Multiple Sklerose (MS): Symptome, Begleiterkrankungen

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Multiple Sklerose (MS): Symptome, Begleiterkrankungen
Begleiterkrankungen der MS
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MS.
MS.
MS.
Liebe Patientin, lieber Patient,
die Multiple Sklerose ist ein Krankheitsbild, das durch eine unendliche Vielfalt an Symptomen mit
individuell sehr unterschiedlichem Verlauf gekennzeichnet ist. Zusätzlich zur MS-Symptomatik
im engeren Sinn, die vor allem neurologische Funktionsstörungen betrifft, können sich im Laufe
der Zeit andere Begleiterkrankungen einstellen. Manche sind offensichtlich direkt durch die MS
verursacht, bei anderen scheint es sich auf den ersten Blick um ein Zusammentreffen verschiedener, voneinander unabhängiger Krankheiten zu handeln. Zur ersten Gruppe zählen organische
Funktionsstörungen der Blase, des Darms oder eine Veränderung der Libido. Die zweite Gruppe
betrifft Einschränkungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit in Form einer ungewöhnlich starken Ermüdbarkeit, depressiver Verstimmungen oder gar von Depressionen. Dabei
können die Symptommuster individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und sich gegenseitig
beeinflussen.
Die Therapie der Begleiterkrankungen von MS hat in den letzen Jahren immer mehr an Bedeutung
gewonnen. Durch eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der verschiedenen Symptome einer
MS konnten nicht nur Komplikationen, wie z. B. Muskelverkürzungen, Gelenkversteifungen oder
Harnwegsentzündungen wesentlich verringert werden, sondern auch allgemein die Lebensqualität
Betroffener erhöht werden.
Wenn Sie bei sich die beschriebenen Symptome beobachten, dann wenden Sie sich bitte an Ihren
behandelnden Arzt: Die Broschüre ersetzt auf gar keinen Fall den Arztbesuch und eine ausführliche Beratung!
Die vorliegende Broschüre soll Ihnen dabei helfen, mögliche Begleiterkrankungen frühzeitig zu
erkennen und effektive Therapiemaßnahmen bei Ihrem Arzt oder Ihrer Krankenkasse einzufordern.
So können Sie Ihr Wohlbefinden erfolgreich unterstützen.
Ihr Extracare-Team
2
MS – was passiert im Körper?
Inhalt
MS – was passiert im Körper?....................................................................................... 5
Verlauf der MS.............................................................................................................................. 7
MS – Ursachen und Konsequenzen.........................................................................................8
Ursachen der Begleitsymptome............................................................................................. 10
Diagnose und Behandlung der Begleitsymptome...................................................... 13
Häufige Begleitsymptome....................................................................................................... 16
Müdigkeit („Fatigue“)............................................................................................................... 18
Depressionen..............................................................................................................................20
Kontrolle der Blasen- und Darmfunktion.............................................................................22
Koordinations- und Bewegungsstörungen.........................................................................24
Kognitive Störungen..................................................................................................................26
Seh- und Augenbewegungsstörungen.................................................................................28
Sprech- und Schluckstörungen...............................................................................................30
Muskelkrämpfe und Lähmungen........................................................................................... 32
Störungen der Sexualität.........................................................................................................34
Sensibilitätsstörungen..............................................................................................................36
Schmerzen...................................................................................................................................38
Literatur.......................................................................................................................40
Wo finde ich Hilfe?.................................................................................................................... 41
Wichtige Adressen und Websites...........................................................................................42
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Foto aus dem Novartis-Pool
4
MS – was passiert im Körper?
Die Multiple Sklerose – abgekürzt MS – ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des
Zentralnervensystems (ZNS). Eine wichtige Rolle bei der Entstehung der MS spielt das
Immunsystem. Lymphozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, dringen durch
eine Fehlprogrammierung in das Zentralnervensystem ein und verursachen dort immer wieder Entzündungsherde, ohne dass eine Infektion durch Viren oder Bakterien vorliegt.
Es handelt sich um eine so genannte „Autoimmunerkrankung“, bei der das Immunsystem
körpereigene Bestandteile angreift und zerstört. Die dabei entstehenden entzündlichen
Veränderungen an den Hüllen der Nervenzellen (Myelinhüllen) verursachen kleine „Löcher“
in dieser Schutzschicht. Daher kommt auch der Begriff „Demyelinisierung“ (Entmarkung),
mit dem man diesen Krankheitsprozess bezeichnet.
Die Myelinhüllen, die jede Nervenzelle (Neuron) umgeben, schützen nicht nur die Neuronen, sondern sind auch für ihre Funktion unentbehrlich. Das ZNS besteht aus einer
großen Anzahl von Nervenbahnen, die ihren Ursprung im Gehirn haben und im Rückenmark verlaufen. Dort werden sie auf weitere Nerven umgeschaltet und erreichen als
„periphere Nerven“ ihre Zielorte, die Muskeln und Organe des Körpers.
Abbildung 1:
Die Nervenfasern einer
Nervenzelle sind von
einer schützenden Myelinschicht umgeben, die als
Isolierschicht dient.
Die Reize „springen“ von
Schnürring zu Schnürring
und werden so rasch
weitergeleitet.
Abb. 1: Der Aufbau von Nervenfasern einer Nervenzelle
Schnürring
Nervenzellen
Nervenfasern mit
Isolierschicht
Schnürring
Nervenfaser
Isolierschicht
5
Wenn man sich die Nervenfasern als Elektrokabel vorstellt, dann sind die Myelinhüllen die Isolierung. Eine korrekte und rasche Weiterleitung der elektrischen Signale entlang der Neuronen
ist nur möglich, wenn die Myelinhüllen intakt sind. Die bei einer Entzündung verursachten
Schäden in den Myelinhüllen bewirken eine Verzögerung oder sogar eine Unterbrechung der
Reizleitung – die Folge davon sind fehlerhaft ausgeführte Bewegungen, Missempfindungen,
Sehstörungen oder andere Fehlfunktionen. Welche Störungen beim einzelnen Patienten beobachtet werden, hängt davon ab, an welcher Stelle im ZNS die akuten Entzündungen auftreten. Aus diesem Grund können die Beschwerden bei jedem Patienten unterschiedlich sein.
Über die Nervenbahnen werden Befehle des Gehirns in Form von elektrischen Impulsen geleitet, z. B. eine Bewegung mit der Hand, um eine Tasse zu greifen. Die zuständigen Muskeln
führen dann die gewünschte Bewegung aus. Auf umgekehrtem Weg – also von der Peripherie
über die Hirnnerven oder das Rückenmark – werden viele Informationen aus den Sinnesorganen Augen, Ohren, Geschmacksrezeptoren und dem Körper in das Gehirn transportiert.
Dort werden die Sinneseindrücke dann in spezialisierten Hirnregionen weiter verarbeitet. Hier
entstehen die Bilder, die wir sehen, die Geräusche, die wir hören oder die Empfindungen von
Wärme und Kälte, die wir spüren.
Abb. 2: So wirkt sich MS im ZNS aus
Isolierschicht
(Myelin)
Nervenfaser
Normale
Nervenzelle
Geschädigte
Nervenzelle
Zerstörte
Nervenzelle
6
Abbildung 2:
Bei gesunden Nervenzellen
werden elektrische Signale
über die von der Isolierschicht
(Myelin) umhüllten Nervenfasern (Axone) rasch weitergeleitet. Durch fehlprogrammierte
Immunzellen wird die Isolierschicht beschädigt (Demyelinisierung), hierdurch werden die
MS-Symptome verursacht.
Die dauerhafte Beschädigung der Isolierschicht kann
Nervenfasern zerstören. Dies
hat zur Folge, dass die Signalweiterleitung zwischen den
Nervenzellen unterbrochen
wird – eine Hauptursache der
Behinderung.
