Vom Lesetagebuch zum Portfolio
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Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Pädagogisches Institut des Bundes PI in Steiermark Beatrix Plamenig Vom Lesetagebuch zum Portfolio Ein Baustein für das Eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen Schriftenreihe Heft 7 AHS Beatrix Plamenig Vom Lesetagebuch zum Portfolio Ein Baustein für das Eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark Graz, November 2001 B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 1 Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort............................................................................................................3 2. Einleitung ........................................................................................................5 3. Lesetagebuch und Portfolio – Begriffsklärungen ...........................................6 3.1 Das Lesetagebuch ...................................................................................................... 6 3.2 Das Portfolio .............................................................................................................. 7 4. Das Portfolio im Deutschunterricht...............................................................10 5. Gegenüberstellung Lesetagebuch - Portfolio ................................................12 6. Das Lesetagebuch bei individueller Literaturauswahl ..................................13 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 Das Festlegen des organisatorischen Rahmens .................................................... 13 Zu den Aufgabenstellungen allgemein .................................................................. 13 Zusammenarbeit mit Klassenlehrern (fächerübergreifend)............................... 14 Ziele .......................................................................................................................... 14 Form ......................................................................................................................... 14 Zeitorganisation ...................................................................................................... 14 Durchführung.......................................................................................................... 15 Korrektur und Beurteilung.................................................................................... 24 Schularbeit............................................................................................................... 25 7. Das Lesetagebuch mit Klassenlektüre: "Die Welle".....................................27 7.1 7.2 7.2 7.4 7.5 Das Festlegen des organisatorischen Rahmens .................................................... 27 Ziele .......................................................................................................................... 27 Die Aufgabenstellungen.......................................................................................... 27 Beurteilung .............................................................................................................. 30 Beispiele ................................................................................................................... 31 8. Das Lesetagebuch als Gruppenarbeit ............................................................33 8.1 8.2 8.3 8.4 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 Vorbemerkung ........................................................................................................ 33 Ziele .......................................................................................................................... 33 Gruppeneinteilung .................................................................................................. 33 Arbeitsaufträge für die Gruppe............................................................................. 33 Gruppenbeobachtung ............................................................................................. 34 Aufgabenstellungen für die Lesetagebücher ........................................................ 34 Beispiele ................................................................................................................... 36 Präsentation............................................................................................................. 38 Feedback .................................................................................................................. 38 Beurteilung .............................................................................................................. 38 9. Das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“.......................................................39 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 Lernziele................................................................................................................... 39 Einstieg..................................................................................................................... 39 Die Aufgabenstellungen.......................................................................................... 41 Begleitende Unterrichtsstunden ............................................................................ 42 Selbstreflexion ......................................................................................................... 45 Beurteilung und Resümee..............................................................................46 10. Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio).................................................................47 11. Portfolio zu einem Zeitungsprojekt...............................................................49 Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 2 Inhaltsverzeichnis für den Anhang (Materialien) Informationsblatt für Schüler - Wir führen ein Lesetagebuch ............................50 Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses...................................................................53 Bilanzbogen I.......................................................................................................54 Bilanzbogen II .....................................................................................................55 Selbsteinschätzung (Präsentation/Portfolio) .......................................................56 Aufgabenstellungen zum Portfolio „Der Vorleser“ ............................................57 Gruppenpuzzle - Textauszüge für Dreiergruppen...............................................58 Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens (Textauszüge)..........................67 Bildimpuls: Erinnerungen ...................................................................................77 Das autobiographische Gedächtnis. Wir sind, woran wir uns erinnern ..............79 Selbstbeobachtungsblatt zum Portfolio „Der Vorleser“ .....................................87 Arbeitsaufträge für die Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio für 4. Klassen)..........88 Arbeitsaufträge für das Portfolio zum Zeitungsprojekt ......................................89 Feedbackbogen Portfolio „Der Standard“...........................................................90 Portfolio/„Der Standard“ -Beurteilungsblatt .......................................................91 Schulbestätigung..................................................................................................92 Literaturliste ........................................................................................................92 Internetadressen ..................................................................................................94 Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 1. Seite 3 Vorwort Viele kennen es. Detailliert vorbereitete Unterrichtssequenzen misslingen, Erfolge entstehen oft aus Notlösungen. So ist es mir auch bei meinem Start zum Portfolio ergangen. In einer dritten Klasse, die ich im Jänner übernommen hatte, wollte ich für das Sommersemester eine gemeinsame Klassenlektüre planen und dazu entsprechende Schreibaufträge und Schreibformen vorbereiten. Im Klassengespräch ergab sich alsbald, dass die Wünsche der Schüler sehr verschiedenen waren und sie sehr unterschiedliche Interessen, aber auch einen sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand bezüglich ihres Lesealters zeigten. Der kleinste gemeinsame Nenner schien wirklich das Buch jedes Einzelnen zu sein. Da uns die Bücher gemeinsam fünf Wochen lang begleiten sollten, griff ich auf die Form des Lesetagebuches zurück, das ich allerdings vom individuell geführten begleitenden Protokoll des Lesens in einen gemeinsam verbindlichen Rahmen mit für alle gültigen Aufgabenstellungen rückte, die zusätzlich eine Verknüpfung zu den Zielen im Schreibunterricht herstellen sollten. Die große Motivation der Schüler führte dazu, dass ich im nächsten Schuljahr diese Form des Arbeitens wieder aufgreifen musste. Daraus entstand zunächst das Lesetagebuch/Portfolio zur Klassenlektüre, bei dem die Schüler, nun, da sie die Form ja bereits kannten, auch selbst Aufgabenstellungen auswählen bzw. neu kreieren konnten. Noch im gleichen Semester wurde in derselben Klasse das Lesetagebuch/Portfolio nun mit einem erweiterten Feedbacksystem in Gruppenarbeit versucht. Der Ideenreichtum der Schüler zeigte auch ihre Begeisterung, in dieser Form zu arbeiten. Der aufmerksame Leser wird bereits bemerkt haben, wie ich zwischen den Begriffen Lesetagebuch und Portfolio zu schwanken begonnen habe und der Versuchung, mich mit einem Schrägstrich aus der Affäre zu ziehen, nicht widerstehen konnte. Der Übergang zwischen den beiden Formen war fließend, eigentlich ist aus dem Lesetagbuch durch bestimmte Aufgabenstellungen, den Lehrzielen entsprechend, und einem Feedbacksystem das Portfolio entstanden. In der Unterstufe wollte ich dieses Wort jedoch nicht verwenden. Es war einfach schön ein Produkt in den Händen zu halten. Beflügelt durch die Begeisterung der 4. Klasse, versuchte ich nun Lernziele der 6. Klasse themenzentriert mit der Lektüre eines Buches zu verknüpfen. Als ich der Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 4 Klasse meine Vorstellungen präsentierte, traf ich auf eine Mischung aus Skepsis, Erschrecken, aber auch Neugier und Zustimmung. Günstig erwies es sich in diesem Zusammenhang, den Schülern die Arbeiten der 4. Klasse vorlegen zu können, so dass sie eine Vorstellung von meinen Absichten bekamen. Nach dem Abgabetermin waren die Schüler der Klasse • alle stolz auf die erbrachte Leistung • alle stolz auf ihr Produkt • einige zuversichtlich, auch eine Fachbereichsarbeit schreiben zu können • viele positiv bereit, das nächste Portfolio zu beginnen Nach der Korrektur war ich • zwar etwas erschöpft, aber • beeindruckt von der Qualität der Schülerarbeiten • überrascht von der Steigerung in den Bereichen „Stil und Ausdruck“ Im Sommersemester, in dem ich einen Schwerpunkt auf die Präsentation legen wollte, waren einige Schüler richtig enttäuscht, dass wir kein Portfolio in dieser Klasse mehr schaffen würden. Doch das nächste Schuljahr wird für sie sicher eines bereithalten. Ich möchte diese Form Lesetagebuch/Portfolio in meinem Unterricht nicht mehr missen. Sie stellt für mich eine wesentliche Bereicherung dar und dient beim Blättern durch die Arbeiten durchaus als Motivations- und Energieschub. Kollegen, die diese Form ebenfalls aufgegriffen haben, haben mich ermutigt, mit dem vorliegenden Band unserer Schriften auch anderen Ideen und Materialien zur Verfügung zu stellen. Vielleicht ergibt sich ein Austausch von Ideen, eine gemeinsame Weiterentwicklung. Über Rückmeldungen via E-mail freue ich mich und verspreche, Ideen aufzugreifen, zu verarbeiten und dann anderen (über die Homepage des Pädagogischen Institutes) zukommen zu lassen. Beatrix Plamenig (e-Mail: beatrix.plamenig@pi-stmk.ac.at) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 2. PI Seite 5 Einleitung Der Weg vom Lesetagebuch zum Portfolio ist ein sehr persönlicher, und nicht jeder Weg zum Portfolio kann über das Lesetagebuch führen. Viele verschiedene Formen des Portfolios bieten sich für verschiedene Bereiche an, auch ist die Form des Portfolios nicht auf den Deutschunterricht beschränkt, sondern kann in anderen Fächern genauso eingesetzt werden. Damit nicht nur mein persönlicher Weg zu dieser Form dokumentiert ist, dient der erste Teil einer Begriffsklärung und einer Vorstellung der verschiedenen Portfolioarten. Im Weiteren versuche ich verschiedene Formen des Portfolios aus meiner pädagogischen Praxis darzulegen. Das erste Beispiel, das lernzielgesteuerte Lesetagebuch bei individueller Literaturauswahl, wird sehr ausführlich, auch mit Auszügen aus Schülerarbeiten gezeigt, damit interessierte Kollegen ihren Schülern ein Vorzeigemodell präsentieren können. Die folgenden Beispiele, nämlich Klassenlektüre und Gruppenarbeit in der vierten Klasse, beschränken sich auf das Lehrermaterial bzw. auf eine Auflistung der verschiedenen Schülerideen. Didaktische Hinweise und Tipps runden dieses Kapitel ab. Das Portfolio für die 6. Klasse wird wiederum sehr detailliert besprochen, da ich damit den Einstieg zum Portfolio in der Oberstufe genau aufzeigen möchte. Das Kapitel Zeitungsarbeit stellt zwei Auftragsblätter für Schüler vor, die auch in Form eines Portfolios bearbeitet werden können. Im Anhang finden Sie einen ausführlichen Materialienteil, der kopierfertig aufbereitet wurde. Viele Texte und Textauszüge sollen die Kollegen, die das Buch „Der Vorleser“ im Unterricht lesen wollen, bei ihren Vorbereitungen unterstützen und sie somit entlasten. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI 3. Lesetagebuch und Portfolio – Begriffsklärungen 3.1 Das Lesetagebuch Seite 6 Das Lesetagebuch im traditionellen Sinn begleitet, protokolliert und dokumentiert den Leseprozess, damit man sich später an das Gelesene besser erinnern kann. Tagebuchartige Notizen dokumentieren auch zeitlich den Lesevorgang. Die Aufgabenstellungen (eine Auswahl): • Notieren, was man wann gelesen hat • Über das Gelesene nachdenken und reflektieren • Einzelne Kapitel kurz zusammenfassen oder nacherzählen • Buchfiguren darstellen und dokumentieren • Entscheiden, welche Buchstellen entscheidend sind • Wertungen bezüglich des Buches bzw. bestimmter Buchstellen dokumentieren • Einzelne Buchstellen kopieren und in das Lesetagebuch einkleben • Sich in das Buch einmischen • Sich eine eigene Meinung über das Buch bilden • Fragen zu besonderen Textstellen finden und formulieren • Zu einzelnen Kapiteln etwas schreiben oder zeichnen • Aufschreiben, was man beim Lesen gedacht oder gefühlt hat. • Textstellen aufschreiben, die man besonders lustig, spannend, traurig... gefunden hat • An geeigneten Stellen im Buch den Text verändern oder weiterschreiben • Aussagen über eine Person aus dem Buch sammeln • Personen des Buches zeichnen oder Steckbriefe für sie entwerfen • An eine Person des Buches einen Brief schreiben • Aus der Sicht einer Person des Buches eine Tagebucheintragung oder einen Brief entwerfen. • Aus einzelnen Textstellen eine Bildergeschichte oder einen Comic entwickeln • Eine wichtige Seite abschreiben oder fotokopieren, einkleben und kommentieren • Aufschreiben, was gut oder weniger gefällt Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio • PI Seite 7 Einen Brief an die Autorin bzw. den Autor schreiben Die Form • Ein DIN-A5-Heft, ein DIN-A4-Heft oder eine Mappe • Jede Eintragung mit dem aktuellen Datum und der Seitenzahl oder der Kapitelüberschrift versehen • Eine besondere Farbe nehmen, wenn man man etwas wörtlich aus dem Buch abschreibt • 3.2 Unterstreichen, was man besonders wichtig findet. Das Portfolio Das Portfolio in den verschiedenen Bereichen Künstlern dient das Portfolio als Bewerbungs- bzw. Präsentationsmappe, mit der sie eine Auswahl ihrer Produkte – in unterschiedlichen Medien – , ihren persönlichen Werdegang und ihre Anerkennung (durch Zertifikate, Kritiken etc.) dokumentieren. Zunehmend verwenden Institutionen bzw. Einzelpersonen des künstlerischen Bereichs die Homepage zur Darstellung ihres Portfolios. Im Bereich des Börsenwesens bezeichnet das Portfolio die Gesamtheit der Wertpapieranlagen eines Kunden. In der Schule zählt das Portfolio zu den direkten Leistungsvorlagen1 (=DLV) und stellt eine gegliederte Sammlung von Lernergebnissen dar. 1 Vgl. Scheiflinger, Werner/Petri, Gottfried: Probleme der Lernerfolgsfeststellung. Wie Schulstress abgebaut, Lernfreude verstärkt und die Leistungsbeurteilung objektiviert werden? Graz: Zentrum für Schulentwicklung 1999. S. 42f. (=Forschungsbericht 28) Diese sehr negative Darstellung der direkten Leistungsvorlage korreliert wenig mit meinen eigenen praktischen Erfahrungen im Unterricht. Dass die ausgewiesenen Leistungen auch von der Effektivität des Unterrichts abhängen - wie u.a. kritisch angemerkt wird -, trifft selbstverständlich ebenfalls auf andere Lernerfolgsfeststellungen zu. Vgl. Strasshofer, Josef: Direkte Leistungsvorlage in der Polytechnischen Schule. In: Noten – nicht zu umgehen? Alternative Formen der Leistungsbeurteilung auf dem Prüfstand. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte 2000. S. 174 – 177. (=Schulheft 98/2000) Auch die „Pensenbücher“ der Montessoripädagogik als fortlaufende Dokumentation des Lernfortschrittes sind dieser Kategorie der Leistungsbeurteilung zuzurechnen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 8 Entwickelt wurde die Portfoliobeurteilung in den 90-Jahren in den USA. Die Voraussetzungen für die Entwicklung und für den Erfolg dieser Reformbewegung waren sicherlich die Kritik an der gängigen Beurteilungspraxis in den USA, den Tests, die Forderung nach neuen Lehr- und Lernzielen und die konstruktivistischen Lerntheorien.2 Laut Lissmann ist ein Portfolio „eine zielgerichtete Sammlung von Schülerarbeiten, welche die Anstrengung des Lernenden, den Lernfortschritt und die Leistungsresultate auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung schließt die Beteiligung des Schülers bei der Auswahl der Inhalte, Kriterien für die Auswahl und zur Beurteilung sowie selbstreflexive Gedanken ein.