Die Ökonomisierung der Bundeswehr im Meinungsbild der Soldaten
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Die Ökonomisierung der Bundeswehr im Meinungsbild der Soldaten
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr 139 SOWI-Arbeitspapier SO WI Cathleen Kantner & Gregor Richter Die Ökonomisierung der Bundeswehr im Meinungsbild der Soldaten Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 Dezember 2004 Strausberg 2 2 SOWI-Arbeitspapier Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr Cathleen Kantner & Gregor Richter Die Ökonomisierung der Bundeswehr im Meinungsbild der Soldaten Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 Nr. 139 Dezember 2004 Strausberg 2 Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren. Copyright by SOWI 2004 Alle Rechte vorbehalten ISSN 1433-9390 Druck: Wehrbereichsverwaltung Ost Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr Prötzeler Chaussee 20 15344 Strausberg Tel.: 03341/58-1801 Fax: 03341/58-1802 www.sowi-bundeswehr.de 2 Kurzfassung Summary Die Vielzahl von koordinierten Maßnahmen der Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Denk- und Steuerungsmethoden sowie die teilweise Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr lässt sich unter den Begriff „Ökonomisierung der Bundeswehr“ zusammenfassen. Die Bundeswehr folgt dabei dem weltweiten und auch im deutschen öffentlichen Sektor verbreiteten Trend der Heranführung der Verwaltung an privatwirtschaftliche Steuerungs- und Managementinstrumente. Ziel ist es, die Organisation Bundeswehr hierdurch effizienter und effektiver zu gestalten. The multitude of coordinated measures to introduce modern business methods of thinking, control and guidance, together with a partial privatization of certain service tasks of the Bundeswehr, may be summarized under the term of “economization of the Bundeswehr”. By this, the German armed forces follow the worldwide trend, also common in the German public sector, to approach administration to the instruments of control and management prevailing in private enterprises. All these measures aim at making the organization Bundeswehr more efficient and effective. Neben genuin betriebs- und volkswirtschaftlichen Zugängen stellt die Ökonomisierung der Bundeswehr als umfassendes organisationsstrukturelles wie -kulturelles Reformprojekt auch ein sozialwissenschaftliches Forschungsobjekt dar. Bei einschneidenden und weitreichenden Reorganisationsmaßnahmen ist erfahrungsgemäß mit Umsetzungsschwierigkeiten, Akzeptanzproblemen, Widerständen, Konflikten und Verzögerungen zu rechnen. Speziell für den Fall der Bundeswehr stellt sich die Frage, wie sich die ökonomischen Reformen zur etablierten Führungsphilosophie, der Inneren Führung, verhalten. Ausgehend von dieser Leitfragestellung wird im vorliegenden Ergebnisbericht erstmalig ein Meinungsbild in der Bundeswehr zum Ökonomisierungsprozess gezeichnet. Die getroffenen Aussagen erstrecken sich auf die Streitkräfte, nicht aber auf die Wehrverwaltung. Apart from business and national-economic issues, the economization of the Bundeswehr – as a comprehensive reform project of the organization’s structure and culture – is also a sociological research subject. As often experienced, dramatic and far-reaching measures of reorganization are being accompanied by implementation difficulties, problems of acceptance, resistances, conflicts and delays. Particularly for the Bundeswehr case, the question arises of how the economic reforms will comply with the established leadership philosophy of Innere Führung*. Starting out from this pilot issue, this report draws for the first time an opinion picture of the economization process across the Bundeswehr. The statements were gathered within the armed forces but not within bodies of defense administration. Die Untersuchung beruht auf der 2003 durchgeführten Streitkräftebefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. Die Streitkräfteumfrage liefert als Querschnittsbefragung ein repräsentatives Gesamtbild der Werte, Einstellungen und Meinungen der Truppe, Wissensbestände, generelle Einschätzungen der Faktenlage in Bezug auf ausgewählte Themen sowie Selbstaussagen in Bezug auf das eigene Handeln. Die Befragungsergebnisse zum Themenfeld „Ökonomisierung“ werden entlang der Bewertungsfaktoren „Können“, „Wollen“ und „Dürfen“ präsentiert. Diese gelten als kritische Parameter für den Erfolg von Organisationsentwicklungsprozessen. Entlang dieser Bewertungsfaktoren werden auf der Basis der Befragungsergebnisse Folgerungen und Empfehlungen ausgesprochen. The survey is based upon the 2003 armed forces opinion poll of the Bundeswehr Institute of Social Sciences. This poll, as a cross-cutting survey, gives a representative overview of values, attitudes and opinions in the troops, of the state of knowledge, general evaluations of the situation for chosen issues, and statements concerning the soldier’s own acting. The survey findings for the item complex “economization” are represented along the evaluation factors “skills”, “willingness”, and “allowance”. These are regarded as critical parameters for the success of development processes in organizations. Based upon the survey findings, conclusions and recommendations are given along these evaluation factors. *Leadership and civic education 5 Inhaltsverzeichnis 1 Ökonomisierung in der Bundeswehr – eine Bestandsaufnahme 7 2 Ökonomisierung als sozialwissenschaftliches Problem 14 2.1 Konzeption und Design der Untersuchung 18 2.2 Können, Wollen, Dürfen – Bewertungsfaktoren des Veränderungsmanagements 20 3 Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 21 3.1 Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Können“ 21 3.1.1 Information und Kommunikation im Ökonomisierungsprozess 21 3.1.2 Ausbildung und Anforderungen an militärische Führer 27 3.2 Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Wollen“ 29 3.2.1 Allgemeines Einstellungsbild zum Ökonomisierungsprozess 30 3.2.2 Ökonomisierung – Wie passt sie zum soldatischen Berufsverständnis und zur Militärkultur? 35 3.2.3 Kameraden, Kameradschaft, Organisationsklima 37 3.2.4 Aktivitätenerfassungsblätter 39 3.2.5 Meinungsbild zur Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr 42 3.2.6 Wahrgenommener Erfolg der Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden 46 3.2.7 Anreizsysteme für wirtschaftliches Handeln im Vergleich 50 3.3 Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Dürfen“ 53 3.3.1 Handlungsrahmen und Entscheidungswege 54 3.3.2 Bürokratie und Dienstvorschriften 57 3.4 Ökonomisierung – die Sicht der militärischen Führer 58 3.4.1 Controlling und militärischer Führungsprozess 58 3.4.2 Ökonomisierung und Innere Führung 60 6 4 Rückwirkungen der Ökonomisierung auf die Innere Führung 62 4.1 Folgerungen und Empfehlungen: Können 62 4.2 Folgerungen und Empfehlungen: Wollen 63 4.3 Folgerungen und Empfehlungen: Dürfen 65 5 Zusammenfassung und Schlussbemerkung 67 6 Anhang 68 6.1 Charakterisierung der Stichprobe 68 6.2 Kenndaten der Stichprobe 68 7 Glossar 70 8 Literaturverzeichnis 72 Autoren 75 6 7 1 Ökonomisierung in der Bundeswehr – eine Bestandsaufnahme Bereits seit Jahren wird ein hoher Reformbedarf der Bundeswehr wahrgenommen. Das bisher an der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtete Profil der Bundeswehr muss den neuen Aufträgen im Rahmen internationaler EU-, NATO- und UN-Einsätze angepasst werden. Eine weitgehende Umstrukturierung der früher panzerstarken Verteidigungsarmee zur Einsatzarmee erfordert Investitionen in moderne Waffensysteme, Material und Ausrüstungen und konfrontiert die Bundeswehr mit großen organisatorischen Herausforderungen. Denn all dies muss innerhalb weniger Jahre und unter dem Druck äußerster Ressourcenknappheit bewältigt werden. Allein mit Standortschließungen und Personalabbau kann eine Entspannung der finanziellen Situation der Bundeswehr nicht erreicht werden. Seit einigen Jahren wird deshalb daran gearbeitet, die laufenden Kosten der Bundeswehr und ihrer zivilen Verwaltung zu senken, indem moderne Managementmethoden genutzt werden, um die Effizienz und Effektivität des Mitteleinsatzes zu erhöhen und finanzielle Gestaltungsspielräume zu gewinnen. Als Oberbegriff für eine Vielzahl von koordinierten Maßnahmen der Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Steuerungs- und Managementmethoden in der Bundeswehr sowie für Ansätze zur Teilprivatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr hat sich der Begriff „Ökonomisierung in der Bundeswehr“ verbreitet. Doch verbindet die Bundeswehr noch stärkere Ambitionen mit diesem Reformpfeiler. Ökonomisierung wurde zur Chiffre für einen Paradigmenwechsel innerhalb der Bundeswehr, für eine neue Art des Denkens, bei der betriebswirtschaftliche Rationalitätskriterien grundsätzlich in alle Entscheidungsprozesse einfließen sollen (vgl. Arnold 2004; Richter 2004). „‘Ökonomisierung’ (...) kennzeichnet den zunehmenden Einfluss der Ökonomie auf das Denken und Handeln von Individuen und Organisationen in verschiedenen sozialen Subsystemen wie beispielsweise dem Staat.“ (Löffler 2003: 19) 1 Ökonomisierung kann auf zwei Wegen erfolgen. Ökonomisierung im engeren Sinne meint die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungs- und Managementinstrumente. Eine zweite Variante bezieht sich auf die vollständige oder teilweise Übertragung von vormals vom Staat ausgeführten Aufgaben an private Unternehmen (=Privatisierung). Die meisten von der Bundeswehr ergriffenen Maßnahmen bewegen sich innerhalb der bisherigen Rechtsform und versuchen, innerhalb dieser öffentlich-rechtlichen Struktur ökonomische Instrumente zu verankern. Um eine effizientere Ressourcennutzung in der Bundeswehr 1 Der Begriff „Ökonomisierung“ hat sich als Fachterminus in der Verwaltungswissenschaft zur Analyse der vielfältigen Veränderungsprozesse des öffentlichen Sektors etabliert (vgl. Harms/Reichard 2003). 8 zu erreichen, wurde zwischen 1992 und 1994 von der „Arbeitsgruppe Aufwandbegrenzung und Rationalisierung im Betrieb“ (AGAB) in Zusammenarbeit mit externen Unternehmensberatern das Prinzip der Kosten- und Leistungsverantwortung (KLV) entwickelt (Hahn 1997: 255f.; Hippler 2001: 52ff.). Bei der KLV geht es um folgende Ziele: - Die wirtschaftliche Erstellung aller militärischen und zivilen Leistungen soll auf allen Ebenen handlungsleitend werden (Wirtschaftlichkeitsgebot). - Kosten- und Leistungstransparenz für alle militärischen und zivilen Leistungen soll erreicht werden. Was kostet eigentlich „Sicherheit“? Wie kann man sie effizient (also mit geringst möglichem Ressourceneinsatz) und effektiv (also mit bestmöglichen Ergebnissen) bereitstellen? - Kreativitätspotenziale der Bundeswehrangehörigen sollen erschlossen werden. Die KLV vollzieht innerhalb der Bundeswehr die Abkehr von einem extensiven zugunsten eines intensivierten Reproduktionsmodus. Eine extensive Erweiterung der Reproduktion erzielt Produktionszuwächse auf der Grundlage einer Ausweitung der einbezogenen Ressourcen – was angesichts knapper Budgets für die Bundeswehr derzeit keine Option bilden kann –, während eine intensiv erweiterte Reproduktion mit gleichem oder gar sinkendem Ressourceneinsatz einen höheren Output erzielt. Bei der intensiv erweiterten Reproduktion beruht der Zuwachs auf einer Steigerung der (Arbeits-)Produktivität. Genau darin besteht der eigentliche Sinn und Zweck der KLV: „KLV postuliert (...) einen Paradigmenwechsel: In der Situation des ‘kalten Krieges’ stand aufgrund der permanenten militärischen Bedrohung durch den potenziellen Gegner die Herstellung einer größtmöglichen Einsatzbereitschaft mit allen verfügbaren Mitteln als praktische Ausprägung des betriebswirtschaftlichen ‘Maximumprinzips’ im Vordergrund. Heute gilt hingegen grundsätzlich das ‘Minimumprinzip’. Das bedeutet, die Bundeswehr hat einen qualitativ wie quantitativ vorgegebenen Verteidigungsauftrag mit einem möglichst geringen Ressourceneinsatz zu erfüllen.“ (Hubbert 2000: 79) Mit der KLV soll der wirtschaftliche Umgang mit anvertrauten Ressourcen als wesentlicher Maßstab des Denkens und Handelns in der Bundeswehr verankert werden (ebd.). Die KLV wurde erfolgreich erprobt und wird inzwischen flächendeckend in der Bundeswehr eingesetzt. Dieser Prozess – so die Planungen – soll in den nächsten Jahren abgeschlossen sein. Wesentliche Instrumente der KLV sind die KLR (Kosten-Leistungs-Rechnung) und das KVP (Kontinuierliches Verbesserungsprogramm). 9 Vorrangiges Ziel der KLR ist die Herstellung von Transparenz über die in einer organisatorischen Einheit jeweils erbrachten Leistungen sowie die dabei tatsächlich anfallenden Kosten.2 Für die Bundeswehr wurde dazu eine Software namens KOLIBRI3 entwickelt, mittels derer eine integrierte Ist- und Plan-Kosten-Rechnung betrieben werden kann, was ein gezieltes Eingreifen und Nachsteuern bei Abweichungen ermöglichen soll.4 Ursprüngliches Ziel der KLR ist die sog. Interne Optimierung, d. h. die Kosteninformationen dienen dem Dienststellenleiter als Entscheidungshilfe zur Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation mit dem Ziel der Steigerung der Wirtschaftlichkeit und/oder Qualität der Leistungserbringung der Dienststelle. Zur Ermittlung der Kosten, die durch den Faktor Arbeit entstehen, ist es in vielen Fällen erforderlich, Arbeitszeit zu erfassen und diese möglichst vollständig einzelnen Aktivitäten bzw. Kostenträgern zuzuordnen. Es ist teilweise möglich die Zeiterfassung wieder einzustellen, wenn konsolidierte Durchschnittswerte gebildet und ein Modus zur Fortschreibung im KLRSystem entwickelt werden kann. Die Zeiterfassung dient also nicht der misstrauischen Überwachung eventueller „Faulpelze“, sondern der Ermittlung von Kosten. Diese Intentionen der teilweise als lästig empfundenen „Zeitaufschriebe“ ist den Mitarbeitern jedoch nicht leicht zu vermitteln. Zeit – eine bislang in der Wehrpflichtigenarmee im Frieden in unbegrenztem Umfang zur Verfügung stehende Ressource – wird somit kostenrelevant. Das KVP dient der Förderung der Eigeninitiative und Kreativität aller Soldaten und zivilen Beschäftigten. Die eingebrachten Vorschläge sollen dabei helfen, Missstände, Fehlplanungen und betriebswirtschaftliche „Irrationalitäten“ zu beseitigen. Es ist zu erwarten, dass sich die Mitarbeiter zufriedener und motivierter fühlen, wenn ihre Erfahrungen und Kreativitätspotenziale anerkannt und gefördert werden. Eintreffende Vorschläge werden vom KVP-Beauftragten der Dienststelle gesammelt und zur Prüfung weitergeleitet.5 Wird ein Vorschlag auf der Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung angenommen, soll der Beauftragte bei 2 3 4 5 Es gibt dabei zwei grundlegende Typen von Kostenrechungssystemen. Je nach Art der Aufgaben einer Dienststelle wird entweder die Prozesskosten-, die Kostenträgerrechung oder eine Mischform eingeführt. Dieses Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Bezeichnung „Kosten- und Leistungsrechung in der Bundeswehr zu Rationalisierung und internen Optimierung“ zusammen. Die KLR kann auch der Vorbereitung sog. „Market-Testing-Verfahren“ (MT) dienen, mit denen der Selbstkostenpreis einer Leistung bestimmt und mit einem Preisangebot eines kommerziellen Leistungsanbieters verglichen werden kann. Das MT-Verfahren kann als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Privatisierung bzw. ein Outsourcing von Leistungsbereichen betrachtet werden. KVP-Beauftragte erfüllen ihre Aufgabe in der Regel in Nebenfunktion und werden in Lehrgängen geschult. Oft wird die Funktion des KVP-Beauftragten durch den Controller mit wahrgenommen. Noch längst nicht jede Dienststelle hat einen solchen KVP-Beauftragten bestimmt. 10 der Umsetzung von Ideen helfen. Innovative Vorschläge können mit nicht unerheblichen Geldprämien oder mit Sachpreisen honoriert werden.6 Dass sich mit dem KVP tatsächlich Einsparungs- und Optimierungsmöglichkeiten in alltäglichen Arbeitsprozessen aufspüren lassen, beweisen zahlreiche bisher prämierte Vorschläge.7 So schlug beispielsweise ein Angestellter detailliert eine alternative Instandsetzungsmethode zur Sanierung einer Lärmschutz-Kassettendecke in einer Standortschießanlage vor. Gegenüber der ursprünglichen Planung wurden durch die Berücksichtigung des Vorschlags ca. 148.500 Euro haushaltswirksame Einsparungen erzielt.8 Aber nicht nur im fachlichen Bereich lassen sich durch das Wissen der Mitarbeiter Einsparungen erzielen. So wurden zwei Soldaten auf ein organisatorisches Optimierungsproblem aufmerksam. Sie schlugen vor, die Durchführung von Märschen in ihrer Einheit so zu koordinieren, dass durch eine abgestimmte Jahresplanung sowohl der Zeit- als auch der Betriebsmitteleinsatz um ca. 3.300 Euro jährlich reduziert werden kann.9 Das KLV-Konzept wurde in den letzten Jahren zu einem integrierten Controlling-Konzept fortentwickelt.10 Blieb das Verständnis dieses betriebswirtschaftlichen Instruments anfangs noch rechungswesenzentriert, gehen die Bemühungen inzwischen dahin, flächendeckend einen erweiterten führungs- und koordinationsorientierten Controlling-Ansatz zu implementieren.11 Soldaten und Mitarbeiter der Wehrverwaltung werden zu Controllern fortgebildet und geschult, um die neue Aufgabe – meist in Nebenfunktion – übernehmen zu können. Die Ausbildungsaufgaben werden von der Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik (BAkWVT) in Mannheim und Berlin wahrgenommen. Controlling erschöpft sich nicht in einem übergreifenden Informations-, Berichts- und Analysesystem zur Erzeugung von Kostentransparenz, sondern soll die Dienststellenleiter und militärischen Führer beraten bei der Zielbildung, Planung, Kontrolle und bei einem aktiven Management ihres Verantwortungsbereichs. Das Controlling soll die Führung also künftig bei 6 7 8 9 10 11 Die Höchstprämie für einen angenommenen KVP-Vorschlag liegt bei 25.000 Euro. Die Prämienberechnung bemisst sich an den tatsächlich erzielten Haushaltseinsparungen bzw. an einem Punktesystem (vgl. auch die folgenden Richtlinien: BMVg 2002a; BMVg 2003b). Zu den folgenden und vielen weiteren erfolgreichen Beispielen vgl. Intranet der Bundeswehr http:// www. infosys.svc/C1256A4200206A74/CurrentBaseLink/N255ECKJ683CH9NDE. Der Vorschlag wurde mit einer Prämie von ca. 6.000 Euro belohnt. Den Soldaten wurde jeweils eine Prämie in Höhe von ca. 330 Euro zuerkannt. Welche Bedeutung der betriebswirtschaftlichen Neuorientierung der Bundeswehr in der politischen Leitung und der militärischen Führung zugeschrieben wird, zeigt die 2001 erfolgte Aufstellung eines Stabes Leitungscontrolling (LC) im Bundesministerium der Verteidigung, der eine Schlüsselstellung bei der Konzipierung und der Implementierung des Controllings einnimmt (Oltmanns 2001: 268). Für einen Überblick zum betriebswirtschaftlichen Controlling-Konzept siehe: Horváth 2003; Weber 2002. Vgl. die „Rahmenweisung für das Controlling im Geschäftsbereich des BMVg“ (BMVg 2002b). 