolles Miteinander ermöglicht. Zur Veranschaulichung dieser „Sprache des Herzens“ bedient er sich einer Handpuppe, der Giraffe, als Symboltier, weil sie das Landtier mit dem größten Herzen ist. Sie steht für eine Herz-zu-Herz-Verbindung, bei der die eigenen Gefühle und Bedürfnisse und die der anderen gleichermaßen ernst und wichtig genommen werden. Dabei geht er davon aus, dass alle Menschen die gleichen Bedürfnisse haben und dass allem, was sie denken, sagen und tun eine positive Absicht zugrunde liegt, nämlich sich diese Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn jemand also etwas gesagt oder getan hat, was nicht übereinstimmt mit unseren Wertvorstellungen, ist es für Rosenberg nicht hilfreich, ihn moralisch zu beurteilen. Es hilft nicht, ihn als respektlos, aufmüpfig oder gar böse, eben als schuldig, abzustempeln und ihn dementsprechend als jemanden zu sehen, der Strafe verdient Marianne Witziok mit Handpuppe hat, damit er sich ändert. Stattdessen ermutigt uns Rosenberg, hinter Beleidigungen oder Vorwürfen die unerfüllten Bedürfnisse zu entdecken. So können wir unser Gegenüber verstehen und gemeinsam mit ihm nach Alternativen suchen. Das von Rosenberg entwickelte Modell der Gewaltfreien Kommunikation und die Lebenshaltung dahinter erleichtern eine wertschätzende Verbindung von Mensch zu Mensch – und sie sind erlernbar! Und Kinder lernen leichter als wir Erwachsenen. Sie müssen nicht so viel verlernen! Eine gute Motivation, schon im Kindergarten damit zu beginnen. Vielleicht hat das Beispiel aus dem Kindergarten gezeigt, dass wir in der Gewaltfreien Kommunikation nicht fragen: „Was hat der andere, was habe ich falsch gemacht?“ und dementsprechend nicht nach dem Schuldigen suchen. Wir lernen vielmehr zu erforschen, aus welchen „guten“ Gründen wir bzw. die anderen etwas getan haben, welche Bedürfnisse durch die jeweilige Handlungsweise erfüllt werden sollten. Wenn wir uns und den anderen so, nämlich verständnisvoll und liebevoll, begegnen, schaffen wir einen sicheren, geschützten Raum, in dem es möglich ist, ohne Angst vor Strafe oder Scham offen zu dem zu stehen, was getan wurde, und dies auch zu bedauern. Dann sind wir eher bereit, neue hilfreichere Strategien auszuprobieren. (Wie z. B. in der Bibel Zachäus bei seiner Begegnung mit Jesus). Wenn wir versuchen, mit Empathie statt mit moralischen Urteilen sowohl unseren eigenen Begrenztheiten als auch den Unzulänglichkeiten der anderen zu begegnen, können wir daraus lernen und im weitesten Sinne zum Frieden mit uns selbst und mit den anderen beitragen. Angelika Staffhorst ist zertifizierte Trainerin in der Gewaltfreien Kommunikation und Mediatorin Literatur: Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens, Junfermann Verlag 2010, 9. Auflage Frank und Gundi Gaschler, Ich will verstehen, was du wirklich brauchst – Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern. Das Projekt Giraffentraum, Kösel Verlag 2009, 3. Auflage Internet: www.gewaltfrei.de E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 2 5 Aus Kirche und Gesellschaft Schuld und Schulden Interview mit Dr. Peter Aubin, Vorstandssprecher der Volksbank Göppingen ANITA GRÖH UND DR. KARL-HEINZ DRESCHER-PFEIFFER Herr Dr. Aubin, wir bedanken uns, dass Sie als Vorstandssprecher der Volksbank Göppingen für ein Gespräch zum Thema Schuld und Schulden zur Verfügung stehen. Dr. Aubin: Ich finde es interessant, dass Sie Schuld und Schulden in einem Zusammenhang nennen. Das begegnet mir nicht oft. Das Wort Kredit kommt ja vom lateinischen credere, es bedeutet vertrauen. Von daher ist der Zusammenhang schon gegeben. Wie sind Sie Vorstandssprecher der Volksbank Göppingen geworden? Dr. Aubin: Wir sind im Vorstand der Volksbank Göppingen zu zweit. Ich bin ausgebildeter Volljurist. Ich war 18 Jahre bei der Deutschen Bank und hatte viele und auch im Ausland leitende Positionen inne, etwa in Argentinien. Nach der Rückkehr nach Deutschland reifte in mir die Einsicht: Vorstand wirst du bei denen nicht. Meine Bewerbung im Jahre 2000 bei der Volksbank Göppingen war erfolgreich. Inzwischen bin ich ein überzeugter Genosse. Wie unterscheiden sich im Geschäftsgebaren Volksbank Göppingen und Deutsche Bank? Dr. Aubin: Bei der Deutschen Bank wurde in den letzten 20 Jahren das Investmentbanking immer wichtiger und die normale Geschäftsbank immer unwichtiger. Das war auch der sachliche Grund dafür, dass ich dort ausschied. Die Geschäftsbanken bedienen den shareholder value, d.h. den Gewinn der Eigentümer/Aktionäre. Die Volksbank Göppingen gehört ihren Kunden, die halten Geschäftsanteile. Der aus Geschäftsanteilen erzielbare Gewinn ist von vornherein begrenzt. Unser Geschäftsgewinn bleibt in der Bank. Wichtig ist uns ein guter Service zu guten Konditionen. Dafür betreiben wir 40 Zweigstellen. Unser Kerngeschäft sind günstige Giro- und Sparkonten sowie Baufinanzierungen. Ist die Volksbank denn nicht gewinnorientiert? Wie erging es der Volksbank Göppingen in der Finanzkrise? Dr. Aubin: Wir kamen glänzend durch die Finanzkrise und erzielten in den letzten vier Jahren sogar 5,4 Millionen Euro Gewinne. Und das bei einer im Landkreis durchwachsenen und in Geislingen katastrophalen wirtschaftlichen Situation und einer einseitigen Ausrichtung im Landkreis auf Metall- und Autozulieferbetriebe. Hat sich die Volksbank Göppingen nicht an Finanzspekulationen beteiligt? Dr. Aubin: Auch wir verdienen Geld mit Kreditausfallversicherungen. Sie sind nichts anderes als Ausfallbürgschaften. Alle Finanzgeschäfte, nicht nur hochriskante, sind insofern Spekulation, als mindestens eine der beiden Parteien eine Risikoposition eingeht und damit Geld verdienen will. Bei jedem Geschäft wird sozusagen eine Wette abgeschlossen. Der Kreditgeber vertraut darauf, dass er sein Geld plus Zinsen zurückbekommt. Dafür gibt es keine Garantie. Wenn Spekulation immer eine Rolle spielt, ist sie dann auch immer gut? Dr. Aubin: Das Problem ist, dass die „Wette“ inzwischen zum Selbstzweck geworden ist und sich von der Realwirtschaft abgekoppelt hat. Inzwischen gab es zum Beispiel in der Spitze ca. 6 Billionen US Dollar Kreditausfallbürgschaften. Das ist ein unvorstellbarer Betrag. Es gibt auch ethisch problematische Spekulationen auf Preisanstiege bei Agrarrohstoffen und damit letztlich bei Lebensmitteln und Biosprit. Die spekulative Nachfrage der Investoren nach Agrarrohstoffen erhöht in vielen Ländern den Preis dermaßen, dass Lebensmittel für arme Leute oft unerschwinglich werden. Da ist eine Grenze erreicht. Wenn Finanzgeschäfte der Realwirtschaft dienen, sind sie grundsätzlich in Ordnung. Welche Motive führten zu dieser problematischen Zuspitzung der Finanzgeschäfte? Dr. Aubin: Die Gier sowohl bei den Banken als auch bei den Kunden war sicher ein wichtiges Motiv. Denken Sie Dr. Aubin: Auch die Volksbank Göppingen braucht Gewinne. Herr Ackermann wollte mal 25 % vor Steuern und korrigierte sich auf 18 %. Uns genügen 8 bis 9 % vor Steuern, damit genug Eigenkapital zum Wachsen da ist. Unsere Gewinne stammen aus der Anlage des Eigenkapitals, nicht aus dem Kundengeschäft. Das Kundengeschäft trägt sich. Wo und wie legt die Volksbank Göppingen ihr Geld an? Dr. Aubin: Die Volksbank Göppingen hat einen Überhang der Einlagen über die Kredite von 600 Millionen Euro und etwa 200 Millionen Euro Eigenkapital. Diese ca. 800 Millionen legt sie an den Kapitalmärkten an. Sie setzt auf sichere Anlagen, d.h. Pfandbriefe, Bundes- und Landesanleihen, internationale ungedeckte Bankanleihen mit gutem Rating. Sie gab kein Geld in die Staaten an der Peripherie der EU. 2 6 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Dr. Peter Aubin eine Börsenumsatzsteuer. Sie wurde im Zuge der Deregulierungen in den 80-er Jahren in Deutschland abgeschafft. Wie ergeht es Privatkunden, die ihre Kredite nicht zurückzahlen können? an die Anlagen deutscher Bankkunden bei isländischen Banken, die später in Insolvenz gingen. Da wollten die Kunden einige Prozentpunkte mehr an Zins erreichen. Dr. Aubin: Personen und Firmen erhalten Kredite, wenn die Rückzahlung ausreichend gesichert erscheint. Bei Problemen mit der Rückzahlung können die Tilgung ausgesetzt oder die Kredite gestundet werden, es gibt aber keine weiteren Kredite. Kredite werden auch abgeschrieben, wenn Kunden sie dauerhaft nicht mehr bezahlen können. Wie ist Ihr Verhältnis zur Kirche? Wie beurteilen Sie die Finanzentwicklung der letzten Zeit? Dr. Aubin: Die Staatsschulden- und Bankenkrise in Europa erschütterte das Vertrauen der Investoren in die Staaten und Banken und das Vertrauen unter den Banken. Keiner weiß, wie viele „Schrottanleihen“ jeweils eine Bank hat. Die Banken und die Peripheriestaaten bekamen an den Kapitalmärkten kein Geld mehr, um ihre fälligen Anleihen zu bedienen. Was läuft denn mit der hohen Staatsverschuldung falsch? Dr. Aubin: Das Problem liegt in einer großen Schwäche der Demokratie: es gibt keine Mechanismen, Politiker zu sparsamen Ausgaben zu zwingen. Weil Politiker gewählt werden wollen, verschaffen sie ihren vermeintlichen Wählern Vorteile. Als die SPD und die Grünen nach der Wiedervereinigung sagten, dass diese nicht aus der Portokasse zu bezahlen ist, wurden sie nicht gewählt. Wir leben alle über unsere Verhältnisse, erst recht die Länder im Süden Europas. Ehrlicherweise sollte man wie Churchill „Blut, Schweiß und Tränen“ versprechen. Die Dritte Welt, unsere Kinder und die Umwelt werden unsere Fehler bezahlen müssen, weil wir nicht unseren Lebensstandard reduzieren wollen. Ist die Finanzfrage stärker als die Demokratie? Dr. Aubin: Wenn kein Geld da ist, ändern auch demokratische Mehrheitsbeschlüsse das nicht. Die Demokratie funktioniert immer gut in Zeiten des Wachstums, wenn es etwas zu verteilen gibt. Wirtschaftskrisen sind für die Demokratie gefährlich, weil die extremen Parteien Zulauf bekommen. Trotzdem müssen würdige Verhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung immer das Ziel einer Demokratie bleiben. Denn die Beurteilung, was arm ist, ist abhängig davon, wie es einer Gesellschaft geht. Dr. Aubin: Ich bin zahlender evangelischer Christ, aber nicht aktiv in der Gemeinde. Was sollte die evangelische Kirche in der Gesellschaft machen? Dr. Aubin: Was die evangelische Kirche macht, ist gut und in Ordnung. Sie liegt nicht im gesellschaftlichen Mainstream. Sie kann auch in einer Minderheitenposition positiv wirken. Sie leidet auch unter den Fehlern, die die katholische Kirche