121 Beatlesque 52Rotationslautsprecher wie die der Firma Leslie

Transcription

121 Beatlesque 52Rotationslautsprecher wie die der Firma Leslie
Beatlesque
brilliantly authentic evocation of the LSD experience.
(The second half of the instrumental break consists of
parts of McCartney's guitar solo for "Taxman" slowed
down a tone, cut up and run backwards.)«51
Mit »Tomorrow Never Knows«, wie mit »Revolver«
überhaupt, reizten die Beatles und das Aufnahmeteam
um George Martin die Elektromechanik der damaligen
Studios aus: Ken Townsend, Ingenieur der EMI, hatte
das Automatic Double Tracking entwickelt, für das zwei
Bandgeräte benötigt wurden, Bandgeschwindigkeit wie
Laufrichtung der Tonbänder wurden manipuliert und
auf vorhandene Aufnahmen angewendet. Der Toningenieur Geoff Emerick experimentierte mit der Aufstellung von Mikrophonen, es wurden Kompressoren und
Leslie-Lautsprecher eingesetzt, 52 wie auch ein Lautsprecher zweckentfremdet wurde, indem er anstelle eines
Mikrophons zur Abnahme der Bassanlage McCartneys
benutzt wurde. All diese Ideen und Experimente repräsentierten einerseits den Stand der Studiotechnik, andererseits auch ihren damaligen Höhepunkt. Bereits
wenige Jahre später hätten all diese fremdartigen Klänge
mit Synthesizern erzeugt werden können. »Tomorrow
Never Knows« markiert somit nicht etwa einen ersten
Höhepunkt in der Rock- und Popmusik hinsichtlich
elektronischer Musik, sondern den Endpunkt der bei
der Musikaufnahme der Zeit verwendeten Elektromechanik. Auch ausgetüftelte spätere Produktionen wie
beispielsweise »Strawberry Fields Forever«, Ende 1966
aufgenommen, gingen über diesen Stand nicht hinaus.
Erst gegen Ende ihrer Karriere, bei den Aufnahmen zu
»Abbey Road« (1969), setzten die Beatles den Synthesizer
Robert Moogs ein, den dieser seit Anfang der 1960erJahre entwickelt und 1967 beim Monterey International
Pop Festival vorgestellt hatte. George Harrison war auf
das Instrument aufmerksam geworden, hatte es sich von
Bernie Krause erläutern lassen, gekauft und anschließend
im Mai 1969 seine wenige Monate zuvor produzierte Solo-LP »Electronic Sound« veröffentlicht.
51 MacDonald,
Ian: Revolution in the Head - The
Beatle's Records and the
Sixties; London 1994,
3 2005; S. 190f
52Rotationslautsprecher
wie die der Firma Leslie
sind eigentlich für Hammond-Orgeln gedacht,
um deren etwas leblosen
Ton zu beinflussen. Es
handelt sich also eher um
Effektgeräte. In diesem
Sinne werden Leslies häufig auch von Gitarristen
und mitunter von Bassisten verwendet. Bei »Tomorrow Never Knows«
wurde versuchsweise der
Gesang von John Lennon
mittels eines Leslies wiedergegeben und dann aufgenommen. ▪
Halbscheffel, Bernward:
Sachlexikon Rockmusik
Band 2 L-Z; Leipzig 2013;
S. 438f
121
Beatlesque
Niemand wird auf die Idee kommen, zur auch nur partiellen Nachahmung von »Tomorrow Never Knows« zu
denselben technischen Mitteln zu greifen wie seinerzeit
die Beatles. Die Digitalsierung von Musikaufnahme und
-produktion, das Sampling eingeschlossen, machen es relativ einfach, ähnliche Klangwelten herzustellen. Bei
»Tomorrow Never Knows« kommt noch hinzu, dass der
formale Aufbau wie das Arrangement sehr modern im
Sinne der elektronischen Musik der 1990er-Jahre wirken:
Der Rückgriff auf »Tomorrow Never Knows« wirkt wegen dessen formaler Einfachheit, um nicht zu sagen:
Monotonie – Alan W. Pollack spricht von »Mantra« –
nicht nostalgisch, sondern durchaus auf der Höhe der
53 Pollack, Alan W.: a.a.o.
Popmusik zu Beginn des 21. Jahrhunderts. 53 »Tomorrow
Never Knows«, kaum drei Minuten lang (02:57), ist formal sehr einfach gebaut:
54Nach:
Pollack, Alan W.,
a.a.o.
Intro | Verse | Verse | Verse | Instrumental |
| Verse | Verse | Verse | Verse | Outro54
Verursacht wird die »Monotonie« durch die gleichbleibenden Patterns von Bass, Schlagzeug und Schellenring.