“3 Das Portfolio soll also keine willkürliche Sammlung von Schülerarbeiten sein, sondern zeigen, dass die Schüler bestimmte Ziele (einer größeren Unterrichtseinheit) erreicht haben oder wo sie sich auf ihrem Weg zum Erreichen dieser Ziele gerade befinden. Das Portfolio dokumentiert diese „Standortbestimmung“. Die vorgegebenen Ziele müssen für die Schüler transparent und einsichtig sein, denn nur so können sie selbstständig die Lernprodukte erstellen. Zum Portfolio gehört immer auch die Evaluation in Form von Selbst- und/oder Fremdbewertung. Die verschiedenen Portfoliotypen Das Arbeitsportfolio soll die Stärken und Schwächen eines Schülers beschreiben, eine Diagnose des Lernens darstellen und somit dem Lehrer helfen, seinen Unterricht bedarfsgerecht zu planen. Dafür sollen Einzelarbeiten in ausreichender Anzahl gesammelt werden, die dann periodisch oder am Ende einer Lerneinheit beurteilt werden können. Da diese Arbeiten meistens einen Prozess dokumentieren, ist in diesem Zusammenhang eine Beurteilung oft nicht vorgesehen. Im Vordergrund stehen die Arbeiten, die es wert sind, aufgehoben und gezeigt zu werden. Deshalb wird es auch „celebration portfolio“ genannt. 2 Lissman, Urban: Beurteilung und Beurteilungsprobleme bei Portfolios. In: Jäger, Reinhold: Von der Beobachtung zur Notengebung. Diagnostik und Benotung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2000 . S. 284 - 288. 3 Ebenda, S. 288. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 9 Das Beurteilungsportfolio soll zeigen, was ein Schüler gelernt hat. Auf der Basis der Lernziele wird festgelegt, welche Arbeiten fürs Portfolio verlangt werden. Die Schüler müssen genau wissen, was und wie sie die Aufgaben erfüllen müssen. Dieses Portfolio ist formaler als andere. Das Vorzeigeportfolio ist sehr flexibel, weil es Arbeiten aus einem längeren Zeitraum, aus einem Fach oder mehreren Fächern dokumentiert. Es enthält die besten Arbeiten eines Lernenden und zeigt somit die Arbeiten, die für den Schüler bedeutsam sind und die er gerne anderen zeigen möchte, wobei die Auswahl begründet werden sollte. Das Entwicklungsportfolio enthält Beispiele von Arbeiten im Anfangszustand bis zu den fertigen Produkten, die den Lernprozess dokumentieren. Dabei treffen Schüler selbst die Entscheidung, wo sie Fehlerquellen sehen und wie sie sie bearbeiten möchten. Das Bewerbungsportfolio Bei diesem Portfolio steht die erreichte Leistung im Vordergrund. Außer dem Lebenslauf, einem Einleitungsbrief, Empfehlungsschreiben u.a. können Arbeitsvideos, ein persönliches Schreiben, die Biographie eines Vorbildes, die Dokumentation einer gemeinnützigen Arbeit und Buchbesprechungen beigefügt sein. Für den Bereich der Schule ist es seit dem Frühjahr 2001 interessant, weil seither die Schule Bestätigungen bzw. Zertifikate ausstellen kann für: • Funktionen (Klassensprecher, Schulsprecher, SGA-Mitgliedschaft etc.) • Aktivitäten (Organisation von Projekten etc.) • Kursbesuche (z.B.: Teilnahme an Kursen, die von den Schulkubs organisiert werden) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 10 Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Homepage des Unterrichtsministeriums, wo die Form einer Leistungsmappe vorgestellt wird.4 Im Materialienanhang auf Seite 92 finden Sie daraus einen Vordruck für ein Zertifikat. 4. Das Portfolio im Deutschunterricht Das Entwicklungsportfolio im Deutschunterricht Das Entwicklungsportfolio im Deutschunterricht soll den Prozess der Textproduktion dokumentieren und kann folgende Aufgabenstellungen bzw. Lernprodukte enthalten: • Brainstorming/Mindmap • Materialsammlung • Materialbearbeitung (markieren und exzerpieren) • Gliederung • Entwurf • Bearbeitungsvorschläge • Überarbeitung • Endprodukt • Selbstbeurteilung des Schülers • Kommentar des Schülers zum Arbeitsprozess • Rückmeldungen des Lehrers Üblicherweise stellt sich mir bei der Korrektur der Hausübungen die Sinnfrage, wenn meine Anmerkungen und Tipps manchmal den Umfang der vom Schüler geleisteten Arbeit übertreffen, ohne dass sich deshalb eine Verbesserung zeigt. Das Überarbeiten von eigenen Texten, sinnvoll und wichtig für die eigene Sprachkompetenz, wird meist von Schülern unwillig und deshalb ohne größeren Erfolg erledigt. Das Entwicklungsportfolio kann die Arbeit des Lehrers erleichtern, da Bearbeitungsund Überarbeitungsaufgaben Bestandteil der Arbeitsaufträge sind. 4 http://www.bmuk.gv.at/pbildung/leistmap/lm.htm Stand: 20.Juni 2001 Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 11 Das Beurteilungsportfolio im Deutschunterricht Das Beurteilungsportfolio verlangt von den Schülern die Bewältigung von Aufgabenstellungen, die auf Lernzielen einer bestimmten Unterrichtssequenz basieren. Für die Vergleichbarkeit, Transparenz und somit für die Bewertung ist eine für alle gültige Liste mit Aufgabenstellungen notwendig. Diese Liste kann natürlich mit „Küraufgaben“ erweitert werden. Wie beim Entwicklungsportfolio schließt eine Evaluation die Aufgabe ab. Die Bandbreite der Aufgabenstellungen reicht von der Informationssuche über bestimmte Textsorten bis hin zur Erstellung von Diagrammen. Für mich persönlich ist beim Beurteilungsportfolio auch wichtig – dafür werden also Punkte vergeben – die formale Gestaltung wie Titelblatt, Seitennummerierung, Inhaltsverzeichnis und äußere Gliederung. Die in dieser Publikation vorgestellten Portfolios sind Beurteilungsportfolios. Das Bewerbungsportfolio im Deutschunterricht Das Bewerbungsportfolio kann als Beitrag zur Berufsorientierung Teil des Deutschunterrichts sein. Der Lebenslauf und das Bewerbungsschreibung sollte am Computer erarbeitet werden, damit die Schüler später – für eine tatsächliche Bewerbung – ihre Texte (gespeichert auf einer Diskette) ergänzen können. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 5. Seite 12 Gegenüberstellung Lesetagebuch - Portfolio Lesetagebuch Portfolio Begleitet einen Leseprozess Begleitet einen Lernprozess Aufgabenstellungen Orientiert sich an Lektürestoff Reflexion Keine Reflexion Arbeitsprozess dem Orientiert sich an den Lernzielen über den Reflexion, ob und wie Ziele erreicht wurden, Reflexion über den Arbeitsprozess Arbeitsplatz Themenhefte Zu Hause Heft 7 Zu Hause, in der Schule Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 6. Das Lesetagebuch bei individueller Literaturauswahl 6.1 Das Festlegen des organisatorischen Rahmens Dieses Lesetagebuch setzt bereits den ersten Schritt zum Seite 13 Portfolio (Beurteilungsportfolio): • Die Textauswahl erfolgt individuell. • Die Aufgaben werden nämlich für alle verbindlich vorgegeben, freiwillige Ergänzungen der Schüler sind allerdings möglich. • Die Aufgabenstellungen orientieren sich an den Lernzielen Unterrichtszeitraumes und korrelieren mit den parallel dazu eines verlaufenden Unterrichtsstunden. • Die Aufgabenstellungen werden nicht alle sofort zu Beginn der Arbeitsphase vorgegeben, sondern in Blöcken, die sich auch zeitlich an den Zielen der Unterrichtssequenzen orientieren. • Für jeden Block von Aufgabenstellungen gibt es einen eigenen Fertigstellungstermin (ähnlich einer Wochenplanarbeit). Kleine Arbeitszeiträume sollen eine Überforderung der Schüler in der Unterstufe vermeiden. • 6.2 Die Reflexion erfolgt (nur) in der Gruppe und mündlich. Zu den Aufgabenstellungen allgemein Die Schwierigkeit, geeignete Aufgabenstellungen, die sich für alle gewählten Bücher als sinnvoll erweisen, zu finden, stellt sich nur, wenn eine Klasse das erste Mal den Versuch unternimmt, mit einem Lesetagebuch zu arbeiten. Wenn die Form als solche mit ihren Möglichkeiten bereits praktisch erprobt wurde, können Schüler selbst einen Aufgabenplan zusammenstellen oder eine Pflichtliste mit eigenen Ideen ergänzen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 6.3 PI Seite 14 Zusammenarbeit mit Klassenlehrern (fächerübergreifend) Gerade das Lesetagebuch in der Unterstufe bietet sich für eine Zusammenarbeit mit dem BE-Lehrer der Klasse an. Wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht, so kann nur das Titelblatt/der Umschlag des Lesetagebuches im BE-Unterricht gestaltet werden. Gibt es einen größeren zeitlichen Rahmen, so können einzelne Aufgabenstellungen (wie das Zeichnen eines Lageplan oder einer Hauptfigur) dem BE-Unterricht zugeordnet werden. Abstimmungen sind dann allerdings hinsichtlich der Beurteilung nötig. Thematische Schwerpunkte einzelner Bücher können auch zu einer Zusammenarbeit mit anderen Fächern führen. Tierbücher werden zum Beispiel bei einem Lesetagebuch Aufgabenstellungen ergeben, die im Biologieunterricht bearbeitet werden können. 6.4 Ziele • Eigenständiges Arbeiten an Aufgabenstellungen • Zeitvorgaben einhalten • Verschiedene Textsorten praktisch erproben • Übersichtliche Gestaltung und Einsatz graphischer Elemente und Bilder • Transfer der Lernziele der begleitenden Unterrichtsstunden auf das eigene Buch 6.5 Form • Heft oder Mappe • Vorgaben für Seitengestaltung • Überschriften und äußere Gliederung (Absätze) • Inhaltsverzeichnis • Seitennummerierung 6.6 Zeitorganisation Für fünf Wochen wird ein Teil der Schulstunden bzw. der Hausübungen für das Lesetagebuch reserviert. Jedes Kind muss für die in der Schule dafür vorgesehenen Stunden das Buch und das Heft bzw. die Mappe für das Lesetagebuch mitbringen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 6.7 Seite 15 Durchführung 1. Woche: Stunden Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 1 2 3 Deutsch Deutsch 4 Arbeiten mit dem Titel 5 6 Bibliotheksstunde Deutschstunde: Büchervorstellung und Buchauswahl in der Bibliothek Informationen über die Arbeitsweise zum Lesetagebuch Vorbereitung: • Jugendbücher der Bibliothek für die 3. Klasse auswählen • Bücher nach Themenkreisen sortieren • „Bücherkoffer“: Die Schüler bringen eigene Bücher mit, die sie auch anderen in der Klasse leihen würden. Die Bücher werden in eine Liste mit Titel und Eigentümer eingetragen und werden dann in einem Karton mit der Aufschrift „Bücherkoffer“ aufbewahrt. Jede Entlehnung muss auf der Liste vermerkt werden. Stundenorganisation: Zirka 10-15 Minuten werden einzelne Bücher kurz vom Lehrer und auch von den Schülern vorgestellt. Im Anschluss daran haben die Schüler die Möglichkeit, Bücher anzulesen, mit anderen über Bücher zu diskutieren, sich Lesetipps zu holen. Am Ende der Stunde sollten alle Schüler sich für ein Buch entschieden haben, wobei einige die Auswahl bereits zu Hause getroffen haben. Die Bücher werden in eine Klassenliste eingetragen. Die Schüler werden über die Arbeitsweise informiert (äußere Gestaltung des Lesetagebuches) und müssen sich bis zur nächsten Stunden ein Heft (oder eine Mappe) besorgen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Deutschstunde: Seite 16 Angaben zu einem Buch Arbeiten mit dem Titel Gemeinsam mit der Klasse wird gesammelt, welche Angaben man zu einem Buch machen kann. Die einfache Form (Autor, Titel, Verlag und Seitenanzahl) wird an die Tafel geschrieben. Diese Angaben muss jeder Schüler zu seinem Buch suchen und damit die erste Seite in seinem Lesetagebuch gestalten. Der Buchtitel wird in die Mitte des Blattes in ein rundes oder eckiges Feld geschrieben. Nun sollen in einer Art Brainstorming alle Begriffe, die die Schüler mit ihrem eigenen Buchtitel assoziieren, um das Titelfeld angeordnet werden. Als Hausübung sollen die Schüler 10 verschiedene Titelvarianten erarbeiten. Die Werbewirksamkeit soll dabei im Vordergrund stehen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 17 2. Woche: Stunden Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 1 2 3 Personenbe- Deutsch schreibung 4 Deutsch 5 6 Arbeits-und Lesestunde Deutschstunde: Personenbeschreibung • Wiederholung der verschiedenen Bereiche der Personenbeschreibung • Wortschatzübung: Adjektive, zusammengesetzte Adjektive, kreative Neubildung von zusammengesetzten Adjektiven • Appositionen Zunächst wiederholen die Schüler mittels einer Mindmap die verschiedenen Personenbeschreibung. Bereiche Übungen und der eine Hausübung zum Wortschatz runden diesen Bereich ab. Für das Lesetagbuch soll eine Person (muss nicht die Hauptperson sein) ausgewählt werden. Die äußeren Kennzeichen werden zeichnerisch dargestellt, andere Merkmale sollen schriftlich ergänzt werden. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 18 Die Schüler sollen einen Dialog zwischen einer Buchfigur und ihnen selbst gestalten. Da das Chatten für sie eine alltägliche Form des Schreibens ist, brauchen sie dafür die Umrisse kaum Arbeitsanweisungen. Manche Schüler nehmen des Bildschirms als äußeren Rahmen für ihren Text. Jeder Schüler soll den Umriss einer seiner Hände im Lesetagebuch abbilden. In der Handfläche soll vermerkt werde, wie das Buch seinen Weg zum Leser gefunden hat: „Wie dieses Buch in meine Hände gekommen ist“. 3. Woche Stunden Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 1 2 3 Briefe schreiben Buchbewertung 4 Deutsch 5 6 Arbeits-und Lesestunde Deutschstunde: Briefe schreiben • Unterschiede zwischen Normbrief und privaten Brief erkennen Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio • Die Schreibung der höflichen Anrede üben • Einen Normbrief (mit Vorgaben) am Computer schreiben PI Seite 19 Deutschstunde: Buchbewertung • Anhand einer Geschichte (Deutschstunde 3, Seite 77f.) sollen die Schüler Bewertungskriterien für einen Text erarbeiten. Zunächst werden in Partnerarbeit Adjektive gesammelt, die die Geschichte charakterisieren. Anschließend sollen Kategorien für die Beurteilung gefunden werden. Bekannte Qualitätssymbole wie die Kameras bei Kinofilmen oder die Sternvergabe bei Fernsehfilmen für Niveau, Spannung etc. werden auf ihre Brauchbarkeit für die Buchbewertung überprüft. • Für dieselbe Geschichte wird der Spannungsverlauf als eine Linie in einen Kästchenraster in Einzelarbeit eingetragen. Im Anschluss daran sollen die Sitznachbarn ihre Kurven vergleichen und versuchen gegenseitig einzelne Kurvenabschnitte mit den dazugehörenden Textstellen zu bezeichnen. Nun sollen die Schüler für ihr Lesetagebuch eine eigene Buchbewertung für Jugendbücher erarbeiten. Anschließend sollen sie ihr Buch damit beurteilen. Als Zusatzaufgabe für ihr Lesetagebuch können die Schüler eine beschriftete Spannungskurve für ihr Buch zeichnen. Deutschstunde 3, S. 78 Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 20 4. Woche Stunden Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 1 2 3 Zeitungsbericht Leserbriefe/ Frageecken 4 Lageplan 5 6 Arbeits-und Lesestunde Deutschstunde: Zeitungsbericht Die Schüler haben für diese Stunde eine Tageszeitung mitgebracht. Sie wählen zu zweit drei Zeitungsbericht aus. Anhand dieser Berichte sollen sie in Partnerarbeit erforschen, wie viele Fragemöglichkeiten es mit W-Fragewörtern in Zeitungsberichten gibt? Die Sammlung dieser Fragen wird ins Schulübungsheft geschrieben. Im Klassengespräch wird erarbeitet, aus welchen Bestandteilen (von der Form her erkennbar) der Zeitungsartikel im Schulbuch besteht. Zur Wiederholung versucht jeder Schüler die genannten Bezeichnungen aus dem Gedächtnis in sein Schulübungsheft zu schreiben.. Für das Lesetagebuch sollen die Schüler ein Ereignis aus ihrem Buch auswählen und dieses in einem Zeitungsbericht darstellen. Mindestens vier Bestandteile eines Zeitungsartikels müssen vorhanden sein. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 21 Deutschstunde: Lageplan Zunächst wird der Bankspiegel der Klasse als Lageplan besprochen. In Partnerarbeit sollen die Schüler einen Lageplan der Schule zeichnen. Zwei Möglichkeiten werden vorgegeben: 1. ein Lageplan (eines Stockwerkes) der Schule 2. ein Lageplan des Stadtteils, in dem sich die Schule befindet. Für das Lesetagebuch soll nun ein Lageplan entworfen werden. Als Zusatzaufgabe können die Schüler einen Schauplatz ihres Buches mittels einer Collage darstellen. In der vierten Woche haben beinahe alle Schüler ihr Buch ausgelesen. Leseverhalten Nun sollen sie Mit der reflektieren. über ihr einfachen Fragestellung „WO, WANN, WIE habe ich mein Buch gelesen?“ Leseverhalten soll jeder erforschen, das Schüler Ergebnis sein im Lesetagebuch festhalten und sich mit anderen darüber im Klassengespräch austauschen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 22 Die Schüler haben bereits zu Hause aus diversen Jugendzeitschriften Leserbriefe für „Beratungs- briefkästen“ ausgeschnitten. In der Schule werden sie auf Packpapier geklebt und in der Klasse an die Wand geheftet. Einige werden vorgelesen und die Schüler können aus dem Stegreif versuchen, Antwortbriefe zu schreiben. Nun sollen sie versuchen zu ihrem Buch dazu eine Seite zu gestalten. 5. Woche Stunden Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 1 2 3 Inhaltsangabe Deutschstunde 4 Inhaltsverzeichnis erstellen 5 6 Arbeits-und Lesestunde Deutschstunde: Inhaltsangabe Jeder Schüler bereitet sich in der Stunde auf die Inhaltsangabe seines Buches vor. Das Wesentliche soll in Stichwörtern festgehalten werden. Dann stellt jeder in einer Art Mini-Referat sein Buch vor. Da es häufig passiert, dass Schüler vom Präsens ins Präteritum gleiten, kann der Lehrer leise korrigierend eingreifen, indem er beim Zeitenwechsel ein gelbes Kärtchen hochhält. So informiert er den Schüler und signalisiert ihm „Achtung“, ohne ihn jedoch zu unterbrechen. In größeren Klassen muss man bei dieser Vorgangsweise zwei Unterrichtsstunden einplanen, die sich aber lohnen, da dadurch alle Schüler die Bücher kennen lernen und sich so vielleicht für ein weiteres Buch interessieren. Wie bei Referaten rate ich den Schülern das Ende, den Ausgang der Geschichte, zu verschweigen, damit die Spannung für ihre Mitschüler bei der Lektüre nicht verloren geht. Als Hausübung wird für das Lesetagebuch die Inhaltsangabe verfasst. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 23 Am Ende der fünften Woche haben nun alle Schüler die Pflichtaufgaben für das Lesetagebuch erledigt. Nun können sie als Zusatzaufgabe eine Pinnwand oder einen Kühlschrank mit Merkzetteln passend zum Buch gestalten. Deutschstunde: Inhaltsverzeichnis Vorbereitung: Das Inhaltsverzeichnis eines Deutschbuches – auch ein anderes Schulbuch ist möglich – wird kopiert. Anschließend werden die einzelnen Bestandteile des Inhaltsverzeichnisses ausgeschnitten und ungeordnet auf ein Blatt geklebt. Eine Kopiervorlage für ein Beispiel finden Sie dazu im Anhang auf Seite 54. Die Schüler sollen nun in Partnerarbeit versuchen, das Inhaltsverzeichnis zu erstellen, indem sie in einem ersten Schritt Unterbegriffe Überbegriffen zuordnen und dann eine Reihenfolge erstellen. Um die Übung zu vereinfachen, können die Kapitelüberschriften etwa durch Unterstreichen hervorgehoben werden. Wenn das Lesetagebuch im zweiten Semester auf dem Plan steht, kann man im Anschluss an diese Übung auch ein Inhaltsverzeichnis für die Deutschmappe verlangen. Damit verbunden ist auch ein Ordnen der Blätter. Wenn alle Arbeiten am Lesetagebuch fertig gestellt sind, müssen die Seiten nummeriert werden (wenn dies nicht bereits geschehen ist). Dann sollen die Schüler zu ihrem „Buch“ ein Inhaltsverzeichnis erstellen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 24 Einige Schüler wollten nicht akzeptieren, dass wir nach der fünften Woche die Arbeiten am Lesetagebuch beenden sollten. Mein Argument, ich habe keine Ideen mehr für Arbeitsaufträge, konnten sie mit ihren eigenen Ideen entkräften. Manche ergänzten ihr Lesetagebuch mit weiteren Personenbeschreibungen, Briefen oder Collagen. Andere entwickelten völlig neue Aufgabenstellungen, wie die zwei Beispiele unten zeigen: Buchquiz 6.8. Ahnentafel Korrektur und Beurteilung In einem liebevoll gestalteten Heft mit dem Rotstift zu wüten, wäre mir zu barbarisch erschienen. So wurden in den Heften selbst die Fehler nicht angestrichen. Jeder Schüler erhielt ein Beiblatt, auf dem mit Seitenangabe seine Fehler vermerkt waren. Die Verbesserung und das Fehlertraining erfolgte im Schulübungsheft. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 25 Punktevergabe Termingerechte Abgabe/Fertigstellung 3 Seitennummerierung 1 Inhaltsverzeichnis 1 Gestaltung und Gliederung 5 Umsetzung der Textsorte 5 Sprachliche Ausarbeitung 5 Zusatzaufgaben (+) Gesamt 20 Die erreichte Punkteanzahl beim Lesetagebuch ist ein Bestandteil der Mit- arbeitsnote. 6.9 Schularbeit Die Arbeit am Lesetagebuch war verknüpft mit den Lernzielen einer sechswöchigen Unterrichtssequenz. So wurden auch die Themenstellungen für die Schularbeit in diesem Lernabschnitt darauf abgestimmt. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 26 Schularbeitenblatt: 1. Verfasse einen Brief an eine Freundin/einen Freund, in dem du von deinem Buch erzählst. Teile ihr/ihm auch mit, warum du das Buch empfehlen könntest und was dir nicht daran gefallen hat. 2. Du hast die Möglichkeit in dein Buch zu schlüpfen und kannst dort in einer Szene mitspielen. Erzähle deine Geschichte in der Ich-Form. Der Handlungsablauf der Geschichte kann sich durch dein Mitwirken verändern. 3. Eine Figur aus deinem Buch verbringt eine Woche/einen Tag bei dir zu Hause. Schreibe dazu eine Geschichte. Versuche dabei die Figur so zu schildern, dass sich der Leser diese Figur gut vorstellen kann. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 7. Das Lesetagebuch mit Klassenlektüre: „Die Welle“5 7.1 Das Festlegen des organisatorischen Rahmens • Seite 27 Die Aufgabenstellungen werden alle am Beginn der Unterrichtssequenz den Schülern vorgestellt und mit ihnen besprochen. • Für die Bearbeitung der Aufgabenstellungen und für das Lesen steht im Zeitraum von drei Wochen je eine Deutschstunde (in Freiarbeit) dafür zur Verfügung. • Ein für alle verbindlicher Abgabetermin – dafür gibt es Punkte – wird festgelegt. • Für die äußere Form gelten die Vorgaben wie für die anderen Lesetagebücher: Überschriften, Absätze, Seitennummerierung und Inhaltsverzeichnis. 7.2 Ziele • allgemeine Ziele, wie auf Seite 13 beschrieben • Lernen, sich die Aufgaben zeitlich einzuteilen 7.3 Die Aufgabenstellungen Die Aufgabenstellungen werden auf den folgenden zwei Seiten mittels eines Auftragsblattes für Schüler vorgestellt und wurden zum Teil schon in Kapitel 6 genauer besprochen. Eine neue Aufgabenstellung möchte ich allerdings kommentieren: den Personenlageplan. Aus vorangegangenen Lesetagebüchern kannten die Schüler bereits die Aufgabenstellung „Lageplan“. Daran anknüpfend versuchte ich ihnen die Personenkonstellation als einen Personenlageplan zu erklären. Diese Form der Aufgabenstellung verlange ich bei allen Buchbesprechungen, da durch die Visualisierung nicht nur ein Schritt zur Abstraktion erfolgt, sondern das Gelesene auch besser in Erinnerung bleibt. 5 Rhue, Morton: Die Welle. Ravensburg: Otto Maier 2000. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 28 Hake jede erledigte Aufgabenstellung ab und notiere am Rand das Datum. • Suche alle wichtigen Informationen wie Autor, Titel, Verlag und die Seitenanzahl auf dem Umschlag und der ersten Seite (berücksichtige auch die Rückseite) und gestalte damit das erste Blatt deines Lesetagebuches. • Schreibe den Titel „Die Welle“ in die Mitte eines Blattes und überlege dir, welche Gedanken du mit diesem Wort verbindest. Notiere deine Ideen rund um den Titel. • Sammle alle Eigenschaften, die deiner Meinung nach ein guter Lehrer haben sollte. • Du kennst die Cartoons mit dem Titel „Liebe ist...“. Gestalte nach diesem Schema eine Seite mit der Überschrift „Gemeinschaft ist...“. • Zwei Seiten deines Lesetagebuches solltest du dafür verwenden, alle Begriffe, die im Buch vorkommen und die nicht für alle klar sind, aufzulisten. Schreibe zu jedem Begriff eine kurze und gut verständliche Definition. • Stelle eine Person vor: Zeichne sie, wie sie deiner Vorstellung nach aussieht und notiere einige Informationen, die dir das Buch über sie gibt. • Disziplin kann Vor-und Nachteile haben. Überlege dir, in welchen Bereichen und in welchen Situationen Disziplin angebracht oder nicht nötig ist. • Versetze dich in Laurie und verfasse aus ihrer Sicht einen Artikel, der in der „Ente“ erscheinen und vor der Welle warnen soll. • Notiere zunächst alle wichtigen Personen des Buches. Überlege dir nun, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Zeichne nun einen Personenlageplan. Verwende Symbole, um zu zeigen, wie die Beziehung zwischen zwei Personen funktioniert. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio • PI Seite 29 Du kennst die Sprech- und Denkblasen aus Comics. Gestalte jeweils eine Blase zu: Ein Außenseiter denkt ... Ein Außenseiter fühlt ... • Sammle Informationen (Geschichtebuch) über den Zweiten Weltkrieg und verfasse dazu einen Sachtext. • Das Symbol der Welle ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewegung an der Schule. Welche anderen Symbole kennst du? Gestalte damit eine Seite. • Verfasse eine Inhaltsangabe zum Buch (einschließlich Schluss). • Bereite ein Buchquiz vor: Formuliere mindestens zwölf Fragen, die man beantworten können sollte, wenn man das Buch gelesen hat. Notiere auch die Antworten. Zusatzaufträge: • Gestalte ein Titelblatt für die „Ente“. • Schreibe einen Brief (aus der Sicht Davids) nach dem Streit mit Laurie. • Kreiere ein Flugblatt für die Versammlung in der Aula. Und welche Ideen hast du noch? Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 7.4 Seite 30 Beurteilung Bei diesem Lesetagebuch wurden die Aufgabenstellungen einzeln bewertet. Zusatzpunkte durch weitere Aufgaben konnten erreicht werden. In der linken Spalte (Maximum) wurde die höchstmögliche Punkteanzahl vermerkt, in der rechten Spalte die tatsächlich vom Schüler erreichte. Lesetagebuch: Die Welle Name: Maximum Termin 2 Seitennummerierung 1 Inhaltsverzeichnis 1 Zitat 1 Gedanken zum Titel 2 Lehrereigenschaften 3 Gemeinschaft ist 3 Worterklärungen 3 Eine Person 3 Zeitungsbericht 3 Disziplin 3 Außenseiter 2 Personenlageplan 3 Sachtext über 2. Weltkrieg 3 Inhaltsangabe 5 Symbole 3 Buchquiz 3 Gestaltung/Übersichtlichkeit 10 Textgestaltung 10 Erreicht Gesamt Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 7.5. PI Seite 31 Beispiele Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark PI Seite 32 AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 8. Das Lesetagebuch als Gruppenarbeit 8.1 Vorbemerkung PI Seite 33 Wenn Schüler mit der Form des Lesetagebuches bereits vertraut sind, kann es sehr interessant sein, sie selbst Ideen für die Gestaltung suchen zu lassen. Ein weiteres Anliegen war, die Kompetenzen im Bereich der Teamarbeit zu erweitern, wobei speziell auf die Arbeitsplanung in der Gruppe Wert gelegt wurde. Die Schüler sollten ein Repertoire erwerben, mit dem sie später selbst Gruppenarbeitsprozesse initiieren und organisieren können. Ein schriftliches Feedback, das ausführlich besprochen wurde, sollte der letzte Schritt zum Portfolio in der Oberstufe sein. 8.2 Ziele • Ideen für die Gestaltung eines Lesetagebuches sammeln • Einen Arbeitsplan erstellen und einhalten • In der Gruppe die Arbeitseinteilung diskutieren und ausführen • Das Lesetagebuch erstellen und ausführen • Das Lesetagebuch als Referat in der Gruppe präsentieren • Feedback über die Zusammenarbeit geben • Über die eigene Leistung reflektieren 8.3 Gruppeneinteilung Die Gruppeneinteilung sollte über die Buchauswahl erfolgen. In der Praxis suchten sich die Schüler jedoch das Buch aus, das ihre Freunde in der Klasse gewählt hatten. Auch kam es in zwei Gruppen zu einigen neuen Buchvorschlägen und zu einer neuerlichen Buchauswahl. Um das zu vermeiden, kann der Lehrer die Gruppeneinteilung durch Zulosen vornehmen. 8.4 Arbeitsaufträge für die Gruppe • Einen Gruppenname finden (soll die Identifikation mit der Gruppe fördern) • Ideen für das Lesetagebuch sammeln • Ideen auswählen (mindestens dreizehn Aufgabenstellungen als Vorgabe) • Einen Arbeitsplan erstellen (Wer macht was bis wann?) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio • 8.4 PI Seite 34 Einen Zeitplan erstellen (abhängig von der Terminvorgabe für die Präsentation) Gruppenbeobachtung In der Arbeitsphase der Gruppen (eine Schulstunde pro Woche über einen Zeitraum von fünf Wochen) wurden sie von mir (aus der Distanz, um nicht ins Geschehen einzugreifen) beobachtet. Pro Stunde wählte ich zwei Gruppen für die Beobachtung aus und versuchte möglichst detailliert meine Wahrnehmungen über das Verhalten Einzelner aufzuschreiben. Das Feedback der Gruppen über ihre Zusammenarbeit sollte von mir als außenstehenden Beobachter ergänzt werden. 8.5 Aufgabenstellungen für die Lesetagebücher Natürlich haben die Schüler bereits bewährte Formen der Aufgabenstellung wieder aufgegriffen. Anführen möchte ich deshalb nur ihre neuen Ideen, die auch für mich Anregungen für weitere Lesetagebücher liefern. Tolkien, I.R.R.: Herr der Ringe • Vergleiche von Personengruppen (Hobbits, Zwerge, Menschen) • Entwurf eines Brettspiels zum Buch • Kalender • Filmsequenz: Drehbuch entwerfen, in Video umsetzen • Quiz in Form der Millionenshow entwickeln (4 Antwortmöglichkeiten und Joker) • Internetseite auf Papier entwerfen und gestalten King, Stephen: Stark • Beschreibung von Feind und Verbündeten • Worterklärungen • Was versteht man unter „stark“? • Wieso Horror anziehend ist? • Fotoroman/Comic • Ein anderes Ende erfinden Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio • PI Seite 35 Gedanken der Personen auf einem Blatt mit Zeichnungen und Sprechblasen darstellen • Fragebogen zum Buch • Liedertext zum Buch • Speiseplan einer Buchfigur mit Rezepten Horvath, Ödön von: Jugend ohne Gott • Kassette mit einer Radiosendung zum Buch • Die Gedanken der Gruppenmitglieder zu „Gott und Glauben“ nach einer Diskussion festhalten Gruber, Reinhard P.: Aus dem Leben Hödlmosers • Auflistung der verschiedenen Arten eines Steirers • Die wesentlichsten Dinge für Hödlmoser zeichnerisch darstellen • Einen Cartoon gestalten • Einige Steirertypen als Karikatur darstellen Roberts, Monty: Der mit den Pferden spricht • Informationen über den Autor sammeln und über Text und Bild darstellen • Den Alltag in Reportagenform darstellen • Eine Liste von Büchern zum Thema erstellen • Ein Kreuzworträtsel erstellen • Über den Film „Der Pferdeflüsterer“ • Lebenslauf des Trainers Grisham, John: Die Akte • Personenlageplan • Collage zu einer Titelseite einer Zeitung (mit anschließendem Bericht) • Verhörprotokoll Inspektor und Darby Show (Dialog) • Ballade zum Buch Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 8.6. PI Seite 36 Beispiele Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark PI Seite 37 AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 8.7 PI Seite 38 Präsentation Für die Präsentation mussten die Gruppenmitglieder ihren Auftritt planen: • Reihenfolge der Auftritte • Art der Präsentation • Mittel zur Veranschaulichung (Plakate, Folien etc.) • Vorbereitung der Medien (Videorekorder, Kassettenrekorder etc.) Im Anschluss an jede Präsentation fand eine Feedbackrunde der Zuhörer statt, bei der streng auf die Einhaltung der Feedbackregeln geachtet wurde. 8.8 Feedback Die Feedbackbögen (Siehe Anhang S. 54 und 55) wurden ausgeteilt und die Fragestellungen besprochen. Nun legte jeder Schüler zunächst in Einzelarbeit seine Beobachtung über die Zusammenarbeit in der Gruppe schriftlich nieder. In der Gruppe sollten dann die Aufzeichnungen vorgestellt und verglichen werden. Unterschiedliche Wahrnehmungen gaben Raum für interessante (und hitzige) Diskussionen. In dieser Phase wanderte ich von Gruppe zu Gruppe um gruppenintern meine Aufzeichnungen über ihr Verhalten mit ihnen zu besprechen. Besonders wichtig war der Punkt, was jeder Einzelne, aber auch die Gesamtgruppe beim nächsten Mal anders (und vielleicht somit besser) machen würde. 8.9 Beurteilung Für die Beurteilung mussten die Schüler mit ihrer Gruppenarbeitsmappe ausgefüllte Arbeitsblätter abgeben, auf denen jeder Einzelne seine persönliche Arbeitsleistung einschätzt (Siehe Anhang S. 56). Obwohl die Arbeit in der Gruppe erfolgte, ergab sich für jeden Schüler eine Einzelbewertung, die sich aus seinen Einzelleistungen (Anteil am Lesetagebuch und an der Präsentation) und der Gesamtleistung der Gruppe zusammensetzte. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 9. Das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“6 9.1 Ziele PI • Aus Detailinformationen Phantasien zum Buch entwickeln • Persönliche Erfahrungen textlich umsetzen • Ein Plädoyer verfassen • Informationssuche • Informationen zu einem Text verarbeiten • Beziehungen grafisch darstellen • Bücher zitieren können • Zeitmanagement • Formale Bearbeitung (Titelseite, Inhaltsverzeichnis, Überschriften etc.) • Über eigenes Arbeitsverhalten reflektieren • Über das Erreichen von Lernzielen reflektieren 9.2 Seite 39 Einstieg Noch bevor die Schüler die Bücher bekamen, sollten sie zunächst ihre Phantasien zum Buch entwickeln. Dafür standen nur das Titelblatt und Textauszüge zur Verfügung. Vorbereitung für das Gruppentextpuzzle Man wählt pro vorgesehener Gruppe eine Szene im Buch aus und kopiert zu dieser Szene drei bis fünf (je nach Anzahl der Gruppenmitglieder) aufeinanderfolgende Seiten. Die Seitennummerierung muss weggeschnitten oder mit Tippex gelöscht werden. Interessant ist es, wenn die ausgewählten Szenen nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun haben. Wenn zu wenig interessante Szenen zur Verfügung stehen, kann man die Kopien zunächst für die Hälfte der Gruppenanzahl vorbereiten und diese dann nochmals auf farbiges Papier kopieren. So entsteht zu jeder Gruppe 6 Schlink, Bernhard: Der Vorleser. Zürich: Diogenes 1995. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 40 eine Kontrollgruppe, die den gleichen Text behandelt. Im Anhang finden Sie von Seite 58 bis Seite 66 eine bewährte kopierfertige Textauswahl für fünf Gruppen zu je drei Gruppenmitgliedern. Für eine Klasse mit dreißig Schülern können Sie die Texte durch Kopieren auf buntes Papier verdoppeln. Für kleinere Klassen lassen Sie einfach Gruppen weg. Durchführung • Jeder Schüler erhält willkürlich eine Seite und soll sich damit vertraut machen. • Die Textauszüge werden anschließend vom Lehrer eingesammelt. • Nun sollen sich die Schüler mittels mündlichem Austausch über ihre Texte zu den passenden Gruppen zuordnen. • Anschließend versucht jede Gruppe ihre Texte zu besprechen, sie in eine Reihenfolge zu bringen und mündlich wiederzugeben. • Durch Los wird ein Gruppensprecher bestimmt. Reihum wird über die Textauszüge der einzelnen Gruppen berichtet. • Im Anschluss trifft sich nun wieder jede Gruppe und führt mithilfe der gesammelten Informationen über alle vorgestellten Szenen ein Brainstorming zum Buch durch. • Als Hausübung – und damit als erste Aufgabe für das Portfolio – soll jeder Schüler seine Phantasien zu dem Buch entwickeln. Anmerkung Aufgrund der mit Absicht nicht zusammenhängenden ausgewählten Textstellen konnten viele Schüler nicht glauben, dass es sich um ein Buch handle. Gerade aber aus dieser Spannung heraus – scheinbar nicht miteinander zusammenhängende Ereignisse verbinden zu müssen – entstanden viele ideenreiche Ansätze, verknüpft mit dem eigenen Wissensstand und persönlichen Erfahrungen. Dieser so subjektive Bucheintritt hat bei vielen Schülern dazu geführt, dass sie mit größerer Spannung, als es sonst zu erwarten gewesen wäre, sich auf die Lesereise begaben, um zu sehen, wie der Autor die „Lücken“ zwischen den ihnen bekannten Textstellen gefüllt hat. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 9.3 PI Seite 41 Die Aufgabenstellungen Schüler, die das erste Mal ein Portfolio herstellen sollen, haben zunächst kaum eine Vorstellung, wie ein solches aussehen könnte. So ist es, wenn der Lehrer ihnen einige Exemplare aus anderen Klasse, von anderen Kollegen, vielleicht sogar von anderen Schulen zum Durchblättern zur Verfügung stellt. Die Erwartungen des Lehrers, was die einzelnen Aufgabenstellungen betrifft, müssen den Schülern transparent sein. Zum Startpunkt des Portfolios sind aber nicht immer alle Aufgabenstellungen und ihre impliziten Ziele im Unterricht besprochen worden. So kann es sein, dass die detaillierte Besprechung für die Formulierung der Anklagepunkte erst während der Arbeitsphase für das Portfolio stattfinden kann. In der Praxis begleitet diese Form des Portfolios, das Beurteilungsportfolio, den Arbeitsprozess in der Schule. Zunächst erhalten die Schüler die Aufgabenstellungen mit der Punkteverteilung für das Portfolio. Das Blatt mit den Arbeitsaufträgen für die Schüler finden Sie auf Seite 57. Das Portfolio sollte als Hausübung geschrieben werden, deshalb wurden Hausübungen zu anderen Themenstellungen in diesem Arbeitszeitraum auf ein Minimum gekürzt. Der erste Schritt ist nun die Festlegung des Abgabetermins. Anhand der Punkteverteilung können die Schüler den Stellenwert für das Einhalten des Abgabetermins erkennen. Herausstreichen sollte man dabei, dass ein Lernziel auch das persönliche Zeitmanagement ist. Der Zeitraum von fünf Wochen war für die Schüler ausreichend, die mit dem Zeitmanagement zurecht kamen und nicht erst in der letzten Woche mit den Aufgabenstellungen für das Portfolio begannen. Bei den formalen Aspekten gibt es für die „Kleinigkeiten“, die Schüler gerne übersehen, wie Seitennummerierung und Inhaltsverzeichnis, jeweils einen Punkt. Zur übersichtlichen Gestaltung gehören: • Überschriften • Absätze Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 42 • Strukturierung der Sachtexte • Grafische Ausführung der Aufgabenstellungen: Personenkonstellation und Brainstorming zum Begriff „Schuld“ • Die Arbeit mit dem Computer ist erwünscht, aber nicht Bedingung. Auch Teile der Arbeit können mit dem Computer ausgeführt werden. Bereits bekannte Aufgabenstellungen, mit denen die Schüler ohne weitere Unterrichteinheit sofort beginnen können: • Sie sollen während des Leseprozesses mindestens zehn Textstellen (Zitate) anzeichnen bzw. anschließend herausschreiben, die nach ihrer subjektiven Empfindung über das Buch hinaus bedeutsam sind. Diese Textstellen waren korrekt zu zitieren. • Als Vorarbeit für die Personenkonstellation muss eine Figurenliste erstellt werden. Bei der grafischen Umsetzung sollen Symbole verwendet werden. • Für die Kurzinformationen über den Autor muss im Internet recherchiert werden. Die Darstellung soll in einem gut gegliederten, übersichtlich gestalteten Text erfolgen. 