macht, z.B. der Zölibat oder das Frauenbild. In unserer Gesellschaft sind leider viele Werte und Vorbilder verloren gegangen. Wie beurteilen Sie kirchliche Stellungnahmen zu Wirtschaftsfragen? Dr. Aubin: Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, zu Fragen der Wirtschaft Stellung zu nehmen. Sie sollte dabei aber stärker Fachwissen einbeziehen. Oft bestehen gegenüber Banken auch Vorurteile. Bis heute konnte man sich nicht zu einer positiven Bewertung des Zinses durchringen. Es gibt auch ethisch orientierte Banken. Die Volksbanken sind dafür das beste Beispiel. Der Genossenschaftsgedanke zielt auf Hilfe zur Selbsthilfe, um sich selbst zu organisieren und nachhaltiges Wachstum im Interesse ihrer Kunden zu schaffen. Sie zeigen, dass es nicht nötig ist, immer nach dem Staat zu rufen. Herr Dr. Aubin, haben Sie noch ein Schlusswort? Dr. Aubin: Ich bedanke mich für das offene Gespräch und möchte nochmals betonen: Banker sind auch ganz normale Menschen. Die Fragen stellten Anita Gröh und Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer. Gibt es Möglichkeiten, Finanzgeschäfte zu regulieren? Dr. Aubin: Ja, und diese Möglichkeiten werden jetzt auch genutzt. Die Regierungen zwingen die Banken über strengere Aufsichtsregeln, ihre Risikopositionen mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Das wird den Umfang der Finanzgeschäfte ohne Bezug zur Realwirtschaft wieder eindämmen, ohne das Allheilmittel zu sein. Positiv sind deshalb auch die Bestrebungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer – sie wird die Aktivitäten an den Finanzmärkten auch bremsen. Eine Möglichkeit wäre z. B. Stellungnahme der Evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD): Denkschrift Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche, EKD-Text 113, 2011 Diese und weitere Stellungnahmen der EKD sind im Internet zu finden: http://www.ekd.de/EKD-Texte/ E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 2 7 Aus dem Kirchenbezirk Pfarrplan 2018 Regionalisierung ist angesagt GERLINDE HÜHN Alle sechs Jahre wird in der evangelischen Landeskirche die Zahl der Pfarrstellen überprüft. Sie muss an die zurückgehenden Gemeindegliederzahlen und an die damit zurückgehenden finanziellen Ressourcen angepasst werden. Dieser Vorgang bringt verständlicherweise immer wieder Unruhe in die betroffenen Gemeinden hinein, zumal oftmals dieselben Gemeinden erneut betroffen sind. Das liegt daran, dass es im Kirchenbezirk Geislingen viele kleine Gemeinden gibt und einige wenige große, die überdurchschnittlich viele Gemeindeglieder haben und deshalb (vorerst!) vom Pfarrplan nicht betroffen sind. Der Pfarrplan-Ausschuss im Kirchenbezirk Geislingen Einige Zahlen Landesbischof Frank O. July hat auf der Sommersynode 2010 gesagt: „Jede Gemeinde wird auch künftig einen für sie zuständigen Pfarrer oder eine Pfarrerin haben – nur hat nicht jede Gemeinde einen Pfarrer für sich allein“. Es ist deutlich, dass damit nicht jede selbständige Gemeinde eine eigene 100 % Pfarrstelle haben wird. Übergemeindliche Zusammenarbeit ist das Gebot der Stunde! Dazu gibt es mehrere Formen: Fusion, Gesamtkirchengemeinde, Gemeindeverbund mit vertraglicher Regelung, ein Gemeindeteil in A „wird mitversorgt von“ Pfarrstelle B. Die Gemeinden gewöhnen sich z. T. nur schwer daran, über die Gemeindegrenzen hinauszudenken. Leicht fühlt man sich über den Tisch gezogen oder benachteiligt, statt auf das zu achten, was es an Vorteil und auch an Bereicherung bedeuten könnte, mit den Anderen zusammen zu sein. Wenn wir doch öfters den Anderen, (den so anders Anderen) als Geschenk betrachten könnten! Der Kirchenbezirk Geislingen ist von 32.515 (1994) auf 28.083 (2011) Gemeindeglieder geschrumpft, das sind 4.432 Menschen weniger. Die Gesamtkirchengemeinde Geislingen hat im genannten Zeitraum 2.497 Gemeindeglieder verloren! Das liegt nicht an den Austrittszahlen, wie fälschlicherweise immer vermutet wird, sondern am demographischen Wandel: Die Zahl der Taufen ist geringer als die Zahl der Beerdigungen. In dieser Runde, die „Pfarrplan 2018“ heißt, weil die Kürzungen bis spätestens 2018 umgesetzt sein müssen, hat der Kirchenbezirk Geislingen 1,5 Pfarrstellen zu streichen. Wie geht man vor? Die Bezirkssynode hat einen Pfarrplan-Ausschuss eingesetzt, in dem alle vier Distrikte (Alb, Geislingen, Obere Fils, Unteres Filstal) paritätisch vertreten sind. Die Vorschläge des Ausschusses werden allen Gemeinden mitgeteilt, und sie können dazu gut begründete Gegenvorschläge machen; so ergeben sich mehrere Rückmeldeschleifen. Die Herbstsynode 2012 wird dann den endgültigen Vorschlag des Kirchenbezirks Geislingen beschließen, den die Landessynode ihrerseits übernimmt oder weiter entwickelt. Wer ist betroffen? Der im Augenblick gültige Vorschlag lautet: 50 % in Geislingen-Altenstadt, 50 % in Geislingen Pauluskirche und 50 % zwischen Süßen und Donzdorf zu kürzen. Die Gemeinden versuchten, in extern moderierten Beratungsrunden, sich mit diesen Vorschlägen auseinander zu setzen. Die externe Moderation wird vom Innovationsfonds des Bezirks bezahlt. In einer Großstadt oder einer dicht besiedelten Region ist das anders als auf dem Lande. Ein wichtiges Ziel der neuen Pfarrplan-Runde ist also, die Zahl der Teilzeitstellen zu verringern und die Besetzbarkeit einer Pfarrstelle zu erhöhen. Was hülfe es einer Gemeinde, wenn sie eine 50 % Pfarrstelle gewönne, aber sich niemand darauf bewürbe? Was sind die Konsequenzen? Wir müssen lernen, in Regionen zu denken Die Prozesse, die man in Ostdeutschland in viel einschneidenderem Maße durchläuft, können eine Hilfe sein. In der Region „Nördliches Zeitz“ z. B. versorgen zwei Pfarrstellen 20 Kleinstgemeinden. Und sie bekommen das hin! Erstaunlicherweise! Und sie versinken darüber nicht in Depressionen, sondern denken sich kreative Lösungen aus. Gut, dass wir noch nicht soweit sind und hoffen wir, dass es soweit bei uns nicht kommen möge, aber wir könnten ein Stück von diesen frohgemuten Wagnissen abschauen. Vergessen wir nicht: Unser Herr hat gesagt: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Mt 28) Was sind die Ziele? Es hat sich in den letzten sechs Jahren gezeigt, dass im Geislinger Bezirk zu viele Teilzeit-Pfarrstellen eingerichtet worden sind: 50 %- und 75 %-Stellen. Diese Art von Stellen war fast nicht auf normalem Wege zu besetzen. 2 8 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Dekanin Gerlinde Hühn 40. Ökumenische Ostereieraktion im Bezirk Geislingen HELMUT POLOCZEK Seit 1973 wird die „Aktion Osterei“ in ununterbrochener Reihenfolge von der evangelischen und katholischen Jugend gemeinsam durchgeführt. 2011 schloss sich das Evangelische Jugendwerk Göppingen dieser jährlichen Aktion an, sodass es nun eine kreisweite Aktion geworden ist. Ziel und Zweck dieser Aktion war und ist es, auf die Nöte der Kinder und Jugendlichen in der sogenannten „Dritten Welt“ aufmerksam zu machen und finanzielle Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Dazu dienen Opfergelder und Spenden aus Verkaufsaktionen. Wie es begann In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Nöte der Menschen in den unterentwickelten Ländern der Erde bekannt. Kriege und Naturkatastrophen erschütterten und vernichteten die Lebensgrundlage der betroffenen Menschen, besonders auch der Kinder und Jugendlichen. Aufrufe zur Hilfe verhallten nicht und Aktionen verschiedener Art wurden ins Leben gerufen, an denen die großen Kirchen starken Anteil hatten. Die Jugendlichen, besonders auch die kirchlich organisierten, entwickelten zahlreiche Aktivitäten für die „Dritte Welt“, Informationsveranstaltungen, Schulungen und konkrete Hilfsaktionen. Eine breite Bereitschaft der Zusammenarbeit zeigte sich auch in unserem Bezirk bei evangelischen wie katholischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Gemeinsame Veranstaltungen wie die Jungschartage auf der Oberböhringer Heide, Jugendgottesdienste, Schulungen und Jugendtage sowie Aktionen zugunsten der Kinder in der „Dritten Welt“ wurden durchgeführt. Hungerball, Manjana und Osterei Als 1963 der Biafrakrieg in Afrika tobte und sich eine Hungerkatastrophe für die Bevölkerung anbahnte, wurde deutschlandweit zur Hilfe aufgerufen, um die Katastrophe zu lindern. Die evangelischen und katholischen Jugendlichen im Kirchenbezirk engagierten sich für die Notleidenden. Es wurden Kugelschreiber verkauft, Tanzveranstaltungen mit Kabarett als sogenannter „Hungerball“ in der Jahnhalle durchgeführt. Schließlich gingen die Jugendlichen in einem Schweigemarsch mit Fackelzug durch die Stadt und hielten am Laufenplatz eine Schlusskundgebung ab. Selbst Oberbürgermeister von Au richtete einen Aufruf an die Bevölkerung zur Unterstützung der Jugendaktion. 1970 fand im Kreis Göppingen ein Friedensmarsch statt, der von Geislingen entlang der B 10 nach Göppingen führte. Neben der kirchlichen Jugend beteiligten sich viele andere Organisationen, wie Junge Union und Jungsozialisten an der siebenstündigen Aktion. Es folgten noch mehrere Kleidersammlungen unter dem Titel „Manjana“, die besonders von den Kirchen getragen wurden und auch in unserem Dekanat mit Unterstützung von Jugendlichen durchgeführt wurden. Aus diesen Aktionen entwickelte sich 1973 die „Aktion Osterei“. Zunächst wurden in den Dörfern bei Hühner- haltern Eier eingesammelt, die in den Jugendgruppen gekocht, gefärbt und andernorts meist vor der Kirchentür verkauft wurden. Als später die Zahl der Hühnerhalter zurückging und die Aktion sich auf viele Gemeinden ausgeweitet hatte, wurden die Eier gekauft (zeitweise über 5000 Stück) und nach Bestellung ausgeliefert. Beim Basteln von Osterkörbchen wurden Informationen über die Spendenempfänger in der „Dritten Welt“ weitergegeben und es gab auch noch einzelne Informationsabende dazu. Heute werden zwar immer noch gefärbte Eier und Gebasteltes verkauft, aber ein großer Teil der Spenden kommt durch den Verkauf von Blumen zusammen, die günstig über die Gärtnerei Pressmar/Eisele und heute über deren Nachfolger „blumenduft“ bezogen werden. Auch die GZAktion hat unsere Spendenprojekte schon unterstützt. Global und lokal engagiert Wichtig war immer ein persönlicher Bezug zu den Spendenempfängern – etwa zu Vikar Weber, Mattias Stahl, Simon Wittlinger, Freundeskreis Uganda und anderen. Seit einigen Jahren sind auch lokale Spendenempfänger dazu gekommen, die sich der Armut der Kinder in unserem Landkreis annehmen (Kinderschutzbund, Aktion