11 der Definition, Priorisierung, Operationalisierung und Verfolgung der strategischen und operativen Ziele der Einheit bzw. Dienststelle unterstützen. Dieser Prozess soll einen optimierten Ressourceneinsatz erreichen und so erfolgen, dass die Mitarbeiter so weit wie möglich einbezogen werden. Um die Zielbildung und Planung ebenengerecht zu unterstützen, werden allerorts derzeit Leitbilder12 entwickelt. Die Entwicklung der Leitbilder soll in einem möglichst partizipationsoffenen Prozess erfolgen. Hierbei werden nicht nur harte, quantifizierbare Aufgaben berücksichtigt, sondern es wird eine ausgewogene Einbeziehung der unterschiedlichsten Aufgabenbereiche einer Organisation angestrebt. Ein gutes Leitbild kann also kooperative Führungstätigkeit erleichtern, da es den Mitarbeitern die Chance gibt mitzudenken und ihre eigene Funktion im Team realistisch einzuschätzen. Das Leitbild trägt aber auch zur Ausprägung einer „Corporate Identity“ der Einheit bzw. Dienststelle bei, schafft Verhaltenssicherheit und erlaubt die Führung über Ziele (Ohm 2003: 64f.). Kernstück des Controlling-Konzeptes der Bundeswehr ist die balanced scorecard (BSC) (Kaplan/Norton 1997; Hippler 2001; Horváth & Partner 2001; Ehrmann 2003). Sie ist ein betriebswirtschaftliches Instrument, mit dem eine Organisation ihre Zielsetzungen transparent macht, Strategien zu ihrer Umsetzung entwickelt und den Grad der Zielerreichung messen kann. Grundlage für die Entwicklung der BSC bilden das Leitbild der Dienststelle und weitere auftragsbegründende Dokumente. Dabei werden – soweit wie möglich – den strategischen und operativen Zielen finanzielle oder nicht-finanzielle Messgrößen zugeordnet. Für die jeweils folgende Periode werden Zielwerte für den Output der Dienststelle und entsprechende Aktionen zur Erreichung dieser Ziele bestimmt. Auf diese Weise werden überprüfbare Kennziffern für erfolgreiches Agieren im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen festgelegt. Dies macht die Dienststellen für sich selbst unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten transparenter, hilft übergeordneten Dienststellen, Probleme zu erkennen und ermöglicht es den jeweiligen Führungskräften, bei Schwierigkeiten steuernd einzugreifen. Mit der BSC werden nicht nur Kosten- und Effizienzziele verfolgt, sie ist vielmehr ein umfassend angelegtes Managementinstrument, mit dem auch auf „weiche“ Faktoren, wie Führungsphilosophie, Mitarbeiterzufriedenheit oder Identifikation mit der Organisation eingegangen werden soll. 12 Leitbilder sind ein Instrument zur Beeinflussung der Organisations- bzw. Unternehmenskultur: „Unternehmensgrundsätze bzw. -leitbilder können als (...) institutionalisierte Weltbilder bzw. Lebensordnungen begriffen werden. Mit ihrer Aufstellung wird versucht, eine langfristig orientierte und gleichzeitig veränderungs- und entwicklungsfähige, in sich geschlossene Konzeption für die Unternehmung zu entwerfen und zu formulieren, die eine anspruchsvolle, aber zugleich auch realistische Vorstellung einer idealen Unternehmenskultur enthält. Es soll ein Orientierungsrahmen für den zukünftigen Weg der Unternehmung und damit für die langfristigen politischen und strategischen Entscheidungen aufgespannt werden.“ (Heinen 1987: 165) 12 Die BSC ist somit eine Führungshilfe für den Dienststellenleiter bzw. Kommandeur und nicht primär ein Mittel der Dienstaufsicht durch die höhere Ebene. Zu den Aufgaben der inzwischen in vielen Dienstellen eingesetzten Controller gehört es auch, ausgabenreduzierende Maßnahmen vorzuschlagen. So kann z. B. leitungsinitiiert (top down) beschlossen werden, bestimmte Aktivitäten oder Ausgaben zu reduzieren bzw. zu streichen. Aber auch mitarbeiterinitiierte Einsparungen kann der Controller anregen, indem er z. B. KVP-Workshops organisiert. Flankierende Maßnahmen stehen den genannten Instrumenten zur Seite. So wurde die Vermittlung betriebswirtschaftlichen Denkens in den Fachausbildungsprogrammen der Bundeswehr verankert. Einige Dienststellen der Bundeswehr gingen inzwischen zur „flexiblen Budgetierung“ über.13 Dieses modifizierte Verfahren der Haushaltsmittelbewirtschaftung ermöglicht einerseits eine größere sachliche und zeitliche Flexibilität sowie andererseits eine stärkere Dezentralisierung der Budgetverantwortung. Es erlaubt eine gegenseitige Deckung von Haushaltsmitteln sowie die Übertragung von eingesparten Mitteln in das nächste Haushaltsjahr. Allerdings erstrecken sich diese neuen Optionen nicht auf den gesamten Haushalt. Personalmittel werden z. B. nicht mit einbezogen, was ein selbstständiges Ressourcenmanagement von Dienststellenleitern und militärischen Führern erheblich einschränkt. Auch im Personalwesen wurden flankierende Reformen in Angriff genommen. Hierzu gehören die Novellierung des Dienstrechts, die Erarbeitung und Umsetzung von Personalentwicklungskonzepten sowie die Einführung von Partizipationsmodellen (vgl. Seekatz 2003: 257). Diese flankierenden Maßnahmen spielen in der vorliegenden Untersuchung keine Rolle, weil sie sozusagen im administrativen Hintergrund ablaufen und den Alltag der Ökonomisierungsmaßnahmen in der Truppe kaum berühren. Der zweite und seltener beschrittene Weg der Ökonomisierung hängt mit der Änderung der Rechtsform zusammen. Aufgrund von Besonderheiten der deutschen Geschichte verfügt die Bundeswehr seit ihrer Gründung anders als viele andere Armeen über eine eigenständige 13 Flexible Budgetierung ist kein integraler Bestandteil des KLV-Konzepts, aber eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaftlichkeitsziele der KLV in den Dienststellen tatsächlich umgesetzt werden können (vgl. Hubbert 2000: 82). 13 Wehrverwaltung.14 Eine gewisse Unterscheidung zwischen militärischen Kernaufgaben und nicht rein militärischen Aufgabenfeldern hat in der Bundeswehr also Tradition. Es bestehen seit längerem Überlegungen, ob bestimmte intern erbrachte Dienstleistungen im Servicebereich nicht von Privaten angeboten werden könnten: „Nicht alle Aufgaben, die heute tatsächlich unter dem Etikett Bundeswehr mit eigenem Personal und mit eigenem Material erledigt werden, müssen auch von Rechts wegen durch die Bundeswehr – bzw. durch die Bundeswehrverwaltung – ausgeführt werden.“ (Gramm 2002: 161) Im Einzelfall ist es allerdings schwierig, die Grenze zu bestimmen zwischen grundsätzlich privatisierungsfähigen Aufgaben auf der einen und dem aufgrund militärischer Funktionsimperative und rechtlicher Schranken als nicht privatisierbar geschützten Kernbereich auf der anderen Seite.15 Wenn vormals vom Staat ausgeführte Aufgaben ganz oder teilweise an privatwirtschaftlich geführte Unternehmen übertragen werden, spricht man von Privatisierung (vgl. Gusy 1998). Je nach rechtlicher Ausgestaltung wird zwischen formaler, funktioneller und materieller Privatisierung unterschieden (vgl. Seekatz 2003). Es gibt in der Bundeswehr bereits einige Beispiele für die faktische Privatisierung von Aufgaben aus dem Servicebereich. Eine Schlüsselrolle hierbei spielt die „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbh“ (g.e.b.b.), die im August 2000 ihren Betrieb aufnahm.16 Als sog. Inhouse-Gesellschaft17 analysiert sie das Geschäftssystem der Bundeswehr, identifiziert privatisierbare Geschäftsfelder und erarbeitet Vorschläge zur Reorganisation des Liegenschafts- und Flottenmanagements, der Bekleidungswirtschaft und des IT-Bereichs. Auch in Bezug auf die Neuordnung des Verpflegungswesens laufen Planungen. Der Konstruktion der g.e.b.b. wird man am ehesten gerecht, wenn man sie als eine Mischform aus formaler und funktioneller Privatisierung interpretiert. 14 15 16 17 Das Grundgesetz (Art. 87b GG) fordert eine eigenständige zivile Verwaltung der Bundeswehr, die nicht dem Militär, sondern dem im demokratischen Prozess legitimierten Minister der Verteidigung untersteht, auch um der Tendenz einer Verselbstständigung des Militärs als Staat im Staate entgegenzuwirken. Die Bereitstellung von Streitkräften gehört zu den wenigen exklusiven Staatsaufgaben, die das Grundgesetz vorsieht (Art. 87a GG). Der grundgesetzlich gedeckte Umfang von Privatisierungen innerhalb der Bundeswehr wird höchst unterschiedlich beurteilt (vgl. Lorse 2002; Walz/Walz 2002; Voigt/Seybold 2003). Mit verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich von Privatisierungen und Public-PrivatePartnerships (PPP) über die Bundeswehr hinaus beschäftigt sich Weiß (2002). Hundert Prozent der Anteile an der g.e.b.b. hält das Bundesministerium der Verteidigung (vgl. http://www.gebb-mbh.de/flash.html). Der zwischen der g.e.b.b. und dem BMVg geschlossene Basisvertrag formuliert als Ziel der Kooperation die weitgehende Entlastung von Aufgaben, die nicht Kernaufgaben der Bundeswehr sind. „Bei Inhouse-Gesellschaften erfolgt die Erfüllung von staatlichen Verwaltungsaufgaben (...) weiterhin durch den Staat, wenn auch in den Organisationsformen des privaten Rechts (...) Der Staat erbringt dabei wie ein Privater Leistungen für bzw. an sich selbst.“ (Gramm 2002: 163) 14 Derzeit ist die Privatisierung am weitesten im Bekleidungswesen und im Bereich der Fahrzeugbewirtschaftung (sog. Flottenmanagement) fortgeschritten. Zwei private Gesellschaften wurden gegründet: Im Juni 2002 wurde die BwFuhrparkService GmbH ins Leben gerufen und im August 2002 die LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft.18 Sowohl die BwFuhrparkService GmbH als auch die LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft haben ihre operative Geschäftstätigkeit aufgenommen und wirtschaften als privatrechtliche Unternehmen. Die dargestellten Maßnahmen zur Ökonomisierung i. e. S. und zur Privatisierung dienen in erster Linie dazu, die Bundeswehr – unter ökonomischen Gesichtspunkten – effizienter und effektiver zu machen und damit – unter politischen Gesichtspunkten – finanzielle Spielräume für dringend notwendige Investitionen zurück zu gewinnen. Mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr werden große Hoffnungen verbunden: „Diese ökonomisch geprägten Führungsinstrumente werden in privatwirtschaftlichen Organisationen nachhaltig genutzt. Mit ihrer Adaption verband und verbindet die Bundeswehr die Erwartung, dass Prozessabläufe effizienter und die Nutzung von Ressourcen nachhaltiger erfolgen können.“ (Beirat Innere Führung 2003: 3) Der wirtschaftliche Erfolg dieser Maßnahmen kann nur unter Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente gemessen und beurteilt werden. Aber die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente in einer Großorganisation, die sich bislang nicht vorrangig an ökonomischen Rationalitätskriterien, sondern politischen und spezifisch militärischen orientierte, ist zugleich ein sozialer Prozess, der interne Konflikte und Orientierungsprobleme nach sich ziehen kann. Zur Bestandsaufnahme in diesem sozialen Prozess und zur Analyse der Wege, auf denen die Organisation Bundeswehr und ihre Angehörigen diesen Wandel „verdauen“, kann die betriebswirtschaftliche Evaluation nichts beitragen. Hier eröffnen sich spezifisch sozialwissenschaftliche Fragestellungen. 2 Ökonomisierung als sozialwissenschaftliches Problem Unter soziologischen Gesichtspunkten kann der Prozess der Ökonomisierung als eine zunehmende Ausrichtung militärischen Handelns an ökonomischen Rationalitätskriterien verstanden werden. Im Verlauf dieses auf der Makroebene des gesellschaftlichen Funktionssystems 18 Hauptgesellschafter der BwFuhrparkService GmbH ist mit 75,1 Prozent die g.e.b.b. Die Deutsche Bahn AG hält 24,9 Prozent der Geschäftsanteile. 25,1 Prozent der Geschäftsanteile an der LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft hält die g.e.b.b., 74,9 Prozent der Anteile halten die beiden kooperierenden Unternehmen LION APPAREL Deutschland GmbH und Hellman Worldwide Logistics GmbH & CO. KG. 15 „Militär“ vollzogenen Modernisierungsprozesses erfahren am ökonomischen Zweck-MittelDenken ausgerichtete Handlungsorientierungen einen Bedeutungszuwachs, während affektuelle, traditionale und wertbezogene Handlungsorientierungen in den Hintergrund treten (Weber 1980). Doch es fragt sich, ob diese ökonomischen Rationalitätskriterien dem Militär und seinen spezifischen Rationalitätskriterien angemessen sind, ob sie sich mit den Erfordernissen militärischer Disziplin und Hierarchie in Einklang bringen lassen und vor allem, ob sie mit der militärischen Führungskultur vereinbar sind. Auch auf der Mikroebene der sozialen Interaktionen der Soldaten und zivilen Mitarbeiter in der Bundeswehr kann der Ökonomisierungsprozess zu sozialen Spannungen und Konflikten führen. Organisationen, die einschneidende Umstrukturierungsmaßnahmen vornehmen, dürfen deshalb neben technischen und ökonomischen Effizienzkriterien auf keinen Fall das aus dem Auge verlieren, was die betriebswirtschaftliche Reorganisationsforschung als „soziale Effizienz“ bezeichnet: „Bei unzureichender Gestaltung des Umsetzungsprozesses ist auch mit Einbußen an sozialer Effizienz zu rechnen, die sich in erheblichen Konflikt-, Widerstandsund Verzögerungskosten niederschlagen können, die ihrerseits Ursache mangelnder ökonomischer Effizienz werden können.“ (Schirmer 2000: 3) Die betriebswirtschaftliche Neuausrichtung der Bundeswehr ist unter ökonomischen und politischen Gesichtspunkten dringend geboten; sie ist Teil der umfassenden Reformen in der Bundeswehr in den letzten Jahren. Die Soldaten, deren Arbeits- und Lebensbedingungen, Karrierechancen und Pensionsansprüche sich trotz des ihnen abverlangten höheren Engagements eher verschlechtern als verbessern, leiden unter einem permanenten Reformdruck. Bei Truppenbesuchen, in den Berichten des Wehrbeauftragten und vor allem in den Gesprächen unter Soldaten lässt sich ein Murren vernehmen. Im Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2003 heißt es beispielsweise: „Die Bereitschaft für Reformen in der Truppe stößt zunehmend an Grenzen.“ (Penner 2004: 8) Klagen über fehlendes Fachpersonal, Zeitknappheit, Mängel bei der Materiallage, im Bereich von Lagerhaltung und Instandsetzung von Gerät, die zulasten der Ausbildung gingen (ebd.: 14ff.), sowie Beschwerden über den Zustand von militärischen Infrastrukturen (Unterbringung in Kasernen, Truppenküchen und Sanitäranlagen) insbesondere in den alten Bundesländern (ebd.: 18f.) beginnen sich zu häufen. Die Berufszufriedenheit sinkt (ebd.: 24). Dies wird selbstverständlich als Beeinträchtigung der Moral der Truppe und damit als Problem der Inneren Führung wahrgenommen. Wenn die Bundeswehrangehörigen die betriebswirtschaftlichen Reformmaßnahmen nicht tragen und unterstützen, gefährdet dies die Erreichung der Ziele dieser Reformen. 16 Auf der Mesoebene organisationaler Abläufe müssen solche Spannungen abgefangen und gelöst werden. Eine bloß nachahmende Orientierung an marktförmigen Instrumenten würde der Bundeswehr nicht helfen, sondern bestenfalls nach außen (z. B. gegenüber Öffentlichkeit und Parlament) legitimierend wirken – zumindest solange, wie interne Konflikte und die unter Umständen enttäuschenden Ergebnisse betriebswirtschaftlicher Evaluation nicht nach außen dringen. Mimetischer Isomorphismus, wie dies die Neoinstitutionalisten nennen (DiMaggio/Powell 1983)19, kann unter Umständen im Inneren einer Organisation kontraproduktiv sein und zum Phänomen sog. „erfolgreich scheiternder“ Institutionen führen: Institutionen also, die eine Reform „erfolgreich“ durchführen, insofern sie sich nach außen weiterhin legitimieren können: „wir haben alles Menschenmögliche getan“, und dennoch in jedem einzelnen Punkt die Reformziele nicht erreicht haben. Operation gelungen – Patient tot. „Übereinstimmung mit den institutionalisierten Regeln und Erwartungen in den Umwelten hat einige kritische Folgen für Organisationen: Sie adoptieren strukturelle Elemente, weil sie extern legitimiert sind und weniger wegen deren Effizienz, und sie benutzen externe und nicht eigene Bewertungskriterien, um den Wert struktureller Elemente zu bestimmen.“ (Walgenbach 1995: 279f.) Zwar besteht die Funktion der adoptierten Elemente gerade in der Stabilisierung der Organisation nach außen (vgl. Meyer/Rowan 1983: 33f.), nach innen aber können schwer wiegende Spannungen ausgelöst werden, materielle Engpässe können sich verschlimmern, Strukturen können zerstört werden, Vertrauen verloren gehen und so können unvereinbare Strukturelemente schließlich zur Destabilisierung führen. Auch in der Bundeswehr hört man gelegentlich Stimmen, die behaupten, die Ökonomisierung verursache mehr Arbeit als sie einspare und viele vermuten, die Bundeswehr werde dadurch bürokratischer statt flexibler. Ob diese Behauptungen den Fakten entsprechen oder nicht, solche Aussagen sind zumindest als Warnsignale ernst zu nehmen. Sie weisen darauf hin, dass die betriebswirtschaftliche Reform in der Bundeswehr den hohen Ansprüchen einer modernen und demokratischen Führungskultur und damit dem Konzept der Inneren Führung derzeit möglicherweise nicht gerecht wird. Die „Innere Führung“ ist die Konzeption militärischer Führung in der Bundeswehr. Sie bindet „die Streitkräfte bei der Auftragserfüllung an die Werte des Grundgesetzes“ und „hat die Aufgabe, die Spannungen zu mindern, die sich zwischen den individuellen Rechten des freien 19 Das neoinstitutionalistische Programm hat seinen Ausgangspunkt in der amerikanischen Organisationssoziologie (vgl. Scott/Meyer 1994; Powell/DiMaggio 1991; Meyer/Scott 1983). Für die Diskussion des Theorieprogramms hierzulande siehe: Türk 1997; Walgenbach 1995; Kantner 1998, 1999. 17 Bürgers einerseits und den militärischen Pflichten des Soldaten andererseits ergeben“ (ZDv 10/1). Die Innere Führung umfasst vier Ziele, die politische Legitimation des militärischen Auftrags, die Integration der Bundeswehr in die demokratische Gesellschaft, die Motivation der Soldaten und die menschenwürdige Gestaltung der inneren Ordnung der Bundeswehr. In dem hier verfolgten Zusammenhang sind insbesondere der Aspekt der Legitimation und der Motivation von Bedeutung. Dies schließt v. a. ein, dass den Soldaten der Sinn und Zweck der Befehle einsichtig und verständlich ist. In einer demokratischen Gesellschaft ist v. a. auch das Militär auf die aktive, auf eigener Überzeugung beruhende Mitarbeit ihrer Angehörigen angewiesen. Dies leitet über zum Aspekt der Motivation: Solide Pflichterfüllung beruht in einer Armee mit demokratischer politischer Kultur auf einem Betriebsklima, das von Verständnis, Kameradschaft und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Der 10. und 11. Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung20 widmete sich dem Problembereich der Ökonomisierung der Bundeswehr. Der 10. Beirat für Fragen der Inneren Führung begrüßte die Anstrengungen der Bundeswehr, die knappen Ressourcen möglichst effektiv und effizient einzusetzen, drückte allerdings die Sorge aus, „dass mit einer stärkeren Ökonomisierung auch unerwünschte Auswirkungen auf die Anwendung des Konzepts der ‘Inneren Führung’ verbunden sein können“ (Beirat Innere Führung 2001: 84). Inwiefern ergeben sich Konflikte zwischen Ökonomisierung und Innerer Führung? Die Arbeitsgruppe „Ökonomisierung“ des 10. und 11. Beirates Innere Führung arbeitete folgende Problembereiche heraus (vgl. Beirat Innere Führung 2001, 2003): 1. Die personellen Voraussetzungen für die ökonomischen Führungs- und Entscheidungsinstrumente sind noch unzureichend. Es fehlen Fachkräfte. Die militärischen Führer verfügen noch nicht über eine ausreichende ökonomische Qualifikation. Trotz umfangreicher Qualifikationsmaßnahmen fehlen vielerorts noch geschulte Anwender der Managementmethoden, es hapert also am „Können“ der Führungskräfte. 