Verlauf der MS
Bei der MS treten die Entzündungserscheinungen im ZNS in Schüben auf, das heißt, die
Betroffenen leiden zeitweise unter verschiedenen Störungen der Nervenfunktion (neuronale Störungen). Dazwischen liegen gewöhnlich kürzere oder längere Phasen ohne sichtbare Krankheitsaktivität. Diese als „schubförmig“ bezeichnete Form der MS, findet man
bei mehr als 80 % der Patienten zu Beginn der Erkrankung.1
Ein Schub dauert mindestens 24 Stunden und hält durchschnittlich etwa sechs bis acht
Wochen an. Die Definition eines Schubes besagt außerdem, dass zwischen zwei Schüben
mindestens 30 symptomfreie Tage liegen müssen, um sie als einzelne Schübe zählen zu
können; außerdem darf ein Schub nicht durch eine Erhöhung der Körpertemperatur (z. B.
bei einer fieberhaften Infektion) ausgelöst worden sein.
Beeinträchtigung
Beeinträchtigung
Abb.3: Die drei Verlaufsformen der MS
Jahre
sekundär-progredient
Beeinträchtigung
schubförmig
Jahre
Jahre
primär-progredient
Abbildung 3:
Die Abb. zeigt die drei
Verlaufsformen von MS.
Dargestellt ist der zeitliche Verlauf von links nach
rechts. Nach oben hin ist
eine zunehmende Beeinträchtigung gezeigt. Die
Balken symbolisieren einen
Schub. Nach dem Schub
können sich die Symp­tome
entweder wieder zurückbilden oder eine Behinderungszunahme zurücklassen. In einigen Fällen
kommt es zu einer langsamen kontinuierlichen
Verschlechterung der MS
(=progredienter Verlauf).
Im Verlauf des Schubes bilden sich die neurologischen Symptome meisterns wieder weitgehend oder vollständig zurück, das heißt, die Schäden an den Myelinhüllen heilen nahezu
vollständig aus. Bei einem Teil der Patienten geht der schubförmige Verlauf nach einigen
Jahren in ein Stadium mit langsam fortschreitender Verschlechterung über. Dann spricht
man von einer sekundär-progredienten MS. Neurologische Funktionsstörungen bilden sich
dann nicht mehr zurück und einzelne Schübe sind kaum noch voneinander abgrenzbar.
In diesem Stadium kann die Funktion der Neuronen nicht wiederhergestellt werden, da die
Entmarkungsherde in den Myelinhüllen als narbige Veränderungen bestehen bleiben und
so die Weiterleitung der elektrischen Reize behindern. Zudem werden auch die langen Fortsätze der Nervenzellen, die Axone, mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen.
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Eine sichere Vorhersage darüber, wie rasch die MS voranschreitet oder welche Funktionen betroffen sein werden, ist im Einzelfall nicht möglich.
Nur bei sehr wenigen Patienten findet man von Beginn an eine fortschreitende Verschlechterung, die primär-progrediente MS. Von dieser sind vor allem Patienten betroffen, bei
denen die Krankheit in einem Alter über 40 Jahre beginnt. Ansonsten ist die MS eher eine
Krankheit junger Erwachsener. Am häufigsten beginnt sie in einem Alter zwischen 20 und
40 Jahren, kann aber in seltenen Fällen schon bei Kindern und Jugendlichen auftreten.
MS – Ursachen und Konsequenzen
Die genauen Ursachen der MS sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Bei einigen
Pati­enten kann eine erbliche Disposition beobachtet werden, das heißt, eine Häufung von
MS-Fällen in der Familie. Dies bedeutet jedoch nicht, dass MS direkt vererbt wird. Vielmehr
scheinen die Betroffenen eine gewisse angeborene Neigung zu haben, MS zu bekommen.
Dieser erbliche Faktor alleine reicht aber noch nicht aus. Weitere, im Einzelnen noch nicht
bekannte Faktoren müssen hinzukommen, um eine MS auszulösen.
Die wissenschaftliche Forschung arbeitet intensiv an deren Aufklärung. Leider ist es ohne
Kenntnis der Auslöserfaktoren nicht möglich, eine Therapie zu entwickeln, mit der die MS
geheilt werden kann. Dennoch wurden in den letzten Jahren deutliche Fortschritte in der
Behandlung gemacht.
Mit den modernen immunologischen Behandlungsmöglichkeiten konzentriert man sich auf
die Prozesse, die einer Autoimmunerkrankung zugrunde liegen. Dadurch kann das Fortschreiten der Krankheit verzögert sowie das Risiko einer bleibenden Behinderung reduziert
werden.
Im Folgenden werden wir uns näher mit den typischen Begleitsymtomen beschäftigen, die
im Verlauf einer MS-Erkrankung auftreten können.
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Ursachen der Begleitsymptome
Die MS zeichnet sich durch ein sehr variables, individuell unterschiedlich ausgeprägtes klinisches Bild aus. Zu Beginn der Erkrankung sind oft nur einzelne Funktionen betroffen –
beispielsweise vorübergehende Sehstörungen oder Bewegungsstörungen. Im weiteren Verlauf können sich aber Symptome herausbilden, die zum Teil sehr uncharakteristisch sind. Die
sogenannten „versteckten Symptome“ der MS.
Eine vorübergehende Zunahme bereits bestehender Symptome nach Saunabesuchen,
während einer fieberhaften Erkrankung oder bei vermehrter körperlicher Anstrengung mit
erhöhter Körpertemperatur tritt bei bis zu 80 % aller MS-Betroffenen auf. Dieses Phänomen
wird als „Uhthoff-Phänomen“ bezeichnet. Die damit verbundenen Symptome, u. a. verstärkte
Müdigkeit, verringertes Sehvermögen, verringerte Muskelkraft oder herabgesetzte geistige
Leistungsfähigkeit verschwinden nach Abkühlung des Körpers, manchmal allerdings auch
erst nach Stunden.
Wie entstehen die Begleitsymptome?
Bei den organisch bedingten Begleitsymptomen kann man im Wesentlichen zwei Gruppen
unterscheiden: diejenigen, bei denen die Funktionsstörungen direkt auf die MS-bedingten
Nervenschädigungen zurückzuführen sind und solche, die eine indirekte Folge der zentralnervösen Funktionsstörung darstellen. Bei manchen Symptomen sind die Grenzen fließend
und einige können zusätzlich durch psychische Faktoren beeinflusst werden.
Vorwiegend durch neuronale Schädigung verursachte Symptome
Direkt durch neuronale Schädigung bedingt sind vor allem
• Störungen der Hirnnerven: Seh-, Sprech-, Schluckstörungen
• Störungen des vegetativen Nervensystems: Störungen der Blasen-, Darm- und
Sexualfunktion sowie des Herz-Kreislauf-Systems
• paroxysmale Symptome: z. B. anfallsartig auftretende Störungen der Nervenfunktion, Nervenschmerzen (Neuralgien), wie die Trigeminusneuralgie
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Komplexere Nervenschädigungen verursachen Symptome, bei denen mehrere Nerven betroffen sind. Die Symptome sind dann eher diffus und der Ursprung kann nicht mehr einem bestimmten Nerv genau zugeordnet werden. Zu nennen sind hier:
• motorische Störungen wie Spastik oder Tremor (unkontrolliertes Zittern), Muskellähmungen, Paresen usw.
• Sensibilitätsstörungen: Missempfindungen wie Kribbeln, „Ameisenlaufen“ usw.