Rückenwind). In den vergangenen 39 Jahren sind rund 220.000 DM und 30.500 € gespendet worden – beachtlich! Wir sind gespannt auf das Ergebnis von 2012, in dem die Gelder wieder an die Aktion Rückenwind und an ein Jugendprojekt des YMCA in Nigeria fließen werden. CVJM Göppingen, BDKJ Göppingen/Geislingen und die Evangelischen Jugendwerke von Göppingen und Geislingen haben zum 40. Jubiläum der Aktion gemeinsam einen Jugendkreuzweg in Göppingen gestaltet. Ich hoffe und wünsche, dass diese Aktion noch weitere Jahrzehnte Bestand hat und dass die Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Jugend weiter wächst. Helmut Poloczek wohnt in Wiesensteig, ist dort in der katholischen Gemeinde aktiv und schreibt an der Chronik der Stadt Wiesensteig. Er war viele Jahre lang Leiter der Grundschule in Unterböhringen. E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 2 9 Aus dem Kirchenbezirk Religionsunterricht in der Diaspora – eine Donzdorfer Perspektive VIOLA SCHENK Evangelischer Religionsunterricht in der Schule – eine Selbstverständlichkeit? Nein, keinesfalls – auch wenn selbst die allgemeine Schulpflicht ein „Kind“ der Reformation bzw. der davon angestoßenen Fragen ist: Gerade uns Evangelischen ist deswegen der Religionsunterricht (wie überhaupt Bildung) sehr wichtig. Hier in Württemberg können wir uns Schule ohne RU kaum vorstellen. Dabei war im „Kernland“ der Reformation, im östlichen Mitteldeutschland, 40 Jahre lang kein schulischer RU möglich! Als die DDR dann Geschichte war, war man sich keinesfalls schnell einig, ob und wie in der Schule RU vorkommen sollte. Bei unseren Nachbarn in der Schweiz findet der RU je nach Kanton als Schulfach, als freiwilliges Angebot in der Schule oder als Projektunterricht außerschulisch statt. Und die italienischen Evangelischen sind sogar stolz darauf, dass in ihren kirchlichen Schulen kein RU erteilt wird und möchten generell, dass religiöse Inhalte auch in den öffentlichen Schulen außen vor bleiben: Ihr Wunsch wäre ein streng laizistisches Schulsystem wie beispielsweise in Frankreich. RU in der Schule muss also nicht zwangsläufig sein, und wie damit umgegangen wird, ergibt sich aus der politischen, kulturellen und religiösen Situation und Geschichte eines Landes. Wie Religionsunterricht … … bei uns aussieht? In Baden-Württemberg liegen ja evangelische und katholische Gebiete nebeneinander; hier im Dekanat Geislingen/Steige bildete die Fils jahrhundertelang nicht nur eine politische, sondern auch eine Konfessionsgrenze. Noch vor 50 Jahren war eine Heirat „über den Jordan“ fast ein Ding der Unmöglichkeit: die „Wiaschdgleibige“ (Evangelische) akzeptierte man gerademal als Schloßgespenst (ja, der Winzinger Holzbrockeler ist Lutheraner, und Huidädää damit ein eigentlich evangelischer Fasnetsruf!), und die Großsüßener waren auch nicht gerade zimperlich mit Söhnen oder Töchtern, die um der Liebe willen der reinen Lehre samt Gustav-Adolf-Verein in den Rücken fielen. Das hat sich in den vergangenen 60 Jahren Gott sei Dank deutlich zum Guten verändert – aber noch immer ist die Mehrheit der Christen im Filstal evangelisch, während hinter dem bereits katholisch geprägten Kleinsüßen katholisches Gebiet beginnt. Wir Donzdorfer Evangelischen (und dazu zählen neben den Gemeindegliedern in den Donzdorfer Ortsteilen auch die, die in Lauterstein, also Weißenstein oder Nenningen, wohnen) sind eine Minderheit, und unsere Kirchengemeinde muss als Diasporagemeinde 3 0 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G ein sehr großes Gebiet abdecken – nur relativ wenige Kinder und Jugendliche könnten Gemeindeangebote in Donzdorf nutzen, ohne gebracht und abgeholt zu werden. Das schränkt auch die Möglichkeiten Jugendlicher zur Mitarbeit ein. Momentan ist das verlässlichste und regelmäßigste evangelische Angebot, der Ort, an dem alle evangelischen Kinder und Jugendlichen erreicht werden, neben dem Konfi-Unterricht der RU: In den größeren Schulen in Religionsklassen entsprechend der Klassenstufe, in den kleineren Grundschulen in altersgemischten Gruppen. Gerade in Winzingen und Reichenbach u. R. ist das die einzige ständige evangelische Präsenz im Ort! Um noch Zahlen zu nennen: In Reichenbach werden 11 Kinder (Klasse 1, 2, 3+4) unterrichtet, in Winzingen 13 (Klasse 1, 2+4). In Donzdorf sind es in der Grundschule eine kleine Gruppe, größere Gruppen in Klasse 2+4 und eine sehr kleine Gruppe in Klasse 3. Warum es wichtig ist … … dass es bei uns evangelischen RU gibt? Für eine gute Ökumene sind verschiedene Faktoren nötig und dazu leistet der RU einen großen Beitrag: Kinder erfahren etwas darüber, in welche Tradition hinein sie als Christen, und speziell evangelische Christen, getauft wurden (oder werden). Gegenüber der katholischen Mehrheit kann eine Identität wachsen, die sich nicht nur negativ als „Nicht-Katholisch“ definiert, sondern sich positiv als „Evangelisch“ erfährt. Idealerweise wächst mit dieser Identität auch eine Sprachfähigkeit, das Eigene – auch in seiner persönlichen Ausprägung! – zu beschreiben, so dass Kommunikation untereinander und zu anders Glaubenden möglich wird. Wer sich nämlich über seine eigene religiöse Identität Gedanken machen und sich verständigen kann, der hat damit auch das Handwerkszeug, ande- gutes, ja, ein sehr gutes Verhältnis mit den Kolleginnen und Kollegen und den Schulleitungen. Die Schulen stehen Schulgottesdiensten sehr offen gegenüber, und ökumenische Gottesdienste sind die Regel und werden gemeinsam geplant und gestaltet. Unser Donzdorfer Kirchengemeinderat ist an der RU-Situation interessiert, was vor allem mir als Pfarrerin gut tut, weil ich sehe, dass diese Arbeit gewürdigt wird. Ich würde mir persönlich noch mehr Bezug des RU zur Gemeinde wünschen. Und ich würde mir wünschen, dass nicht nur unsere Gemeinde und unser außerordentlich engagierter Schuldekan, sondern auch die Kirchenleitung die Bedeutung des RU, gerade in der Diasporasituation, erkennt und praktisch würdigt. ren verstehend zu zuhören. Wer ein gesundes Selbstbewusstsein hat, kann auch andere stehen lassen. Neben diesen „inneren Raum“ schafft der RU an der Schule auch den „äußeren“ Raum für dieses Gespräch, weil die Verschiedenheit (und zum Teil überhaupt die Existenz!) der anderen sichtbar wird. Also: Katholische Kinder realisieren, dass es auch Evangelische gibt – weil es den RU gibt. Und evangelische Kinder merken, ich bin evangelisch, das ist auch etwas! Beide Seiten lernen Toleranz – dass nämlich nicht immer alles gleich sein muss, und man trotzdem miteinander unterwegs sein kann, weil das wesentliche uns verbindet. Schwierig ist … … dass die Lehrersituation so angespannt ist. In den letzten Jahren waren sehr viele Wechsel vor allem im Grundschulbereich. Besonders in den altersgemischten Gruppen, in denen nicht nach „Normalcurriculum“ unterrichtet werden kann, ist das ungünstig. Eine Kollegin und ich sind an den Donzdorfer Grundschulen die einzigen evangelischen Religionslehrkräfte, und so ist bei Krankheit kaum eine Vertretung, nur Betreuung möglich. Leider wurde letztes Jahr auch noch die Stelle der kirchlichen Lehrkraft gestrichen, was die Hauptschule sehr in Not brachte. Unserer eigenen Landeskirche ist der RU in der Diaspora so wenig wert, aber wir Lehrkräfte sollen vor Ort dafür einstehen, dass unsere kleine Religionsgruppe so wichtig ist wie der Schulchor, ja, wie der zahlenmäßig dreimal so große katholische RU. Das finde ich schwierig. Ich wünsche mir für unseren Evangelischen Religionsunterricht … … dass trotzdem weitergehen kann, was gewachsen ist. Wir haben Kinder und Jugendliche, die gern in den RU gehen. Wir haben ein Viola Schenk, Pfarrerin in Donzdorf es plagt mich es plagt mich das schlechte gewissen wenn ich etwas erlebe das dir auch gefallen hätte wenn ich etwas anders mache als du es gemacht hättest wenn ich für ein paar momente meine trauer vergesse und mich beim lachen erwische immer wieder meldet es sich und macht mir das leben schwer als müsste ich dafür bezahlen dass ich noch am leben bin doch alles schlechte gewissen der welt kann das rad nicht zurückdrehen dich nicht zurückbringen deinen tod nicht sühnen nicht pfand sein meiner liebe zu dir Beate Schlumberger Quelle: „Leben ohne dich. Begleitung durch ein Jahr der Trauer“ Schwabenverlag Ostfildern 2011 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 1 Aus den Distrikten DISTRIKT ALB Amstetter Kirchenstiftung – Gemeinsam Zukunft gestalten Das Ziel der Amstetter Kirchenstiftung ist, das Gemeindeleben in Zukunft noch attraktiver zu gestalten und weiterzuentwickeln. Um das Engagement intensivieren zu können, ist die Gemeinde auf eine solide finanzielle Basis angewiesen. Die Kirchensteuer allein wird auf Dauer nicht ausreichen, um dies zu gewährleisten. Aus diesem Grund hat sich die Evangelische Kirchengemeinde entschlossen, die Amstetter Kirchenstiftung ins Leben zu rufen. Sie wurde am 30. Oktober 2011 feierlich mit einem Gottesdienst und einem anschließenden Fest in Anwesenheit von Dekanin Gerlinde Hühn, Bürgermeister Jochen Grothe, dem landeskirchlichen Fundraisingpfarrer Helmut Liebs und Pfarrer Reinhard Hoene zusammen mit den Gründungstifterinnen und -stiftern errichtet. Projekte Der sonntägliche Gottesdienst ist zentrale Lebensäußerung der Evangelischen Kirchengemeinde. Deshalb müssen die Kirchengebäude in ihrer Substanz und Funktion langfristig erhalten bleiben. Dies gilt für die Friedenskirche in Amstetten-Bahnhof und das im Jahr 2004 fertig gestellte Gemeindehaus, insbesondere aber auch für unsere denkmalgeschützte, über 500 Jahre alte Laurentiuskirche in Amstetten-Dorf. Die Gemeinde freut sich, auf Jahrzehnte einer segensreichen Jugendarbeit des „Albdistrikts“, jetzt EJW Geislingen Albdistrikt, in Amstetten und Umgebung zurückblicken zu können. Auch die Kirchenmusik ist ein Beispiel für einen kulturellen Beitrag, den die Kirchengemeinde für die Gesellschaft leisten kann. In der Regel finden Konzerte darum immer im Zusammenhang mit biblischen Lesungen, Gebet und gemeinschaftlichem Singen statt. Für die Amstetter Kirchenstiftung hat die Kirchengemeinde ein Mindestvermögen in Höhe von 50.000 Euro veranschlagt, was erfreulicherweise schon bei Gründung überschritten wurde. Vorteile der Amstetter Kirchenstiftung Das Wesen einer Stiftung liegt in ihrer Langfristigkeit und Nachhaltigkeit. Die Amstetter Kirchenstiftung ist eine sehr langfristig angelegte Einrichtung. Die Gelder werden gewinnbringend