2. In den Dienststellen fehlen Anreize für Effizienzsteigerungen, da eingesparte Mittel z. B. nicht in der Dienststelle verwendet werden können, sondern einfach „verschwinden“. Belohnungen für wirtschaftliches Entscheiden fehlen, was Motivationsprobleme in Hinblick 20 Der Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung (kurz: Beirat Innere Führung) wurde erstmals 1958 berufen. „Der Beirat hat die Aufgabe, den Bundesminister der Verteidigung in Fragen der inneren Führung der Bundeswehr durch Abgabe von gutachtlichen Stellungnahmen zu grundsätzlichen und Einzelfragen zu beraten.“ (Erlass über die Bildung eines Beirates für Fragen der inneren Führung in der Fassung vom 24. Januar 1969; abgedruckt in: Pommerin/Bischof 2003: 109ff.) „Der Beirat soll sich aus Persönlichkeiten zusammensetzen, die auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer Stellung im öffentlichen Leben besondere Erfahrung in der Erziehung und Menschenführung besitzen.“ (ebd.) Der aus etwa 25 Mitgliedern bestehende Beirat Innere Führung beschäftigte sich in den letzten Jahren neben der Ökonomisierung der Bundeswehr mit vielfältigen anderen Fragestellungen, wie etwa Minderheiten in der Bundeswehr, Belastungen der Soldaten durch Auslandseinsätze oder Frauen in der Bundeswehr. Die Arbeit des 10. Beirates Innere Führung ist dokumentiert in Pommerin/Bischof (2003). 18 auf die betriebswirtschaftlichen Steuerungsmethoden nach sich ziehen könnte. Somit mangelt es offenbar auch am „Wollen“. Das Controlling wird auf der Ausführungsebene oft als „Ritual“ angesehen und entsprechend halbherzig umgesetzt. 3. Die Kompatibilität der betriebswirtschaftlichen Instrumente mit den Handlungsmöglichkeiten der jeweiligen Führungsebene ist oft nicht gegeben. Diejenigen, die durch ein funktionierendes Controlling auf Missstände aufmerksam werden, haben oft gar nicht den notwendigen Handlungsspielraum, um Abhilfe zu schaffen. Darüber hinaus führte der Prozess der Ökonomisierung – entgegen seinen Intentionen – eher zu einer Zunahme der Regelungsdichte und des Verwaltungsaufwandes. Der für situationsgerechte Ressourcenplanung und angemessenen Ressourceneinsatz nötige individuelle Entscheidungsspielraum ist somit eher gesunken als gestiegen. Kurz, es gibt auch Probleme beim „Dürfen“. Täuschen diese überwiegend in Gesprächen gewonnenen Eindrücke? Wie sieht das Meinungsspektrum zur Ökonomisierung in der gesamten Bundeswehr aus? Aufgrund der unzureichenden Datengrundlage und des relativ kurzen Zeitraums seit Beginn der Ökonomisierungsmaßnahmen war eine Bewertung der sozialen und organisationskulturellen Konsequenzen dieses tiefgreifenden Umstrukturierungsprozesses bislang nicht möglich. Der Beirat Innere Führung empfahl daher, eine sozialwissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema durchführen zu lassen (Beirat Innere Führung 2001, 2003). Vor diesem Hintergrund wurde im April 2003 am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr ein Forschungsschwerpunkt „Ökonomisierung in der Bundeswehr“ ins Leben gerufen. Vom Bundesministerium der Verteidigung erging der Auftrag an das Institut, ein erstes Modul mit dem Titel „Ökonomisierung in der Bundeswehr – Rückwirkungen auf die Innere Führung“ zu starten. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr legt mit diesem Arbeitspapier erste Ergebnisse seiner Untersuchungen vor. 2.1 Konzeption und Design der Untersuchung Die hier vorgestellte Untersuchung beruht auf einer standardisierten, schriftlichen Befragung einer repräsentativen Auswahl von Soldaten aller Dienstgradgruppen und einer Clusterung nach OrgBereichen. Die Umfrage und somit die hier getroffenen Aussagen erstrecken sich auf die Streitkräfte, nicht aber auf die Wehrverwaltung. Angaben zur Charakterisierung der Stichprobe und soziodemographische Kenndaten finden sich im Anhang. Der Fragebogen war Teil der Streitkräfteumfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr 2003. Diese Umfrage ist ein seit zwei Jahren erfolgreich etabliertes Untersuchungsinstrument. Der Themenbereich „Ökonomisierung“ war erstmals enthalten. 19 Die Streitkräftebefragung ist eine Querschnittsbefragung, die ein repräsentatives Gesamtbild der Werte, Einstellungen und Meinungen (subjektive Urteile) der Truppe, Wissensbestände, generelle Einschätzungen der Faktenlage in Bezug auf ausgewählte Themen sowie Selbstaussagen in Bezug auf das eigene Handeln abbildet. Durch die jährliche Wiederholung der Umfrage entsteht in Zukunft ein „unechtes Panel“ 21, d. h. eine Serie von Querschnittsbefragungen. So akkumulieren sich über die Zeit Daten einer Trendstudie zum Meinungsklima in der Bundeswehr als Gesamtorganisation – ohne genau dieselben Individuen und ihre Einstellungsänderungen über die Zeit zu verfolgen.22 Das künftig jährlich zu wiederholende bundeswehrinterne Monitoring zur Ökonomisierung, wie es in diesem ersten Modul konzipiert ist, erlaubt es, in einer Langzeitperspektive den Einstellungswandel zur Ökonomisierung in der Truppe abzubilden. Anspruch der Untersuchung war es, Meinungen und Einstellungen der Soldaten zum Ökonomisierungsprozess insgesamt sowie zu den Erfahrungen im Umgang mit den einzelnen Instrumenten zu erheben und etwaige Rückwirkungen auf die Innere Führung zu ermitteln. Die Streitkräftebefragung 2003 soll ein realistisches und repräsentatives Bild des aktuellen Meinungsklimas in der Bundeswehr zur Ökonomisierung, aber auch zu anderen Fragen vermitteln. An ihr docken unterschiedliche Forschungsprojekte des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr an. Im Folgenden werden nur die Befragungsergebnisse präsentiert, die direkt mit dem Themenfeld „Ökonomisierung“ zu tun haben. Das sozialwissenschaftliche Instrument einer Umfrage stellt jedoch keinen Ersatz für eine betriebswirtschaftliche Evaluation des Ökonomisierungsprozesses dar. Eine Umfrage hat die Aufgabe herauszufinden, was die Befragten über die Realität denken, wie sie sie wahrnehmen und nicht wie sie tatsächlich ist. Ob die Ökonomisierung gemessen in betriebs- oder gar volkswirtschaftlichen Kriterien gelungen ist oder ob sich das Verhalten der Befragten tatsächlich geändert hat, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Die Umfrage erhebt Meinungen und Einstellungen, Selbstaussagen und Urteile der Befragten und gibt Auskunft darüber, ob die Befragten der Meinung sind, dass sich etwas geändert hat oder sie sich anders verhalten. Die ökonomischen Effekte der Einführung betriebswirtschaft21 Demgegenüber handelt es sicht bei einem echten Panel um eine Längsschnittbefragung, in der identische Personen in regelmäßigen Zeitabständen immer wieder befragt werden. Aufgrund der hohen Fluktuation in der Truppe ist ein echtes Panel nicht durchführbar, denn gerade in den unteren Rängen würde sich das Sample von Jahr zu Jahr verringern (z. B. Wehrdienstleistende, Zeitsoldaten). Auch aus forschungsökonomischen Gründen ist eine solche Untersuchung für die Bundeswehr als Ganzes schwer durchführbar, da das jährliche Auffinden der bereits befragten Personen die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe treiben würde. Gerade die Bundeswehr ist durch eine ausgesprochen hohe berufliche Mobilität gekennzeichnet. 20 licher Methoden müssen mit ökonomischen Indikatoren evaluiert werden. Die hier präsentierte Meinungsumfrage in den Streitkräften vermittelt ein repräsentatives Gesamtbild der Meinungen und Einstellungen der Truppe, Wissensbestände, generelle Einschätzungen der Faktenlage in Bezug auf ausgewählte Themen sowie Selbstaussagen in Bezug auf das eigene Handeln. All dies sind subjektive Urteile und selbstverständlich können sich die Befragten in allen diesen Dimensionen irren oder falsche Aussagen machen. Die Umfrage allein sagt noch nichts über die „Wirklichkeit“ aus, sondern nur etwas darüber, wie die Befragten die Wirklichkeit wahrnehmen. Wie sich auch immer die objektive Faktenlage hinsichtlich der tatsächlichen Erfolge der Ökonomisierungsmaßnahmen und hinsichtlich der tatsächlichen Spannungen zwischen Verwaltungspraxis und -kultur auf der einen sowie kostenbewusstem Handeln auf der anderen Seite gestaltet – dies zu bestimmen wäre Aufgabe betriebswirtschaftlicher und verwaltungsrechtlicher Expertise –, die von den Soldaten unterstellten und wahrgenommenen Wirkungen der Ökonomisierung prägen wesentlich das Meinungsbild und stellen Parameter für den Erfolg des Veränderungsprozesses auf der Mikro-, Meso- und Makroebene sozialer Prozesse dar. Im günstigsten Falle wirken sie unterstützend, im ungünstigsten als selbsterfüllende Prophezeiungen eines Scheiterns. Die Skeptiker würden dann in ihrer Haltung ex post bestätigt. 2.2 Können, Wollen, Dürfen – Bewertungsfaktoren des Veränderungsmanagements Um eine anspruchsvolle Reform wie die Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Steuerungs- und Managementmethoden im militärischen Bereich umzusetzen, müssen zusammen mit der Einführung der eigentlichen Maßnahmen auch eine Reihe von Bedingungen für deren Erfolg geschaffen werden. Das Schiff muss gewissermaßen „auf See gebaut werden“ (Elster/Offe/Preuss 1998). 1. „Können“: Mitarbeiter und Führungspersonal müssen überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werden, den betriebswirtschaftlichen Reformprozess zu bewältigen und mit den neuen Maßnahmen umzugehen. Sie müssen flächendeckend informiert und entsprechend den jeweiligen Anforderungen qualifiziert werden. Eine ausreichende personelle Ausstattung für die neuen ökonomischen Führungs- und Entscheidungsinstrumente muss bereitgestellt werden. Information und Ausbildung sind die zentralen Indikatoren des Bewertungsfaktors „Können“. 22 Es werden dann Aussagen über den Einstellungswandel auf der Aggregatebene (= ganze Bundeswehr) gewonnen und nicht auf der Individualebene (= Meinungsänderungen des einzelnen Soldaten im Zeitverlauf). 21 2. „Wollen“: Mitarbeiter und Führungspersonal müssen motiviert werden, den betriebswirtschaftlichen Reformprozess zu tragen. Anreize für wirtschaftliches Handeln auf der individuellen oder auch kollektiven Ebene müssen geschaffen und Vorbehalte, Ressentiments und Widerstände mit Geduld und Überzeugungskraft überwunden werden, damit die neuen Maßnahmen nicht zu oberflächlich und missmutig vollzogenen „Ritualen“ degenerieren. Indikatoren des Bewertungsfaktors „Wollen“ sind solche, die die Motivation beeinflussen: allgemeine Einstellungen, das Berufsverständnis, das soziale Klima, der wahrgenommene Erfolg der Bemühungen und (wirtschaftliche) Anreizsysteme. 3. „Dürfen“: Selbst wenn die Mitarbeiter und das Führungspersonal bereit sind, die betriebswirtschaftliche Reform umzusetzen und über das notwendige „Können“ verfügen, könnte es Schwierigkeiten bei der Umsetzung geben, wenn die Kompatibilität der neuen betriebswirtschaftlichen Instrumente mit den organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Führungsebene nicht gegeben ist. Durch eine Zunahme der Regelungsdichte und des Verwaltungsaufwandes könnte sich der ökonomische Reformprozess gar gegen sich selbst wenden. Die (wahrgenommenen) Handlungsspielräume und die Beurteilung des bürokratischen und zeitlichen Aufwands im Entscheidungsprozess sind die zentralen Indikatoren in der Dimension des „Dürfens“. Die Untersuchungsergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 zum Thema Ökonomisierung in der Bundeswehr werden im Folgenden entlang dieser drei Bewertungsfaktoren dargestellt. 3 Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2003 3.1 Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Können“ Sind die Soldaten – ihrer Selbsteinschätzung zu Folge – darauf vorbereitet und in der Lage, den betriebswirtschaftlichen Reformprozess zu bewältigen und mit den neuen Managementinstrumenten umzugehen? Werden sie flächendeckend informiert und entsprechend den jeweiligen Anforderungen ausgebildet? Reicht die personelle Ausstattung für die neuen ökonomischen Führungs- und Entscheidungsinstrumente aus? 3.1.1 Information und Kommunikation im Ökonomisierungsprozess Wer sich schlecht informiert fühlt, den Sinn bestimmter Maßnahmen nicht versteht oder in Gesprächen nicht überzeugend vertreten kann, ist kaum in der Lage, betriebswirtschaftliche Instrumente sinnvoll anzuwenden oder gar andere dafür zu begeistern. Das Ergebnis der vor- 22 liegenden Studie in puncto Informiertheit ist eher ernüchternd: Nicht weniger als 43 Prozent der befragten Soldaten fühlen sich „schlecht“ bzw. „eher schlecht“ informiert (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Eine Mehrheit der Soldaten fühlt sich schlecht informiert über den Ökonomisierungsprozess23 Frage: „Wie gut fühlen Sie sich informiert über die Ökonomisierung in der Bundeswehr?“ (n=1 431, „keine Angabe“: 3 %) 50 41 40 30 30 Prozent 20 10 13 13 3 0 gut eher gut teils/teils eher schlecht schlecht Auch die 2002 auf der Ebene des Ministeriums durchgeführte Studie zum Veränderungsmanagement kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Die bisherige Reformkommunikation ist deutlich ungenügend. Die meisten Mitarbeiter fühlen sich über den aktuellen Stand der Projekte, Ziele, Abläufe und Inhalte nicht ausreichend informiert.“ (BMVg 2003a: 2) Ein Teil der Information bleibt also sowohl innerhalb des Ministeriums als auch im nachgeordneten Bereich in der Hierarchie hängen. Und zwar flächendeckend: Es lassen sich keine Unterschiede zwischen den Teilstreitkräften bzw. OrgBereichen nachweisen. Der Grad der Informiertheit über die Ökonomisierung sinkt – wie zu erwarten – mit dem Dienstgrad (vgl. Tab. 1). Die Soldaten haben also offenbar ein erhebliches Informationsbedürfnis; die gegenwärtige Kommunikations- und Informationsarbeit sollte deshalb intensiviert werden. Dieses Befragungsergebnis sollte auch deshalb Aufmerksamkeit erzeugen, da Soldaten, die besser informiert sind, dem Ökonomisierungsprozess tendenziell auch eher positiv gegenüberstehen. Die- 23 Der Prozentsatz derjenigen, die eine Frage mit „keine Angabe“ beantwortet haben, wird im Folgenden jeweils ausgewiesen, ist aber aus den Graphiken und Tabellen herausgerechnet. Die ausgewiesene Anzahl „n“ gibt die absolute Zahl derjenigen an, die eine Meinung zu der gestellten Frage bzw. dem Item abgegeben haben. Aufgrund von Rundungen addieren sich die Prozentwerte in machen Fällen nicht zu hundert Prozent. 23 ser Zusammenhang konnte statistisch nachgewiesen werden.24 Und von einer breiten Unterstützung hängt auch der Erfolg des Organisationsentwicklungsprozesses „Ökonomisierung“ ab. Tab. 1: Offiziere sind besser über die Ökonomisierung informiert als Unteroffiziere und Mannschaften Frage: „Wie gut fühlen Sie sich informiert über die Ökonomisierung in der Bundeswehr?“ (n=1 391) Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt gut 1% 2% 10 % 3% eher gut 9% 13 % 31 % 13 % teils/teils 44 % 39 % 34 % 41 % eher schlecht 29 % 34 % 18 % 30 % schlecht 16 % 12 % 7% 13 % 100 % 100 % 100 % 100 % Als Hintergrundinformation für die Verbesserung der Kommunikations- und Informationsarbeit ist es interessant zu erfahren, aus welchen Quellen die Soldaten ihr Wissen über den Prozess der Ökonomisierung beziehen. Nur ein Drittel der befragten Soldaten gibt den direkten Vorgesetzten als Informationsquelle an. Erstaunlicherweise sind öffentliche Medien die Hauptinformationsquelle für die Soldaten in Hinblick auf die Ökonomisierungs- und Privatisierungsthematik (vgl. Tab. 2). Tab. 2: Soldaten informieren sich vor allem über öffentliche Medien über den Ökonomisierungsprozess Frage: „Mein Wissen über die Ökonomisierung stammt aus folgenden Quellen:“ (Mehrfach antworten möglich) genannt von selbst besuchtem Lehrgang 6% Presse, Funk, TV, Internet 60 % von unmittelbaren Kameraden 37 % vom direkten Vorgesetzten 34 % Weisungen und Erlasse 27 % bundeswehrinterne Informationsquellen oder Intranet 51 % Die überwiegende Mehrheit der Soldaten wünscht, dass die Vorgesetzten den Sinn der neuen Maßnahmen besser erklären. Dies trifft für nicht weniger als 58 Prozent der befragten Solda24 Korrelation der beiden Fragen: „Im Großen und Ganzen hilft das betriebswirtschaftliche Denken der Bundeswehr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“ und „Wie gut fühlen Sie sich informiert über die Ökonomisierung der Bundeswehr.“ Korrelationskoeffizient nach Pearson: r=0.103, p<0.01 (2-seitig). 24 ten auf Zeit (SaZ) und Berufssoldaten (BS) zu (vgl. Abb. 2). Dieser Befund offenbart einen erheblichen Mangel an Innerer Führung, zu deren Kernanliegen es gehört, Untergebenen den Sinn von Aufträgen, Befehlen und Weisungen zu erschließen. Abb. 2: Soldaten wünschen mehr Information über die Ökonomisierung von ihren direkten Vorgesetzten Frage: „Ich würde mir wünschen, dass die Vorgesetzten den Sinn der neuen Maßnahmen besser erklären.“ (n=1 056, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 4 %) 50 42 40 29 30 Prozent 20 15 10 10 3 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Exkurs zum Kontinuierlichen Verbesserungsprogramm Das KLV-Konzept – verstanden als Führungsphilosophie – richtet sich an alle Soldaten und soll den wirtschaftlichen Umgang mit den anvertrauten Ressourcen befördern. Die meisten der zurzeit in der Bundeswehr zum Einsatz kommenden betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente richten sich vor allem an die militärischen Führungsebenen. KLR und das betriebswirtschaftliche Controlling sind führungsunterstützende Instrumente; ihr ursprünglicher Zweck ist die „Interne Optimierung“. Die Mehrzahl der Soldaten ist nur indirekt von den Veränderungen und Maßnahmen betroffen, etwa wenn es um die Bereitstellung von kostenrelevanten Daten und Informationen für das Controlling geht. Im Gegensatz dazu wendet sich das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP) an alle Organisationsmitglieder. Alle Soldaten, inklusive der Mannschaftsdienstgrade, sollen in den kontinuierlichen Prozess der Suche nach Rationalisierungspotenzialen und Qualitätssteigerungen der Leistungserstellung auf lange Sicht hin eingebunden werden. Folglich ist die „Umsetzung des KVP (...) Führungsaufgabe auf jeder Führungsebene“ (KVP-RL). Ganz im 25 Sinne der Inneren Führung gilt: „Alle Beschäftigten sind regelmäßig über den Stand des KVP zu informieren.“ (KVP-RL) Damit diese ambitionierten Ziele erreicht werden können, ist es erforderlich, dass alle Soldaten laufend über das Programm informiert sind. Die Streitkräfteumfrage hat einen geringen Kenntnisstand in der Truppe über das KVP zu Tage gefördert. 56 Prozent der Befragten gaben an, im Rahmen der Befragung zum ersten Mal vom KVP zu hören. Demgegenüber meinen nur 19 Prozent der Soldaten relativ genau zu wissen, was das KVP ist (vgl. Tab. 3). Tab. 3: Das KVP ist nur einer Minderheit der Soldaten bekannt Frage: „Was wissen Sie über das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP)?“ (n=1 482) Antwortvorgabe angekreuzt von „Ich weiß relativ genau, was das KVP ist.“ 19 % „Ja, ich habe schon mal was davon gehört und habe eine ungefähre Vorstellung vom KVP.