Verstärkt wird der Eindruck durch Starrs Schlagzeugspiel:
Zusätzlich wird ein Schellenring eingesetzt, der unisono
zur Tom-Tom des Drum Sets prominent zu hören ist,
ansonsten aber eher im Hintergrund bleibt, wie über-
122
Beatlesque
haupt Bass und Perkussionsinstrumente während des instrumentalen Abschnitts ein wenig in den Hintergrund
gemischt wurden. 55 Es gibt keine Fills, Bass und Schlagzeug bleiben unverändert. McCartney nimmt in seinem
Bassriff ein wenig Bezug auf die Gesangslinie Lennons:
Auf das Wort »dying« singt Lennon eine kleine Septime,
also unter Annahme von C-Dur – das ist der Pedalton in
McCartneys Riff – eine Blue Note (mixolydische Sept);
eben diese findet sich auch im Bassriff und gelegentlich
in der Keyboard-Begleitung. Ansonsten aber spielt McCartney simple Oktaven zum Grundton C.
Eine Paraphrase zu »Tomorrow Never Knows« müsste
also einerseits Samples enthalten, mit denen die Tonband-Loops der Vorlage nachgeahmt werden, andererseits eine möglichst gleichförmige rhythmische
Begleitung – mehr nicht.
55 Die einzelnen Ausgaben
des Albums unterschieden sich im Klang mehr
oder weniger deutlich.
Hier wurden die LP Parlophone EMI PCS 7009,
die CD Parlophone EMI
CDP 7 46441 2 und die
CD Parlophone EMI
0946 3 82417 2 0 verwendet.
◆
Andrew Gold wurde einem größeren Publikum in Europa erst bekannt, als er sich 1983 mit Graham Gouldman
von 10cc zusammentat und die Formation Wax gründete. Wax brachte es zunächst auf drei Alben, veröffentlicht zwischen 1986 und 1989; später folgten noch drei
weitere. Gold war in den USA weitaus bekannter als in
Europa, betätigte sich als Song-Schreiber, Komponist,
Produzent, Sänger und Instrumentalist – er beherrscht
die ganze Palette von den in Rock- und Popmusik gängigen Instrumenten. Seine Arbeit brachte ihn mit Musikern wie Carly Simon, Linda Ronstadt, Neil Diamond,
John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr, Brian Wilson, Roy Orbison, Diana Ross und der Band America
zusammen. 1997 legte er ein Album vor, das er in seinem
Heimstudio nahezu im Alleingang aufgenommen hatte:
»Greetings From Planet Love«. Da er die CD nicht unter
seinem eigenen Namen veröffentlichen wollte, nannte er
als Urheber eine fiktive Band namens The Fraternal Order from The All.
Die Wahl des Pseudonyms hat einen Grund: Gold
123
Beatlesque
schrieb für »Greetings From Planet Love« ausschließlich
Paraphrasen zu Songs von The Beatles, The Beach Boys
und The Byrds und beschränkte sich dabei auf die Musik, die diese Gruppen in den 1960er-Jahren veröffentlicht hatten; vereinzelt sind auch Anklänge an andere
Songs der Zeit zu hören. »Rainbow People« erinnert den
Hörer an »I Am The Walrus«, »Swirl« weist auf »For
The Benefit of Mr. Kite«, »Twirl« wirkt wie eine Skizze
zu »Eleanor Rigby«. Es gibt auch eine Anspielung auf
»Tomorrow Never Knows«: »Whirl«. »Whirl« ist ein sehr
kurzes Stück Musik, das, ganz wie »Tomorrow Never
Knows«, mit dem Klang einer Sitar eröffnet wird, dann
in ein Drum-Pattern übergeht, das eine gewisse Ähnlichkeit zu dem des Beatles-Songs hat. Das genügt. Der Hörer kann sich unmittelbar an »Tomorrow Never Knows«
erinnert fühlen, obwohl andere Parts des Songs wie Gesang und vor allem die Samples fehlen. Ebenso gut kann
er aber auch an einen einschlägigen Song George Harrisons denken, zumal Gold eine elektronische Orgel und
Tablas in das Arrangement einbaute. Der Bezug zu »Tomorrow Never Knows« oder auch »The Inner Light«,
oder auch zu beiden, entsteht beim Hörer und ist in
»Whirl« bewusst vage angelegt.
Bei »Tomorrow Drop Dead« wurde Gold dagegen konkret: Schon das Wort »tomorrow« im Titel deutet eine
Nähe zu »Tomorrow Never Knows« an, und der Song
beschließt bei »Greetings From Planet Love« ebenso wie
bei »Revolver« das Album. Gold griff in diesem Fall aber
ausgiebiger in den Baukasten der Beatles, es gibt zu Beginn einen elektronischen Klang, der an eine Sitar erinnert, es gibt die variationslosen Bass- und Drum-Pattern,
vor allem aber gibt es die Samples, die Gold als Imitate
der Originale einflicht. Dabei sind es wohl keine Samples, sondern direkt mittels Synthesizern erzeugte Klänge.
Zudem hält Gold sich einigermaßen an die vom BeatlesSong vorgebene Form, wenn auch der Schluss eher an
den von »Strawberry Fields Forever« erinnert. »Tomorrow Drop Dead« lässt dem Hörer keine Wahl, die Komposition ist ganz eindeutig eine Paraphrase zu
124
Beatlesque
»Tomorrow Never Knows«.