angelegt und sichern so Erträge, die der Arbeit der Evangelischen Kirchengemeinde Amstetten zugute kommen. Geldmittel, die dem Stiftungsvermögen zugeführt werden, können die kirchengemeindliche Arbeit in Amstetten über Generationen hinweg sichern. Die Vorteile auf den Punkt gebracht: Das Vermögen ist sicher, der Zweck ist gewiss, die Stiftung wirkt dauerhaft und Zuwendungen sind für den Stifter steuermindernd. Pfarrer Reinhard Hoene zeigt die Stiftungsurkunde 400 Jahre Altarbild in der Veitskirche Schalkstetten Seit 400 Jahren ist das Altarbild die Mitte der Schalkstetter Veitskirche. Genau gesagt ist es „anno 1611 am 20. Dezember von Ulm nach Schalkstetten gebracht und aufgerichtet worden“. So ist es auf der Rückseite des Altarbildes vermerkt. Der Rat der Stadt Ulm hat das Altarbild bei dem Ulmer Maler Hans Denzel (1572-1625) in Auftrag gegeben. Es bildete den krönenden Schlusspunkt der Generalinstandsetzung der Kirche damals samt ihrer 3 2 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Erweiterung um 2,40 m in Richtung Westen. Davon zeugt bis auf den heutigen Tag die neben dem Turmzugang eingemeißelte Jahreszahl 1610. Wie vor 400 Jahren so ist es auch heute: Wer die Kirche betritt, der steht mit Maria, der Mutter Jesu, und Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu, unter dem Kreuz und wird so zum Beobachter, wenn nicht gar zum Zeugen der Kreuzigung. Das war der Anlass, das Altarbild in der letztjährigen Adventsmusik im Dezember in den Mittelpunkt zu stellen. Prälatin Gabriele Wulz war zu Gast und hielt die Predigt, in der sie das Altarbild mit dem Adventslied „Gottes Sohn ist kommen“ (EG 5) in Beziehung setzte. Musikalisch gestaltet wurde dieser stimmungsvolle Abend-Gottesdienst vom Posaunenchor Schalkstetten unter der Leitung von Andreas Eberhardt, dem Männerchor und dem Gemischten Chor „Il CHORetto“ des Männergesangvereines Schalkstetten unter der Leitung von Renate Menzel. Auch im Jahr nach dem Jubiläum lädt das Altarbild zur Besinnung ein. Das wandernde Gottesvolk In der Türkheimer Kirche sind gerade die Handwerker. Deshalb feiert die Gemeinde außerhalb. Die nicht sehr beliebten Gottesdienste um 9 Uhr sind im Pfarrhaus, wenn mehr Leute erwartet werden, ist im alten Schulhaus mehr Platz. Für die Konfirmation oder ähnliche Großereignisse wird der Saal im Gemeinschaftshaus angemietet. Alle Örtlichkeiten sind zwar nah beieinander, doch wollte man niemanden auf der Suche nach dem Gottesdienst in der Gegend herumirren lassen. So haben findige Köpfe ein Banner geschaffen, der Fachmann spricht von einem „Roll up“. Dieses steht nun an der jeweiligen Eingangstür und lädt zum Gottesdienst ein. Man darf gespannt sein, ob es auch auf dem Bosch-Hof zur Erntebittstunde am 8. Juli aufgerollt sein wird. DISTRIKT GEISLINGEN Abendgebet in der Stadtkirche In Geislingen lässt sich ein Mittwochnachmittag mit Arzttermin, Besuch im Krankenhaus, Bildungsveranstaltung, Schwimmbadbesuch, Einkehr in der Gastronomie und/oder Einkauf bestens abschließen mit dem Abendgebet in der Stadtkirche, Am Kirchplatz 1: Dort trifft man sich an jedem Mittwoch in der Schulzeit um 19 Uhr im Chorraum vor dem Daniel-Mauch-Altar, dem besonderen Kleinod der Stadtkirche mit dem so liebevollen Bild der Maria mit dem Christusknaben auf dem Arm. In guter Gemeinschaft wird eine halbe Stunde lang inne gehalten, singend und schweigend im Gebet, um vielleicht eine Kerze für ein Gebetsanliegen anzuzünden und um sicherlich gestärkt in den Abend zu gehen. Jede/r ist herzlich dazu eingeladen! 100 Jahre Gesamtkirchengemeinde Geislingen Zu einem Festgottesdienst anlässlich des 100. Geburtstages der Geislinger Evangelischen Gesamtkirchengemeinde wurde in die Stadtkirche Geislingen eingeladen. Am 6. April 1912 gründete sich die Gesamtkirchengemeinde mit den Kirchengemeinden Geislingen und Altenstadt. Im Hintergrund stand sicherlich der Zusammenschluss von Geislingen und Altenstadt zur Stadt Geislingen am 1. April 1912. Die Schar der Gemeinden wurde dann am 10. September 1926 erweitert um die Pauluskirchen- Regina Menzel, Uwe Glöckner, Isabella Rapp, Armin Beck vertreten die Geislinger Kirchengemeinden gemeinde und am 16. Januar 1985 um die Markuskirchengemeinde, eine Filialgemeinde der Martinskirche. Weiler kam am 10. Oktober 1974 dazu. Im Festgottesdienste predigte Dekanin Gerlinde Hühn über „Suchet der Stadt Bestes“. Sie nahm das Chorgewölbe der Stadtkirche als Symbol für die Gesamtkirchengemeinde: „Von vielen einzelnen Säulen getragen erhebt sich ein zusammenführendes, schützendes, geschmücktes Dach über einem weiten Raum. Genauso tragen die Einzelgemeinden das Ganze. Und der Raum darunter trennt nicht voneinander, er ist nötig, denn er bietet einen Freiraum und führt zusammen: Er führt die Menschen zusammen, die in ihm – im freien Raum – Gottesdienst feiern und dort eine Gemeinschaft erleben, die höher ist als alle Vernunft.“ Zur geschichtlichen Entwicklung sprach Professor Dr. Hermann Ehmer im Festvortrag und beschrieb die Gründe der Trennung von Kirche und Staat. Armenpflege, Personenstandsgesetz mit bürgerlichen Standesämtern, Baupflicht der Kommunen, Industrialisierung mit Bevölkerungszuwächsen waren die Stichworte. Noch das ganze Jahr 2012 wird mit vielen Veranstaltungen das 100-jährige Jubiläum gefeiert (siehe www.kirchenbezirkgeislingen.de) E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 3 Aus den Distrikten DISTRIKT GEISLINGEN Kunst in den Sommerferien In den Sommerferien ist in der Stadtkirche in Geislingen Zeit für Kunst. Dekanin Gerlinde Hühn bietet an sechs Abenden Kunstbetrachtungen an, musikalisch begleitet von Bezirkskantor Thomas Rapp. Bereits im vergangenen Jahr waren die Betrachtungen zu den Psalmenbannern, die in der Stadtkirche ausgestellt waren, gut besucht. Es zeigt sich, dass die Sommerferien Zeit lassen für Kunst und Musik. An sechs Abenden werden Gemälde des 15. bis 21. Jahrhunderts betrachtet. Zu dem jeweiligen Bild wird Bezirkskantor Thomas Rapp an der Orgel passend improvisieren. Termine: An den Mittwoch-Abenden in den Sommerferien 2012 1., 8., 15., 22., 29. August, 5. September Uhrzeit: 19.00 Uhr bis ca. 19.30/19.40 Uhr, Dauer 30 bis 40 Minuten Ort: Stadtkirche Geislingen Kunstfahrt der Pauluskirchengemeinde Geislingen Alte Pinakothek München Die Pauluskirchengemeinde Geislingen bot eine Kunstfahrt zur Alten Pinakothek in München an, wo Kunsthistoriker Jochen Meister in wahrhaft meisterlicher Weise das Werk und Wirken Albrecht Dürers nahebrachte. Albrecht Dürer kann in der Alten Pinakothek in München wie kaum sonst in einem Museum an Hand seiner Gemälde anschaulich gemacht werden. In der Führung mit Jochen Meister wurde das malerische Werk mit dem ikonenhaften Selbstbildnis im Pelzrock von 1500, den für das reformierte Nürnberg so aufschlussreichen sogenannten Aposteln, dem frühen „alt- gläubigen“ Paumgartner-Altar und vielen anderen Beispielen in seinen künstlerischen und gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Dürer war ein Mensch, der die Zeichen der Zeit erkannte, die Möglichkeiten, aber auch Gefahren einer Lösung von traditionellen Bindungen – in der Kunst wie in der Gesellschaft. Die Führung wurde zu einem Ausflug in die Kunst der Reformationszeit und zugleich zu einer der spannendsten Umbruchphasen der Kunstgeschichte. Auch im nächsten Frühjahr wird es eine Kunstfahrt geben. Geislinger Abendgottesdienste „Mit allen Sinnen“ Pauluskirche Geislingen Im „Jahr des Gottesdienstes“ feiert die Pauluskirchengemeinde vier Abendgottesdienste in der Reihe „Mit allen Sinnen“. Neue Lieder, eine zeitgemäße Sprache, hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen, ein Ständerling – das alles erwartet Sie an diesen Abenden. Als „roter Faden“ dienen die vier Elemente, eines für jeden Abendgottesdienst: Wasser, Luft, Feuer, Erde. Termine: Sonntag, 16. September, 18 Uhr zum Thema „Feuer“ mit dem Chor Gsangklang Sonntag, 11. November, 18 Uhr zum Thema „Erde“ 3 4 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Schulseelsorge an der Lindenschule Geislingen Seit nun fast zwei Jahren gibt es eine Kooperation zwischen Lindenschule, Gesamtkirchengemeinde Geislingen und dem Evangelischen Jugendwerk Bezirk Geislingen, die über das Standardmodell des Religionsunterrichtes hinausgeht. Die Zusammenarbeit ist sehr vielseitig. Wir sind ein Team von drei Hauptamtlichen: Pfarrer Frank Esche (Religionsunterricht und Schulseelsorge), Bezirksjugendreferentin und Diakonin Sabine Angnes (Ganztagesbetreuung und Schulseelsorge) und Jugendreferentin und Diakonin Romy Zerrenner (Religionsunterricht, Ganztagesbetreuung, Mittagstisch, Schulseelsorge). Schulseelsorge Die Schulseelsorge ist ein Angebot für Schüler und Schülerinnen, die ein persönliches Gespräch suchen. Gründe dafür können Auseinandersetzungen mit KlassenkameradInnen, Probleme mit den Eltern, Krankheit oder Tod eines Familienangehörigen oder anderes sein. Immer wieder kommen auch Glaubensthemen zur Sprache. Der Inhalt der Gespräche ist absolut vertraulich. Wir hören als Schulseelsorger den SchülerInnen gut zu. Wir möchten sie verstehen und suchen mit ihnen zusammen nach neuen Wegen. So versuchen wir, die Stärken der Schüler und Schülerinnen zu stärken. Schulseelsorge möchte leben, was Paulus so beschreibt: „Lasst einander also gelten und nehmt euch gegenseitig an, so wie Christus euch angenommen hat.“ (Röm 15,7) Kooperation Jugendarbeit – Schule Die Lindenschule in Geislingen-Altenstadt ist eine Grund- und Werkrealschule mit Ganztagesbetreuung in Klassen 1 – 7. Die SchülerInnen dürfen ihr Angebot frei wählen und wechseln dieses drei Mal im Schuljahr. Wir bieten für: • Klassen 1 und 2: Jungschar (Romy Zerrenner) Jeden Dienstagnachmittag treffen sich 10 – 15 Mädchen und Jungen um die spannende Geschichte von „Schlunz“ zu hören, gemeinsam zu singen, zu basteln und zu spielen. So vergehen 1,5 Stunden wie im Flug. • Klassen 3 und 4: Lernwerkstatt (Romy Zerrenner) Dieses Angebot findet im Rahmen des Fächer- verbundes Mensch, Natur und Kultur statt. Wir beschäftigen uns als Gruppe spielerisch mit sozialen und biblischen Themen. • Klassen 3 und 4: KidsClub (Sabine Angnes) Der KidsClub entspricht eigentlich der bekannten klassischen Jugendarbeit: Jungschar. Nur eben an der Schule und mit Kindern, die in unseren Gemeinden sonst eher selten auftauchen. 