“ 25 % „Vom KVP höre ich heute das erste Mal.“ 56 % 100 % Bedenklich ist weniger die geringe Bekanntheit des KVP bei der Gruppe der Mannschaften, die sich zu einem Großteil aus Grundwehrdienstleistenden zusammensetzt (vgl. Abb. 3). Vielmehr ergibt sich Handlungsbedarf bei Unteroffizieren, von denen erstaunlicherweise fast die Hälfte noch nie etwas vom KVP gehört haben. Abb. 3: Mannschaften und Unteroffiziere sind kaum über das KVP informiert Frage: „Was wissen Sie über das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP)?“ (n=1 439) 100 80 60 77 55 47 Prozent 40 20 30 34 23 18 11 5 0 höre das erste Mal vom KVP ungefähre Vorstellung vom KVP Mannschaften Unteroffiziere weiß relativ genau was KVP ist Offiziere 26 Auch in Hinblick auf den Uniformträgerbereich ergeben sich auffällige Unterschiede im Antwortmuster (vgl. Abb. 4). Allerdings sind diese zu einem großen Teil damit zu erklären, dass das Heer über den relativ höchsten Anteil an Wehrpflichtigen verfügt, für die festgestellt wurde, dass sie relativ schlecht über das KVP informiert sind (vgl. Abb. 3). 23 Prozent der befragten Soldaten geben an, dass es in ihrer Dienststelle bzw. ihrem Verband einen KVPBeauftragten gibt, 11 Prozent verneinen dies und 66 Prozent können keine Angabe machen, ob für sie eine entsprechende Ansprechstelle existiert. Es lässt sich korrelationsstatistisch nachweisen, dass dort, wo ein KVP-Beauftragter vor Ort ist, auch der Wissensstand über das Programm höher ist als in den anderen Dienststellen bzw. Verbänden. So wissen 57 Prozent der Befragten, die angeben, dass ihre Dienststelle bzw. ihr Verband über einen KVPBeauftragten verfügt, relativ genau über das Programm Bescheid; 39 Prozent haben eine ungefähre Vorstellung darüber. (vgl. Tab. 4) Abb. 4: Das KVP ist am besten bekannt unter Marinesoldaten Frage: „Was wissen Sie über das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP)?“ (n=1 453) 100 80 60 Prozent 40 63 50 40 33 23 30 26 14 20 20 0 höre das erste Mal vom KVP Heeresuniform ungefähre Vorstellung vom KVP Luftwaffenuniform weiß relativ genau was KVP ist Marineuniform 27 Tab. 4: Kenntnis des KVP dort deutlich höher, wo ein KVP-Beauftragter vor Ort ist Fragen: „Was wissen Sie über das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm (KVP)?“ und 25 „Gibt es in ihrer Einheit/Dienststelle einen KVP-Beauftragten?“ KVP-Beauftragter? Kenntnis über das KVP? ja nein weiß nicht Gesamt „Ich weiß relativ genau, was das KVP ist.“ 57 % 17 % 5% 19 % 39 % 35 % 19 % 25 % 4% 47 % 75 % 56 % 100 % 100 % 100 % 100 % „Ja, ich habe schon mal was davon gehört und habe eine ungefähre Vorstellung vom KVP.“ „Vom KVP höre ich heute das erste Mal.“ Insofern steht außer Frage, dass eine konsequente Ausfächerung des KVP auf alle Dienststellen und OrgBereiche und die Benennung von KVP-Beauftragten den Informationsgrad erhöhen und im Ergebnis Anreize für das Erschließen von Wirtschaftlichkeits- und Kreativitätspotenzialen geschaffen würden. Auf die Forcierung dieses Programms sollte die Bundeswehr nicht verzichten, zumal der organisatorische, personelle, materielle und vor allem ausbildungstechnische Aufwand für dieses Ökonomisierungsinstrument im Verhältnis etwa zur flächendeckenden Ausfächerung des Controllings als relativ gering zu veranschlagen ist. Zudem stellt das KVP eine individuelle und direkte Partizipationsmöglichkeit am Projekt der ökonomischen Modernisierung der Bundeswehr dar und dürfte deshalb einen Beitrag zur Erhöhung der Unterstützungswerte insgesamt leisten, da die Ökonomisierung dann weniger als ein Projekt „über den Köpfen der Beteiligten“ wahrgenommen wird. Vor einer Verbürokratisierung des KVP ist aber entschieden zu warnen. 3.1.2 Ausbildung und Anforderungen an militärische Führer In der im BMVg durchgeführten Studie (BMVg 2003a) wurde als eine Maßnahme im Rahmen des Veränderungsmanagements die Empfehlung ausgesprochen, betriebswirtschaftliche Inhalte zum Bestandteil der Ausbildung aller militärischen Führer zu machen. Der Beirat für Fragen der Inneren Führung schließt sich dieser Forderung an: „Jeder militärische Führer muss über die Kompetenz verfügen, den Nutzen dieser [betriebswirtschaftlichen] Instrumente abschätzen und ihre Anwendung kontrollieren zu können. Eine Funktionsspezialisierung alleine, bspw. für Controlling, reicht nicht aus.“ (Beirat Innere Führung 2003: 5) 25 Chi2-Test, p<0.001. 28 Die Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts zeigt, dass die Soldaten eine solche Ergänzung der Ausbildung mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen auf breiter Linie befürworten und entsprechenden Handlungsbedarf erkennen (vgl. Abb. 5). Um ihre Meinung hierzu wurden nur Zeit- und Berufssoldaten gebeten. Abb. 5: Die Soldaten unterstützen die Forderung nach mehr betriebswirtschaftlichen Ausbildungsanteilen Frage: „Es sollten mehr Lehrgänge zu betriebswirtschaftlichen Themen durchgeführt werden.“ (n=1 059, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 4 %) 50 37 40 31 30 Prozent 20 15 13 10 4 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage, ob betriebswirtschaftliche Methoden zu einem festen Bestandteil der Ausbildung militärischer Führer werden sollen. Dem stimmen 54 Prozent der befragten Soldaten insgesamt zu. Die Zustimmung fällt bei denjenigen, die davon betroffen wären, also den Offizieren und Unteroffizieren, noch deutlich höher aus: So stimmen 70 Prozent der Offiziere eher oder voll und ganz zu, dass betriebswirtschaftliche Methoden zu einem festen Bestandteil der Ausbildung militärischer Führer werden sollten. D. h. im Umkehrschluss aber auch, dass ein relativ hoher Anteil die zunehmende Bedeutung betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns in militärischen Führungsprozessen (aufgrund der fehlenden Ausbildung) noch unterschätzt. Von dieser Gruppe kann logischerweise auch nicht die erforderliche und gewünschte Information und Motivation ihrer Untergebenen erwartet werden. 29 Das Befragungsergebnis relativiert sich allerdings dann, wenn man danach fragt, ob bei der Besetzung von militärischen Dienstposten mit Führungsfunktionen zukünftig eine kaufmännische oder betriebswirtschaftliche Qualifikation vorausgesetzt werden soll (vgl. Abb. 6). Eine Mehrheit, insbesondere unter den Offizieren, sieht offenbar andere Qualifikationen als wichtigere Kriterien für die Bewerberauswahl und für eine Beförderung auf Dienstposten mit Führungsfunktion an. Abb. 6: Betriebswirtschaftliche Qualifikation wird nicht als das entscheidende Kriterium für die Besetzung von Dienstposten mit Führungsfunktion gesehen Frage: „Bei der Besetzung von Dienstposten mit Führungsfunktion sollte man jetzt erwarten, dass jemand auch eine kaufmännische bzw. betriebswirtschaftliche Qualifikation hat.“ (n=1 028, nur SaZ und BS) 50 40 30 Prozent 20 10 32 33 28 22 22 26 20 21 19 11 12 10 9 12 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu Mannschaften 3.2 26 teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Unteroffiziere Offiziere Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Wollen“ Wie denken die Soldaten grundsätzlich über die Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr? Akzeptieren sie die Idee der Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente im Militär oder lehnen sie dies prinzipiell ab? Verträgt sich das betriebswirtschaftliche Denken mit dem soldatischen Berufsverständnis der Befragten oder sind Abwehrreaktionen der Betroffenen zu beobachten? Haben sich die Befragten mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente und Denkweisen im Prinzip angefreundet und sind sie bereit, die „Ökonomisierung“ mit zu tragen? Motivationsprobleme sind der Alptraum aller Reformer: „Es muss der Bundeswehr gelingen, auf den unterschiedlichen Führungsebenen und in den unterschiedlichen Funktionsbereichen Aufgeschlossenheit für die Nutzung betriebswirtschaftlicher Führungsinstrumente zu schaffen. Zum Können muss das Wollen, die Motivation zur 30 Veränderung, treten, um positive Wirkungen im Sinne einer gesteigerten Wirtschaftlichkeit hervorzurufen.“ (Beirat Innere Führung 2003: 6) Sind die Bundeswehrsoldaten also motiviert, den Ökonomisierungsprozess zu unterstützen? 3.2.1 Allgemeines Einstellungsbild zum Ökonomisierungsprozess Die vom Beirat für Fragen der Inneren Führung geäußerte Besorgnis hinsichtlich negativer Effekte der Ökonomisierung auf das Betriebsklima in der Bundeswehr, die in Gesprächen gesammelten negativen Stellungnahmen von Soldaten und Soldatinnen sowie die Klagen über eine Zunahme des bürokratischen Aufwands lassen Vorbehalte der Soldaten gegenüber den betriebswirtschaftlichen Instrumenten vermuten. Die vorliegende Studie konnte allerdings eine überraschend breite und starke Unterstützung des Ökonomisierungsprozesses beobachten – solange es um prinzipielle Fragen geht. Die Soldaten wurden gefragt, ob das betriebswirtschaftliche Denken ihrer Meinung nach der Bundeswehr im Großen und Ganzen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hilft (vgl. Abb. 7). 38 Prozent der Soldaten ist dieser Ansicht. Eine Mehrheit von 43 Prozent entschied sich für ein moderates und problembewusstes „teils/teils“. Im Vergleich dazu sind nur 19 Prozent der Befragten dagegen. Abb. 7: Positives Meinungsbild zum Ökonomisierungsprozess: Betriebswirtschaftliches Denken hilft der Bundeswehr Frage: „Im Großen und Ganzen hilft das betriebswirtschaftliche Denken der Bundeswehr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“ (n=1 439, „keine Angabe“: 2 %) 50 43 40 32 30 Prozent 20 10 13 6 6 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu 31 Ein grundsätzlich positives Meinungsbild gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Denken findet sich in allen Dienstgradgruppen (vgl. Tab. 5). Zwischen den Dienstgradgruppen, Uniformträgerbereichen und TSK bzw. OrgBereichen, ergeben sich keine Unterschiede im Meinungsbild.26 Bei den Offizieren zeigt sich eine leichte Polarisierung der Einstellung gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Denken: Bei ihnen ist die Gruppe der klaren Befürworter aber auch die der Skeptiker gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Denken im Vergleich zu den Unteroffizieren und Mannschaften stärker besetzt. Tab. 5: Positives Meinungsbild gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Denken in allen Dienstgradgruppen Frage: „Im Großen und Ganzen hilft das betriebswirtschaftliche Denken der Bundeswehr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“ Mannschaften trifft voll und ganz zu Unteroffiziere Offiziere Gesamt 5% 5% 15 % 6% trifft eher zu 34 % 30 % 24 % 31 % teils/teils 48 % 42 % 33 % 43 % trifft eher nicht zu 8% 15 % 19 % 13 % trifft überhaupt nicht zu 4% 7% 9% 6% 100 % 100 % 100 % 100 % 25 Prozent der Befragten gaben an, „der Sinn und Zweck betriebswirtschaftlicher Methoden“ erschließe sich ihnen nicht. Dieser Teil der Befragten zweifelt offenbar am Sinn des Versuchs, betriebswirtschaftliches Denken und ökonomische Steuerungsinstrumente in der Bundeswehr anzuwenden. 41 Prozent gaben „teils/teils“ zu Protokoll. Und 35 Prozent lehnten diese Aussage mehr oder weniger entschieden ab, ihnen erschließt sich offenbar der Sinn und Zweck betriebswirtschaftlicher Methoden auch für die Bundeswehr. Die Zustimmung zu Veränderungsprozessen und Reorganisationsmaßnahmen hängt in hohem Maße für gewöhnlich davon ab, dass die Betroffenen entsprechend informiert sind und Sinn und Zweck der Maßnahmen verstehen. Auch für den Prozess der Ökonomisierung in der Bundeswehr lässt sich ein solcher Zusammenhang korrelationsstatistisch nachweisen.27 Dieses Ergebnis macht noch einmal die Notwendigkeit deutlich, den Ausbildungsstand in der 26 27 Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben) ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. Korrelation der beiden Fragen: „Im Großen und Ganzen hilft das betriebswirtschaftliche Denken der Bundeswehr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“ und „Der Sinn und Zweck von betriebswirtschaftlichen Methoden für die Bundeswehr erschließt sich mir nicht.“ Korrelationskoeffizient nach Pearson: r=-0.278, p<0.01 (2-seitig). 32 Truppe zu betriebswirtschaftlichen Themen zu heben, auch um die Zustimmung zu den Veränderungen zu erhöhen, die mit der betriebswirtschaftlichen Neuausrichtung einhergehen. Eine Zweidrittelmehrheit der Befragten ist der Meinung, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Ressourcen zumindest in der Vergangenheit nicht zu den Stärken der Bundeswehr gehörte (vgl. Abb. 8). Nur 10 Prozent der Befragten glauben, dass auch früher kostenbewusst und effizient gearbeitet wurde. Dieses Ergebnis kann durchaus als ein weiterer Hinweis darauf gewertet werden, dass die Soldaten die Notwendigkeit des betriebswirtschaftlichen Reformprozesses einsehen. Abb. 8: Die Bundeswehr wird als wenig effiziente Organisation eingestuft Frage: „In der Bundeswehr wurde eigentlich immer schon kostenbewusst und effizient gearbeitet.“ (n=1 426, „keine Angabe“: 3 %) 50 40 31 30 32 25 Prozent 20 10 10 2 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Für 44 Prozent der Befragten trifft es darüber hinaus zu, dass es in ihrer Dienststelle/Einheit noch einige Möglichkeiten gibt, Geld zu sparen, ohne dass die Einsatzfähigkeit darunter leiden würde. In Gesprächen unter Soldaten beschwert man sich nicht nur über negative Auswüchse der Bürokratie, sondern ebenso weit verbreitet ist das Murren über Ressourcenvergeudung, Zeitverschwendung und Misswirtschaft in ihrem Arbeitsumfeld. Wenn sie den Blick auf ihr eigenes direktes Arbeitsumfeld richten sollen, sehen die Soldaten tatsächlich noch erhebliche Einsparpotenziale (vgl. Abb. 9). Differenziert man diese Frage nach Dienstgradgruppen, so erkennen v. a. Offiziere noch Einsparmöglichkeiten (vgl. Tab. 6). Gerade vor dem Hintergrund dieses Befragungsbefundes wird noch einmal deutlich, wie wichtig die konse- 33 quente Umsetzung des KVP ist. Die Bundeswehr verschenkt hier offenbar noch erhebliche Rationalisierungspozentiale über alle Dienstgradgruppen hinweg. Abb. 9: Soldaten sehen noch erhebliche Einsparpotenziale in der Bundeswehr Frage: „Wenn ich mich bei uns so umsehe, gibt es noch einige Möglichkeiten, Geld zu sparen, ohne dass unsere Einsatzfähigkeit darunter leiden würde.“ (n=1 072, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 3 %) 50 40 27 30 20 17 20 Prozent 24 13 10 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Tab. 6: Offiziere sehen eher als Unteroffiziere und Mannschaften noch Möglichkeiten für Einsparungen Frage: „Wenn ich mich bei uns so umsehe, gibt es noch einige Möglichkeiten, Geld zu sparen, ohne dass unsere Einsatzfähigkeit darunter leiden würde.“ (nur SaZ und BS) Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt trifft voll und ganz zu 13 % 16 % 24 % 17 % trifft eher zu 24 % 27 % 33 % 27 % teils/teils 25 % 24 % 21 % 24 % trifft eher nicht zu 22 % 20 % 14 % 20 % trifft überhaupt nicht zu 16 % 12 % 8% 13 % 100 % 100 % 100 % 100 % Wie auch sonst im militärischen Leben, ist es für die Ausführung eines Befehls oder bei der Erledigung einer Aufgabe für die Soldaten wichtig, dass der militärische Vorgesetzte selbst von der Sinnhaftigkeit des Unterfangens überzeugt ist und mit positivem Beispiel vorangeht. Dies ist auch bei der Ökonomisierung der Bundeswehr der Fall. Hierzu wurde gefragt, wie der direkte Vorgesetzte aus Sicht des befragten Soldaten zum Ökonomisierungsprozess steht. In der Mehrheit gehen die Befragten davon aus, dass ihr Vorgesetzter den Ökonomisierungspro- 34 zess unterstützt (vgl. Tab. 7). Bemerkenswert ist, dass in dieser Frage etwa ein Viertel der Soldaten keine Angabe gemacht hat. Dies lässt sich damit erklären, dass der direkte Vorgesetzte nicht zu den Hauptinformationsquellen in Sachen Ökonomisierung für die Soldaten gehört. Es konnte nachgewiesen werden, dass Soldaten, die bei ihren Vorgesetzten eine Unterstützung feststellen, selbst eine positivere Einstellung zum Ökonomisierungsprozess haben.28 Ob das Projekt Ökonomisierung erfolgreich ist, hängt also auch von Menschenführung und der alltäglichen Kommunikation in der Truppe ab. Hier zeigt sich eine Schnittstelle zwischen der Ökonomisierung und der Inneren Führung. Durch personale Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen kann der Zustimmungsgrad zu den betriebswirtschaftlichen Reformen erhöht werden. Hinzu kommt: Man würde hier von Führungsseite offene Türen einstoßen, da die Soldaten ohnehin eine bessere Aufklärung über die neuen Maßnahmen durch ihre Vorgesetzten wünschen. Tab. 7: Vorgesetzte unterstützen den Ökonomisierungsprozess in der Wahrnehmung der Soldaten Frage: „Mein direkter Vorgesetzter unterstützt die Ökonomisierung in der Bundeswehr.“ (n=778, nur SaZ und BS) Mannschaften trifft voll und ganz zu Unteroffiziere Offiziere Gesamt 7% 7% 20 % 10 % trifft eher zu 31 % 38 % 51 % 39 % teils/teils 46 % 43 % 26 % 40 % trifft eher nicht zu 10 % 9% 1% 8% 6% 3% 1% 3% 100 % 100 % 100 % 100 % trifft überhaupt nicht zu Im Großen und Ganzen findet die Reformidee einer betriebswirtschaftlichen Neuorientierung eine breite Unterstützung in allen Dienstgradgruppen und Teilstreitkräften. Offenbar sehen demgegenüber die Soldaten mehrheitlich Probleme bei der Umsetzung der Reformkonzepte. Hier wird massiv Kritik geäußert (vgl. Tab. 8). Dieses Meinungsbild resultiert vermutlich aus dem geringen Informationsstand der Soldaten über die betriebswirtschaftlichen Instrumente und Verfahren und wohl auch aus den negativen Erfahrungen mit der Umsetzung im alltäglichen Dienstbetrieb. Für den erfolgreichen Verlauf des tiefgreifenden Reformprojektes „Ökonomisierung“ ist es essenziell, dieser Gruppe in Zukunft weniger Anlass zur Manöverkritik zu 28 Korrelation der beiden Fragen: „Ich halte die Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr prinzipiell für eine gute Sache.“ und „Mein direkter Vorgesetzter unterstützt die Ökonomisierung in der Bundeswehr.“ Korrelationskoeffizient nach Pearson: r=0.304, p<0.01 (2-seitig). 35 geben. Hier zeigt sich nochmals die Dringlichkeit für ein erfolgreiches Change-Management auch im nachgeordneten Bereich, das schon für die Ebene des BMVg angemahnt wurde (vgl. BMVg 2003a). Tab. 8: Soldaten sehen erhebliche Probleme bei der Umsetzung der ökonomischen Reformen Frage: „Geben Sie bitte zum Abschluss an, welcher der folgenden Aussagen Sie am ehesten zustimmen würden.“ Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt „Ich halte nichts von der Ökonomisierung in der Bundeswehr. Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln hat im Militär keinen Platz.“ 15 % 8% 8% 11 % „Ich begrüße die Idee, auch in der Bundeswehr betriebswirtschaftlich zu denken und zu handeln. Die Umsetzung lässt aber zu wünschen übrig.“ 71 % 79 % 80 % 76 % „Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln ist gut für die Bundeswehr. Im Großen und Ganzen funktioniert auch die Umsetzung.“ 14 % 12 % 12 % 13 % 100 % 100 % 100 % 100 % 3.2.2 Ökonomisierung – Wie passt sie zum soldatischen Berufsverständnis und zur Militärkultur? Genießen betriebswirtschaftliche Methoden in der Truppe Legitimität oder wird ihre Einführung als unvereinbar mit den Funktionsimperativen und der Kultur des Militärs empfunden? Wir stellten den Soldaten eine Reihe von Fragen, um dies herauszufinden. Betriebswirtschaft und Militär sind in den Augen der Mehrheit der Befragten kein Widerspruch (vgl. Abb. 10). 