Es gibt zwei jüngere Formationen, die die bei »Tomorrow Never Knows« eingesetzte Kompositionstechnik –
zeitgemäß angepasst – einsetzten, um jeweils eine Art
Hommage an den Song selbst zu produzieren, das britische Duo The Chemical Brothers und die australische
Rockband Tame Impala.
Loops, also ostinate melodische und rhythmische Figuren, sind natürlich typisch für Tanzmusik, und tatsächlich haben The Chemical Brothers, das sind Tom
Rowlands und Ed Simons, ihre musikalische Heimat im
Dance-Bereich, im so genannten Big Beat. Big Beat ist eine britische Ausprägung von Tanzmusik, die in der
zweiten Hälfte der 1990er-Jahre entstand und zu der neben The Chemical Brothers etwa The Prodigy und Fatboy Slim gezählt werden. In dieser Musik werden
Instrumente mit elektronischer Klangerzeugung verwendet, vor allem also Sampler, Synthesizer und Drum
Machines; Klänge authentischer Instrumente werden in
Form von Samples in die Arrangements eingebaut. Ein
häufig eingesetztes Stilmittel ist die beabsichtigte Verzerrung einzelner Klänge. Auch Gesang spielt bei The Chemical Brothers eine gewisse Rolle, dann aber nicht
unbedingt in Form von Samples, vielmehr engagieren
Simons und Rowland dazu häufig Sänger anderer Gruppen. Für »Let Forever Be«56 gelang es ihnen, Noel Gal- 56The Chemical Brothers:
lagher, Sänger und Gitarrist der Britpop-Band Oasis, zu Surrender (1999)
gewinnen. Im formalen Aufbau ist »Let Forever Be« an
»Tomorrow Never Knows« angelehnt, auf ein Intro folgen mehrere Verses von je vier Takten, dann ein instrumentales Zwischenspiel, dann wieder eine Gruppe von
Verses, schließlich das Outro – keine Bridge, keine Choruses. Wie bei »Tomorrow Never Knows« gibt es auch
keine Fills im Schlagzeugpart, alle instrumentalen Figuren der Rhythmusgruppe basieren auf Sample Loops, in
die nicht eingegriffen wurde. Selbst Gallaghers Gesang
besteht aus einem Ostinato – ebenfalls ein Sample? –,
dessen Ambitus ähnlich eingeschränkt ist wie der von
Lennon bei »Tomorrow Never Knows« präsentierte.
125
Beatlesque
57The Chemical Brothers:
Setting Sun (1996; Single)
▪ The Chemical Brothers:
Dig Your Own Hole
(1997; LP) ▪ Etwa: https://de.wikipedia.org/wiki/Tomorrow
_Never_Knows
58 Julian Lennon:
59 Tame Impala:
126
Valotte
(1984)
Lonerism
(2012)
Ornamentiert aber ist »Let Forever Be« wie »Tomorrow
Never Knows« durch diverse verschiedene, nunmehr
aber elektronisch erzeugten Einsprengsel, die ähnlich im
Song verteilt sind wie die Tonband-Loops bei »Tomorrow Never Knows«.
Natürlich fallen die Ähnlichkeiten zwischen »Tomorrow
Never Knows« und »Let Forever Be« auf, zumal demjenigen Hörer, der die Musik der Beatles genauer kennt.
Ob das auch für »Setting Sun« gilt, wie hier und da behauptet, soll hier einfach dahingestellt bleiben. 57 Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass derjenige, der lange
nach Kenntnisnahme von »Setting Sun« und »Let Forever Be« »Tomorrow Never Knows« hört, diesen Song für
ähnlich hält, also eigentlich Original und Paraphrasen
verwechselt. Anders gesagt: Die bei »Tomorrow Never
Knows« 1966 verwendeten Stilmittel und Kompositionstechniken waren seinerzeit eventuell noch neu und originell, wurden im Laufe der seitdem vergangenen
Jahrzehnte aber so häufig verwendet, dass ein eindeutiger Bezug zwischen »Tomorrow Never Knows« und »Let
Forever Be« eigentlich nur von The Chemical Brothers
behauptet werden könnte. Noch anders gesagt: Die Musiker – wie in Teilen wohl auch ihr Publium – gehen im
Kreis, der inzwischen so groß ist, dass sie darüber aus
den Augen verlieren, wo sie aufgebrochen sind und bemerken deshalb nicht, wenn sie wieder am Ausgangspunkt ankommen.
Bei Tame Impala, einer 2007 in Perth (Australien) gegründeten Band, liegen die Verhältnisse teilweise anders.