10 – 15 Kinder singen, hören eine (biblische) Geschichte, spielen, toben, haben Spaß! • Klassen 5 bis 7: Teenkreis (Sabine Angnes und Romy Zerrenner) Wir treffen uns im Evangelischen Jugendheim der Kirchengemeinde Altenstadt, um mit den 12 – 24 Jugendlichen einmal nicht wie im Schulbetrieb nur ruhig sein zu müssen, sondern auch mal toben zu dürfen. Eine Andacht gehört genau wie die Spiele zum Programm, ist aber oft viel spannender durch die vielen verschiedenen Kulturen und Religionen, die in dieser Gruppe aufeinandertreffen. Das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Funktionen, die wir in der Schule inne haben, ermöglicht uns einen intensiven Kontakt zu den Kindern. Das erleichtert den Kindern und Jugendlichen das Annehmen des Seelsorgeangebotes und gibt uns die Möglichkeit auch zu anderen Gruppen und Freizeiten der Gemeinde einzuladen. Für uns ist die Jugendarbeit an der Schule eine neue Erfahrung, die wir als sehr positiv empfinden. Durch die Veränderungen im Schulsystem verbringen die Kinder und Jugendlichen einen immer größeren Teil ihrer Zeit in der Schule – vielleicht spüren sie die Auswirkungen bereits in ihren Gemeindegruppen? Für Kirche ist es nicht einfach, sich in der immer knapper werdenden Freizeit, die jungen Menschen neben Sportverein, Musikschule und Co. bleibt, zu etablieren. Der Schritt in die Schule ist unseres Erachtens ein zukunftsweisender Weg, um Kindern und Jugendlichen dennoch christliche Werte außerhalb von Religionsunterricht und klassischer Gemeindearbeit zu vermitteln. E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 5 Aus den Distrikten DISTRIKT OBERE FILS 50 Jahre Christuskirche in Deggingen Das Fest Für eine Kirche ist das ja eigentlich noch kein Alter. Aber die Christuskirchengemeinde im Täle feiert trotzdem: Mit einem Festgottesdienst am Sonntag, 23. September 2012. Die Geschichte Am 16. September 1962 wurde die evangelische Christuskirche in Deggingen eingeweiht. Denn erst nach dem Krieg war die Zahl der Evangelischen im Täle groß genug um einen Kirchenbau in Angriff zu nehmen. Pfarrer Kurt Lamparter hat mit dem damaligen Kirchengemeinderat 1961 den Grundstein gelegt. Die Planung lag in den Händen von Architekt Dr. Ruff aus Stuttgart. Zuvor fanden Gottesdienste und das übrige Gemeindeleben im Betsaal statt, dem heutigen Gemeindehaus. In freundlicher Zurückhaltung gibt die Christuskirche Raum für unterschiedliche Gottesdienste und Konzerte. Durch ihre schlichte Innenausstattung eignet sie sich auch gut dazu Kunstwerke auf Zeit zu beherbergen. So waren in der Christuskirche schon Werke zu sehen von Christel Fuchs, Josef Wehrle, Hannelore Fehse und Werner Stepanek. Eine Stahlskulptur von Werner Stepanek hat als Leihgabe ihren Platz vor der Christuskirche gefunden. Die Christuskirche liegt am Radweg, der die Ortsteile Reichenbach, Deggingen, Bad Ditzenbach und Gosbach verbindet. Und es ist in der Tat so, dass sich die Evangelischen im Täle zum Gottesdienst ein gutes Stück auf den Weg machen müssen. Da haben es die Auendorfer zur Stephanuskirche näher, die sich seit dem Gemeindezusammenschluss als die sehr viel ältere Schwesterkirche fühlen kann. Christuskirche Deggingen Psalmenausstellung im Gemeindehaus Auendorf Sich aufmachen – Festwoche zum Gemeindezusammenschluss Unter diesem Motto stand die Festwoche zum Zusammenschluss der Kirchengemeinden Auendorf und Deggingen-Bad Ditzenbach. Am Erntedankfest 2011 wurde die Ernte eingebracht von viel Beratungsarbeit und so manchen gemeinsamen Aktionen in den Jahren davor. Prälatin Gabriele Wulz legte in ihrer Festpredigt das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat aus. Auch wenn bei einer Gemeindefusion natürlich nicht alles von selbst geht, so gibt dieses Gleichnis die Erlaubnis zum Atem holen und zum Geduld haben im Vertrauen darauf, dass Gottes Segen das Geheimnis ist von allem Wachsen und Gedeihen. Zum Abschlussgottesdienst erklangen die Stimmen des evangelischen Singkreises und des katholischen HeiligKreuz-Chors vereint zum Lobgesang als ein schönes Zeichen ökumenischer Anteilnahme. Nach dem Feiern kommt der Alltag. Und was in den zurückliegenden Jahren schon eingefädelt wurde an gemeinsamen Gottesdiensten, an Zusammenarbeit der Gemeindegruppen wird nun weiter gepflegt, damit Gemeinde wachsen kann. Eigentlich muss jetzt der neu 3 6 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Pfarrerin Birgit Enders eingezäunte Gemeindegarten bewässert und bebaut werden. Eigentlich braucht es jetzt die Zeit zum Abwarten, was sich entwickelt. Aber diese Entwicklungszeit wird schon wieder durcheinander gebracht durch die nächste Pfarrplanrunde, die neue Veränderungen fordert. Herz und Schmerz aus Sängersmund und Dichtersbrust Das evangelische Gemeindehaus Deggingen verwandelte sich in einen musikalisch-romantischen Salon. Als Hauptwerk erklang die „Dichterliebe“ von Robert Schuman, die Vertonung sechzehn Gedichte aus Heinrich Heines Buch der Lieder. Christian Wilms (Tenor), der Gesang mit Schwer- punkt Oper an der Musikhochschule Stuttgart studiert, gelang es überzeugend dem ewig alten Spiel von Liebessehnen und gebrochenem Herzen in ganz unterschiedlichen Stimmungen Ausdruck zu verleihen. Genial begleitet wurde er am Klavier von Korrepetitor Eberhard Leuser. Das zahlreiche Publikum ließ sich gerne vom Zusammenklang der beiden Künstler in Bann schlagen. Wie es sich für einen musikalischen Salon gehört, war im Anschluss bei Sekt und Häppchen noch Gelegenheit zu Unterhaltung und Gespräch, auch mit den beiden sympathischen Künstlern. 1150 Jahre Wiesensteig Gleich dreimal feierte die evangelische Kirchengemeinde Wiesensteig im vergangenen Jahr Jubiläum. Durch die Gründung des Kloster Wiesensteigs im Jahre 861 wurden die Orte Hohenstadt, Mühlhausen und Wiesensteig mit sieben weiteren Gemeinden erstmals urkundlich erwähnt. Grund zum Feiern in den einzelnen Gemeinden und für drei ökumenische Gottesdienste in den jeweiligen Gemeinden. Ausgehend von der Klostergründung Wiesensteigs mit dem Ziel, Glauben zu wecken und die Entwicklung der Region zu fördern, zeigten die beiden katholischen Pfarrer Jürgen Mühlbacher und Andreas Frosztega und Pfarrer Jörg Schaber als Vertreter der evangelischen Kirche mit Worten aus der Bibel Wege zum Glauben und Vertrauen auf Jesus Christus heute und zum verantwortlichen Handeln in unseren Städten und Gemeinden. Die Gottesdienste wurden festlich durch Chöre wie dem Hohenstädter Kirchenchor, der Jagdhornbläsergruppe Geierswalde (Partnergemeinde Mühlhausen), dem Gospelchor AmazSing (Ev. Kirche) und der Stadtkapelle Wiesensteig umrahmt. Es waren schöne Höhepunkte im Jahr 2011. Durch die Feierlichkeiten wurden Kontakte geknüpft und vertieft. Pfarrer Jörg Schaber und Pfarrer Andreas Frosztega E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 7 Aus den Distrikten DISTRIKT OBERE FILS Die Gruibinger Martinskirche – einer der ältesten Kirchenstandorte in Südwestdeutschland Die Gruibinger Pfarrkirche St. Martin wurde in romanischer Zeit um 1100 in ihrer jetzigen Form erbaut. Urkundlich wird der Sakralbau mit dem massiven Turm im Westen erstmals 1184 erwähnt. Um 1350 wurde im Osten der gotische Polygonalchor angebaut. Die erste Vorgänger-Kirche entstand im 7. Jahrhundert als Holzpfostenbau. Zu ihr gehörten sechs Gräber. Sie waren bis auf eine Erdbestattung gemauert oder mit Steinplatten umgeben. In zentraler Lage östlich des Altars fand sich das Grab eines etwa 80 Jahre alten Mannes. Die Ausstattung mit einem großen Messer und einer aus Bein gearbeiteten Gürtelschließe weist den Toten als einen Priester aus, der die Kirche wohl im ersten Drittel des 7. Jahrhunderts betreute. Zur Stifterfamilie gehörte eine Frau, von deren reichen Ausstattung nur noch ein goldener Ohrring mit Almandineinlagen geborgen werden konnte. Ein weiteres Grab enthielt Bestandteile der Tracht sowie einen beinernen Kamm und ein Tongefäß. Im 8./9. Jahrhundert ersetzte man die Holzkirche durch einen 12 m langen und 8 m breiten Rechteckbau mit einer leicht ovalen Apsis im Osten. Im Kirchenschiff wurden wiederum zwei Angehörige des Ortsadels in steinernen Trogsarkophagen bestattet. Dieser ersten Steinkirche folgte schließlich im 10./11. Jahrhundert ein weiterer Steinbau mit halbrunder Apsis und einem Turm im Westen. Die Gruibinger Pfarrkirche St. Martin hatte also drei Vorgängerbauten, die eine Kontinuität bis in die Merowingerzeit belegen. Die Holzkirche des 7. Jahrhunderts wurde von der lokalen Adelsfamilie im Bereich ihres Herrenhofs als Eigenkirche errichtet. Sowohl der Herrenhof mit dem zugehörigen Sakralbau als auch die nordwestlich anschließende Siedlung „Griubinga“ wurden auf einem Höhenrücken gegründet, auf dem zuvor bereits ein römischer Gutshof stand. Dr. Reinhard Rademacher, Kreisarchäologie Göppingen Ehrenamtliche engagieren sich für Kirchenmuseum in Gruibinger Martinskirche Neue Präsentation alter Fundstücke in der Gruibinger Martinskirche Sie staunten nicht schlecht, als der Kreisarchäologe Dr. Reinhard Rademacher im März letzten Jahres die Funde begutachtete, die sie in einer Schachtel im Pfarramt ausgelegt hatten. Der Vorsitzende des Kirchengemeinderates Walter Kuhn und der Kirchenführer Rudolf Härle waren im November 2010 dem Hinweis des Mesners gefolgt, oben in der Kirche läge eine Schachtel mit Schädelknochen. Neben dieser fand man dann in der hintersten Ecke eine weitere Schachtel mit Scherben. An der Vorbereitung des Jubiläumsfestes im Juni 2011 war man schon auf den Standort der früheren „Marienkapelle“ im Süden neben der Kirche gestoßen und nun fanden sich Beweise, dass Gruibingen wesentlich älter als angenommen war. Es war bekannt, aber es war nicht nachweisbar. 