• neuropathische Schmerzen
• chronische Schmerzen, z. B. Muskel- oder Gelenkschmerzen
Indirekt durch Schädigung des ZNS bedingte (sekundäre) Symptome
Die Folgen der zentralnervösen Entzündungsreaktion haben Auswirkungen auf den gesamten
Hirnstoffwechsel und dadurch auf verschiedene geistige und körperliche Funktionen. Diese
Symptome sind nicht nur typisch für MS, sie können auch bei anderen chronischen Krankheiten
vermehrt auftreten oder eigenständige Krankheitsbilder bei ansonsten gesunden Personen
sein:
• Fatigue: ungewöhnlich starke Ermüdbarkeit bei geringen körperlichen oder geistigen
Anstrengungen
• Kognitive Symptome: Störungen der höheren geistigen Leistungen, z. B. Konzentrations-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen
• Depressionen
Es gibt keine Möglichkeit vorherzusagen, wann und ob überhaupt sekundäre Störungen auftreten. Sie können schon sehr früh im Krankheitsverlauf in Erscheinung treten, auch unabhängig
von anderen typischen MS-Symptomen. Manchmal sind sie nur sehr gering ausgeprägt und
werden erst während eines Schubes klinisch auffällig. Ein besonderes Merkmal dieser Störungen ist, dass sie sich gegenseitig verstärken oder auch imitieren können. Daher ist eine sorgfältige diagnostische Abklärung besonders wichtig.
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Diagnose und Behandlung der Begleitsymptome
Begleitsymptome haben für den Betroffenen eine große subjektive Bedeutung, weil sie
negative Auswirkungen auf das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität haben. Die MS
ist zwar eine chronische und derzeit nicht heilbare Erkrankung, das bedeutet aber keineswegs, dass man zwangsläufig über kurz oder lang behindert sein wird oder gar im Rollstuhl
endet. Vielmehr ist eine schubförmige MS, wie sie meist im Anfangsstadium auftritt, heute gut behandelbar und ermöglicht in der Regel ein nahezu normales Leben ohne größere
Einschränkungen.
Diagnose und Behandlung der Begleitsymptome
Wenn sich stark behindernde Begleitsymptome entwickeln, wie etwa Sprech- oder Blasenfunktionsstörungen, kann dies für den Einzelnen sehr belastend sein. Oft sind es gerade diese Symptome, die die sozialen Aktivitäten einschränken oder zur Berufsunfähigkeit führen
können.
Eine sorgfältige Diagnostik ist von großer Bedeutung, weil sie die Grundlage für eine gezielte Behandlung ist. Eine frühzeitig einsetzende Therapie kann das weitere Fortschreiten
der Erkrankung hinauszögern und somit auch vielen Einschränkungen im alltäglichen Leben
sowie im Beruf vorbeugen.
Wie erkenne ich Begleitsymptome?
Grundsätzlich gilt: Nicht jedes Unwohlsein ist ein Anzeichen für schwerwiegende gesundheitliche Störungen. Manche Beschwerden verschwinden auch ohne medikamentöse Behandlung. Wichtig ist, dass Sie in Ihren Körper hineinhören und ungewöhnliche
Beschwerden beobachten. Wenn sie über einen gewissen Zeitraum hinweg bestehen
bleiben oder sogar zunehmen, dann sollten Sie mit Ihrem Arzt darüber sprechen. Dieser wird dann geeignete Untersuchungen in die Wege leiten.
Allgemeine Regeln zur Vorbereitung auf das Arztgespräch
Es kann für das Arztgespräch sehr hilfreich sein, wenn Sie Ihre Beobachtungen vorher kurz
notieren. Für eine gezielte Diagnostik und optimale Therapie der Symptome ist es unbedingt
erforderlich, Medikamentenwirkungen von anderen organischen Ursachen zu trennen.
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• Seit wann bestehen die Beschwerden?
• Worin genau bestehen die Beschwerden?
• Sind sie immer gleich oder haben sie sich mit der Zeit verändert?
• Haben Sie den Eindruck, dass bestimmte Situationen die Beschwerden auslösen
oder verstärken? Wenn ja, welche?
• Fühlen Sie sich in Ihren alltäglichen Aktivitäten eingeschränkt?
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Ihre Medikamente
• Haben Sie in letzter Zeit Ihre Medikation umgestellt oder die Dosierung verändert?
• Sind neue Medikamente dazugekommen?
Therapieziele
Unabhängig von der Art der Begleitsymptome gilt, dass einer Verschlechterung vorgebeugt
und das subjektive Wohlbefinden gefördert werden soll, um dauerhaft eine möglichst gute
Lebensqualität zu bewahren. Dazu dienen alle Maßnahmen die körperliche Funktionen trainieren, Fähigkeiten zur Bewältigung des alltäglichen Lebens fördern, Berufs- bzw. Erwerbsfähigkeit erhalten und einem sozialen Rückzugsverhalten vorbeugen.
Um diese Ziele zu erreichen, finden neben der medikamentösen Behandlung zahlreiche
nicht-medikamentöse Therapien Anwendung. Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen
allgemeinen Überblick verschiedene Maßnahmen. Weitergehende Literatur finden Sie im
Anhang.
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Nicht-medikamentöse Behandlung der Begleitsymptome
Therapieform
Verfahren
Physiotherapie
aktive und passive Krankengymnastik im weiten Sinne
Ergotherapie
Übungen zur Verbesserung von Motorik und Koordination,
gezieltes Training einzelner Funktionsstörungen
Übungen mit Hilfsmitteln
Kognitionstraining
Sporttherapie
Gymnastik, Ausdauersportarten, therapeutisches Reiten
(Hippotherapie)
Logopädie
Sprechtraining, Schlucktraining
Psychotherapie
Gesprächstherapie, kognitive Verhaltenstherapie
Stressbewältigungs- und Entspannungsverfahren
Erlernen von Coping-Strategien
(Krankheitsbewältigung für Patienten und Angehörige)
Neuropsychotherapie
Gedächtnistraining, Lernstrategien, Aufmerksamkeitstraining
Welche Therapieform in Frage kommt, richtet sich nach Art und Ausprägung der Symptome. Damit gegebenenfalls frühzeitig Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation ergriffen
werden können, ist schon in einem frühen Krankheitsstadium eine sozialmedizinisch-sozialrechtliche Beratung wichtig. Um geeignete nicht-medikamentöse Therapien zu finden und
gegebenenfalls einzuleiten, eignet sich besonders gut der Aufenthalt in einer MS-Rehabilitationsklinik.
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Häufige Begleitsymptome
Die MS beginnt zumeist mit einem einzelnen Symptom. Besonders häufig ist dies die Entzündung des Sehnervs mit den typischen Sehstörungen. Im Prinzip kann aber auch jede andere neurologische Störung als Erstsymptom auftreten. Nach dem ersten Schub bilden sich
die Funktionsstörungen gewöhnlich innerhalb von wenigen Tagen wieder zurück. Die verschiedenen Symptome treten im Krankheitsverlauf häufig in unterschiedlicher Reihenfolge
und Kombination auf. Im Lauf der Zeit können dann mit jedem neuen Schub Restsymptome
zurückbleiben, die nicht mehr ganz ausheilen.
Leider gibt es keine zuverlässige Methode, um den Verlauf der MS im Einzelfall vorherzusagen. Bei manchen Patienten tritt nur ein Schub auf und für den Rest ihres Lebens bleiben sie
praktisch beschwerdefrei. Patienten mit einer relativ hohen Schubhäufigkeit von Anfang an,
haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten mehrerer Begleitsymptome und
Behinderungen.1
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Begleitsymptome der MS. Manche
von Ihnen sind außerordentlich häufig – dies gilt vor allem für Fatigue und Depressionen,
die oft schon im frühen Krankheitsverlauf beobachtet werden. Andere – dies gilt insbesondere für motorische und vegetative Störungen – nehmen in einem späteren Krankheits­
stadium immer weiter zu. Dank der modernen immunmodulatorischen Therapie der MS
sind solche schweren Verläufe jedoch in den letzten Jahren seltener geworden.
In den nächsten Kapiteln beschreiben wir die einzelnen Symptome, ihre Auslösefaktoren
sowie ihre diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
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Häufige Begleitsymptome der MS 1,2
Symptom
Beschwerden
Fatigue
ungewöhnliche Müdigkeit schon nach geringer körperlicher
und / oder geistiger Anstrengung, häufig auch ausgelöst durch hohe
Außentemperaturen
Depression
mehr als zwei Wochen anhaltende gedrückte Stimmung,
Interesselosigkeit, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit usw.
Funktionsstörung
von Blase und Darm
Blase: häufiger Harndrang, Inkontinenz oder Blasenentleerungs­
störung
Koordinations-/
Bewegungsstörungen
Störung der Feinmotorik, Zittern (Tremor), unkoordinierte Arm- oder
Beinbewegungen (Ataxie)
Gedächtnis-,
Aufmerksamkeits-/
Wahrnehmungs­
störungen
eingeschränkte Aufmerksamkeit und / oder Konzentrations­fähigkeit
Störung des Kurzzeitgedächtnisses
Seh-, Augenbewegungsstörungen
verschwommenes Sehen, vorübergehende Blindheit,
Gesichtsfeldausfälle
Sprech-/
Schluckstörungen
Dysarthrie (undeutliches, langsames / zu schnelles Sprechen, monotone Stimmmelodie, heisere Stimme) bis zur Stummheit
Spastik und
Muskelschwäche
anhaltend erhöhte Muskelspannung in Rumpf oder
Extremitäten (Spastik)
Darm: Verstopfung (Obstipation), Inkontinenz
verminderte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
Doppelbilder, Schwindel usw.
häufiges Verschlucken, Schwierigkeiten beim Essen und Trinken
verringerte Kraftentwicklung der betroffenen Muskeln
(Muskelschwäche, Parese)
eingeschränkte motorische Geschicklichkeit
gesteigerte Muskeleigenreflexe
Störungen
der Sexualität
Libidoverlust, Orgasmusunfähigkeit, Erektionsstörungen
Sensibilitätsstörungen,
(Dysästhesien,
Parästhesien)
verminderte (Hypästhesie) bzw. verstärkte (Hyperästhesie) Berührungsempfindlichkeit
Schmerzen
anfallsartige Schmerzen: Kopfschmerzen, Nervenschmerzen
(Neuralgien)
Trockenheit der Scheide, verminderte Empfindung im Bereich von
Klitoris und Scheide
Missempfindungen (Parästhesien), z. B. Prickeln, Kribbeln,
Taubheit
Chronische Schmerzen: durch Spastik, Fehlhaltungen, chronische
Missempfindungen bei Nervenentzündung (Neuropathie)
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Müdigkeit („Fatigue“)
Die Fatigue bei MS wird als „subjektiv erlebter Antriebs- und Energiemangel mit Beeinträchtigung der üblichen oder erwünschten Aktivitäten im täglichen Leben“ definiert.
Diese abnorme Erschöpfbarkeit kommt jedoch nicht nur bei MS vor, sondern auch bei
Patienten mit akuten oder chronischen Infektionen oder bei Krebserkrankungen.
Fatigue ist das wahrscheinlich häufigste Begleitsymptom bei MS. Man nimmt an, dass
bis zu 75 % der MS-Patienten darunter leiden. Sie führt unbehandelt häufig zu vorzeitiger
Berentung und zu erheblichen Einschränkungen bei den sozialen Aktivitäten. Dadurch
wirkt sich die Fatigue sehr negativ auf die Lebensqualität und das subjektive Wohlbefinden aus.2
Die Ursachen der Fatigue sind nicht genau bekannt. Es wird beobachtet, dass die Fatigue
meist in der zweiten Tageshälfte zunimmt und eine hohe Umgebungstemperatur die
Symptome verstärken kann. Aber auch Depressionen und Schlafstörungen werden in
diesem Zusammenhang diskutiert.
18
Um im Alltag besser mit Fatigue umgehen zu können, sollten Sie in den Tagesablauf
regelmäßige Ruhepausen einplanen; dies gilt natürlich auch für jede berufliche Tätigkeit
und Freizeitaktivität. Lernen Sie, sich in Pausen richtig zu entspannen, etwa mit Hilfe der
Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson oder mit Autogenem Training.
Bei hohen Temperaturen im Sommer empfehlen wir Ihnen, körperliche Anstrengungen
möglichst zu vermeiden und sich in kühlen Räumen aufzuhalten. Wenn Sie schlecht
schlafen, sollten Sie sich bezüglich allgemeiner Maßnahmen zur Verbesserung der
Schlafhygiene (abends nur leichte Mahlzeiten, kein Alkohol, kühles Schlafzimmer, usw.)
beraten lassen, bevor Sie in Absprache mit Ihrem Arzt zu Medikamenten greifen.
Studien haben gezeigt, dass körperliches Training, insbesondere mit Ausdauersportarten,
das subjektive Wohlbefinden deutlich verbessern kann. Geeignet sind z. B. Radfahren,
Schwimmen oder Laufen. Weitere Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen Belastbarkeit sind physiotherapeutische und ergotherapeutische Übungen.
Fatigue – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2,3
Auslösefaktoren
geistige und körperliche Anstrengungen
Hitze (hohe Außentemperaturen, Sauna)
akute mentale oder emotionale Stresssituationen
Symptome
ungewöhnlich stark ausgeprägte geistige und / oder körperliche
Erschöpfbarkeit, schon bei geringen Belastungen
Tagesmüdigkeit
Diagnose
subjektive Beurteilungsskalen zum Ausmaß der Müdigkeit und den
damit verbundenen Einschränkungen in Alltag und Beruf, z. B. Fatigue
Severity Scale (FSS) oder modifizierte Fatigue-Impact-Scale (MFIS)
Therapie
regelmäßige Ruhepausen
Verbesserung der Schlafhygiene
Senkung der Körpertemperatur (z. B. durch Klimaanlage,
Kühlakkus), Vermeidung von Hitze
körperliches Training, vor allem Ausdauersportarten
Rehabilitationsmaßnahmen, z. B. Physio- oder Ergotherapie
einschließlich Energieeffizienztraining
Medikamente (besonders bei ausgeprägter Tagesmüdigkeit)
19
Depressionen
Depressionen sind bei MS überdurchschnittlich häufig und betreffen bis zu 50 % der Patienten. Dabei sollte man vorübergehende depressive Verstimmungen von Episoden einer „echten“ Depression unterscheiden. Depressive Verstimmungen, so genannte „reaktive“ Depressionen, sind besonders häufig kurz nachdem einem Patienten die Diagnose MS mitgeteilt
wurde und im Falle einer Krankheitsverschlechterung. Die Diagnose MS stellt naturgemäß
eine äußerst belastende Stresssituation dar. Die meisten Patienten sind noch jung und stehen am Beginn ihrer beruflichen Karriere oder planen mit ihrem Partner die Gründung einer
Familie. Plötzlich haben sie Zunkunftsängste, weil sie nicht wissen, inwieweit die Krankheit
ihr Leben und ihre Planungen verändert.2
Sprechen Sie über Ihre Sorgen: mit Angehörigen, einem guten Freund oder einem professionellen Helfer, z.B. MS-Schwester, Hausarzt oder behandelnder Neurologe. Es ist
wichtig, dass Sie Strategien entwickeln, um mit einer chronischen Erkrankung wie MS
leben zu können. Dazu muss vielleicht auch einiges in der bisherigen Lebensplanung
neu überdacht werden. Sobald die ersten Schritte zur Krankheitsbewältigung erfolgreich getan sind, bessert sich oft die Stimmungslage wieder.
Bleibt eine gedrückte Stimmung über mehr als zwei Wochen bestehen, dann sollten Sie
unbedingt mit Ihrem Arzt sprechen. Es könnte sich um eine behandlungsbedürftige
Depression handeln, die mit Antriebsverlust, Interesselosigkeit, Durchschlafstörungen und
möglicherweise Lebensüberdruss verbunden ist. Hier ist professionelle Hilfe erforderlich.
Notwendig ist eine vorübergehende medikamentöse Behandlung, ergänzt durch psycho­
therapeutische Verfahren.
Sie selbst können viel zur Stabilisierung Ihres Gemütszustandes beitragen: Verkriechen
Sie sich möglichst nicht, sondern reden Sie mit einer vertrauten Person. Gehen Sie
weiter Ihrem Beruf nach und nehmen Sie am sozialen Leben teil. Treiben Sie Sport und
pflegen Sie Ihre Hobbys. All dies steigert Ihr Selbstwertgefühl und ermöglicht Ihnen,
trotz MS ein erfülltes, abwechslungsreiches Leben zu führen.
20
Depressionen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Abgrenzung
depressive
Verstimmung /
Depression
depressive Verstimmung
- Auslöser vorhanden (stark belastende Ereignisse)
- bessert sich meist von selbst wieder
behandlungsbedürftige Depression
- länger anhaltende Symptomatik ohne Tendenz zur Besserung
Symptome
unbegründete Schuldgefühle
Unfähigkeit, Freude oder Trauer zu empfinden
Tagesschwankungen mit morgendlichem Tiefpunkt
depressive Wahnvorstellungen
(z. B. Verarmungswahn, Sinnestäuschungen)
Todesgedanken
frühere depressive Episoden
Symptome seit mindestens 2 Wochen fast ständig vorhanden
Diagnose
Gespräch mit Haus- oder Facharzt (Neurologe/Psychiater, Psychologe)
ggf. subjektive Beurteilungsskalen zu Schweregrad und Ausmaß der
Beeinträchtigung in Alltag und Beruf
Therapie
Gesprächstherapie
psychotherapeutische Verfahren, z. B.
-Coping-Strategien
- Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken
- kognitive Verhaltenstherapie
Medikamente
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Kontrolle der Blasen- und Darmfunktion
Störungen der Darm- oder Blasenfunktion können im Krankheitsverlauf bei bis zu 70 % der
MS-Patienten auftreten. Sie haben für die Betroffenen äußerst negative Auswirkungen auf
die Teilnahme am sozialen Leben und die Lebensqualität. Oft haben die Patienten Hemmungen, über solche „privaten“ Probleme zu sprechen. Eine erfolgreiche Behandlung ist oft
möglich und auch dringend erforderlich, um Folgekomplikationen zu vermeiden.2
Anhaltende Blasenfunktionsstörungen können aufgrund des starken Harndrangs zu erheblichen Störungen des Tagesablaufs und der Nachtruhe führen. Außerdem sind sie häufig
Ursache für wiederholte Harnwegsinfektionen mit möglicher Schädigung der Nieren.
22
Unterbauchschmerzen treten auch bei Störungen der Darmentleerung auf. Eine chronische
Verstopfung (Obstipation) kann im schlimmsten Fall zu einem Darmverschluss (Ileus) führen.
Sollten Sie Blasen- oder Darmfunktionsstörungen haben, wenden Sie sich unbedingt an Ihren Arzt. Gegebenenfalls wird er Sie zu anderen Spezialisten überweisen, um die Störungen
zu diagnostizieren und zu behandeln.
Störungen der Blasen- und Darmfunktion – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
Blasenfunktionsstörungen
Darmfunktionsstörungen
häufiger, dringender Harndrang
Verstopfung und / oder
Inkontinenz
Inkontinenz
Restharnbildung oder Harnverhalt
Komplikationen
chronische Harnwegsinfektionen
Hautreizungen, Geschwüre
Blasen- und Nierensteine
Schmerzen
eingeschränkte Nierenfunktion
Darmverschluss (Ileus)
Hautreizungen, Geschwüre
Schmerzen
Diagnose
Therapie
Führen eines Miktionstagebuches
Arztgespräch
apparative Untersuchungen wie
Messung des Restharns und / oder des
Urinflusses
körperliche Untersuchung
Beratung zu Trinkmenge und
Verteilung über den Tag
bei Verstopfung
Beckenbodentraining
Hilfsmittel (Vorlagen, Windeln,
Hautpflege etc.)
regelmäßige oder dauerhafte Harnableitung über Katheter
Medikamente zur Verbesserung der
Blasenentleerung
Medikamente zur Prophylaxe bei
häufigen Harnwegsinfekten
Antibiotika bei akuten Harnwegsinfekten
- Physiotherapie
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Beckenbodentraining
- Abführmittel oder Einlauf
(Klistier)
bei Inkontinenz
- Beckenbodentraining
- Hilfsmittel
- Hautpflege
23
Koordinations- und Bewegungsstörungen
Koordinations- und Bewegungsstörungen, bestehend aus unkoordinierten Bewegungen
(Ataxie) und Zittern (Tremor) findet man im Verlauf der Erkrankung bei etwa 80 % der
Patienten. Der Schweregrad der Störungen ist oftmals abhängig von der individuellen
Tagesform und Belastbarkeit sowie von der psychischen Verfassung des Patienten. Die
Symptome sind äußerst hinderlich bei der Verrichtung alltäglicher Aufgaben, wie Schreiben,
Essen oder Ankleiden, und bei der Ausübung einer Berufstätigkeit. Wenn überwiegend der
Rumpf und die Beine betroffen sind, kann auch die Gehfähigkeit stark eingeschränkt sein.
Damit die Selbstständigkeit und die Lebensqualität erhalten bleibt, ist ein besonderes Ziel
der Therapie, die körperliche Beweglichkeit und die Feinmotorik zu erhalten bzw. zu verbessern und die Gehfähigkeit zu erhalten. Unterstützend können dafür besondere Hilfsmittel,
wie spezielles Essbesteck, ein Gehstock oder ein Rollator, eingesetzt werden. Medikamente
sind nur bei ausgeprägtem Tremor wirksam.2
24
Koordinations- / Bewegungsstörung – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
Ataxie
- mangelnde Bewegungskoordination, z. B. beim gezielten Greifen oder
beim Gehen
- Störung der Feinmotorik
Tremor
- vorwiegend Intentionstremor, d. h. Verstärkung des Zitterns bei
zielgerichteten Bewegungen
Folge dieser Störungen sind starke Behinderungen in Alltag und Beruf
Diagnose
körperliche Untersuchung
subjektive Beurteilungsskalen zu Schweregrad und Ausmaß der
Beeinträchtigung in Alltag und Beruf
Therapie
regelmäßige Physiotherapie
- gezieltes aktives und passives Muskeltraining
- Bewegungsbad
regelmäßige Ergotherapie
- Koordinationstraining
- Einüben alltagsrelevanter Tätigkeiten
Einüben von Entspannungstechniken
- Autogenes Training
- Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson
Medikamente (nur bei Tremor indiziert)
bei sehr schwerem, nicht ausreichend behandelbarem Tremor
- operativer Eingriff (Elektrostimulation des Thalamus)
25
Kognitive Störungen
Als „kognitive Leistungen“ bezeichnet man die höheren geistigen Fähigkeiten des Menschen.
Dazu gehören die Bereiche Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Konzentration ebenso wie die
Fähigkeit, bestimmte Sachverhalte in ihrer Bedeutung zu erfassen und Schlussfolgerungen
für das eigene Handeln daraus zu ziehen. Bei MS können Einschränkungen der kognitiven
Leistungsfähigkeit in individuell sehr variabler Ausprägung bereits früh auftreten.
Oft beobachtet man, dass diese sich während eines Schubes verstärken und anschließend
wieder bessern. Insgesamt geht man davon aus, dass etwa 40 % der Patienten davon betroffen sind. Zu beachten ist, dass andere Begleitsymptome wie Fatigue oder Depressionen
ähnliche, meist nur subjektiv empfundene Leistungsstörungen verursachen können, ohne
dass tatsächlich Defizite bei den kognitiven Fähigkeiten vorliegen.2
26
Im Unterschied zur Demenz älterer Patienten ist die geistige Leistungsfähigkeit meist nur
geringgradig eingeschränkt und äußert sich vorwiegend als eine Verlangsamung des Denkens, verbunden mit einer Störung des Kurzzeitgedächtnisses, verringerter Aufmerksamkeit und Schwierigkeiten bei der gezielten Planung von Handlungen. Zeitliche und örtliche
Orientierung oder die Intelligenz sind gewöhnlich nicht betroffen.
Die Therapie beruht in erster Linie auf regelmäßigen, gezielt eingesetzten Übungsprogrammen, z. B. für Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Ungezielte Übungsprogramme („Gehirn-Jogging“) sollten vermieden werden. Interessant ist, dass man eine Besserung der kognitiven
Symptomatik unter erfolgreichen immunmodulatorischen Therapien mit Interferon-beta
beobachtet hat.2
Kognitive Störungen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und Konzentration
Einschränkungen bei exekutiven Funktionen, z. B. Planen und gezieltes Handeln
Einschränkungen bei visuell-konstruktiven Leistungen, z. B. Zeichnen
geometrischer Figuren
Verlangsamung im Denken und im Erfassen von Informationen
Diagnose
psychometrische Testverfahren zur quantitativen und
qualitativen Messung von Defiziten bei den höheren geistigen Leistungen
Ausschluss einer depressiven Störung
Therapie
individuelles Training der gestörten Funktion, z. B.
- computergestütztes Aufmerksamkeitstraining
- Gedächtnistraining, ggf. Hilfsmittel wie Notizbücher, Kalender, technische
Erinnerungshilfen (Terminfunktion an Armbanduhr oder Handy)
Behandlung häufiger Begleitstörungen, z. B. Depressionen
Medikamente
27
Seh- und Augenbewegungsstörungen
Man unterscheidet Sehstörungen, wie sie durch eine Sehnervenentzündung hervorgerufen
werden, von Augenbewegungsstörungen. Im ersten Fall resultiert ein verschwommenes,
unscharfes und kontrastarmes Bild, als ob man durch eine Milchglasscheibe schaut. Augenbewegungsstörungen kommen durch Entzündungsherde im Bereich der Augenmuskelkerne
im Hirnstamm zustande. Dadurch ist die Steuerung der Augen gestört. Der Patient sieht
alles doppelt.
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Ein weiteres Symptom ist das Augenzittern (Nystagmus). Es ist gekennzeichnet durch rasch
aufeinanderfolgende horizontale, vertikale oder kreisende Augapfelbewegungen und kann als
vorübergehendes Symptom nach einer Lumbalpunktion auftreten. Das Augenzittern lässt sich
bei ca. 30 % der Betroffenen finden und die daraus resultierenden Beschwerden können äußerst unangenehm sein.
Seh- / Augenbewegungsstörungen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
Sehstörungen
Augenbewegungsstörungen
Verschlechterung der Sehschärfe
bis zur Blindheit
Doppelbilder
Verschwommensehen
Störung des Farbensehens
Gesichtsfeldausfälle
Gleichgewichtsstörungen
mit Übelkeit und Sturzgefahr
Schwierigkeiten beim
Lesen, Schreiben, Fernsehen
Schmerzen im Bereich der
Augenhöhle
Diagnose
Augenärztliche Untersuchung
- Sehschärfenbestimmung
verschiedene augenärztliche /
neurologische Untersuchungen
Neurologische Untersuchung
- visuell evozierte Potenziale
Therapie
bei Sehstörungen im MS-Schub
- Medikamente
bei bleibender Minderung der
Sehschärfe
- Versorgung mit Sehhilfe
bei Augenbewegungsstörungen
im MS-Schub
- Medikamente
- zeitweiliges Abdecken des Auges
- Prismenbrillen
bei anhaltenden Beschwerden
- Medikamente
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Sprech- und Schluckstörungen
Sprechen und Schlucken sind sehr komplexe Vorgänge, bei denen es auf ein fein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Nerven und Muskeln im Mund-/ Rachenraum und
im Kehlkopf ankommt. Man unterscheidet verschiedene Formen der Sprechstörung (Dysarthrie), bei denen entweder nur die Lautbildung (Artikulation) oder auch die Stimme und
die Atmung (Dysarthrophonie) betroffen sind. Bei MS-Patienten findet man verschiedene
Arten von Sprech- und Schluckstörungen, die meist als Mischform in unterschiedlich starker
Ausprägung zu finden sind.
Die Angaben zur Häufigkeit der Sprechstörungen schwanken zwischen 20 und 62 %.2 Die
häufigste Form der Sprechstörung bei MS ist die paroxysmale Dysarthrie. Dabei versprechen
sich die Patienten kurz, ohne dass der Sprachfluss gestört ist. Oft ist es hier hilfreicher, langsamer zu sprechen. Sprechstörungen beeinträchtigen sehr stark die Kommunikationsfähigkeit der Patienten und können zu sozialem Rückzug und Problemen bei der Berufsausübung
führen. Die Sprechstörung muss man von einer Sprachstörung (Aphasie) unterscheiden,
30
deren Ursprung in den Sprachzentren im Gehirn liegt und die zu einer Veränderung des
Sprachverständnisses und Wortschatzes sowie zu Schwierigkeiten beim, Lesen und Schreiben führt.
Schluckstörungen belasten vor allem durch Probleme beim Essen und Trinken und können
in schweren Fällen zu einer Mangelernährung und Dehydratation (Austrocknen des Körpers)
führen. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken zwischen 24 und 65 %. Häufiges Verschlucken begünstigt das Eindringen von Nahrungsbestandteilen in die Luftröhre und die Bronchien und kann eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) verursachen.
Beide Störungen werden interdisziplinär durch den Neurologen und den HNO-Facharzt
(Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten) diagnostiziert. Zusätzlich kann Logopädie, Physio- oder
Ergotherapie zur Verbesserung der Symptomatik eingesetzt werden.
Sprech- / Schluckstörungen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Sprechstörungen
Symptome
zu leise / laute Stimme oder zu
hohe / tiefe Stimmlage
raue oder heisere Stimme
undeutliches, verwaschenes
Sprechen
zu langsames / schnelles
Sprechen
monotone Sprachmelodie
Atemstörungen
Schluckstörungen
Hustenreiz, Speichelfluss
Schwierigkeiten beim Essen und
Trinken
in schweren Fällen
- Mangelernährung
- zu geringe Flüssigkeitszufuhr
- Gewichtsverlust
- Lungenentzündung
- Kurzatmigkeit beim Sprechen
Diagnose
Untersuchungen bei Fachärzten
für Neurologie und HNO
Untersuchungen bei Fachärzten
für Neurologie und HNO
Therapie
Logopädie (Sprechtraining)
Logopädie: Schlucktherapie
Behandlung assoziierter
Symptome wie Fatigue, Spastik,
Tremor etc.
ggf. pürierte Kost und Hilfsmittel
(Ess- und Trinkhilfen), vorübergehende Sondenernährung
Hilfsmittel (z. B. Sprachverstärker,
Sprachcomputer)
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Muskelkrämpfe und Lähmungen
Eine dauerhafte oder kurzfristig einschießende Verkrampfung der Muskulatur (Spastik),
häufig begleitet von einer Schwäche oder Lähmung (Parese) der Muskeln, sind ein sehr
häufiges Symptom, überwiegend der späteren Krankheitsstadien der MS. Die Beine sind
häufiger betroffen als die Arme. Diese Beschwerden können, abhängig von der Tageszeit,
unterschiedlich stark ausgeprägt sein und sich unter körperlicher Belastung verstärken.
Die Komplikationen einer Spastik ergeben sich aus der erhöhten Spannung (Tonus) bestimmter Muskelgruppen, wodurch alltägliche Tätigkeiten, wie Waschen und Ankleiden
erheblich erschwert werden. Ein dauerhaft erhöhter Muskeltonus führt zu Schmerzen und
Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit bis hin zu Kontrakturen (fixierte Gelenkfehlstellungen) und Bettlägerigkeit. Therapeutisch stehen daher Physio- und Ergotherapie sowie
Medikamente zur Muskelentspannung (Muskelrelaxantien) im Vordergrund.
Eine begleitende Muskelschwäche kann zu rascher Ermüdung und dadurch eingeschränkter
körperlicher Aktivität führen. Sowohl durch die Spastik als auch durch die Paresen können
andere Funktionen, wie Blasen- und Darmentleerung oder die Sexualfunktion beeinträchtigt sein.
Spastik / Parese – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
verminderte Muskelkraft und Ausdauer
gestörte Bewegungsabläufe
schmerzhafte einschießende Muskelkrämpfe
Beugespasmen mit Gelenkfehlstellungen (Kontrakturen)
Diagnose
körperliche Untersuchung
Therapie
konsequente, intensive Physiotherapie
aktives und passives Bewegen der Muskulatur
- Fahrrad- und Laufbandergometrie, aerobes Fitnesstraining, Stehbrett
- spezielle Verfahren wie Bobath, propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF), Vojta, Eis- bzw. Kältebehandlung
- ggf. Hilfsmittel (Gehstock, Rollator, Rollstuhl)
Medikamente
32
33
Störungen der Sexualität
Störungen der Sexualfunktion treten insbesondere im späteren Krankheitsverlauf der MS
bei bis zu 80 % der Patienten auf. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (75 % bzw.
50 %). Frauen klagen meist über mangelnde Libido, verminderte Sensibilität und Schmerzen
im Genitalbereich. Bei Männern stehen die erektile Dysfunktion und Orgasmusstörungen
(Ejakulationsstörungen) im Vordergrund.2
Zusätzlich zu den oben genannten primären sexuellen Störungen bestehen sehr häufig
sekundäre Störungen, die infolge anderer Begleitsymptome auftreten. Zu nennen sind hier
vor allem einschießende Muskelkrämpfe, Paresen, Sensibilitätsstörungen und Schmerzen,
Blasen- und Darmstörungen, aber auch Fatigue und Depressionen sowie Nebenwirkungen
verschiedener Medikamente. Die Behandlung sexueller Funktionsstörungen sollte daher auf
allen Ebenen der MS-Symptomatik ansetzen.
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Als tertiäre Störungen bezeichnet man Einschränkungen der sexuellen Aktivität aufgrund
der psychischen Belastungen durch MS. Störungen der Sexualität wirken sich nicht nur auf
das Wohlbefinden und die Lebensqualität des Patienten selbst aus, sondern betreffen, mehr
als andere Symptome der MS, auch das Zusammenleben in der Partnerschaft. Schwierigkeiten auf sexuellem Gebiet können Konflikte oder auch eine zunehmende Entfremdung der
Partner auslösen. Besonders betroffen ist die Familienplanung. Eine psychotherapeutische
Beratung oder eine Partnertherapie können daher in vielen Fällen hilfreich sein.
Primäre Störungen der Sexualfunktion – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
Männer
Frauen
Erektionsstörung (Impotenz)
Libidoverlust
Störung der Orgasmusfähigkeit
Ejakulationsstörung)
Scheidentrockenheit
Libidoverlust
Störung der Orgasmusfähigkeit (infolge
verminderter Sensibilität im Genitalbereich)
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
(Dyspareunie)
Diagnose
körperliche Untersuchung beim
Facharzt für Urologie (Androloge)
und Neurologie
körperliche Untersuchung beim Frauenarzt und beim Neurologen
Therapie
Gesprächstherapie gemeinsam mit
dem Partner
Gesprächstherapie gemeinsam mit
dem Partner
Erektionsstörung
Scheidentrockenheit
- Medikamente
- Medikamente
- Hilfsmittel: Vakuumpumpen,
Penisprothesen, u. a.
- Gleitcremes
35
Sensibilitätsstörungen
Sensibilitätsstörungen gehören zu den Hauptsymptomen der MS, man findet sie bei fast
90 % aller MS-Patienten. Man unterscheidet vermehrte Berührungsempfindlichkeit (Hyperästhesien) und verminderte Berührungsempfindlichkeit (Hypästhesien) sowie unangenehme oder schmerzhafte Missempfindungen (Parästhesien) wie Kribbeln, „Ameisenlaufen“,
Brennen oder Taubheitsgefühle und Störungen des Temperatur- oder Vibrationsempfindens.4
36
Sensibilitätsstörungen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 2,4
Symptome
vermehrte oder verminderte Berührungsempfindlichkeit
Missempfindungen, unter Umständen schmerzhaft
Störung des Temperaturempfindens: Unterscheidung und Wahrnehmung von
warm / kalt
Störung des Vibrationsempfindens: nur starke Vibrationen
werden noch wahrgenommen
Störung des Lage- und Bewegungsempfindens: unsicherer Gang, Fallneigung
Diagnose
neurologische körperliche Untersuchung
apparativ: Nervenleitgeschwindigkeit, evozierte Potenziale
Therapie
Physiotherapie
- bei vermehrter Berührungsempfindlichkeit: Desensibilisierung
durch Training mit taktilen Reizen (z. B. Igelball, Bürsten,
Vibrationsgeräte, usw.)
- bei verminderter Berührungsempfindlichkeit: Wechselbäder,
Eisbehandlung (Achtung: Vorsicht bei reduzierter Temperaturempfindlichkeit, da Erfrierungen drohen!)
- Missempfindungen: Stangerbad
- Gangunsicherheit: Stehbrett, ggf. Hilfsmittel (Gehstock, Rollator)
- manuelle Therapie
Ergotherapie
- Einüben alltagsrelevanter Tätigkeiten
Betroffen sind meist zunächst Hände und / oder Füße, später können die Beschwerden auch
die gesamten Extremitäten erfassen. Infolge eines verminderten Bewegungs- und Lageempfindens kann auch die Gehfähigkeit eingeschränkt sein.
Die Therapie beruht in erster Linie auf speziellen physiotherapeutischen Verfahren. Der Erfolg
ist jedoch oft unbefriedigend. Eine medikamentöse Behandlung ist nur bei schmerzhaften
Hyperästhesien und Parästhesien sinnvoll. Mit diesen Beschwerden müssen sich viele Patienten arrangieren.
37
Schmerzen
Schmerzen unterschiedlichster Art sind ein gelegentlicher Begleiter bei MS. Die Angaben zur
Häufigkeit schwanken je nach Studie zwischen 29 % und 86 %. Auf Grundlage der Schmerz­
ursachen können vier Kategorien von Schmerzen unterschieden werden, die zum Teil ganz
unterschiedlich behandelt werden müssen: 2
• Schmerzen als direkte Folge der MS, z. B.
Nervenschmerzen (Neuralgien, Nervenentzündung im akuten Schub), Kopfschmerzen bei MS-Herden in bestimmten Hirnbereichen, schmerzhafte Muskelkrämpfe
und Parästhesien (Missempfindungen)
• Schmerz als indirekte Folge von MS-Symptomen, z. B.
Gelenk- oder Muskelschmerzen bei Fehlhaltungen, Spastik, Kontrakturen, Geschwüre, Unterbauchschmerzen bei Blasenfunktionsstörungen oder Verstopfung, aber
auch durch ungeeignete Hilfsmittel und/ oder unsachgemäßen Gebrauch
• Schmerzen unter medikamentöser Therapie
grippeähnliche Symptome, Kopfschmerzen, Schmerzen an der Injektionsstelle
• MS-unabhängige Schmerzen, z. B.
Rückenschmerzen (kann auch ein indirekt durch MS bedingter Schmerz sein), primäre Kopfschmerzen (Migräne, Spannungskopfschmerz), degenerative Knochenerkrankungen oder Polyneuropathie (Nervenschmerzen) anderer Ursache
Zur Abschätzung der Häufigkeit, Intensität (visuelle Analogskala), Dauer, Auslösefaktoren
usw. empfiehlt sich das Führen eines Schmerztagebuches über einen gewissen Zeitraum.
Therapeutisch kommen, je nach Art der Schmerzen, sowohl Medikamente als auch Methoden der Physiotherapie und Psychotherapie in Frage.
38
Schmerzen – Grundlagen, Diagnose und Therapie 1,2
Symptome
im akuten Schub
- Nervenentzündung (z. B. Sehnerventzündung mit Schmerzen beim
Bewegen des Augapfels)
anfallsweise auftretende Schmerzen (paroxysmale Syndrome)
- einschießender sehr starker Schmerz von kurzer Dauer in einzelnen
Nerven, z. B. Trigeminusneuralgie
chronische Schmerzen in Muskeln, Gelenken, Kopf, Rücken usw.
Diagnose
neurologische körperliche Untersuchung
Dokumentation der Schmerzen durch den Patienten selbst in einem Schmerztagebuch
Therapie
Schmerzen im Rahmen eines akuten Schubes
- Schubbehandlung mit hochdosierter Kortison-Pulstherapie
chronische Schmerzen
- Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken
(z. B. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Autogenes Training)
- fehlhaltungsbedingte Schmerzen: Physiotherapie, Ergotherapie, Hilfsmittel
- Schmerzen durch Medikamenteninjektionen: Kühlung der Injektionsstelle
- Medikamente
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Literatur
1
Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie (DGN) in: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie;
4. überarbeitete Auflage 2008, S. 654 ff,
ISBN 978-3-13-132414-6; Georg Thieme Verlag Stuttgart.
oder: Freier Download unter www.awmf.org
2
Multiple Sklerose Konsensus Gruppe (MSTKG): Symptomatische Therapie der Multiplen
Sklerose. Nervenarzt 2004 [Suppl 1] 75: S2–S39
Freier Download unter DOI 10.1007/s00115-004-1771-y
3
„A subjective lack of physical and / or mental energy that is perceived by
the individual or caregiver to interfere with usual and desired activities“
in: Multiple Sclerosis Council for Clinical Practice Guidelines (1998).
Fatigue and Multiple Sclerosis. Washington, DC:
Freier Download unter www.pva.org
4
Lamprecht S: Neuroreha bei multipler Sklerose: Physiotherapie - Sport - Selbsthilfe.
Thieme Verlag, 2008. ISBN: 978-3-13-144741-8
Weiterführende Literatur
Bethke F, Schipper S: Ganzheitliche Therapie der Multiplen Sklerose.
dmv Deutscher Medizin Verlag, Münster, 2008. ISBN 978-3-936525-08-3
Henze T (Hrsg): Multiple Sklerose: Symptome besser erkennen und behandeln.
W. Zuckschwendt Verlag, 2. Auflage 2010. ISBN: 978-3-88603-974-0
Symptomatische Therapie bei MS:
Informationsbroschüre des DMSG-Bundesverbandes,
zu bestellen bei:
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V., Küsterstr. 8, 30519 Hannover
oder unter www.dsmg.de
Bei der DMSG sind zahlreiche weitere Broschüren zu einzelnen Begleitsymptomen erhältlich.
40
Wo finde ich Hilfe?
Wenn Sie Symptome bei sich beobachten, sollten Sie zunächst Ihren behandelnden Hausarzt oder Neurologen ansprechen. Bei bestimmten Organfunktionsstörungen wird dieser
Sie zu einem Spezialisten überweisen, zum Beispiel einem Facharzt für Urologie oder HNO.
Ansprechpartner für Störungen im Bereich der Sexualität sind Frauenärzte und auf Andrologie (Männerheilkunde) spezialisierte Urologen. Bei psychischen Problemen, Konflikten in
der Partnerschaft oder der Familie, bei Schwierigkeiten, die Diagnose MS anzunehmen oder
um Strategien zur Krankheitsbewältigung zu entwickeln, finden Sie kompetente Hilfe bei
einem Psychologen oder Psychotherapeuten.
Weiterführende Literatur zum Thema MS und Begleitsymptome und wichtige Kontaktadressen finden Sie in auf dieser und den folgenden Seiten.
Die Anschriften der Selbsthilfegruppen, aktuelle Informationen und weitere Literaturhinweise finden Sie zusätzlich unter www.dmsg.de und www.ms-und-ich.de.
Novartis Pharma GmbH
90327 Nürnberg
EXTRACARE-Servicehotline: 0 800-987 00 08
(gebührenfrei Mo.–Fr.: 8.30–18.30 Uhr)
Informationen rund um das Thema MS
www.ms-und-ich.de
Literatur
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
Bundesverband e. V.
Küsterstr. 8
30519 Hannover
Telefon: 0511 9 68 34-0
Fax: 0511 9 68 34-50
www.dmsg.de
41
Weitere wichtige Adressen und Websites
Deutsches Bündnis gegen Depression e. V.
Klinik für Psychiatrie Universität Leipzig
Semmelweisstraße 10
04103 Leipzig
Telefon: 0341 97-24585
Fax: 0341 97-24539
www.buendnis-depression.de
Kompetenznetz Depression
Universitätsklinikum Leipzig
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
Semmelweisstraße 10
04103 Leipzig
Telefon: 0341 9724-530
Fax: 0341 9724-539
E-Mail: info@buendnis-depression.de
www.kompetenznetz-depression.de
Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Dr. Christine Rummel-Kluge
Semmelweisstraße 10
04103 Leipzig
Telefon: 0341 9724-493
E-Mail: info@deutsche-depressionshilfe.de
www.deutsche-depressionshilfe.de
Deutsche Fatigue Gesellschaft e. V. (DFaG)
Maria-Hilf-Straße 15
50677 Köln
Telefon: 0221 931 15 96
Fax: 0221 931 15 97
E-Mail: info@deutsche-fatigue-gesellschaft.de
www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de
42
GNP – Gesellschaft für Neuropsychologie
Nikolausstraße 10
36037 Fulda
Telefon: 0700 467 467 00
Fax: 0661 90196-92
E-Mail: fulda@gnp.de
www.gnp.de
DGSS – Institut für Lebens- und
Sexualberatung der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche
Sexualforschung
Gerresheimer Straße 20
40211 Düsseldorf
Telefon: 0211 354 591
Fax: 0211 360 777
E-Mail: sexualberatung@sexologie.org
www.sexologie.org
Informationszentrum für Sexualität
und Gesundheit e. V. (ISG)
Geschäftsstelle Universitätsklinikum
Freiburg, Abteilung Urologie
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg im Breisgau
Telefon: 0180 555 84 84
(Mo. u. Mi.: 16–18 Uhr u. Fr. 10–12 Uhr)
E-Mail: info@isg-info.org
www.isg-info.de
PRO FAMILIA Bundesverband
Stresemannallee 3
60596 Frankfurt am Main
Telefon: 069 26 95 77 90
Fax: 069 26 95 77 930
E-Mail: info@profamilia.de
www.profamilia.de
Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation
Solmsstraße 18
60486 Frankfurt am Main
Telefon: 069 605 018-0
Fax: 069 605 018-29
E-Mail: info@bar-frankfurt.de
www.bar-frankfurt.de
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Weitergehende Informationen
finden Sie im Internet unter:
www.ms-und-ich.de
Falls Sie Fragen haben, steht Ihnen unser
Berater-Team gerne zur Verfügung.
EXTRACARE-Servicehotline:
0 800-987 00 08
(gebührenfrei
Mo. bis Fr. von 8.30 bis 18.30 Uhr)
EXTRACARE-Sevicecenter:
info@extracare.de
Novartis Pharma GmbH
90327 Nürnberg
02 / 2012
313772