Der Gitarrist und Sänger der Band, Kevin Richard Parker, ist mit einem Stimmklang begabt, der dem von John
Lennon ähnelt. Die Ähnlichkeit wird durch studiotechnische Hilfsmittel mitunter noch hervorgehoben; das ist
ein probates Mittel, von dem schon John Lennons Sohn
Julian profitierte. 58 Allein deshalb schon geraten manche
der Songs von Tame Impala in die Nähe von BeatlesSongs, wenn auch nicht zwingend. Das gilt dann eben
auch für »Why Won’t They Talk To Me?«. 59 Ansonsten
aber wäre es mühsam, diesen Song mit »Tomorrow Ne-
Beatlesque
ver Knows« zu vergleichen. Parker unternimmt natürlich einiges, den Einfluss der Beatles auf seine Musik zu
unterstreichen, selbst das Cover ist dabei von Bedeutung,
zeigt es doch einen jungen Mann – Parker? –, der einen
Höfner Violin Bass 500/1, also den »Beatle-Bass«, in den
Händen hält.
Der Eindruck, dass »Let Forever Be« und »Why Won’t
They Talk to Me?« Hommages an »Tomorrow Never
Knows« sein sollen, jedenfalls bleibt vage, man mag sich
mit der Einordnung »atmosphärisch ähnlich« behelfen.
Anders bei »Tomorrow Drop Dead« von Andrew Gold.
Gold ahmte diverse Elemente des Songs mit den Mitteln
seines Heimstudios nach, dessen Einrichtung in den
1990er-Jahren natürlich erheblich von der der professionellen Studios im London der 1960er-Jahre abwich. »Atmosphärisch ähnlich« zur Musik der Beatles trifft aber
auf die Musik vieler anderer Musiker und Bands zu. Um
aber eine größtmögliche Nähe zu diesem oder jenem
Song der Beatles zu erreichen, ist es notwendig den spezifischen Klang der Vorlagen nachzuahmen. Dies ist
auch juristisch unverfänglich, denn anders als die jeweilige Melodie und vielleicht auch die eine oder andere harmonische Wendung können weder Instrumentation und
Klanggestaltung wie in der Regel selbst Arrangements in
gleicher Weise geschützt werden wie die Melodie einer
Komposition. Während es also weder Todd Rundgren
noch Gold wegen ihrer Beatles-Adaptionen mit den Juristen zu tun bekamen, musste Innes seine Einnahmen
für Aufnahmen mit The Rutles mit den Beatles teilen.
Obwohl er hinsichtlich Instrumentation und Klanggestaltung nichts anderes gemacht hatte als Rundgren,
Gold, Lynne und viele andere. 60
◆
Innes, Gold und Rundgren waren nicht die einzigen, die
die Musik der Beatles dekonstruierten und zu neuen
»Beatles«-Songs zusammensetzten. Die Motive bei diesen
drei Musikern waren offensichtlich: Zu zeigen, dass es
60Mitunter entfernt sich
eine Cover Version weit
mehr von der Vorlage als
eine Paraphrase: Die britische Formation 801 um
Phil Manzanera und
Brian Eno eröffnete ihr
auf LP dokumentiertes
Konzert in der Queen
Elizabeth Hall (1976) mit
»T.N.K.«, eine Abkürzung, die für »Tomorrow
Never Knows« steht. Die
Band verzichtete auf alles, was 1966, zu Zeiten
der Aufnahme des Songs,
als innovativ galt. Die ostinaten Linien von Bass
und Drums bei den Beatles wurden unter den
Händen von Bassist Bill
MacCormick und Schlagzeuger Simon Phillips zu
veritablem Jazzrock mit
ausgeklügeltem, von Synkopen durchsetzten Bassriff und einer ausgefeilten
Schlagzeugbegleitung
samt diverser Fills; die
Loops der Vorlage wurden mit einem Synthesizer frei nachgeahmt.
Musikhistorisch ist die
Fassung von 801 ein
Rückschritt gegenüber
dem zehn Jahre zuvor
entstandenen Original. ▪
801: 801 Live (1976).
127
Beatlesque
möglich ist, einen Beatles-Song ohne John Lennon und
ohne Paul McCartney zu schreiben. Andere orientierten
sich an den Kompositionen der Beatles, ohne Aufhebens
davon zu machen. Seit 1970 wurde dann auch eine ganze
Reihe von Musikern und Bands mit der Behauptung
vornehmlich von Journalisten und den Presseabteilungen der Plattenfirmen konfrontiert, »Beatles-Musik« zu
machen oder gar gleich »the next Beatles« zu sein. Badfinger wurde schon genannt, es folgten Klaatu, Stackridge, Squeeze, The Knack, XTC – mit deren Spin-Off
The Dukes of Stratosphear –, Cheap Trick, Oasis und
Blur, einzelne wie Gilbert O’Sullivan und Ron Sexsmith
bis hin zu Adepten wie Emitt Rhodes und Strawberry
Walrus. Einzelne Beispiel »neuer« Beatles-Songs bieten
etwa Julian Lennon, Elton John, Tom Petty, Peter Gabriel, The Byrds, Kula Shaker, They Might Be Giants,
The Rembrandts, The Boo Radleys, Travis, Stone Temple Pilots, Nirvana, Radiohead, Jellyfish, Take That,
Franz Ferdinand, The Hudson Brothers, Adrian Belew,
Billy Joel, Gerry Rafferty und nicht zuletzt The Rolling
Stones. Im Einzelnen fällt es natürlich dem Hörer zu, in
diesem oder jenem Song eine Paraphrase zur Musik der
Beatles zu erkennen, ein Umstand, der manch einem
Musiker, der sich auf diesem Feld bewegt, nicht recht bewusst zu sein scheint.