3 8 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Nun sollten neben dem Ohrring, der 1982 als Replik vom damaligen Bürgermeister Robert Knaus gestiftet wurde, die Fundstücke in einer Vitrine im Turmraum der Kirche ausgestellt werden. Der Turmraum der Kirche, in dem auch der alte Steintaufstein und die wiedergefundenen „Lettnergitter“ eine sakrale Ecke darstellen, soll nun bis Sommer 2012 neu gestaltet werden. In der Vitrine werden zwei weitere Nachbildungen (Saxortband und Gürtelschnalle) ausgestellt und eine Hinweistafel wird alles erläutern. Damit wird mit der Marienkapelle, ein kleines Kirchenmuseum entstehen, das dieser kleinen, alle Ehre machen wird. Zu besichtigen ist die Martinskirche immer sonntags oder nach telefonischer Absprache auch unter der Woche. DISTRIKT UNTERE FILS Fastengebet und Fastensuppe In einer Gemeinschaftsaktion haben die katholische und die evangelische Kirchengemeinde Donzdorf in der Fastenzeit jeweils am Mittwoch zum Mittagsgebet mit anschließendem gemeinsamen Essen eingeladen. Im Gebet in der katholischen Kirche wurden neuere Kirchenlieder gesungen, in Abschnitten das Misereor–Hungertuch 2012 meditiert, jeweils ein biblischer Text gelesen und ausgelegt und Impulse für die kommenden Tage gegeben. Die Stichworte, sichtbar zu lesen an großen Würfeln waren: Um.kehren, Er.ahnen, Ent.scheiden, Nach.folgen, Hin.geben. Bereits der sich dann jeweils anschließende kurze Spaziergang zum katholischen Gemeindehaus St. Martinus war kommunikativ und anregend. Auch beim Essen der schmackhaften „Fastensuppe“, die von einem kleinen Team von Frauen gekocht worden war, wurden in den Tischgemeinschaften viele Gespräche geführt und so das Motto umgesetzt: „Bewusst die Fastenzeit gestalten: Miteinander beten – Miteinander essen – Miteinander reden“. Treffpunkt Bücher-Basar in Donzdorf Seit März ist jeden Montagnachmittag der neue „Treffpunkt Bücher-Basar“ im Untergeschoss des Gemeindezentrums in Donzdorf geöffnet. Viele, zum Teil auch recht neue Bücher warten auf LeserInnen. Ein Team ehrenamtlich tätiger Frauen betreut den „Treffpunkt“. Sie empfangen BesucherInnen mit Kaffee oder Tee und helfen gern beim Aussuchen der Bücher. Eine gemütliche Couch lädt zum Schmökern ein. Alle Bücher und auch die Regale sind gestiftet. Man findet nicht wenige Raritäten! Auch nach den Gottesdiensten und Veranstaltungen können Interessierte gerne in den Buchbeständen stöbern. Jeder, der ein Buch mitnimmt, wird gebeten, eine Spende zu geben. Alle Spenden dienen der Finanzierung neuer Stühle in der Christuskirche. E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 3 9 Aus den Distrikten DISTRIKT UNTERE FILS Neues Pfarrhaus in Kuchen Dass das „Häuslebauen“ hierzulande zum guten Ton gehört, wird wohl kein Schwabe bestreiten können. Allerdings: Wenn es sich dabei um den Bau eines „Pfarrhäusles“ handelt, wird der eine oder andere schon etwas hellhöriger. Und so manch einer mag sich fragen: „Macht das heutzutage überhaupt noch Sinn – ein Pfarrhäusle bauen? Landauf landab werden doch Pfarrstellen gekürzt und Gemeinden zusammengelegt – wozu also ein neues Pfarrhaus?“ Nicht so die Kuchener. Am Anfang stand eine Immobilienkonzeption, die durch eine eigens hierfür einberufene Kommission (besetzt aus evangelischen Bürgerinnen und Bürgern, dem Kirchengemeinderat, Bausachverständigen und dem Pfarrer) erarbeitet wurde. Deren Empfehlung war klar: Das neue Kuchener Pfarrhaus muss zum Gemeindehaus! Und so wurde bereits im Jahr 2008 durch den Kirchengemeinderat beschlossen, das alte Pfarrhaus zu verkaufen und direkt neben dem Gemeindehaus ein neues Pfarrhaus zu bauen. Da man einem neuen Pfarrer nicht zumuten wollte, sich gleich zu Amtsantritt mit Baufragen beschäftigen zu müssen, nutzt der Kirchengemeinderat die Vakaturzeit und hat in den letzten Monaten mit den Vorarbeiten begonnen. Und nun kann in Kuchen also tatsächlich in die Hände gespuckt werden getreu dem Motto: „Schaffe, schaffe, Pfarrhäusle bauen.“ Süßener Gemeindereise nach Südindien Im Januar startete eine 14-köpfige Reisegruppe aus Süßen, Schw. Gmünd und Stuttgart unter der Leitung von Julie Lipp-Nathaniel und Dr. Leslie Nathaniel nach Südindien. Julie Lipp-Nathaniel ist Kirchengemeinderätin in Süssen und Tochter von Richard Lipp, dem ersten Bischof der Südindischen Kirche. Die Gruppe besuchte verschiedene Heime und Schulen, in denen die Mädchen und Jungen Geborgenheit und Hilfe erfahren dürfen und auch eine fundierte Ausbildung bekommen. Kutumba, ein Heim für körperbehinderte Mädchen, die zuhause keine Chance auf ein selbst bestimmtes Leben hätten, soll hier exemplarisch erwähnt werden. Auch die Sehenswürdigkeiten kamen nicht zu kurz. Erstes Ziel war Bangalore, eine Großstadt mit fast 9 Mio. Einwohnern. Die Hindu Tempel in Mysore und Trivandrum, die Altstadt von Chochin, eine Hausbootfahrt in den Backwaters, die Teestadt Munnar, ein Ritt auf Elefanten, eine Aufführung des traditionellen Kathakalitanzes und vieles mehr standen auf dem Programm. Interessante Gespräche, berührende Begegnungen und herzliche Gastfreundschaft durften die Gruppe erleben und viele neue Eindrücke mit nach Hause nehmen. Von diesen Eindrücken, der Dankbarkeit und der Lebens- 4 0 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G freude, aber auch von der landschaftlichen und kulturellen Schönheit berichteten unsere Reiseleiter, das Ehepaar Nathaniel, mit Hilfe zahlreicher Bilder Ende März im Süßener Gemeindehaus. Über 100 Besucher ließen sich für dieses Land und seine Menschen begeistern und probierten auch die verschiedenen indischen Speisen. Wir bedanken uns bei allen die gekommen sind und für die großzügigen Spenden. Dank Ihrer Hilfe können wir einen Betrag von 600 Euro an das Heim Kutumba und die beiden angeschlossenen Heime weiterleiten. Hund, Katze, Maus – Tierisches in der Bibel In den Sommerferien findet auch in diesem Jahr im Distrikt „Unteres Filstal“ wieder eine thematische Predigtreihe statt. Herzliche Einladung! Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde … Pfarrer 05. Aug. 9 Uhr Süßen Matthias Krauter 12. Aug. 9 Uhr Kuchen, 10 Uhr Gingen Lämmer, Schafe, Böcke … Pfarrer Alfred Ehmann 05. Aug. 9 Uhr Kuchen, 19. Aug. 9 Uhr Süßen, 10 Uhr Gingen 10 Uhr Donzdorf Die ungewollten Haustierchen Pfarrerin z.A. Viola Schenk 05. Aug. 9 Uhr Nenningen, 10 Uhr Donzdorf 02. Sept. 9 Uhr Kuchen, 10 Uhr Gingen 09. Sept. 9 Uhr Süßen Von gefährdeten Schafen und genügsamen Hunden Pfarrer GerdUlrich Wanzeck 12. Aug. 9 Uhr Süßen, 26. Aug. 9 Uhr Kuchen 10 Uhr Donzdorf Was bitte macht ein Klippdachs in der Bibel? Pfarrer z.A. David Dengler 19. Aug. 9 Uhr Kuchen, 26. Aug. 9 Uhr Süßen, 10 Uhr Gingen 10 Uhr Donzdorf Der dumme Esel!? Pfarrerin Friederike Maier 02. Sept. 9 Uhr Süßen, 09. Sept. 10 Uhr Gingen 10 Uhr Donzdorf Der „Micha-Kurs“ – ein Seminar der besonderen Art in Gingen „JUST PEOPLE? – Der Micha-Kurs“ – so lautet der Titel einer Seminarreihe, zu der sich in Gingen 25 Teilnehmende an sechs Abenden getroffen haben. Es ging um den Themenkreis „Gerechtigkeit und globale Nächstenliebe“. In den ersten drei Kurseinheiten wurde die Armutsproblematik sowohl aus dem gesamtgesellschaftlichen als auch aus dem biblisch-theologischen Blickwinkel betrachtet. In den letzten drei Kurseinheiten setzten sich die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer damit auseinander, wie sie ihren persönlichen Lebensstil und ihr gesellschaftliches Auftreten gerechter gestalten können. Abgeschlossen wird das Ganze mit einem konkreten Projekt. Die Teilnehmer in Gingen beschlossen, einen Gottesdienst zum Thema „Gerechtigkeit“ gemeinsam zu planen und durchzuführen. Das Kursmaterial wurde erstellt von der „Micha-Initiative Deutschland“, dem deutschen Zweig der weltweiten „Micah Challenge-Kampagne“. Dies ist eine Initiative der Evangelischen Allianz, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen auf verschiedenen Ebenen für Armut und Gerechtigkeit zu sensibilisieren und von den Politikern immer wieder die Einhaltung und Durchsetzung der „Milleniumsziele“ einzufordern, die von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 in der sogenannten „Milleniumserklärung“ verabschiedet wurden. Die Kursmaterialien sind so ausgearbeitet, dass eine Gemeinde oder Gemeindegruppe diesen Kurs ohne aufwändige Vorbereitung und kompetente Spezialisten durchführen kann. Neben einem Referat zum Thema und unterschiedlichen methodischen Anregungen bietet das Kursbuch zu jedem Abend drei Vertiefungsartikel für zuhause. Interessant war die Zusammensetzung der Gruppe: Sie war sowohl altersmäßig als auch vom Geschlecht her durchmischt. Auch der theologische Hintergrund und der persönliche Frömmigkeitsstil waren unterschiedlich. Das war spannend und sehr bereichernd. Alle merkten bald, dass von diesem Thema jede und jeder betroffen ist und in den Gesprächen etwas beitragen kann. Seinen Namen verdankt der Kurs Micha 6,8: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“ Was gut ist und was Gott von uns erwartet, darum soll es in einer Fortsetzung des Micha-Kurses gehen. E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 4 1 Wo finde ich Information und Hilfe? Evangelisches Dekanatamt Dekanin Gerlinde Hühn Hansengasse 2, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 4 17 61, Fax (0 73 31) 4 17 51 Email: Ev.Dekanat.Geislingen@t-online.de Konto Evangelischer Kirchenbezirk: Konto-Nr. 600 862 8, KSK Göppingen, BLZ 610 500 00 Jugendheim Stötten Belegung über Kirchenbezirksrechner Klaus Machacek Tel. (0 73 31) 4 11 54 Kirchenmusik Thomas Rapp, Bezirkskantor Schwärzwiesenstraße 16, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 94 61 16 Evangelisches Schuldekanat Schuldekan Johannes Geiger Helmut-Bornefeld-Straße 11, 89518 Heidenheim Tel. (0 73 21) 92 49 49, Fax (0 73 21) 92 49 47 Online-Seelsorge http://www.ekd.de/internet/internetseelsorge.html Evangelisches Jugendwerk Sabine Angnes, Daniel Dorn Friedensstraße 44, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 4 28 72, Fax (0 73 31) 4 47 12 Helfenstein-Klinik Geislingen Pfarrer Volker Weiß Oberböhringer Straße 5, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 9 86 88 03 Schulsozialarbeit Jugendreferentin Romy Zerrenner Tälesbahnstraße 7, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 30 37 48 Diakonie-Sozialstation Geislingen Bronnenwiesen 16, 73312 Geislingen IAV-Stelle, Tabea Astfalk, Tel. (0 73 31) 93 73-20 Nachbarschaftshilfe, Tel. (0 73 31) 93 73-23 Pflegedienst, Tel. (0 73 31) 93 73-21 Diakonische Bezirksstelle Hospizarbeit im Kirchenbezirk Ernst-Wilhelm Weid, Doris Ita-Sawall Steingrubestraße 6, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 4 14 89, Fax (0 73 31) 4 51 46 Diakonieladen „Kunterbunt“ Moltkestraße 25, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 40 05 39 Diakonie-Kaffeehaus Moltkestraße 27, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 98 48 96 Bikers Helpline Tel. (01 80) 44 333 33 oder Buchstabenwahl 0180 – Helpline Blindenseelsorge Pfarrerin Friederike Maier Heidenheimer Str. 59/1, 73079 Süßen Tel. (0 71 62) 4 40 74 Email: friederike.maier@web.de Evangelische Erwachsenenbildung Günther Alius Bahnhofstraße 75, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 30 70 97-30, Fax (0 73 31) 30 70 97-39 HIV-Infizierte und Aidskranke