Multiple Sklerose (MS): Fragen und Antworten
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Multiple Sklerose (MS): Fragen und Antworten
Häufige Fragen und Antworten zur Multiplen Sklerose > Weitere Infos auf ms-und-ich.de Gedruckte Broschüre bestellen 0800-987 000 8* Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsamfür für für fürein ein ein einbesseres besseres besseres besseresLeben Leben Leben Lebenmit mit mit mitMS. MS. MS. MS. Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsamfür für für fürein ein ein einbesseres besseres besseres besseresLeben Leben Leben Lebenmit mit mit mitMS. MS. MS. MS. Inhalt Allgemeines zu MS 1. Was ist MS? Was passiert bei MS im Körper?........................................................................... 4 2. Wie häufig ist MS?.......................................................................................................................... 4 3. Was ist die Ursache von MS?........................................................................................................ 4 4. Gibt es eine „venöse MS“?............................................................................................................ 6 5. Was ist ein Schub?.......................................................................................................................... 6 6. Wodurch wird ein Schub ausgelöst? ......................................................................................... 6 7. Welche Formen der MS unterscheidet man? .......................................................................... 7 8. Ist MS ansteckend?......................................................................................................................... 8 9. In welchem Alter tritt MS auf?.................................................................................................... 8 10. Kann ich mich als MS-Patient impfen lassen?......................................................................... 8 11. Was bedeutet axonaler Schaden?.............................................................................................. 9 Diagnose der MS 12. Wie wird MS diagnostiziert? Was ist eine mögliche MS? ..................................................10 13. Gibt es typische MS-Symptome? .............................................................................................10 14. Was ist eine Anamnese?..............................................................................................................10 15. Was ist eine neurologische Untersuchung?...........................................................................11 16. Was ist eine Liquoruntersuchung? Ist die Liquoruntersuchung wirklich nötig?...........................................................................11 17. Was ist eine MRT-Untersuchung?.............................................................................................11 18. Was sind Evozierte Potenziale (EP)?.........................................................................................12 19. Sind Fehldiagnosen möglich? Welche?....................................................................................12 20. Wohin gehe ich zur Untersuchung? (Fachkompetenz).......................................................12 Symptome der MS 21. Mit welcher Wahrscheinlichkeit führt MS in den Rollstuhl?.............................................13 22. Was ist eine Sehnerventzündung?...........................................................................................13 23. Was sind Ataxie und Tremor?.....................................................................................................13 24. Welche Bedeutung haben Spastik und Lähmungen?..........................................................14 25. Wieso können Sprech-, Sprach- und Schluckbeschwerden auftreten?...........................14 26. Was ist Fatigue?.............................................................................................................................14 27. Was sind kognitive Störungen?.................................................................................................15 28. Wie häufig ist Depression?.........................................................................................................15 29. Welche Blasen- und Darmfunktionsstörungen treten auf?...............................................15 30. Was sind Missempfindungen bzw. Sensibilitätsstörungen?.............................................16 31. Wieso treten sexuelle Störungen auf? Welche?....................................................................16 32. Ist MS schmerzhaft?.....................................................................................................................16 33. Was ist das Uhthoff-Phänomen?..............................................................................................17 Behandlung der MS 34. Wie wird MS behandelt?.............................................................................................................18 35. Wann sollte mit der Behandlung der Multiplen Sklerose begonnen werden? ......................................................................................................................18 2 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. Wie lange soll die Therapie fortgeführt werden?.................................................................19 Wie wird der akute MS-Schub behandelt? ............................................................................20 Kann Kortison schaden? .............................................................................................................20 Was ist eine Intervalltherapie mit Kortison?..........................................................................20 Was ist eine Basis- bzw. Eskalationstherapie?.......................................................................21 Wann hilft eine Blutwäsche-Behandlung?.............................................................................23 Welche Behandlungsmethoden der Symptome gibt es? ..................................................23 MS und Leben 43. Welchen Einfluss hat die Ernährung auf den Verlauf der MS?..........................................26 44. Gibt es eine spezielle MS Diät?..................................................................................................26 45. Wie wirkt sich Alkohol auf die MS auf?...................................................................................27 46. Hat Stress einen Einfluss auf die MS?......................................................................................27 47. Wie wirkt sich Rauchen auf die MS aus?.................................................................................28 48. Kann ich weiter Sport treiben?..................................................................................................28 49. Kann ich weiter Auto fahren?....................................................................................................29 50. Kann ich weiter in Urlaub fahren? Worauf muss ich achten?............................................29 51. Kann man mit MS Blut spenden? ............................................................................................30 52. Wo finde ich Rat und Unterstützung?.....................................................................................30 MS und Recht 53. Hat die MS Auswirkungen auf mein Berufsleben?...............................................................30 54. Muss ich meinen Arbeitgeber über die MS-Diagnose informieren?................................31 55. Habe ich Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis?.............................................32 56. Welche Rechte habe ich?.............................................................................................................32 MS und Familie 57. Welche Auswirkungen kann die MS auf das Familienleben bzw. auf die Partnerschaft haben?...........................................................................................33 58. Kind – ja oder nein? Was muss ich beachten?.......................................................................34 59. Ist MS vererbbar?...........................................................................................................................35 60. Kann oder sollte ich verhüten? Wenn ja, wie?.......................................................................35 61. Ich bin schwanger. Was muss ich beachten?..........................................................................36 62. Hat die Schwangerschaft einen Einfluss auf den MS-Verlauf?.........................................36 63. Kann ich mit MS stillen?..............................................................................................................37 Wo finde ich Hilfe Hilfen und Kontakte.............................................................................................................................38 Weiterführende Literatur....................................................................................................................38 Wichtige Adressen und Websites......................................................................................................39 3 1. Was ist MS? Was passiert bei MS im Körper? Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS = Gehirn und Rückenmark). Das Myelin, eine fett- und eiweißreiche Hülle (= Markscheiden oder Nervenscheiden), umgibt und isoliert die Nervenfasern. Infolge einer Fehlfunktion des Immunsystems können körpereigene Zellen die Markscheiden und/oder die Nervenzellen (Neurone) selbst angreifen. Die damit einhergehenden Entzündungen und Schädigungen der Nervenfasern führen zu Störungen der Nervenleitung. Die Folgen sind neurologische Funktionsstörungen, die sich in einer Vielfalt von Symptomen niederschlagen. Welche Störungen genau auftreten, hängt davon ab, welche Teile des ZNS von der akuten Entzündung betroffen sind (z. B. Sehnerv ➝ Sehstörungen Frage 22). Nach Abheilung der Entzündungen bildet sich ein verhärtetes Narbengewebe. Dieses kann zu dauerhaften Einschränkungen der Nervenfunktionen führen. 2. Wie häufig ist MS? Die MS ist relativ selten. Dennoch ist sie die neurologische Erkrankung, die bei jungen Erwachsenen am häufigsten zu Einschränkungen führt. Man schätzt, dass weltweit etwa 2,5 Millionen Menschen betroffen sind. Global betrachtet herrscht bei der Verteilung der MS ein Nord-Süd-Gefälle vor: Ihr Vorkommen nimmt mit der Entfernung vom Äquator zu. Mehr als 130.000 Menschen leiden in Deutschland an einer Multiplen Sklerose. Pro Jahr treten ungefähr 2.500 Neuerkrankungen auf. 3. Was ist die Ursache von MS? Die genaue Ursache der MS ist nicht bekannt. Es werden verschiedene Modelle der Entstehung diskutiert. Dazu gehören: Vererbung, chronische Infektionen, Immuntheorie und Vitamin D: • Erbliche Veranlagung MS selbst ist nicht erblich, es existiert allerdings eine gewisse Veranlagung dafür, MS zu bekommen. Man vermutet, dass ein Teil der erblich veränderten Gene, die einen Menschen für MS „empfänglich“ machen, das Abwehr- oder Immunsystem steuern. Dies bedeutet nicht, dass MS-kranke Frauen oder Männer keine Kinder bekommen dürfen. Vielmehr müssen zu der erblichen Komponente noch weitere Faktoren kommen, damit Kinder von MS-Patienten ebenfalls eine Multiple Sklerose entwickeln. 4 • Infektionen Manche Forscher gehen davon aus, dass MS durch eine aus der Umwelt stammende Infektion ausgelöst werden könnte. So wurden in der Vergangenheit verschiedene Viren (unter anderem Epstein-Barr-Virus und Humanes Herpesvirus 6) und Bakterien verdächtigt, an der Entstehung einer MS beteiligt zu sein. Bislang konnte allerdings für keinen dieser Erreger ein direkter Zusammenhang nachgewiesen werden. Man glaubt heute auch weniger, dass ein einzelner bestimmter Erreger MS auslöst. • Immunsystem Normalerweise dient das Immunsystem mit dafür speziell ausgerüsteten Zellen dazu, den Körper vor Erregern wie Bakterien oder Viren zu schützen. Dabei unterscheidet es normalerweise sehr genau zwischen „fremd“ – also von außen kommenden Krankheitserregern – und „eigen“ – also den Bestandteilen des eigenen Körpers, die gewöhnlich nicht vom Immunsystem angegriffen werden. Gelegentlich kann in diesem komplizierten Ablauf eine Fehlregulation dazu führen, dass der Körper eigenes Gewebe als „fremd“ erkennt und die Immunreaktion gegen sich selbst richtet. Eine solche Reaktion spielt bei der MS eine wesentliche Rolle. Man bezeichnet die MS auch als „Autoimmunerkrankung“, weil sich die Immunreaktion gegen körpereigenes Gewebe richtet. • Vitamin D In Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung treten weniger MS-Erkrankungen auf als in solchen mit geringerer Sonnenintensität und -dauer. Die geografische Verteilung der MS-Erkrankung hat daher zunehmend den Einfluss von Vitamin D auf die MS in den Fokus der Wissenschaftler gerückt. Denn Vitamin D wird über die Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet. Die immunregulatorische Rolle von Vitamin D könnte daher bei gegebener Empfindlichkeit ein Kofaktor für die Krankheitsmanifestation sein. Bestimmte weiße Blutkörperchen können die für das Gehirn spezifisch eingerichtete Barriere, die so genannte Blut-Hirn-Schranke, überwinden und im ZNS eine Entzündungsreaktion auslösen. Normalerweise heilt diese nach einiger Zeit wieder aus, kann jedoch Narben hinterlassen. Solange die Schäden nur vorübergehend oder geringfügig sind, gehen auch die damit verbundenen Funktionsstörungen wieder vollständig zurück. In schweren Fällen ist die Impulsleitung durch Zerstörung der Markscheiden an den Nervenfasern dauerhaft beeinträchtigt. Auch die Neuronen selbst können in Mitleidenschaft gezogen und irreparabel geschädigt werden. 5 4. Gibt es eine „venöse MS“? Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft muss man diese Frage wohl mit „Nein“ beantworten. Seit einiger Zeit kursiert eine Hypothese, nach der eine Venenschwäche im ZNS („Chronische cerebrospinale venöse Insuffizienz“ [CCSVI]) zu einer MS führen soll. Die sogenannte PREMiSe-Studie untersuchte einen Zusammenhang. Das Ergebnis der Studie war, dass eine entsprechende Behandlung der Venen mittels Ballonkatheter keine Besserung bei den MS-Patienten bewirkt, eher das Gegenteil ist der Fall. In der behandelten Gruppe zeigten einige Parameter einen starken Trend hin zu einer vermehrten Krankheitsaktivität. Von einer Anwendung dieses Verfahrens rät der Ärztliche Beirat der DMSG aufgrund der unzureichenden Studienlage dringend ab. 5. Was ist ein Schub? Man spricht von einem Schub, wenn Symptome bzw. Nervenfunktionsstörungen auftreten, die länger als 24 Stunden anhalten und nicht durch andere Ursachen erklärt werden können (z. B. Infektionen, Erhöhung der Körpertemperatur ➝ Uhthoff-Phänomen Frage 33). Diese Symptome können sehr verschieden ausgeprägt sein, je nachdem, wo sich gerade ein Entzündungsherd im zentralen Nervensystem befindet. Es können dabei entweder neue Symptome oder aber vorhandene Symptome in verstärkter Form auftreten. Die Symptome bessern sich meist nach einigen Tagen oder Wochen (man spricht auch von Remission). Damit zwei Schübe als separat voneinander betrachtet werden können, muss deren Beginn mindestens 30 Tage auseinander liegen. 6. Wodurch wird ein Schub ausgelöst? 6 Extreme Belastungen können einen Schub auslösen. Dazu gehören anhaltender psychischer oder emotionaler Stress, akute fieberhafte Infektionen aber auch langandauernde körperliche Anstrengungen und Beeinträchtigungen. Bekannt ist außerdem, dass es bei Frauen in den ersten Monaten nach einer Schwangerschaft zu einer erhöhten Schubrate kommen kann. Davon zu unterscheiden sind sogenannte Pseudoschübe: Bei diesen können sich bestehende Beschwerden vorübergehend verschlechtern. Ein Beispiel ist das Uhthoff-Phänomen ( Frage 33), das durch eine Erhöhung der Körpertemperatur (Fieber, Saunabesuch, Hitze, Sport etc.) ausgelöst wird. Allgemein gilt zur Vorbeugung daher das, was auch Gesunde beherzigen sollten: extreme Situationen meiden, sich vor Infektionen schützen, eine gemäßigte Lebensführung mit ausreichend Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten, gesunder Ernährung und Vermeidung von Stress sowie das Finden einer persönlichen Balance im Alltag. Welche Formen der MS unterscheidet man? 7. Es werden unterschiedliche Stadien und Verläufe der MS unterschieden. Beim einzelnen Patienten ist der Verlauf der Erkrankung nicht vorhersehbar.1 • Schubförmig-remittierender Verlauf (RRMS): Beeinträchtigung Klinisch beginnt die MS bei über 80 % der Patienten mit einem schubförmigen Verlauf. Als Anfangsstadium Zeit wird das klinisch isolierte Syndrom (KIS) beschrieben. Dabei handelt es sich zunächst um ein einzeln auftretendes Symptom, beispielsweise eine Seh- oder Sensibilitätsstörung, das häufig nicht direkt der MS zugeschrieben wird. Bei dem schubförmigen Verlauf sind die einzelnen Schübe klar voneinander abgrenzbar und die Symptome bilden sich nach einiger Zeit vollständig oder teilweise zurück (= Remission). Langfristig zeigen sich bei ca. 25 % der Patienten gutartige Verläufe, das bedeutet keine oder leichte Einschränkungen.2 • Sekundär-progredienter Verlauf (SPMS): Beeinträchtigung Bei mindestens 50 % der Betroffenen geht die schubförmig-remittierende MS unbehandelt nach durchZeit schnittlich 10 Jahren in ein zweites (= sekundäres) Stadium über, die langsam fortschreitende (= progrediente) MS. Dabei kommt es zu einer kontinuierlichen Zunahme der Symptome und Ausfallserscheinungen über mindestens 6 Monate. Einzelne Schübe können im späteren Verlauf meist nicht mehr unterschieden werden. • Primär-progredienter Verlauf (PPMS): Beeinträchtigung Im Gegensatz zur sekundärprogredienten Form findet man bei etwa 10–15 % der Erkrankten bereits von Zeit Beginn an (= primär) eine kontinuierliche Verschlechterung ohne Schübe, bleibende Behinderungen nehmen stetig zu. 1 Thompson et al. Primary progressive multiple sclerosis. Brain. 1997;120:1085–96. 2 Glad, Nyland, Aarseth, Riise and Myhr. Long-term follow-up of benign multiple sclerosis in Hordaland County, Western Norway. Multiple Sclerosis 2009 Jul. 7 8. Ist MS ansteckend? Nein, MS ist nicht ansteckend. MS ist keine Infektionskrankheit. 