37 Prozent der Befragten sehen teilweise, aber nicht grundsätzlich Widersprüche zwischen betriebswirtschaftlicher und militärischer Funktionslogik. 17 Prozent der Soldaten sehen allerdings grundsätzliche Widersprüche zwischen Betriebswirtschaft und Militär. Zwischen den TSK und OrgBereichen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Einstellungsmuster. Aus Sicht der Offiziere besteht ein solcher Widerspruch zwischen Betriebswirtschaft und Militär in noch geringerem Maße als bei Unteroffizieren und Mannschaften. Auch dieser Befund ist Ausdruck einer durchweg positiven Grundeinstellung vor allem der Offiziere gegenüber dem Ökonomisierungsprozess. 36 Abb. 10: Zwischen Betriebswirtschaft und Militär werden kaum Widersprüche gesehen Frage: „Betriebswirtschaft und Militär stehen für mich nicht im Widerspruch.“ (n=1 436, „keine Angabe“: 3 %) 50 37 40 32 30 Prozent 20 15 12 10 5 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass betriebswirtschaftliches Denken durchaus zu ihrem Berufsverständnis als Soldat passt (vgl. Tab. 9). 32 Prozent der Befragten sind in dieser Frage unschlüssig und 15 Prozent sind der Ansicht, dass betriebswirtschaftliches Denken nicht mit ihrem soldatischen Berufsverständnis vereinbar sei. Tab. 9: Betriebswirtschaftliches Denken passt in das soldatische Berufsverständnis Frage: „Betriebswirtschaftliches Denken passt in mein Berufsverständnis als Soldat.“ Mannschaften Unteroffiziere 9% 14 % 36 % 14 % trifft eher zu 34 % 42 % 39 % 38 % teils/teils 38 % 31 % 16 % 32 % trifft eher nicht zu 14 % 10 % 6% 11 % 5% 3% 3% 4% 100 % 100 % 100 % 100 % trifft voll und ganz zu trifft überhaupt nicht zu Offiziere Gesamt Da sich die Mannschaften zum überwiegenden Teil aus Grundwehrdienstleistenden zusammensetzen und diese aufgrund ihrer kurzen Verweildauer in der Bundeswehr kaum eine berufliche Identität als Soldat ausbilden, ist diese Frage in erster Linie in Bezug auf das Offiziers- und Unteroffizierskorps interpretierbar. Hier zeigt sich, dass betriebswirtschaftliches Denken und Handeln gerade bei den Offizieren kaum Reibungen mit ihrem Berufsverständnis erzeugt. Dies ist für weit über zwei Drittel von ihnen der Fall. 56 Prozent der Unteroffiziere 37 sehen ebenfalls keinen Widerspruch zwischen betriebswirtschaftlichem Denken und ihrem Berufsverständnis. Der relativ große Anteil von Skeptikern in dieser funktional für die Streitkräfte so wichtigen Gruppe bedarf jedoch der besonderen Beachtung. 3.2.3 Kameraden, Kameradschaft, Organisationsklima Eine zentrale Fragestellung der Studie bestand darin, die Rückwirkungen des Ökonomisierungsprozesses auf die Innere Führung zu untersuchen. Tiefgreifende Veränderungsprozesse in Organisationen ziehen in vielen Fällen soziale Spannungen nach sich, die sich im ungünstigen Fall auf des soziale Klima auswirken können. Gerade für militärische Organisationen ist die Frage nach der inneren Stabilität und des sozialen Zusammenhalts eine Schlüsselfrage. Auch wenn in der Bundeswehr ein grundsätzlich positives Einstellungsbild zur Ökonomisierung diagnostiziert werden konnte, können alltägliche Probleme auf der operativen Ebene durchaus zu inneren Spannungen führen. Wir haben deshalb Fragen nach etwaigen Rückwirkungen auf das soziale Klima gestellt. Grundsätzlich scheint die Ökonomisierung das Klima in den Einheiten und Dienststellen jedoch nicht verschlechtert zu haben (vgl. Abb. 11). Abb. 11: Die Ökonomisierung verschlechtert das soziale Klima in der Bundeswehr kaum Frage: „Durch die Ökonomisierung hat sich das Klima in meiner Einheit/Dienststelle verschlechtert.“ (n=1 096, „keine Angabe“: 11 %) 50 40 30 26 Prozent 10 21 17 20 29 6 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu 38 Unteroffiziere stellen tendenziell eher eine Verschlechterung des Klimas fest als Offiziere. Immerhin nehmen 26 Prozent der Unteroffiziere eine Verschlechterung des Klimas wahr (Abb. 12). Angehörige der Marine haben weniger als ihre Kameraden aus Heer, Luftwaffe und SKB den Eindruck, dass sich das soziale Klima verschlechtert habe. An verschiedenen Items konnte bereits gezeigt werden, dass die Stimmen überwiegen, die den Ökonomisierungsprozess vom Grundsatz her unterstützen; die Ökonomisierungskritiker sind in der Minderheit. Wenn aber die betriebswirtschaftlichen Reformbemühungen im alltäglichen Dienst thematisiert werden und die Soldaten untereinander ihre Einschätzungen austauschen, überwiegen allerdings offenbar negative Äußerungen: So geben 32 Prozent der Befragten an, dass aus ihrer Sicht ein Großteil der Kameraden „von den Veränderungen nicht viel hält“, im Gegensatz zu nur 21 Prozent, die der Auffassung sind, dass ihre Kameraden in der Mehrzahl den Ökonomisierungsprozess unterstützen. 47 Prozent der Soldaten sind sich unschlüssig, wie ihre Kameraden zur Ökonomisierung stehen. Die Perzeption des Meinungsklimas zur Ökonomisierung in der Truppe ist erstaunlicherweise etwas schlechter als das Meinungsklima selbst. Abb. 12: Unteroffiziere sehen tendenziell eher eine Verschlechterung des Klimas infolge der Ökonomisierung als Offiziere Frage: „Durch die Ökonomisierung hat sich das Klima in meiner Einheit/Dienststelle verschlechtert.“ (nur SaZ und BS) 50 39 40 29 30 16 Prozent 20 10 7 7 27 26 31 26 20 19 20 17 11 4 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu Mannschaften teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Unteroffiziere Offiziere 39 3.2.4 Aktivitätenerfassungsblätter In vielen Dienststellen ist es zur verursachungsgerechten Ermittlung der Kosten erforderlich, Stundenerfassungsblätter zu führen. In einigen Dienststellen ist es möglich, nach der Einführungsphase die Zeiterfassung wieder einzustellen, wenn es gelingt, konsolidierte Durchschnittswerte zu bilden und einen Modus zur Fortschreibung im KLR-System zu entwickeln. Zeiterfassungssysteme finden sich sowohl in Dienststellen, die die Kostenträgerrechnung eingeführt haben, als auch in solchen, in denen die Prozesskostenrechnung durchgeführt wird. In der Mehrzahl der Dienststellen der Bundeswehr, sofern es sich nicht um Ausbildungseinrichtungen handelt, wurde die Prozesskostenrechnung eingeführt. Mit dem Ökonomisierungsprozess im weiteren Sinne kommen viele Soldaten, gerade auf der Ebene von Mannschaftsdienstgraden, v. a. über die Zeiterfassung in Berührung. Viele Soldaten interpretieren die tägliche Zeiterfassung als ein Instrument der Kontrolle ihrer Arbeit. Zudem – schenkt man den Beobachtungen des Beirates für Fragen der Inneren Führung Glauben – bildet sich Unmut in der Truppe über ein Verfahren, dessen Sinn und Zweck vielen Soldaten nicht verständlich sei: „Mannschaftsdienstgrade berichteten mehrfach, dass die ihnen auferlegten täglichen Zeitaufschriebe (d. h. das Führen von Aktivitätenerfassungsblättern) aus ihrer Sicht ein höchst sinnloses Ritual darstellten, das – weil eben angeordnet – so erledigt würde. Die Soldaten hatten keine auch nur ungefähre Vorstellung, was mit diesen Zeitaufzeichnungen dann geschieht. In keinem Falle erhielten die betroffenen Soldaten ein Feedback. Bei Nachfragen nach dem weiteren Auswertungsprozess der erhobenen Daten konnte festgestellt werden, dass diese lediglich gesammelt und abgelegt würden. Eine zielorientierte Auswertung, verbunden mit irgendwelchen Konsequenzen, fand in den betrachteten Fällen nicht statt.“ (Beirat Innere Führung 2001: 83) Wenn es zutrifft, dass die Zeiterfassung eher als Kontrollinstrument wahrgenommen wird, dann ist zu erwarten, dass bei den „betroffenen“ Soldaten geringere Zustimmungswerte zum Ökonomisierungsprozess insgesamt festzustellen sind. Ebenso sollte – aus Sicht der Inneren Führung – der Zustimmungsgrad bei denjenigen geringer ausfallen, für die die Anordnungen nicht verständlich sind. 24 Prozent der befragten Soldaten insgesamt führen täglich Zeiterfassungsblätter. Wir haben diejenigen, die an der Zeiterfassung teilnehmen, gefragt, ob sie eine Vorstellung davon haben, wozu dies gut sei. Die überwiegende Mehrzahl von 78 Prozent konnte dies bejahen. Die Beobachtungen des Beirates Innere Führung aus dem Jahr 2001 finden sich also in den Daten der Streitkräfteumfrage von 2003 nicht (mehr) wieder. Offenbar wurde in der Zwischenzeit ein 40 gutes Stück Aufklärungsarbeit geleistet. Ebenso konnte festgestellt werden, dass sich die tägliche Pflicht zur Stundenerfassung nicht negativ auf die Einstellung zur Ökonomisierung insgesamt niederschlägt: Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den „Zeitaufschreibern“ und den restlichen Soldaten im Hinblick auf die grundsätzliche Einstellung zur Ökonomisierung festgestellt werden (vgl. Abb. 13).29 Abb. 13: Zeiterfassung wirkt sich nicht negativ auf Einstellung zur Ökonomisierung aus Frage: „Ich halte die Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr prinzipiell für eine gute Sache.“ (n=1 395) Subgruppen: „Gehört es zu ihren Pflichten, die tägliche Zeitaufschreibe (sog. Aktivitätenerfassungsblätter) auszufüllen?“ ja/nein 50 39 40 36 36 31 30 Prozent 20 19 17 8 10 8 3 3 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils ja trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu nein Ebenso wird das Zeiterfassungssystem offenbar nicht als Instrument der Kontrolle interpretiert (vgl. Abb. 14).30 Vergleicht man allerdings diejenigen, die mit der Zeiterfassung Sinn verbinden können, mit denjenigen, die keine Vorstellung davon haben, wozu sie gut sei, lassen sich leichte, aber statistisch signifikante Unterschiede feststellen (vgl. Abb. 15)31. Dieses Ergebnis schließt an den schon mehrfach getroffenen Befund an, dass Information und Kommunikation über die zum Einsatz kommenden betriebswirtschaftlichen Methoden und Instrumente deren Akzeptanz in der Truppe erhöhen. 29 30 31 Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben) ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben) ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. T-Test bei unabhängigen Stichproben, p<0.05. 41 Abb. 14: Zeitaufschreibung wird nicht als Kontrollinstrument wahrgenommen Frage: „Ich fühle mich durch das Datensammeln gegängelt und permanent kontrolliert.“ (n=1 009, nur SaZ und BS) Subgruppen: „Gehört es zu ihren Pflichten, die tägliche Zeitaufschreibe (sog. Aktivitätenerfassungsblätter) auszufüllen?“ ja/nein 50 41 40 29 Prozent 30 23 20 10 39 8 22 19 7 6 5 0 trifft voll trifft eher zu und ganz zu teils/teils ja trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu nein Abb. 15: Einstellung zum Ökonomisierungsprozess negativer bei Soldaten, die mit der Zeiterfassung keinen Sinn verbinden Frage: „Der Sinn und Zweck von betriebswirtschaftlichen Methoden für die Bundeswehr erschließt sich mir nicht.“ (n=433) Subgruppen: „Haben Sie eine Vorstellung davon, wozu die Aktivitätenerfassungsblätter verwendet werden?“ ja/nein 60 50 43 47 40 Prozent 30 22 20 10 20 17 6 16 8 14 7 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu ja teils/teils trifft eher nicht zu nein trifft überhaupt nicht zu 42 3.2.5 Meinungsbild zur Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr Die teilweise Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich gehört zu den am stärksten umstrittenen Bereichen der Ökonomisierung in der Bundeswehr. Die Studie zum Veränderungsmanagement, die 2002 im BMVg durchgeführt wurde, zeigt, dass das Reformziel „Privatisierung“ den niedrigsten Akzeptanzwert aller Ziele der Reformdimensionen „Menschen und Zukunftsaussichten“, „Ausrüstung und Leistungsfähigkeit“ und „Wirtschaftlichkeit und Effizienz“ aufweist (BMVg 2003a: 43). Auch innerhalb der Reformdimension „Wirtschaftlichkeit und Effizienz“ scheint die Privatisierung auf den größten Widerstand zu stoßen. Während die Akzeptanzwerte für das Ziel, ökonomisches Denken und Handeln in der Bundeswehr stärker zu etablieren, und für die Anwendung moderner Managementverfahren jeweils im positiven Bereich liegen, werden gegenüber dem Reformziel Privatisierung eher ablehnende Stimmen laut. Mit den Befragungsergebnissen der Streitkräfteumfrage lässt sich ein ähnliches Einstellungsmuster auch im nachgeordneten Bereich nachweisen. Unter den befragten Soldaten findet sich eine Mehrheit, die den begonnenen Weg einer verstärkten betriebswirtschaftlichen Orientierung der Bundeswehr zwar generell unterstützt (s. o.), gleichwohl steht man Privatisierungsvorhaben skeptisch bis ablehnend gegenüber: Hier finden sich in etwa genauso viele Kritiker wie Befürworter (vgl. Abb. 16). Zudem fällt auf, dass sich die Meinungen der Soldaten am Thema Privatisierung scheiden. Die Streuung der Antworten ist höher als bei den entsprechenden Items zur Ökonomisierung im Allgemeinen, die Lager der Privatisierungsbefürworter und der Privatisierungsgegner sind stärker polarisiert. Auf Fragen nach konkreten Schwierigkeiten bei der teilweisen Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr, zeichnet sich dann allerdings ein noch negativeres Einstellungsbild ab: Eine Mehrheit von 53 Prozent der befragten Soldaten befindet, dass Privatisierungen letztlich nicht zu Einsparungen von Finanzmitteln führen (vgl. Abb. 17). 43 Abb. 16: Zustimmung zur Privatisierung fällt geringer aus als Zustimmung zum Ökonomisierungsprozess insgesamt Frage: „Ich bin grundsätzlich ein Befürworter der Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr.“ (n=1 105, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 1 %) 50 40 29 30 Prozent 20 23 19 13 16 10 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Abb. 17: Mehrheit bezweifelt die Einsparung von Finanzmitteln bei Privatisierungen Frage: „Durch die Privatisierung von Aufgaben der Bundeswehr werden diese letztlich auch nicht günstiger für den Steuerzahler.“ (n=1 033, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 7 %) 50 40 34 30 Prozent 20 30 19 13 10 4 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu 44 Aus militärischer Sicht ist vor allem folgender Befragungsbefund von Bedeutung: Fast die Hälfte der Soldaten befürchtet, dass die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte durch die Privatisierungsvorhaben leiden könnte (vgl. Abb. 18). Insbesondere hier werden Grenzen der Privatisierung aus militärischer Sicht deutlich. Abb. 18: Eine Mehrheit der Soldaten sieht die Einsatzbereitschaft durch Privatisierungen gefährdet Frage: „Bei einer Privatisierung von Aufgaben der Bundeswehr ist zu befürchten, dass die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte leiden könnte.“ (n=1 112, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 3 %) 50 40 33 30 Prozent 20 26 20 16 10 6 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Wie lässt sich dieses auffällig negative Meinungsbild erklären? Das Erklärungsmuster, das die bereits zitierte BMVg-Studie anbietet, geht davon aus, dass Privatisierungsvorhaben eine höhere Eingriffstiefe in die Denkmodelle der betroffenen Akteure aufweisen. Es wird zudem angenommen, dass Reformelemente mit höheren Eingriffstiefen auch auf mehr Widerstand stoßen müssten (BMVg 2003a). Innerhalb der Ministerialbürokratie ist eine solche Argumentation durchaus plausibel, da etwa mit Modernisierungs- und Reformprojekten wie der Gründung der g.e.b.b. auch ein gutes Stück an Wandel der Verwaltungskultur und des ministerialen Selbstverständnisses verbunden ist. Welche Erklärung findet sich aber auf der Ausführungsebene und im nachgeordneten Bereich? Hierfür gibt es unserer Ansicht nach zwei Argumente. Erstens dürfte die negative Einstellung zur Privatisierung in der Bundeswehr mit in der Bundesrepublik weit verbreiteten Einstellungen zu Privatisierungsvorhaben in anderen staatlichen Bereichen zusammenhängen. 45 Privatisierung wird vielfach in einen Deutungszusammenhang mit dem Umbau bzw. Abbau des Sozialstaats oder mit anderen Negativerfahrungen in einem „verschlankten Staat“ gestellt. Ein zweiter Grund dürfte jedoch mit den beiden Privatisierungsfeldern, dem Flottenmanagement und dem Bekleidungswesen, direkt in Verbindung stehen. Beide Felder wirken in den alltäglichen Dienst des Soldaten hinein. Privatisierung wird hier unmittelbar erfahrbar. Organisatorische, infrastrukturelle und verwaltungstechnische Probleme und Friktionen, die in der Phase der Umstellung auf das neue Flottenmanagement und den Umbau der ehemaligen dezentralen Bekleidungskammern zu Bekleidungszentren entstanden sind, haben im einen oder anderen Fall vorübergehend zu einem schlechteren Dienstleistungsniveau geführt. Durch die Privatisierung wird die Nutzung von Fahrzeugen bürokratischer. Während früher – vielfach nicht ausgelastete – Kapazitäten bei Fuß standen, spontan abrufbar waren oder auch mal einer benachbarten Dienststelle „geborgt“ werden konnten, wird inzwischen mit weniger Fahrern und kleinerem Fahrzeugbestand sorgfältiger und in schriftlicher Form geplant. Ebenso ist der kurzfristige und schnelle Austausch von Bekleidung und Ausrüstungsgegenständen in der Kammer vor Ort vielfach nicht mehr möglich. Die Flexibilität ist dadurch deutlich beeinträchtigt. Es ist daher auch noch nicht abzusehen, ob solche Nachteile langfristig überhaupt wieder ausgeglichen werden können. Solche Erfahrungen im alltäglichen Dienst bestimmen das Meinungsbild der Soldaten gegenüber dem betriebswirtschaftlichen Reformprozess insgesamt. Interessant ist die Frage, ob sich dieses Einstellungsmuster mit Beginn des konsolidierten Wirkbetriebes im Flottenmanagement und im Bekleidungswesen wieder auflöst oder ob es sich langfristig verfestigt. Für die weitere Gestaltung des Verhältnisses der Bundeswehr und ihrer privaten Partner ist eine solche Frage essenziell; sie entscheidet mit über den Erfolg der Privatisierungsanstrengungen. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr wird seine Befragung zum Themenbereich Ökonomisierung in den nächsten Jahren fortführen und beobachten, welche Veränderungen sich langfristig im Meinungsbild ergeben. Es zeigt sich aber schon heute, dass sich für eine weitreichende Privatisierung von Aufgaben im Servicebereich der Bundeswehr Unterstützung nur bei einer Minderheit unter den Soldaten finden wird. Nur gut ein Viertel der Befragten spricht sich dafür aus, dass die Bundeswehr so weit wie möglich Aufgaben an private Firmen abgeben und sich auf rein militärische Kernaufgaben beschränken sollte (vgl. Abb. 19). Weitere Privatisierungsprojekte, wie der Aufbau des Travel-Managements oder im Verpflegungswesen, erscheinen durch die Befragungsergebnisse noch einmal in einem anderen Licht. Sie müssen mit Widerständen rechnen, und zwar so lange, wie positive Ausflüsse für den einzelnen Soldaten nicht unmittelbar erlebbar sind. 46 Abb. 19: Das Ausgliedern von Aufgaben im Servicebereich findet nur wenig Unterstützung in der Truppe Frage: „Die Bundeswehr sollte soweit wie möglich Aufgaben an private Firmen abgeben und sich auf rein militärische Kernaufgaben beschränken.