Pfarrerin Sabine Kluger Hohenstaufenstraße 35, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 6 39 60 Pfarrer Eckhard Ulrich Markusplatz 1, 70180 Stuttgart Tel. (07 11) 60 38 55 Email: aidsseelsorge@elk-wue.de und aidsseelsorge_ulrich@yahoo.de 4 2 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete Susanne Wurster, Tanja Hoffmann Steingrubestraße 6, 73312 Geislingen Tel. (0 73 31) 4 45 81 TelefonSeelsorge (kostenlose Rufnummern) 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 VON MENSCHEN, BEGEGNUNGEN UND JUBILÄEN Das Martinshaus in Gruibingen hat neue Hausmeister Ulrike Lauke hat ein gutes Jahr im Evangelischen Martinshaus für Sauberkeit und Ordnung gesorgt. Nun hat sie eine neue Stelle gefunden und ihren Dienst Ende 2011 beendet. Der Kirchengemeinderat hat beschlossen, die Stelle der Reinigungskraft um die Hausmeistertätigkeit zu erweitern. Brigitte und Jürgen Grathwohl aus Gruibingen haben diese Aufgabe mit diesem Jahr übernommen. Ehepaar Grathwohl hatte. Immer wusste sie zu antworten wenn es darum ging: Was war damals eigentlich verabredet? Vor allem aber trug sie mit ihrem freundlichen, sonnigen und doch entschiedenen Wesen ganz wesentlich dazu bei, dass in diesem Gremium alles, auch Gegensätzliches, gesagt werden kann – und dass dies einer guten Atmosphäre dennoch niemals Abbruch tut. Sie hat seit frühester Jugend mitgearbeitet in der Kinderund Jugendarbeit. Generationen von Konfirmandinnen und Konfirmanden haben sie im Team bei den Freizeiten erlebt. Unvorstellbar auf Konfirmandenfreizeit zu sein, ohne dass Sonja in der Küche dafür sorgt, dass alle satt werden, ohne mit ihr abends zusammen zu sitzen und im Team zu klönen, während die Jungs und Mädchen immer noch nicht ins Bett wollen. So schwer zu begreifen, dass sie nicht mehr da ist. Immer sind wir nur einen Wimpernschlag von der Ewigkeit entfernt. Dass es Gottes Ewigkeit ist, ist unser einziger Trost. Wechsel im Pfarramtsbüro in Gruibingen Sabine Kabel Suse Schneider Neuer Pfarrer für Eybach und Stötten Am 14. November 1994 – also vor beinahe 18 Jahren, wurde Suse Schneider als Pfarramtssekretärin eingestellt. Vier verschiedene Kirchengemeinderäte, drei Vakaturen, sechs verschiedene Pfarrerinnen und Pfarrer hat sie erlebt. Unzählige Stunden, Briefe, Telefonate. Sie war 17 Jahre die gute Seele der Kirchengemeinde. Suse Schneider hat sich zum Ende letzten Jahresende in den Ruhestand verabschiedet. Sie hat aber nicht alle Aufgaben abgegeben, sondern bleibt der Gemeinde als Briefausträgerin und Vertretung erhalten. Nachfolgerin von Suse Schneider ist Sabine Kabel. Sie hat Mitte November 2011 angefangen und konnte so gut in ihre Aufgaben eingeführt werden. Sonja Rommel 1974 – 2011 Es gibt Dinge, die sind unvorstellbar und entziehen sich jedem wirklichen „Begreifen“. Dass Sonja Rommel tot ist, erscheint als schrecklicher Irrtum, als grausame Falschmeldung, als ein schlechter Traum. Und so wird es vielen aus dem weiten Kreis ihrer Freundinnen und Freunde und allen aus dem Kreis ihrer Familie gehen. Sonja hat vielen sehr viel bedeutet – in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen, gerade auch für die Stadtkirche. Sie musste nicht ständig laut auf sich aufmerksam machen. Sie war einfach da und arbeitete und beriet mit. So jung sie war, so lange war sie dennoch schon im Kirchengemeinderat. Sie war das „Gedächtnis“ des Gremiums – nicht nur, weil sie über Jahre Protokoll schrieb, sondern weil sie viele Beschlüsse und Entscheidungen im Kopf Im Oktober zog Familie Beißwenger-Vinzenz ein ins Pfarrhaus in Eybach. Geboren wurde Jörg Beißwenger 1962 in Stuttgart. Vor dem Theologiestudium machte er ein einjähriges Praktikum in einem Krankenhaus in Cannstatt und danach bei einer Vermessungsfirma in Stuttgart. Er studierte Theologie in Erlangen mit einem Zwischenaufenthalt in Oslo und zum Schluss in Tübingen. 1991 heiratete er seine erste Frau, eine Norwegerin, und zog nach dem Vikariat nach Tröndelag, wo sie sich eine Pfarrstelle teilten. Leider hielt diese Ehe nicht, und so kam Jörg Beißwenger 1999 zurück nach Württemberg und arbeitete beim Dekan in Calw als Pfarrer zur Dienstaushilfe. In Calw lernte er seine heutige Frau, eine Kirchenmusikerin, kennen. Sie heirateten 2002. Seine erste ständige Pfarrstelle war in Möttlingen, Dekanat Calw. Nun ist die Familie seit Oktober 2011 in Eybach und Stötten. Die Ehefrau von Jörg Beißwenger, Ursula Vinzenz, hat als Kirchenmusikerin bereits vielfältige Betätigungsanfragen. So ist sie nun auch neue Leiterin des Kirchenchores in Donzdorf. Ehepaar Beißwenger-Vinzenz E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 4 3 Menschen – Begegnungen – Jubiläen 80 Jahre Kirchenchor Bad Überkingen Der Kirchenchor Bad Überkingen feierte in einem musikalischen Abendgottesdienst sein achtzigjähriges Bestehen. Rose Bischoff singt als dienstältestes Mitglied seit 56 Jahren im Chor. Der Chor unter Leitung von Hans Martin Kröner, der auch Organist in Bad Überkingen ist, singt Choräle und anspruchsvolle Literatur in den Gottesdiensten an den hohen Feiertagen und zu sonstigen Anlässen. Trauer um Ernst-Ulrich Schäfer Im Alter von 67 Jahren starb am 29. September 2011 Uli Schäfer, langjähriger Organist an der Christuskirche Donzdorf und Leiter des Kirchenchores. Zunehmend hatte er im Ruhestand auch Vertretungsdienste in den anderen Gemeinden des „Distrikts Unteres Filstal“ übernommen. Tief verwurzelt im christlichen Glauben hat er seine Gaben für andere eingesetzt. Weil es ihm um das Zentrum in Jesus Christus ging, konnte er mühelos die Konfessionen verbinden. In ökumenischer Weite schätzte er die großen Messen katholischer Komponisten genauso wie Bach‘sche Choräle und gute, biblisch fundierte evangelische Predigten und Gottesdienste. Er war ein exzellenter Musiker, begeisternder Dirigent und Pädagoge und hat durch sein Wirken am Rechberg-Gymnasium Donzdorf und seine 25-jährige Leitung des Liederkranzes Reichenbach, des katholischen Kirchenchores Wissgoldingen und des Kirchenchores das Leben der Kirchengemeinde und der Stadt mitgestaltet. Von 1983 bis 1989 war er auch Mitglied des Kirchengemeinderats. Seine Tatkraft und sein Einsatzwille schienen unerschöpflich. Wir haben mit ihm einen einfühlsamen, feinen Menschen verloren, der vielen zum Freund geworden ist. Der von G. P. Telemann vertonte Kanon „Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein“ (Psalm 34,2) fasst eindrücklich zusammen, was ihn bewegte und ausfüllte. 4 4 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Ursula Vinzenz ist Leiterin des Kirchenchores in Donzdorf Seit September 2011 wohnt Ursula Vinzenz zusammen mit ihrem Mann, Pfarrer Jörg Beißwenger, und zwei kleinen Kindern in Eybach. Bereits seit November fährt sie über den Berg nach Donzdorf und leitet den kleinen Projektchor der Kirchengemeinde. Der Tod von Uli Schäfer hatte eine große Lücke gerissen. Umso dankbarer sind alle Sängerinnen und Sänger, ja die ganze Kirchengemeinde, in Frau Vinzenz eine hervorragende und engagierte Dirigentin gefunden zu haben. Innerhalb weniger Wochen gelang es ihr, den Chor zu prägen. Eine erste Kostprobe erlebten alle Besucher des traditionellen Konzerts „Musik im Advent“, dessen Programm Ursula Vinzenz zusammenstellte und auch durch eigene Beiträge an der Orgel mitgestaltete. Man merkt, dass sie nach ihrem Kirchenmusikstudium in Trossingen bereits elf Jahre lang in Stuttgart als Kirchenmusikerin gearbeitet hat. Vor und nach Ostern hat der Chor weitere Gottesdienste mitgestaltet. Wenn man sie fragt, was sie sich wünscht: „Ich empfinde die Atmosphäre im Chor und auch in den Gottesdiensten als sehr wohltuend und wünsche mir dringend viele gute neue Sängerinnen und Sänger in allen Stimmlagen.“ Hoffentlich erfüllt sich dieser Wunsch! Bezirksprädikantenpfarrerin Ingeborg Brüning im Ruhestand Werner Maier verabschiedet Ingeborg Brüning Beim jährlich stattfindenden Bezirksprädikantentag haben die Prädikantinnen und Prädikanten im Kirchenbezirk „ihre“ Bezirksprädikantenpfarrerin, Ingeborg Brüning, herzlich verabschiedet. Mit ihrem Stellenantritt auf die Pfarrstelle Steinenkirch im Jahr 2002 hat Ingeborg Brüning auch das Bezirksamt der Prädikantenpfarrerin übernommen. Die Arbeit mit Ehrenamtlichen im Verkündigungsdienst war ihr die ganzen Jahre über eine Herzensangelegenheit. Sie organisierte Fortbildungen und begleitete die Prädikantinnen und Prädikanten mit Rat und Tat. Prädikanten-Sprecher Werner Maier, Gingen, dankte Ingeborg Brüning mit einem Blumenstrauß und wünschte ihr für den Ruhestand, den sie mit ihrem Ehemann in Lauterburg verbringen wird, alles Gute. Pfarrer zur Dienstaushilfe bei der Dekanin: David Dengler Süßener Kirchengemeinderat mit drei neuen Mitgliedern Nach seinem Ausbildungsvikariat im Kirchenbezirk Heidenheim ist David Dengler als Pfarrer zur Dienstaushilfe zur Dekanin nach Geislingen gekommen. Der Oberkirchenrat hat ihn damit beauftragt. Der in einem Pfarrhaus groß gewordene Dengler hat sich mit großem Einsatz sofort ans Werk gemacht und in der Kirchengemeinde Kuchen die Vertretung auf der vakanten Pfarrstelle übernommen. Auch hat David Dengler das Redaktionsteam der Kirchenbezirks-Zeitung verstärkt. Somit kommen wieder neue Ideen eines jungen Menschen in den Kirchenbezirk. Drei neue Kirchengemeinderätinnen sind in Süßen im vergangenen Jahr in den Kirchengemeinderat nachgerückt: Dorothea Brucker, Iris Knittel und Monika Findeis (v.l.n.r.). Schön, dass sie die Nachfolge von Dafna Seybold, Dorothea Schlaudraff und Ulrike Augenstein angetreten haben, die aus Süßen weggezogen sind. Wechsel in der Krankenhaus-Seelsorge Klaus Hoof, Pfarrer an der Helfenstein-Klinik in Geislingen, wurde am 3. Advent vergangenen Jahres in den Ruhestand verabschiedet. Nach einer Dienstzeit von 34 Jahren, die letzten 5 Jahre als Klinik-SeelPfarrer Klaus Hoof sorger in Geislingen, ist er aus dem Dienst ausgeschieden. Im Kirchenbezirk hat er auch Vertretung in Wiesensteig übernommen und war immer bereit, bei Gottesdiensten auszuhelfen. Auch im Ruhestand ist er engagiert. Er ist nun Mitglied im Redaktionsteam der Kirchenbezirks-Zeitung. Die Nachfolge von Klaus Hoof haben im März das Ehepaar Margret Ehni und Volker Weiß angetreten. Erfahrungen haben sie als Seelsorgende im Krankenhaus Calw und in der Kirchengemeinde Holzbronn gesammelt und wollen diese in ihren zukünftigen Betätigungsfeldern vertiefen: Pfarrer Volker Weiß als Krankenhausseelsorger in der Helfensteinklinik und Pfarrerin Margret Ehni auf der Projektstelle „Seelsorge in der Palliativversorgung“ mit je 50 % Dienstauftrag. Wie schon in Calw werden sie sich als Ehepaar die kombinierte Stelle teilen. Die beiden wollen Menschen begleiten in ihrer Suche nach Halt und Kraft im Leben und im Sterben und bei der Entdeckung ihrer eigenen Spiritualität. 