Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669

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Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669
Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669
Am 15. Juli 1606 wurde Rembrandt Harmenszoon van Rijn in der Weddegasse Nr. 3 in Leiden geboren. Diese Gasse lag an
den Stadtmauern mit Blick über den Rhein. Rembrandt stammt aus einer Familie von Kornmüllern. Auf den Wällen innerhalb
der Stadtmauern und nah am Rhein gelegen stand die Mühle der Familie Van Rijn. Zahlreiche niederländische Mühlen aus der
Zeit Rembrandts sind heute noch in Kinderdijk zu sehen. Diese Gebiet gehört zum Weltkulturerbe.
Die Lateinschule
Müllerfamilien verdienten in dieser Zeit gutes Geld. Rembrandts Eltern waren der Meinung, dass ihr jüngster Sohn eine gute
Ausbildung bekommen müsse. Darum schickten sie den kleinen Rembrandt zur Lateinschule in der Lokhorststraat. Während
des Unterrichts wurde nur Lateinisch gesprochen, und auch alle Prüfungen mussten in lateinischer Sprache abgelegt werden.
Passion für das Malen
An seinem 14. Geburtstag wurde Rembrandt an der Leidener Universität eingeschrieben. Eine Einschreibung in so jungem
Alter war in Leiden ganz normal, auch wenn Studenten meist erst mit 17 Jahren das Studium aufnahmen. Dank seiner Einschreibung brauchte Rembrandt nicht zur Bürgerwehr, dem Militär zu damaliger Zeit, und bekam steuerfrei Bier und Wein.
Letztendlich besuchte er kein einziges Seminar an der Universität. Seine Passion für das Malen erwies sich als zu groß.
Rembrandt in der Lehre
Rembrandt musste seinen Vater erst davon überzeugen, dass ein Studium nichts für ihn war, und dass er lieber Maler werden
wollte. Historienmaler um genau zu sein – damals die bedeutendste Form der Malkunst. Rembrandts Vater erlaubte ihm 1621,
beim Leidener Meistermaler Jacob van Swanenburgh (1571 – 1631) in die Lehre zu gehen. Van Swanenburgh war selber
Historienmaler und recht bekannt, da er in Italien studiert hatte. In seinem Atelier an der Langebrug 89 unternahm Rembrandt die ersten Schritte in der Malerei.
Der Einfluss von Pieter Lastman
Nach drei Jahren harter Arbeit in Leiden durfte Rembrandt seine Studien bei Pieter Lastman (1583 – 1633) fortsetzen. 1624
zog Rembrandt in Lastmans Atelier an der Sint-Anthonisbreestraat in Amsterdam. Lastman, der auch in Italien studiert hatte,
malte biblische, mythologische und historische Szenen. Obwohl Rembrandt nur sechs Monate bei Lastman lernte, war dessen
Einfluss auf Rembrandts Werk groß. Die ist vor allem im Aufbau der Kompositionen zu erkennen.
Rembrandt und Lievens
Nach dieser lehrreichen Zeit in Amsterdam zog Rembrandt um 1625 wieder zu seinen Eltern auf den Leidener Weddesteeg.
Hier eröffnete er ein kleines, selbstständiges Atelier, das er mit seinem guten Freund Jan Lievens (1607 – 1674) teilte. In
diesem Atelier fertigte Rembrandt seine ersten Historienmalereien an.
Vom Schüler zum Lehrmeister
Die beiden jungen, eigensinnigen Maler wurden schnell bekannt. Constantijn Huygens (1596 – 1687), der Sekretär des
Prinzen von Oranien, bewunderte ihr Werk. Das brachte dem Duo 1628 den ersten Auftrag vom Hof des Statthalters in Den
Haag ein. Im Februar desselben Jahres bekam Rembrandt seinen ersten Schüler, Gerard Dou (1613 – 1675), und wurde auch
Lehrmeister von Isack Jouderville (1612 – 1645/48). Dou und Jouderville blieben beide bis 1631 bei Rembrandt in der Lehre.
das Doppelte vom ursprünglich vereinbarten Preis. Damit ruinierte er sich seinen guten Ruf. Auch durch seine Sammelleidenschaft – er kaufte viele Kunstwerke, feine Anzüge und Kuriositäten – und das zu teure Haus geriet Rembrandt in
finanzielle Probleme. Letztendlich wurde er 1656 für bankrott erklärt. Rembrandts Haus und seine Sammlung wurden
öffentlich versteigert - ohne, dass von dem Ertrag seine Schulden getilgt werden konnten.
Tragisches Lebensende
1660 zog Rembrandt mit Hendrickje, Titus und Cornelia in ein kleineres Haus an der Rozengracht. Rembrandt arbeitete
für einen Kunsthandel, den Hendrickje Stoffels und sein Sohn Titus aufgebaut hatten. Auf diese Art und Weise konnte
Rembrandt dem Zugriff seiner Gläubiger entgehen. Eine Pestepidemie forderte im Jahr 1663 das Leben von Hendrickje
und fünf Jahre später das von Titus. Am 4. Oktober 1669 starb Rembrandt. Vier Tage später wurde er in einem unbekannten Mietgrab der Westerkerk begraben.
Rembrandts Maltechnik
Clair-obscur
Rembrandt begann sehr früh, mit Licht- und Schattenkontrasten zu arbeiten: helles Licht und dunkle Schatten. Eine so
starke Hell-Dunkel-Technik wird Clair-obscur genannt. Clair-obscur (französisch) und Chiaroscuro (italienisch) bedeuten hell-dunkel. Obwohl dieser Effekt schon früher eingesetzt wurde, ist dieser Ausdruck erst seit Ende des 16. Jahrhunderts bekannt. Der Ursprung des Wortes stammt aus Italien. Der Maler Caravaggio (1573 – 1610) machte den
Chiaroscuro-Effekt zu seinem Markenzeichen. Er war ein Meister im Malen von düsteren Szenen, die durch einen hellen
Lichtstrahl durchbohrt werden. Auch Rembrandt wandte diese Technik an, um bestimmte Figuren oder Szenen in
seinen Gemälden hervorzuheben.
Kratzer in nasser Farbe
Eine andere Technik, die Rembrandt anwandte, war das Kratzen in noch nasser Farbe. So kam die helle Farbe des
Untergrundes zum Vorschein. Er nutzte diese Technik z.B. um Haarwuchs oder –farbe darzustellen.
