Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669
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Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669
Rembrandt Harmensz. van Rijn 1606-1669 Am 15. Juli 1606 wurde Rembrandt Harmenszoon van Rijn in der Weddegasse Nr. 3 in Leiden geboren. Diese Gasse lag an den Stadtmauern mit Blick über den Rhein. Rembrandt stammt aus einer Familie von Kornmüllern. Auf den Wällen innerhalb der Stadtmauern und nah am Rhein gelegen stand die Mühle der Familie Van Rijn. Zahlreiche niederländische Mühlen aus der Zeit Rembrandts sind heute noch in Kinderdijk zu sehen. Diese Gebiet gehört zum Weltkulturerbe. Die Lateinschule Müllerfamilien verdienten in dieser Zeit gutes Geld. Rembrandts Eltern waren der Meinung, dass ihr jüngster Sohn eine gute Ausbildung bekommen müsse. Darum schickten sie den kleinen Rembrandt zur Lateinschule in der Lokhorststraat. Während des Unterrichts wurde nur Lateinisch gesprochen, und auch alle Prüfungen mussten in lateinischer Sprache abgelegt werden. Passion für das Malen An seinem 14. Geburtstag wurde Rembrandt an der Leidener Universität eingeschrieben. Eine Einschreibung in so jungem Alter war in Leiden ganz normal, auch wenn Studenten meist erst mit 17 Jahren das Studium aufnahmen. Dank seiner Einschreibung brauchte Rembrandt nicht zur Bürgerwehr, dem Militär zu damaliger Zeit, und bekam steuerfrei Bier und Wein. Letztendlich besuchte er kein einziges Seminar an der Universität. Seine Passion für das Malen erwies sich als zu groß. Rembrandt in der Lehre Rembrandt musste seinen Vater erst davon überzeugen, dass ein Studium nichts für ihn war, und dass er lieber Maler werden wollte. Historienmaler um genau zu sein – damals die bedeutendste Form der Malkunst. Rembrandts Vater erlaubte ihm 1621, beim Leidener Meistermaler Jacob van Swanenburgh (1571 – 1631) in die Lehre zu gehen. Van Swanenburgh war selber Historienmaler und recht bekannt, da er in Italien studiert hatte. In seinem Atelier an der Langebrug 89 unternahm Rembrandt die ersten Schritte in der Malerei. Der Einfluss von Pieter Lastman Nach drei Jahren harter Arbeit in Leiden durfte Rembrandt seine Studien bei Pieter Lastman (1583 – 1633) fortsetzen. 1624 zog Rembrandt in Lastmans Atelier an der Sint-Anthonisbreestraat in Amsterdam. Lastman, der auch in Italien studiert hatte, malte biblische, mythologische und historische Szenen. Obwohl Rembrandt nur sechs Monate bei Lastman lernte, war dessen Einfluss auf Rembrandts Werk groß. Die ist vor allem im Aufbau der Kompositionen zu erkennen. Rembrandt und Lievens Nach dieser lehrreichen Zeit in Amsterdam zog Rembrandt um 1625 wieder zu seinen Eltern auf den Leidener Weddesteeg. Hier eröffnete er ein kleines, selbstständiges Atelier, das er mit seinem guten Freund Jan Lievens (1607 – 1674) teilte. In diesem Atelier fertigte Rembrandt seine ersten Historienmalereien an. Vom Schüler zum Lehrmeister Die beiden jungen, eigensinnigen Maler wurden schnell bekannt. Constantijn Huygens (1596 – 1687), der Sekretär des Prinzen von Oranien, bewunderte ihr Werk. Das brachte dem Duo 1628 den ersten Auftrag vom Hof des Statthalters in Den Haag ein. Im Februar desselben Jahres bekam Rembrandt seinen ersten Schüler, Gerard Dou (1613 – 1675), und wurde auch Lehrmeister von Isack Jouderville (1612 – 1645/48). Dou und Jouderville blieben beide bis 1631 bei Rembrandt in der Lehre. das Doppelte vom ursprünglich vereinbarten Preis. Damit ruinierte er sich seinen guten Ruf. Auch durch seine Sammelleidenschaft – er kaufte viele Kunstwerke, feine Anzüge und Kuriositäten – und das zu teure Haus geriet Rembrandt in finanzielle Probleme. Letztendlich wurde er 1656 für bankrott erklärt. Rembrandts Haus und seine Sammlung wurden öffentlich versteigert - ohne, dass von dem Ertrag seine Schulden getilgt werden konnten. Tragisches Lebensende 1660 zog Rembrandt mit Hendrickje, Titus und Cornelia in ein kleineres Haus an der Rozengracht. Rembrandt arbeitete für einen Kunsthandel, den Hendrickje Stoffels und sein Sohn Titus aufgebaut hatten. Auf diese Art und Weise konnte Rembrandt dem Zugriff seiner Gläubiger entgehen. Eine Pestepidemie forderte im Jahr 1663 das Leben von Hendrickje und fünf Jahre später das von Titus. Am 4. Oktober 1669 starb Rembrandt. Vier Tage später wurde er in einem unbekannten Mietgrab der Westerkerk begraben. Rembrandts Maltechnik Clair-obscur Rembrandt begann sehr früh, mit Licht- und Schattenkontrasten zu arbeiten: helles Licht und dunkle Schatten. Eine so starke Hell-Dunkel-Technik wird Clair-obscur genannt. Clair-obscur (französisch) und Chiaroscuro (italienisch) bedeuten hell-dunkel. Obwohl dieser Effekt schon früher eingesetzt wurde, ist dieser Ausdruck erst seit Ende des 16. Jahrhunderts bekannt. Der Ursprung des Wortes stammt aus Italien. Der Maler Caravaggio (1573 – 1610) machte den Chiaroscuro-Effekt zu seinem Markenzeichen. Er war ein Meister im Malen von düsteren Szenen, die durch einen hellen Lichtstrahl durchbohrt werden. Auch Rembrandt wandte diese Technik an, um bestimmte Figuren oder Szenen in seinen Gemälden hervorzuheben. Kratzer in nasser Farbe Eine andere Technik, die Rembrandt anwandte, war das Kratzen in noch nasser Farbe. So kam die helle Farbe des Untergrundes zum Vorschein. Er nutzte diese Technik z.B. um Haarwuchs oder –farbe darzustellen. Weißhöhungen Lichtpunkte konnte Rembrandt mit so genannten Weißhöhungen