9.4 Begleitende Unterrichtsstunden Erinnerungen Für die Behandlung dieser Thematik wurde ein Artikel aus der Zeitschrift „Psychologie heute“ mit dem Titel „Das autobiographische Gedächtnis: Wir sind, woran wir uns erinnern“ ausgewählt. Den vollständigen Artikel finden Sie auf den Seiten 79 – 86. Zunächst wird der Text von jedem Schüler in Einzelarbeit in folgenden Schritten bearbeitet: • Themenhefte Erstes Lesen des Textes, einen Eindruck gewinnen Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 43 • Zweites Lesen des Textes, Wesentliches markieren • Die Struktur des Textaufbaus erkennen: ein Inhaltsverzeichnis des Textes erstellen In Partnerarbeit sollen nun die Ergebnisse verglichen und Nichtübereinstimmungen diskutiert werden. Ausgehend von der Behauptung des Textes, dass Gerüche für die Erinnerung eine wichtige Rolle spielen, soll jeder versuchen, sich an Gerüche in seiner Kindheit zu erinnern. Die Erzählungen einzelner Schüler über bestimmte Ereignisse oder Wahrnehmungen in ihrer Kindheit machen deutlich, wie wir uns erinnern: in Bruchstücken, mit teilweise unscharfen Konturen, in Bildern verbunden mit Gefühlen, Erinnerung an Ereignisse, die anscheinend keine Bedeutung zu haben scheinen. Für diese Unterrichtssequenz braucht man mindestens zwei Schulstunden. Die Bearbeitung des Textes und der Erfahrungsaustausch in der Klasse sollen nun die Schüler in die Lage versetzen, den Arbeitsauftrag „Ein Bild aus meinen frühen Kindheitstagen“ ausführen zu können. Der Text kann auch in Expertengruppen erarbeitet werden. Meine Leseerfahrungen Da Lesen und Vorlesen im Buch eine wichtige Rolle spielen, sollen die Schüler – auch in Kombination mit dem Punkt „Erinnerungen" – über das persönliche Lesen reflektieren. Um den Schülern für die eigene Textgestaltung ein Vorbild zu geben, kann man für sie zu diesem Thema verschiedene Zitate von Persönlichkeiten und historische Betrachtungen kopieren, in der Klasse aufhängen und dann einen gemeinsamen Leserundgang in der Klasse starten. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 44 Man kann auch eine „Vorlesestunde“ damit gestalten und anschließend gemeinsam Erinnerungen austauschen. Sehr interessant ist es, wenn Schüler ihre Kinder- und Bilderbücher mitbringen. Anmerkung: Die Schilderung meiner eigenen Lesebiografie (beginnend mit der tiefen Trauer darüber, dass mein Bilderbuchesel sich verirrte und nicht mehr nach Hause fand) ermutigte viele, der Klasse von ihren Bucherfahrungen zu berichten. Gespräche mit den Eltern (bei der Suche nach den Kinderbüchern?) scheinen bei vielen die Erinnerungen wieder aufgefrischt und ergänzt zu haben. Eine umfangreiche Auswahl von Textstellen aus dem ausgezeichneten Buch von Alberto Manguel „Eine Geschichte des Lesens“ finden Sie im Anhang auf den Seiten 67 bis 76 zu folgenden Bereichen des Lesens: • Lesen lernen • Heimliches Lesen • Lesearten • Lesen und Leben • Subjektives Lesen • Vorlesen • Leseort • Verbotenes Lesen Sachtext: Analphabetismus Für das Verfassen des Sachtextes „Analphabetismus“ sollen mindestens zwei Quellen verwendet werden. Als vorbereitende Übung sollen die Schüler zwei Textstellen aus zwei verschiedenen Quellen bearbeiten, das heißt zunächst exzerpieren und Schlüsselbegriffe herausschreiben. Im Anschluss daran muss eine Struktur für den neuen Text erarbeitet werden, in die die zwei Quellen einfließen können. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 45 Bilder, Vergleiche Die Begriffe Bilder, Vergleiche und Metaphern wurden mit dem Schulbuch erarbeitet. Die kreative Umsetzung für das Portfolio soll nach dem Muster der bekannten Cartoonserie „Liebe ist...“ erfolgen, also „Pubertät ist...“. Anklagepunkte formulieren Das Herausfiltern und Formulieren der Anklagepunkte ist eine wichtige Vorarbeit für das Erstellen des Plädoyers. Vorrangig dabei ist nicht der juristische Fachjargon, sondern die exakte sprachliche Umsetzung. Als Übung sollen aus einem aktuellen Artikel zur Gerichtsberichterstattung aus der „Kleinen Zeitung“ in Partnerarbeit die Anklagepunkte herausgefunden und formuliert werden. Wichtig ist die anschließende Präsentation, die Vergleiche der eigenen Arbeit mit denen der anderen ermöglicht. Zitieren Den Schülern wird, da es sich um den Einstieg ins wissenschaftliche Arbeiten handelt, in diesem Semester eine reduzierte Vorgabe für das Zitieren von Büchern präsentiert: Autor, Titel und Erscheinungsvermerk. Die Schüler üben zunächst in Partnerarbeit mit Büchern, die in der Schulbibliothek nach bestimmten Kriterien (vom Lehrer) gesucht und entlehnt wurden: nicht mehr als drei Autoren, keine Übersetzung, keine Bücher in Bänden oder Reihen. Probleme tauchen vor allem beim Zitieren des Erscheinungsvermerkes auf, wenn es sich zum Beispiel um Lizenzauflagen von Buchgemeinschaften handelt. 9.5 Selbstreflexion Am Tag des Abgabetermins bekommen alle Schüler ein Feedbackblatt (siehe Anhang S. 87), das sie ausgefüllt ihren Portfolioarbeiten beilegen sollen. Ziele sind, über das eigene Arbeitsverhalten zu reflektieren und die Bewertung der eigenen Arbeit. Gleichzeitig gibt das Selbstbeobachtungsblatt dem Lehrer die Möglichkeit, die Motivation der Schüler zu dieser Arbeitsform zu eruieren. Auch lassen sich aus den persönlichen Lernzielen der Schüler allgemeine Lernziele für das nächste Semester/Schuljahr ableiten. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio 9.6 Seite 46 Beurteilung und Resümee Die Arbeiten werden nach dem Beurteilungsraster mit einem Punktesystem bewertet, wobei jede einzelne Aufgabenstellung stichwortartig auch verbal charakterisiert wird. Das Beurteilungsblatt des Lehrers dient ebenso wie das Selbstbeobachtungsblatt der Schüler als Grundlage für ein abschließendes Gespräch. Das Gesamtergebnis des Portfolios ist nach meinem Leistungsbeurteilungskonzept gleichwertig dem einer Schularbeit (bei drei Schularbeiten im ersten Semester). Für die weitere Arbeit in der Klasse ergaben sich folgende Punkte: • Das Portfolio motiviert die Schüler zu eigenständigem Arbeiten. Zu bedenken ist allerdings, dass die Schüler in manchen Klasse überfordert sein können, wenn in mehreren Gegenständen ein Portfolio verlangt wird. Eine Absprache unter den Klassenlehrern wird erforderlich sein. • Alle Schüler (mit einer Ausnahme) hatten das Portfolio am PC gestaltet. Dabei zeigte sich, dass bei einigen das geringe Tempo an der Tastatur hinderlich war, was sie selbst durch einen Maschinschreibkurs mit CD-Rom beheben wollten. Die großen Unterschiede innerhalb des Klassenverbandes bezüglich anderer Fertigkeiten und Möglichkeiten, die die verschiedenen Computerprogramme bieten, wollten wir gemeinsam mit einigen Stunden im Informatikraum ausgleichen. Die „Profis“ in der Klasse erklärten sich bereit, als Experten für je zwei „Lehrlinge“ die Gestaltung von Grafiken zu erklären. • Zwei Aufgabenstellungen für das Portfolio waren gebunden an das persönliche Erleben der Schüler: Erinnerungen und Leseerfahrungen. Dabei zeigte sich, dass die Schüler gerade diese Texte sehr gerne verfasst hatten und sie diese Art des Schreibens verstärkt wünschen. • Die Aufgabenstellungen, die Informationsverarbeitung erforderten, zeigten die schlechtesten Ergebnisse. Während die Informationssuche kein Problem darstellte, war es für die Schüler schwierig, wesentliche Informationen aus der Fülle auszuwählen, diese Informationen zu bewerten und zu ordnen, danach ein eigenes gedankliches Konzept zu einem Themen zu erstellen und schließlich die Informationen damit zu verknüpfen. Diese Bereiche sollten im zweiten Semester nochmals bearbeitet werden. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 47 10. Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio) 10.1 Ziele • Erkennen der verschiedenen Bestandteile einer Zeitung • Erkennen der verschiedenen Bestandteile eines Berichtes • Informationssuche • Exzerpieren und Zusammenfassen • Verfassen eines Berichtes und eines Leserbriefes 10.2 Zeitrahmen In einer Unterrichtsstunde können die Aufgabenstellungen besprochen und die Hälfte von ihnen erledigt werden. Die verbleibenden Aufgabenstellungen sollen von den Schülern als Hausübung gelöst werden. Wegen des kleinen Zeitrahmens eignet sich diese Form auch gut als Einstieg für die Portfolioarbeit. 10.3 Organisatorisches Der Lehrer einigt sich mit der Klasse auf eine bestimmte Ausgabe einer Tageszeitung. Entweder kaufen sich die Schüler selbst diese Tageszeitung oder sie bringen sie von zu Hause mit oder der Lehrer kauft in Klassenstärke eine Tagesausgabe. Bezogen auf diese Ausgabe erarbeitet der Lehrer die Aufgabenstellungen mit verschiedenen Schwerpunkten: • Anzeigenteil • Allgemeine Informationen (Kino, Apotheken etc.) • Leserbriefe • Berichterstattung Ein Beispiel für Aufgabenstellungen (für eine vierte Klasse), die für eine Freitagsausgabe der Kleinen Zeitung erarbeitet wurden, finden Sie auf Seite 88. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 48 10.4 Formale Kriterien • Einzelblätter • Beschriftung mit dem Namen • Seitennummerierung • Übersichtliche Gestaltung (Überschriften, Absätze etc.) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 49 11. Portfolio zu einem Zeitungsprojekt Im Rahmen eines Zeitungsprojektes mit einer sechsten Klasse wurden verschiedene österreichische Tageszeitungen nach folgenden Gesichtspunkten beleuchtet: • Die Titelseite • Die Auswahl und Gewichtung der Themen • Fotos und Diagramme • Kommentare und Glossen 11.1 Organisatorisches Für vier Wochen wurde über „Zeitung in der Schule“ die Tageszeitung „Der Standard“ für alle Schüler abonniert: Zeitung in der Schule Schreyvogelgasse 3 1010 Wien Tel.: 01/5336178-29 11.2 Begleitende Unterrichtsstunden Für die Unterrichtsstunden, die das Portfolio vorbereiten bzw. begleiten sollen, möchte ich die Internetseiten von „Zeitung in der Schule“ empfehlen: http://www.zis.at/projekte Am Ende der vier Wochen sollen alle Schüler ihr Portfolio zu den Aufgabenstellungen (Siehe Anhang S. 89) inklusive eines Rückmeldebogens, im Anhang auf S. 90, abgeben. Bei der Beurteilung (Beurteilungsblatt auf S. 91) wurde bei der Punkteverteilung darauf geachtet, dass eine ungerade Punkteanzahl pro Aufgabenstellung möglich war. Der Mittelwert der Gesamtpunkteanzahl sollte für eine durchschnittliche Aufgabenerfüllung stehen. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 50 Anhang Materialien Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 51 Informationsblatt für Schüler - Wir führen ein Lesetagebuch Was ist ein Lesetagebuch? In ein Lesetagebuch kommt alles, was du zu dem Buch, das du gerade liest, aufschreibst, zeichnest oder einklebst. Gestalte dein Lesetagebuch so, dass es zu dir und zu deinem Buch passt. Im Lesetagebuch hältst du – wie in einem Tagebuch – deine Gedanken, Fragen und Ideen zu einer Geschichte, zu den handelnden Figuren usw. fest. Deine Leseeindrücke kannst du auch in einer Skizze oder einer Zeichnung festhalten. Zusätzlich passende Bilder oder Texte z.B. aus Zeitschriften, Fotos und anderes kannst du auch einkleben. Es steht dir frei, wie du dein Lesetagebuch ausschmückst und gestaltest. Das Lesetagebuch führst du vor allem für dich selber; wir alle sollten aber auch darin lesen können. Warum führst du das Lesetagebuch? Während der Eintragung kannst du über eine Geschichte, über eine Buchfigur, ein Problem nachdenken und deine eigenen Vorstellungen und Gedanken ausgestalten. Hinterher, wenn du Verschiedenes gelesen hast, kannst du dich mit Hilfe der Eintragungen besser an die einzelnen Textstellen und die verschiedenen Bücher erinnern. Wie führst du das Lesetagebuch? Während du dein Buch liest, kannst du immer wieder kurze Notizen eintragen und diese am Schluss ergänzen. Du musst nicht zu jedem Kapitel des Buches etwas schreiben oder zeichnen. Du kannst als Leser selbst entscheiden, was für das Verständnis der Geschichte und was für dich wichtig ist. Schreibe jedesmal den Titel des Kapitels oder die Seitenzahl der Textstelle dazu, auf die du dich beziehst. Schreibe jedesmal auch das Datum deiner Eintragung auf, wenn du dich wieder an dein Lesetagebuch setzt. Was könntest du alles ins Lesetagebuch schreiben/zeichnen/kleben? Hier ein paar Fragen, denen du im Lesetagebuch nachgehen kannst: Was erwartest du von diesem Buch? Wem würde ich dieses Buch weiterempfehlen? Worum geht es in dieser Geschichte? Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 52 Was spricht dich an? Was spricht dich nicht an? (Inhalt, Schreibweise, Umfang des Textes, eine bestimmte Person im Text,...) Worum geht es in diesem Kapitel? Welche Gedanken kommen dir nach der Lektüre einiger Seiten ... – Zeichnungen, Skizzen, passende Fotos (und anderes) zum Thema. Du kannst Textstellen abschreiben (Seitenzahl angeben), die du besonders beeindruckend, witzig, traurig oder spannend findest. Du kannst Textstellen angeben, die du besonders langweilig, unglaubwürdig oder ärgerlich findest. Du kannst erklären, warum du diese Stellen beeindruckend, witzig usw. findest. Du kannst Sätze aufschreiben (Seitenzahl angeben), die dem Autor besonders gut gelungen sind und begründen, warum du das so gut findest. Du kannst den Inhalt eines Kapitels, das dir besonders gefällt, mit eigenen Worten zusammenfassen. Du kannst beschreiben, was das Besondere an den Personen des Buches ist, oder anmerken, wenn sie etwas Besonderes tun. Du kannst die Personen zeichnen oder Zeichnungen aus dem Buch entnehmen und farbig gestalten oder verändern. Du kannst deine Meinung zu dem aufschreiben, was die Personen in besonderen Situationen tun. Du kannst eine besonders wichtige Station der Handlung als Bildgeschichte oder als Comic gestalten. Du kannst aufschreiben, wenn dir etwas unklar geblieben ist, um es später im Klassengespräch zu klären. Du kannst zu den Personen Steckbriefe anfertigen. Du kannst etwas notieren, wenn etwas ganz anders ist, als wir es heute kennen. (Quelle:“d.w.learnline-online“: http://macdirect.de/~dagmar. Wilde/) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 53 Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 54 Bilanzbogen I7 • Kreuze in den vorgesehenen Spalten an, wie zufrieden oder unzufrieden du mit der Gruppe bist. Je weiter links dein Kreuzchen, umso größer deine Unzufriedenheit, je weiter rechts, desto größer deine Zufriedenheit. • Gib in den rechten Feldern jeweils deine Gründe in Stichworten an, die für deine Beurteilung ausschlaggebend waren. Was hat dich gestört bzw. was hast du für gut befunden? • Anschließend vergleicht Einschätzungen. • Überlegt gemeinsam, was ihr beim nächsten Mal anders machen wollt. und besprecht ihr Mit diesen Gruppenleistungen Zufriedenheitsgrad bin ich ... -+ Mit der Zusammenarbeit in der Gruppe bin ich ... in der Gruppe die vorliegenden Kurze Begründung ++ Mit unserer Vorgehensweise bin ich ... Mit der Mitarbeit Gruppenmitglieder bin ich ... der Mit den Umgangsformen in der Gruppe bin ich ... Mit dem Arbeitsergebnis bin ich ... 7 Bearbeitet nach Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. S. 129. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 55 Bilanzbogen II8 • • • Kreuze in der Tabelle an, inwieweit das jeweils angegebene Verhalten in deiner Gruppe gezeigt wurde. Trage in der rechte Spalte zum jeweiligen Verhalten ein, was du gegebenenfalls zu beanstanden bzw. zu kritisieren hast. Vergleicht und besprecht anschließend in der Gruppe die vorliegenden Einschätzungen und Beanstandungen. Überlegt gemeinsam, was ihr das nächste Mal anders machen könnt. Verhalten ja teils/ teils nein deine Kritik/deine Beanstandungen Hat sich jeder in der Gruppe bemüht mitzumachen? Konnte jeder seine Gedanken/Ideen einbringen? Wurde jeder beachtet und ernst genommen? Haben alle Gruppenmitglieder aufmerksam zugehört? Wurde in der Gruppe gefragt und aufeinander eingegangen? Wurde fair und freundlich miteinander diskutiert? Wurde zügig und zielstrebig gearbeitet? Bist du mit dem Ergebnis der Gruppenarbeit zufrieden? 8 Bearbeitet nach Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. S. 130. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Selbsteinschätzung Name: Lesetagebuch/GA Seite 56 Meine Präsentation: + 0 - + 0 - + 0 - Inhaltliche Sicherheit Sprache Blickkontakt/Standhaltung Begründung in Stichworten: Mein Gestaltungsanteil an der Mappe: Inhaltliche Aufbereitung/Substanz Sprachliche Verarbeitung Formale Gestaltung Begründung in Stichworten: Mein Verhalten im Team: Zügiges und zielstrebiges Arbeiten Zusammenarbeit/Umgangsformen Begründung in Stichworten: Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 57 Aufgabenstellungen für das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“ 1. Meine Phantasien über das Buch „Der Vorleser“ 2. Wichtige Zitate (mit Seitenangabe) 3. Figurenliste 4. Personenkonstellation 5. Über den Autor (Kurzinformation) 6. Erinnerungen: Ein Bild aus meinen frühen Kindheitstagen (Beschreibung einer Szene) 7. Meine Leseerfahrungen: Vorlesen Lesen lernen Mein erstes Buch Mein Lieblingsbuch 8. Sachtext: Was man über Analphabetismus wissen sollte 9. Pubertät ist ... (10 kurze Beschreibungen) 10. Wessen wird Hanna konkret im Prozess beschuldigt? 