9. In welchem Alter tritt MS auf? Das Durchschnittsalter für den Erkrankungsbeginn liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Die MS wird deshalb auch als „Krankheit junger Erwachsener“ bezeichnet. Von der häufigsten Form der MS mit zunächst schubförmigem Verlauf sind mehr Frauen als Männer betroffen. Das Verhältnis betroffener Frauen zu Männern variiert regional stark. Frauen sind bei der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (RRMS) fast 3 mal häufiger betroffen als Männer. Die primär-progrediente Form (PPMS) hingegen betrifft Männer und Frauen gleich häufig – hier liegt das Erkrankungsalter bei 40–60 Jahren. Auch bereits im Jugendalter konnten MS-Erkrankungen nachgewiesen werden; bei Kindern ist MS selten, bei bis zu 5 % aller MS-Patienten liegt der Krankheitsbeginn vor dem 16. Lebensjahr.3,4 10. Kann ich mich als MS-Patient impfen lassen? Die meisten gängigen Impfungen (z. B. Diphtherie und Tetanus) sowie Impfungen, die für Reisen in bestimmte Länder empfohlen werden (z. B. Hepatitis A), können meist ohne Probleme vorgenommen werden. In Anbetracht des aktuellen Wissenstandes kann allgemein gesagt werden, dass Impfungen mit Totimpfstoffen und Toxoiden bei der MS bedenkenlos eingesetzt werden können, während Lebendimpfstoffe vermieden werden sollten. Dennoch ist beim Thema Impfungen, vor allem unter einer Immuntherapie, ein vorheriges Gespräch mit dem behandelnden Arzt anzuraten. Zum einen kann die Wirksamkeit einer Impfung durch einige MS-Therapien herabgesetzt sein, zum anderen kann eine Impfung das Immunsystem aktivieren bzw. Immunprozesse beeinflussen. Dabei können auch Autoimmunvorgänge, die bei der MS eine Rolle spielen, angeregt werden und eine schubartige Symptomatik hervorrufen. DGS/KKNMS Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose. Online-Version, Stand: 9.8.2012: www.kompetenznetz-multiplesklerose.de 4 Krämer G, Besser R. Multiple Sklerose: Antworten auf die 111 häufigsten Fragen. Trias Stuttgart 2006. 3 8 Was bedeutet axonaler Schaden? 11. Unter Axon versteht man den langen Fortsatz einer Nervenzelle (Neuron), die von einer Myelinhülle umgeben ist. Axone verbinden das ZNS beispielsweise mit der Muskulatur; ein über das Axon geleiteter elektrischer Impuls löst dort eine Bewegung aus. Im Verlauf der MS werden nicht nur die Myelinhüllen zerstört, sondern es können auch Beschädigungen in den Axonen selbst entstehen. Die Neurone werden dann funktionsunfähig; geschädigte Neurone können nicht wieder hergestellt werden. Dendrit Signalaufnahme Zellkörper Nervenscheide (Myelin) Nervenzelle (Neuron) Nervenfaser Entzündung Intaktes Myelin Vernarbung (Sklerose) Axon Fortleitung Nervenendigung 9 12. Wie wird MS diagnostiziert? Was ist eine mögliche MS? Auf Grund des individuell sehr unterschiedlichen Verlaufs und der Vielfalt der Symptome ist die MS nicht einfach zu diagnostizieren. Ihre Diagnose ist vielmehr eine Sammlung von Befunden, die bei einer ausführlichen Erfassung der Krankengeschichte (man spricht auch von Anamnese ➝ Frage 14), körperlichen neurologischen Untersuchungen, bildgebenden diagnostischen Verfahren, der Untersuchung des Nervenwassers (= Liquor) sowie elektrophysiologischen Untersuchungen erhoben werden. Meist kann nach einem ersten Schub anhand der typischen Symptome nur von dem Verdacht auf MS, definitionsgemäß einer „möglichen MS“, gesprochen werden. Die definitive Diagnosestellung einer schubförmigen MS ist nur dann möglich, wenn entweder an mindestens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten oder an unterschiedlichen Stellen (zeitliche bzw. räumliche Dissemination) Symptome oder Herde in der Kernspintomografie (auch MRT genannt) ( Frage 17) aufgetreten sind. Bei entsprechender Erfahrung des Arztes und eindeutigen Untersuchungsbefunden im Verlauf kann eine gesicherte Diagnose der MS schon nach dem ersten Schub möglich sein. 13. Gibt es typische MS-Symptome? Die Symptome der MS sind vielfältig und können bei jedem Patienten sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Häufige Frühsymptome der MS sind Sehstörungen, leichte Lähmungen, Gefühlsstörungen, Koordinationsstörungen oder auch Gangunsicherheit. Im weiteren Verlauf der MS kommt es häufig zu Blasenfunktionsstörungen, Bewegungsstörungen mit Spastik, Lähmungen oder Sprechstörungen. Viele Patienten berichten zudem von einer starken Ermüdbarkeit, die sogenannte „Fatigue“ ( Frage 26) sowie Depressionen. Diese sind jedoch nicht MS-spezifisch, sondern können auch bei anderen chronischen Erkrankungen auftreten. 14. Was ist eine Anamnese? Unter einer Anamnese versteht man die Krankengeschichte eines Patienten. Der Arzt fragt nach früheren Krankheiten, Operationen usw., aber auch nach kürzlich aufgetretenen ungewöhnlichen Symptomen. Ergänzend wird die Familienanamnese erhoben, das heißt, das Vorkommen bestimmter Erkrankungen bei blutsverwandten Familienangehörigen. 10 Was ist eine neurologische Untersuchung? 15. Bei der neurologischen Untersuchung prüft der Arzt systematisch eine Reihe von körperlichen Funktionen, die auf neurologische Ausfallserscheinungen hindeuten können. Untersucht werden zum Beispiel: Reflexe (mit einem kleinen Hämmerchen wird leicht auf bestimmte Sehnen geklopft), das Gangbild, die Koordination, die Sensibilität (Störung des Berührungs-, Wärme- oder Vibrationsempfindens der Haut), das Sehvermögen und vieles mehr. Die Untersuchungen sind schmerzlos. Was ist eine Liquoruntersuchung? Ist die Liquoruntersuchung wirklich nötig? 16. Bei einer Liquoruntersuchung wird durch eine Hohlnadel (Kanüle), die am unteren Rücken in die Wirbelsäule eingeführt wird (= Lumbalpunktion), ein wenig Nervenwasser (= Liquor) entnommen und anschließend auf typische Entzündungszeichen hin untersucht. Zusammen mit anderen Untersuchungen können andere Erkrankungen ausgeschlossen werden und die Diagnose MS wird gesichert. Sie ist daher unverzichtbar. Die Untersuchung ist bis auf seltene auftretende Risiken in der Regel ungefährlich. Nach der Untersuchung können Kopfschmerzen und in manchen Fällen auch Übelkeit auftreten. Was ist eine MRT-Untersuchung? 17. Das MRT (= Magnetresonanztomographie) ist ein so genanntes bildgebendes Verfahren, das jedoch – anders als Röntgen oder Computertomographie – ohne Strahlenbelastung auskommt. Der Patient liegt zur Untersuchung in einer Röhre, um die ziemlich geräuschvoll ein starker Magnet kreist. Auf den damit erzeugten Schnittbildern lassen sich die typischen entzündlichen „Herde“ bei einer MS sehr gut darstellen, auch kann man frische Herde von älterem Narbengewebe unterscheiden. Die Methode ist weitgehend risikolos, nur bei Patienten mit metallischen Teilen im Körper (z. B. Prothesen) muss man je nach deren „MRT-Tauglichkeit“ vorsichtig sein. Patienten mit Herzschrittmacher dürfen kein MRT erhalten. Auch sollten Sie Ihrem Arzt sagen, wenn Sie sich schlecht in engen Räumen aufhalten können, also unter einer Klaustrophobie leiden. In der Regel wird ein Kontrastmittel gespritzt (Gadolinium), das unter Umständen Allergien auslösen kann. 11 18. Was sind Evozierte Potenziale (EP)? Evozierte Potentiale gehören zu den elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden. Ähnlich wie bei einem Elektroenzephalogramm (EEG) werden an bestimmten Stellen Elektroden auf der Kopfhaut oder an den Extremitäten befestigt, mit denen die Funktionsfähigkeit der Nervenzellen gemessen werden kann. Nach Auslösung eines bestimmten Reizes wird die Zeit gemessen, bis es im ZNS oder an den Muskeln zu einer Änderung der elektrischen Spannung kommt. Bei MS ist diese Reaktionszeit gewöhnlich verlangsamt. Man kann unterschiedliche Funktionen prüfen: Sehnerven (visuell, VEP), Hörnerven (akustisch, AEP), Sensibilität, z. B. Hautnerven (SSEP) und magnetisch evozierte Potentiale (MEP). Die Untersuchung ist in der Regel ungefährlich und schmerzfrei. 19. Sind Fehldiagnosen möglich? Welche? Vor allem in einem frühen Stadium der MS können die neurologischen Ausfallserscheinungen fehlgedeutet werden. Ähnliche Symptome können zum Beispiel bei der Neuromyelitis optica (einer seltenen Autoimmunerkrankung des Nervensystems), chronischen Infektionen (z. B. Neuroborreliose, Syphilis, HIV-Infektion), chronischen Gefäßentzündungen (Vaskulitiden) und vielen anderen Krankheiten auftreten. Diese müssen mit Hilfe von spezifischen Blutuntersuchungen ausgeschlossen werden. 20. Wohin gehe ich zur Untersuchung? (Fachkompetenz) Ein Facharzt für Neurologie oder Nervenarzt ist die beste Adresse für die Diagnose und Behandlung einer MS. Außerdem gibt es auf MS spezialisierte neurologische Kliniken und Praxen. 12 Mit welcher Wahrscheinlichkeit führt MS in den Rollstuhl? 21. MS zu haben bedeutet keinesfalls, zwangsläufig irgendwann im Rollstuhl sitzen zu müssen. Weniger als 1/3 der MS-Kranken mit schubartigem Verlauf benötigen nach 20 Jahren einen Rollstuhl. Dennoch sind viele langjährige Betroffene irgendwann auf Hilfsmittel angewiesen, wie Gehstock, Rollator oder Rollstuhl, um Kraft zu sparen oder sich vor Stürzen zu schützen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Hilfsmittel verwendet werden müssen, hängt individuell vom Verlauf der Krankheit ab und steigt mit ihrer Dauer. Selbst wenn jedoch der Rollstuhl irgendwann unausweichlich werden sollte, bedeutet das nicht, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist. Menschen, die einen Rollstuhl benutzen, arbeiten, treiben Sport, haben Familie, fahren Auto und verfolgen ihre Träume genauso wie Gesunde. Im Einzelfall sollte die Lebensplanung, vor allem in beruflicher Hinsicht, an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Was ist eine Sehnerventzündung? 