Weißhöhungen
Lichtpunkte konnte Rembrandt mit so genannten Weißhöhungen darstellen. Eine Weißhöhung ist in diesem Fall eine
kleine Menge heller Farbe oder weißer Kreide auf dunklem Untergrund. Meistens wird eine solche Weißhöhung angewandt, um eine Bildtiefe zu suggerieren, sie kann aber auch Glanz oder Lichteinfall imitieren. Die Farbe, die für solche
Weißhöhungen genutzt wird, ist in der Regel bleiweiß.
Kontraste
Während Rembrandt in seiner Anfangszeit als Künstler noch sehr fein zu Werke ging, malte er ab 1650 auf die „grobe
Art und Weise“, wie man es im 17. Jahrhundert nannte. Die Farbschichten wurden immer dicker und großflächiger
angebracht. Er wandte in seinen Werken unterschiedlichste Maltechniken an: Grobe Flächen wechselten sich ab mit
feinen Linien, dicke Farbschichten mit leichten Pinselstrichen. Gesichter und Hände wurden zum Beispiel sehr glatt
gemalt, während Kleidung mit dicken Klecksen auf die Leinwand gebracht wurde. So verlieh Rembrandt seinen Gemälden Tiefe. Diese Art des Malens ist kennzeichnend für Rembrandts spätes Werk.
Nach Amsterdam
Rembrandts Ruhm wuchs weiter. Immer öfter erhielt er Aufträge aus Amsterdam. Es handelte sich dabei hauptsächlich um
Porträtaufträge, die er über den Amsterdamer Kunsthändler Hendrick Uylenburgh (1587 – 1661) bekam. 1631 beschloss
Rembrandt, seine Geburtsstadt zu verlassen, um definitiv in Amsterdam zu leben.1631 fand es Rembrandt an der Zeit, seinen
Arbeitsplatz zu verlegen. Er verließ Leiden und ließ sich als junger Meister in Amsterdam nieder. Rembrandt zog bei Hendrick
Uylenburgh (1587 – 1661) ein, einem Kunsthändler, der für wichtige Porträtaufträge sorgte.
Anwendung von Farben
Wie sein Lehrmeister Pieter Lastman nutzte Rembrandt in seinem frühen Werk sehr helle Farben. Um 1630 wurde die
Farbwahl sanfter, mit einer deutlichen Vorliebe für Violett, Bronzegrün und gedecktes Gelb. In seiner letzten Schaffensphase wurde die Farbe seiner Bilder tiefer und reicher. Er bevorzugte nun die Farben Tiefrot, Braun und Goldgelb.
Vornehmes Wohnen und Leben
1634 heiratete Rembrandt Hendricks Nichte Saskia Uylenburgh (1612 – 1642). Sie war reich und hatte gute Kontakte in die
höheren sozialen Schichten. Rembrandt und Saskia zogen zusammen in ein Haus in der Nieuwe Doelenstraat an der BinnenAmstel. 1639 kaufte Rembrandt für 13.000 Gulden ein vornehmes Haus in der Sint-Anthonisbreestraat (heute das Museum
Het Rembrandthuis). Ein stattlicher Betrag für den Künstler, den er in Raten abbezahlen konnte. Finanziell ging es Rembrandt
weiterhin gut. Für die Anfertigung der Nachtwache beispielsweise sollte er insgesamt 1.600 Gulden erhalten.
Neben einem umfangreichen Oeuvre von Gemälden und Zeichnungen fertigte Rembrandt van Rijn etwa 290 Kupferstiche an. Vor allem durch sein grafisches Werk, das wegen seiner Reproduzierbarkeit eine große Verbreitung fand, war
Rembrandt bereits zu Lebzeiten europaweit bekannt. Rembrandts ungezwungene Linienführung, das einzigartige tiefe
Schwarz in vielen seiner Kupferstiche und seine meisterliche Anwendung der Technik mit der trockenen Nadel waren
schon damals beliebt. Sein Werk war unter Kupferstichsammlern sehr begehrt.
Die Frauen Rembrandts
Rembrandt und Saskia bekamen vier Kinder. Die ersten drei starben jedoch kurz nach ihrer Geburt. Nur Titus (1641 – 1668)
blieb am Leben. 1642, als Titus gerade neun Monate alt war, starb Saskia. Nach dem Tod Saskias wurde Geertje Dircx
(1600/10 – 1656) als Kindermädchen für Titus angestellt. Rembrandt fing ein Verhältnis mit ihr an, was seinem gesellschaftlichen Ruf nicht gut tat. Im Juni 1646 gingen Geertje und Rembrandt im Streit auseinander. Grund für den Streit war seine
Liebe zur 22 Jahre jüngeren Haushälterin Hendrickje Stoffels. Wegen Bruchs des Eheversprechens erhob Geertje gegen
Rembrandt Anklage beim „Rat für eheliche Angelegenheiten“. Rembrandt wurde verurteilt, jährlich Alimente in Höhe von 200
Gulden zahlen. Nun zeigte er sich von seiner schlechtesten Seite - und sorgte dafür, dass Geertje auf seine Kosten in eine
Anstalt aufgenommen wurde.
1654 schenkte Hendrickje Stoffels ihm eine Tochter, Cornelia. Dies bedeutete ihren endgültigen Ausschluss aus der Kirche, da
sie „in Hurerei mit dem Maler Rembrandt“ gelebt hatte. Eine Heirat hätte diese kirchliche Sünde ungeschehen machen können, aber Rembrandt heiratete sie nicht.
Der Bankrott
Trotzt der vielen Aufträge, dem gut laufenden Verkauf von Kupferstichen und dem Geld, das er für die Ausbildung der Schüler
erhielt, brachen für Rembrandt schwierige Zeiten an. Durch seinen eigensinnigen Lebenswandel und seine eigenwillige Arbeitsweise verlor er die Gunst des Bürgertums. Rembrandt hielt sich oft nicht an Preisabsprachen, verlangte manchmal sogar
Rembrandts Grafik
Radieren und Gravieren mit der trockenen Nadel
Radieren und Gravieren mit der trockenen Nadel waren zwei grafische Techniken, die sich im 15. Jahrhundert in
Europa entwickelten. Radierungen sind auf Papier gedruckte Kupferstiche. Die Darstellung wird erst in eine Metallplatte
geritzt und dann gedruckt. Rembrandt nutzte am liebsten dünne, rotkupferne Platten.
Kupferstechen
Die Technik des Kupferstechens verläuft in mehreren Stadien: Erst wird die Platte mit einer Grundierung aus Wachs,
Harz uns Asphalt versehen. In diese Grundierung ritzt der Künstler mit einer Nadel die Darstellung. Jede Linie entfernt
die Grundierung und legt das bloße Metall frei.