darstellen. Eine Weißhöhung ist in diesem Fall eine kleine Menge heller Farbe oder weißer Kreide auf dunklem Untergrund. Meistens wird eine solche Weißhöhung angewandt, um eine Bildtiefe zu suggerieren, sie kann aber auch Glanz oder Lichteinfall imitieren. Die Farbe, die für solche Weißhöhungen genutzt wird, ist in der Regel bleiweiß. Kontraste Während Rembrandt in seiner Anfangszeit als Künstler noch sehr fein zu Werke ging, malte er ab 1650 auf die „grobe Art und Weise“, wie man es im 17. Jahrhundert nannte. Die Farbschichten wurden immer dicker und großflächiger angebracht. Er wandte in seinen Werken unterschiedlichste Maltechniken an: Grobe Flächen wechselten sich ab mit feinen Linien, dicke Farbschichten mit leichten Pinselstrichen. Gesichter und Hände wurden zum Beispiel sehr glatt gemalt, während Kleidung mit dicken Klecksen auf die Leinwand gebracht wurde. So verlieh Rembrandt seinen Gemälden Tiefe. Diese Art des Malens ist kennzeichnend für Rembrandts spätes Werk. Nach Amsterdam Rembrandts Ruhm wuchs weiter. Immer öfter erhielt er Aufträge aus Amsterdam. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Porträtaufträge, die er über den Amsterdamer Kunsthändler Hendrick Uylenburgh (1587 – 1661) bekam. 1631 beschloss Rembrandt, seine Geburtsstadt zu verlassen, um definitiv in Amsterdam zu leben.1631 fand es Rembrandt an der Zeit, seinen Arbeitsplatz zu verlegen. Er verließ Leiden und ließ sich als junger Meister in Amsterdam nieder. Rembrandt zog bei Hendrick Uylenburgh (1587 – 1661) ein, einem Kunsthändler, der für wichtige Porträtaufträge sorgte. Anwendung von Farben Wie sein Lehrmeister Pieter Lastman nutzte Rembrandt in seinem frühen Werk sehr helle Farben. Um 1630 wurde die Farbwahl sanfter, mit einer deutlichen Vorliebe für Violett, Bronzegrün und gedecktes Gelb. In seiner letzten Schaffensphase wurde die Farbe seiner Bilder tiefer und reicher. Er bevorzugte nun die Farben Tiefrot, Braun und Goldgelb. Vornehmes Wohnen und Leben 1634 heiratete Rembrandt Hendricks Nichte Saskia Uylenburgh (1612 – 1642). Sie war reich und hatte gute Kontakte in die höheren sozialen Schichten. Rembrandt und Saskia zogen zusammen in ein Haus in der Nieuwe Doelenstraat an der BinnenAmstel. 1639 kaufte Rembrandt für 13.000 Gulden ein vornehmes Haus in der Sint-Anthonisbreestraat (heute das Museum Het Rembrandthuis). Ein stattlicher Betrag für den Künstler, den er in Raten abbezahlen konnte. Finanziell ging es Rembrandt weiterhin gut. Für die Anfertigung der Nachtwache beispielsweise sollte er insgesamt 1.600 Gulden erhalten. Neben einem umfangreichen Oeuvre von Gemälden und Zeichnungen fertigte Rembrandt van Rijn etwa 290 Kupferstiche an. Vor allem durch sein grafisches Werk, das wegen seiner Reproduzierbarkeit eine große Verbreitung fand, war Rembrandt bereits zu Lebzeiten europaweit bekannt. Rembrandts ungezwungene Linienführung, das einzigartige tiefe Schwarz in vielen seiner Kupferstiche und seine meisterliche Anwendung der Technik mit der trockenen Nadel waren schon damals beliebt. Sein Werk war unter Kupferstichsammlern sehr begehrt. Die Frauen Rembrandts Rembrandt und Saskia bekamen vier Kinder. Die ersten drei starben jedoch kurz nach ihrer Geburt. Nur Titus (1641 – 1668) blieb am Leben. 1642, als Titus gerade neun Monate alt war, starb Saskia. Nach dem Tod Saskias wurde Geertje Dircx (1600/10 – 1656) als Kindermädchen für Titus angestellt. Rembrandt fing ein Verhältnis mit ihr an, was seinem gesellschaftlichen Ruf nicht gut tat. Im Juni 1646 gingen Geertje und Rembrandt im Streit auseinander. Grund für den Streit war seine Liebe zur 22 Jahre jüngeren Haushälterin Hendrickje Stoffels. Wegen Bruchs des Eheversprechens erhob Geertje gegen Rembrandt Anklage beim „Rat für eheliche Angelegenheiten“. Rembrandt wurde verurteilt, jährlich Alimente in Höhe von 200 Gulden zahlen. Nun zeigte er sich von seiner schlechtesten Seite - und sorgte dafür, dass Geertje auf seine Kosten in eine Anstalt aufgenommen wurde. 1654 schenkte Hendrickje Stoffels ihm eine Tochter, Cornelia. Dies bedeutete ihren endgültigen Ausschluss aus der Kirche, da sie „in Hurerei mit dem Maler Rembrandt“ gelebt hatte. Eine Heirat hätte diese kirchliche Sünde ungeschehen machen können, aber Rembrandt heiratete sie nicht. Der Bankrott Trotzt der vielen Aufträge, dem gut laufenden Verkauf von Kupferstichen und dem Geld, das er für die Ausbildung der Schüler erhielt, brachen für Rembrandt schwierige Zeiten an. Durch seinen eigensinnigen Lebenswandel und seine eigenwillige Arbeitsweise verlor er die Gunst des Bürgertums. Rembrandt hielt sich oft nicht an Preisabsprachen, verlangte manchmal sogar Rembrandts Grafik Radieren und Gravieren mit der trockenen Nadel Radieren und Gravieren mit der trockenen Nadel waren zwei grafische Techniken, die sich im 15. Jahrhundert in Europa entwickelten. Radierungen sind auf Papier gedruckte Kupferstiche. Die Darstellung wird erst in eine Metallplatte geritzt und dann gedruckt. Rembrandt nutzte am liebsten dünne, rotkupferne Platten. Kupferstechen Die Technik des Kupferstechens verläuft in mehreren Stadien: Erst wird die Platte mit einer Grundierung aus Wachs, Harz uns Asphalt versehen. In diese Grundierung ritzt der Künstler mit einer Nadel die Darstellung. Jede Linie entfernt die Grundierung und legt das bloße Metall frei. Wenn die Darstellung fertig ist, kommt die Platte in ein aggressives Säurebad. Die