22. Bei einer Entzündung des Sehnervs (= Optikusneuritis) treten typische Sehstörungen auf. Die Patienten sehen zum Beispiel verschwommen und können Schmerzen im Augapfel haben, wenn sie in eine bestimmte Richtung blicken. Sehstörungen gehören zu den häufigsten Frühsymptomen der MS. Was sind Ataxie und Tremor? 23. Beide Begriffe fallen unter den Oberbegriff Bewegungsstörungen und gehören zu den häufigsten Symptomen bei MS. Bei der Ataxie ist die Bewegungskoordination gestört. Je nach Ataxieform können die Patienten nicht gerade sitzen (Rumpfataxie) oder stehen (Standataxie) oder sind unsicher beim Gehen (Gangataxie). Auch können gezielte Bewegungen erschwert sein (Zeigeataxie). Tremor ist der medizinische Begriff für ein mehr oder weniger starkes Zittern, das meist die Hände betrifft und besonders dann auftritt, wenn man gezielte Bewegungen ausführen möchte, zum Beispiel, um aus einem Glas zu trinken. Bei Bewegungsstörungen besteht die Therapie meist aus Medikamenten und einer physiotherapeutischen/ergotherapeutischen Behandlung. 13 24. Welche Bedeutung haben Spastik und Lähmungen? Als Spastik bezeichnet man eine erhöhte Muskelspannung, die durch eine fehlerhafte Übertragung der Nervenimpulse in die Muskulatur zustande kommt. Der Muskel versteift und kann nicht mehr so gut arbeiten. Unbedingt zu empfehlen sind gezielte krankengymnastische Übungen, um eine Fehlstellung der Gelenke (= Kontrakturen) und Schmerzen zu vermeiden. In schwereren Fällen werden auch Medikamente eingesetzt. Lähmungen der Arme oder Beine sind in einem frühen Krankheitsstadium meist nur leicht ausgeprägt, können aber im Verlauf der Erkrankung zunehmen. Spastik und Lähmungen können zu ausgeprägter Behinderung und Rollstuhlpflicht führen. 25. Wieso können Sprech-, Sprach- und Schluckbeschwerden auftreten? Sprechen und Schlucken sind sehr komplexe Vorgänge, bei denen zahlreiche Nerven und Muskeln im Bereich des Kehlkopfes koordiniert werden müssen. Sind in Folge der MS bestimmte Hirnnerven entzündet, kann es zu deutlichen Funktionsstörungen kommen. Sprechstörungen äußern sich häufig zunächst durch eine veränderte rauhe Stimme; bei Schluckstörungen kann dem Patient die Nahrungsaufnahme schwer fallen. Beide Störungen werden von einem speziellen Sprechtherapeuten (= Logopäden) behandelt. Als Sprachstörungen bezeichnet man solche Störungen, die ihre Ursache im Sprachzentrum des Gehirns haben. Sie treten selten auf und bestehen beispielsweise aus Störungen des Sprachverständnisses sowie der Wortfindung. Diese Beeinträchtigungen sind für die Betroffenen und ihr soziales Umfeld zum Teil sehr belastend. Bei stärkerer Ausprägung können sie die Handlungsfähigkeit im Alltag oder Beruf, die Kommunikationsfähigkeit oder die Teilnahme am öffentlichen Leben einschränken. 26. Was ist Fatigue? Fatigue ist eines der häufigsten Symptome bei MS überhaupt. Die Patienten sind schon nach geringen körperlichen oder geistigen Anstrengungen erschöpft, fühlen sich müde und abgespannt. Häufig berichten Patienten, dass die Fatigue vor allem bei hohen Außentemperaturen auftritt. Eine gezielte Behandlung gibt es meist nicht. Die Fatigue bessert sich jedoch häufig, wenn man sich bei Hitze in kühlen Räumen aufhält oder sich 14 mit Hilfe spezieller Kühlwesten Abkühlung verschafft. Außerdem sollten regelmäßige Ruhepausen in den Tagesablauf eingeplant werden. In schweren Fällen können auch Medikamente gegen Tagesmüdigkeit gegeben werden. Was sind kognitive Störungen? 27. Das Wort Kognition umschreibt ganz allgemein die höheren geistigen Funktionen eines Menschen. Hierunter fallen z. B. Fähigkeiten wie Konzentration, Aufmerksamkeit, Planung von Handlungen, Gedächtnis, Rechnen und Ähnliches. MS-Patienten sind häufig vor allem von leichteren Einschränkungen der Konzentration, Aufmerksamkeit oder der geistigen Flexibilitat betroffen. Als Therapie kommen spezielle Medikamente und gezielte Trainingsmaßnahmen (z. B. ein computergestütztes Aufmerksamkeitstraining) in Frage. Wie häufig ist Depression? 28. Die Depression kommt bei bis zu 50 % aller MS-Patienten vor. Oft handelt es sich dabei zunächst um eine depressive Verstimmung, die als Reaktion auf die Diagnose „MS“ und die damit verbundene Stresssituation zu interpretieren ist. Gerade in der Frühphase der Diagnosebewältigung sind daher gesprächstherapeutische Angebote und Unterstützung von Angehörigen und Mitbetroffenen sehr hilfreich. Tritt die Depression auch im weiteren Verlauf auf, ist eine verhaltenstherapeutische Behandlung, z. B. bei einem Psychologen, zu empfehlen. Gegebenenfalls kommen dann auch antidepressive Medikamente in Frage. Welche Blasen- und Darmfunktionsstörungen treten auf? 29. Infolge der neurologischen Schädigung bei MS können häufiger Harndrang, unwillkür- licher Harn- oder Stuhlabgang (= Inkontinenz) oder Verstopfung (= Obstipation) auftreten. Je nach Art der Funktionsstörung sind verschiedene Therapieformen möglich, wie beispielsweise eine medikamentöse Therapie, ein Beckenbodentraining oder auch das Erlernen bestimmter Verhaltensmuster. 15 30. Was sind Missempfindungen bzw. Sensibilitätsstörungen? Sensibilitätsstörungen äußern sich häufig als Missempfindungen (= Parästhesien), zum Beispiel Kribbeln, „Ameisenlaufen“, Brennen, Taubheitsgefühl, vermehrte bzw. verminderte Berührungsempfindlichkeit (= Hyperästhesie bzw. Hypästhesie) oder Juckreiz. Oft treten solche Symptome anfallsweise auf. 31. Wieso treten sexuelle Störungen auf? Welche? Störungen der Sexualfunktion können sehr unterschiedlich sein. Bei ihnen spielen sowohl körperliche als auch psychische Faktoren eine Rolle. Man unterscheidet: • Primäre Funktionsstörungen: direkte Folgen der neurologischen Schädigung Beeinträchtigt sind die organischen Funktionen: die Erektionsfähigkeit beim Mann, das Feuchtwerden der weiblichen Scheide oder die Orgasmusfähigkeit, außerdem Missempfindungen im Genitalbereich oder vermindertes Lustempfinden (= =Libidoverlust). • Sekundäre Funktionsstörungen: die Ursachen liegen außerhalb des Genitalbereichs Hierzu zählen Blasen- und Darmfunktionsstörungen, die Fatigue, allgemeine Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen, Tremor oder Schmerzen. • Tertiäre Funktionsstörungen: psychische und soziale Folgen der MS Das Selbstwertgefühl leidet unter der Behinderung. Angst, Traurigkeit oder Depression kann den Wunsch nach körperlicher Nähe stark herabsetzen. 32. Ist MS schmerzhaft? Schmerzen gehören nicht zu den klassischen MS-Symptomen, dennoch klagen etwa 50 % der MS-Patienten entweder über anhaltende Schmerzen oder plötzlich auftretende, kurz andauernde Schmerzattacken. Anhaltende Schmerzen entstehen meist als Folge von spastisch verspannten Muskeln und Gelenken, Fehlhaltungen oder aufgrund zuneh16 mender Immobilität. Die Behandlung besteht unter anderem in krankengymnastischen Übungen. Plötzlich einschießende, heftige Schmerzattacken nennt man auch „Neuralgien“ oder „neuropathische Schmerzen“. Die Ursache ist dann in der Schädigung der Nervenbahnen selbst zu suchen. Diese werden mit speziellen Medikamenten behandelt. Was ist das Uhthoff-Phänomen? 33. Bereits 1890 beschrieb der Augenarzt Wilhelm Uhthoff bei MS-Patienten eine vorübergehende Verschlechterung der Sehschärfe nach körperlicher Anstrengung. Ursache ist eine Blockierung der Leitfähigkeit des vorgeschädigten Sehnervs durch die erhöhte Körpertemperatur. Heute versteht man darunter meist allgemein die vorübergehende Verschlechterung verschiedener neurologischer MS-Symptome zum Beispiel bei Fieber, Hitze, einem Saunabesuch oder nach körperlicher Anstrengung. Man bezeichnet diesen Zustand auch als „Pseudoschub“, der von einem „echten“ MS-Schub abgegrenzt werden muss. 17 34. Wie wird MS behandelt? Leider ist MS bisher nicht heilbar. Es gibt für die meisten Verlaufsformen (Ausnahme: progrediente MS) aber wirksame Medikamente, die individuell einsetzbar sind. Auftretende Symptome (Schübe) werden mit Kortikosteroiden behandelt. Zur Basistherapie (Langzeittherapie) gibt es eine Reihe von immunmodulierenden Medikamenten. Zur Therapieoptimierung oder bei rasch fortschreitenden Verlaufsformen gibt es u. a. oral verfügbare Medikamente. Außerdem können monoklonale Antikörper (hoch spezialisierte, synthetische Antikörper, die in der Lage sind, natürliche Abwehrprozesse des Körpers zu aktivieren) oder Chemotherapeutika (Substanzen, die das Zellwachstum hemmen) angewendet werden. 35. Wann sollte mit der Behandlung der Multiplen Sklerose begonnen werden? Es wird empfohlen, mit der Behandlung frühzeitig zu beginnen – unter Umständen schon im Falle eines klinisch isolierten Symptoms (KIS) (➝ Frage 7). Bei einer frühzeitigen Behandlung sind die Chancen, den Langzeitverlauf der Krankheit günstig zu beeinflussen, besonders hoch. Nicht nur die Zahl der potentiellen Schübe kann so vermindert werden, auch der Übergang in das sekundär-progrediente Stadium (SPMS) und die Zunahme des Behinderungsgrades werden verzögert. 18 Schubverlauf Schubverlauf in Relation zum Therapiebeginn Natürlicher Verlauf der MS späterer Therapiebeginn Späterer Therapiebeginn Therapiebeginn bei Diagnosestellung Krankheitsbeginn Therapiebeginn bei Diagnosestellung Zeit Quelle: Mod. nach Miller JR. J Manag Care Pharm. 2004 June. Abbildung: Ein frühzeitiger Therapiebeginn erhöht die Chance optimal den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Wie lange soll die Therapie fortgeführt werden? 