Wenn die Darstellung fertig ist, kommt die Platte in ein aggressives Säurebad. Die Grundierung ist gegen diese Säure
resistent. An den Stellen, an denen das Metall frei liegt, frisst die Säure etwas vom Metall weg. Je länger die Platte in
der Säure bleibt, desto tiefer fressen sich die Linien ins Metall.
Die Platte wird aus dem Säurebad geholt, die Grundierung entfernt. Dann schmiert der Künstler die Platte mit Druckertinte ein. die Platte wird dann so weit wieder gesäubert, bis nur noch in den eingefressenen Ritzen Tinte ist. Jetzt kann
ein Abdruck gemacht werden.
Dafür wird die Platte mit einem Bogen Papier durch eine Druckerpresse geschoben. Die Tinte aus den Ritzen wird auf
das Papier gepresst. Die Darstellung kommt spiegelbildlich auf das Papier. Dieser Abdruck ist dann der erste Abzug.
Wenn im Nachhinein etwas an der Kupferplatte verändert wird, wenn zum Beispiel neue Linien hinzugefügt werden, sprechen
wir beim folgenden Druck vom zweiten Abzug und so weiter. Von den meisten Radierungen Rembrandts gibt es mehrere
Abzüge.
Noch nicht einmal 25 Jahre alt ist Rembrandt auf diesem Selbstporträt. Er schaut
erschreckt, mit gerunzelter Stirn und gespitzten Lippen, als ob er durch etwas
Unangenehmes gestört würde. Der Druck ist klein und der Ausschnitt des Gesichts
knapp. Rembrandts Kappe liegt teilweise außerhalb des Bildes, und seine Kleidung ist
nur grob skizziert; dunkle Schatten sorgen für starke Kontraste. Dies alles vermittelt
Rembrandts Selbstporträt eine große Ausdrucksstärke. Sein beklemmender Blick
fordert bedingungslose Aufmerksamkeit.
Gravur mit der trockenen Nadel
Wenn Rembrandt Veränderungen in seinen Bildern anbrachte, tat er das oft nicht mit Säure, sondern mit einer schweren
Nadel, mit der er direkt in das Kupfer kratzte. Mit dieser Technik entstanden tiefschwarze, samtene Linien, verursacht durch
den Grat. Das ist ein ungleichmäßiger Metallrand, der sich an den eingekratzten Linien empor rollt. Rembrandt arbeitete auch
mit dem Geißfuß, dem Werkzeug der Graveure. Der Geißfuß hat eine V-förmige Spitze, mit der straffe Linien aus dem Metall
gestochen werden. Durch die Kombination dieser Techniken erreichte Rembrandt eine unerreichte Vielseitigkeit und erstaunlich Nuancen.
Themen
Landschaften
Obwohl Rembrandt oft in die Natur hinausging, um zu zeichnen und zu malen, hat er nur wenige Landschaften gemalt. Meist
waren es bergige Phantasielandschaften im Stil von Hercules Segers. Rembrandt wurde durch Segers beeinflusst und besaß
selber acht Werke von ihm. Rembrandts Landschaften wirken vor allem durch den Lichteinfall dramatisch. Seine besondere
Helldunkeltechnik (Clair-obscur), die ergreifende Bewegtheit der Darstellungen und die expressive Kraft von Natur und Wetter: bedrohliche Wolkentürme und vom Sturm umgestürzte Bäume. In dieser Zeit spielte die Natur auch in seinen Kupferstichen eine Rolle. Ab 1640 machten die düsteren Kräfte der Natur Platz für ruhige holländische Landmotive.
Religion
1624 tauschte Rembrandt für ein halbes Jahr die Leidener Weddegasse gegen das Atelier von Pieter Lastman an der SintAnthonisbreestraat in Amsterdam. Lastman, der in Italien studiert hatte und selber Maler biblischer, mythologischer und
historischer Szenen war, hatte großen Einfluss auf Rembrandts Werk. Vor allem an der Bildkomposition lässt sich das gut
nachvollziehen. Er zeigte Rembrandt, wie ihm Religion und Geschichte als Inspiration für sein Werk dienen konnten. Nach
dieser lehrreichen Zeit kehrte Rembrandt etwa 1625 zurück nach Leiden. Hier eröffnete er ein kleines, selbstständiges Atelier,
das er mit dem Maler und Freund Jan Lievens teilte. Der Einfluss Lastmans ist während seiner Zeit in Leiden (1625 – 1631)
am deutlichsten zu erkennen. Religiöse und symbolische Themen überwogen, und die Bilder waren klein aber sehr detailliert
(zum Beispiel bei Kleidung und Juwelen). 1633 erhielt er von Statthalter Frederik Hendrik den Auftrag für die Anfertigung
einer Reihe von Passionsszenen. Etwa ab 1640 wurde Rembrandts Stil wieder schlichter, wahrscheinlich durch die dramatischen Geschehnisse in seinem Leben. Wurde er zunächst durch das Alte Testament inspiriert, so basierten seine biblischen
Szenen nun vor allem auf dem Neue Testament.
Historienstücke
In Rembrandts Leidener Atelier entstanden seine ersten Historienstücke. Der Künstler wählte dafür jeweils einen originellen
und entscheidenden Moment aus der Geschichte. In seinen Historienstücken spielten reich verzierte Kostüme eine wichtige
Rolle. Mit den dramatischen Kompositionen wollte er es wahrscheinlich dem berühmten flämischen Barockmaler Rubens
gleichtun. Als Historienmaler genoss man im 17. Jahrhundert höchstes Ansehen. Diese Kunst hatte das Ziel, die Geschichten
aus der Bibel, der Antike oder zeitgenössische historische Ereignisse, abzubilden. Es war sehr wichtig, dass der Maler die
Geschichte gut kannte und menschliche Figuren und Emotionen gut darstellen konnte. Das heißt, dass er nicht nur handwerklich begabt sein musste, sondern auch intellektuell. Als Maler von Historienstücken erntete Rembrandt großen Erfolg.
