Anerkanntes, qualifiziertes und wichtiges Mitglied im Team der
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Anerkanntes, qualifiziertes und wichtiges Mitglied im Team der
Apotheker in Amerika Anerkanntes, qualifiziertes und wichtiges Mitglied im Team der Patientenversorgung Die US-Amerikanerin Ann Marie Snyder studierte in Seattle, Washington State, Pharmazie. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie vier Jahre in der Offizin-Apotheke und im Altenheim und dann drei Jahre unter anderem als Clinical Staff Pharmacist am Multicare Medical Center Hospital in Tacoma. Von 2001 bis 2003 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Klinische Pharmazie am Pharmazeutischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Im Rahmen eines Projektes am Lehrstuhl von Professor Ulrich Jaehde war sie als Dozentin für die klinisch-pharmazeutische Praxis tätig. Zusätzlich arbeitete sie am Evangelischen Waldkrankenhaus in Bonn-Bad Godesberg. Parallel dazu ist sie seit 2002 am College of Pharmacy der Universität von Florida in Gainesville (Florida, USA) als Clinical Assistant Professor angestellt. Ihre Aufgabe besteht INTERVIEWSERIE: Apotheker außerhalb der klassischen Tätigkeitsfelder in der Betreuung der deutschen Teilnehmer, die das Internationale LongDistance PharmD-Programm, das jetzt auch in Deutschland angeboten wird, absolvieren. 2003 kehrte sie in die USA zurück und spezialisiert sich derzeit als Clinical Pharmacy Specialist in Innerer Medizin. Kammer im Gespräch: Die deutschen Apotheker schauen bezüglich der Umsetzung ihrer pharmazeutischen Kompetenz mit wehmütigem Blick auf die angelsächsischen Kollegen. Sie kennen beide beruflichen Welten. Was sind aus Ihrer Sicht die gravierendsten Unterschiede? Ann Snyder: Die Akzeptanz des Apothekers innerhalb des therapeutischen Teams in Krankenhäusern und damit auch seine Verankerung in der Gesellschaft. In Amerika wird der Apotheker bei der Behandlung um Rat gefragt, seine Antworten werden gehört und umgesetzt. 12 Ann Snyder: Klinische Pharmazie bedeutet Aufgabe, Chance und Verpflichtung zugleich. Zum einen sind die Standespolitiker und die für die Gesundheitsgesetzgebung Verantwortlichen gefordert, die Rahmenbedingungen für eine solche zukunftsweisende Tätigkeit zu schaffen. Zum anderen besteht die Verpflichtung, die Kollegen entsprechend auszubilden und kontinuierlich berufsbegleitend zu qualifizieren. Im Rahmen seiner Kompetenzen und Aufgaben trifft er selbstständig Entscheidungen, die er natürlich auch zu verantworten hat. Dieses kollegiale Miteinander von Ärzten und Apothekern, die gemeinsam zum Wohle des Patienten arbeiten und sich gegenseitig akzeptieren, dies ist meiner Erfahrung nach in Deutschland noch längst nicht selbstverständlich. Dass das so ist, bedauern nicht nur viele deutsche Apotheker, sondern auch Ärzte, wie mir in vielen Gesprächen bestätigt wurde. Nach einem Vortrag zur Situation der Klinischen Pharmazie in den USA vor deutschen Ärzten stand ein Zuhörer auf und wünschte sich explizit Klinische Pharmazeuten, die er bei seiner Tätigkeit in den USA kennen und schätzen gelernt hatte, auch im deutschen System. Ich selber habe an einer Bonner Klinik in Zusammenarbeit mit dem Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn Klinisch-Pharmazeutische Fallkonferenzen eingeführt, die bei Ärzten und Apothekern auf sehr positive Resonanz gestoßen sind. Außerdem hatte sich während meiner Arbeit als Apothekerin auf Station eine wirkliche Zusammenarbeit innerhalb eines interdisziplinären Teams entwickelt, die von den Ärzten begrüßt wurde. Kammer im Gespräch: Wie sehen Sie die Chance, dass sich die Klinische Pharmazie auch in Deutschland durchsetzt? Allerdings gewinnt man als neutraler Beobachter von außen den Eindruck, dass sich weder Gesellschaft noch Apothekerschaft ernsthaft und zukunftsorientiert den damit verbundenen Aufgaben stellen. Alles wird mit den Argumenten leere Kassen, Hauptsache billig, wir müssen sparen, keine Zeit abgetan. Dies ist vermutlich ein weiterer gravierender Unterschied zu den USA, wo die Notwendigkeit zu aktiven Veränderungen schon alleine durch die bedeutend konkurrenzintensivere Marktwirtschaft besteht. Kammer im Gespräch: In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte man auch in amerikanischen Zeitungen die Frage lesen: Sind Pharmazeuten überhaupt notwendig? Diese Frage würde heute sicher niemand mehr stellen. Was sind die Gründe für die positive Entwicklung des Apothekerberufs in den USA? Ann Snyder: Bei der damaligen Beurteilung des Apothekerberufes lag der Schwerpunkt allein auf dem Blickwinkel Vertriebsweg des Medikaments. Hier ist der Apotheker nicht konkurrenzlos. Ein Umdenken über die Aufgaben des Apothekers war also nötig. Das war die Geburtsstunde des Konzepts der Klinischen Pharmazie und der Pharmazeutischen Betreuung. An der Universität California zum Beispiel machte man eine Bestandsanalyse der pharmazeutischen Ausbildung schon in Apotheker in Amerika den sechziger Jahren. Diese setzte man dann in Relation zu dem in einer visionären Diskussion erarbeiteten Berufs- und Leitbild des Apothekers der Zukunft. Das Ergebnis war ernüchternd: Patientenbezogene Kenntnisse und Fähigkeiten fehlten, Kontakte zum Patienten gab es ebenfalls nicht. Das sicherlich notwendige naturwissenschaftliche Wissen, die wichtigen pharmakologischen Kenntnisse bezogen sich allein auf das Arzneimittel. Der Patient, seine Bedürfnisse und Erfordernisse fanden viel zu wenig Berücksichtigung. Der Austausch mit und der Input des apothekerlichen Wissens ins therapeutische Team fand nicht statt. In einem sehr mutigen Schritt hat man daraufhin 1968 die pharmazeutische Ausbildung neu ausgerichtet mit dem Ergebnis, dass wir heute topqualifizierte Apothekerinnen und Apotheker haben, die unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheitsversorgung des Patienten sind. Natürlich kommt eine solche Entwicklung nicht von heute auf morgen. Die Änderung des Rollenverständnisses des Apothekers von einer produkt- hin zu einer patientenorientierten Sicht hat auch in den USA mehrere Jahrzehnte gebraucht. Viele berufsinterne Hindernisse und Anfeindungen von außen mussten überwunden werden. Aber, dass Apotheker heute im Wesentlichen für ihre Beratungsleistung vergütet werden, zeigt, dass die veränderte Rolle akzeptiert ist. Kammer im Gespräch: Wie sieht der Alltag eines Klinischen Pharmazeuten in den USA aus? enthalts monitored er den Therapieerfolg und unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Durch das „Vier-Augen-Prinzip” tragen wiederum Arzt und Apotheker gemeinsam Verantwortung für eine effiziente und sichere Arzneimitteltherapie. Durch seinen direkten Kontakt am Patientenbett hat der Apotheker die Möglichkeit, unterstützende Maßnahmen anzubieten; zum Beispiel Information und Beratung des Patienten zu seiner Arzneimitteltherapie oder Device-Schulungen. Ein wichtiger Aspekt ist auch das Therapeutische Lifestyle Changing. Darunter versteht man Aufklärung und Vorschläge zur Änderung der Ernährung, des Gewichts, des Bewegungsverhaltens, Raucherentwöhnung und vieles mehr. Und auch nach der Entlassung hat der Apotheker Kontakt zum Patienten. Im Rahmen von Follow-up Untersuchungen oder Arzneimittelverordnungen checkt der Apotheker wiederum im therapeutischen Team Therapieerfolg, Therapietreue und mögliche unerwünschte Wirkungen. Wie welche Aufgaben in welcher Arbeitsteilung vom Apotheker übernommen werden, ist letztlich von den einzelnen Kliniken, der Kompetenz des Apothekers und damit seinem Standing im therapeutischen Team abhängig. Letztlich ist der Pharmaceutical Care Level abhängig vom Tätigkeitsbereich. Der Community Pharmacist ist grundsätzlich immer verantwortlich für die sichere Arzneimittelversorgung. In einigen Staaten, z.B. Washington State, gehört dazu unter anderem auch die pflichtgemäße patientenspezifische Arzneimitteldokumentation. Kammer im Gespräch: Ann Snyder: Eine zugegebenermaßen idealtypische Beschreibung sieht im Krankenhaus auf Station folgendermaßen aus: Erster Schritt nach einer Patienteneinweisung ist die Anamnese. An dieser Anamnese ist das ganze therapeutische Team beteiligt, also Arzt, Apotheker und Pflegepersonal. Der Apotheker nimmt dabei die bisherige Medikation auf, checkt die Dosierung, kümmert sich auch um Laborwerte und erstellt unter Einbeziehung der übrigen anamnestischen Daten eine Expertise. Gegebenenfalls entwickelt er schon hier erste Vorschläge für eine krankenhausspezifische Arzneimitteltherapie. Im nächsten Schritt wird interdisziplinär das therapeutische Ziel für den Patienten festgesetzt. Hier ist der Apotheker gefordert, eine patientenindividuelle Arzneimitteltherapie zu entwickeln und nach Absprache mit den Ärzten festzulegen. Während des Klinikauf- Wird die wichtige Rolle des Apothekers in der gesundheitlichen Versorgung auch in der Gesellschaft anerkannt? Wie ist die Einkommens- und Beschäftigungssituation? Wie ist die berufliche Zufriedenheit der Apotheker? Ann Snyder: Der Apotheker wird als hochqualifizierter Fachmann, der die Probleme des Patienten löst, anerkannt. Ich glaube, dass die wesentlich größere Patientennähe, die ausgeprägte pharmazeutisch klinische Kompetenz dafür verantwortlich sind. Entsprechend ist die berufliche Befriedigung, nicht zuletzt auch durch die hervorragenden Berufsaussichten und die auch für amerikanische Verhältnisse sehr gute Bezahlung. Mit einer Ausnahme herrscht in allen amerikanischen Staaten Apothekermangel, gleiches gilt übrigens auch für Kanada, das mittlerweile ja sogar in Europa Pharmazeuten rekrutiert. Anfangs- gehälter von 75.000 bis 85.000 US-Dollar sind nichts ungewöhnliches. In ländlichen Staaten oder stellenabhängig werden sogar schon einmal Autos als Prämie für die Unterschrift unter den Arbeitsvertrag versprochen. Kammer im Gespräch: Jeder USA-Besucher kennt aber auch die supermarktähnlichen Ketten-Drugstores, in denen man den Apotheker in einem kleinen „prescription corner” findet. Wird einem Apotheker dort überhaupt die Möglichkeit zur Pharmazeutischen Betreuung und patientenorientierten Pharmazie gegeben? Ann Snyder: Das ist eine Frage, die ich nur ganz schwer beantworten kann. Grundsätzlich ist der Apotheker immer gefordert zu beraten. In vielen Staaten ist diese Beratungspflicht festgeschrieben. Ein Meilenstein in der apothekerlichen Patientenberatung war der so genannte Omnibus Budget Reconciliation Act von 1990, in dem der Kongress den Pharmazeuten ein klares Mandat zur Beratung der Medicare Patienten (eine Art gesetzliche Krankenversicherung für Senioren) erteilt hat. 2004 ist aber auch eine Studie erschienen, in der festgestellt wurde, dass die Beratung signifikant von der Intensität der gesetzlichen Regelungen, der Vertriebsform und dem Alter des Apothekers abhängt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass staatlichen Institutionen, den pharmazeutischen Gesellschaften, Managern der einzelnen Vertriebsformen und den Apothekern vor Ort eine hohe Verantwortung zukommt, die erforderlichen Voraussetzungen für die Patientenberatung zu schaffen. Kammer im Gespräch: Können Sie uns einen kleinen Einblick in den amerikanischen Apothekenmarkt geben, insbesondere mit Blick auf die dortige Kettenstruktur? Ann Snyder: Dazu veröffentlichte die National Association of Chain Drug Stores (NACDS) folgende Zahlen. Zu den NACDS gehören 145 Gesellschaften, die über 32.000 öffentliche Apotheken betreiben. 19.300 Apotheken davon sind traditionelle Einzelhandel-Kettenapotheken, 7.800 Supermarktapotheken und 5.300 sogenannte Mass Merchant Apotheken. Mit über 94.000 Apothekern sind Kettenapotheken die größten Arbeitgeber im pharmazeutischen Bereich. 60 Prozent der jährlich in den USA ausgestellten Rezepte 13 Apotheker in Amerika werden durch Ketten beliefert. Diese Zahlen sind sicher erst einmal beeindruckend, für den deutschen Apotheker vielleicht auch erschreckend. Aber unabhängige Apotheken haben überlebt und spielen eine gar nicht so unwichtige Rolle. Ihre „Nische” ist Qualität und Kundennähe. Viele Kunden wählen bewusst den Weg in ihre „richtige Apotheke” gerade nach negativen Erfahrungen mit dem Versandhandel oder austauschbaren Leistungen von Ketten. Gerade in ländlichen Gebieten sind die - wie sie liebevoll genannt werden - „Ma and Pap Pharmacies” wichtiger Bestandteil des Gemeinwesens. Kammer im Gespräch: Mit Ihrer Erfahrung in beiden Systemen: Was empfehlen Sie den deutschen Kolleginnen und Kollegen für ihre berufliche Zukunft? Ann Snyder: Eine sehr schwierige Frage. Die Basis von allem ist sicher eine gute berufliche Qualifikation und Kompetenz. Patientenorientierte Pharmazie war für die amerikanischen Apo- PharmD-Studiengang: Seit einiger Zeit können deutsche Apotheker mittels eines FernAufbaustudiums an einem amerikanischen PharmD-Studiengang teilnehmen. Veranstalter ist die Universität Florida, College of Pharmacy, Gainesville in Kooperation mit den Apothekerkammern von Bayern und Nordrhein. In dem dreijährigen berufsbegleitenden Studium wird umfassendes Wissen zur patientenorientierten Pharmazie vermittelt. Jedes Trimester deckt ein bestimmtes Krankheitsbild als Schwerpunktthema ab. Anhand CPA’s (clinical practice assessments) erarbeitet der Student die patientenbezogene Arzneimitteltherapie. Zu den Kernprozessen der CPA’s zählen zum Beispiel simulierte Fallbesprechung/ echte Visiten, Entwicklung von Therapievorschlägen unter Einbeziehung von Guidelines, Schnittstellenmanagement oder Monitoring und Bewertung der Therapie-Effektivität. Die Kosten derzeit pro Jahr: 5300 US-Dollar. Weitere Informationen gibt es bei der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Stefan Derix (s.derix@aknr.de), sowie auf der Homepage der Universität Florida: www.cop.ufl.edu/safezone/wppd. theker der richtige Weg zur Zukunftssicherung. Dieser Bereich muss in Deutschland wesentlich intensiviert werden. Das gilt für Lehre und Forschung genauso wie für die tägliche berufliche Praxis. Qualifikation, Kompetenz und Long Life Learning sind gefragt. Auch sollten die Apothekerinnen und Apotheker klare therapeutische und ökonomische Verantwortung mit allen haftungsrechtlichen Fragen für sich fordern. Denken wir an die amerikanische Situation: Dort wurde knallhart gefragt: Was leistet ihr Apo- theker für den Patienten, was ist euer gesellschaftlicher Nutzen? Die Beantwortung dieser Frage wird auch in Deutschland entscheidend für die Zukunft sein. Was nicht vergessen werden sollte: viele Initiativen in dieser Richtung sind schon auf den Weg gebracht. Auch hat man die große Chance, aus den Fehlern der anderen zu lernen. Hinzu kommt eine konstruktive Einstellung bezüglich Veränderungen der Apothekenlandschaft, die sicher kommen werden. Also nicht zurück, sondern stets nach vorne blicken. Veranstaltungshinweis OTC-Kongress 2004 erstmals parallel zur Expopharm in München Das Programm: Umsatzausfälle und neue Marktstrukturen haben den OTC-Markt rauer gemacht. Bald entscheidet sich, welche Zukunft die Selbstmedikation in der Apotheke hat. „OTC pro Apotheke” lautet der Titel, des erstmals in die Expopharm München integrierten eintägigen OTC-Kongresses, der am 1. und 2. Oktober (Wiederholung) auf dem Messegelände stattfindet. Veranstalter sind der Deutsche Apothekerverband e.V. (DAV), der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Organisiert wird die Veranstaltung von der Marketing Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH (MGDA) in Eschborn. 14 10:00 - 10:30 Uhr Selbstmedikation – Herausforderung und Chance zugleich Hermann S. Keller, Vorsitzender des DAV 10:30 - 11:15 Uhr Letzte Chance? – oder: Beste Chancen für die Apotheke? Jürgen Petersen, Leiter des Geschäftsbereichs OTC IMS Health 11:45 - 12:30 Uhr Rettungsanker Markenartikel? – Was kann die Apotheke vom Einzelhandel lernen? Dr. Klaus Kluthe, Markenverband e.V. Mittagspause Gelegenheit zum Besuch der Expopharm 15:00 - 15:45 Uhr Kundenorientierung als Erfolgsfaktor Ottmar L. Mergel, OTC Top Consulting 15:45 - 16:30 Uhr Selbstmedikation: Wichtig für Hausapotheken Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbands SchleswigHolstein Moderation: Annette I. Welcker, gesundheitspolitische Journalistin Die Teilnehmerkarte für den OTC-Kongress kostet 75 Euro. Weitere Informationen unter www.selbstmedikations-kongress.de oder bei Michèle Schulmeier, Telefon 06196/928602 oder Fax 06196/928603.