36. Da es sich bei der MS um eine chronische und lebenslange Erkrankung handelt, ist eine dauerhafte Therapie erforderlich. Wichtig für eine dauerhafte und langfristige Wirkung ist vor allem die kontinuierliche Einnahme – es empfiehlt sich unbedingt, dabei zu bleiben! Manchmal werden wahrscheinlich Gedanken hochkommen wie „Brauche ich das wirklich?“, insbesondere wenn es Ihnen unter der Behandlung gut geht. Sie sollten bedenken, dass gerade die Behandlung der Grund sein könnte, warum lange keine Schübe oder keine anderen Beschwerden aufgetreten sind. Zwar kann die MS nicht geheilt werden, aber viele Symptome, Schübe und das Fortschreiten der Erkrankung können verzögert werden. Nach Absetzen der Medikamente würden die Beschwerden wahrscheinlich wiederkommen und zu neuen Problemen führen. 19 37. Wie wird der akute MS-Schub behandelt? Zur Behandlung des akuten Schubs werden hoch dosierte Kortisonpräparate (z. B. Methylprednisolon) eingesetzt, die stark entzündungshemmend wirken. Sie wirken sowohl immunmodulatorisch als auch antientzündlich, eventuell fördern sie auch die Remyelinisierung der Nerven und beeinflussen die Nervenleitfähigkeit der Nervenfasern günstig. Da sie bei längerer Einnahme starke Nebenwirkungen haben, dauert die Schubtherapie drei bis maximal fünf Tage. Bei ungenügender Besserung kann eine erneute KortikoidPulstherapie sinnvoll sein und bei besonders schweren Schüben besteht die Möglichkeit einer Plasmapherese-Therapie (➝ Blutwäsche Frage 41). 38. Kann Kortison schaden? Eine kurzzeitige Therapie mit Kortisonpräparaten wird in der Regel gut vertragen. Für eine Langzeittherapie der MS sind diese Substanzen jedoch aufgrund von Nebenwirkungen nicht geeignet. Häufige Nebenwirkungen sind Magenbeschwerden, gegen die man vorbeugend ein Mittel bekommt, sowie Schlafstörungen. Schwerwiegende Nebenwirkungen, wie Magenblutungen, Blutgerinnungsstörungen (Thrombosen) und Flüssigkeitseinlagerung mit Gewichtszunahme, treten nur unter längerer Kortisonbehandlung auf. 39. Was ist eine Intervalltherapie mit Kortison? Dabei handelt es sich um eine in regelmäßigen Abständen durchgeführte Stoßtherapie mit Kortisonpräparaten zusätzlich zur dauerhaften Therapie. Aktuell wird die Durchführung eines solchen Vorgehens aufgrund der unzureichenden Studienlage selten empfohlen. 20 Was ist eine Basis- bzw. Eskalationstherapie? 40. Oft bilden sich die Symptome nach einem Schub wieder vollständig zurück. Doch jeder Schub birgt das Risiko, bleibende Schäden und damit eine dauerhafte Behinderung zu verursachen. Deshalb wird heute empfohlen, kontinuierlich und schubvorbeugend zu behandeln. Man bezeichnet dies als „Basistherapie“. Bisher wurden zur Basistherapie vor allem zwei immunmodulierende Wirkstoffklassen verwendet: Interferon beta und Glatirameracetat. Gegenwärtig sind vier Interferon beta-Präparate bei MS zugelassen, die sich in ihrer Dosierung und Anwendungsart unterscheiden. Alle Medikamente dieser beiden Wirkstoffklassen müssen gespritzt werden. In Ausnahmefällen stehen für die Basistherapie noch Medikamente wie Azathioprin oder Intravenöse Immunglobuline zur Verfügung. Wenn die Basistherapie mit den genannten Präparaten nicht den gewünschten Therapieerfolg zeigt oder die Krankheitsaktivität von Anfang an sehr hoch ist, gibt es die Möglichkeit einer weiterführenden Behandlung mit anderen Medikamenten, die sogenannte Eskalationstherapie. Dazu zählt Fingolimod, ein Medikament, das oral als Kapsel eingenommen wird sowie Natalizumab, Mitoxantron und in Ausnahmefällen Cyclophosphamid. Die Zulassungen für weitere MS-Therapien werden erwartet. Basistherapie Medikament Wirkmechanismus Anwendungsart Interferon beta-1b (s. c.) Immunregulatorische Eigenschaften, die sich positiv auf die MS auswirken alle 2 Tage unter die Haut spritzen Interferon beta-1a (s. c.) Immunregulatorische Eigenschaften, die sich positiv auf die MS auswirken 3 x in der Woche unter die Haut spritzen Interferon beta-1a (i. m.) Immunregulatorische Eigenschaften, die sich positiv auf die MS auswirken 1 x in der Woche in den Muskel spritzen Glatirameracetat (GLAT) Modifizierende Eingriffe in das Immunsystem, die krankheitsmildernde Mechanismen aktivieren 1 x täglich unter die Haut spritzen Stand 06/2013 21 Basistherapie (alternative Behandlungsmöglichkeiten) Medikament Wirkmechanismus Anwendungsart Azathioprin Hemmt die Bildung von Lymphozyten im Knochenmark 2,3–5 mg/kg Körpergewicht, orale Einnahme, 1 x täglich Intravenöse Immunglobuline Einfluss auf Lymphozytenwachstum und -funktion 0,2 g/kg Körpergewicht i. v. 1 x monatlich Stand 06/2013 Eskalationstherapie Medikament Wirkmechanismus Anwendungsart Fingolimod Schützt das ZNS gegen Angriffe des Immunsystems, indem es bestimmte weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) daran hindert, sich frei im Körper zu bewegen, und diese vom Gehirn und Rückenmark fernhält 1 x täglich orale Einnahme von 0,5 mg Natalizumab Verringert die Anzahl der ins Gehirn wandernden Lymphozyten 300 mg i. v./Monat Mitoxantron Zerstörung von Lymphozyten 5–12 mg pro m2 Körperoberfläche i. v., 1 x alle 3 Monate Cyclophosphamid Zerstörung von weißen Blutkörperchen inklusive Lymphozyten 350–600 mg pro m2 Körperoberfläche i. v., 1 x alle 6 bis 8 Wochen Stand 06/2013 22 Lediglich den akuten Schub zu behandeln, reicht nicht aus. Der Entzündungsvorgang kann auch ohne erkennbare Symptome bzw. Schübe weiter voranschreiten. Ziel jeder Therapie ist, den natürlichen Verlauf der MS zu beeinflussen, das heißt, die Häufigkeit und Schwere von Schüben zu reduzieren und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Wann hilft eine Blutwäsche-Behandlung? 41. Wenn sich die Symptome unter einer Kortisontherapie nicht bessern, steht in spezialisierten Zentren auch die Möglichkeit einer Blutwäsche (= Plasmapherese) zur Verfügung. Die kommt aber nur bei einem schweren akuten Schub und auch nur für eine kleine Gruppe von Patienten in Frage. Dabei werden in einem Verfahren, das der Dialyse bei Nierenkranken ähnelt, Eiweiße aus dem Blut herausgewaschen („Plasmapherese“), die auf den autoimmunen Entzündungsprozess Einfluss nehmen. Die Behandlung sollte spätestens 4 bis 6 Wochen nach Auftreten des MS-Schubes beginnen. Es werden 3 Behandlungen pro Woche über 2 Wochen durchgeführt. Bei 70 % der behandelten Patienten kann damit eine Verbesserung oder sogar die vollständige Rückbildung des Schubes erreicht werden. Die Methode eignet sich nicht als Langzeitbehandlung. Welche Behandlungsmethoden der Symptome gibt es? 42. Die Behandlung der MS hat in den letzten Jahren durch die Einführung einer wirksamen Schubbehandlung und insbesondere der Immuntherapie große Fortschritte gemacht. Dennoch ist die MS bisher nicht heilbar. Neu auftretende Krankheitsschübe können weitere Einschränkungen im Alltag verursachen. So vielfältig wie die Symptome der MS sind auch die Behandlungsmethoden: Körperliche Symptome Besonderes Augenmerk bei der Therapie liegt darauf, zum einen die motorischen Fähigkeiten zu verbessern, zum anderen Alltagskompetenzen, Selbstständigkeit sowie Berufs- bzw. Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Damit wird ein sozialer Rückzug vermieden und nicht zuletzt auch die Lebensqualität entscheidend verbessert. Die wichtigsten Behandlungsformen sind: • Physiotherapie: Krankengymnastik, Bewegungsbad und vieles mehr. Therapieziele: Verbesserung von Störungen der Motorik und Koordination und Vorbeugung von Komplikationen • Ergotherapie: Spezielle Techniken zur Stabilisierung des Rumpfes und der Bewegungskoordination, Üben von Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Essen, Trinken, Schreiben, etc.) Therapieziele: Verbesserung der Beweglichkeit, Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Alltagsfähigkeiten, Selbstständigkeit und Berufsfähigkeit 23 • Sporttherapie: Gymnastisches Übungsprogramm, Ausdauersportarten wie Radfahren, Schwimmen, Laufen; Hippotherapie (Heilpädagogisches Reiten), Tai-Chi (Chinesisches Schattenboxen) und vieles mehr Therapieziele: Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens, Steigerung von Ausdauer und Beweglichkeit, Besserung bzw. Vorbeugung von Verspannungen und Schmerzen • Logopädie: Sprachtraining, Steuerung der Sprechgeschwindigkeit, Steuerung des Stimmtons und Verstärkung der Stimme, Schlucktraining (Verbesserung der Schlucktechnik) Therapieziele: Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, Erhaltung der Berufsfähigkeit, Vorbeugung von Komplikationen (Mangelernährung, Aspiration von Nahrungsbestandteilen) • Verordnung von Hilfsmitteln: Zur Erleichterung des Alltags, z. B. Gehstock, Rollator, spezielle geformte Haushaltsgegenstände, Zubehör zu Telefon und Computer 24 Psychische Symptome Dies sind die „unsichtbaren Symptome“ der MS – Fatigue, Depression und kognitive Störungen. Abgesehen von gezielter psychotherapeutischer Betreuung haben sich die folgenden Methoden bewährt: • Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken: Autogenes Training, Muskelrelaxation nach Jacobson, Yoga • Ausdauersportarten bei Fatigue (siehe Sporttherapie) • Neuropsychiatrische Verfahren, Systematisches Training bei kognitiven Störungen: Gedächtnistraining, Lernstrategien, „Gehirn-Jogging“, computergestütztes Aufmerksamkeitstraining, gezieltes Training einzelner Funktionsstörungen (siehe Ergotherapie) Therapieziele: Training erhaltener Funktionen, Erhaltung von Alltagskompetenz und Berufsfähigkeit, Strategien zur Kompensation von Beeinträchtigungen, Vermeidung eines sozialen Rückzugsverhaltens, Verminderung des subjektiven Leidensdrucks • Psychotherapie: Gesprächstherapie, Gruppentherapie, kognitive Verhaltenstherapie, Coping-Strategien (= Hilfen zur Krankheitsbewältigung für Patienten und Angehörige) Therapieziele: Förderung der Krankheitsbewältigung, psychische Stabilisierung, Anpassung an das Autonomie- bzw. Abhängigkeitserleben im Verlauf der Erkrankung, Verminderung des subjektiven Leidensdrucks Bevor man über weitere Behandlungsmöglichkeiten nachdenkt, sollte zuerst immer die bestehende Medikation überprüft und gegebenenfalls umgestellt werden. Denn einige Medikamente können auch typische MS-Symptome auslösen oder verstärken. Außerdem können viele Symptome auch erfolgreich medikamentös behandelt werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, welche Präparate für Sie geeignet sind. 25 43. Welchen Einfluss hat die Ernährung auf den Verlauf der MS? Bis heute gibt es keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass die Ernährung bei MS einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Sicherlich aber kann eine ernährungsbewusste Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung zum seelischen Wohlbefinden beitragen. Wie jeder Mensch sollten auch MS-Betroffene abwechslungsreich, vollwertig und kalorienbewusst essen. Dazu gehören unter anderem viel frisches Obst und Gemüse, ein bis zwei Portionen frischer Seefisch pro Woche sowie hochwertige pflanzliche Fette, z. B. Distel- oder Rapsöl. Allgemein gilt für MS-Erkrankte, mit einer gesunden Ernährungsweise möglichst die körpereigenen Kräfte zu stärken. 44. Gibt es eine spezielle MS Diät? Es gibt keine spezielle MS-Diät. Zwar gibt es verschiedene Ansätze für eine MS-Diät, wie beispielsweise die Evers-Diät, die Fratzer-Diät oder die Glutenfreie Diät, um nur einige zu nennen, die Diäten beruhen jedoch auf rein hypothetischen Überlegungen und konnten nicht wissenschaftlich ausreichend belegt werden. Für die Langzeiternährung haben sie sich als ungeeignet erwiesen. Als günstig hat sich eine Ernährung erwiesen, die ausgewogen und reich an pflanzlichen Bestandteilen ist. Durch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren, Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E und b-Karotin sowie der Spurenelemente Kupfer, Selen und Zink wird das Entzündungsgeschehen günstig beeinflusst. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „antientzündlichen Ernährung“. Nicht empfehlenswert hingegen ist eine Ernährung, die sich überwiegend aus tierischen Produkten (Eigelb, Butter, Fleisch, usw.) zusammensetzt, da die in tierischen Nahrungsmitteln befindliche Arachidonsäure Entzündungsprozesse verstärken kann. Nahrungsergänzungsmittel, wie Fischölkapseln, Vitaminpräparate oder Spurenelementpräparate sollten nur in Absprache mit Ihrem Arzt eingenommen werden. Allgemein sind zusätzliche Gaben bei einer vollwertigen Ernährung nicht erforderlich. Ernährung bei Multipler Sklerose Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsamfür für für fürein ein ein einbesseres besseres besseres besseresLeben Leben Leben Lebenmit mit mit mitMS. MS. MS. MS. Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsam Gemeinsamfür für für fürein ein ein einbesseres besseres besseres besseresLeben Leben Leben Lebenmit mit mit mitMS. MS. MS. MS. 26 Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserer Broschüre Ernährung bei Multipler Sklerose, die Sie über unsere EXTRACARE-Hotline anfordern können. Wie wirkt sich Alkohol auf die MS auf? 45. Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass gemäßigter Alkoholkonsum einen negativen Einfluss auf den Langzeitverlauf der MS hat. Ein Glas Bier oder Wein zum Essen oder in gemütlicher Runde schadet Ihnen sicher nicht. Regelmäßiger Alkoholkonsum in größeren Mengen sollte allerdings vermieden werden. Einige Medikamente, z. B. Antidepressiva, vertragen sich nicht so gut mit Alkohol. Fragen Sie Ihren Arzt. Hat Stress einen Einfluss auf die MS? 46. Stress gehört zwar nicht zu den Ursachen der MS, lang anhaltende, als negativ erlebte Überlastungssituationen (= Disstress) können jedoch einen akuten MS-Schub auslösen. Es gibt Hinweise darauf, dass Disstress das Immunsystem negativ beeinflusst und die entzündlichen Mechanismen begünstigt. Aus diesem Grund sollte man negative Stressfaktoren möglichst vermeiden. Und auch wenn das nicht vollständig gelingt, so kann man doch Strategien erlernen, die den Umgang mit Stress erleichtern und seine negativen Einflüsse verringern. Dazu gehören die Art und Weise, wie Sie mit der Krankheit und ihren Folgen umgehen, welche Einstellung Sie dazu entwickeln sowie Möglichkeiten der Stressbewältigung, um akuten Belastungssituationen besser begegnen zu können. 27 47. Wie wirkt sich Rauchen auf die MS aus? Verschiedene Studien zeigten, dass Rauchen nicht nur zu einem erhöhten Risiko an Multiple Sklerose zu erkranken führt, sondern auch die Entwicklung einer sekundär progredienten MS sowie das Voranschreiten einer Behinderung beschleunigen kann. So ist beispielsweise das Risiko bei Rauchern, an MS zu erkranken, 1,5mal so hoch wie bei Nichtrauchern. Auslöser sind, laut Brian C. Healy, Giftstoffe im Tabak, die die Myelinschicht der Nervenzellen zusätzlich zerstören. Da Rauchen für den Körper Stress (➝ Frage 46) bedeutet, der Auslöser für einen neuen MS-Schub sein kann, ist vom Rauchen abzuraten. So ersparen Sie Ihrem Körper zusätzliche Belastungen.5,6,7 48. Kann ich weiter Sport treiben? Sport und Bewegung können entscheidend zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen. Dieses gilt auch für Patienten mit MS. Sport fördert nicht nur soziale Kontakte, sondern trägt auch zur allgemeinen Steigerung der Lebensqualität bei. Denn neben der positiven Auswirkung auf die Stimmungslage kann auch weiteren MSbedingten Beeinträchtigungen durch körperliche Aktivität sehr effektiv begegnet werden, z. B. durch Training der Muskelkraft, Bewegungskoordination oder Konzentration. Ein regelmäßiges Ausdauertraining verbessert zudem die Symptomatik der Fatigue. Insgesamt ist Sport in Maßen also sehr empfehlenswert. Problematisch könnten, je nach Trainingszustand, allerdings übermäßige Belastungen sein. Probieren Sie einfach aus, inwieweit Sie Ihrer Lieblingssportart weiterhin nachkommen können. Freizeit, Sport und Reisen mit MS 5 6 28 7 Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserer Broschüre Freizeit, Sport und Reisen mit MS, die Sie über unsere EXTRACARE-Hotline anfordern können. Healy B et al. Smoking and Disease Progression in Multiple Sklerosis. Arch Neurol. 2009;66(7):858–864. Di Pauli et al. Smoking is a risk factor for early conversion to clinically definite multiple sclerosis. Multiple Sclerosis 2008 Jul. Sundström & Nyström. Smoking worsens the prognosis in multiple sclerosis. Multiple Sclerosis 2008 Jul. Kann ich weiter Auto fahren? 49. Die Diagnose MS bedeutet nicht automatisch, künftig auf das Autofahren verzichten zu müssen. Wenn es Ihnen soweit gut geht, dürfen Sie auch weiterhin ein Fahrzeug lenken. Bei Behinderungen müssen ggf. technische Umrüstungen die Verkehrssicherheit gewährleisten. Wenn Sie allerdings unter schweren Beeinträchtigungen leiden, wie z. B. Doppelbilder sehen oder Koordinationsstörungen haben, ist die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben. Um sich und Ihre Mitmenschen nicht zu gefährden, sollten Sie in diesen Fällen das Autofahren unbedingt unterlassen. Wer sich dennoch hinter das Steuer setzt, läuft bei einem Unfall Gefahr, einen Teil der Schuld zugeteilt zu bekommen, selbst wenn man den Unfall nicht verursacht hat. Auch können dann Probleme bei der Schadenshaftung durch die Versicherung auftreten. Einige Institutionen, z. B. Rehabilitationskliniken, bieten eine Prüfung der Fahrtüchtigkeit an: mittels theoretischer, meist neuropsychologischer und praktischer, durch speziell geschulte Fahrlehrer durchgeführte Tests. Werden Defizite festgestellt, wird man dazu raten, einige Fahrstunden zu absolvieren oder spezielle Hilfsmittel in das Fahrzeug zu integrieren. Kann ich weiter in Urlaub fahren? Worauf muss ich achten? 50. MS ist kein Grund, auf einen Urlaub zu verzichten. Planen Sie Ihre Reise gut und bereiten Sie sich auf eventuelle Probleme vor. Körperlich sehr anstrengende Reisen sollten möglichst vermieden werden (➝ Frage 46). Urlaub in tropischen Ländern kann aufgrund der Hitze und des erhöhten Infektionsrisikos problematisch sein, weil ein Impfschutz möglicherweise nötig wird (➝ Frage 10) oder ein zu heißes Klima schubähnliche Beschwerden hervorrufen oder verstärken kann (➝ Frage 33). Die Langzeittherapie u.a. mit Interferon beta-1b Präparaten muss auch im Urlaub unbedingt fortgesetzt werden. Es empfiehlt sich für die Urlaubszeit ausreichend Spritzen, Kanülen, Medikamente, Tupfer und Desinfektionsmittel mitzunehmen. Die Medikamente müssen je nach Vorgabe (Beipackzettel!) gekühlt aufbewahrt werden. Darauf ist auch unterwegs im Zug, Flugzeug, Hotel usw. zu achten. Denken Sie unbedingt daran, eine Bescheinigung (Therapiepass) über die medizinische Notwendigkeit der mitgeführten Medikamente (am besten auf Englisch) und eine vom Neurologen abgestempelte Zollerklärung mitzunehmen. Ihr Arzt oder unsere MS-Schwestern/-Pfleger können Sie beraten. 29 51. Kann man mit MS Blut spenden? Multiple Sklerose-Patienten sollten prinzipiell von einer Blutspende Abstand nehmen, da mögliche negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf nur unzureichend bekannt sind. Außerdem ist zu beachten, dass einige Therapien der MS auf das Immunsystem einwirken. Sie nehmen u. a. Einfluss auf die Blutzellen und auf deren Neubildung im Knochenmark. Eine Blutspende greift ebenso in die Blutneubildung im Knochenmark ein und kann das Immunsystem gefährden. Sie kann daher den Therapieerfolg möglicherweise beeinflussen. 52. Wo finde ich Rat und Unterstützung? Die ersten Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die MS sind der Hausarzt und der behandelnde Neurologe. Außerdem stehen Ihnen die regionalen Selbsthilfegruppen für MS-Patienten und deren Angehörige sowie die Beratungsstellen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) mit Rat und Tat zur Seite. Neben der DMSG-Homepage gibt es im Internet zahlreiche weiterführende und interessante Links zum Thema Multiple Sklerose, die zum Teil gute und ausführliche Informationen oder einen Austausch mit MS-Patienten bieten. Die Inhalte und Informationen sind allerdings oft mit Vorsicht zu genießen, denn nicht jeder, der eine Homepage betreibt, hat die Qualifikation und das nötige Wissen. Achten Sie daher unbedingt auf vertrauenswürdige Quellen und mögliche Zertifizierungen der Internetseiten. Wichtige Adressen und Websites haben wir für Sie auf Seite 39 zusammengestellt. Dort finden Sie auch Informationen für Behinderte und Rollstuhlfahrer, z. B. zu Sportgruppen oder spezialisierten Reiseveranstaltern. 53. Hat die MS Auswirkungen auf mein Berufsleben? 30 Das hängt entscheidend davon ab, ob Sie bleibende Funktionseinbußen haben, wie rasch die MS fortschreitet und was Sie beruflich machen. Viele MS-Erkrankte arbeiten über Jahrzehnte hinweg leistungsfähig in ihrem Beruf. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass MS-typische Symptome wie z. B. Sehstörungen oder die kognitiven Störungen im Job ein Problem darstellen können. MS-Kranke benötigen häufiger Ruhepausen, da sie schneller müde werden können. Meist muss sich ein MS-Kranker deshalb den Arbeitsablauf anders einteilen als ein gesunder Mensch. Auch die richtige Berufswahl ist daher wichtig. In manchen Fällen kann eine Umschulung in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einer innerbetrieblichen Umbesetzung. Bereits frühzeitig, auch wenn noch keine Behinderung eingetreten ist, sollten Sie sich über die Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation informieren. Der Verlauf der MS ist variabel und individuell nicht vorhersehbar, sodass der einzelne Betroffene zunächst nicht abschätzen kann, wie lange er seinen Beruf wie gewohnt ausüben kann. Im günstigsten Fall wird er nie in die Lage kommen, berufliche Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen zu müssen. Es hängt vor allem auch von der beruflichen Tätigkeit und der Art der körperlichen Belastung ab, ob eventuell eine Neuorientierung notwendig wird. Ansprechpartner für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen sind die Rentenversicherungsträger. Generell kann man sagen, dass es vorteilhaft ist, solange wie möglich weiter berufstätig zu bleiben. So behalten Sie einen großen Teil Ihrer sozialen Kontakte, abgesehen von der Familie und den Freunden. Die Berufstätigkeit bietet Ihnen auch Ablenkung und Selbstbestätigung – dies ist nicht zu unterschätzen, da es Ihre Zufriedenheit und Ihr Selbstwertgefühl steigert. Muss ich meinen Arbeitgeber über die MS-Diagnose informieren? 54. Nach der bisher geltenden Auffassung des Bundesarbeitsgerichts muss ein Arbeitnehmer von sich aus in der Regel weder eine chronische Erkrankung noch eine festgestellte Schwerbehinderung mitteilen. Fragt der Arbeitgeber jedoch danach, ist die Erkrankung mitzuteilen, wenn sie sich negativ auf das konkrete Arbeitsverhältnis auswirkt. Die Gefahr, dass eine Erkrankung eintreten kann, ist nicht mitteilungspflichtig. Eine vorliegende Sehstörung oder chronische Erschöpfung sind allerdings schon Einschränkungen, die sich auf die Arbeit auswirken können. Diese dürfen dem Arbeitgeber daher nicht verschwiegen werden. Auf Frage des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer mitteilungspflichtig, wenn es eine chronische (dauerhafte/mindestens sechs Monate andauernde) Einschränkung ist. Die Frage nach Schwerbehinderung bzw. nach Gleichstellung ist zu bejahen, wenn Schwerbehinderung oder Gleichstellung anerkannt sind. Wer die zulässige Frage des Arbeitgebers nach Schwerbehinderteneigenschaft bzw. Gleichstellung bei Vorliegen einer chronischen Erkrankung wahrheitswidrig verneint, kann entweder gekündigt werden oder seinen Arbeitsvertrag vor Arbeitsantritt durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wieder verlieren. Viele Arbeitgeber sind durchaus verständnisvoll und bereit, Ihnen mit individuellen Lösungen entgegenzukommen, damit Sie weiterhin produktiv arbeiten können. Auch das Integrationsamt bietet hier viele verschiedene Hilfestellungen an, wie Eingliederungshilfe oder Unterstützung bei der Einrichtung eines speziellen Arbeitsplatzes. 31 55. Habe ich Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis? Das Schwerbehindertengesetz beurteilt die Schwere einer Gesundheitsstörung unabhängig von ihrem Einfluss auf die Erwerbstätigkeit. Abhängig vom Grad der Behinderung gelten bestimmte Regelungen. Diese beziehen sich beispielsweise auf den Kündigungsschutz, die Steuern oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Voraussetzung für die Anerkennung als Schwerbehinderter sind nachweisbare Behinderungen. Die Diagnose MS alleine ist nicht ausreichend. Im Einzelfall müssen die Vorteile eines Schwerbehindertenausweises gegen mögliche Nachteile abgewogen werden. 56. Welche Rechte habe ich? Eine chronische Krankheit verursacht häufig zusätzliche Kosten. Der Gesetzgeber hat deshalb unterschiedliche Wege geschaffen, behinderte Menschen steuerlich zu entlasten und Nachteilsausgleiche zu schaffen. Im Falle einer Behinderungen gelten für MS-Patienten besondere sozialrechtliche Bestimmungen und Gesetze wie z. B. in manchen Fällen das Schwerbehindertengesetz, Versicherungspflichtigkeiten oder Rentenbestimmungen. Weiterführende Informationen dazu bieten die Integrationsämter. Gegenüber den Krankenkassen haben Sie die gleichen Rechte wie jeder andere Patient auch. Die gesetzlichen Kassen sind verpflichtet, auch Menschen mit MS aufzunehmen und die Kosten für notwendige Therapiemaßnahmen zu tragen. Man sollte jedoch bedenken, dass sich durch die Öffnung der Krankenkassen und die vermehrten Wechselmöglichkeiten auch das Leistungsspektrum einzelner Kassen deutlich voneinander unterscheiden kann – dieses merkt man z. B. bei ergänzenden Leistungen wie Ernährungsberatungen, Kuren oder anderen Maßnahmen, die im Einzelfall für die MS sinnvoll sein können. Dazu gehören auch notwendige Hilfsmittel und ein eventuell erforderlicher behindertengerechter Umbau Ihrer Wohnung. Bei privaten Kassen und Lebensversicherungen bestehen oft bestimmte Aufnahmeklauseln, die chronisch verlaufende Krankheiten bei Abschluss eines Vertrages vom Versicherungsschutz ausschließen. Die MS sollte hier auch aus rechtlichen Gründen nicht verschwiegen werden. Bei fortschreitenden Einschränkungen im Berufsleben kann der Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Sie soll den Gehaltsausfall des Arbeitnehmers wegen seiner eingeschränkten Arbeitsfähigkeit pro Tag ausgleichen. Bei der Erwerbsminderungsrente kommt es darauf an, wie lange jemand trotz beeinträchtigter Gesundheit täglich arbeiten kann. Die Erwerbsminderungsrente gibt es als „Rente auf Zeit“ wegen voller bzw. 32 teilweiser Erwerbsminderung. Die individuelle Dauer der täglichen Arbeitsfähigkeit ist dabei ausschlaggebend, ob eine teilweise oder eine vollständige Erwerbsminderungsrente gewährt wird. Neben der Möglichkeit einer Rente oder des Arbeitslosengeldes gibt es Leistungen zur Grundsicherung für ArbeitsMehr Informationen zu diesem Thema suchende und Grundfinden Sie in unserer Broschüre Recht und sicherung im Alter und Soziales mit MS, die Sie über unsere EXTRAbei voller ErwerbsminCARE-Hotline anfordern können. derung auf Dauer. Recht und Soziales mit MS Welche Auswirkungen kann die MS auf das Familienleben bzw. auf die Partnerschaft haben? 57. Das Leben in Partnerschaft oder Familie ist bei MS-Kranken im Vergleich zu Gesunden viel größeren psychischen Belastungen ausgesetzt. Zum einen für den MS-Patienten, denn häufig tauchen mit der Krankheit eine ganze Reihe von Fragen auf, die das Selbstwertgefühl betreffen: Bin ich noch attraktiv für meinen Partner? Verliere ich ihren oder seinen Respekt durch meine Beeinträchtigung? Kann ich meiner Rolle als Vater oder Mutter noch gerecht werden? Doch auch für die gesunden Familienmitglieder verändert sich einiges. Unkenntnis über die MS kann eine Menge Missverständnisse hervorbringen und die Angehörigen verunsichern. Eine angemessene Information und eine offene Diskussion über die Erkrankung und Behandlung sorgen für mehr Verständnis, Toleranz und Geduld auf beiden Seiten und vereinfachen den familiären Umgang. Gehen Sie daher offen miteinander um, sprechen Sie über Ängste und Befürchtungen und suchen Sie gemeinsam nach praktikablen Lösungen für den Alltag. Auch Kinder sind sensibel gegenüber Veränderungen der familiären Stimmungslage und entwickeln größere Ängste und Sorgen, wenn sie nicht bzw. nur unzureichend informiert sind. Deshalb sollten Kinder altersgemäß über die MS-Krankheit aufgeklärt werden. Nur so können sie lernen, mit den einhergehenden Veränderungen und Symptomen umzugehen. Das heißt beispielsweise, Ihr Kind lernt, dass häufige Müdigkeit (= Fatigue) (➝ Frage 33) ein Begleitsymptom der MS ist und kein Desinteresse. So kann Ihnen Ihr Kind Zeit geben, sich regelmäßig auszuruhen und überfordert Sie nicht. Über die veränderten Bedürfnisse zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden ist daher wichtig für die ganze Familie. 33 58. Kind – ja oder nein? Was muss ich beachten? Sicherlich machen Sie sich viele Gedanken darüber, ob Sie als MS-Patient(-in) überhaupt Kinder bekommen sollten. Generell gilt: Die MS selbst sollte kein Hinderungsgrund sein. Allerdings sind einige Dinge zu beachten. Frauen mit MS haben im Regelfall einen normalen Zyklus mit Eisprung, d. h. sie können, falls keine Empfängnisverhütung durchgeführt wird, auch ganz normal schwanger werden. Eine sichere Verhütung ist während einer medikamentösen (Langzeit-)Therapie der MS zu empfehlen, da diese möglicherweise zu Erbgutschäden sowie Fehl- oder Frühgeburten führen kann. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über den Kinderwunsch und fragen Sie ihn, ob und wann Sie gegebenenfalls Ihre Medikamente absetzen sollten. Die MS selbst hat zwar keinen Einfluss auf die Empfängnisfähigkeit der Frau, jedoch können einige Medikamente zum Ausbleiben des Eisprunges und der Monatsblutung (= Amenorrhoe) führen. Wenn Sie schwanger werden möchten, sollten Sie mit Ihrem Arzt mögliche Nebenwirkungen der Medikamente besprechen. Familie, Partnerschaft und Freunde mit MS 34 Bei einzelnen männlichen MS-Betroffenen kann eine eingeschränkte Zeugungsfähigkeit bestehen, wenn Schwierigkeiten mit der Erektion oder Ejakulation auftreten. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten, welche Behandlungsmöglichkeiten in diesem Fall zur Verfügung stehen. Beide Geschlechter können möglicherweise durch die Behandlung mit Mitoxantron unfruchtbar werden. Männer mit Kinderwunsch sollten sich daher vor Beginn einer Behandlung hinsichtlich der Möglichkeiten für eine Spermakonservierung informieren.8 Ist MS vererbbar? 59. Es besteht beim Menschen offensichtlich eine vererbte Veranlagung („genetische Disposition“), eine MS zu entwickeln. Hierbei sind sehr viele Gene beteiligt und der genaue Zusammenhang ist noch nicht bekannt. Insgesamt besteht für die Kinder von MS-Patienten zwar ein etwas erhöhtes Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, das Risiko ist jedoch immer noch als gering einzuschätzen und sollte daher auch in den meisten Fällen einem Kinderwunsch nicht im Wege stehen. Kann oder sollte ich verhüten? Wenn ja, wie? 60. Bei MS-Patientinnen sind, abhängig von der Lebenssituation, alle Formen der Empfängnisverhütung – Antibabypille, Spirale, Muttermundkappe (= Diaphragma), samenabtötende Scheidenzäpfchen und Sterilisation – anwendbar. Es gelten dieselben Empfehlungen und Einschränkungen wie bei gesunden Frauen. Betroffene Männer können mit Kondom verhüten oder bei abgeschlossenem bzw. nicht vorhandenem Kinderwunsch eine Sterilisation durchführen lassen. Eine sichere Verhütung ist vor Beginn einer immunprophylaktischen Langzeittherapie der MS zu empfehlen, da die Medikamente möglicherweise in der Schwangerschaft zu Fehlgeburten führen oder aber eine schädigende Wirkung auf das Kind haben können. 8 Neuhaus O et al. Therapeutic role of mitoxantrone in multiple sclerosis. Pharmacology & Therapeutics 109, 198–209. 35 61. Ich bin schwanger. Was muss ich beachten? Grundsätzlich sind bei Schwangerschaft sowie Entbindung nicht mehr Komplikationen bei MS-Erkrankten zu erwarten als bei gesunden Müttern. Da eine Therapie mit Interferonen möglicherweise in der Schwangerschaft zu Spontanaborten führen kann, sollte jedoch mit Ihrem Arzt bereits vorher diskutiert werden, ob und wann Sie gegebenfalls Ihre Medikamente absetzen oder auf andere Präparate umstellen sollten. Falls während der Schwangerschaft eine vorbeugende Therapie notwendig sein sollte, dann stehen die Intravenösen Immunglobuline (IVIG) zur Verfügung, die jedoch nicht für die MS zugelassen sind. Sie haben keinerlei schädliche Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf oder das Kind. 62. Hat die Schwangerschaft einen Einfluss auf den MS-Verlauf? Bei den meisten Frauen wirkt eine Schwangerschaft wegen der hormonellen Umstellungen eher schützend vor MS-Schüben, sodass viele Frauen auf eine Basistherapie während der Schwangerschaft verzichten können. In Sonderfällen gibt es auch vorübergehende 36 Alternativen zur MS-Therapie (Intravenöse Immunglobuline, IVIG; nicht zugelassen für die MS).9 Nach der Geburt kann es zwar zu einer Schubhäufung kommen, doch der Gesamtverlauf der Erkrankung verschlechtert sich nicht. Sollte ein Schub auftreten, dann ist die Gabe von Kortison nach den ersten drei Schwangerschaftsmonaten unbedenklich. In den ersten drei Monaten sollte eine Kortisonbehandlung jedoch nur nach sorgfältiger Prüfung des Nutzen-/Risiko-Verhältnisses erfolgen. Kann ich mit MS stillen? 63. Wie die Schwangerschaft wirkt sich auch das Stillen individuell auf jeden anders aus. Zunächst gibt es keinen Grund Müttern mit Multipler Sklerose vom Stillen abzuraten. Bei vielen wirkt es sich sogar vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf der MS aus. Aber für manche Frauen bedeutet das Stillen auch Stress (➝ Frage 46), der sogar einen neuen Schub auslösen kann. Sollte während der Schwangerschaft ein MS-Schub aufgetreten sein, kann es empfehlenswert sein, direkt nach der Entbindung sofort wieder mit der vorbeugenden Immuntherapie (gewöhnlich mit dem gleichen Präparat wie vor der Schwangerschaft) zu beginnen. Während dieser medikamentösen Therapie wird nicht zum Stillen geraten. Einzig Intravenöse Immunglobuline (IVIG) scheinen unbedenklich für das Kind. Bislang besitzt jedoch keines der am Markt befindlichen IVIG-Präparate eine Zulassung für die Multiple Sklerose.9 9 DGS/KKNMS Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose. Online-Version, Stand: 9.8.2012: www.kompetenznetz-multiplesklerose.de 37 Hilfen und Kontakte Was tun, wenn Ihnen alles über den Kopf wächst und Sie glauben, dass Sie es alleine nicht schaffen können? Auch solche Zeiten wird es geben und dann ist professionelle Hilfe erforderlich. Wo findet man die? • Klinik / Rehabilitationsklinik, Physio- und Ergotherapeuten • MS-Zentren, MS-Schwerpunktpraxen, MS-Beratungsstellen • Neurologen, Psychologen, Partner- und Familienberatungsstellen • MS-Selbsthilfegruppen Oft finden Sie ausführliches Informationsmaterial zum Thema MS im Internet. Es hilft Ihnen, weitere Fragen zu beantworten. Bei diesen Informationen sollte man allerdings bedenken, wer sie eingestellt hat. Ist die Information neutral oder möchte man Sie für ein Produkt begeistern? Vielleicht macht jemand auch nur seinem Ärger Luft? Glauben Sie bitte nicht alles, nur weil es im Internet steht. Weiterführende Literatur Shapiro RT: Multiple Sklerose: Symptome aktiv lindern. TRIAS Verlag Stuttgart 2004 Maida E: Der große TRIAS-Ratgeber Multiple Sklerose. TRIAS Verlag Stuttgart 2005 Henze T: Multiple Sklerose: Symptome besser erkennen und behandeln: Ein Buch für Menschen mit MS. Zuckschwerdt Verlag München, 2. Auflage 2010 Fuchs S, Fazekas F: Diagnose Multiple Sklerose: Unser gemeinsamer Weg zu Lebensqualität mit MS. Springer Verlag Wien 2009 Jasper T: Familie, Partnerschaft und Sexualität bei Multipler Sklerose. dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2004 Bethke F, Schipper S: Ganzheitliche Therapie der Multiplen Sklerose. dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2008 Haupts M, Schipper S: Unsichtbare Symptome der Multiplen Sklerose. dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2010 38 Schipper H: Langzeit-Immuntherapie der Multiplen Sklerose. dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2007 Wichtige Adressen und Websites Novartis Pharma GmbH, Roonstraße 25, 90429 Nürnberg EXTRACARE-Servicehotline: 0 800-987 00 08 (gebührenfrei Mo. bis Fr. von 8.30 bis 18.30 Uhr) www.ms-und-ich.de: Informationen rund um das Thema MS. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V., Küsterstraße 8, 30519 Hannover, Telefon 0511 96834-0 www.dmsg.de: Informationen rund um das Thema MS. Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Mauerstraße 53, 10117 Berlin, www.behindertenbeauftragter.de: Alles zum Thema Recht und Soziales, Barrierefreiheit, Gleichstellung, Bildung und Beruf, Kultur. Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) Hermann-Pünder-Straße 1, 50679 Köln (Deutz) Telefon: 0221 809-7351 und 7352 www.integrationsaemter.de www.integrationsaemter.de: Rechte und Pflichten von behinderten Menschen im Beruf. www.handicap-info.de: Alles rund um das Thema Reisen, Sport und Handicap. Internationale Multiple Sklerose Gesellschaft www.msif.org: Unabhängige Information von MS-Experten aus der ganzen Welt. 39 Weitergehende Informationen finden Sie im Internet unter: www.ms-und-ich.de Falls Sie Fragen haben, steht Ihnen unser Berater-Team gerne zur Verfügung. EXTRACARE-Servicehotline: 0 800-987 00 08 (gebührenfrei Mo. bis Fr. von 8.30 bis 18.30 Uhr) EXTRACARE-Servicecenter: info@extracare.de 06/2013 Novartis Pharma GmbH Roonstraße 25 90429 Nürnberg 312561