◆
Peter Gabriel hat nur einmal eine Cover Version eines
Songs der Beatles aufgenommen: Im Rahmen des Dokumentarfilms »All This and World War II« (Regie: Susan
Winslow, 1976) eine Version von »Strawberry Fields«. In
dem Film wurden Ausschnitte aus Nachrichtenfilmen,
die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gedreht worden waren, mit Ausschnitten aus Filmen der 20th Century Fox
gekoppelt und mit Cover Versions von Beatles-Songs unterlegt. Ansonsten deutet Gabriel eine Auseinandersetzung mit der Musik der Beatles nur an, etwa in dem
Song »My Head Sounds Like That«, der 2002 im Rah-
128
Beatlesque
men des Albums »Up« veröffentlicht wurde. Dabei ist
keineswegs sicher, ob Gabriel tatsächlich bestimmte Beatles-Kompositionen im Sinn hatte, als er »My Head Sounds Like That« schrieb.
Der Song beginnt mit einem Loop, der aus verschiedenen Geräuschen – angeblich von einem defekten StudioEffektgerät stammend – und diversen Klängen von Perkussionsinstrumenten besteht. Dieser Loop wird
allmählich eingeblendet, dann wird das Intro des Songs,
in langsamerem Tempo als der Loop, eingeführt. In der
Hauptsache wird ein Klavier, dessen Klang vermutlich
durch Effektgeräte und Equalizer erheblich verändert
wurde, verwendet, im Hintergrund sind aber bereits
Querflöten zu hören; die Flöten stammen von einem
Mellotron. Auf dieses Intro folgt der eigentliche Song,
der mit einer typischen Pianofigur beginnt:
Derartige finden sich auch im Repertoire der Beatles, etwa in »Golden Slumber«:
Oder auch zu Beginn von »Let It Be«:
129
Beatlesque
61 http://www.soundon-
sound.com/sos/may03/a
rticles/gabrielchaeppell.asp
Gabriel sprach in einem Interview über den Song von
»alten Akkorden«: 61
»Some Chords in there are very old. But the mood was
something I liked.«
»Alt« meint in diesem Zusammenhang wohl auch soviel
wie »längst bekannt«, »gewohnt«. Verstärkt wird diese
Atmosphäre des »Alten« – die ja auch im Hintergrund
von »Strawberry Fields Forever« wie »Penny Lane« aufsteigt – durch das Engagement der Brass Band Black Dyke Band, eine groß besetzte Blechblaskapelle. In
englischen Brassbands spielen Bügelhörner, also Tuba,
Euphonium, Bariton und Flügelhorn, eine größere Rolle
als in Blechblaskapellen anderer Länder. Der resultierende Klang ist daher »dunkler«, »runder«, und wirkt stets
etwas nostalgisch – daher die alt wirkende Klangwelt des
Songs, auf die der Klavierklang schon einstimmte. Fraglich bleibt aber, wieso sich beim Hörer, der die Musik
der Beatles kennt, so schnell der Eindruck des Heraufbeschwörens von Beatles-Musik einstellt.
Die Black Dyke Band hatte selbst 1968 Kontakt mit Paul
McCartney, der für die Kapelle »Thingumybob« schrieb,
eine Erkennungsmelodie für eine Fernsehserie. Die
Komposition wurde als Single veröffentlicht, die B-Seite
war eine Cover Version von »Yellow Submarine«
◆
Die britische Band XTC hat im Laufe ihrer von 1976 bis
2006 dauernden Karriere immer wieder Songs im Stile
diverser anderer Bands aufgenommen und veröffentlicht.
130
Beatlesque
1982 hatte die aus dem Gitarristen Andrew Partridge,
dem Bassisten Colin Moulding, dem Schlagzeuger Terry
Chambers und dem Keyboard-Spieler Barry Andrews –
später ersetzt durch Dave Gregory – bestehende Band
den üblichen Rockzirkus mit der Abfolge von Albumaufnahmen und -produktion mit anschließend folgenden
Tourneen beendet und versuchte, allein mit der Veröffentlichung von ausschließlich im Studio aufgenommenen Schallplatten ihr Auskommen zu sichern. Das
gelang mühsam, wenn auch Chambers an der andauernden Arbeit im Studio wenig Gefallen fand und bald die
Band verließ. XTC versuchte in der Folge, mit Studiomusikern und Drum Machines die Lücke zu füllen.