“ (n=1 112, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 7 %) 50 40 30 30 18 Prozent 20 10 17 7 0 trifft voll und ganz zu 3.2.6 27 trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Wahrgenommener Erfolg der Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden Ein zentrales Ergebnis der vorliegenden Studie ist, dass die Soldaten bezweifeln, dass tatsächlich Einsparungen erfolgen. Bereits bei der Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen von Privatisierungsmaßnahmen musste festgestellt werden, dass die Soldaten erhebliche Zweifel hegen. Nur 12 Prozent der Befragten geben an, dass es in ihrem direkten Umfeld Effizienzsteigerung gegeben habe, die Hälfte der Befragten verneint dies und 40 Prozent sind unentschieden (vgl. Abb. 20).32 32 Grundwehrdienstleistende, FWDL oder Wehrübende mussten diese Frage nicht beantworten. Die überwiegende Mehrheit der Dienstellen der Bundeswehr ist heute direkt oder wenigstens indirekt von der Ökonomisierung betroffen. Direkt als sog. KLV-Dienststelle oder als Dienststelle, in der das Controlling eingeführt wurde oder im Aufbau ist. Bereits 2002 war in der Hälfte aller Dienststellen KLV eingeführt; die Einführung soll 2004 flächendeckend abgeschlossen sein (in der SKB: 2006). In einigen Fällen wurde im Rahmen der Weiterentwicklung der KLV-Konzeption zu einem integrierten Controlling-Konzept von vorneherein Controlling eingeführt. Selbst die noch wenigen Dienststellen, in denen weder KLV noch Controlling eingeführt wurde, sind indirekt von der Ökonomisierung betroffen, etwa durch das neue Flottenmanagement, die Neuordnung des Bekleidungswesens oder das KVP, das sich an alle Bundeswehrangehörigen richtet. Insofern war es gerechtfertigt, die Frage nach dem wahrgenommenen wirtschaftlichen Erfolg an alle SaZ und BS zu richten. 47 Abb. 20: Eigene Einheit/Dienststelle ist in der Wahrnehmung der Soldaten nicht effizienter geworden Frage: „Ich habe den Eindruck, dass meine Einheit/Dienststelle effizienter geworden ist.“ (n=935, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 15 %) 50 39 40 37 30 Prozent 20 12 11 10 1 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Bei Unteroffizieren zeigt sich sogar eine noch kritischere Haltung: Nur 8 Prozent meinen, dass Effizienzsteigerungen eingetreten seien. Die Mehrheit der Unteroffiziere (52 Prozent) geht vom Gegenteil aus: Ihrer Ansicht nach gibt es keinen erkennbaren wirtschaftlichen Erfolg der betriebswirtschaftlichen Reformmaßnahmen. Diese Angaben sind freilich keine Aussagen über tatsächliche ökonomische Erfolge oder Misserfolge der Ökonomisierung. Solche Daten können nur mit betriebswirtschaftlichen Methoden gewonnen werden. Die vorliegende Untersuchung generiert dagegen mit dem Analyseinstrument der Streitkräfteumfrage ein repräsentatives Abbild der Meinungen und Einstellungen in der Truppe. Und hier wird ein Problem sichtbar: Die Soldaten schätzen den ökonomischen Erfolg der getroffenen Maßnahmen als gering oder als nicht existent ein. Dies ist ein Indikator dafür, dass es früher oder später zu Motivationsproblemen bei der Umsetzung und Anwendung der betriebswirtschaftlichen Instrumente kommen kann. Wenn der Beirat für Fragen der Inneren Führung also empfiehlt, „Effizienzsteigerungen intern und extern [zu] kommunizieren“ (Beirat Innere Führung 2003: 2), kann dies mit der Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts nur bekräftigt und darauf hingewiesen werden, dass eine offene und realistische Kommunikation von Erfolgen und Problemen der Ökonomisierung gerade auch nach innen dringend erforderlich ist, wenn die breite Unterstützung der ökonomischen Rationalisierungsbemühungen durch die Truppe angestrebt wird. Gerade weil die Soldaten den betriebswirtschaftlichen Reformprozess in ihrem Alltag erleben und man ihnen insofern 48 kein A für ein O vormachen kann, wäre es kontraproduktiv zu versuchen, auf der Ebene von „Philosophien“, „Corporate Identities“, „Organisationskultur“ oder Mentalitäten beschönigende Idealvorstellungen der Managementstrategien zu propagieren. Die Soldaten unterstützen – wie unsere Daten zeigen – den betriebswirtschaftlichen Reformprozess auch wenn sie in der Praxis Probleme bei der Umsetzung sehen. Mit einer gewissen Kluft zwischen angestrebten Ideal und erlebter Realität können sie also durchaus umgehen. Allerdings würde Schönrederei die Kluft eher verbreitern als überbrücken, da dann Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Behebung vorhandener Schwächen aufkommen könnte. Die Soldaten erwarten zu recht, als Alltagsexperten ernst genommen und über den Erfolg ihrer Bemühungen wahrheitsgemäß informiert zu werden. Falls sich intern der Eindruck entwickelt, es bestünde kein wirkliches Interesse an der Lösung der erlebten Probleme, würden die neuen betriebswirtschaftlichen Steuerungsmethoden zum puren Ritual degenerieren. Zwar wird der wirtschaftliche Erfolg der Veränderungen insgesamt in Frage gestellt, dennoch hat eine knappe Mehrheit der befragten Soldaten den Eindruck, dass in ihrem Bereich nun Entscheidungen verstärkt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gefällt werden (vgl. Abb. 21). Viele Soldaten (15 Prozent) haben auf dieses Item nicht geantwortet bzw. sind sich nicht schlüssig, was darauf hindeutet, dass vielen Soldaten nur wenig fundiertes Wissen über den Ökonomisierungsprozess vorliegt und sie nur schwer einschätzen können, ob und wie dieser sich in ihrer direkten Handlungsumwelt niederschlägt. Das betriebswirtschaftliche Controlling soll in den nächsten Jahren flächendeckend auf alle dafür in Frage kommenden Dienststellen ausgedehnt werden. Die Soldaten wurden gefragt, was sie über den Stand der Einführung des Controllings in ihrer Dienststelle wissen. 16 Prozent gaben an, dass die Einführung in ihrem Bereich abgeschlossen sei, 15 Prozent antworteten, dass sich ihre Dienststelle in der Einführungsphase befinde und jeweils sieben Prozent nehmen an, dass man in ihrer Dienststelle entweder mit den Planungen begonnen habe oder dass noch keine Vorstöße in diese Richtung unternommen worden seien. Die Mehrheit von 54 Prozent weiß über den Stand der Einführung des Controllings in ihrem direkten Arbeitsumfeld nichts. 49 Abb. 21: Wirtschaftlichkeitskriterien fließen in Entscheidungen ein Frage: „In meiner Einheit/Dienststelle werden Entscheidungen jetzt verstärkt nach wirtschaftlichen Kriterien gefällt.“ (n=924, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 15 %) 50 42 40 28 30 21 Prozent 20 10 6 3 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Die Ökonomisierung der Bundeswehr weist Momente eines mimetischen Isomorphismus auf (DiMaggio/Powell 1983). Das bedeutet, dass die Bundeswehr Methoden übernimmt, die in privatwirtschaftlichen Unternehmen – also Organisationen, die in einer völlig anderen Organisationsumwelt agieren – funktionieren und mit denen diese Unternehmen ihren relevanten Interaktionspartnern gegenüber (z. B. Banken, Kunden, Auftraggebern, Medien etc.) ihre Modernität beweisen und so ein hohes Ansehen gewinnen (Meyer/Rowan 1983). Diese Verfahren gelten auch in der öffentlichen Verwaltung als vorbildlich und genießen eine hohe Legitimität. Zur nachahmenden Angleichung von Organisationen kommt es, wenn sich Organisationen bei der Gestaltung ihrer internen Prozesse an anderen Organisationen orientieren. Organisationen kopieren dabei jedoch nicht notwendigerweise solche Organisationen, die tatsächlich effizienter arbeiten, sondern solche, von denen angenommen wird, dass sie erfolgreicher sind und dass sie eine hohe Legitimität besitzen (vgl. DiMaggio/Powell 1983: 152) Insofern ist bei der Übernahme solcher Methoden eine gewisse kritische Distanz angeraten, ob die neuen Methoden auch wirklich halten, was ihre Promoter versprechen. In Hinblick auf den wahrgenommenen Erfolg der Maßnahmen ist folgendes Ergebnis der Befragung interessant: Vergleicht man das Antwortverhalten derjenigen Gruppe, bei denen die Einführung des Controllings abgeschlossen ist, mit dem Rest, so ergibt sich folgendes Bild: Die erste Gruppe geht stärker davon aus, dass in ihrem Bereich Entscheidungen nun vermehrt nach wirtschaft- 50 lichen Kriterien gefällt werden.33 Insofern relativiert sich hier die These, die eingeführten betriebswirtschaftlichen Instrumente und Datenerfassungsprozeduren würden nur als „Rituale“ (Beirat Innere Führung 2001) wahrgenommen, die sich letztlich aber nicht im Führungshandeln und in (militärischen) Entscheidungen niederschlagen. Wirtschaftliche Rationalitätskriterien werden durch die Einführung des Controllings im Führungshandeln tatsächlich wirksam – so jedenfalls in der Wahrnehmung der Soldaten. Andererseits zeigen die Daten aber auch, dass die Zweifel am wirtschaftlichen Effekt der betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente dort, wo der Wirkbetrieb des Controllings aufgenommen wurde, nicht geringer sind als in den anderen Dienststellen und Einheiten.34 Gleiches gilt für Dienststellen, die eine KLR betreiben. Wenn Soldaten in der Befragung angeben, dass es zu ihren Pflichten gehört, Aktivitätenerfassungsblätter zu führen, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass deren Dienststelle eine KLV-Dienststelle ist oder das betriebswirtschaftliche Controlling eingeführt hat. Auch zwischen der Gruppe der „Zeitaufschreiber“, also bei denjenigen, in deren Dienststelle eine KLR betrieben wird, ist der Zweifel am wirtschaftlichen Effekt der betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente nicht geringer als beim Rest der Befragten.35 3.2.7 Anreizsysteme für wirtschaftliches Handeln im Vergleich Schenkt man den Befragten Glauben, so achtet die überwiegende Mehrheit der Soldaten heute verstärkt auf einen ressourcenschonenden Umgang mit den anvertrauten Mitteln (vgl. Abb. 22). Auch wenn dieser Wert zu einem erheblichen Anteil soziale Erwünschtheit ausdrückt – Befragte tendieren dazu Antworten zu geben, die gesellschaftliche Normen widerspiegeln – ist er dennoch ein Indikator dafür, dass sich wirtschaftliches Denken und Handeln in der Truppe stark verbreitet hat. 33 34 35 Vergleich der Antwortverteilung auf die Fragen „In meiner Einheit/Dienststelle werden Entscheidungen jetzt verstärkt nach wirtschaftlichen Kriterien gefällt.“ zwischen der Gruppe derjenigen, die angeben, dass bei ihnen die Einführung des Controllings abgeschlossen ist mit dem Rest der Befragten. Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben, p<0.001) ergab einen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. Vergleich der Antwortverteilung auf die Frage „Ich habe den Eindruck, dass meine Einheit/Dienststelle effizienter geworden ist.“ zwischen der Gruppe derjenigen, die angeben, dass bei ihnen die Einführung des Controllings abgeschlossen ist mit dem Rest der Befragten. Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben) ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. Vergleich der Antwortverteilung auf die Frage „Ich habe den Eindruck, dass meine Einheit/Dienststelle effizienter geworden ist.“ zwischen der Gruppe derjenigen, die angeben, dass sie Aktivitätenerfassungsblätter führen mit dem Rest der Befragten. Ein entsprechender Mittelwertvergleich (T-Test bei unabhängigen Stichproben) ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Antwortverteilung. 51 Abb. 22: Soldaten achten verstärkt darauf, Verschwendung zu vermeiden Frage: „Ich achte verstärkt darauf, Verschwendung zu vermeiden.“ (n=1 072, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 2 %) 60 49 50 40 30 21 21 Prozent 20 10 7 2 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Vorhabens einer verstärkten Ökonomisierung der Bundeswehr ist, dass sie bei den Soldaten Unterstützung findet. Ebenso aber soll verantwortliches und kostenbewusstes Entscheiden und Verhalten kollektiv und individuell gefördert und (finanziell) belohnt werden. Dies muss auch in den Anreizsystemen der Streitkräfte zum Ausdruck kommen. Bisher ging man davon aus, dass insbesondere individuelle Anreize eine motivierende Wirkung hätten. Das KVP beinhaltet beispielsweise ein solches finanzielles Anreizsystem. Die Streitkräftebefragung kommt allerdings zu einem überraschend gemeinsinnorientierten Befund. Die Befragten ließen eine ausgeprägte Präferenz für Anreizmechanismen auf der Organisationsebene erkennen. Die Befürwortung solcher Anreize, die auf der individuellen Ebene angesiedelt sind, ist schwächer ausgeprägt (vgl. Tab. 10). Eine Mehrzahl der Soldaten befürwortet, dass eingesparte Mittel der Einheit/Dienststelle an anderer Stelle zur Verfügung stehen sollten (81 Prozent). An zweiter Stelle wird eine ausdrückliche Erwähnung von individuellen Initiativen in den Beurteilungen befürwortet (62 Prozent). Individuelle finanzielle An- 52 reize werden aber offenbar nicht unbedingt erwartet: Nur 46 Prozent finden, dass persönliches Engagement für Einsparungen auch finanziell belohnt werden solle. Tab. 10: Soldaten zeigen einen ausgeprägten „Gemeinsinn“, wenn es um Anreizmechanismen für kostenbewusstes Verhalten geht Aussage Anteil der Befragten, für die die Aussage eher oder voll und ganz zutrifft Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt „Wenn eine Einheit/Dienststelle an einer Stelle Geld einspart, sollte es ihr für andere Aufgaben zur Verfügung stehen.“ 74 % 83 % 88 % 81 % „Wenn jemand kostenbewusst handelt bzw. Mittel einspart, dann sollte das auch in Beurteilungen vermerkt werden.“ 63 % 60 % 66 % 62 % „Wenn jemand zu Einsparungen beiträgt, dann sollte das finanziell belohnt werden.“ 39 % 45 % 62 % 46 % In seinen Empfehlungen beklagt der Beirat für Fragen der Inneren Führung, dass diese Anreize sowohl auf der individuellen Ebene, als auch auf der Organisationsebene weitgehend fehlen (Beirat Innere Führung 2001, 2003). Das Neue Steuerungsmodell (NSM), das auch bei der Entwicklung des KLV-Konzepts Pate stand, sieht eine Reihe von individuellen und kollektiven Anreizmechanismen für einen wirtschaftlichen und sachgerechteren Umgang mit Finanzmitteln vor (vgl. Seekatz 2003). So sollte im Rahmen der Zusammenführung von Fachund Ressourcenverantwortung die starre Haushaltssystematik zugunsten einer Budgetsystematik aufgebrochen werden. Zudem ist der Anreiz für wirtschaftliches Handeln eher dann gegeben, wenn eingesparte Mittel in der nächsten Periode für die Beseitigung tatsächlich vorhandener Defizite im jeweils eigenen Bereich zur Verfügung stehen. Neben diesen kollektiven Anreizen sind individuelle Belohnungen ein wichtiger Bewertungsfaktor für den Ökonomisierungsprozess. So sollte kostenbewusstes Handeln in den Kriterienkatalog der regelmäßigen Personalbeurteilungen aufgenommen werden. Auch wenn die Motivation der Soldaten zu Einsparungen beizutragen, offenbar nicht an finanzielle Belohnungen gebunden ist, kann individuelles kostenbewusstes Handeln durch materielle Anreize gefördert werden, da diese auch symbolischer Ausdruck für öffentliche Anerkennung von Einzelleistungen sind. 53 3.3 Ergebnisse zum Bewertungsfaktor „Dürfen“ Moderne Demokratien setzen auch das Militär dem Druck unterschiedlicher Legitimitätskriterien aus. Neben die „Politische Leitung“, die „Militärische Führung“ und die „Verwaltung“ tritt die „Betriebswirtschaftliche Steuerung“ als eine vierte Säule des (zukünftigen) multiperspektivischen Führungsmodells für die Bundeswehr (vgl. Oltmanns 2002; Arnold 2004). In einer idealtypischen Betrachtung weisen die Führungskomponenten allerdings jeweils eigene Logiken und Zielsetzungen auf (vgl. Tab. 11). Tab. 11: Führungskomponenten der Bundeswehr Führungskomponente in der Bundeswehr Logik und Ziele Politische Leitung Machterhalt, Maximierung von Wählerstimmen Militärische Führung Sicherstellung der Einsatzbereitschaft Verwaltung Regelbindung und Normvollzug Betriebswirtschaftliche Steuerung Betriebswirtschaftliche Effizienz Damit ein solches Führungsmodell praktiziert werden kann, müssen die einzelnen Führungskomponenten miteinander kompatibel sein. Während die Spannungen zwischen militärischen und betriebswirtschaftlichen Rationalitätskriterien insbesondere im Routinebetrieb offenbar geringer sind als befürchtet und allein mit Blick auf Belastungssituationen wie den Einsatz gewisse Grenzen der Ökonomisierung aus militärischer Perspektive zu berücksichtigen sind (s. o.), wirft das Verhältnis der Führungskomponenten „Betriebswirtschaftliche Steuerung“ und „Verwaltung“ stärkere Probleme auf als erwartet. Der Bewertungsfaktor „Dürfen“ hängt in hohem Maße von diesem Verhältnis ab: „Die Durchsetzung effizienterer Lösungen innerhalb der Streitkräfte hängt indes nicht nur vom Können und Wollen der Akteure ab, sondern auch vom Dürfen. Veränderungsprozesse und deren Ergebnisse führen offenbar nicht zwangsläufig zu einer Ausweitung individueller Verantwortung und zu flexibler, situationsgerechter Ressourcennutzung. (...) Es muss verwundern, dass im Zuge der Einführung neuer Wertschöpfungsprozesse (bspw. Flottenmanagement) die Regelungsdichte zunahm und der Verwaltungsaufwand für die militärischen Nutzer größer wurde. Eine mittlerweile ‘verschlankte’ Truppe muss zusätzliche Koordinationskomplexität bewältigen. Das traditionelle Verwaltungsdenken behindert nachhaltig Flexibilität und Wahrnehmung individueller Ressourcenverantwortung, obwohl diese durch die Pilotprojekte der Bundeswehr stimuliert werden sollten. Die gegenwärtig eingeführten Doppelstrukturen (Parallelität traditioneller Wehrverwaltung und umgestaltete Wertschöpfungsprozesse unter Einbeziehung externer, ggf. auch ‘outgesourcter’ Dienstleister) sind jedenfalls kontraproduktiv.“ (Beirat Innere Führung 2003: 6f.) 54 Die Kompatibilität von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten und -verfahren auf der einen Seite und Regeln und Verfahrensweisen der Verwaltung auf der anderen Seite scheint nicht immer gegeben zu sein. Der Erfolg der Ökonomisierung hängt auch von einem Einstellungs- und Kulturwandel in der Verwaltung ab. Dieser Aspekt wird in der Studie zum Veränderungsmanagement im BMVg herausgestellt: „Der Handlungsrahmen unterscheidet sich von dem privatwirtschaftlicher Organisationen durch seine Regelungsdichte. Sie ist beispielsweise in den Bereichen Dienst- und Personalrecht, Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht erheblich höher als in Unternehmen. Dennoch sind diese Regelungen weniger bedeutsam, als die Kultur des Umgangs mit ihnen: Die Spielräume, die externe und interne Regeln oftmals offen lassen, werden aufgrund tradierter Verhaltensmuster zumeist nicht gesucht und nicht genutzt.“ (BMVg 2003a: 10f.) Es besteht die Gefahr, dass die Handlungsspielräume der Führungskräfte im Kraftfeld widerstreitender Normensysteme immer stärker beschränkt werden. Finden die Führungskräfte der Bundeswehr einen organisatorischen und rechtlichen Rahmen für verantwortungsbewusstes wirtschaftliches Handeln vor? Auch an dieser Stelle sei einschränkend vermerkt, dass eine Befragung kein realistisches Abbild der Vorschriftenlage geben kann oder misst, ob Regelungsdichte, Verwaltungsaufwand oder Flexibilität im Zuge von Ökonomisierung und Privatisierung tatsächlich stiegen oder sanken. Dies zu bestimmen ist Aufgabe verwaltungsrechtlicher Expertise. Allerdings gibt die Streitkräftebefragung Auskunft über die wahrgenommenen Wirkungen der Ökonomisierung – und für diese gilt: sie bestimmen die Einstellungen und das Handeln der Akteure und sind daher ein entscheidender Parameter für den Erfolg des Veränderungsprozesses. Und hier werden offenbar Schwierigkeiten wahrgenommen. In den folgenden Befragungsergebnissen artikuliert sich ein weitverbreitetes Bedürfnis nach Harmonisierung zwischen Verwaltungspraxis und -kultur auf der einen sowie betriebswirtschaftlicher Logik auf der anderen Seite. 