90 Jahre Posaunenchor Süssen Mit zwei Bläsern wurde an der Weihnachtsfeier des Süßener Jünglingsvereins 1922 „Stille Nacht, heilige Nacht“ gespielt. Der damalige Auftritt ging als Gründungstag des Posaunenchors in die Süßener Geschichtsbücher ein. 1929 bestand der Chor bereits aus 12 Mitgliedern. In den vergangenen 90 Jahren wurde der Chor von fünf Dirigenten geleitet. Die Mitgestaltung von Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen, die Mitwirkung bei Gottesdiensten im Grünen, bei Landesposaunentagen und gemeinsame Aktivitäten, Freizeiten und Reisen gehören mit zum Programm. Derzeit spielen 43 Bläserinnen und Bläser im Chor, darunter acht in der Seniorengruppe. Aktuell werden sieben Jungbläserinnen und Jungbläser ausgebildet. Beim Festgottesdienst Anfang Mai war Zeit für vielfältige Musik, die Geschichte des Chores und Begegnungen. Geehrt wurde Bläser Albert Fischer für 60 Jahre Mitwirkung im Chor. Dekanin Gerlinde Hühn, Volker Weiß, Margret Ehni, Dr. Karin Grau E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 4 5 Menschen – Begegnungen – Jubiläen 50 Jahre Posaunenchor Hausen Brenzmedaille für Elisabeth Fetzer Elisabeth Fetzer erhielt als Dank für ihre langjährige ehrenamtliche Tätigkeit in der Geislinger Pauluskirchengemeinde die bronzene Brenz-Medaille. Pfarrerin Sabine Kluger überreichte ihr die Auszeichnung beim Mitarbeiterfest. Zunächst überrascht, freute sich Elisabeth Fetzer dann sehr über die unerwartete Ehrung. Zu seinem 50-jährigen Bestehen gestaltete der Posaunenchor Hausen am Palmsonntag den musikalischen Festgottesdienst in der Dorfkirche. Nachmittags trafen sich Aktive, Ehemalige und Freunde der Bläser zu einem unterhaltsamen Nachmittag im Bonhoeffer-Haus. Bei Kaffee und Kuchen erinnerte man sich an die vergangenen Höhepunkte. Es gab Bilder von den musikalischen Einsätzen bei verschiedenen Anlässen wie Gottesdiensten, Gemeindefesten, Altenfeiern, Jubiläen und insbesondere vom Dorfblasen an Heilig Abend bei sehr unterschiedlichen Wetterverhältnissen. Auch Ausflüge und Gebirgswanderungen konnten nochmals nacherlebt werden. Das Bläserteam des Kirchenbezirkes Geislingen unter der Leitung von Axel Schlecht trug maßgeblich zur kurzweiligen Unterhaltung und herzlichen Atmosphäre bei. Pfarrer Georg Braunmüller dankte in seiner Ansprache allen, die mit ihrem Einsatz zur musikalischen und religiösen Bereicherung des Gemeindelebens beitrugen. Er ehrte den inzwischen 80-jährigen Gründer des Hausener Posaunenchores, Gottfried Lamparter und überreichte der seit 1984 als Chorleiterin tätigen Leonore Dangelmaier eine Urkunde zum runden Chorjubiläum. 25-jähriges Jubiläum des Steinenkircher Kirchenpflegers Kirchenpfleger Jürgen Schmitt ist seit 25 Jahre im kirchlichen Dienst. Gelassen und freundlich verwaltet er die Finanzen der Kirchengemeinde Steinenkirch. Auch bei komplizierten Bauangelegenheiten lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen und behält stets den Überblick. Auf die Frage, ob ihm das schon immer leicht gefallen sei, meinte er, er sei halt in die Aufgabe hineingewachsen. Kirchengemeinderat und Pfarrerin sind jedenfalls froh darüber, dass sie Jürgen Schmitt bei sich haben, der sich auch sonst in der Gemeinde an allen Ecken und Enden engagiert. Zusammen mit seiner Frau, die als Pfarramtssekretärin gearbeitet hat, hat er auch mehrere Pfarrerwechsel gemanagt. Das ist für alle eine Beruhigung. Untereinander sagt man. „Der Jürgen weiß ja, wie es geht.“ Wechsel im Steinenkircher Gemeindebüro Wechsel im Türkheimer Kirchengemeinderat Doris Gold und Inge Schmitt Lachend stehen sie nebeneinander, die neue und die bisherige Pfarramtssekretärin. Seit September 2011 ist Doris Gold offiziell im Amt. Einige Monate zuvor konnte sie sich schon einarbeiten. Schnell hat sie sich auch mit einem speziellen Computerprogramm vertraut gemacht – und nun kommt schon das nächste an die Reihe. Schön, wenn die Arbeit Spaß macht! Inge Schmitt kann es nach jahrzehntelanger Tätigkeit nun ruhiger angehen lassen, aber sie ist nach wie vor in der Gemeinde engagiert und es wird immer wieder auf ihre Erfahrungen zurückgegriffen. „Schreibkraft“ nannte sich ihr Beruf anfangs. Zur „Kommunikationsmanagerin“ ist sie geworden. Zusammen mit ihrem Mann, Kirchenpfleger Jürgen Schmitt, war sie immer eine Stütze in der Gemeinde. 4 6 E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G Im Gottesdienst Anfang des Jahres wurde Andrea Steiner aus ihrem Amt als Kirchengemeinderätin verabschiedet. Seit der Kirchenwahl 2001 hat sie den Kirchengemeinderat in Türkheim mit ihren Ideen und großem Arbeitseinsatz bereichert. Vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit hat sie unschätzbare Dienste für die Kirchengemeinde geleistet. Mit guten Wünschen wurde sie in ihre neue Heimat nach Kuchen verabschiedet. Als neues Mitglied im Kirchengemeinderat wurde Sven Grewis begrüßt und in sein Amt eingesetzt. Als Jugend- und Heimerzieher ist er beruflich in Kirchheim/Teck tätig. Seit seiner Hochzeit 2008 wohnt er in Türkheim. Da seine Frau Annette eine der Organistinnen ist, war der Kontakt zur Kirchengemeinde sofort da. Schwerpunktmäßig möchte Sven Grewis sich um die Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde kümmern. Aber auch sonst wird er sich einbringen. „Sitzungen machen mir Spaß“ versichert er glaubwürdig. Birgit Wohland hat KESS-Kurs abgeschlossen Seit einigen Jahren bereits ist Birgit Wohland als ehrenamtliche Seelsorgerin im Auftrag der Geislinger Pauluskirchengemeinde in der Helfensteinklinik tätig und hat dort schon viele der Gemeindemitglieder besucht. Nun hat sie die landeskirchliche Ausbildung KESS – Kurs für ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger – absolviert. Viel Zeit und Engagement ist in diesen Kurs geflossen, den sie zusammen mit sieben weiteren Frauen aus unterschiedlichen Gemeinden unter fachkundiger Leitung besucht hat. Ein Zertifikat bestätigt die erworbene Qualifikation, die auch bei der Abschlussfeier deutlich zum Ausdruck kam, als die Kursleiter und die Teilnehmerinnen zurückblickten und den zuständigen Pfarrerinnen und Pfarrern so manches Beeindruckende aus dem Kursverlauf berichteten. Aus dem Geislinger Kirchenbezirk nahmen außerdem noch teil Edith Frey aus Kuchen, Margret Clement aus Süssen, Cornelia Lang aus Bad Überkingen, Elfriede Schurr aus Kuchen und Gerlinde Wörz aus Gingen. Doris Wiermann ist neue Hausverwalterin und Mesnerin Als neue Hausverwalterin wurde im Gottesdienst in Unterböhringen Doris Wiermann von Pfarrer Georg Braunmüller begrüßt und eingeführt. Sie ist seit Januar 2012 Hausverwalterin im Paul-Schneider-Gemeindehaus in Unterböhringen. Gleichzeit ist Doris Wiermann auch Mesnerin in der Unterböhringer Peterund Paulskirche. Verabschiedung Kirchengemeinderätin Friedrike Kumpf Im Juli 2011 wurde Friedrike Kumpf unter großer Anteilnahme der Gemeinde im Gottesdienst als Kirchengemeinderätin verabschiedet. Über zehn Jahre arbeitete sie im Kirchengemeinderat Bad Überkingen und in der Gesamtkirchengemeinde kompetent, engagiert und ideenreich mit. Sie setzte sich vor allem für die Belange der Kinder und Jugendlichen ein. Aus beruflichen Gründen musste sie leider aus Bad Überkingen wegziehen. Die Gemeinde ließ sie nur ungern ziehen. Lore Späth nach 30 Jahren Kirchenpflege verabschiedet Lore Späth und die Kirchengemeinde Auendorf sind beinahe dasselbe – die eine ist ohne die andere nicht zu denken. 30 Jahre lang war Lore Späth Kirchenpflegerin in Auendorf. Auch als Pfarramtssekretärin arbeitete sie für ihre Kirchengemeinde. Und ehrenamtlich wirkte sie in vielen Veranstaltungen mit, besonders auch beim Auendorfer Sommerfest. Dabei half sie unzählige Zentner Kartoffeln in wunderbaren Kartoffelsalat zu verarbeiten. In einem Festgottesdienst in der Auendorfer Stephanuskirche wurde Lore Späth nun als Kirchenpflegerin verabschiedet. Landessynodale Anita Gröh überreichte ihr im Auftrag des Herrn Landesbischofs für ihren langjährigen kirchlichen Einsatz die Brenz-Medallie und Pfarrerin Birgit Enders dankte Lore Späth für all ihr Engagement. Pfarrerin Birgit Enders, Landessynodale Anita Gröh, Kirchenpflegerin Lore Späth ABS und Gott – Fünfter Mogo am Berghaus in Oberböhringen Der Mogo (Motorradgottesdienst) an Himmelfahrt am Berghaus in Oberböhringen ist für viele schon ein fester Termin in ihrem Bikerkalender. Trotz Schnee am Vortag ließen sich über 50 Motorradfahrer und weitere Gäste nicht abhalten zum Gottesdienst zu kommen. Die Band Timeless aus Geislingen spielte zum Auftakt und begleitete die Lieder im Gottesdienst. Pfarrer Georg Braunmüller aus Unterböhringen sprach im Gottesdienst zum Thema: ABS und Gott. Nicht ABS anstatt Gott, oder ABS ohne Gott, sondern ABS und Gott. ABS hat das Motorradfahren sicherer gemacht, aber trotz aller Technik und aller Vorsicht gerät man in brenzlige Situationen. Gott sei Dank, wenn man unbeschadet herausgekommen ist. Gott sei Dank, wenn er uns einen „Schutzengel“ gesandt hat. „Fahr nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann“ – dieses Motto nimmt die beiden Seiten von „ABS und Gott“ auf: Zum einen die eigene Verantwortung die jeder Motorradfahrer oder Verkehrsteilnehmer hat und zum anderen die Erfahrung von „Schutzengeln“ im Verkehr. E V A N G. K I R C H E N B E Z I R K S Z E I T U N G 4 7 SCHALKSTETTEN, VEITSKIRCHE STEINENKIRCH, ULRICHSKIRCHE STÖTTEN, MICHAELSKIRCHE STUBERSHEIM, JOHANNESKIRCHE SÜSSEN, ULRICHSKIRCHE TÜRKHEIM, VEITSKIRCHE UNTERBÖHRINGEN, PETER- UND PAULSKIRCHE WALDHAUSEN, VEITSKIRCHE WEILER, MARGARETHENKIRCHE WIESENSTEIG OBERBÖHRINGEN, STEPHANUSKIRCHE KUCHEN, JAKOBUSKIRCHE HOFSTETT-EMERBUCH, BARTHOLOMÄ USKIRCHE HAUSEN, DORFKIRCHE GRUIBINGEN, MARTINSKIRCHE GINGEN, JOHANNISKIRCHE GEISLINGEN, STADTKIRCHE GEISLINGEN, PAULUSKIRCHE GEISLINGEN, MARTINSKIRCHE GEISLINGEN, MARKUSKIRCHE EYBACH, CHRISTUSKIRCHE DONZDORF, CHRISTUSKIRCHE DEGGINGEN, CHRISTUSKIRCHE BRÄUNISHEIM, PETRUSKIRCHE BÖHMENKIRCH, LUTHERKIRCHE BAD ÜBERKINGEN, GALLUSKIRCHE AUFHAUSEN, MARIENKIRCHE AUENDORF, STEPHANUSKIRCHE AMSTETTEN-DORF, LAURENTIUSKIRCHE AMSTETTEN-BAHNHOF, FRIEDENSKIRCHE