Nach zwei Alben62 veröffentlichte die Band – nunmehr 62Mummer (1983) ▪ The
mit dem Schlagzeuger Ian Gregory – 1985 unter dem Big Express (1984)
Namen The Dukes of Stratosphear mit »25 O’Clock« eine Sammlung von Songs, allesamt im Geiste der Songs
der 1960er-Jahre. 1987 folgte eine zweite LP, »Psonic
Psunspot«. Dazwischen brachte die Band um Andy Partridge, nun wieder als XTC, das von Todd Rundgren produzierte Album »Skylarking« auf den Markt. Diese drei
Alben bilden, abseits von Bandnamen, eine Art Einheit,
denn auf allen drei Schallplatten finden sich Paraphrasen
zu Songs der Beatles, Beach Boys, Kinks, Byrds, Hollies
und weiteren mehr, die in ironischer Weise die Machart
der Vorbilder aufgreifen – und beim sachkundigen Hörer stets erkennendes Kopfnicken auslösen. Ob es sich
um Parodien handelt, ist dabei nicht unbedingt offensichtlich, in manchen Details ganz sicher. Aufs Ganze
gesehen aber reichen etwa die sechs Songs von beispielsweise »25 O’Clock« über den parodistischen Spaß hinaus, zeigen sie doch, wie die von anderen Rockbands zur
Verfügung gestellten Kompositionsmittel dazu genutzt
werden können, Songs in gleicher Weise wie die Vorbilder zu produzieren.
Nicht überraschend, dass es auch eine Paraphrase auf
Beatles-Songs gibt. »The Mole From The Ministry« atmet den Geist der Songs zu dem Film »Magical Mystery
Tours« (1967), insbesondere von »Strawberry Fields Fo-
131
Beatlesque
rever«, weniger von »I Am the Walrus« und »Your Mother Should Know«.
Schon die äußere Form, so wie sie sich dem Hörer präsentiert, ist »Strawberry Fields Forever« nachgestellt: Bei
05 Minuten und etwa 48 Sekunden scheint Schluss zu
sein, wenig später, bei 04:49,5 wird das Outro des Songs
aber wieder eingeblendet, um dann nach und nach bis
05:40 zu verschwinden. Auch das ist noch nicht der endgültige Schluß, denn bei 05:47,5 tritt für eine Sekunde
noch ein Schnippsel Sprache auf, wie von einem sehr
schnell abgespielen Tonband stammend. Das erinnert
natürlich an die Sprachfetzen in der Auslaufrille der LP
»Sergeant Pepper’s Lonely Heart Club Band« (1967) von
den Beatles. »The Mole From The Ministry« hat auch
keinen eigentlichen Beginn: Als »Start« kann ein einzelnes, auf einem verstimmten Klavier angeschlagenes G
angesehen werden, es folgt Vogelgezwitscher und erst bei
00:07 beginnt Verse 1. Auf den ersten Verse folgt ein
zweiter, dann der erste Chorus, darauf Verse 3, ein weiterer Chorus. An die folgende Bridge schließt sich eine
Kette von Choruses an. Das Outro basiert auf einem auf
einer Tonstufe verharrenden Bassriff, ebenso die »Reprise«.
Schematisch der Aufbau des Songs:
Intro (Klavier: G; Vogelgezwitscher)
Verse 1 (8 Takte 4/4, aufgeteilt in 4+ 4)
Verse 2
Chorus 1 (8 Takte 4/4, aufgeteilt in 4+ 4)
Verse 3
Chorus 2
Bridge (9 Takte 4/4, aufgeteilt in 4+ 4+ 1)
Chorus 3
Chorus 4
Outro
Reprise
Bis auf zwei kleine, unbedeutende Abweichungen ist
»The Mole From The Ministry« ein geradezu klassisch
132
Beatlesque
aufgebauter Song. Die Abweichungen finden sich am
Schluss von Chorus 1 – die letzten beiden Takte werden
einem ritardando unterzogen, das nahezu die Dauer von
drei vorangegangenen Takten einnimmt –, und am Ende
der Bridge, eigentlich ein veritabler Middle Eight, zwischen dieser und dem nachfolgenden Chorus eingeschobener Einzeltakt, der die Verbindung zwischen den
Formteilen erleichtert. Die einzelnen Teile folgen damit
exakt dem Text. Während in den Verses eine Art Sprechgesang von wenigstens zwei Stimmen zu hören ist – eine
Stimme in den Vordergrund gemischt, eine zweite mehr
in den Hintergrund – ist in den Choruses konventioneller Gesang von zunächst einer männlichen Stimme zu
hören.