Grundierung ist gegen diese Säure resistent. An den Stellen, an denen das Metall frei liegt, frisst die Säure etwas vom Metall weg. Je länger die Platte in der Säure bleibt, desto tiefer fressen sich die Linien ins Metall. Die Platte wird aus dem Säurebad geholt, die Grundierung entfernt. Dann schmiert der Künstler die Platte mit Druckertinte ein. die Platte wird dann so weit wieder gesäubert, bis nur noch in den eingefressenen Ritzen Tinte ist. Jetzt kann ein Abdruck gemacht werden. Dafür wird die Platte mit einem Bogen Papier durch eine Druckerpresse geschoben. Die Tinte aus den Ritzen wird auf das Papier gepresst. Die Darstellung kommt spiegelbildlich auf das Papier. Dieser Abdruck ist dann der erste Abzug. Wenn im Nachhinein etwas an der Kupferplatte verändert wird, wenn zum Beispiel neue Linien hinzugefügt werden, sprechen wir beim folgenden Druck vom zweiten Abzug und so weiter. Von den meisten Radierungen Rembrandts gibt es mehrere Abzüge. Noch nicht einmal 25 Jahre alt ist Rembrandt auf diesem Selbstporträt. Er schaut erschreckt, mit gerunzelter Stirn und gespitzten Lippen, als ob er durch etwas Unangenehmes gestört würde. Der Druck ist klein und der Ausschnitt des Gesichts knapp. Rembrandts Kappe liegt teilweise außerhalb des Bildes, und seine Kleidung ist nur grob skizziert; dunkle Schatten sorgen für starke Kontraste. Dies alles vermittelt Rembrandts Selbstporträt eine große Ausdrucksstärke. Sein beklemmender Blick fordert bedingungslose Aufmerksamkeit. Gravur mit der trockenen Nadel Wenn Rembrandt Veränderungen in seinen Bildern anbrachte, tat er das oft nicht mit Säure, sondern mit einer schweren Nadel, mit der er direkt in das Kupfer kratzte. Mit dieser Technik entstanden tiefschwarze, samtene Linien, verursacht durch den Grat. Das ist ein ungleichmäßiger Metallrand, der sich an den eingekratzten Linien empor rollt. Rembrandt arbeitete auch mit dem Geißfuß, dem Werkzeug der Graveure. Der Geißfuß hat eine V-förmige Spitze, mit der straffe Linien aus dem Metall gestochen werden. Durch die Kombination dieser Techniken erreichte Rembrandt eine unerreichte Vielseitigkeit und erstaunlich Nuancen. Themen Landschaften Obwohl Rembrandt oft in die Natur hinausging, um zu zeichnen und zu malen, hat er nur wenige Landschaften gemalt. Meist waren es bergige Phantasielandschaften im Stil von Hercules Segers. Rembrandt wurde durch Segers beeinflusst und besaß selber acht Werke von ihm. Rembrandts Landschaften wirken vor allem durch den Lichteinfall dramatisch. Seine besondere Helldunkeltechnik (Clair-obscur), die ergreifende Bewegtheit der Darstellungen und die expressive Kraft von Natur und Wetter: bedrohliche Wolkentürme und vom Sturm umgestürzte Bäume. In dieser Zeit spielte die Natur auch in seinen Kupferstichen eine Rolle. Ab 1640 machten die düsteren Kräfte der Natur Platz für ruhige holländische Landmotive. Religion 1624 tauschte Rembrandt für ein halbes Jahr die Leidener Weddegasse gegen das Atelier von Pieter Lastman an der SintAnthonisbreestraat in Amsterdam. Lastman, der in Italien studiert hatte und selber Maler biblischer, mythologischer und historischer Szenen war, hatte großen Einfluss auf Rembrandts Werk. Vor allem an der Bildkomposition lässt sich das gut nachvollziehen. Er zeigte Rembrandt, wie ihm Religion und Geschichte als Inspiration für sein Werk dienen konnten. Nach dieser lehrreichen Zeit kehrte Rembrandt etwa 1625 zurück nach Leiden. Hier eröffnete er ein kleines, selbstständiges Atelier, das er mit dem Maler und Freund Jan Lievens teilte. Der Einfluss Lastmans ist während seiner Zeit in Leiden (1625 – 1631) am deutlichsten zu erkennen. Religiöse und symbolische Themen überwogen, und die Bilder waren klein aber sehr detailliert (zum Beispiel bei Kleidung und Juwelen). 1633 erhielt er von Statthalter Frederik Hendrik den Auftrag für die Anfertigung einer Reihe von Passionsszenen. Etwa ab 1640 wurde Rembrandts Stil wieder schlichter, wahrscheinlich durch die dramatischen Geschehnisse in seinem Leben. Wurde er zunächst durch das Alte Testament inspiriert, so basierten seine biblischen Szenen nun vor allem auf dem Neue Testament. Historienstücke In Rembrandts Leidener Atelier entstanden seine ersten Historienstücke. Der Künstler wählte dafür jeweils einen originellen und entscheidenden Moment aus der Geschichte. In seinen Historienstücken spielten reich verzierte Kostüme eine wichtige Rolle. Mit den dramatischen Kompositionen wollte er es wahrscheinlich dem berühmten flämischen Barockmaler Rubens gleichtun. Als Historienmaler genoss man im 17. Jahrhundert höchstes Ansehen. Diese Kunst hatte das Ziel, die Geschichten aus der Bibel, der Antike oder zeitgenössische historische Ereignisse, abzubilden. Es war sehr wichtig, dass der Maler die Geschichte gut kannte und menschliche Figuren und Emotionen gut darstellen konnte. Das heißt, dass er nicht nur handwerklich begabt sein musste, sondern auch intellektuell. Als Maler von Historienstücken erntete Rembrandt großen Erfolg. Grimassen Rembrandt porträtierte sich selbst ungefähr achtzig Mal in Bildern, Radierungen und Zeichnungen. Einige Selbstporträts wurden bei ihm in Auftrag gegeben, doch die meisten machte er für sich selbst als Studienmaterial. Viele dieser Selbstporträts sind Studien von Gemütszuständen: Überraschung, Freude oder Kummer. Vor dem Spiegel zog er allerlei komische Grimassen, die er dann nachzeichnete. Manchmal bildete