11. Mein Plädoyer für Hanna 12. Kurzinformationen (Lexikonartikel) zu: Jean Amery Primo Levi Vietkong Obstruktiv 13. Brainstorming zu „Schuld“ 14. Meine persönliche Buchkritik 15. Wie man Bücher zitiert: „Der Vorleser“ und zehn Beispiele Beurteilungskriterien: • Termingerechte Abgabe • Formale Gestaltung (Inhaltsverzeichnis, Seitennummerierung, Überschriften, Absätze...) • Inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aufgabenstellungen • Sprachliche Gestaltung/Textsorte Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 58 Gruppenpuzzle - Textauszüge für Dreiergruppen Gruppe 1 Ich wusste den Namen der Frau nicht. Mit dem Blumenstrauß in der Hand stand ich unschlüssig vor der Tür und den Klingeln. Ich wäre lieber umgekehrt. Aber dann kam ein Mann aus dem Haus, fragte, zu wem ich wolle, und schickte mich zu Frau Schmitz im dritten Stock. Kein Stuck, keine Spiegel, kein Läufer. Was das Treppenhaus ursprünglich an bescheidener, der Prächtigkeit der Fassade nicht vergleichbarer Schönheit besessen haben mochte, war längst vergangen. Der rote Anstrich der Stufen war in der Mitte abgetreten, das geprägte grüne Linoleum, das neben der Treppe schulterhoch an der Wand klebte, abgewetzt, und wo im Geländer die Stäbe fehlten, waren Schnüre gespannt. Es roch nach Putzmitteln. Vielleicht ist mir das alles auch erst später aufgefallen. Es war immer gleich schäbig und gleich sauber und es gab immer den gleichen Putzmittelgeruch, manchmal gemischt mit dem Geruch nach Kohl oder Bohnen, nach Gebratenem oder nach kochender Wäsche. Von den anderen Bewohnern des Hauses lernte ich nie mehr kennen als diese Gerüche, die Fußabtritte vor den Wohnungstüren und die Namensschilder unter den Klingelknöpfen. Ich erinnere mich nicht, im Treppenhaus jemals einem anderen Besucher begegnet zu sein. ----------------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------Ich erinnere mich auch nicht mehr, wie ich Frau Schmitz begrüßt habe. Vermutlich hatte ich mir zwei, drei Sätze über meine Krankheit, ihre Hilfe und meinen Dank zurechtgelegt und sie aufgesagt. Sie hat mich in die Küche geführt. Die Küche war der größte Raum der Wohnung. In ihr standen Herd und Spüle, Badewanne und Badeofen, ein Tisch und zwei Stühle, ein Küchenschrank, ein Kleiderschrank und eine Couch. Über die Couch war eine rote Samtdecke gebreitet. Die Küche hatte kein Fenster. Licht fiel durch die Scheiben der Tür, die auf den Balkon führte. Nicht viel Licht – hell war die Küche nur, wenn die Tür offen stand. Dann hörte man aus der Schreinerei im Hof das Kreischen der Säge und roch das Holz. Zur Wohnung gehörte noch ein kleines und enges Wohnzimmer mit Anrichte, Tisch, vier Stühlen, Ohrensessel und einem Ofen. Dieses Zimmer wurde im Winter fast nie beheizt und auch im Sommer fast nie benutzt. Das Fenster ging zur Bahnhofstraße und der Blick auf das Gelände des ehemaligen Bahnhofs, das auf- und umgewühlt wurde und auf dem hier und da schon die Fundamente neuer Gerichts- und Behördengebäude gelegt waren. Schließlich gehörte zur Wohnung noch ein fensterloses Klo. Wenn es im Klo stank, stank es auch im Gang. -------------------------------------------------------------------------"----------------------------------------------Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 59 Ich erinnere mich auch nicht mehr, was wir in der Küche geredet haben. Frau Schmitz bügelte; sie hatte eine Wolldecke und ein Leintuch über den Tisch gebreitet und nahm ein Wäschestück nach dem anderen aus dem Korb, bügelte es, faltete es und legte es auf den einen der beiden Stühle. Auf dem anderen saß ich. Sie bügelte auch ihre Unterwäsche, und ich wollte nicht hinschauen, konnte aber auch nicht wegschauen. Sie trug eine ärmellose Kittelschürze, blau mit kleinen, blassen, roten Blüten. Sie hatte ihr schulterlanges, aschblondes Haar im Nacken mit einer Spange gefasst. Ihre nackten Arme waren blass. Die Handgriffe, mit denen sie das Bügeleisen aufnahm, führte und absetzte und dann die Wäschestücke zusammen- und weglegte, waren langsam und konzentriert, und ebenso langsam und konzentriert bewegte sie sich, bückte sich und richtete sich auf. Über ihr damaliges Gesicht haben sich in meiner Erinnerung ihre späteren Gesichter gelegt. Wenn ich sie vor meine Augen rufe, wie sie damals war, dann stellt sie sich ohne Gesicht ein. Ich muss es rekonstruieren. Hohe Stirn, hohe Backenknochen, blassblaue Augen, volle, ohne Einbuchtung gleichmäßig geschwungene Lippen, kräftiges Kinn. Ein großflächiges, herbes, frauliches Gesicht. Ich weiß, dass ich es schön fand. Aber ich sehe seine Schönheit nicht vor mir. Gruppe 2 „Wart noch“, sagte sie, als ich aufstand und gehen wollte, „ich muss auch los und komm ein Stück mit.“ Ich wartete im Flur. Sie zog sich in der Küche um. Die Tür stand einen Spalt auf. Sie zog die Kittelschürze aus und stand in hellgrünem Unterkleid. Über der Lehne des Stuhls hingen zwei Strümpfe. Sie nahm einen und raffte ihn mit wechselnd greifenden Händen zu einer Rolle. Sie balancierte auf einem Bein, stützte auf dessen Knie die Ferse des anderen Beins, beugte sich vor, führte den gerollten Strumpf über Wade, Knie und Schenkel, neigte sich zur Seite und befestigte den Strumpf an den Strumpfbändern. Sie richtete sich auf, nahm den Fuß vom Stuhl und griff nach dem anderen Strumpf. Ich konnte die Augen nicht von ihr lassen. Von ihrem Nacken und ihren Schultern, von ihren Brüsten, die das Unterkleid mehr umhüllte als verbarg, von ihrem Po, an dem das Unterkleid spannte, als sie den Fuß auf das Knie stützte und auf den Stuhl setzte, von ihrem Bein, zuerst nackt und dann im Strumpf seidig schimmernd. Sie spürte meinen Blick. Sie hielt im Griff nach dem anderen Strumpf inne, wandte sich zur Tür und sah mir in die Augen. ---------------------------------------------------------------"--------------------------------------------------------- Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 60 Ich ging langsam. Bahnhofstraße, Häusserweg, Blumenstraße – seit Jahren war es mein Schulweg. Ich kannte jedes Haus, jeden Garten und jeden Zaun, den der jedes Jahr frisch gestrichen wurde, den, dessen Holz so grau und morsch geworden war, dass ich es mit der Hand zerdrücken konnte, die eisernen Zäune, an deren Stäben ich als Kind mit dem Stock klingend entlanggerannt bin, und die hohe Backsteinmauer, hinter der ich Wunderbares und Schreckliches phantasiert hatte, bis ich hochklettern konnte und die langweiligen Reihen verwahrloster Blumen-, Beeren- und Gemüsebeete sah. Ich kannte das Kopfsteinpflaster und den Teerbelag auf der Straße und die Wechsel zwischen Platten, wellenförmig gepflasterten Basaltklötzchen, Teer und Schotter auf dem Gehweg. Alles war mir vertraut. Als mein Herz nicht mehr schneller klopfte und mein Gesicht nicht mehr brannte, war die Begegnung zwischen Flur und Küche weit weg. Ich ärgerte mich. Ich war wie ein Kind weggelaufen, statt so souverän zu reagieren, wie ich es von mir erwartete. Ich war nicht mehr neun, ich war fünfzehn. Allerdings blieb mir ein Rätsel, was die souveräne Reaktion hätte sein sollen. ----------------------------------------------------------------"---------------------------------------------Das andere Rätsel war die Begegnung zwischen Küche und Flur selbst. Warum hatte ich die Augen nicht von ihr lassen können? Sie hatte einen sehr kräftigen und sehr weiblichen Körper, üppiger als die Mädchen, die mir gefielen und denen ich nachschaute. Ich war sicher, dass sie mir nicht aufgefallen wäre, wenn ich sie im Schwimmbad gesehen hätte. Sie hatte sich auch nicht nackter gezeigt, als ich Mädchen und Frauen im Schwimmbad schon gesehen hatte. Überdies war sie viel älter als die Mädchen, von denen ich träumte. Über dreißig? Man schätzt das Alter schwer, das man noch nicht hinter sich hat oder auf sich zukommen sieht. Jahre später kam ich drauf, dass ich nicht einfach um ihrer Gestalt, sondern um ihrer Haltungen und Bewegungen willen die Augen nicht von ihr lassen hatte können. Ich bat meine Freundinnen, Strümpfe anzuziehen, aber ich mochte meine Bitte nicht erklären, das Rätsel der Begegnung zwischen Küche und Flur nicht erzählen. So kam meine Bitte als Wunsch nach Strapsen und Spitzen und erotischer Extravaganz an, und wenn sie erfüllt wurde, geschah es in koketter Pose. Das war es nicht, wovon ich meine Augen nicht hatte lassen können. Sie hatte nicht posiert, nicht kokettiert. Ich erinnere mich auch nicht, dass sie es sonst getan hätte. Ich erinnere mich, dass ihr Körper, ihre Haltungen und Bewegungen manchmal schwerfällig wirkten. Nicht dass sie so schwer gewesen wäre. Vielmehr schien sie sich in das Innere ihres Körpers zurückgezogen, diesen sich selbst und seinem eigenen, von keinem Befehl des Kopfes gestörten ruhigen Rhythmus überlassen und die äußere Welt vergessen zu haben. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 61 Gruppe 3 Wenn bei Flugzeugen die Motoren ausfallen, ist das nicht das Ende des Flugs. Die Flugzeuge fallen nicht wie Steine vom Himmel. Sie gleiten weiter, die riesengroßen, mehrstrahligen Passagierflugzeuge eine halbe bis Dreiviertelstunde lang, um dann beim Versuch des Landens zu zerschellen. Die Passagiere merken nichts. Fliegen fühlt sich bei ausgefallenen Motoren nicht anders an als bei arbeitenden. Es ist leiser, aber nur ein bisschen leiser: Lauter als die Motoren ist der Wind, der sich an Rumpf und Flügeln bricht. Irgendwann sind beim Blick durchs Fenster die Erde oder das Meer bedrohlich nah. Oder der Film läuft, und die Stewardessen und Stewards haben die Jalousien geschlossen. Vielleicht empfinden die Passagiere den ein bisschen leiseren Flug sogar als besonders angenehm. Der Sommer war der Gleitflug unserer Liebe. Oder vielmehr meiner Liebe zu Hanna; über ihre Liebe zu mir weiß ich nichts. Wir haben unser Ritual des Vorlesens, Duschens, Liebens und Beieinanderliegens beibehalten. ----------------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------Ich habe „Krieg und Frieden“ vorgelesen, mit allen Darlegungen Tolstois über Geschichte, große Männer, Russland, Liebe und Ehe, es müssen vierzig bis fünfzig Stunden gewesen sein. Wieder ist Hanna dem Fortgang des Buchs gefolgt. Aber es war anders als bisher; sie hielt sich mit ihren Urteilen zurück, machte Natascha, Andrej und Pierre nicht zum Teil ihrer Welt, wie man staunend eine Reise tut oder ein Schloss betritt, in das man eingelassen ist, in dem man verweilen darf, mit dem man vertraut wird, ohne doch die Scheu völlig zu verlieren. Was ich ihr bisher vorgelesen hatte, hatte ich davor schon gekannt. „Krieg und Frieden“ war auch für mich neu. Wir taten die ferne Reise gemeinsam. Wir haben Kosenamen füreinander erdacht. Sie begann, mich nicht mehr nur Jungchen zu nennen, sondern auch, mit verschiedenen Attributen und Diminutiven, Frosch, Kröte, Welpe, Kiesel und Rose. Ich blieb bei Hanna, bis sie mich fragte: „An was für ein Tier denkst du, wenn du mich im Arm hältst, die Augen schließt und an Tiere denkst?“ Ich schloss die Augen und dachte an Tiere. Wir lagen aneinandergeschmiegt, mein Kopf an ihrem Hals, mein Hals an ihren Brüsten, mein rechter Arm unter ihr und auf ihrem Rücken und mein linker auf ihrem Po. Ich strich mit Armen und Händen über ihren breiten Rücken, ihre harten Schenkel, ihren festen Po und spürte auch ihre Brüste und ihren Bauch fest an Hals und Brust. Glatt und weich fühlte sich ihre Haut an und ihr Körper darunter kraftvoll und verlässlich. ----------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------- Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 62 Als meine Hand auf ihrer Wade lag, fühlte sie ein stetiges, zuckendes Spiel der Muskeln. Es ließ mich an das Zucken der Haut denken, mit dem Pferde Fliegen verscheuchen. „An ein Pferd.“ „Ein Pferd?“ Sie löste sich von mir, richtete sich auf und sah mich an. Sah mich entsetzt an. „Magst du das nicht? Ich komme drauf, weil du dich so gut anfühlst, glatt und weich und darunter fest und stark. Und weil deine Wade zuckt.“ Ich erklärte ihr meine Assoziationen. Sie sah auf das Muskelspiel ihrer Waden. „Pferd“, sie schüttelte den Kopf, „ich weiß nicht...“ Das war nicht ihre Art. Sie war sonst völlig eindeutig, entweder in Zustimmung oder in Ablehnung. Ich war unter ihrem entsetzen Blick bereit gewesen, wenn‘s sein musste, alles zurückzunehmen, mich anzuklagen und sie um Entschuldigung zu bitten. Aber jetzt versuchte ich, sie mit dem Pferd zu versöhnen. „Ich könnte Cheval zu dir sagen oder Hottehüh oder Equinchen oder Bukeffelchen. Ich denke bei Pferd nicht an Pferdegebiss oder Pferdeschädel oder was immer dir nicht gefällt, sondern an etwas Gutes, Warmes, Weiches, Starkes. Du bist kein Häschen oder Kätzchen, und Tigerin – da ist was drin, was Böses, was du auch nicht bist.“ Sie legte sich auf den Rücken, die Arme hinter dem Kopf. Jetzt richtete ich mich auf und sah sie an. Ihr Blick ging ins Leere. Nach einer Weile wandte sie mir ihr Gesicht zu. Sein Ausdruck war von eigentümlicher Innigkeit. „Doch, ich mag, wenn du Pferd zu mir sagst oder die anderen Pferdenamen – erklärst du sie mir?“ Gruppe 4 Wer hatte mir die Spritze gegeben? Ich mir selbst, weil ich es ohne Betäubung nicht ausgehalten hätte? Die Betäubung wirkte nicht nur im Gerichtssaal und nicht nur so, dass ich Hanna erleben konnte, als sei es ein anderer, der sie geliebt und begehrt hatte, jemand, den ich gut kannte, der aber nicht ich war. Ich stand auch bei allem anderen neben mir und sah mir zu, sah mich in der Universität, mit Eltern und Geschwistern, mit den Freunden funktionieren, war aber innerlich nicht beteiligt. Nach einer Weile meinte ich, ein ähnliches Betäubtsein auch bei anderen beobachten zu können. Nicht bei den Anwälten, die während der ganzen Verhandlung von derselben polternden, rechthaberischen Streitsucht, pedantischen Schärfe oder auch lärmenden, kaltschnäuzigen Unverschämtheit waren, je nach persönlichem und politischem Temperament. Zwar erschöpfte die Verhandlung sie; am Abend waren sie müder oder auch schriller. Aber über Nacht hatten sie sich wieder aufgeladen oder aufgeblasen und dröhnten und zischten am nächsten Morgen wie am Morgen zuvor. Die Staatsanwälte versuchten mitzuhalten und ebenfalls Tag um Tag denselben kämpferischen Einsatz zu zeigen. Aber es gelang ihnen nicht, weil die Gegenstände und die Ereignisse der Verhandlung sie zu sehr entsetzten, dann, weil die Betäubung zu wirken begann. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 63 ----------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------Am stärksten wirkte sie bei den Richtern und Schöffen. In den ersten Verhandlungswochen nahmen sie die Schrecklichkeiten, die manchmal unter Tränen, manchmal mit versagender Stimme, manchmal gehetzt oder verstört berichtet und bestätigt wurden, mit sichtbarer Erschütterung oder auch mühsamer Fassung zur Kenntnis. Später wurden die Gesichter wieder normal, konnten einander lächelnd eine Bemerkung zuflüstern oder auch einen Hauch von Ungeduld zeigen, wenn ein Zeuge vom Hölzchen auf Stöckchen kam. (...) Stets aufs Neue entsetzt waren die anderen Studenten. Sie kamen jede Woche nur einmal zur Verhandlung, und jedesmal vollzog er sich erneut: der Einbruch des Schrecklichen in den Alltag. Ich, Tag um Tag bei der Verhandlung dabei, beobachtete ihre Reaktion mit Distanz. Wie der KZ-Häftling, der Monat um Monat überlebt und sich gewöhnt hat und das Entsetzen der neu Ankommenden gleichmütig registriert. Mit derselben Betäubung registriert, mit der er das Morden und Sterben selbst wahrnimmt. Alle Literatur der Überlebenden berichtet von dieser Betäubung, unter der die Funktionen des Lebens reduziert, das Verhalten teilnahmsund rücksichtslos und Vergasung und Verbrennung alltäglich wurden. Auch in den spärlichen Äußerungen der Täter begegnen die Gaskammern und Verbrennungsöfen als alltägliche Umwelt, die Täter selbst auf wenige Funktionen reduziert, in ihrer Rücksichts- und Teilnahmslosigkeit , ihrer Stumpfheit wie betäubt oder betrunken. -----------------------------------------------------------------------"------------------------------------------------Schon damals, als mich diese Gemeinsamkeit des Betäubtseins beschäftigte und auch, dass die Betäubung sich nicht nur auf Täter und Opfer gelegt hatte, sondern auch auf uns legte, die wir als Richter oder Schöffen, Staatsanwälte oder Protokollanten später damit zu tun hatten, als ich dabei Täter, Opfer, Tote, Lebende, Überlebende und Nachlebende miteinander verglich, war mir nicht wohl, und wohl ist mir auch jetzt nicht. Darf man derart vergleichen? Wenn ich in einem Gespräch Ansätze eines solchen Vergleichs machte, betonte ich zwar stets, dass der Vergleich den Unterschied, ob man in die Welt des KZ gezwungen wurde oder sich in sie begeben hatte, ob man gelitten oder Leiden zugefügt hatte, nicht relativiere, dass der Unterschied vielmehr von der allergrößten, alles entscheidenden Wichtigkeit sei. Aber ich stieß selbst dann auf Befremden oder Empörung, wenn ich dies nicht erst in Reaktion auf die Einwände der anderen ausführte, sondern noch ehe die anderen etwas einwenden konnten. Zugleich frage ich mich und habe mich schon damals zu fragen begonnen: was sollte und soll meine Generation der Nachlebenden eigentlich mit den Informationen über die Furchtbarkeiten der Vernichtung der Juden anfangen? Wir sollen nicht meinen, begreifen zu können, was unbegreiflich ist, dürfen nicht vergleichen, was unvergleichlich ist, dürfen nicht nachfragen, weil der Nachfragende die Furchtbarkeiten, auch wenn er sie nicht in Frage stellt, doch zum Gegenstand der Kommunikation macht (...). Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 64 Gruppe 5 „Warum haben Sie nicht aufgeschlossen?