Bis zum Einsetzen des Outro wird in einer Layer-Technik Schicht um Schicht übereinander gestapelt:
Verse 1
Piano (verstimmtes Klavier)
Sprechgesang
Große Flöte (Querflöte vom Mellotron)
Verse 2
Piano (Verstimmtes Klavier)
Sprechgesang
drei Große Flöten (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Chorus 1
Piano (verstimmtes Klavier)
Gesang (Einzelstimme, männlich)
Große Flöten (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
133
Beatlesque
Verse 3
Piano (verstimmtes Klavier)
Sprechgesang (tiefe Stimme männlich, hohe Stimme
männlich [Fistelstimme])
Große Flöten (Mellotron)
Oboe/Englisch Horn (vermutlich ebenfalls Mellotron)
Chorus 2
Piano (verstimmtes Klavier)
Gesang (Einzelstimme, männlich)
Gesang, zusätzlich später einsetzend (Einzelstimme,
männlich)
Große Flöten (Mellotron)
Streicher (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
Bridge
Pferdegewieher zu Beginn und am Ende der Bridge (authentisch? elektronisch erzeugt?)
Piano (verstimmtes Klavier)
Gesang, textlose Vokalisen in ganzen Notenwerten,
(Einzelstimme, männlich)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
Chorus 3
Piano (verstimmtes Klavier)
Gesang (Einzelstimme, männlich)
Gesang, zusätzlich später einsetzend (Einzelstimme,
134
Beatlesque
männlich)
Große Flöten (Mellotron)
Streicher (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
Chorus 4
Piano (verstimmtes Klavier)
Gesang (Einzelstimme, männlich)
Gesang, zusätzlich (Einzelstimme, männlich)
Große Flöten (Mellotron)
Streicher (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
elektrische Gitarre
Gesang Background (zwei Stimmen, weiblich)
Outro
Piano (verstimmtes Klavier)
Große Flöten (Mellotron)
Streicher (Mellotron)
elektrische Bassgitarre
Drum Set
Schellenring
elektrische Gitarre
Samples (rückwärts abgespielt)
Reprise des Outro
Piano (verstimmtes Klavier)
Große Flöten (Mellotron)
Streicher (Mellotron)
135
Beatlesque
elektrische Bassgitarre
Schellenring
elektrische Gitarre
Samples (rückwärts abgespielt)
(Drum Set, rückwärts abgespielt)
Während des kompletten Songs sind im Hintergrund
Fetzen von gesprochenem Text, diverse von Menschen
hervorgebrachte »tierische« Laute, im Outro auch einige
rückwärts abgespielte Einzelklänge zu hören. In der Reprise ist die komplette Schlagzeugstimme rückwärts abgespielt, während der Großteil der anderen Stimmen
korrekt abläuft. Zwischen Chorus 4 und dem Outro
wurde ein kurzer Drum Break eingefügt, der mittels
Phasing »psychedelisch« verfremdet wurde, ein Stereotyp so genannter psychedelischer Musik. Das Tempo des
Songs schwankt während seiner gesamten Dauer von etwa sechs Minuten zwischen 82 und 86 beats per minute
(bezogen auf 1/4).
Es wird deutlich, dass »The Mole From The Ministry« in
Instrumentation, der stetig anwachsenden Zahl von
Tonerzeugern, dem auch nur kurzem Auftreten einzelner Stimmen und Geräuschen – etwa das Englisch Horn
in Verse 3 oder das »Gewieher« zu Beginn und am Ende
der Bridge, der weiblich besetzte Background-Chor, die
elektrische Gitarre und weiteres mehr auf eine ganze
Reihe von Stilmitteln der Kompositionen der Beatles um
1967 hinweist. Partridge verwendet diese Partikel und
baut sie in seine Komposition ein, ohne die Musik der
Beatles direkt zu kopieren, aber doch in so deutlicher
Form, dass die Assoziation zu den einschlägigen Songs
der Beatles sich ohne weiteres einstellt. Parodistisch wird
»The Mole From The Ministry« eigentlich nur in zweierlei Hinsicht: Die Musiker ahmen das Reden, Stöhnen,
Lachen, Grunzen und Quietschen aus »I Am The Walrus« und dem Schlussteil von »Strawberry Fields Forever« in überzeichneter Form nach und bringen diese
Vokalismen damit in Bezug zu dem Titel und dem Text
136
Beatlesque
des Songs – hier werden die »Moles« zum Leben erweckt. Vielleicht.
Die »Layer-Technik«, die Partridge analog der Produktionsweise der Beatles und George Martins anwendet,
bringt es mit sich, dass zu Beginn des Songs dessen Gerüst aufgebaut und damit der »Bauplan« offen gelegt
wird. »The Mole From The Ministry« ist durchaus konventionell und raffiniert einfach konstruiert. Die ersten
acht Takte zeigen das Material der Verses, das Piano den
Rhythmus des Sprechgersangs, die Einzeltöne der Querflöte die harmonische Grundlage:
Die Einzeltöne deuten das dem Verse zugrunde liegende
harmonische Gerüst an, hier Verse 1 mit dem dazugehö- 63Text und Akkordbezeichnungen nach:
rigen Text: 63
G
|
Bm |
If you think there's something wrong
F
| Am |
Holes appearing on your lawn
http://chalkhills.org/reelbyreal/s_TheMoleFromTheM
inistry.html (Abgerufen
am 5. Juli 2015)
137
Beatlesque
Eb
| Gm |
Don’t you blame the man next door
A D| |
It's not him
Der Sprechgesang ist rhythmisch identisch mit der Piano-Stimme. Im zweiten Verse tritt der elektrische Bass
hinzu, gleichzeitig zwei weitere Querflöten, allesamt
wohl mit dem Mellotron erzeugt – eben die Klangeinstellung des Instrumentes, die auch für die Einleitung
von »Strawberry Fields Forever« genutzt wurde. Die in
Verse 1 angedeutet Harmonik wird abgesichert, indem
mit dem Mellotron drei Flöten imitiert werden, die
Power-Chords hören lassen:
Erstmals tritt nun der elektrische Bass auf, der aufgrund
seines gedämpften »runden« Klangs und Mouldings entspannten Spiels den gesamten Song noch weiter in Richtung Sixties-Music und Beatles drückt.
Während im Verse 2 die Basslinie abgesehen von kleine-
138
Beatlesque
ren Abweichungen auf Vierteln beruht, sind es im Chorus Achtel, der Bass scheint geradezu »vom Gehen ins
Laufen« zu kommen. Im Chorus tritt auch erstmals das
Drum Set auf und gemeinsam mit dem Bass ist nun
vollends klar, dass es sich hier um eine Beatles-Paraphrase handelt: Der Schlagzeug-Klang wurde abgedunkelt, es
ist durchweg ein ganz konventioneller, etwas »schnaufender« Rock-Rhythmus zu hören, der geschlossenen HiHat wurde unisono ein Schellenring zugeordnet, auf den
Zählzeiten 1 von Takt 5, 9 usw. scheinen gischtartig die
Klänge des Crash-Beckens auf, es werden nur wenige
kurze Fills eingebaut – kurzum: Ian Gregory imitiert
hier das Schlagzeugspiel von Ringo Starr.
Die Produzenten – John Leckie, Swami Anand Nagara
und die Mitglieder der Band –, griffen damit die Klangwelt der zwischen Herbst 1966 und Ende 1967 produzierten Beatles-Musik auf. Das gilt in besonderem Maße
auch für das Bassspiel von Colin Moulding: Der für diese
Musik erforderliche und vom Publikum erwartete Klang
ist mit dem entsprechenden Instrument – dem Höfner
Violin Bass 500/1 – und einem Verstärker der Zeit (Vox,
Fender) relativ leicht zu imitieren; anzunehmen, das
Moulding aber gar keinen Verstärker benutzte, den Bass
unverstärkt an das Mischpult anschloss und dann erst die
Klangformung vorgenommen wurde. Die Basslinie
selbst aber erfordert eine genaue Analyse der Spielweise
McCartneys, der stets in der Art eines Gitarristen harmonisch orientiert seine Parts aufbaut; hier der Basspart
von Chorus 1:
139
Beatlesque
Typisch für McCartney Spiel ist es auch, seine Bass-Parts
quasi »komplementär« zum Gesang aufzubauen: Immer,
wenn der Gesang atemtechnisch bedingt pausiert, füllt
der Bass die Lücke. Besonders auffällig ist das bei »Some64The Beatles: Abbey
thing«, 64 tatsächlich aber bei vielen Beatles-Songs zu finRoad (1969) den. Zudem ist in McCartneys Spiel der dramaturgische
Wechsel zwischen Legato- und Staccato-Spiel ebenso perfekt austariert wie der Wechsel beispielsweise vom Viertel- auf das Achtel-Spiel, beide unterbrochen von Pausen
und Synkopen, dies aber nicht stereotyp, sondern stets
mit einem gewissen »Überraschungseffekt.« Moulding
ahmt exakt diese Spielweise nach, nicht nur im Chorus,
sondern auch in der Bridge:
65 Bei anderer Rockmusik
kann es geradezu umgekehrt sein: Eine
Paraphrase oder eine
Parodie zu einem Song
Chuck Berrys müsste immer auf einem Blues
basieren.
»The Mole From The Ministry« als leicht erkennbare
Paraphrase zu den Beatles-Songs um 1967 basiert also vor
allem auf zwei Bedingungen: Auf der Instrumentation
und auf der Spielweise zentraler Instrumente, hier elektische Bassgitarre und Schlagzeug. Andere Bedingungen
wie Form, Harmoniefolgen, Melodiebildung spielen keine Rolle, der Gesang weicht in Teilen sogar vollständig
von den Vorbildern ab. Nicht in seiner Eintönigkeit:
Der Sprechgesang in den Verses hat zwar keine eindeutige Tonhöhe, wirkt aber ebenso eintönig wie das Vorbild »Strawberry Fields Forever«:
Eine Voraussetzung, von der Paraphrasen wie diese leben, ist eben auch, dass die Beatles kaum eine Form
mehrmals verwendeten, sondern immer die Form dem
jeweiligen Song, seinem Gehalt und seinem Sinn unterordneten. 65 Gerade »Strawberry Fields Forever« bietet
ein Beispiel, wie rigoros formale Aspekte in den Hinter-
140