Grimassen
Rembrandt porträtierte sich selbst ungefähr achtzig Mal in Bildern, Radierungen und Zeichnungen. Einige Selbstporträts
wurden bei ihm in Auftrag gegeben, doch die meisten machte er für sich selbst als Studienmaterial. Viele dieser Selbstporträts
sind Studien von Gemütszuständen: Überraschung, Freude oder Kummer. Vor dem Spiegel zog er allerlei komische Grimassen, die er dann nachzeichnete. Manchmal bildete er sich selbst als jemand anderes ab: als ein Edelmann oder eine biblische
Figur, zum Beispiel als Apostel Paulus. Die erforderlichen Kostüme schaffte er sich oft selber an. Viele Mitglieder seiner engeren Familie sind häufig in seinen Bildern vertreten. Wahrscheinlich fungierten sie als Modelle für biblische oder historische
Figuren. In seinen letzten Jahren malte Rembrandt einige seiner schönsten Selbstporträts, in denen deutlich seine Sorgen und
sein Verdruss zu erkennen sind.
Einige wichtige Werke
Historienstück 1626
Ölfarbe auf Holz
Stedelijk Museum De Lakenhal
In diesem Jugendwerk weisen zahlreiche Aspekte noch auf den Einfluss seines
Lehrmeisters Lastman hin: die pyramidale Komposition, die pathetischen Gebärden
der Personen, die Aufteilung in einen bunten Vordergrund und einen monochromen
Hintergrund. Auffällig ist Rembrands experimentelle Malerei. So kombinierte er glatt
gemalte Harnasteile mit in lockerem Pinselstrich gemalten Stoffen. Einen besonderen
Effekt erzielte er in der Haarpartie einiger Personen, indem er mit der Rückseite
seines Pinsels in die nasse Farbe kratzte. Thema des Bildes ist sicherlich der Großmut eines Fürsten, der komplett mit Zepter und Kaiserkrone in der Mitte links steht.
Die Kombination aus den Kostümen des 16. Jahrhunderts mit der Kleidung aus dem
17. Jahrhundert des Mannes in der Mitte, das zeitgenössische Kriegsmaterial und die
klassischen Ruinen lassen ungewiss, ob es sich um ein Thema aus dem Altertum
oder aus Rembrandts eigener Zeit handelt. Hinter dem Zepter des Fürsten malte
Rembrandt selbstbewusst ein jugendliches Selbstportrait.
Quelle: Stedelijk Museum De Lakenhal, Leiden
Selbstporträt
mit erstauntem Blick 1630
Kupferstich
Museum Het Rembrandthuis
Die Anatomiestunde des
Dr. Nicolaes Tulp 1632
Öl auf Leinwand
Het Mauritshuis
Studien
Mit diesen frühen Selbstporträts übte sich Rembrandt in der Darstellung von Gesichtsausdrücken. Er schnitt vor dem Spiegel allerlei Grimassen. Das Ergebnis legte
er als Kupferstich fest. So lernte er Stimmungen und Emotionen darzustellen. Auch
studierte er in diesen Radierungen den Lichteinfall in seinem Gesicht. Das Wissen,
das er hierdurch erwarb, nutzte er für Figuren in größeren Kompositionen.
Quelle: Museum Het Rembrandthuis / Het Rijksmuseum Amsterdam
Rembrandt malte dieses Gruppenporträt von sieben Chirurgen und dem Mediziner
Nicolaes Tulp 1632. Das Bild entstammt einer ganzen Reihe von Gruppenporträts,
die von verschiedenen Künstlern für das Verwaltungszimmer der Chirurgengilde
angefertigt wurden, und von denen das älteste aus dem Jahr 1603 stammt. Ein
solches Anatomiestück hat ein zentrales Motiv, die Anatomiestunde, und einen
Hauptdarsteller, den Praelector oder „Vorleser“. Vorbild für das Entstehen dieses
Bildes war die Anatomiestunde, die Tulp im Januar 1632 gab. Zwei mal pro Woche
gab ein bedeutender Mediziner den Amsterdamer Chirurgen Theorieunterricht. Teil
dieser Fortbildung war die Teilnahme an einer Praxisstunde im anatomischen Theater, um mehr Einsichten in die menschliche Anatomie zu erlangen. Jedes Jahr konnte
dort eine öffentliche Sezierung stattfinden, meist im Winter, weil die Leiche sonst zu
sehr stank. Die Sezierung wurde dann unter Führung des Praelators vorgenommen.
Das tat er nicht jedes Jahr, aber 1631 führte Tulp, der drei Jahre zuvor „Vorleser“ bei
der Chirurgengilde geworden war, seine erste Leichensezierung durch. 1632 folgte
die zweite. Diese Sezierung diente Rembrandt als Vorbild für besagtes Porträt.
Die künstlerischen Leistungen des noch jungen Malers sind erstaunlich, zumal er bis
zu diesem Zeitpunkt noch nicht all zu viele Porträts gemalt hatte. Es scheint, als
hätte Rembrandt die Gruppe in einem bestimmten Moment festgehalten. Das Bild ist
allerdings eine sorgfältige Komposition, über die Rembrandt gut nachgedacht hat.
Die Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich sofort auf die Aktivität Tulps, der
demonstriert, wie die Muskeln im Arm verlaufen. Dazu wurde der Arm der Leiche
aufgeschnitten. Der Leichnam war im Normalfall der eines hingerichteten Verbrechers. In diesem Fall war es Adriaen van Kint. Die Namen der Vorgestellten stehen
auf dem Papier, das der hinterste Mann hochhält.
Dieses Gemälde war Rembrandts erstes Gruppenporträt. Es war eine Ehre, als so
junger Künstler einen solchen Auftrag zu erhalten. Die Auftraggeber waren offenbar
mit dem Werk zufrieden, denn der nächste Auftrag für ein Anatomiestück im Jahr
1656 ging wieder an Rembrandt. Derartige Bilder waren – und blieben – Eigentum
der Gilde, der die Auftraggeber angehörten. Das Werk hing seit seiner Entstehung im
Gebäude der Stadtwaage am Neumarkt, nicht weit von Rembrandts eigenem Haus
entfernt. Auch der Sezierplatz befand sich in der Stadtwaage. „Die Anatomiestunde
des Nicolaes Tulp“ blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein in Amsterdam. Nachdem die
Chirurgengilde 1798 aufgelöst worden war, gerieten die Gemälde in den Besitz des
Chirurgenwitwenfonds. Die Verwaltung dieses Fonds beschloss 1828, das Bild Rembrandts zu verkaufen. Der geplante öffentliche Verkauf wurde jedoch per Königlichem Beschluss verboten. Das Bild wurde nun vom Reich angekauft. Seitdem befindet sich das Gemälde in der Kollektion des Mauritshuis.
Quelle: Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam
Rembrandt malte die „Minerva“ in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts. Er
wohnte und arbeitete als selbstständiger Maler in Amsterdam und begann mit einer
Serie imposanter Gemälde, die letztendlich in seinem Meisterwerk mündeten: die
Nachtwache (Rijksmuseum Amsterdam).
Die Nachtwache, das berühmteste Gemälde des Rijksmuseums, hat eigentlich den
Titel: Die Kompanie von Frans Banning Cocq. Das Gemälde ist ein Schützenstück:
das Gruppenporträt einer Abteilung der Bürgerwehr.
Auf der großen Leinwand wird die prächtig gekleidete römische Göttin Minerva
abgebildet (oder Athene in der griechischen Mythologie). Sie sitzt an einem Tisch,
umringt von ihren Attributen. Der Speer, der Schild und der Helm symbolisieren,
dass sie die Kriegsgöttin ist, während die Bücher auf ihre Rolle als Göttin der Weisheit und der Künste verweisen.
Das Thema Minerva ist kaum vertreten in der Kunst des Goldenen Jahrhunderts. Die
meisten Werke, die dieses Motiv behandeln, werden Rembrandt und seiner Schule
zugeschrieben. Das Gemälde wurde restauriert. Während der Restauration zeigte
sich die Oberfläche des Bildes in beinahe perfektem Zustand.
Minerva 1635
Öl auf Leinwand
Museum Het Rembrandthuis
Leihgabe der Galerie Otto
Naumann, New York
„Minerva“ ist eine Leihgabe für das Museum Het Rembrandthuis für die Ausstellung
„Rembrandt – Suche eines Genies“, die ab dem 1. April 2006 in dem Museum zu
sehen ist.
Quelle: Museum Het Rembrandthuis
Dunkle Wolken ziehen sich über einem Fluss zusammen. Ein heller Blitz erleuchtet
die Landschaft. Unter der bedrohlichen Wolkendecke suchen einige unscheinbare
Figuren ihren Weg. Links steigen Menschen von einem Wagen herab, um Schutz zu
suchen, im Vordergrund wird ein kleines Boot an Land gezogen. Links der Brücke
plagt sich ein Mann weiter ab, trotzt dem drohenden Unwetter. Das Licht bescheint
seinen gekrümmten Rücken. Obwohl Rembrandt oft in die Natur hinaus ging um zu
zeichnen, hat er nur wenige Landschaften gemalt. Meist malte er dann bergige
Phantasielandschaften im Stil von Hercules Segers. Diese dramatische holländische
Landschaft mit starkem Clair-obscur-Effekt ist einzigartig in seinem Oeuvre.
Landschaft mit Steinbrücke
um 1638
Ölfarbe auf Tafel
Rijksmuseum Amsterdam
Wo und wann?
Obwohl die Landschaft sehr niederländisch erscheint, entspringt sie wahrscheinlich
doch eher Rembrandts Phantasie als der Wirklichkeit. Zu Rembrandts Zeiten jedenfalls waren in der Umgebung Amsterdams keine Steinbrücken wie diese zu finden.
Wahrscheinlich ließ sich Rembrandt durch einen Kupferstich von Jan van de Velde
inspirieren, auf dem exakt dieselbe steinerne Brücke zu sehen ist. Da Rembrandt so
wenige Landschaften malte, war es schwierig, dieses Bild genau zu datieren. Untersuchungen zeigten, dass der Baum, aus dem die Tafel angefertigt war, frühestens
1635 geschlagen wurde. Darum wird das Bild Ende der dreißiger Jahre des 17.
Jahrhunderts eingeordnet.
Moral?
Es ist möglich, dass Rembrandt mit seinem Bild den so genannten „Pilgerzug des
Lebens“ darstellen wollte. Die gemalten Figuren sollen dann verschiedene Lebenshaltungen verbildlichen: die Menschen, die bei der Herberge aussteigen, wählen ein
bequemes Leben, die Passagiere des Bootes treiben ziellos umher, und nur das eine
kleine Männlein hält am „rechten Weg“ fest. Obwohl diese Doppeldeutigkeit im 17.
Jahrhundert nicht unüblich war, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob Rembrandt
mit diesem Bild wirklich solche ernsten Vorstellungen ausdrücken wollte.
Quelle: Het Rijksmuseum Amsterdam
Die Schützenkompanie
von Kapitän Frans Banning
Cocq. Frans Banning Cocq
gibt seinem Leutnant den
Befehl zum Abmarsch der
Bürgerkompanie. 1642
Ölfarbe auf Leinwand
Het Rijksmuseum
Amsterdam
Momentaufnahme
Rembrandt stellte die Gruppe der Schützen auf sehr ungewöhnliche Art und Weise
dar. Auf Rembrandts „Nachtwache“ posieren die Schützen nicht, sondern unterhalten
sich und hantieren mit ihren Waffen. Ebenfalls im Aufbruch begriffen, gibt Kapitän
Banning Cocq seinem Leutnant Van Ruytenburch den Befehl, die Kompanie abmarschieren zu lassen. Die Nachtwache scheint eine Momentaufnahme einer Gruppe in
Bewegung zu sein, kein gestelltes Bild. Das unterscheidet die Nachtwache grundsätzlich von allen anderen Schützenstücken.
Licht und Schatten
Die Abwechslung von hell und dunkel verstärkt den Eindruck der Bewegung. Durch
den Lichteinfall richtet Rembrandt die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Personen:
den Kapitän und seinen Leutnant.
Wer ist auf dem Bild zu sehen?
Auf einem Schild über dem Tor stehen die Namen der 18 porträtierten Schützen.
Eine Kompanie hatte mehr Mitglieder, aber nur diejenigen, die dafür bezahlten,
kamen auf das Gruppenbild. Der Trommler wurde angeheuert und durfte deshalb
gratis auf das Gemälde. Die übrigen Personen fügte Rembrandt hinzu, um das Bild
lebendiger zu machen. Drei Personen an der linken Seite sind im 18. Jahrhundert
verschwunden, es wurde ein Stück von der Leinwand abgeschnitten. Nur von wenigen ist bekannt, welcher Name zu welchem Gesicht gehört.
Symbole
Die Schützen auf dem Bild „Die Nachtwache“ heißen Kloveniers, nach dem Klover,
einer Feuerwaffe aus dem 16. Jahrhundert. Rembrandt verarbeitete die Symbole der
Kloveniers ganz natürlich: Das Mädchen im Hintergrund trägt die wichtigsten davon
und ist eine Art Glücksbringer. Die Krallen des Huhns (1) an ihrem Gürtel weisen auf
Clauweniers, Kloveniers, hin. Die Pistole (2) (hinter dem Huhn noch ein wenig
sichtbar) steht für den Klover. In ihrer Hand hält sie das zeremonielle Trinkhorn der
Kloveniers (3). Der Schütze vor ihr hat einen Helm mit Eichenblatt, ein traditionelles
Kloveniersmotiv. Dass es sich hier um die Amsterdamer Kloveniers handelt, wird an
einem subtilen Detail deutlich: Am Revers der Jacke des Leutnants sind die drei
Kreuze des Wappens von Amsterdam zu erkennen.
Darstellung der Stoffe
Rembrandt war ein Meister in der Darstellung verschiedener Stoffe. Für die einzelnen
Bereiche des Gemäldes wandte er sehr unterschiedliche Maltechniken an: einmal
sehr genau, ein andermal mit groben Pinselstrichen; manchmal glatt und manchmal
mit dicken Klecksen. Oft ordnete Rembrandt die Genauigkeit der Lebendigkeit unter.
Komposition
Wie sieht die Komposition der Nachtwache im Einzelnen aus? Die Architektur im
Hintergrund ist nahezu symmetrisch – auch die Schützen sind mehr oder weniger
symmetrisch platziert – der Kapitän und der Leutnant durchbrechen die Symmetrie:
Sie stehen rechts neben der Mitte – diese Asymmetrie verleiht der Komposition die
Spannung. Das Auge zieht beide Männer ein wenig nach links, in die Richtung, in die
sie gehen. So wird die Bewegung verstärkt. Die Linien einer Anzahl Stabwaffen
verlaufen parallel. Sie verbinden das Zentrum der Komposition mit dem Raum um
das Bild herum.
Fast dreidimensional
Die Hand von Banning Cocq und die Partisane (Stoßwaffe) von Van Ruytenburch
scheinen aus dem Bild herauszuragen. Solche dreidimensionalen Darstellungen sind
sehr schwer umzusetzen. Rembrandt hat dieses Hindernis mit Bravour gemeistert.
Die Hand des Kapitäns erscheint wie echt. Mit der Waffe von Van Ruytenburch hatte
Rembrandt mehr Probleme. Das ist aus Röntgenaufnahmen des Bildes ersichtlich.
Die Partisane war in Rembrandts erster Version viel zu groß und musste mehrere
Male verbessert werden. Rembrandt malte meist ohne vorbereitende Skizze direkt
auf die Leinwand. Wenn er etwas verändern wollte, tat er das während des Malens.
Ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise ist sein Porträt „De Staalmeesters“(Vorsteher der Tuchmachergilde) von 1662.
„Die Nachtwache“ ist einige Male umgezogen. Bis 1715 hing das Gemälde im Großen
Saal des Gebäudes „Kloveniersdoelen“. Danach wurde es ins Rathaus auf dem Dam
gebracht (den heutigen Palast). 1817 erhielt das Rijksmuseum Amsterdam das
Gemälde.
Quelle: Rijksmuseum Amsterdam
Der Beiname
Das Hundertguldenblatt war im 17. Jahrhundert der populärste Kupferstich Rembrandts, der hohe Preise erzielte und schon kurz nach dem Erscheinen kopiert
wurde. Der Beiname stammt von einer Geschichte aus dem frühen 18. Jahrhundert,
nach der sogar Rembrandt selber 100 Gulden bezahlen musste, um ein Exemplar der
Radierung zu bekommen.
Predigender Christus
(Das Hundertguldenblatt)
um 1643–49
Kupferstich,
trockene
Nadel, Geißfuß
Museum
Het
Rembrandthuis
Thema
Das Thema dieser Radierung sind verschiedene Geschehnisse, die in Kapitel 19 des
Matthäusevangeliums beschrieben werden. Um die Figur Christi gruppiert sieht man
rechts vorne Kranke, die kommen um geheilt zu werden (Vers 1-2). Links stehen
Mütter, die ihre Kinder zu Jesus bringen, und zwischen ihnen der reiche Jüngling, der
das ewige Leben erlangen möchte. Jesus riet ihm, all seine Besitztümer zu verkaufen
und das Geld den Armen zu geben. Auf diese Geschichte verweist wahrscheinlich
auch das Kamel rechts unter dem Tor. Denn Jesus sagte: „Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Kamel durch das Öhr einer Nadel passt, ist größer als die, dass ein Reicher
ins Himmelreich Gottes kommt“ (Vers 24). Links hinten stehen Pharisäer, mit denen
Christus in Streit geriet.
Man nimmt an, dass Rembrandt in der Zeit zwischen 1643 und 1649 an dem Kupferstich arbeitete. Es bestehen verschiedene Vorstudien von verschiedenen Gruppen
und bestimmten Figuren.
Quelle: Museum Het Rembrandthuis
Rembrandt malte dieses Selbstporträt als er 55 Jahre alt war. Links, neben seiner
Schulter, schrieb er seinen Namen und das Jahr, in dem er das Bild fertig stellte:
1661. Rembrandt fertigte im Laufe seines Lebens etwa 80 Selbstporträts in Form von
Bildern, Kupferstichen und Zeichnungen an. Die meisten dieser Porträts dienten als
Studienmaterial für ihn selbst: um einen Gesichtsausdruck zu studieren oder Helldunkelkontraste auszuprobieren. Manchmal stand er selbst „Modell“, um jemand
anderes darzustellen. Das ist bei diesem Porträt der Fall. Er stellte sich selbst als
eine biblische Figur dar: als Apostel Paulus.
Selbstporträt als Apostel
Paulus 1661
Ölfarbe auf Leinwand
Rijksmuseum Amsterdam
Paulus
Paulus lebte im ersten Jahrhundert nach Christus. Er wurde in Tarsus, in der heutigen Türkei, als Sohn jüdischer Eltern geboren. Mit dem Turban deutet Rembrandt
seine orientalische Herkunft an. Paulus war zunächst ein fanatischer Verfolger der
Christen. Durch das Eingreifen Gottes bekehrte er sich und begann den christlichen
Glauben in den Ländern des Mittelmeerraums zu verkünden. Er gründete viele
christliche Gemeinden, an die er ständig Briefe schrieb. Einige dieser Briefe hält er in
der Hand. Auf dem obersten sind – bei genauem Hinsehen – die Buchstaben „EFESIS“ zu erkennen. Sie sind an die Gemeinde von Efeze gerichtet.
Ein prächtig gekleidetes Paar in einem vagen, dunklen Raum. Liebevoll hat der Mann
den Arm um die Schulter der Frau und eine Hand auf ihre Brust gelegt. Sehr vorsichtig berührt sie mit den Fingerspitzen seine Hand. Beide schauen vor sich hin, sie
scheinen in Gedanken versunken. Im verschwommenen Hintergrund sind einige
Formen zu erkennen: Neben der Frau ist eine Pflanze in einem Topf zu sehen, und
hinter ihr etwas von einem Gebäude. Dieses Bild, Die jüdische Braut genannt, malte
Rembrandt 1667. Es zählt zu den berühmtesten und rätselhaftesten Werken aus der
Sammlung des Rijksmuseums.
Porträt eines Paares als
Figuren des Alten Testaments, „Die jüdische
Braut“ genannt 1667
Ölfarbe auf Leinwand
Rijksmuseum Amsterdam
Jüdische Braut?
Den Titel Die jüdische Braut erhielt das Werk zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom
Amsterdamer Kunsthändler Van der Hoop. Er sah in diesem Bild einen jüdischen
Vater, der seiner Tochter anlässlich ihrer Hochzeit eine Kette umhängt. Mittlerweile
sieht niemand mehr den Mann als den Vater der Frau an. Es handelt sich hier eindeutig um ein Liebespaar, aber wer es ist, wird nicht deutlich. Die Gesichter scheinen
Porträts zu sein, aber die Kleidung war für diese Zeit sehr unüblich. Möglicherweise
waren es Zeitgenossen Rembrandts, die sich als biblische Figuren porträtieren ließen.
Verschiedene Maltechniken
Es ist faszinierend, wie Rembrandt in diesem Bild verschiedene Maltechniken anwandte. Breite Pinselstriche wechseln sich ab mit feinen Linien, dicke Kleckse mit
trockenen Strichen. Gesichter und Hände sind sehr glatt gemalt, aber die Kleidung
wurde mit dicken Klecksen auf die Leinwand gebracht. In den dicken Farbschichten
auf dem Ärmel sind sogar Abdrücke des Spachtels zu sehen, mit dem Rembrandt die
Farbe aufbrachte. So verlieh er seinen Bildern Tiefe. Diese Art des Malens ist typisch
für Rembrandts spätes Werk.
Restauration
Bei der Restauration von Die jüdische Braut in den Jahren 1993-1994 wurde die
dicke, vergilbte Firnisschicht entfernt. Mit dem schwarzen Hut des Mannes stimmte
etwas nicht. Unter einer dünnen Schicht schwarzer Farbe befand sich eine rotbraune
Kappe. Analysen zeigten, dass die schwarze Farbe ein Bindemittel enthielt, das erst
seit 1930 benutzt wurde. Diese Farbe konnte darum nicht von Rembrandt selbst
aufgetragen worden sein. Nach Entfernung des Hutes blieb eine dünne Lage schwarzer Farbe übrig, die eventuell doch aus dem 17. Jahrhundert stammen könnte. Da
die wahre Geschichte um den Hut ein Rätsel blieb, beschloss man, dem Mann wieder
einen neuen Hut zu geben. Das wurde so gemacht, dass das Zugefügte jederzeit
wieder entfernt werden kann. Nach den heutigen Auflagen für Restaurateure muss
jede Veränderung reversibel, also umkehrbar sein. Retouchierungen müssen so
angebracht werden, dass sie einfach wieder entfernt werden können. Meist bringt
man Retouchierungen daher zwischen der ersten (das ursprüngliche Gemälde bedeckenden) und der zweiten Firnisschicht, die das Kunstwerk versiegelt, an.
Quelle: Rijksmuseum Amsterdam
Licht und Schatten
Rembrandt stellte sich selbst in einem dunklen Raum dar. Sein Kopf ist hell beleuchtet, als ob von links oben ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet ist. Aus seinem Mantel
ragt ein glänzender Gegenstand, der nur noch einige Strahlen abbekommt. Es ist der
Griff eines Schwerts. Im grün-grauen Hintergrund hat Rembrandt überall winzig
kleine hellgelbe und rosa Punkte und Striche angebracht. Auch in seinen anderen
Werken gestaltete er den Hintergrund oft mit Hilfe solcher Farbflecke lebendiger.
Schicht für Schicht
Rembrandt hat dieses Bild Schicht für Schicht auf einem dunklen Hintergrund aufgebaut. In den dunklen Teilen wie der Jacke oder den Schattenpartien im Gesicht ist
die Farbe sehr dünn aufgetragen. Wo das Licht direkt einfällt, ist die Farbe dick und
locker. Die Art und Weise, wie er den Turban malte, ist typisch für Rembrandts
Arbeitsweise. Er „modellierte“ die Falten im Turban mit Farbe. Mit einem harten
Pinsel strich er die zähflüssige Farbe von links nach rechts aus.
Quelle: Het Rijksmuseum Amsterdam
Weitere Quelle für Bilder: http://www.wga.hu/index1.html
Texte und Bilder aus http://www.holland.com/rembrandt400/
August 2006 Blumenthal
gedruckte Ausgabe
vom
Ressort: Kultur
Maler ohne Maske
Heute vor 400 Jahren wurde Rembrandt geboren. Über seine Bilder rätselt man bis heute
Von Christina Tilmann
Ein weiter, dunkler Mantel, eine helle Kappe, das Haar silberlockig, in den Händen, wie so oft, ein Buch. Das ganze Gesicht ein Zeichen milden
Zweifels: Die Augenbrauen hochgezogen, der Mund zusammengepresst, der Blick müde, aber forschend. Das Gegenüber wird gemessen – und für
zu klein befunden.
Allein: Das Gegenüber ist er selbst, auf diesem späten Selbstporträt. Ein Gegenüber, dem Rembrandt van Rijn immer und immer wieder ins Gesicht
geblickt hat, und immer gleich kritisch. Sein Landsmann, der Schriftsteller Cees Nooteboom, stellt in einem „Zeit“-Essay Überlegungen über die Natur
des Selbstporträts an: „Ich weiß genauso gut wie jeder, der dies liest, was ein Selbstporträt ist. Allerdings war mir, so blödsinnig sich das auch
anhört, die volle Tragweite dessen, was das bedeutet, nie richtig bewusst geworden. Ein Maler malt sich selbst, aber wie macht er das? Die Vorstellung hat etwas Unheimliches. Die ganze Zeit muss er sich ansehen, bis auf der Leinwand vor ihm ein aus Farbe bestehender Doppelgänger entstanden ist, der er nicht nur ist, sondern dem er zugleich noch etwas hinzufügt, nämlich das, was er von sich denkt.“
Was hat er von sich selbst gedacht? Nicht viel, so scheint’s: Schonungslos ehrlich, entlarvend offen sind seine Bilder. Das Bild von 1661 aus dem
Amsterdamer Rijksmuseum ist dabei nicht einmal das drastischste. Nicht eines jener Spätwerke, auf denen Rembrandt mit Knollennase und senilem
Grinsen mehr einem verwahrlosten alten Weib als einem verdienten Künstlerstar gleicht. Auch keins der hochfahrenden, eitlen Selbstdarstellungen der
früheren Jahre, in prächtigen orientalischen Kostümen, fetten goldnen Ehrenketten, mit einem Samtbarett auf dem Kopf und in der Pose eines
venezianischen Edelmanns. Und auch keins der ganz frühen Selbsterforschungen, mit Augen, die schwarz und unergründlich ins Leere blicken,
schwarze Löcher, die alle Energie aufzusaugen scheinen.