er sich selbst als jemand anderes ab: als ein Edelmann oder eine biblische Figur, zum Beispiel als Apostel Paulus. Die erforderlichen Kostüme schaffte er sich oft selber an. Viele Mitglieder seiner engeren Familie sind häufig in seinen Bildern vertreten. Wahrscheinlich fungierten sie als Modelle für biblische oder historische Figuren. In seinen letzten Jahren malte Rembrandt einige seiner schönsten Selbstporträts, in denen deutlich seine Sorgen und sein Verdruss zu erkennen sind. Einige wichtige Werke Historienstück 1626 Ölfarbe auf Holz Stedelijk Museum De Lakenhal In diesem Jugendwerk weisen zahlreiche Aspekte noch auf den Einfluss seines Lehrmeisters Lastman hin: die pyramidale Komposition, die pathetischen Gebärden der Personen, die Aufteilung in einen bunten Vordergrund und einen monochromen Hintergrund. Auffällig ist Rembrands experimentelle Malerei. So kombinierte er glatt gemalte Harnasteile mit in lockerem Pinselstrich gemalten Stoffen. Einen besonderen Effekt erzielte er in der Haarpartie einiger Personen, indem er mit der Rückseite seines Pinsels in die nasse Farbe kratzte. Thema des Bildes ist sicherlich der Großmut eines Fürsten, der komplett mit Zepter und Kaiserkrone in der Mitte links steht. Die Kombination aus den Kostümen des 16. Jahrhunderts mit der Kleidung aus dem 17. Jahrhundert des Mannes in der Mitte, das zeitgenössische Kriegsmaterial und die klassischen Ruinen lassen ungewiss, ob es sich um ein Thema aus dem Altertum oder aus Rembrandts eigener Zeit handelt. Hinter dem Zepter des Fürsten malte Rembrandt selbstbewusst ein jugendliches Selbstportrait. Quelle: Stedelijk Museum De Lakenhal, Leiden Selbstporträt mit erstauntem Blick 1630 Kupferstich Museum Het Rembrandthuis Die Anatomiestunde des Dr. Nicolaes Tulp 1632 Öl auf Leinwand Het Mauritshuis Studien Mit diesen frühen Selbstporträts übte sich Rembrandt in der Darstellung von Gesichtsausdrücken. Er schnitt vor dem Spiegel allerlei Grimassen. Das Ergebnis legte er als Kupferstich fest. So lernte er Stimmungen und Emotionen darzustellen. Auch studierte er in diesen Radierungen den Lichteinfall in seinem Gesicht. Das Wissen, das er hierdurch erwarb, nutzte er für Figuren in größeren Kompositionen. Quelle: Museum Het Rembrandthuis / Het Rijksmuseum Amsterdam Rembrandt malte dieses Gruppenporträt von sieben Chirurgen und dem Mediziner Nicolaes Tulp 1632. Das Bild entstammt einer ganzen Reihe von Gruppenporträts, die von verschiedenen Künstlern für das Verwaltungszimmer der Chirurgengilde angefertigt wurden, und von denen das älteste aus dem Jahr 1603 stammt. Ein solches Anatomiestück hat ein zentrales Motiv, die Anatomiestunde, und einen Hauptdarsteller, den Praelector oder „Vorleser“. Vorbild für das Entstehen dieses Bildes war die Anatomiestunde, die Tulp im Januar 1632 gab. Zwei mal pro Woche gab ein bedeutender Mediziner den Amsterdamer Chirurgen Theorieunterricht. Teil dieser Fortbildung war die Teilnahme an einer Praxisstunde im anatomischen Theater, um mehr Einsichten in die menschliche Anatomie zu erlangen. Jedes Jahr konnte dort eine öffentliche Sezierung stattfinden, meist im Winter, weil die Leiche sonst zu sehr stank. Die Sezierung wurde dann unter Führung des Praelators vorgenommen. Das tat er nicht jedes Jahr, aber 1631 führte Tulp, der drei Jahre zuvor „Vorleser“ bei der Chirurgengilde geworden war, seine erste Leichensezierung durch. 1632 folgte die zweite. Diese Sezierung diente Rembrandt als Vorbild für besagtes Porträt. Die künstlerischen Leistungen des noch jungen Malers sind erstaunlich, zumal er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht all zu viele Porträts gemalt hatte. Es scheint, als hätte Rembrandt die Gruppe in einem bestimmten Moment festgehalten. Das Bild ist allerdings eine sorgfältige Komposition, über die Rembrandt gut nachgedacht hat. Die Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich sofort auf die Aktivität Tulps, der demonstriert, wie die Muskeln im Arm verlaufen. Dazu wurde der Arm der Leiche aufgeschnitten. Der Leichnam war im Normalfall der eines hingerichteten Verbrechers. In diesem Fall war es Adriaen van Kint. Die Namen der Vorgestellten stehen auf dem Papier, das der hinterste Mann hochhält. Dieses Gemälde war Rembrandts erstes Gruppenporträt. Es war eine Ehre, als so junger Künstler einen solchen Auftrag zu erhalten. Die Auftraggeber waren offenbar mit dem Werk zufrieden, denn der nächste Auftrag für ein Anatomiestück im Jahr 1656 ging wieder an Rembrandt. Derartige Bilder waren – und blieben – Eigentum der Gilde, der die Auftraggeber angehörten. Das Werk hing seit seiner Entstehung im Gebäude der Stadtwaage am Neumarkt, nicht weit von Rembrandts eigenem Haus entfernt. Auch der Sezierplatz befand sich in der Stadtwaage. „Die Anatomiestunde des Nicolaes Tulp“ blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein in Amsterdam. Nachdem die Chirurgengilde 1798 aufgelöst worden war, gerieten die Gemälde in den Besitz des Chirurgenwitwenfonds. Die Verwaltung dieses Fonds beschloss 1828, das Bild Rembrandts zu verkaufen. Der geplante öffentliche Verkauf wurde jedoch per Königlichem Beschluss verboten. Das Bild wurde nun vom Reich angekauft. Seitdem befindet sich das Gemälde in der Kollektion des Mauritshuis. Quelle: Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam Rembrandt malte die „Minerva“ in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts. Er wohnte und arbeitete als selbstständiger Maler in Amsterdam und begann mit einer Serie imposanter Gemälde, die letztendlich in seinem Meisterwerk mündeten: die Nachtwache (Rijksmuseum Amsterdam). Die Nachtwache, das berühmteste Gemälde des Rijksmuseums, hat eigentlich den Titel: Die Kompanie von Frans Banning Cocq. Das Gemälde ist ein Schützenstück: das Gruppenporträt einer Abteilung der Bürgerwehr. Auf der großen Leinwand wird die prächtig gekleidete römische Göttin Minerva abgebildet (oder Athene in der griechischen Mythologie). Sie sitzt an einem Tisch, umringt von ihren Attributen. Der Speer, der Schild und der Helm symbolisieren, dass sie die Kriegsgöttin ist, während die Bücher auf ihre Rolle als Göttin der Weisheit und der Künste verweisen. Das Thema Minerva ist kaum vertreten in der Kunst des Goldenen Jahrhunderts. Die meisten Werke, die dieses Motiv behandeln, werden Rembrandt und seiner Schule zugeschrieben. Das Gemälde wurde restauriert. Während der Restauration zeigte sich die Oberfläche des Bildes in beinahe perfektem Zustand. Minerva 1635 Öl auf Leinwand Museum Het Rembrandthuis Leihgabe der Galerie Otto Naumann, New York „Minerva“ ist eine Leihgabe für das Museum Het Rembrandthuis für die Ausstellung „Rembrandt – Suche eines Genies“, die ab dem 1. April 2006 in dem Museum zu sehen ist. Quelle: Museum Het Rembrandthuis Dunkle Wolken ziehen sich über einem Fluss zusammen. Ein heller Blitz erleuchtet die Landschaft. Unter der bedrohlichen Wolkendecke suchen einige unscheinbare Figuren ihren Weg. Links steigen Menschen von einem Wagen herab, um Schutz zu suchen, im Vordergrund wird ein kleines Boot an Land gezogen. Links der Brücke plagt sich ein Mann weiter ab, trotzt dem drohenden Unwetter. Das Licht bescheint seinen gekrümmten Rücken. Obwohl Rembrandt oft in die Natur hinaus ging um zu zeichnen, hat er nur wenige Landschaften gemalt. Meist malte er dann bergige Phantasielandschaften im Stil von Hercules Segers. Diese dramatische holländische Landschaft mit starkem Clair-obscur-Effekt ist einzigartig in seinem Oeuvre. Landschaft mit Steinbrücke um 1638 Ölfarbe auf Tafel Rijksmuseum Amsterdam Wo und wann? Obwohl die Landschaft sehr niederländisch erscheint, entspringt sie wahrscheinlich doch eher Rembrandts Phantasie als der Wirklichkeit. Zu Rembrandts Zeiten jedenfalls waren in der Umgebung Amsterdams keine Steinbrücken wie diese zu finden. Wahrscheinlich ließ sich Rembrandt durch einen Kupferstich von Jan van de Velde inspirieren, auf dem exakt dieselbe steinerne Brücke zu sehen ist. Da Rembrandt so wenige Landschaften malte, war es schwierig, dieses Bild genau zu datieren. Untersuchungen zeigten, dass der Baum, aus dem die Tafel angefertigt war, frühestens 1635 geschlagen wurde. Darum wird das Bild Ende der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts eingeordnet. Moral? Es ist möglich, dass Rembrandt mit seinem Bild den so genannten „Pilgerzug des Lebens“ darstellen wollte. Die gemalten Figuren sollen dann verschiedene Lebenshaltungen verbildlichen: die Menschen, die bei der Herberge aussteigen, wählen ein bequemes Leben, die Passagiere des Bootes treiben ziellos umher, und nur das eine kleine Männlein hält am „rechten Weg“ fest. Obwohl diese Doppeldeutigkeit im 17. Jahrhundert nicht unüblich war, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob Rembrandt mit diesem Bild wirklich solche ernsten Vorstellungen ausdrücken wollte. Quelle: Het Rijksmuseum Amsterdam Die Schützenkompanie von Kapitän Frans Banning Cocq. Frans Banning Cocq gibt seinem Leutnant den Befehl zum Abmarsch der Bürgerkompanie. 1642 Ölfarbe auf Leinwand Het Rijksmuseum Amsterdam Momentaufnahme Rembrandt stellte die Gruppe der Schützen auf sehr ungewöhnliche Art und Weise dar. Auf Rembrandts „Nachtwache“ posieren die Schützen nicht, sondern unterhalten sich und hantieren mit ihren Waffen. Ebenfalls im Aufbruch begriffen, gibt Kapitän Banning Cocq seinem Leutnant Van Ruytenburch den Befehl, die Kompanie abmarschieren zu lassen. Die Nachtwache scheint eine Momentaufnahme einer Gruppe in Bewegung zu sein, kein gestelltes Bild. Das unterscheidet die Nachtwache grundsätzlich von allen anderen Schützenstücken. Licht und Schatten Die Abwechslung von hell und dunkel verstärkt den Eindruck der Bewegung. Durch den Lichteinfall richtet Rembrandt die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Personen: den Kapitän und seinen Leutnant. Wer ist auf dem Bild zu sehen? Auf einem Schild über dem Tor stehen die Namen der 18 porträtierten Schützen. Eine Kompanie hatte mehr Mitglieder, aber nur diejenigen, die dafür bezahlten, kamen auf das Gruppenbild. Der Trommler wurde angeheuert und durfte deshalb gratis auf das Gemälde. Die übrigen Personen fügte Rembrandt hinzu, um das Bild lebendiger zu machen. Drei Personen an der linken Seite sind im 18. Jahrhundert verschwunden, es wurde ein Stück von der Leinwand abgeschnitten. Nur von wenigen ist bekannt, welcher Name zu welchem Gesicht gehört. Symbole Die Schützen auf dem Bild „Die Nachtwache“ heißen Kloveniers, nach dem Klover, einer Feuerwaffe aus dem 16. Jahrhundert. Rembrandt verarbeitete die Symbole der Kloveniers ganz natürlich: Das Mädchen im Hintergrund trägt die wichtigsten davon und ist eine Art Glücksbringer. Die Krallen des Huhns (1) an ihrem Gürtel weisen auf Clauweniers, Kloveniers, hin. Die Pistole (2) (hinter dem Huhn noch ein wenig sichtbar) steht für den Klover. In ihrer Hand hält sie das zeremonielle Trinkhorn der Kloveniers (3). Der Schütze vor ihr hat einen Helm mit Eichenblatt, ein traditionelles Kloveniersmotiv. Dass es sich hier um die Amsterdamer Kloveniers handelt, wird an einem subtilen Detail deutlich: Am Revers der Jacke des Leutnants sind die drei Kreuze des Wappens von Amsterdam zu erkennen. Darstellung der Stoffe Rembrandt war ein Meister in der Darstellung verschiedener Stoffe. Für die einzelnen Bereiche des Gemäldes wandte er sehr unterschiedliche Maltechniken an: einmal sehr genau, ein andermal mit groben Pinselstrichen; manchmal glatt und manchmal mit dicken Klecksen. Oft ordnete Rembrandt die Genauigkeit der Lebendigkeit unter. Komposition Wie sieht die Komposition der Nachtwache im Einzelnen aus? Die Architektur im Hintergrund ist nahezu symmetrisch – auch die Schützen sind mehr oder weniger symmetrisch platziert – der Kapitän und der Leutnant durchbrechen die Symmetrie: Sie stehen rechts neben der Mitte – diese Asymmetrie verleiht der Komposition die Spannung. Das Auge zieht beide Männer ein wenig nach links, in die Richtung, in die sie gehen. So wird die Bewegung verstärkt. Die Linien einer Anzahl Stabwaffen verlaufen parallel. Sie verbinden das Zentrum der Komposition mit dem Raum um das Bild herum. Fast dreidimensional Die Hand von Banning Cocq und die Partisane (Stoßwaffe) von Van Ruytenburch scheinen aus dem Bild herauszuragen. Solche dreidimensionalen Darstellungen sind sehr schwer umzusetzen. Rembrandt hat dieses Hindernis mit Bravour gemeistert. Die Hand des Kapitäns erscheint wie echt. Mit der Waffe von Van Ruytenburch hatte Rembrandt mehr Probleme. Das ist aus Röntgenaufnahmen des Bildes ersichtlich. Die Partisane war in Rembrandts erster Version viel zu groß und musste mehrere Male verbessert werden. Rembrandt malte meist ohne vorbereitende Skizze direkt auf die Leinwand. Wenn er etwas verändern wollte, tat er das während des Malens. Ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise ist sein Porträt „De Staalmeesters“(Vorsteher der Tuchmachergilde) von 1662. „Die Nachtwache“ ist einige Male umgezogen. Bis 1715 hing das Gemälde im Großen Saal des Gebäudes „Kloveniersdoelen“. Danach wurde es ins Rathaus auf dem Dam gebracht (den heutigen Palast). 1817 erhielt das Rijksmuseum Amsterdam das Gemälde. Quelle: Rijksmuseum Amsterdam Der Beiname Das Hundertguldenblatt war im 17. Jahrhundert der populärste Kupferstich Rembrandts, der hohe Preise erzielte und schon kurz nach dem Erscheinen kopiert wurde. Der Beiname stammt von einer Geschichte aus dem frühen 18. Jahrhundert, nach der sogar Rembrandt selber 100 Gulden bezahlen musste, um ein Exemplar der Radierung zu bekommen. Predigender Christus (Das Hundertguldenblatt) um 1643–49 Kupferstich, trockene Nadel, Geißfuß Museum Het Rembrandthuis Thema Das Thema dieser Radierung sind verschiedene Geschehnisse, die in Kapitel 19 des Matthäusevangeliums beschrieben werden. Um die Figur Christi gruppiert sieht man rechts vorne Kranke, die kommen um geheilt zu werden (Vers 1-2). Links stehen Mütter, die ihre Kinder zu Jesus bringen, und zwischen ihnen der reiche Jüngling, der das ewige Leben erlangen möchte. Jesus riet ihm, all seine Besitztümer zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben. Auf diese Geschichte verweist wahrscheinlich auch das Kamel rechts unter dem Tor. Denn Jesus sagte: „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kamel durch das Öhr einer Nadel passt, ist größer als die, dass ein Reicher ins Himmelreich Gottes kommt“ (Vers 24). Links hinten stehen Pharisäer, mit denen Christus in Streit geriet. Man nimmt an, dass Rembrandt in der Zeit zwischen 1643 und 1649 an dem Kupferstich arbeitete. Es bestehen verschiedene Vorstudien von verschiedenen Gruppen und bestimmten Figuren. Quelle: Museum Het Rembrandthuis Rembrandt malte dieses Selbstporträt als er 55 Jahre alt war. Links, neben seiner Schulter, schrieb er seinen Namen und das Jahr, in dem er das Bild fertig stellte: 1661. Rembrandt fertigte im Laufe seines Lebens etwa 80 Selbstporträts in Form von Bildern, Kupferstichen und Zeichnungen an. Die meisten dieser Porträts dienten als Studienmaterial für ihn selbst: um einen Gesichtsausdruck zu studieren oder Helldunkelkontraste auszuprobieren. Manchmal stand er selbst „Modell“, um jemand anderes darzustellen. Das ist bei diesem Porträt der Fall. Er stellte sich selbst als eine biblische Figur dar: als Apostel Paulus. Selbstporträt als Apostel Paulus 1661 Ölfarbe auf Leinwand Rijksmuseum Amsterdam Paulus Paulus lebte im ersten Jahrhundert nach Christus. Er wurde in Tarsus, in der heutigen Türkei, als Sohn jüdischer Eltern geboren. Mit dem Turban deutet Rembrandt seine orientalische Herkunft an. Paulus war zunächst ein fanatischer Verfolger der Christen. Durch das Eingreifen Gottes bekehrte er sich und begann den christlichen Glauben in den Ländern des Mittelmeerraums zu verkünden. Er gründete viele christliche Gemeinden, an die er ständig Briefe schrieb. Einige dieser Briefe hält er in der Hand. Auf dem obersten sind – bei genauem Hinsehen – die Buchstaben „EFESIS“ zu erkennen. Sie sind an die Gemeinde von Efeze gerichtet. Ein prächtig gekleidetes Paar in einem vagen, dunklen Raum. Liebevoll hat der Mann den Arm um die Schulter der Frau und eine Hand auf ihre Brust gelegt. Sehr vorsichtig berührt sie mit den Fingerspitzen seine Hand. Beide schauen vor sich hin, sie scheinen in Gedanken versunken. Im verschwommenen Hintergrund sind einige Formen zu erkennen: Neben der Frau ist eine Pflanze in einem Topf zu sehen, und hinter ihr etwas von einem Gebäude. Dieses Bild, Die jüdische Braut genannt, malte Rembrandt 1667. Es zählt zu den berühmtesten und rätselhaftesten Werken aus der Sammlung des Rijksmuseums. Porträt eines Paares als Figuren des Alten Testaments, „Die jüdische Braut“ genannt 1667 Ölfarbe auf Leinwand Rijksmuseum Amsterdam Jüdische Braut? Den Titel Die jüdische Braut erhielt das Werk zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom Amsterdamer Kunsthändler Van der Hoop. Er sah in diesem Bild einen jüdischen Vater, der seiner Tochter anlässlich ihrer Hochzeit eine Kette umhängt. Mittlerweile sieht niemand mehr den Mann als den Vater der Frau an. Es handelt sich hier eindeutig um ein Liebespaar, aber wer es ist, wird nicht deutlich. Die Gesichter scheinen Porträts zu sein, aber die Kleidung war für diese Zeit sehr unüblich. Möglicherweise waren es Zeitgenossen Rembrandts, die sich als biblische Figuren porträtieren ließen. Verschiedene Maltechniken Es ist faszinierend, wie Rembrandt in diesem Bild verschiedene Maltechniken anwandte. Breite Pinselstriche wechseln sich ab mit feinen Linien, dicke Kleckse mit trockenen Strichen. Gesichter und Hände sind sehr glatt gemalt, aber die Kleidung wurde mit dicken Klecksen auf die Leinwand gebracht. In den dicken Farbschichten auf dem Ärmel sind sogar Abdrücke des Spachtels zu sehen, mit dem Rembrandt die Farbe aufbrachte. So verlieh er seinen Bildern Tiefe. Diese Art des Malens ist typisch für Rembrandts spätes Werk. Restauration Bei der Restauration von Die jüdische Braut in den Jahren 1993-1994 wurde die dicke, vergilbte Firnisschicht entfernt. Mit dem schwarzen Hut des Mannes stimmte etwas nicht. Unter einer dünnen Schicht schwarzer Farbe befand sich eine rotbraune Kappe. Analysen zeigten, dass die schwarze Farbe ein Bindemittel enthielt, das erst seit 1930 benutzt wurde. Diese Farbe konnte darum nicht von Rembrandt selbst aufgetragen worden sein. Nach Entfernung des Hutes blieb eine dünne Lage schwarzer Farbe übrig, die eventuell doch aus dem 17. Jahrhundert stammen könnte. Da die wahre Geschichte um den Hut ein Rätsel blieb, beschloss man, dem Mann wieder einen neuen Hut zu geben. Das wurde so gemacht, dass das Zugefügte jederzeit wieder entfernt werden kann. Nach den heutigen Auflagen für Restaurateure muss jede Veränderung reversibel, also umkehrbar sein. Retouchierungen müssen so angebracht werden, dass sie einfach wieder entfernt werden können. Meist bringt man Retouchierungen daher zwischen der ersten (das ursprüngliche Gemälde bedeckenden) und der zweiten Firnisschicht, die das Kunstwerk versiegelt, an. Quelle: Rijksmuseum Amsterdam Licht und Schatten Rembrandt stellte sich selbst in einem dunklen Raum dar. Sein Kopf ist hell beleuchtet, als ob von links oben ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet ist. Aus seinem Mantel ragt ein glänzender Gegenstand, der nur noch einige Strahlen abbekommt. Es ist der Griff eines Schwerts. Im grün-grauen Hintergrund hat Rembrandt überall winzig kleine hellgelbe und rosa Punkte und Striche angebracht. Auch in seinen anderen Werken gestaltete er den Hintergrund oft mit Hilfe solcher Farbflecke lebendiger. Schicht für Schicht Rembrandt hat dieses Bild Schicht für Schicht auf einem dunklen Hintergrund aufgebaut. In den dunklen Teilen wie der Jacke oder den Schattenpartien im Gesicht ist die Farbe sehr dünn aufgetragen. Wo das Licht direkt einfällt, ist die Farbe dick und locker. Die Art und Weise, wie er den Turban malte, ist typisch für Rembrandts Arbeitsweise. Er „modellierte“ die Falten im Turban mit Farbe. Mit einem harten Pinsel strich er die zähflüssige Farbe von links nach rechts aus. Quelle: Het Rijksmuseum Amsterdam Weitere Quelle für Bilder: http://www.wga.hu/index1.html Texte und Bilder aus http://www.holland.com/rembrandt400/ August 2006 Blumenthal gedruckte Ausgabe vom Ressort: Kultur Maler ohne Maske Heute vor 400 Jahren wurde Rembrandt geboren. Über seine Bilder rätselt man bis heute Von Christina Tilmann Ein weiter, dunkler Mantel, eine helle Kappe, das Haar silberlockig, in den Händen, wie so oft, ein Buch. Das ganze Gesicht ein Zeichen milden Zweifels: Die Augenbrauen hochgezogen, der Mund zusammengepresst, der Blick müde, aber forschend. Das Gegenüber wird gemessen – und für zu klein befunden. Allein: Das Gegenüber ist er selbst, auf diesem späten Selbstporträt. Ein Gegenüber, dem Rembrandt van Rijn immer und immer wieder ins Gesicht geblickt hat, und immer gleich kritisch. Sein Landsmann, der Schriftsteller Cees Nooteboom, stellt in einem „Zeit“-Essay Überlegungen über die Natur des Selbstporträts an: „Ich weiß genauso gut wie jeder, der dies liest, was ein Selbstporträt ist. Allerdings war mir, so blödsinnig sich das auch anhört, die volle Tragweite dessen, was das bedeutet, nie richtig bewusst geworden. Ein Maler malt sich selbst, aber wie macht er das? Die Vorstellung hat etwas Unheimliches. Die ganze Zeit muss er sich ansehen, bis auf der Leinwand vor ihm ein aus Farbe bestehender Doppelgänger entstanden ist, der er nicht nur ist, sondern dem er zugleich noch etwas hinzufügt, nämlich das, was er von sich denkt.“ Was hat er von sich selbst gedacht? Nicht viel, so scheint’s: Schonungslos ehrlich, entlarvend offen sind seine Bilder. Das Bild von 1661 aus dem Amsterdamer Rijksmuseum ist dabei nicht einmal das drastischste. Nicht eines jener Spätwerke, auf denen Rembrandt mit Knollennase und senilem Grinsen mehr einem verwahrlosten alten Weib als einem verdienten Künstlerstar gleicht. Auch keins der hochfahrenden, eitlen Selbstdarstellungen der früheren Jahre, in prächtigen orientalischen Kostümen, fetten goldnen Ehrenketten, mit einem Samtbarett auf dem Kopf und in der Pose eines venezianischen Edelmanns. Und auch keins der ganz frühen Selbsterforschungen, mit Augen, die schwarz und unergründlich ins Leere blicken, schwarze Löcher, die alle Energie aufzusaugen scheinen. Nein: 1661 stellt sich Rembrandt als Apostel Paulus dar. Ein Rollenspiel, wie er sie liebte – und doch mehr. Gary Schwartz, einer der großen Rembrandtforscher, der gerade das Standardwerk zum Jubiläumsjahr vorgelegt hat (Das Rembrandt-Buch. Leben und Werk eines Genies, C. H. Beck, München 2006, 352 Seiten, 560 Abb., 68 €), bezieht sich speziell auf dieses Bild und liest die Rolle des Apostel Paulus als Rembrandts Fähigkeit, sich allen anzuverwandeln. „Denn wiewohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht. Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, den Schwachen ein Schwacher“, zitiert er aus dem ersten Korinther-Brief des Apostels. Rembrandt als Opportunist also, einer, der den Reichen und Mächtigen in Amsterdam den kultivierten Edelmann gibt, den Bauern einen Bauern, den Juden einen Juden, den Bettlern einen Bettler, und den Intellektuellen einen gebildeten, literarisch und historisch interessierten Sammler. Ein Chamäleon, in dem jede Zeit sich selbst wiedererkennen kann: „Im religiösen Zeitalter war er der große religiöse Maler, eine andere Epoche entdeckte in ihm einen tiefsinnigen Psychologen, wieder eine andere den Dichter und nochmals eine andere einen meisterhaften Handwerker. Dies beweist, dass die Leute den Bildern mehr geben, als sie nehmen“, hat Marcel Duchamp gesagt. Das setzt sich bis heute fort. Der literarische Provokateur Jean Genet feierte den ungehobelten Bauer Rembrandt, unter dessen prächtiger Kleidung der ungewaschene Körper stinkt. Und der Filmregisseur Peter Greenaway, der an einem eigenen Rembrandt-Film für 2007 arbeitet und derzeit Rembrandts berühmtestes Bild, die „Nachtwache“, im Rijksmuseum mit einer Lichtinstallation als theatralische Show über Mord, Totschlag und Intrige inszeniert, sieht in dem Maler einen Theatermann, einen Regisseur, ja eigentlich den ersten Cineasten. Wahr ist: Aufsteigerelemente finden sich zuhauf in Rembrandts Biografie, in dieser so oft erzählten Mär vom Müllerssohn aus Leiden, der in Amsterdam zu einem der Reichsten seiner Zeit aufsteigt und dann im Alter tragisch alles verliert, Geld, Ansehen, Liebe, Familie. Das ganze Drama dieses Lebens, mit seinen Höhen und Tiefen, seiner Angepasstheit und dem lebenslangen Außenseitertum, reizt auch zum 400. Geburtstag immer noch die Geister. Weil man in dem Autodidakten, der quasi aus dem Nichts die für Jahrhunderte wirksamste Künstlerfigur schafft, die Selbsterfindung des modernen Menschen zu erkennen meint – ähnlich wie bei Goya, ähnlich wie bei Caravaggio, um nur zwei derzeit besonders beliebte KünstlerAußenseiter zu nennen. Nicht verwunderlich daher, dass das Pendel in diesem Jubiläumsjahr wieder zurückschlägt, hin zum Biografischen, Persönlichen, weg von Technik und Kennerschaft. Rembrandts Mutter stand im Zentrum der ersten Ausstellung des Rembrandt-Jahrs in Leiden; in Kassel entdeckt man in „Rembrandts Landschaften“ den Spiegel seiner Seele; ein Musical bebildert Rembrandts Beziehung zu Frauen; und in der Berliner Gemäldegalerie wird man ab dem 4. August vor allem das Spätwerk, das Genie in der Krise würdigen. Vorbei die Zeiten, als, ausgelöst durch den Schock der Abschreibung des „Mannes mit dem Goldhelm“, der Streit vor allem über die Eigenhändigkeit der Bilder ging. „Rembrandt hat 700 Bilder gemalt, von denen 3000 erhalten sind“, hatte schon der Berliner Museumsgeneral Wilhelm von Bode gewitzelt. Vor allem das in Amsterdam angesiedelte „Rembrandt Research Project“ hatte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Bilderstürmer betätigt und viele lieb gewonnene Rembrandts als nicht authentisch abgeschrieben. Nun sieht man die Dinge milder. Im vierten Band des Werkverzeichnisses, den Projektleiter Ernst van de Wetering gerade vorgelegt hat und in dem es um die Selbstporträts geht (Springer Verlag, 1000 Euro), wird zurückgerudert. „Die in diesem Band und in den bislang veröffentlichten Bänden I–III ausgedrückten Meinungen sollten als Meinungen verstanden werden, die ausschließlich für den akademischen Gebrauch gedacht sind“, heißt es im Vorwort. Aufgegeben wurde die strenge Chronologie, abgeschwächt auch die Hierarchisierung in A (eigenhändig), B (zweifelhaft), C (ausgeschieden). In den Vordergrund der Rembrandt-Forschung schieben sich Untersuchungen zu Markt und Gesellschaft, Kleidung, Theater, Politik. Man kennt die Werkstatt inzwischen besser, feiert einzelne Schüler wie Carel Fabricius oder Ferdinand Bol – und bemerkt erstaunt, dass all dieses Wissen über Rembrandts Werkstatt dem Œuvre nicht geschadet hat. Ein Chamäleon-Künstler, der alle Wünsche bedient und dennoch in jedem Werk etwas Eigenes, Unverwechselbares schafft – das ist das eigentliche Rätsel Rembrandts. Gelöst hat es bis heute keiner.