3.3.1 Handlungsrahmen und Entscheidungswege Nur eine Minderheit von acht Prozent der Gruppe der Unteroffiziere m. P., Offiziere und Stabsoffiziere hat den Eindruck, dass sich ihr Entscheidungsspielraum im Zuge der Ökonomisierung vergrößert hat (vgl. Abb. 23). Wichtig ist v. a. der Befund, dass nur eine Minderheit der Offiziere einen erweiterten Handlungsspielraum wahrnimmt (vgl. Tab. 12). Der jetzige Entwicklungsstand der betriebswirtschaftlichen Steuerung als Führungskomponente erstreckt sich (noch) nicht auf eine weitreichende Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung. Eine zentrale Kritik des Beirats für Fragen der Inneren Führung besteht gerade darin, dass zwar mittlerweile in vielen Dienststellen und Verbänden die erforderlichen füh- 55 rungsunterstützenden Instrumente (KLR, Controlling) aufgebaut worden sind, die militärischen Führer aber nicht über die entsprechenden Handlungsfreiräume verfügen, diese Informationen auch in ihre Entscheidungen einfließen lassen zu können. Dies entspricht weder den Zielen der KLV, noch dem Leitbild der Inneren Führung. Dies verstärkt möglicherweise tendenziell auch die subjektive Wahrnehmung, Controlling sei eher ein Kontroll- denn ein Führungsinstrument. Abb. 23: Entscheidungsspielraum hat sich durch Ökonomisierung nicht vergrößert Frage: „Mein Entscheidungsspielraum hat sich durch die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente vergrößert.“ (n=530, nur Uffz. m. P. und Offz., „keine Angabe“: 2 %) 50 45 40 29 30 18 Prozent 20 10 2 6 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Tab. 12: Auch Offiziere sehen kaum eine Erweiterung ihres Handlungsspielraumes Frage: „Mein Entscheidungsspielraum hat sich durch die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente vergrößert.“ Unteroffiziere m. P. n=337 Offiziere n=146 trifft voll und ganz zu 1% 2% trifft eher zu 7% 4% teils/teils 27 % 27 % trifft eher nicht zu 47 % 47 % trifft überhaupt nicht zu 18 % 19 % 100 % 100 % Zwar sind die Entscheidungsspielräume offenbar nicht erweitert worden, dafür haben sich im Zuge der Einführung von betriebswirtschaftlichen Verfahren die Entscheidungsprozesse ver- 56 langsamt – meint eine Mehrheit der Soldaten. Hier lohnt es sich, die Antwortmuster nach Dienstgradgruppen genauer zu untersuchen (vgl. Tab. 13). Tab. 13: Entscheidungen werden durch Ökonomisierung verzögert Frage: „Wenn Sie die Situation vor und nach der Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr vergleichen: Was hat sich geändert?“ (n=1 067, nur SaZ und BS) Antwortvorgaben Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt „Entscheidungen können schneller getroffen werden.“ 8% 5% 1% 5% „Die Zeit für Entscheidungen ist in etwa gleich geblieben.“ 30 % 33 % 40 % 33 % „Entscheidungen werden durch die Ökonomisierung eher verzögert.“ 27 % 44 % 54 % 42 % „weiß nicht“ 34 % 17 % 5% 20 % 100 % 100 % 100 % 100 % Wie erwartet kann sich ein Großteil der Mannschaften hierzu keine dezidierte Meinung bilden, weil Angehörige dieser Gruppe kaum in Entscheidungsprozesse in den Dienststellen und Einheiten aktiv eingebunden sind. Die Tendenz, Entscheidungsverzögerungen der neuen Führungskomponente „Betriebswirtschaftliche Steuerung“ zuzurechnen, nimmt allerdings bei der Gruppe, die selbst stärker in Entscheidungen eingebunden ist, deutlich zu: So befinden 54 Prozent der befragten Offiziere, dass Entscheidungsprozesse verzögert werden und bei den Unteroffizieren sind es immerhin noch 44 Prozent. Nur für einen Bruchteil von fünf Prozent der Soldaten beschleunigt die betriebswirtschaftliche Komponente die Entscheidungsfindung innerhalb der Bundeswehr. Angenommen, die Beobachtungen der Soldaten entsprechen den tatsächlichen Verhältnissen in den Dienststellen, dann wären die Effekte der Ökonomisierung nicht nur nicht zielführend, sondern sogar kontraproduktiv: Eine immer stärker auf Flexibilität angewiesene Bundeswehr sollte verstärkt Anstrengungen unternehmen, die betriebswirtschaftliche Führungskomponente mit ihren Verwaltungsabläufen zu harmonisieren und letztere auf Möglichkeiten der Verschlankung hin zu überprüfen. Kontraproduktive Effekte wie verlängerte Entscheidungswege führen langfristig zu Motivationsverlusten für das Vorhaben „Ökonomisierung“ insgesamt. 57 3.3.2 Bürokratie und Dienstvorschriften Auch in Bezug auf das Themenfeld „Bürokratie und Dienstvorschriften“ verstärkt sich der Eindruck einer mangelnden Kompatibilität von Betriebswirtschaft und Verwaltung. Zum einen sind die eingeführten betriebswirtschaftlichen Verfahren offenbar nicht kompatibel mit den alten, noch weiter bestehenden Verwaltungsvorschriften, zum anderen werden mit der KLR, dem Controlling usw. offenbar neue bürokratische Verfahren aufgebaut und institutionalisiert. Jedenfalls sehen dies die Soldaten so, denn eine Mehrheit von 51 Prozent befindet, dass der bürokratische Aufwand infolge der Ökonomisierung gestiegen ist. Sogar 75 Prozent der Offiziere sind dieser Ansicht (vgl. Tab. 14). 56 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass bestehende Dienstvorschriften oftmals nicht im Einklang mit den betriebswirtschaftlichen Instrumenten stehen (vgl. Abb. 24). Tab. 14: Bürokratischer Aufwand steigt infolge der Ökonomisierung Frage: „Wenn Sie die Situation vor und nach der Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden in der Bundeswehr vergleichen: Was hat sich geändert?“ (n=1 074, nur SaZ und BS) Antwortvorgaben Mannschaften Unteroffiziere Offiziere Gesamt „Der bürokratische Aufwand ist geringer geworden.“ 4% 3% 0% 3% „Der bürokratische Aufwand ist in etwa gleich geblieben.“ 27 % 29 % 21 % 27 % „Der bürokratische Aufwand ist gestiegen.“ 36 % 52 % 75 % 51 % „weiß nicht“ 33 % 17 % 4% 19 % 100 % 100 % 100 % 100 % 58 Abb. 24: Dienstvorschriften passen oft nicht zu betriebswirtschaftlichen Instrumenten Frage: „Bestehende Dienstvorschriften stehen oftmals nicht im Einklang mit den betriebswirtschaftlichen Instrumenten der Bundeswehr.“ (n=961, nur SaZ und BS, „keine Angabe“: 9 %) 50 40 36 36 30 Prozent 20 20 7 10 1 0 trifft voll und ganz zu 3.4 trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu Ökonomisierung – die Sicht der militärischen Führer Lässt sich das Wirtschaftlichkeitsprinzip konfliktfrei in die Führungsphilosophie der Bundeswehr integrieren? Stehen die Abläufe ökonomischer Entscheidungsprozesse im Widerspruch zu militärischen Entscheidungsprozessen? Wie verträgt sich das betriebswirtschaftliche Denken mit dem Konzept der Inneren Führung? 3.4.1 Controlling und militärischer Führungsprozess Historisch gesehen gehörte die Abwägung von Zwecken und Mitteln – also ein ökonomisches Kalkül – wohl immer zum Militär. Auch in jüngster Vergangenheit wird dies im, offiziellen Verständnis von Führung in der Bundeswehr zum Ausdruck gebracht: Führung bedeutet einen ständigen „(...) Prozeß des richtungweisenden und steuernden Einwirkens auf das Verhalten anderer Menschen, um ein Ziel durchzusetzen. Führung umfaßt auch den Einsatz von Mitteln und lebt von wechselseitiger Information.“ (HDV 100/900). Der „zielgerichtete Einsatz von Kräften und Mitteln“ scheitert in betriebswirtschaftlicher Hinsicht an der Weisungslage (Gesetze, Erlasse, Vorschriften), die den militärischen Führer weitgehend begrenzen (s. o.). Die Befragungsergebnisse zeigten zudem, dass die „wechselseitige 59 Information“ in Hinblick auf Fragen rund um den Ökonomisierungsprozess als defizitär von den Soldaten bewertet wurde. Dennoch: Schon immer musste abgewogen werden, welche Aufgaben mit welcher Dringlichkeit und Priorität mit den vorhandenen Ressourcen möglichst effektiv erfüllt werden konnten. Insofern könnte man das Controlling als Fortführung bester Traditionen militärischer Organisationskultur begreifen: „Controlling ist alles andere als etwas grundlegend Neues für die Bundeswehr. Controllinginstrumente unterstützen den klassischen Führungsprozess in allen Phasen.“ (Ohm 2003: 64) Die Logik des controllingunterstützten Führens von Unternehmen lässt sich in einem Stufenmodell, angefangen von der Sammlung von Informationen über die Ausgangssituation (=IstAnalyse), über die Bestimmung von strategischen und operativen Zielen (=Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen), einer Ermittlung des Grades der Zielerreichung (=Soll-/Ist-Vergleich) bis hin zu einem letzten Schritt, dem des operativen Nachsteuerns bzw. der strategischen Neuausrichtung, abbilden. Eine ähnliche Logik liegt militärischen Führungsprozessen mit den Stufen „Lagefeststellung“, „Bewertung“, „Planung“, „Befehlsgebung“ und „Kontrolle“ zugrunde. Insofern sind die militärische und die betriebswirtschaftliche Führungskomponente – zumindest in der Theorie – miteinander kompatibel. Die Einführung des betriebswirtschaftlichen Controllings stellt dennoch einen weitreichenden Eingriff hinsichtlich der Systematik, des Umfangs, der Verbindlichkeit und der Formalisierung ökonomischen Denkens und Handelns im Militär dar. Der Beirat für Fragen der Inneren Führung macht darauf aufmerksam, dass die Ökonomisierung der Bundeswehr nicht auf ein bloßes „technologisches Transformationsproblem“ reduziert werden darf: „Ob die Entscheidungsträger wollen oder nicht: sie beeinflussen durch ihre Effizienzentscheidungen auch die Dimension der Zielvorgaben, also die Effektivität.“ (Beirat Innere Führung 2001: 83) Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die militärischen Führer im alltäglichen Dienst durchaus Schwierigkeiten haben, die militärische und die betriebswirtschaftliche Komponente in ihrem Führungshandeln zu integrieren (vgl. Abb. 25). 60 Abb. 25: Militärische und betriebswirtschaftliche Führungskomponente stehen manchmal im Widerspruch Frage: „Es kommt vor, dass in meinem alltäglichen Dienst bzw. in meinen Entscheidungen die militärische mit der wirtschaftlichen Seite in Konflikt gerät.“ (n=544, nur Uffz. m. P. und Offz., „keine Angabe“: 4 %) 50 40 34 31 30 Prozent 20 17 15 10 3 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht trifft überhaupt zu nicht zu 3.4.2 Ökonomisierung und Innere Führung Grundsätzlich wird der Ökonomisierungsprozess von den militärischen Führern als durchaus kompatibel mit den Zielen der Inneren Führung gehalten (vgl. Abb. 26). Den Kern der Inneren Führung bildet das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, das idealtypisch drei zentrale Forderungen an den Soldaten der Bundeswehr umfasst: - „eine freie Persönlichkeit zu sein, - als verantwortungsbewusster Staatsbürger zu handeln, - sich für den Auftrag einsatzbereit zu halten.“ (ZDv 10/1) Eine wohlverstandene, auf die militärischen Funktionserfordernisse ausgerichtete und im Einklang mit den Normen der öffentlichen Verwaltung (die sich letztlich vor dem Bürger zu rechtfertigen hat) betriebene ökonomische Rationalisierung der Bundeswehr steht zu keiner dieser drei Forderungen im Widerspruch. Im Gegenteil, beide können voneinander profitieren. Der Prozess der Ökonomisierung ist auf Soldaten, die mitdenken, nicht wegschauen, wenn Ressourcen vergeudet werden, die mitreden und informiert werden wollen angewiesen. Die fachlichen Kompetenzen und das Detailwissen der Soldaten um Prozeduren, Abläufe und eventuelle Missstände sind eine Vorbedingung für den Erfolg des Veränderungsprozesses. Freilich darf sich die Ökonomisierung hierzu nicht zum Selbstzweck verselbstständigen. Wenn die Managementberater ihre Powerpoint-Präsentationen abgeräumt und ihre Charts zu- 61 sammengerollt haben sollte die Zeit der schönen Worte, der Abschweife in die „Philosophie“ vorüber sein und der Realitätssinn einsetzten. Dies setzt offene Kommunikation voraus. So verstanden, geht auch die Mehrheit der militärischen Führer davon aus, dass ökonomisches Denken gut zur Inneren Führung passt. Die Befragungsergebnisse des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr konzentrieren sich auf Zentralbereiche, die darüber Aufschluss geben können, was getan werden muss, um die vorhandene positive Grundeinstellung der Soldaten in Bezug auf die Einführung von Managementmethoden in der Bundeswehr und ihr Insider-Wissen durch Ausbildung, Information und Kommunikation, Motivation und soziales Klima, Menschenführung und das beispielhafte Verhalten von Vorgesetzten für die Vorhaben zur Ökonomisierung zu mobilisieren. Im folgenden Abschnitt werden auf der Grundlage der gewonnenen Ergebnisse eine Reihe von Folgerungen und Empfehlungen abgeleitet. Abb. 26: Ökonomisches Denken passt zur Inneren Führung Frage: „Ökonomisches Denken passt gut zum Leitbild der Inneren Führung.“ (n=529, nur Uffz. m. P. und Offz., „keine Angabe“: 6 %) 60 46 50 40 30 Prozent 30 20 10 12 8 4 0 trifft voll und ganz zu trifft eher zu teils/teils trifft eher nicht zu trifft überhaupt nicht zu 62 4 Rückwirkungen der Ökonomisierung auf die Innere Führung 4.1 Folgerungen und Empfehlungen: Können 1. Eine Mehrheit der befragten Soldaten fühlt sich über die Ökonomisierung nicht gut genug informiert. Damit werden nicht nur Verbesserungs- und Rationalisierungspotenziale, sondern auch motivierende Partizipationsmöglichkeiten verschenkt. Selbst das insgesamt erfolgreiche KVP ist nicht ausreichend bekannt. Handlungsbedarf besteht v. a. bei den Unteroffizieren, von denen fast die Hälfte angeben, noch nie etwas vom KVP gehört zu haben. Die bisherigen guten Erfahrungen mit dem KVP lassen erwarten, dass eine weitere Arbeit mit diesem basisnahen Instrument auch einen Beitrag zur Erhöhung der Unterstützungswerte insgesamt leisten kann, da die betriebswirtschaftliche Reform dann weniger als ein Projekt „über den Köpfen der Beteiligten“ wahrgenommen wird. Auf die Forcierung dieses Programms sollte die Bundeswehr keinesfalls verzichten, zumal der organisatorische, personelle, materielle und vor allem ausbildungstechnische Aufwand im Verhältnis zu anderen Maßnahmen äußerst gering ist. Vor einer Verbürokratisierung des KVP ist aber, wie bei den anderen Instrumenten, entschieden zu warnen. 2. Die Informationsarbeit sollte intensiviert werden, wobei alle Dienstgradgruppen einbezogen werden sollten. Vor allem wenn vor Ort konkrete Maßnahmen eingeführt werden, sollte darüber in der internen Öffentlichkeit der Dienststelle bzw. des Verbandes kommuniziert werden. In überschaubarem zeitlichem Abstand sollten die Soldaten Rückmeldungen erhalten. Was geschieht mit den gesammelten Daten? Was kommt beim Controlling heraus? Zeigen lokale Initiativen zur Veränderung bereits Erfolge? Diese Informationsarbeit ist im Sinne der Inneren Führung unverzichtbar. 3. Die Information über die Ökonomisierung erfolgt, wie die Befragungsergebnisse zeigen, leider selten durch die direkten Vorgesetzten. Durch personale Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen hingegen kann der Zustimmungsgrad zu den betriebswirtschaftlichen Reformbemühungen insgesamt erhöht werden. Man würde hier auch offene Türen einstoßen, da die Soldaten eine bessere Aufklärung über die neuen Maßnahmen durch ihre Vorgesetzten offenbar wirklich wünschen. Selbst wenn die Offiziere die Maßnahmen kritisch beurteilen, würde eine intensivere organisationsinterne Debatte zumindest den Bekanntheitsgrad der Maßnahmen erhöhen und die Entwicklung eines Meinungsspektrums zu den neuralgischen Punkten der Ökonomisierung in der Bundeswehr anregen. Wenn es gelänge, Anregungen und Kritik für die Nachsteuerung produktiv zu machen, wäre sowohl dem betriebswirtschaftlichen Rationalisierungsprozess als auch der Motivation der Soldaten geholfen. 63 4. Eine Mehrheit der Soldaten spricht sich für eine verstärkte Ausbildung zu betriebswirtschaftlichen Themen aus. Aber es wäre wahrscheinlich schon viel gewonnen, wenn die Vorgesetzten die Maßnahmen vor Ort besser erklären würden. Nur wenige Soldaten werden zu „Experten der Ökonomisierung“ weitergebildet (z. B. im Bereich Controlling). Der Mehrheit der Soldaten, deren Konzentration in erster Linie militärischen Aufgaben gelten muss, sollte die Eingewöhnung in das Know-how des alltäglichen Umgangs mit den neuen Instrumenten durch wirksame Hilfestellungen (z. B. leicht verständliches Informations- und Nachschlagematerial), Nennung lokaler Ansprechpartner bei Problemen und ein konsequentes aber freundliches Entgegenkommen der „Ökonomisierungsprofis“ und der Truppenverwaltung erleichtert werden. 5. Die überwiegende Mehrheit der Soldaten begrüßt die Idee, auch in der Bundeswehr betriebswirtschaftlich zu denken und zu handeln, die Umsetzung lässt ihrer Ansicht nach allerdings zu wünschen übrig. Für den erfolgreichen Verlauf des Reformvorhabens „Ökonomisierung“ ist es essenziell, dieser Gruppe in Zukunft weniger Anlass zur Manöverkritik zu geben, indem gute wie schlechte Erfahrungen, ökonomische Erfolge wie Misserfolge offen diskutiert werden und deutlich wird, was unternommen wird, um Fehlentwicklungen (z. B. Bürokratisierungstendenzen) bei der Umsetzung einzelner betriebswirtschaftlicher Reformmaßnahmen entgegenzuwirken. 4.2 Folgerungen und Empfehlungen: Wollen 1. Angesichts der ursprünglichen Befürchtungen und Beobachtungen des Beirats für Fragen der Inneren Führung, die eine weit verbreitete Skepsis der Soldaten gegenüber der Ökonomisierung erwarten ließen, fördert die Streitkräfteumfrage 2003 des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr ein überraschend hohes Maß an prinzipieller Zustimmung zur Ökonomisierung in allen TSK und OrgBereichen zu Tage. Die überwiegende Mehrheit der Soldaten glaubt, dass die stärkere Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte in der Bundeswehr erforderlich ist. Man erhält über die Befragungsergebnisse insgesamt hinweg den Eindruck, dass die Soldaten in der Ökonomisierung grundsätzlich eine Notwendigkeit und eine Chance sehen, Ressourcen einzusparen, die für andere Aufgaben – vor Ort und mit Blick auf die neuen Herausforderungen einer Armee im Einsatz – dringend benötigt werden. 2. Überraschenderweise zeigten die befragten Soldaten mit Blick auf mögliche Anreizsysteme für wirtschaftliches Verhalten einen starken Gemeinsinn: Die Mehrheit der Befragten plädiert dafür, eingesparte finanzielle Mittel vor Ort einsetzen zu dürfen. Wenigstens ein Teil der eingesparten Mittel sollte deshalb für „Reinvestitionen“ vor Ort zur Verfügung gestellt wer- 64 den, um den Soldaten das Gefühl zu geben, gemeinsam von ihren Einsparungen zu profitieren. Nichts ist demotivierender, als für Einsparungen mit dem anonymen Verschwinden der gesparten Mittel – und womöglich noch im nächsten Jahr mit einem geringeren Budget – bestraft zu werden. Im Rahmen der Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung soll die starre Haushaltssystematik mittelfristig ohnehin zugunsten einer flexibleren Budgetsystematik aufgebrochen werden. Ein energisches Vorantreiben dieses Vorhabens ist dringend zu empfehlen. 