Nein: 1661 stellt sich Rembrandt als Apostel Paulus dar. Ein Rollenspiel, wie er sie liebte – und doch mehr. Gary Schwartz, einer der großen
Rembrandtforscher, der gerade das Standardwerk zum Jubiläumsjahr vorgelegt hat (Das Rembrandt-Buch. Leben und Werk eines Genies, C. H.
Beck, München 2006, 352 Seiten, 560 Abb., 68 €), bezieht sich speziell auf dieses Bild und liest die Rolle des Apostel Paulus als Rembrandts
Fähigkeit, sich allen anzuverwandeln. „Denn wiewohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht. Den
Juden bin ich geworden wie ein Jude, den Schwachen ein Schwacher“, zitiert er aus dem ersten Korinther-Brief des Apostels.
Rembrandt als Opportunist also, einer, der den Reichen und Mächtigen in Amsterdam den kultivierten Edelmann gibt, den Bauern einen Bauern, den
Juden einen Juden, den Bettlern einen Bettler, und den Intellektuellen einen gebildeten, literarisch und historisch interessierten Sammler. Ein Chamäleon, in dem jede Zeit sich selbst wiedererkennen kann: „Im religiösen Zeitalter war er der große religiöse Maler, eine andere Epoche entdeckte in ihm
einen tiefsinnigen Psychologen, wieder eine andere den Dichter und nochmals eine andere einen meisterhaften Handwerker. Dies beweist, dass die
Leute den Bildern mehr geben, als sie nehmen“, hat Marcel Duchamp gesagt. Das setzt sich bis heute fort. Der literarische Provokateur Jean Genet
feierte den ungehobelten Bauer Rembrandt, unter dessen prächtiger Kleidung der ungewaschene Körper stinkt. Und der Filmregisseur Peter Greenaway, der an einem eigenen Rembrandt-Film für 2007 arbeitet und derzeit Rembrandts berühmtestes Bild, die „Nachtwache“, im Rijksmuseum mit
einer Lichtinstallation als theatralische Show über Mord, Totschlag und Intrige inszeniert, sieht in dem Maler einen Theatermann, einen Regisseur, ja
eigentlich den ersten Cineasten.
Wahr ist: Aufsteigerelemente finden sich zuhauf in Rembrandts Biografie, in dieser so oft erzählten Mär vom Müllerssohn aus Leiden, der in Amsterdam zu einem der Reichsten seiner Zeit aufsteigt und dann im Alter tragisch alles verliert, Geld, Ansehen, Liebe, Familie. Das ganze Drama dieses
Lebens, mit seinen Höhen und Tiefen, seiner Angepasstheit und dem lebenslangen Außenseitertum, reizt auch zum 400. Geburtstag immer noch die
Geister. Weil man in dem Autodidakten, der quasi aus dem Nichts die für Jahrhunderte wirksamste Künstlerfigur schafft, die Selbsterfindung des
modernen Menschen zu erkennen meint – ähnlich wie bei Goya, ähnlich wie bei Caravaggio, um nur zwei derzeit besonders beliebte KünstlerAußenseiter zu nennen.
Nicht verwunderlich daher, dass das Pendel in diesem Jubiläumsjahr wieder zurückschlägt, hin zum Biografischen, Persönlichen, weg von Technik
und Kennerschaft. Rembrandts Mutter stand im Zentrum der ersten Ausstellung des Rembrandt-Jahrs in Leiden; in Kassel entdeckt man in „Rembrandts Landschaften“ den Spiegel seiner Seele; ein Musical bebildert Rembrandts Beziehung zu Frauen; und in der Berliner Gemäldegalerie wird man
ab dem 4. August vor allem das Spätwerk, das Genie in der Krise würdigen. Vorbei die Zeiten, als, ausgelöst durch den Schock der Abschreibung
des „Mannes mit dem Goldhelm“, der Streit vor allem über die Eigenhändigkeit der Bilder ging. „Rembrandt hat 700 Bilder gemalt, von denen 3000
erhalten sind“, hatte schon der Berliner Museumsgeneral Wilhelm von Bode gewitzelt.
Vor allem das in Amsterdam angesiedelte „Rembrandt Research Project“ hatte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Bilderstürmer betätigt
und viele lieb gewonnene Rembrandts als nicht authentisch abgeschrieben. Nun sieht man die Dinge milder. Im vierten Band des Werkverzeichnisses,
den Projektleiter Ernst van de Wetering gerade vorgelegt hat und in dem es um die Selbstporträts geht (Springer Verlag, 1000 Euro), wird zurückgerudert. „Die in diesem Band und in den bislang veröffentlichten Bänden I–III ausgedrückten Meinungen sollten als Meinungen verstanden werden, die
ausschließlich für den akademischen Gebrauch gedacht sind“, heißt es im Vorwort. Aufgegeben wurde die strenge Chronologie, abgeschwächt auch
die Hierarchisierung in A (eigenhändig), B (zweifelhaft), C (ausgeschieden). In den Vordergrund der Rembrandt-Forschung schieben sich Untersuchungen zu Markt und Gesellschaft, Kleidung, Theater, Politik. Man kennt die Werkstatt inzwischen besser, feiert einzelne Schüler wie Carel Fabricius
oder Ferdinand Bol – und bemerkt erstaunt, dass all dieses Wissen über Rembrandts Werkstatt dem Œuvre nicht geschadet hat.
Ein Chamäleon-Künstler, der alle Wünsche bedient und dennoch in jedem Werk etwas Eigenes, Unverwechselbares schafft – das ist das eigentliche
Rätsel Rembrandts. Gelöst hat es bis heute keiner.