“ Der Vorsitzende Richter stellte einer Angeklagten nach der anderen dieselbe Frage. Eine Angeklagte nach der anderen gab dieselbe Antwort. Sie habe nicht aufschließen können. Warum? Sie sei beim Einschlag der Bombe ins Pfarrhaus verwundet worden. Oder sie habe unter dem Schock des Einschlags gestanden. Oder sie habe sich nach dem Einschlag der Bombe um die verwundeten Wachmannschaften und anderen Aufseherinnen gekümmert, sie aus den Trümmern geborgen, verbunden, versorgt. Sie habe nicht an die Kirche gedacht, sei nicht in der Nähe der Kirche gewesen, habe den Brand in der Kirche nicht gesehen und die Rufe aus der Kirche nicht gehört. Der Vorsitzende Richter machte einer Angeklagten nach der anderen denselben Vorhalt. Der Bericht lese sich anders. Das war mit Bedacht vorsichtig formuliert. Zu sagen, dass es im Bericht, der sich in den Akten der SS gefunden hatte, anders stand, wäre falsch gewesen. Aber richtig war, dass er sich anders las. ----------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------------Er erwähnte namentlich, wer im Pfarrhaus getötet und wer verwundet worden war, wer die Verwundeten mit dem Lastwagen in ein Lazarett transportiert und wer den Transport im Kübelwagen begleitet hatte. Er erwähnte, dass Aufseherinnen zurückgeblieben waren, um das Ende der Brände abzuwarten, ein Übergreifen zu verhindern und Fluchtversuche im Schutz der Brände zu unterbinden. Er erwähnte den Tod der Gefangenen. Dass die Namen der Angeklagten nicht unter den aufgeführten Namen waren, sprach dafür, dass die Angeklagten zu den zurückgebliebenen Aufseherinnen gehört hatten. Dass die Aufseherinnen zurückgeblieben waren, um Fluchtversuche zu verhindern, sprach dafür, dass mit der Bergung der Verwundeten aus dem Pfarrhaus und der Abfahrt des Transports ins Lazarett nicht schon alles vorbei war. Die zurückgebliebenen Aufseherinnen hatten, so las es sich, den Brand in der Kirche toben lassen und die Türen der Kirche geschlossen gehalten. Unter den zurückgebliebenen Aufseherinnen waren, so las es sich, die Angeklagten gewesen. Nein, sagte eine Angeklagte nach der anderen, so sei es nicht gewesen. Der Bericht sei falsch. Das sehe man schon daran, dass er von der Aufgabe der zurückgebliebenen Aufseherinnen rede, ein Übergreifen der Brände zu verhindern. Wie hätten sie diese Aufgabe erfüllen sollen. Sie sei Unsinn, und ebenso sei die andere Aufgabe, Fluchtversuche im Schutz der Brände zu verhindern, Unsinn. Fluchtversuche? Als sie sich nicht mehr um die eigenen hätten kümmern müssen und um die anderen, die Gefangenen, hätten kümmern können, sei nicht mehr zu fliehen gewesen. Nein, der Bericht verkenne ganz und gar, was sie in der Nacht gemacht, geleistet und gelitten hätten. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 65 ----------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------------Wie es zu einem derart falschen Bericht kommen könne? Sie wüssten es auch nicht. Bis die behäbig-gehässige Angeklagte dran war. Sie wusste es. „Fragen Sie die da!“ Sie zeigte mit dem Finger auf Hanna. „Sie hat den Bericht geschrieben. Sie ist an allem schuld, sie allein, und mit dem Bericht hat sie das vertuschen und uns reinziehen wollen.“ Der Vorsitzende fragte Hanna. Aber es war seine letzte Frage. Seine erste Frage war: „Warum haben Sie nicht aufgeschlossen?“ „Wir waren...wir hatten...“ Hanna suchte nach der Antwort. „Wir wussten uns nicht anders zu helfen.“ „Sie wussten sich nicht anders zu helfen?“ „Einige von uns waren tot, und die anderen haben sich davongemacht. Sie haben gesagt, dass sie die Verwundeten ins Lazarett schaffen und wiederkommen, aber sie wussten, dass sie nicht wiederkommen, und wir haben es auch gewusst. Vielleicht sind sie auch gar nicht ins Lazarett gefahren, so schlimm verletzt waren die Verwundeten nicht. Wir wären auch mitgefahren, aber sie haben gesagt, die Verwundeten brauchen den Platz, und sie haben sowieso nichts... waren sowieso nicht scharf darauf, so viele Frauen mit dabei zu haben. Ich weiß nicht, wohin sie sind.“ „Was haben Sie gemacht?“ „Wir haben nicht gewusst, was wir machen sollen. Es ging alles so schnell, und das Pfarrhaus hat gebrannt und der Kirchturm, und die Männer und Autos waren eben noch da, und dann waren sie weg, und auf einmal waren wir allein mit den Frauen in der Kirche. (...)“ Gruppe 6 Den Sommer nach dem Prozess verbrachte ich im Lesesaal der Universitätsbibliothek. Ich kam, wenn der Lesesaal öffnete, und ging, wenn er schloss. An den Wochenenden lernte ich zu Hause. Ich lernte so ausschließlich, so besessen, dass die Gefühle und Gedanken, die der Prozess betäubt hatte, betäubt blieben. Ich vermied Kontakte. Ich zog zu Hause aus und mietete ein Zimmer. Die wenigen Bekannten, die mich im Lesesaal oder bei gelegentlichen Kinobesuchen ansprachen, stieß ich zurück. Im Wintersemester verhielt ich mich kaum anders. Trotzdem wurde ich gefragt, ob ich mit einer Gruppe von Studenten über Weihnachten auf eine Skihütte mitkommen wolle. Verwundert sagte ich zu. Ich war kein guter Skifahrer. Aber ich fuhr gerne und schnell und hielt mit den guten Skifahrern mit. Manchmal riskierte ich bei Abfahrten, denen ich eigentlich nicht gewachsen war, Stürze und Brüche. Das tat ich bewusst. Das andere Risiko, das ich einging und das sich schließlich erfüllte, nahm ich überhaupt nicht wahr. ----------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------------Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 66 Mir war nie kalt. Während die andern in Pullovern und Jacken Ski fuhren, fuhr ich im Hemd. Die anderen schüttelten darüber den Kopf, zogen mich damit auf. Aber auch ihre besorgten Warnungen nahm ich nicht ernst. Ich fror eben nicht. Als ich anfing zu husten, schob ich’s auf die österreichischen Zigaretten. Als ich anfing zu fiebern, genoss ich den Zustand. Ich war schwach und zugleich leicht, und die Sinneseindrücke waren wohltuend gedämpft, wattig, füllig. Ich schwebte. Dann bekam ich hohes Fieber und wurde ins Krankenhaus gebracht. Als ich es verließ, war die Betäubung vorbei. Alle Fragen, Ängste, Anklagen und Selbstvorwürfe, alles Entsetzen und aller Schmerz, die während des Prozesses aufgebrochen und gleich wieder betäubt worden waren, waren wieder da und blieben auch da. Ich weiß nicht, welche Diagnose Mediziner stellen, wenn jemand nicht friert, obwohl er frieren müsste. Meine eigene Diagnose ist, dass die Betäubung sich meiner körperlich bemächtigen musste, ehe sie mich loslassen, ehe sie mich loswerden konnte. Als ich das Studium beendet und das Referendariat begonnen hatte, kam der Sommer der Studentenbewegung. Ich interessierte mich für Geschichte und Soziologie und war als Referendar noch genug in der Universität, um alles mitzukriegen. Mitkriegen hieß nicht mitmachen – Hochschule und Hochschulreform waren mir letztlich ebenso gleichgültig wie Vietcong und die Amerikaner. Was das dritte und eigentliche Thema der Studentenbewegung anging, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, spürte ich eine solche Distanz zu den anderen Studenten, dass ich nicht mit ihnen agitieren und demonstrieren wollte. -------------------------------------------------------------------"----------------------------------------------------Manchmal denke ich, dass die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht der Grund, sondern nur der Ausdruck des Generationenkonflikts war, der als treibende Kraft der Studentenbewegung zu spüren war. Die Erwartungen der Eltern, von denen sich jede Generation befreien muss, waren damit, dass diese Eltern im Dritten Reich versagt hatten, einfach erledigt. Wie sollten die, die die nationalsozialistischen Verbrechen begangen oder bei ihnen zugesehen oder von ihnen weggesehen oder die nach 1945 die Verbrecher unter sich toleriert oder sogar akzeptiert hatten, ihren Kindern etwas zu sagen haben. Aber andererseits war die nationalsozialistische Vergangenheit ein Thema auch für Kinder, die ihren Eltern nichts vorwerfen konnten oder wollten. Für sie war die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht die Gestalt eines Generationenkonflikts, sondern das eigentliche Problem. Was immer es mit Kollektivschuld moralisch und juristisch auf sich haben oder nicht auf sich haben mag – für meine Studentengeneration war sie eine erlebte Realität. Sie galt nicht nur dem, was im Dritten Reich geschehen war. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 67 Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens (Textauszüge) Lesen lernen Ich war vier, als ich entdeckte, dass ich lesen konnte. Überall und immer wieder hatte ich gesehen, dass die Buchstaben, die ich kannte (weil man mir sie erklärt hatte), die Namen der Bilder formten, unter denen sie standen. Der in dicken schwarzen Strichen gezeichnete Junge mit roten Shorts und grünem Hemd (aus demselben roten und grünen Tuch, aus dem alle Bilder des Buches geschnitten waren, die Hunde und Katzen, die Bäume und die gertenschlanken Mütter) war, wie ich feststellte, auch in den strengen schwarzen Zeichen unter dem Bild enthalten, als ob er, der boy, in drei klare Teile zerlegt wäre: das b ein Torso mit einem Arm, das o ein abgetrennter, vollkommen gerundeter Kopf, das y die baumelnden Beine. Ich malte Augen in das runde o, dazu einen lachenden Mund, und füllte den leeren Torso mit Farbe aus. (...) Der Junge rennt, sagten die Zeichen. (S. 13,14) Dann eines Tages sah ich durch das Autofenster (wohin die Fahrt ging, ist vergessen) eine Plakatfläche am Straßenrand. Ich bekam sie nur kurz zu sehen – vielleicht hielt das Auto einen Moment oder bremste nur ein wenig ab -, und dort prangten riesige Zeichen ähnlich denen in meinem Buch, und sie bildeten Folgen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich hörte sie in meinem Kopf, die schwarzen Zeilen und die weißen Zwischenräume verwandelten sich in klaren, klingenden Sinn. Ich hatte es ganz alleine geschafft. Niemand hatte den Zauber für mich vollbracht. Ich war mit den Zeichen allein, und in einem stummen, respektvollen Dialog gaben wir einander zu erkennen. Seit ich die dürren schwarzen Zeichen zu lebendigen Wirklichkeiten zusammenfügen konnte, war ich allmächtig. Ich konnte lesen. Welches Wort ich da auf der Plakatfläche entziffert hatte, weiß ich nicht mehr (vage sehe ich ein Gebilde mit vielen A vor mir), aber das Erlebnis, plötzlich verstehen zu können, statt nur auf inhaltsleere Formen zu starren, ist mir heute noch so gegenwärtig wie damals. (S. 14) In jeder Schriftkultur kommt das Lesenlernen einer Initiation gleich, einem ritualisierten Übergang vom Zustand der Unselbstständigkeit und der beschränkten Verständigung zur Fähigkeit, mit Hilfe der Bücher am kollektiven Gedächtnis Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 68 teilzuhaben und sich mit einer Kultur vertraut zu machen, die sich mit jedem Leseakt weiter erschließt. In der jüdischen Gemeinschaft des Mittelalters zum Beispiel wurde das Ritual des Lesenlernens ausdrücklich gefeiert. Beim Fest des Schawuot, das an den Tag erinnert, da Moses die Thora aus Gottes Händen empfing, wurde der Junge, der in die Gemeinschaft aufgenommen werden sollte, in einen Gebetsschal gehüllt und von seinem Vater zum Lehrer gebracht. Der Lehrer nahm den Jungen auf den Schoß und zeigt ihm eine Schieferplatte, auf der das hebräische Alphabet, ein Vers aus der Heiligen Schrift und die Worte „Möge die Thora dein Beruf sein“ geschrieben waren. Der Lehrer las jedes Wort vor, und das Kind wiederholte es. Dann wurde die Tafel mit Honig bestrichen, das Kind leckte sie ab und nahm so die heiligen Worte in sich auf. Desgleichen wurden Bibelsprüche auf hartgekochte Eier und Honigkuchen geschrieben, die das Kind essen durfte, nachdem es dem Lehrer die Sprüche vorgelesen hatte. (S. 89f.) Heimliches Lesen Ich hatte damit begonnen, im großen spanischen Lexikon von Espasa-Calpe die Stichwörter nachzuschlagen, die sich in meiner Vorstellung irgendwie mit Sexualität verbanden: „Masturbation“, „Penis“, „Vagina“, „Syphilis“, „Prostitution“. Ich betrat immer allein die Bibliothek, da mein Vater sie nur dann betrat, wenn er einen Besucher ausnahmsweise nicht im Büro, sondern zu Hause empfing. Ich war zwölf oder dreizehn, hatte mich in einen der großen Sessel gekauert und gerade in den Artikel über die verheerenden Auswirkungen der Gonorrhöe vertieft, als mein Vater eintrat und sich am Schreibtisch niederließ. Einen Moment war ich wie gelähmt vor Schreck, weil ich dachte, er würde merken, was ich da las, aber dann erkannte ich, dass niemand, nicht einmal der nur wenige Schritte entfernte Vater, in meine Lesewelt eindringen und mir ansehen konnte, welche Schweinereien mir das Buch gerade beibrachte, und dass es einzig von meinem Willen abhing, ob es überhaupt jemand erfuhr. Dieses kleine Wunder spielte sich im Stillen ab, es war nur mir zugänglich. Ich las den Artikel über die Gonorrhöe eher trumphierend als geschockt zu Ende. (S. 22) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 69 Zwei Arten des Lesens Gelesen habe ich wohl vorwiegend auf zwei Arten: entweder, indem ich atemlos von Ereignis zu Ereignis hastete, ohne mich um die Feinheiten zu kümmern, so dass ich mit ständig steigendem Lesetempo am Ende über Ziellinie hinausschoss – etwa bei Rider, der Odyssee, Conan Doyle und Karl May. Oder aber, indem ich den Text sorgfältig erforschte, die losen Enden zusammenfügte, dem Klang der Wörter nachlauschte, nach versteckten Bedeutungen in ihnen suchte oder in der Handlung selbst – nach etwas, was zu schrecklich oder zu schön war, um noch in Worten sagbar zu sein. Diese zweite Art des Lesens, die etwas mit dem Lesen von Kriminalromanen gemein hat, entdeckte ich bei der Lektüre von Lewis Carrol, Dante, Kipling und Borges. (S. 23) Lesen und Leben Eines Tages, bei einem Spaziergang durch Prag mit Gustav Janouch, dem Sohn eines Kollegen, blieb er (=Kafka) vor dem Schaufenster eines Buchladens stehen. Als er sah, wie sein junger Begleiter bei Versuch, die Titel der aufgereihten Bücher zu lesen, den Kopf nach rechts und links neigte, lachte er. „Sie sind wohl ein Büchernarr, dem die Lektüre den Kopf hin und her reißt.“ „Ja, so ist es. Ich glaube, dass ich ohne Bücher nicht existieren könnte. Für mich sind sie die Welt.“ Dr. Kafka zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist ein Irrtum. Das Buch kann die Welt nicht ersetzen. Das ist unmöglich. Im Leben hat alles seinen Sinn und seine Aufgabe, die von etwas anderem nicht restlos erfüllt werden kann. Man kann – zum Beispiel – sein Erleben nicht mittels eines Ersatzmannes bewältigen. So ist es auch mit der Welt und dem Buch. Man versucht das Leben in Bücher wie Singvögel in Käfige einzusperren. Doch das gelingt nicht.“ (S. 112) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 70 Subjektives Lesen Ernst Pawel bemerkte am Ende seiner scharfsichtigen Kafka-Biografie aus dem Jahre 1984, dass die Literatur über Kafka und sein Werk sich derzeit auf etwa 15 000 Titel in fast allen großen Weltsprachen belaufe. Kafka ist wörtlich, allegorisch, politisch und psychologisch interpretiert worden. Dass Deutungen ihren Gegenstand immer überwuchern, ist eine banale Feststellung, doch zugleich liegt darin ein Hinweis auf die kreative Natur des Lesens, die sich auch daran erweist, dass ein und dieselbe Buchseite den einen Leser zur Verzweiflung treiben und den anderen zum Lachen bringen kann. Meine Tochter Rachel las Kafkas Verwandlung mit dreizehn Jahren und fand die Erzählung lustig; Gustav Janouch las sie als eine religiöse und ethische Parabel. (S. 114) 1904 schreib Kafka an seinen Freund Oscar Pollak: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch. Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, können wir zur Not selber schreiben. Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich. (S. 115) Vorlesen Ich machte es mir dann in den aufgetürmten Kissen bequem (meist am Abend, oft aber auch am Tag, weil mich das Asthma häufig für Wochen ans Bett fesselte) und hörte meinem Kindermädchen zu, das mir die furchterregenden Märchen der Brüder Grimm vorlas. Mal lullte mich ihre Stimme ein, mal versetzte sie mich in fieberhafte Erregung, und dann trieb ich sie zur Eile an, um schneller, als es der Autor beabsichtigt hatte, den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Aber meistens genoss ich einfach nur das luxuriöse Gefühl, von den Worten entführt zu werden in eine ferne Welt – dies mit einer fast physischen Intensität, so dass ich tatsächlich dem Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 71 wundersam fernen Ort entgegenschwebte, der am Ende der Geschichte auf mich wartete, auf der geheimnisvollen letzten Seite, in die ich kaum einen Lidschlag lang hineinzuschmulen wagte. Später, als ich neun oder zehn war, erklärte mir der Schuldirektor, dass das Vorlesen nur für kleine Kinder tauge. (S. 133f.) Vorbemerkung: Mitte des 19. Jahrhunderts konnten in Kuba kaum 15% der arbeitenden Bevölkerung lesen. Saturnio Martinez überzeugte einen Direktor einer Zigarrenfabrik, Vorlesestunden abzuhalten. Bald folgten andere Fabriken. Die Vorlesungen waren so erfolgreich, dass sie sich schnell den Ruf erwarben „subversiv“ zu sein. So erließ der Gouverneur von Kuba 1866 folgende Verordnung: 1. Es ist untersagt, die Arbeiter der Tabakfabriken, Manufakturen und Werkstätten aller Art durch das Vorlesen von Büchern und Zeitungen oder durch Diskussionen, die nicht die zu leistende Arbeit betreffen, abzulenken. 2. Die Polizei wird die Einhaltung dieser Verordnung ständig überwachen und diejenigen Fabrikbesitzer, ihre Stellvertreter oder Geschäftsführer, die sich dem Mandat der Polizei widersetzen, meiner Amtsbefugnis überstellen, damit sie je nach Schwere des Verstoßes juristisch zur Verantwortung gezogen werden können. (S. 136) „Als ich jung war, hielt man es für unschicklich, wenn eine junge Dame sich allzu eifrig dem Studium widmete. Es wurde erwartet, dass sie sich mit einer Handarbeit in den Salon setzte, sich aus einem Buch vorlesen ließ und für Besucherinnen bereithielt. Wenn diese kamen, drehte sich die Unterhaltung oft um das Buch, das ihretwegen beiseite gelegt worden war. Folglich musste der Lesestoff sehr sorgfältig ausgewählt werden, damit nicht eine schockierte Besucherin dort, wo sie ihre nächste Aufwartung machte, über den bedauerlichen Sittenverfall im Haus der soeben verlassenen Familie Klage führte.“ (Martineau, Harriet: Autobiographische Erinnerungen. 1876) (S. 146) Sich ein Buch vorlesen zu lassen – ob zur Läuterung des Leibes, zum Vergnügen, zur Belehrung oder aus Wohlgefallen am Klang der Sprache – ist eine Bereicherung und eine Schmälerung des Lesevorganges zugleich. Einen anderen die Worte sprechen zu lassen, die auf der Seite stehen, ist eine weitaus unpersönlichere Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 72 Erfahrung, als den Text in der Hand zu halten und mit den eigenen Augen aufzunehmen. Vertrauen wir uns der Stimme des Vorlesenden an, berauben wir uns der Möglichkeit, selbst über das Tempo und den Tonfall zu bestimmen, außer wir verfügen über die Fähigkeit, den Vorlesenden genau nach unseren Wünschen zu dirigieren. In jedem anderen Fall muss das Ohr der Stimme eines anderen gehorchen, und dadurch wird eine Rangordnung begründet (manchmal sichtbar in einem gesonderten Sessel oder einem Podium), die den Hörer zum Objekt des Vorlesenden macht. (S. 148f.) Leseort Ausgestreckt im Bett, abgeschirmt von der Außenwelt, das geliebte Buch mit beiden Händen auf den Bauch aufstützend, hat sich das kleine Mädchen nicht nur einen eigenen Raum, sondern auch ihr eigenes Zeitmaß geschaffen. Auch ich lese im Bett. Die vielen Betten, in denen ich die Nächte meiner Kindheit verbrachte – in absonderlichen Hotelzimmern, wo die Lichter vorbeifahrender Autos gespenstisch über die Decke huschten, in Häusern, deren Gerüche und Geräusche mir fremd waren, in Ferienhütten, die klamm vom Seewind oder von der Bergluft so trocken waren, dass neben meinem Bett eine Schüssel mit heißem Eukalyptuswasser stand, damit ich Luft bekam – in all den vielen Betten gewährte mir die Kombination aus Bett und Buch ein Zuhause, in das ich immer zurückkehren konnte, Nacht für Nacht, unter welchem Himmel auch immer. Niemand würde nach mir rufen und irgend etwas von mir verlangen; mein Körper brauchte nichts, er lag unbeweglich unter der Decke. Alles was geschah, geschah im Buch, und der Erzähler der Geschichte war ich. Das Leben vollzog sich, weil ich die Seiten umblätterte. Ich kann mich wohl kaum an eine tiefere, umfassendere Freude erinnern als den Augenblick, wenn ich kurz vor dem Ende des Buches angelangt war: Ich legt das Buch weg, um mir den Schluss für den nächsten Tag aufzuheben, ich schloss die Augen mit dem Gefühl, die Zeit angehalten zu haben. (S. 178) Ob wir nun zuerst das Buch wählen und dann den geeigneten Winkel, oder zuerst den Platz bestimmen und dann entscheiden, welches Buch seiner Stimmung angemessen ist – es bleibt kein Zweifel, dass der Akt des Lesens in der Zeit einen Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 73 entsprechenden Akt des Lesens im Raum mit sich bringt und dass beide unlösbar miteinander verbunden sind. Es gibt Bücher, die ich im Sessel lese, und es gibt Bücher, die ich an Schreibtischen lese, Bücher für die U-Bahn, die Straßenbahn und den Bus. (S. 180) Der englische Autor Alan Sillitoe meint: „Die beste Gelegenheit, eine gutgeschriebene, flotte Story zu lesen, bietet eigentlich eine Fahrt allein im Zug. Wenn man unter lauter Fremden sitzt, und draußen zieht eine unbekannte Landschaft vorbei (auf die man ab und zu einen Blick wirft) bekommt das fesselnde und verwickelte Leben im Buch seine eigene, eindrückliche Wirkung.“ (S. 180) Henry Miller bekannte: „ Meine besten Leseerlebnisse fanden auf der Toilette statt. Es gibt Passagen im Ulysses, die nur auf der Toilette gelesen werden können, wenn man ihre ganze Würze auskosten möchte.“ Tatsächlich war das stille Örtchen, eigentlich „einer spezielleren und vulgäreren Nutzung zugedacht, ein Ort für alle meine Beschäftigungen, die eine ungestörte Einsamkeit verlangten: Lesen, Träumereien, Tränen und sinnliches Vergnügen.“ (Marcel Proust) (S. 180) Marguerite bekannte: „Ich lese selten an Stränden oder in Gärten. Man kann nicht bei zwei Lichtern gleichzeitig lesen, dem Licht des Tages und dem Licht des Buches. Man sollte bei elektrischem Licht lesen, den Raum im Dunkeln, und nur die Seite beleuchtet.“ (S. 181) Verbotenes Lesen - Lesen als Privileg begreifen Über Jahrhunderte riskierten die afroamerikanischen Sklaven ihr Leben, wenn sie trotz aller Verbote und Schwierigkeiten die Kunst des Lesens erlernen wollten – in aller Heimlichkeit und manchmal in jahrelanger heroischer Anstrengung, wie man vielen Berichten aus dieser Zeit entnehmen kann. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 74 Der Sklave Leonard Black, ebenfalls beim Lesen ertappt, wurde von seinem Herrn so grausam ausgepeitscht, „daß er meinen Wissensdurst fürs erste zum Erliegen brachte, und ich versagte mir alle weiteren Versuche bis zu meiner Flucht.“ Doc Daniel Dowdy berichtete: „Wurde man das erste Mal bei Lese- oder Schreibversuchen erwischt, bekam man den Ochsenziemer zu spüren, beim nächstenmal die neunschwänzige Katze und beim drittenmal wurde einem das erste Glied des Zeigefingers abgehackt.“ Bei den Sklavenhaltern der Südstaaten war es gang und gäbe, Sklaven zu erhängen, wenn sie versuchten, anderen das Lesen und Schreiben beizubringen. (S.326f.) Die Diktatoren aller Epochen wussten und wissen, dass eine analphabetische Masse am leichtesten zu lenken ist. Da die Fähigkeit des Lesens, einmal erlernt, nicht rückgängig gemacht werden kann, bleibt ihnen als zweitbeste Lösung die Eindämmung des Lesestoffes. Bücher werden von Diktatoren gefürchtet wie keine andere menschliche Erfindung. Die absolute Macht duldet nur eine Lesart; statt ganzer Bibliotheken widerstreitender Meinungen soll nur das Wort des Herrschers gelten. (...) Der Macht folgt daher, in welcher Gestalt auch immer, die Zensur auf dem Fuße, und die Geschichte des Lesens wird begleitet von der schier endlosen Geschichte der Bücherverbrennungen, von den ersten Papierrollen bis zu den Büchern unserer Zeit. (...) Im Jahr 303 verurteilte Kaiser Diokletian alles schriftliche Christentum zum Feuertod. Und das waren nur die Anfänge. Als der junge Goethe in Frankfurt Zeuge einer Bücherverbrennung wurde, kam er sich vor, wie bei einer Hinrichtung. (S. 328ff.) Im Jahre 1872 gründete Anthony Comstock – ein treuer Nachkomme der Kolonialherren, die dem bildungsfreundlichen Dekret Karls II widerstanden hatten – in New York eine machtvolle Zensureinrichtung, die Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters. Nach reiflicher Überlegung war Comstock zu dem Schluss gelangt, dass das Lesen am besten gar nicht erfunden worden wäre. („Unser Stammvater Adam im Paradies konnte auch nicht lesen“, führte er einmal zu Begründung an.). Aber da es Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 75 nun einmal geschehen war, fühle er sich dazu berufen, den Umgang mit dieser Erfindung zu reglementieren. (...) Zwei Jahre vor seinem Tod bekannte er einem New Yorker Reporter: „In den 41 Jahren meines Hierseins habe ich so viele Personen überführt, daß sie einen Zug von 61 Waggons füllen, 60 Waggons zu je 60 Personen, der 61. „Waggon ist fast gefüllt. Ich habe 160 Tonnen unsittlicher Literatur vernichtet.“ Comstocks Jagdeifer war auch verantwortlich für mindestens fünfzehn Selbstmorde. (S. 330f.) 1981 ließ die chilenische Militärjunta unter General Pinochet den Don Quichotte verbieten, weil der General (völlig zu Recht) argwöhnte, dass das Buch die Freiheitsrechte des Individuums bejahte und die Autorität der Obrigkeit verneinte. Die Bücherverbrenner erliegen der Illusion, dass sie mit ihrem Tun die Geschichte abschaffen und die Vergangenheit auslöschen können. Am 10. Mai 1933 wurden in Berlin bei laufenden Kameras und begleitet von einer Ansprache des Propagandaministers Goebbels vor mehr als 100 000 Zuschauern über 20 000 Bücher verbrannt. Hunderten von Autoren, unter ihnen Freud, Marx und Zola, Steinbeck, Hemingway, Einstein und Proust, H.G.Wells und Jack London, Heinrich Mann und Bertolt Brecht, wurde die widersinnige Ehre ihrer symbolischen Verbrennung auf dem Scheiterhaufen zuteil – eine Drohung, die sich nicht nur gegen sie selbst richtete, sondern gegen alle, die es wagten, der Hassideologie der Nazis Kritik und eigenes Denken entgegenzusetzen. (330) Comstocks Zensoreneifer musste sich darauf beschränken, die unter Verdacht geratenen Werke auf eine schwarze Liste zu setzen, und der Zugriff unter Missbrauch der Staatsgewalt wurde ihm erst dann möglich, wenn die Bücher bereits erschienen waren und somit schon eine Reihe von emsigen Lesern gefunden hatten. Die katholische Kirche war ihm da weit überlegen. 1559 veröffentliche die römische Inquisitionsbehörde den ersten Index der verbotenen Bücher – eine Aufstellung der Bücher, in denen die Kirche eine Gefährdung des Glaubens und der Moral erblickte. Der Index, der viele Bücher bereits vor ihrer Veröffentlichung erfasste und auch erschienene Bücher mit dem Kirchenbann belegte, verstand sich nie als vollständige Auflistung der vom Vatikan verdammten Werke. Als er im Juni 1966 letztmalig Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 76 erschien, enthielt er allerdings – neben Hunderten von theologischen Werken – auch viele weltliche Autoren, von Voltaire und Diderot bis zu Colette und Graham Greene. (S. 333f.) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 77 Bildimpuls: Erinnerungen Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 78 Bildimpuls: Erinnerungen Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 79 Tatjana Keiner, Muriel Macé und Erika Theobald: Das autobiographische Gedächtnis. Wir sind, woran wir uns erinnern. 9 Solide, echt und „wahr“ kommen uns viele Episoden aus unserem Leben vor, aus denen wir unsere persönliche Geschichte formen. Sie geben uns Halt und ein Gefühl von Identität. Doch die Forschung zeigt: Erinnerungen sind formbar. Sie verändern sich ständig – und wir mit ihnen. Mit unserem Gedächtnis machen wir sehr unterschiedliche Erfahrungen. Manchmal geht es uns wie Marcel Proust, der die Anstrengung beschrieben hat, sich mittels des Duftes einer Madeleine an das zugehörige Ereignis in seiner Kindheit zu erinnern. Auch wenn ein bestimmter Geschmack, eine wieder gefühlte Bewegung, ein Gefühl ganz plötzlich das Tor zu unserer Vergangenheit aufstoßen kann, befindet sich dahinter oft kein klares Erinnerungsbild, sondern eher ein Schleier des Vergessens, durch den wir uns mühsam hindurchtasten, um dann nur ein unbestimmtes Wiederempfinden einer vergangenen Erfahrung zu finden. Manches, was wir erinnern, scheint uns verschwommen und unwirklich, an der Grenze zwischen Wirklichkeit und Traum. Andere Ereignisse aus unserer Vergangenheit stehen so klar wie eine Fotografie oder eine Filmaufnahme vor uns, als wären sie gestern erst geschehen, und es kommt uns nicht in den Sinn, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Aber können wir wirklich sicher sein, dass unsere Erinnerungen dem entsprechen, was wir erlebt haben? Sind Erinnerungen teilweise Illusion? Ist unser Gedächtnis ein großes Filmarchiv, in dem wir nur manchmal Mühe haben, den gewünschten Film zu finden? Oder erstellen wir mithilfe unseres Gedächtnissystems unermüdlich neue Drehbücher, die wir in rasanter Geschwindigkeit in entsprechende Filmsequenzen umsetzen? Intuitiv vertrauen wir unserem Gedächtnis, vor allem wenn wir uns ganz deutlich erinnern können, wie, wo, wann, mit wem wir ein bestimmtes Erlebnis hatten. Doch dann müssen wir manchmal erfahren, dass unsere Erinnerungen nicht unbedingt der Realität entsprechen. So kann sich Muriel sehr gut daran erinnern, wie ihr der Großvater im Frühling in der Bretagne das Drachensteigen beigebracht hat. 9 Psychologie heute. März 2000. S. 21 – 26. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 80 Jahrelang war dieses Ereignis eine sehr wichtige Kindheitserinnerung, die sie in allen Details wiedergeben konnte. Aber als sie eines Tages mit ihrer Mutter darüber sprach, war diese sehr erstaunt, denn die Familie war nie mit dem Großvater zusammen in der Bretagne gewesen. Es stellte sich heraus, dass sich in der Erinnerung zwei oder mehrere Ereignisse miteinander verknüpft hatten und so zu einem einzigen Erlebnis zusammengeschmolzen waren. Es handelte sich also nicht um die genaue Wiedergabe eines Ereignisses, sondern um eine konstruierte Erinnerung. Oft nehmen wir die Lebendigkeit einer Erinnerung und unsere persönliche Überzeugung, dass sie eine reale Begebenheit wiedergibt, als Garantie für ihre Genauigkeit und Richtigkeit. Wir sehen alles so klar und deutlich vor uns, dass es gar nicht anders gewesen sein kann. Erst wenn wir uns gemeinsam mit anderen über gemeinsame Erinnerungen unterhalten, machen wir manchmal die Erfahrung, dass wir anscheinend doch nicht die gleichen Erlebnisse hatten. Im Falle von Muriel konnte sich der Vater zum Beispiel überhaupt nicht daran erinnern, dass seine Tochter jemals einen Drachen hatte steigen lassen, obwohl sie das als Kind mit großer Begeisterung getan hatte. Überhaupt scheinen sich Männer und Frauen ganz im Allgemeinen unterschiedlich an gemeinsame Erlebnisse zu erinnern. Fasst man die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammen, so scheinen die Frauen ein präziseres Gedächtnis als Männer zu haben. Dies könnte weniger mit angeborenen Fähigkeiten als vielmehr mit erlernten Verhaltensmustern zusammenhängen. Von Männern werden im Allgemeinen Selbstständigkeit, Rationalität und Kompetenz erwartet, während Frauen eher lernen, ihre Emotionen zu beachten und auszudrücken und interpersonelle Beziehungen als ihr Aufgabenfeld zu betrachten. Das könnte dazu führen, dass Frauen Situationen, die in der Beziehung auftreten, zum Beispiel eine Auseinandersetzung, anders bewerten als Männer. Sie reagieren emotionaler und setzen andere Bewältigungsstrategien ein. So reden Frauen mehr und öfter über persönliche Erlebnisse und Probleme, wodurch einerseits die hohe Detailfreudigkeit ihres Gedächtnisses als auch ihre subjektive Gewissheit, ein gutes Gedächtnis zu haben, erklärt werden könnten. Allerdings bedeutet dies noch nicht, dass ihre Erinnerungen auch genau sind, denn beim wiederholten „Durchspielen“ einer Szene können bestimmte neue Details, die der jeweilige Gesprächspartner beisteuert, nachträglich in den „Erinnerungsfilm“ eingebaut werden. Psychologen Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 81 konnten diese konstruktive Arbeitsweise unseres Gedächtnisses in zahlreichen Experimenten immer wieder nachweisen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie kommen morgens früh zur Arbeit und werden von einem Ihrer Kollegen gefragt, ob Sie im Flur die neuen gelben Papierkörbe gesehen haben. In Wirklichkeit sind diese nicht gelb, sondern grün. Wenn Sie nicht auf die Farbe geachtet haben, weil Sie morgens noch zu müde sind, um sich für Papierkörbe zu interessieren, werden Sie wahrscheinlich einfach mit „Ja“ antworten, und die neuen Papierkörbe in Ihrem Gedächtnis als „gelb“ abspeichern. Dieser Effekt tritt vor allem dann auf, wenn die Versuchsteilnehmer nicht genau wissen, worauf sie eigentlich achten sollen. Bei bedeutsamen und einmaligen Ereignissen scheinen wir dagegen doch so etwas wie ein fotografische Gedächtnis zu besitzen. Die Geburt unseres Kindes, ein Verkehrsunfall, an dem wir beteiligt sind, die Nachricht vom Tod unserer Mutter, all das sind Ereignisse, die sich wie Fotos in unserem Gedächtnis eingeprägt haben. Solche Blitzlichterinnerungen, wie sie in der psychologischen Forschung genannt werden, zeichnen sich durch ihre Lebhaftigkeit und vor allem ihren Reichtum an visuellen Details aus. Untersucht wurde die Gesetzmäßigkeit von Blitzlichterinnerungen vor allem mittels zeitgeschichtlicher Ereignisse. Dabei werden die Teilnehmer sehr kurze Zeit und einige Monate und Jahre nach einem bedeutsamen, einschneidenden Ereignis der Zeitgeschichte – zum Beispiel einem Attentat, einem Rücktritt oder einer Katastrophe – danach befragt, wo sie waren und womit sie beschäftigt waren, als sie von dem Ereignis erfuhren. Die Ereignisse dieser Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass die Ereignisse zu allen Befragungszeitpunkten sehr detailliert und mit einem hohen Grad an subjektiver Sicherheit erinnert werden. Allerdings unterscheiden sich die Berichte der Teilnehmer zu den verschiedenen Zeitpunkten wesentlich voneinander. Das heißt: Obwohl diese Erinnerungen bei uns einen quasi fotografischen Eindruck hinterlassen, sind sie dennoch nicht vor nachträglichem Retuschieren geschützt. Die Forschung aus den psychologischen Gedächtnislabors hat in den letzten Jahren viele Nachweise dafür erbracht, dass unser Gedächtnis auf allen Verarbeitungsebenen (Wahrnehmung, Verarbeitung, Speicherung und Abruf) die Wirklichkeit nicht objektiv abbildet, sondern je nach Stimmung, Kontext und Bedeutsamkeit organisiert und strukturiert. Diese experimentell nachweisbaren Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 82 Verzerrungseffekte stellen im Alltag menschliche Anpassungsleistungen an sich ändernde Umwelten und die jeweiligen individuellen Interessen und Bedürfnisse dar. Unser Gedächtnis ist keine Bibliothek, die unsere Erinnerungen in kleinen Bänden aufbewahrt, sondern ein dynamisches Netzwerk aus unterschiedlichen Systemen, die miteinander interagieren, aber auch nebeneinander und voneinander unabhängig ihre Funktion erfüllen können. Der Konsolidierungsprozess, das heißt die Umwandlung von Sinneseindrücken in Gedächtnisinhalte, das Entstehen unserer Erinnerungen, ist ein kontinuierlicher Prozess, der nie wirklich abgeschlossen ist. Martin A. Conway, einer der Forscher, die sich mit dem autobiografischen Gedächtnis und seiner Organisation beschäftigen, nimmt an, dass unsere autobiografischen Erinnerungen eine bestimmte Ordnung aufweisen, mittels derer einzelne Ereignisse in übergeordnete Strukturen eingebettet werden. Diese Strukturen stellen Lebensabschnitte und Lebensthemen dar, zu denen zum Beispiel unsere Schul- und Ausbildungszeit, aber auch langjährige Freundschaften und Beziehungen gehören. Dabei handelt es sich um längere Zeitintervalle, die sich gegenseitig überlappen können und in denen unsere Pläne und Ziele genauso ihren Platz haben wie Informationen über wichtige Personen, Handlungen und Orte des jeweiligen Lebensabschnittes. Daneben werden aber auch alltägliche oder sich wiederholende Ereignisse gespeichert, wie zum Beispiel der Erwerb unseres Führerscheins in mehreren Fahrstunden, regelmäßige Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen. Diese Erinnerungen werden meist in Zeitabständen von Wochen und Monaten zusammengefasst. Und schließlich finden sich in der Erinnerung die Eindrücke von Erlebnissen in Form von Bildern, Gedanken, Gefühlen und Gerüchen. Diese Erinnerungen werden oft sehr plastisch und detailliert wiedererlebt und beziehen sich auf Ereignisse, deren Dauer von einem kurzen Augenblick bis zu einem Tag reichen kann. Vielleicht haben Sie schon einmal erlebt, wie Sie einen ganz bestimmten Duft aufgenommen und sich dabei spontan an ein lange zurückliegendes Ereignis erinnert haben. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie gehen durch ein Kaufhaus und wittern plötzlich den Geruch eines Sonnenöls. Sie registrieren das nur am Rande, aber sofort erinnern sie sich an ihren letzten Sommerurlaub. Während Sie nun Ihre Gedanken schweifen lassen, fallen Ihnen mehr und mehr Details ein, vielleicht ein ganz bestimmter Augenblick, an dem Sie entspannt am Strand lagen. Oder es geht Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 83 Ihnen durch den Kopf, was zu dieser Zeit für Sie wichtig war, wie Ihre damaligen Lebensumstände aussahen. Wie lassen sich diese Erinnerungsvorgänge erklären? Gehen wir von dem Wahrnehmungsreiz aus, zum Beispiel dem Geruch. Damit befinden wir uns im Gedächtnismodell auf der untersten Ebene, in der das Detailwissen abgelegt ist. Fast automatisch fängt unser Gedächtnis an zu suchen: „Wo habe ich dieses schon einmal erlebt (gerochen)?“ Es fahndet nun auf der nächsthöheren Ebene nach entsprechenden Episoden. Im konkreten Fall landen wir so beim letzten Urlaub. Ohne dass wir viel dazu tun, gehen die Gedanken weiter, um diese Episode in einen größeren Lebenszusammenhang zu stellen. Damit befinden wir uns auf der obersten Ebene, der Ebene der Lebensabschnitte, und wir erinnern uns möglicherweise daran, dass der betreffende Urlaub unmittelbar an die letzte Prüfung anschloss und damit das Ende der Ausbildung markierte. Dieses Durchlaufen der verschiedenen Gedächtnisebenen kann ungesteuert, aber auch durch bewusstes Abbrechen der Suche entlang der Gedächtnislinien beendet werden. In unserem Beispiel gelangten wir vom Sinnesindiz nach und nach zur komplexen Erinnerung. Der Prozess der Erinnerung kann auch umgekehrt verlaufen: Es ist möglich, sich bewusst an etwas erinnern zu wollen, zum Beispiel an die Gesichter der früheren Mitschüler. Zuerst versuchen wir, Hinweise aus der Schulzeit zu vergegenwärtigen, zum Beispiel das Schulgebäude. Wenn dies vor unserem inneren Auge auftaucht, versuchen wir, eine bestimmte Klassenstufe herauszugreifen, dann etwa den Chemieunterricht, und vor dem geistigen Auge entsteht allmählich ein Bild der Chemielehrerin, der Anordnung der Schulbänke und der Reihe der Mitschüler. Auf dieser Ebene erinnern wir möglicherweise nicht nur die Gesichter verschiedener Klassenkameraden, sondern vielleicht auch eine ganz konkrete Situation, beispielsweise einen bestimmten Chemieversuch. Wir bestimmen bei dieser mentalen Suchbewegung aktiv, wie lange sich unsere Aufmerksamkeit auf diese Erinnerungen konzentriert und wie lange der Abruf dauert. An diesen Beispielen ist schon zu erkennen, dass unsere Erinnerungen konstruktiv sind. Im Vergleich zu einfachen Assoziationen brauchen sie verhältnismäßig lange, bis sie aufgebaut werden: Der Abruf einer bestimmten Erinnerung dauert etwa drei bis fünf Sekunden. Außerdem ist sie je nach aktueller Stimmung und psychologischer Verfassung jedesmal neu und anders zusammengesetzt. Einen wesentlichen Einfluss auf erinnerte autobiografische Ereignisse hat unser Selbstbild. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 84 Das Selbst ist eine dynamische Struktur, die sich im Laufe unseres Lebens kontinuierlich im Zusammenspiel mit unserem jeweiligen Lebenskontext bildet. In ihr sammeln sich Erfahrungen, Meinungen und Einstellungen, die wir über uns selbst und unsere Eigenschaften sowie über unsere Beziehungen zu anderen Menschen haben. Die Art und Weise, wie wir uns selbst sehen, unsere persönlichen Interessen und Vorlieben beeinflussen unsere Erinnerungen an die Vergangenheit, je nachdem, an welchem Punkt unserer Lebensgeschichte wir uns gerade befinden und unter welchem Blickwinkel wir zurückschauen. Als Instanz, die uns vermittelt, wer wir sind und was uns ausmacht, verleiht das Selbst unserem Wesen Sinn und Bedeutung. Es ermöglicht uns, in aktuellen Situationen aufgrund früher gemachter persönlicher Erfahrungen einzuschätzen, welches Verhalten gerade angemessen und wie zu handeln ist. Denn Erinnerungen nehmen großen Einfluss auf unser Leben und Erleben und auf unsere Erfahrungen: Wie wir uns erinnern, beeinflusst unsere Selbstwahrnehmung, und unsere Erinnerungen formen unser Selbstbild. Dieses selbstbezogene Wissen ist zum größten Teil ein Nebenprodukt dessen, was wir täglich tun, denken oder fühlen, wenn wir mit unserer Umwelt in Kontakt stehen. Denn autobiografische Erinnerungen sind in der Regel alltägliche Ereignisse, die wir uns nicht gezielt merken. Das autobiografische Gedächtnis arbeitet sozusagen im Hintergrund mit. Die Entscheidung, ob es sich bei dem täglich Erlebten um relevante, für uns wichtige Erinnerungen handelt, fällt erst im Nachhinein und ohne dass wir uns dessen bewusst wären. Dass unserem Selbstkonzept dabei eine organisierende und strukturierende Rolle zukommt, zeigt ein Phänomen, das in der Gedächtnisforschung unter dem Namen „Erinnerungsgipfel“ bekannt ist. Wenn wir nach Erinnerungen aus unserer gesamten Vergangenheit befragt werden, ergibt sich für alle Menschen ein relativ einheitliches Bild: Wir erinnern uns besonders gut an Ereignisse, die in unserer unmittelbaren Vergangenheit stattgefunden haben. Je weiter zurück ein Ereignis liegt, umso schlechter ist unsere Erinnerung. Dies gilt allerdings nicht für unsere Erinnerungen an die Zeit zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. An diese Jahre können wir uns alle besonders gut und lebhaft erinnern. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen ist, dass sich unser Selbstkonzept in dieser Zeit in einem entscheidenden Umbauprozess befindet. Wir sind auf dem Wege von der Kindheit ins Erwachsenenalter, und die für diesen Lebensabschnitt wesentlichen neuen und oft einzigartigen Erlebnisse spielen dabei eine wichtige Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 85 Rolle. So ist denkbar, dass diese Erinnerungen einen bevorzugten Platz in unserem autobiografischen Gedächtnis erhalten und zu einem wesentlichen Teil unseres Selbstbildes werden. Wer wir sind, wie wir uns und wie uns andere in der Welt wahrnehmen und bewerten – das macht unsere Identität aus. Sie ist das Kernstück unserer Überzeugung, eine einzigartige Persönlichkeit zu sein. Die Identität hat einen ausgeprägten sozialen Aspekt, denn unsere Einzigartigkeit ist nur im Vergleich mit den Identitäten der anderen zu erfahren. Daneben besitzt unsere Identität noch eine historische Komponente, die uns meist nicht bewusst wird. Um zu wissen, wer wir heute sind, ist es notwendig zu wissen, wer wir gestern waren. Gedächtnisstörungen, die zu einem Verlust der persönlichen Erinnerungen führen, führen unweigerlich auch zu einem Verlust an Identität. Wie bedeutsam das Wissen um unsere Vergangenheit für unsere Identität sein kann, beweisen die Anstrengungen von Menschen, die ihre leiblichen Eltern nicht kennen und Jahre darauf verwenden, etwas über ihre Herkunft – und damit über ihre Identität – zu erfahren. Die historisch gewachsene Identität eines Menschen ist eng verknüpft mit seinem Selbstwertgefühl. Wer bin ich, welche einzigartigen und unverwechselbaren Dinge habe ich erlebt? Selbstwertgefühl und Identität einer Person beeinflussen sowohl ihre aktuelle Stimmung als auch ihr Verhalten. Beispielsweise kann ich mich unmittelbar vor einer Prüfung an eine bereits bestandene Prüfung erinnern und so mein Gefühl für Kompetenz erhöhen und mich in eine optimistische Stimmung versetzen. Im „Archiv“ meiner Lebensgeschichte suche ich nach Informationen, die mit meinem Selbstbild übereinstimmen. Das persönliche Wohlbefinden hängt also von der Qualität der Erinnerungen „an mich selbst“ ab. Umgekehrt beeinflussen die Gefühle auch den Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis und die Rekonstruktion von Erinnerungen. Es ist nicht nur ein Ergebnis meines Selbstbildes, ob ich mich daran erinnere, dass die letzte Prüfung insgesamt gut gelaufen ist, oder ob ich mich daran erinnere, dass ich „nur Glück“ hatte, weil die Prüferin milde gestimmt war. Vielmehr kann uns – je nach Gemütsverfassung – ein und dieselbe Vergangenheitsepisode in einem unterschiedlichen Licht erscheinen. Das Selbstbild und die Verfügbarkeit von Emotionen stehen in einem anhaltenden Prozess wechselseitiger Beeinflussung. Die Art, wie wir erinnern und uns Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Seite 86 zugängliche Informationen (in Form der Erinnerungen) verarbeiten, wirkt also auf unsere psychische Verfassung und bestimmt unsere Erwartungen an die Zukunft. Das aktuelle Selbst – so wie Menschen sind – und das ideale Selbst – so wie sie sein wollen – können sich je nach der persönlichen oder sozialen Lage einer Person verändern. Es ändern sich dann auch Wünsche, Ziele und Pläne, und frühere Erfahrungen werden aufgrund neuer Ansichten und Motivationslagen neu bewertet. Unser Gedächtnis für autobiografische Erinnerungen schafft die Möglichkeit, unsere Vergangenheit aktiv zu rekonstruieren, indem wir uns an Details erinnern und sie wieder zu einem (neuen) Erinnerungsbild zusammensetzen. Dabei ist wesentlich, dass Erinnerungen je nach der augenblicklichen psychischen Verfassung rekonstruiert werden, also immer nur ausgewählte Teile der (wahren) Vergangenheit beinhalten. Das Wissen, das ich über mich habe (auch semantisches Wissen oder Bedeutungswissen genannt), fließt mit in die Rekonstruktion des Berichtes ein. Was sich damals ereignet hat (mein Faktenwissen) mischt sich mit dem, was damals für mich wichtig war. Daher sind autobiografische Erinnerungen subjektive Interpretationen von Erfahrungen und Erlebnissen. Diese Rekonstruktion ermöglicht aber auch, dass sich unser Selbstkonzept weiterentwickelt und wir uns verändern können: Was uns vor einiger Zeit sehr betrübt hat, kann nach einem angemessenen Zeitraum der Trauer mit anderen Augen betrachtet werden. Das bewirkt, dass auch Erinnerungen anders bewertet werden und Details des traurigen Ereignisses „vergessen“ werden können. Damit erklärt sich auch, welchen Sinn das Vergessen in unseren autobiografischen Erinnerungen hat: Vieles in unserem Leben vergessen wir, weil es durch Wiederholung oder eine Änderung unseres Lebenskontextes seine ursprüngliche besondere Bedeutung verliert. Es ist uns unangenehm, daran erinnert zu werden. Unser autobiografisches Gedächtnis scheint sich auf einem Kontinuum des Erinnerns und Vergessens zu bewegen. Es garantiert die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist die Voraussetzung für unsere Entwicklung und Kontinuität und schafft die Grundlage für unsere Identität und Integrität. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Selbstbeobachtungsblatt zum Portfolio „Der Vorleser“ Seite 87 Name: 1. Meine ersten Gedanken, als die Aufgabenstellungen vorgestellt wurden: 2. Was ich über meine Arbeitsweise anmerken möchte: • Leseverhalten • Ausführen der Arbeiten (Wie?) • Timemanagement 3. Die größte Schwierigkeit während der Arbeitsphase: 4. Was mir die Arbeitsphase erleichtern könnte: 5. Welche Lernziele waren mit dieser Arbeit verbunden: Markiere mit +, - , 0 (=teilweise), wie du diese Lernziele erreicht hast. 6. Wie ich selbst mein Produkt beschreiben bzw. bewerten würde: 7. Was ich überhaupt von dieser Idee halte: Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 88 Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio für 4. Klassen) Die Seiten, die du für die Aufgaben brauchst, müssen alle nummeriert und mit deinem Namen versehen sein. Die Seiten sollen klar und übersichtlich gestaltet werden (Überschriften, Absätze...). Die Reihenfolge der Arbeiten ist beliebig. 1. Erstelle ein Inhaltsverzeichnis, das für jede Ausgabe der „KleinenZeitung“ gelten könnte. Es muss mindestens 15 verschiedene Punkte enthalten. 2. Verfasse einen Leserbrief zum dem Artikel über das neue Jugendschutzgesetz. Lies vorher die Seite mit den Leserbriefen. 3. Suche einen Artikel aus den Bereichen Politik/Landespolitik und fasse ihn kurz zusammen. Du darfst nicht mehr als zehn Zeilen benötigen. Es soll trotzdem alles Wesentliche enthalten sein. 4. Mit welcher Gesamtsumme musst du rechnen, wenn du in Graz eine Zweizimmerwohnung mieten möchtest. Achte auf Angaben wie Betriebskosten und Steuer. Notiere die Seite und die Spalte für ein Beispiel, das du auswählen würdest. 5. Du möchtest eine Radiosendung, in der ein Text von Herbert Zinkl vorgestellt wird, aufnehmen. Um welche Zeit musst du das Radio einschalten. 6. Schreibe mindestens 30 Eigenschaften auf, die in Inseraten von Stellungssuchenden verlangt werden. Notiere jeweils das Adjektiv und das dazugehörende Nomen. (Beispiel: selbstbewusst- das Selbstbewusstsein) 7. Du suchst (später einmal) ein gebrauchtes Auto, einen VW Vento. Welche Angebote gibt es in dieser Ausgabe der Zeitung? 8. Nenne zwei Gründe für das Ansteigen der Arbeitslosigkeit im Monat Mai. Wie hoch ist die Arbeitslosenrate in der Steiermark? (Diagramm) 9. Du fährst im Sommer nach Italien. Deine Oma will dir 100.000 Lire als Taschengeld mitgeben. Welchen Schillingbetrag hast da also zur Verfügung? 10. Am Abend möchtest du den Film „Mr. Magoo“ ansehen. Welche Kinos stehen zur Auswahl? 11. Wer gewann die fünfte Etappe der Österreichrundfahrt? 12. Du brauchst in der Nacht von Freitag auf Samstag ein schmerzstillendes Mittel aus der Apotheke. Wohin gehst/fährst du? 13. Hat sich die NATO entschieden, Truppen in den Kosovo zu schicken? Wo liegt der Kosovo? 14. Du suchst einen Ferialjob. Verfasse ein Inserat, in dem du deine Vorzüge und dein Können hervorhebst. 15. Lies den Artikel auf Seite 14 „Über Ufer getretener Bach...“ und unterstreiche die sieben wichtigsten Wörter, die du anschließend aufschreibst. Du sollst mithilfe dieser sieben Wörter einen mündlichen Bericht über das Ereignis geben können. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 89 Arbeitsaufträge für das Portfolio zum Zeitungsprojekt 1. Sammle Informationen zum „Standard“, d.h. seine Geschichte, den Herausgeber, die Besitzer, den Chefredakteur, die Auflage, das Distributionssystem. 2. Was ist deiner Meinung nach die „politische“ Blattlinie des „Standard“? Belege sie anhand von Zitaten. 3. Vergleiche an einem bestimmten Tag einen bestimmten Bericht, ein bestimmtes Thema mit der Berichterstattung in mindestens zwei anderen Zeitungen. 4. Vergleiche an mehreren Tagen die quantitative Gewichtung von redaktionellen Themenbereichen und vergleiche die Gewichtung mit einer anderen Tageszeitung, d.h. wieviel wird seitenmäßig über Sport berichtet, über Polititk, Wirtschaft, Kultur usw. Vergleiche auch das Text – Bild-Verhältnis. Welchen Umfang beansprucht die Werbung ? 5. Recherchiere ein Thema aus deiner unmittelbaren Umgebung und berichte darüber. Maximal 250 Wörter, mindestens 150. 6. Verfasse einen persönlichen Kommentar zu einem aktuellen Thema (150 W. Maximum) 7. Beschreibe deinen persönlichen Umgang mit Zeitungen. Seit wann liest du Zeitungen, was liest du? Warum liest du keine Zeitung? Wann und wo liest du Zeitungen, welche Kommentatoren liest du gerne und warum ? Woher beziehst du die für dich wesentlichen Informationen ? 8. Wie beurteilst du nach mehrwöchiger Lektüre den „Standard“ ? 9. Wie sollte die Zeitung beschaffen sein, die für dich interessant wäre ? 10. Verfasse als Reaktion auf einen Artikel, der dich bewegt hat, einen Leserbrief (maximal 200 W.) 11. Deine Reaktion auf das Zeitungsprojekt? Dazu gibt’s noch einen Rückmeldebogen, der nicht in die Beurteilung miteinbezogen wird. Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Feedbackbogen Seite 90 Portfolio „Der Standard“ 1. Die Aufgabenstellungen waren sehr schwierig schwierig angemessen leicht 2. Meine Zeiteinteilung funktionierte im Vergleich zum ersten Portfolio besser gleich schlechter Begründung:_________________________________________________________ ___________________________________________________________________ 3. Meine größten Probleme während der Arbeitsphase: ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ 4. Ich habe die Möglichkeit genutzt, mir Unterstützung zu suchen durch: Verwandte Mitschüler Freunde Internet Bücher andere Quellen:__________ 5. Ich habe durch die Beschäftigung mit dem Zeitungsthema eher nicht profitiert profitiert sehr profitiert 6. Mein Zugang zu Zeitungen hat sich durch das Projekt verändert: Ja Nein 7. Ich finde den Stellenwert des Portfolios im Rahmen der Gesamtbeurteilung überbewertet angemessen unterbewertet Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Portfolio/„Der Standard“ Name: PI Seite 91 Punkte: Aufgabenstellung Anmerkungen Termin P/m P 5 S-Nummerierung 1 Inhaltsverzeichnis 1 Übersichtlichkeit/ Gestaltung 5 Informationen 3 Blattlinie 5 Berichtvergleich 7 Themenbereiche/ Gewichtung 5 Eigener Bericht 9 Kommentar 5 Umgang mit Zeitungen 5 Beurteilung 3 Meine ideale Zeitung 3 Leserbrief 5 Rückmeldung Gesamt Themenhefte 62 Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark PI Seite 92 AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 93 Literaturliste Brunner, Ilse/ Schmidinger, Elfriede: Gerecht beurteilen. Portfolio: die Alternative für die Grundschulpraxis. Linz: Veritas 2000. Danielson, Charlotte/Abrutyn, Leslye: An Introduction to Using Portfolios in the Classroom. Alexandria: Association for Supervision and Curriculum Development 1997. Jabornegg, D.: Das Portfolio – Möglichkeiten und Grenzen einer alternativen Prüfungsform. Ein Erfahrungsbericht. In: Dubs, R. u. Luzi, R. (Hg): Schule in Wissenschaft, Politik und Praxis. St. Gallen: IWP Eigenverlag 1997. 411-425. Keiner, Tatjana/Macé, Muriel/Theobald,Erika: Das autobiografische Gedächtnis:Wir sind, woran wir uns erinnern. In: Psychologie heute. Das Magazin für Leib &Seele. März 2000. Klemm, Elisabeth: Portfolio. Leistungsbeurteilung ohne Probleme? Seminararbeit. Graz 2001. Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim/Basel: Beltz Verlag 1998. Lissman, Urban: Beurteilung und Beurteilungsprobleme bei Portfolios. In: Jäger, Reinhold: Von der Beobachtung zur Notengebung. Diagnostik und Benotung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2000 . S. 284 288. Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens. A. d. Eng. Reinbek: Rowohlt TB 2000. Rhue,Morton: Die Welle. Ravensburg: Otto Maier 2000. Scheiflinger, Werner/Petri, Gottfried: Probleme der Lernerfolgsfeststellung. Wie Schulstress abgebaut, Lernfreude verstärkt und die Leistungsbeurteilung objektiviert werden? Graz: Zentrum für Schulentwicklung 1999. S. 42f. (=Forschungsbericht 28) Schlink, Bernhard: Der Vorleser. Zürich: Diogenes 1995. Strasshofer, Josef: Direkte Leistungsvorlage in der Polytechnischen Schule. In: Noten – nicht zu umgehen? Alternative Formen der Leistungsbeurteilung auf dem Prüfstand. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte 2000. S. 174 – 177. (=Schulheft 98/2000) Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio PI Seite 94 Internetadressen – Stand 20. Juni 2001 Hecker, Ulrich: Neue Formen der Leistungsbewertung – Perspektive „Portfolio“ http://www.regenbogenschule.de/portfolio.htm http://www.zis.at/projekte http://www.bmuk.gv.at/pbildung/leistmap/lm.htm http://pluto.osk.uni-bielefeld.de/leistung http://www.schlosswagrain.asn-linz.ac.at/schule/portfolio http://www.regenbogenschule.de/portfolio.htm http://macdirect.de/~dagmar Themenhefte Heft 7 Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark AHS PI Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark Abteilung für Lehrer an allgemeinbildenden höheren Schulen Ortweinplatz 1, 8010 Graz E-Mail: ahs @ pi-stmk.ac.at ISBN 3-902083-07-7 Layout: Mag. Beatrix Plamenig
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