3. Ein weiterer entscheidender Anreiz für kostenbewusstes Verhalten ist dessen Berücksichtigung im regelmäßigen Personalbeurteilungssystem. Weniger als die Hälfte der Soldaten hält persönliche finanzielle Belohnungen für wirtschaftliches Handeln für unerlässlich. Dennoch sollte auf die finanzielle Anerkennung kostenbewussten Verhaltens wie bei erfolgreichen KVP-Vorschlägen auch wegen der symbolischen Bedeutung öffentlicher Anerkennung in Form einer Prämie nicht verzichtet werden. 4. Die geäußerte Skepsis der Soldaten hinsichtlich der konkreten Anwendung der neuen Managementinstrumente in der Praxis legt nahe, dass die hohe prinzipielle Zustimmung Ausdruck einer Art Vernunftehe ist. Eine starke Identifikation der Soldaten mit dem betriebswirtschaftlichen Denkmustern ist noch nicht zu beobachten. Eine Mehrheit der Soldaten hat die Überzeugung, dass es notwenig ist, den Alltagsbetrieb der Bundeswehr effizienter und ressourcenschonender zu gestalten. 5. Insbesondere Bürokratisierungstendenzen führen zu Problemen, denn sie beschränken die Flexibilität des Führens, die jedoch zur Erfüllung des militärischen Auftrags nötig ist – gerade in Belastungssituationen und im Einsatz. Ökonomische Gesichtspunkte sind nicht die einzigen relevanten Aspekte militärischer Führung – sie sind es selbst in Unternehmen nicht. Mögliche Widersprüche zwischen militärischer, verwaltungsrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Professionalität, also Rationalitätskriterien aus unterschiedlichen Wertsphären, müssen thematisiert werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass in Kooperation von Experten aus den drei genannten Professionen in Zukunft ein kohärentes Regelwerk erarbeitet werden kann. Viele Soldaten haben das Gefühl, dass eine fortscheitende Bürokratisierung der Bundeswehr nicht im Interesse der dringend notwendigen Modernisierung und Anpassung an neue Gegebenheiten und Aufträge liegt. Kritik und Skepsis der Soldaten richten sich also nicht aus falsch verstandenem militärischem Traditionalismus, aus Bequemlichkeit oder aus vorurteilsbeladener Ablehnung betriebswirtschaftlichen Denkens gegen die Ökonomisierung als solche. Im Gegenteil, eine Unvereinbarkeit von soldatischem Selbstverständnis und Betriebswirtschaft konnte in dieser Studie nicht festgestellt werden. Kritik und Skepsis der Sol- 65 daten sind eher als Ausdruck einer alltäglichen und regen kritischen Anteilnahme der Truppe am ökonomischen Modernisierungsprozess zu interpretieren, der in seiner prinzipiellen Notwendigkeit nicht in Frage gestellt wird. 6. In Bezug auf konkrete Maßnahmen der Ökonomisierung werden durchaus Akzeptanzprobleme sichtbar. Angesichts des insgesamt sehr wohlüberlegten und moderaten Antwortverhaltens der Befragten ist davon auszugehen, dass dahinter eine durchaus berechtigte Kritik an der konkreten Umsetzung der neuen Managementinstrumente steht. Es ist zu vermuten, dass diese Skepsis aus konkreten Erfahrungen mit den Maßnahmen resultiert. Die Bundeswehrangehörigen möchten offenbar nach Jahren der betriebswirtschaftlichen Reform auch Beweise dafür sehen, dass die Maßnahmen, so wie sie derzeit durchgeführt werden, tatsächlich zur Steigerung von Effizienz und Effektivität führen. Der wirtschaftliche Erfolg der Ökonomisierung und insbesondere der Privatisierungen wird vielerorts bezweifelt. Dies könnte sich langfristig negativ auf die Motivation zu wirtschaftlichem Handeln sowie auf die Unterstützung des Veränderungsprozesses insgesamt auswirken. Tatsächliche Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen bei der Leistungserstellung sollten daher ökonomisch evaluiert und nach innen kommuniziert werden. Die Soldaten erleben den betriebswirtschaftlichen Rationalisierungsprozess in ihrem Alltag und man kann ihnen mit noch so überzeugender Management-Rhetorik nichts vormachen. Es wäre kontraproduktiv, auf der Ebene von „Führungsphilosophie“, „Organisationskultur“ oder Mentalitäten beschönigende Ansichten vom Ökonomisierungsprozess zu propagieren. Der Abstand zwischen Ideal und nun bereits seit einiger Zeit erlebter Realität ist groß und wird durch Schönfärberei nur noch stärker wahrgenommen. Die Soldaten erwarten zu recht, als Alltagsexperten ernst genommen und über den Erfolg ihrer Bemühungen wahrheitsgemäß informiert zu werden. Hier zählen nur Fakten. Sollte sich intern der Eindruck verbreiten, es bestünde seitens der Verantwortlichen gar kein wirkliches Interesse an der Lösung der erlebten Probleme, ist zu befürchten, dass die neuen Managementmethoden zum puren Ritual degenerieren. 4.3 Folgerungen und Empfehlungen: Dürfen 1. Nach Ansicht vieler Soldaten stehen bestehende Verwaltungsvorschriften nicht immer im Einklang mit den betriebswirtschaftlichen Instrumenten. Solche neuralgischen Punkte sollten systematisch aufgespürt werden und in Kooperation von militärischen, verwaltungsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Experten der Bundeswehr und des BMVg korrigiert werden. Diese Bemühungen sollten zudem intern kommuniziert werden, um auch eventuellen ungerechtfertigten Vorurteilen aktiv entgegenwirken zu können. Dies hätte auch noch einen weiteren Vorteil: Nur wenn man weiß, an welchen Stellen sich tatsächlich typische Konflikte 66 zwischen Verwaltungsvorschriften und betriebswirtschaftlichem Kalkül ergeben, kann sich auch niemand mehr hinter schlicht behaupteten Normenkollisionen verstecken. 2. Deutlich zeigt sich, dass Ökonomisierung in der Wahrnehmung durch die Soldaten mit einem gestiegenen bürokratischen Aufwand und langwierigeren Entscheidungsprozessen einhergeht. Skepsis richtet sich außerdem gegen Tendenzen einer zunehmenden Verregelung und Bürokratisierung von Entscheidungsprozessen, die insbesondere dann problematisch werden, wenn schnell gehandelt und entschieden werden muss etwa in Belastungssituationen. Tendenzen fortscheitender Bürokratisierung sind selbstverständlich keineswegs ausschließlich durch die Maßnahmen zur ökonomischen Rationalisierung zu verantworten. Moderne Organisationen beruhen auf Satzungen, sie unterliegen staatlichem Recht und geben sich intern Regeln, die das geordnete, kontrollierbare und verantwortungsbewusste Zusammenhandeln der Mitglieder der Organisation regulieren sowie Verstöße kenntlich – und damit justiziabel – machen (Weber 1980). Reformen erfolgen notwendigerweise ganz wesentlich über Veränderungen und auf neue Themenfelder bezogene Erweiterungen dieses Regelkanons. Somit bewirken sie häufig zunächst eine zunehmende Verregelung. Dem kann aber dadurch entgegengewirkt werden, dass neu hinzutretenden Rationalitätskriterien als Querschnittsaufgabe systematisch im allgemeinen Regelwerk verankert werden. In Bezug auf ihre Dienstvorschriften und Weisungen sollte sich die Bundeswehr deshalb bemühen, eventuelle Normkollisionen aufzuspüren und zu beheben. Es ist zu prüfen, wo Verwaltungsvorschriften im Interesse der Erweiterung betriebswirtschaftlicher Handlungsspielräume der Entscheidenden vor Ort angepasst werden können. In Bezug auf allgemeinere verwaltungsrechtliche Normen sollte die Bundeswehr ihre Probleme und ihre Expertise in die Kommunikationskreisläufe der verantwortlichen Institutionen (z. B. das Bundesministerium des Inneren) einspeisen, um langfristig zu Verbesserungen beizutragen. 3. Viele militärische Führer geben zu Protokoll, dass die Ökonomisierung zu einer Verzögerung von Entscheidungen führte. Ist die Verzögerung von Entscheidungen tatsächlich der Fall, dann sind die Effekte der Ökonomisierung nicht nur nicht zielführend, sondern kontraproduktiv: Eine immer stärker auf Flexibilität angewiesene Bundeswehr sollte vermehrt Anstrengungen unternehmen, die betriebswirtschaftliche Führungskomponente mit ihren Verwaltungsabläufen zu harmonisieren und letztere auf Möglichkeiten der Verschlankung hin überprüfen. Kontraproduktive Effekte wie verlängerte Entscheidungswege führen langfristig zu Motivationsverlusten für das Vorhaben „Ökonomisierung“ insgesamt. 67 5 Zusammenfassung und Schlussbemerkung Insgesamt zeichnet der vorliegende Ergebnisbericht des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr im Hinblick auf den Ökonomisierungsprozess ein optimistisches, aber auch sehr problembewusstes Bild. Das Antwortverhalten der Soldaten war ausgewogen und überlegt. In Bezug auf die Ökonomisierung traten keine starken Vorbehalte zu Tage. Ganz im Gegenteil, es wurde ein eher sachliches und in seiner Grundstimmung überraschend positives Meinungsbild zum Ökonomisierungsprozess festgestellt. Die Soldaten wissen, dass gespart werden muss und sind bereit, ihren Beitrag zur Steigerung von Effizienz und Effektivität zu leisten. Die übergroße Mehrheit sieht daher auch keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen Militär und Ökonomie. Sofern jedoch die Erfahrungen bei der Umsetzung der Maßnahmen vor Ort angesprochen werden, fallen die Meinungen ambivalenter aus. Beunruhigend ist vor allem, dass der ökonomische Erfolg der Maßnahmen von vielen bezweifelt wird. Hieran zeigt sich andererseits aber auch, dass die Soldaten Anteil an der betriebswirtschaftlichen Neuorientierung nehmen. Sie beobachten ihn kritisch, sie denken mit, wollen mitreden und besser informiert werden. Dies – und nicht nur die prinzipielle Aufgeschlossenheit der Soldaten gegenüber der ökonomischen Rationalisierung – ist ein großes Kapital. Die Soldaten verfügen über fachliche Kompetenzen und das Detailwissen um Prozeduren, Abläufe und Missstände vor Ort und möchten dies, davon ist auszugehen, auch einbringen. Schließlich engagieren sie sich damit auch für die Zukunft ihres eigenen, von Kürzungen und Standortschließungen betroffenen Berufsstandes und für ihre Einheiten und Dienststellen. Dieses wichtige Kapital an Unterstützungsbereitschaft sollte nicht verspielt werden. Die Ökonomisierung ist kein Selbstzweck – wenn der externe Managementberater bezahlt wurde und gegangen ist, sind es allein die Bundeswehrangehörigen, die für Erfolg oder Misserfolg bei ihrer Umsetzung verantwortlich gemacht werden. Ohne schonungslose betriebswirtschaftliche Evaluation, ohne problemorientierte interne Kommunikation und ohne permanente lernfreudige Anpassung der Rahmenbedingungen sowie der Ökonomisierungsinstrumente selbst ist diese Aufgabe kaum zu bewältigen. Sowohl gegenüber der modischen Management-Rhetorik externer Berater als auch gegenüber dem Beharrungsvermögen der eigenen Verwaltungskultur muss sich der Ökonomisierungsprozess also emanzipieren, damit die Bundeswehr – im Zusammenwirken militärischer, administrativer und betriebswirtschaftlicher Experten – ihren eigenen Stil moderner Bewirtschaftung knapper Ressourcen findet. Der Unterstützung der Soldaten kann sich die Bundeswehr auf diesem Weg gewiss sein, solange sie diese informiert und ins Gespräch einbindet. 68 6 Anhang 6.1 Charakterisierung der Stichprobe Befragungszeitraum: 15.12.03 – 24.01.04 Anzahl der befragten Verbände: 34 Verteilte Fragebogen: 1 600 Rücklauf: 1 510 6.2. Kenndaten der Stichprobe Durchschnittsalter (n=1 470) 25 Jahre Geschlecht (n=1 470) männlich 96 % weiblich 4% Schulabschluss (n=1 463) Fachhochschule/Abitur 29 % Mittlere Reife/FOS-Reife 54 % Hauptschule mit Abschluss 15 % Hauptschule ohne Abschluss Dienstgradgruppe 1% Stichprobe (n=1 459) Anteil der Dienstgradgruppe in den Streitkräften insgesamt Gesamtumfang laut PSM 200036 (ohne Wehrübungsumfang) Offiziere 12 % 14 % 38 500 Unteroffiziere 45 % 46 % 131 200 Mannschaften 43 % 40 % 112 700 100 % 100 % 282 400 36 Generalsinspekteur der Bundeswehr, Personalstrukturmodell 2000 (PSM 2000), Stand: 1. Mai 2003, hier: S. 58. 69 Stichprobe Anteil der Statusgruppe in Gesamtumfang laut PSM Status 37 den Streitkräften 200038 (ohne Wehrübungs(ohne Wehrübende ) (n=1 469) insgesamt umfang) BS und SaZ 70 % 72 % 202 400 FWDL 14 % 10 % 27 000 GWDL 15 % 19 % 53 000 100 % 100 % 282 400 Uniformträgerbereich Stichprobe Anteil der Uniformträger(n=1 473) gruppe in den Streitkräften insgesamt Gesamtumfang laut PSM 200039 (mit Wehrübungsumfang) Heeresuniform 63 % 67 % 189 792 Luftwaffenuniform 23 % 24 % 68 863 Marineuniform 14 % 9% 26 345 100 % 100 % 285 000 TSK/OrgBereiche (n=1 470) Heer 41 % Luftwaffe 22 % Marine 15 % ZSanDst SKB 37 38 39 3% 19 % Der Anteil der Wehrübenden in der Stichprobe liegt unter 1 Prozent. Generalsinspekteur der Bundeswehr, Personalstrukturmodell 2000 (PSM 2000), Stand: 1. Mai 2003, hier: S. 58. Generalsinspekteur der Bundeswehr, Personalstrukturmodell 2000 (PSM 2000), Stand: 1. Mai 2003, hier: S. 55ff. 70 7 Glossar Balanced Scorecard (BSC): Eine auf die Amerikaner Robert S. Kaplan und David P. Norton zurückgehende Managementtechnik zur Umsetzung von Unternehmensstrategien. Im Kern ist die BSC ein Hypothesensystem zur Darstellung der Ziele des Unternehmens und der kausalen Verknüpfungen der Ziele. Den strategischen Perspektiven und Zielen werden Maßnahmen zu ihrer Umsetzung zugeordnet; die Messung des Zielerreichungsgrades erfolgt über Kennzahlensysteme. Budgetierung, flexible: Zentrales Reformelement des Neuen Steuerungsmodells (NSM), das eine Flexibilisierung der Haushaltsmittelbewirtschaftung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht anstrebt mit dem Ziel, Handlungsfreiräume für wirtschaftliche Entscheidungen vor Ort zu schaffen. Controlling: Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt. (nach Horváth) Interne Optimierung: Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation mit dem Ziel der Steigerung der Wirtschaftlichkeit und/oder der Qualität der Leistungserbringung einer Dienststelle. KOLIBRI („Kosten- und Leistungsrechung in der Bundeswehr zu Rationalisierung und internen Optimierung“): Eine für die Bundeswehr entwickelte Anwendungssoftware zum Betrieb der Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR). Kontinuierliches Verbesserungsprogramm (KVP): Ein in Übereinstimmung mit der Philosophie der Kosten- und Leistungsverantwortung (KLV) systematisch aufgebautes, organisatorisch verankertes Konzept zur ständigen Verbesserung der Qualität der Auftragserfüllung in allen Dienststellen der Bundeswehr unter Beteiligung aller Beschäftigten. Vorbild ist das japanische „Kaizen“, bei dem alle Mitarbeiter dazu aufgerufen sind, Ideen und Vorschläge für eine kontinuierliche Verbesserung der Leistungsprozesse und der Qualität der Leistungserstellung einzubringen. Kosten-Leistungs-Rechnung (KLR): Teil des internen Rechnungswesens, das Transparenz über die erbrachten Leistungen sowie die hierfür entstandenen Kosten schaffen soll. Die drei Teilrechnungen „Kosten- und Leistungsartenrechung“, „Kostenstellenrechung“ und „Kostenträgerrechnung“ stellen die grundsätzlichen Abrechnungsschritte einer KLR dar. Je nach Rechnungsziel wird in der Bundeswehr entweder die Prozesskostenrechnung oder die Kostenträgerrechnung angewendet. Kosten-Leistungs-Verantwortung (KLV): Führungsphilosophie für die Bundeswehr, mit der der wirtschaftliche Umgang mit den anvertrauten Ressourcen zu einem wesentlichen Maßstab des Denkens und Handelns werden soll. KLV verfolgt das Ziel, Kostenverursachung und Kostenverantwortung in eine Hand zu legen. Dies entspricht der Forderung des NSM, Fach- und Ressourcenverantwortung zusammenzuführen. 71 Kostenträgerrechnung: Letzte Stufe in der betrieblichen Kostenrechnung, in der die Kosten der Kostenstellen auf Kostenträger verrechnet werden. Die Kostenträgerrechnung gibt Antwort auf die Frage, wofür welche Kosten in welcher Höhe in einer Abrechnungsperiode entstanden sind. Die Kostenträgerrechnung wird vor allem in Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr eingesetzt. Market-Testing (MT): Verfahren zur Prüfung, ob eine vergabefähige Leistung für die Bundeswehr durch gewerbliche Anbieter oder durch Bw-interne Dienststellen wirtschaftlicher erbracht werden kann. Ziele sind die Senkung der Betriebsausgaben, die Verbesserung der Leistungsfähigkeit sowie die Konzentration der Bundeswehr auf ihre Kernaufgaben. Neues Steuerungsmodell (NSM): Ursprünglich von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) für den kommunalen Sektor entworfene deutsche Variante des New-Public-Managements (NPM). Das NSM wird heute oft mit Verwaltungsmodernisierung schlechthin identifiziert. New-Public-Management (NPM): Oberbegriff für einen weltweiten Trend der Reformen des öffentlichen Sektors mit dem Ziel einer stärkeren Heranführung der Verwaltung an privatwirtschaftliche Steuerungs- und Managementkonzepte. Public-Private-Partnership (PPP): Element der Verwaltungsmodernisierung, bei der die Verfolgung eines bestimmten Sachziels durch die Bündelung von staatlichen und privaten Ressourcen erfolgt. Im Gegensatz zur Privatisierung treten private Unternehmen weniger in der Rolle als Auftragnehmer und der Staat weniger in der Rolle als Auftraggeber in Erscheinung, sondern beide vielmehr als (gleichberechtigte) Kooperationspartner. Privatisierung, formale: Maßnahme mit dem Ziel der Verselbstständigung von Verwaltungseinheiten, die i. d. R. mit der Änderung der Rechtsform verbunden ist. Privatisierung, funktionelle: Maßnahme, bei der der Staat eine vormals selbsttätig ausgeführte Aufgabe an den privaten Sektor zu Erledigung abgibt. In vielen Fällen ist der Staat Leistungsempfänger der privaten Dienstleistung und nicht der Bürger. Privatisierung, materielle: Maßnahme mit dem Ziel, die Gewährleistung der Aufgabenerfüllung wie deren Vollzug vollständig an den privaten Sektor abzugeben. Prozesskostenrechnung: Aktivitätsorientiertes und auf Gemeinkosten konzentriertes Kostenrechungssystem, das eine verursachungsgerechtere Verrechung von Gemeinkosten auf Produkte bzw. Leistungen ermöglichen soll. 72 8 Literaturverzeichnis Arnold, Ulli (2004). Ökonomisierung der Streitkräfte als Gestaltungsproblem der Inneren Führung. In: Kutz (Hrsg.) 2004: 143–154. Beirat Innere Führung (2001). 10. 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Deutsches Verwaltungsblatt, 117: 17, 1167–1182. 75 Autoren Cathleen Kantner, Jg. 1969, studierte von 1991 bis 1998 Sozialwissenschaften (Dipl.) an der Humboldt-Universität zu Berlin und der University of Connecticut (USA). Von 1998 bis 2003 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort promovierte sie im Jahr 2002 mit einer Arbeit zum Demokratie- und Öffentlichkeitsdefizit der Europäischen Union. Seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg. Lehraufträge an der Universität Göttingen und der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsgebiete: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der öffentlichen Meinung, Ökonomisierung der Bundeswehr. Gregor Richter, Jg. 1969, studierte von 1990 bis 1996 Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1997 bis 2002 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie und Gesellschaftspolitik der Universität der Bundeswehr München. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. wechselte er 2003 an das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr. Lehraufträge an der Universität der Bundeswehr München und der Universität Potsdam. Arbeitsgebiete: Ökonomisierung der Bundeswehr, Personalforschung, Organisationssoziologie. In Nebenfunktion ist er Controller am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr.