Vom Lesetagebuch zum Portfolio

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Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Pädagogisches Institut des Bundes
PI
in Steiermark
Beatrix Plamenig
Vom Lesetagebuch
zum
Portfolio
Ein Baustein für das
Eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen
Schriftenreihe
Heft 7
AHS
Beatrix Plamenig
Vom Lesetagebuch
zum
Portfolio
Ein Baustein für das
Eigenverantwortliche
Arbeiten und Lernen
Pädagogisches Institut des Bundes
in Steiermark
Graz, November 2001
B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
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Seite 1
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort............................................................................................................3
2. Einleitung ........................................................................................................5
3. Lesetagebuch und Portfolio – Begriffsklärungen ...........................................6
3.1 Das Lesetagebuch ...................................................................................................... 6
3.2 Das Portfolio .............................................................................................................. 7
4. Das Portfolio im Deutschunterricht...............................................................10
5. Gegenüberstellung Lesetagebuch - Portfolio ................................................12
6. Das Lesetagebuch bei individueller Literaturauswahl ..................................13
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
Das Festlegen des organisatorischen Rahmens .................................................... 13
Zu den Aufgabenstellungen allgemein .................................................................. 13
Zusammenarbeit mit Klassenlehrern (fächerübergreifend)............................... 14
Ziele .......................................................................................................................... 14
Form ......................................................................................................................... 14
Zeitorganisation ...................................................................................................... 14
Durchführung.......................................................................................................... 15
Korrektur und Beurteilung.................................................................................... 24
Schularbeit............................................................................................................... 25
7. Das Lesetagebuch mit Klassenlektüre: "Die Welle".....................................27
7.1
7.2
7.2
7.4
7.5
Das Festlegen des organisatorischen Rahmens .................................................... 27
Ziele .......................................................................................................................... 27
Die Aufgabenstellungen.......................................................................................... 27
Beurteilung .............................................................................................................. 30
Beispiele ................................................................................................................... 31
8. Das Lesetagebuch als Gruppenarbeit ............................................................33
8.1
8.2
8.3
8.4
8.4
8.5
8.6
8.7
8.8
8.9
Vorbemerkung ........................................................................................................ 33
Ziele .......................................................................................................................... 33
Gruppeneinteilung .................................................................................................. 33
Arbeitsaufträge für die Gruppe............................................................................. 33
Gruppenbeobachtung ............................................................................................. 34
Aufgabenstellungen für die Lesetagebücher ........................................................ 34
Beispiele ................................................................................................................... 36
Präsentation............................................................................................................. 38
Feedback .................................................................................................................. 38
Beurteilung .............................................................................................................. 38
9. Das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“.......................................................39
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
Lernziele................................................................................................................... 39
Einstieg..................................................................................................................... 39
Die Aufgabenstellungen.......................................................................................... 41
Begleitende Unterrichtsstunden ............................................................................ 42
Selbstreflexion ......................................................................................................... 45
Beurteilung und Resümee..............................................................................46
10. Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio).................................................................47
11. Portfolio zu einem Zeitungsprojekt...............................................................49
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Seite 2
Inhaltsverzeichnis für den Anhang (Materialien)
Informationsblatt für Schüler - Wir führen ein Lesetagebuch ............................50
Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses...................................................................53
Bilanzbogen I.......................................................................................................54
Bilanzbogen II .....................................................................................................55
Selbsteinschätzung (Präsentation/Portfolio) .......................................................56
Aufgabenstellungen zum Portfolio „Der Vorleser“ ............................................57
Gruppenpuzzle - Textauszüge für Dreiergruppen...............................................58
Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens (Textauszüge)..........................67
Bildimpuls: Erinnerungen ...................................................................................77
Das autobiographische Gedächtnis. Wir sind, woran wir uns erinnern ..............79
Selbstbeobachtungsblatt zum Portfolio „Der Vorleser“ .....................................87
Arbeitsaufträge für die Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio für 4. Klassen)..........88
Arbeitsaufträge für das Portfolio zum Zeitungsprojekt ......................................89
Feedbackbogen Portfolio „Der Standard“...........................................................90
Portfolio/„Der Standard“ -Beurteilungsblatt .......................................................91
Schulbestätigung..................................................................................................92
Literaturliste ........................................................................................................92
Internetadressen ..................................................................................................94
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1.
Seite 3
Vorwort
Viele kennen es. Detailliert vorbereitete Unterrichtssequenzen misslingen, Erfolge
entstehen oft aus Notlösungen. So ist es mir auch bei meinem Start zum Portfolio
ergangen. In einer dritten Klasse, die ich im Jänner übernommen hatte, wollte ich für
das
Sommersemester
eine
gemeinsame
Klassenlektüre
planen
und
dazu
entsprechende Schreibaufträge und Schreibformen vorbereiten. Im Klassengespräch
ergab sich alsbald, dass die Wünsche der Schüler sehr verschiedenen waren und sie
sehr
unterschiedliche
Interessen,
aber
auch
einen
sehr
unterschiedlichen
Entwicklungsstand bezüglich ihres Lesealters zeigten. Der kleinste gemeinsame
Nenner schien wirklich das Buch jedes Einzelnen zu sein. Da uns die Bücher
gemeinsam fünf Wochen lang begleiten sollten, griff ich auf die Form des
Lesetagebuches zurück, das ich allerdings vom individuell geführten begleitenden
Protokoll des Lesens in einen gemeinsam verbindlichen Rahmen mit für alle gültigen
Aufgabenstellungen rückte, die zusätzlich eine Verknüpfung zu den Zielen im
Schreibunterricht herstellen sollten.
Die große Motivation der Schüler führte dazu, dass ich im nächsten Schuljahr diese
Form des Arbeitens wieder aufgreifen musste. Daraus entstand zunächst das
Lesetagebuch/Portfolio zur Klassenlektüre, bei dem die Schüler, nun, da sie die
Form ja bereits kannten, auch selbst Aufgabenstellungen auswählen bzw. neu
kreieren konnten.
Noch im gleichen Semester wurde in derselben Klasse das Lesetagebuch/Portfolio
nun mit einem erweiterten Feedbacksystem in Gruppenarbeit versucht. Der
Ideenreichtum der Schüler zeigte auch ihre Begeisterung, in dieser Form zu arbeiten.
Der aufmerksame Leser wird bereits bemerkt haben, wie ich zwischen den Begriffen
Lesetagebuch und Portfolio zu schwanken begonnen habe und der Versuchung,
mich mit einem Schrägstrich aus der Affäre zu ziehen, nicht widerstehen konnte.
Der Übergang zwischen den beiden Formen war fließend, eigentlich ist aus dem
Lesetagbuch durch bestimmte Aufgabenstellungen, den Lehrzielen entsprechend,
und einem Feedbacksystem das Portfolio entstanden. In der Unterstufe wollte ich
dieses Wort jedoch nicht verwenden. Es war einfach schön ein Produkt in den
Händen zu halten.
Beflügelt durch die Begeisterung der 4. Klasse, versuchte ich nun Lernziele der 6.
Klasse themenzentriert mit der Lektüre eines Buches zu verknüpfen. Als ich der
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Klasse meine Vorstellungen präsentierte, traf ich auf eine Mischung aus Skepsis,
Erschrecken, aber auch Neugier und Zustimmung. Günstig erwies es sich in diesem
Zusammenhang, den Schülern die Arbeiten der 4. Klasse vorlegen zu können, so
dass sie eine Vorstellung von meinen Absichten bekamen.
Nach dem Abgabetermin waren die Schüler der Klasse
•
alle stolz auf die erbrachte Leistung
•
alle stolz auf ihr Produkt
•
einige zuversichtlich, auch eine Fachbereichsarbeit schreiben zu können
•
viele positiv bereit, das nächste Portfolio zu beginnen
Nach der Korrektur war ich
•
zwar etwas erschöpft, aber
•
beeindruckt von der Qualität der Schülerarbeiten
•
überrascht von der Steigerung in den Bereichen „Stil und Ausdruck“
Im Sommersemester, in dem ich einen Schwerpunkt auf die Präsentation legen
wollte, waren einige Schüler richtig enttäuscht, dass wir kein Portfolio in dieser
Klasse mehr schaffen würden. Doch das nächste Schuljahr wird für sie sicher eines
bereithalten.
Ich möchte diese Form Lesetagebuch/Portfolio in meinem Unterricht nicht mehr
missen. Sie stellt für mich eine wesentliche Bereicherung dar und dient beim Blättern
durch die Arbeiten durchaus als Motivations- und Energieschub.
Kollegen, die diese Form ebenfalls aufgegriffen haben, haben mich ermutigt, mit dem
vorliegenden Band unserer Schriften auch anderen Ideen und Materialien zur
Verfügung zu stellen. Vielleicht ergibt sich ein Austausch von Ideen, eine
gemeinsame Weiterentwicklung.
Über Rückmeldungen via E-mail freue ich mich und verspreche, Ideen aufzugreifen,
zu verarbeiten und dann anderen (über die Homepage des Pädagogischen
Institutes) zukommen zu lassen.
Beatrix Plamenig
(e-Mail: beatrix.plamenig@pi-stmk.ac.at)
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2.
PI
Seite 5
Einleitung
Der Weg vom Lesetagebuch zum Portfolio ist ein sehr persönlicher, und nicht jeder
Weg zum Portfolio kann über das Lesetagebuch führen. Viele verschiedene Formen
des Portfolios bieten sich für verschiedene Bereiche an, auch ist die Form des
Portfolios nicht auf den Deutschunterricht beschränkt, sondern kann in anderen
Fächern genauso eingesetzt werden. Damit nicht nur mein persönlicher Weg zu
dieser Form dokumentiert ist, dient der erste Teil einer Begriffsklärung und einer
Vorstellung der verschiedenen Portfolioarten.
Im Weiteren versuche ich
verschiedene Formen des Portfolios aus meiner
pädagogischen Praxis darzulegen.
Das erste Beispiel, das lernzielgesteuerte Lesetagebuch bei individueller
Literaturauswahl, wird sehr ausführlich, auch mit Auszügen aus Schülerarbeiten
gezeigt, damit interessierte Kollegen ihren Schülern ein Vorzeigemodell präsentieren
können.
Die folgenden Beispiele, nämlich Klassenlektüre und Gruppenarbeit in der vierten
Klasse, beschränken sich auf das Lehrermaterial bzw. auf eine Auflistung der
verschiedenen Schülerideen. Didaktische Hinweise und Tipps runden dieses Kapitel
ab.
Das Portfolio für die 6. Klasse wird wiederum sehr detailliert besprochen, da ich
damit den Einstieg zum Portfolio in der Oberstufe genau aufzeigen möchte.
Das Kapitel Zeitungsarbeit stellt zwei Auftragsblätter für Schüler vor, die auch in
Form eines Portfolios bearbeitet werden können.
Im Anhang finden Sie einen ausführlichen Materialienteil, der kopierfertig aufbereitet
wurde.
Viele Texte und Textauszüge sollen die Kollegen, die das Buch „Der
Vorleser“ im Unterricht lesen wollen, bei ihren Vorbereitungen unterstützen und sie
somit entlasten.
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3.
Lesetagebuch und Portfolio – Begriffsklärungen
3.1
Das Lesetagebuch
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Das Lesetagebuch im traditionellen Sinn begleitet, protokolliert und dokumentiert den
Leseprozess, damit man sich später an das Gelesene besser erinnern kann.
Tagebuchartige Notizen dokumentieren auch zeitlich den Lesevorgang.
Die Aufgabenstellungen (eine Auswahl):
•
Notieren, was man wann gelesen hat
•
Über das Gelesene nachdenken und reflektieren
•
Einzelne Kapitel kurz zusammenfassen oder nacherzählen
•
Buchfiguren darstellen und dokumentieren
•
Entscheiden, welche Buchstellen entscheidend sind
•
Wertungen bezüglich des Buches bzw. bestimmter Buchstellen dokumentieren
•
Einzelne Buchstellen kopieren und in das Lesetagebuch einkleben
•
Sich in das Buch einmischen
•
Sich eine eigene Meinung über das Buch bilden
•
Fragen zu besonderen Textstellen finden und formulieren
•
Zu einzelnen Kapiteln etwas schreiben oder zeichnen
•
Aufschreiben, was man beim Lesen gedacht oder gefühlt hat.
•
Textstellen aufschreiben, die man besonders lustig, spannend, traurig... gefunden
hat
•
An geeigneten Stellen im Buch den Text verändern oder weiterschreiben
•
Aussagen über eine Person aus dem Buch sammeln
•
Personen des Buches zeichnen oder Steckbriefe für sie entwerfen
•
An eine Person des Buches einen Brief schreiben
•
Aus der Sicht einer Person des Buches eine Tagebucheintragung oder einen
Brief entwerfen.
•
Aus einzelnen Textstellen eine Bildergeschichte oder einen Comic entwickeln
•
Eine wichtige Seite abschreiben oder fotokopieren, einkleben und kommentieren
•
Aufschreiben, was gut oder weniger gefällt
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•
PI
Seite 7
Einen Brief an die Autorin bzw. den Autor schreiben
Die Form
•
Ein DIN-A5-Heft, ein DIN-A4-Heft oder eine Mappe
•
Jede Eintragung mit dem aktuellen Datum und der Seitenzahl oder der
Kapitelüberschrift versehen
•
Eine besondere Farbe nehmen, wenn man man etwas wörtlich aus dem Buch
abschreibt
•
3.2
Unterstreichen, was man besonders wichtig findet.
Das Portfolio
Das Portfolio in den verschiedenen Bereichen
Künstlern dient das Portfolio als Bewerbungs- bzw. Präsentationsmappe, mit der sie
eine Auswahl ihrer Produkte – in unterschiedlichen Medien – , ihren persönlichen
Werdegang und ihre Anerkennung (durch Zertifikate, Kritiken etc.) dokumentieren.
Zunehmend verwenden Institutionen bzw. Einzelpersonen des künstlerischen
Bereichs die Homepage zur Darstellung ihres Portfolios.
Im Bereich des Börsenwesens bezeichnet das Portfolio die Gesamtheit der
Wertpapieranlagen eines Kunden.
In der Schule zählt das Portfolio zu den direkten Leistungsvorlagen1 (=DLV) und
stellt eine gegliederte Sammlung von Lernergebnissen dar.
1
Vgl. Scheiflinger, Werner/Petri, Gottfried: Probleme der Lernerfolgsfeststellung. Wie Schulstress abgebaut,
Lernfreude verstärkt und die Leistungsbeurteilung objektiviert werden? Graz: Zentrum für Schulentwicklung
1999. S. 42f. (=Forschungsbericht 28)
Diese sehr negative Darstellung der direkten Leistungsvorlage korreliert wenig mit meinen eigenen praktischen
Erfahrungen im Unterricht. Dass die ausgewiesenen Leistungen auch von der Effektivität des Unterrichts
abhängen - wie u.a. kritisch angemerkt wird -, trifft selbstverständlich ebenfalls auf andere Lernerfolgsfeststellungen zu.
Vgl. Strasshofer, Josef: Direkte Leistungsvorlage in der Polytechnischen Schule. In: Noten – nicht zu umgehen?
Alternative Formen der Leistungsbeurteilung auf dem Prüfstand. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte
2000. S. 174 – 177. (=Schulheft 98/2000)
Auch die „Pensenbücher“ der Montessoripädagogik als fortlaufende Dokumentation des Lernfortschrittes sind
dieser Kategorie der Leistungsbeurteilung zuzurechnen.
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Entwickelt wurde die Portfoliobeurteilung in den 90-Jahren in den USA. Die
Voraussetzungen für die Entwicklung und für den Erfolg dieser Reformbewegung
waren sicherlich die Kritik an der gängigen Beurteilungspraxis in den USA, den
Tests, die Forderung nach neuen Lehr- und Lernzielen und die konstruktivistischen
Lerntheorien.2
Laut Lissmann ist ein Portfolio „eine zielgerichtete Sammlung von Schülerarbeiten,
welche
die
Anstrengung
des
Lernenden,
den
Lernfortschritt
und
die
Leistungsresultate auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung schließt
die Beteiligung des Schülers bei der Auswahl der Inhalte, Kriterien für die Auswahl
und zur Beurteilung sowie selbstreflexive Gedanken ein.“3
Das Portfolio soll also keine willkürliche Sammlung von Schülerarbeiten sein,
sondern zeigen, dass die Schüler bestimmte Ziele (einer größeren Unterrichtseinheit)
erreicht haben oder wo sie sich auf ihrem Weg zum Erreichen dieser Ziele gerade
befinden. Das Portfolio dokumentiert diese „Standortbestimmung“. Die vorgegebenen
Ziele müssen für die Schüler transparent und einsichtig sein, denn nur so können sie
selbstständig die Lernprodukte erstellen. Zum Portfolio gehört immer auch die
Evaluation in Form von Selbst- und/oder Fremdbewertung.
Die verschiedenen Portfoliotypen
Das Arbeitsportfolio
soll die Stärken und Schwächen eines Schülers beschreiben, eine Diagnose des
Lernens darstellen und somit dem Lehrer helfen, seinen Unterricht bedarfsgerecht zu
planen. Dafür sollen Einzelarbeiten in ausreichender Anzahl gesammelt werden, die
dann periodisch oder am Ende einer Lerneinheit beurteilt werden können. Da diese
Arbeiten meistens einen Prozess dokumentieren, ist in diesem Zusammenhang eine
Beurteilung oft nicht vorgesehen. Im Vordergrund stehen die Arbeiten, die es wert
sind, aufgehoben und gezeigt zu werden. Deshalb wird es auch „celebration
portfolio“ genannt.
2
Lissman, Urban: Beurteilung und Beurteilungsprobleme bei Portfolios. In: Jäger, Reinhold: Von der
Beobachtung zur Notengebung. Diagnostik und Benotung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Landau: Verlag
Empirische Pädagogik 2000 . S. 284 - 288.
3
Ebenda, S. 288.
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Das Beurteilungsportfolio
soll zeigen, was ein Schüler gelernt hat. Auf der Basis der Lernziele wird festgelegt,
welche Arbeiten fürs Portfolio verlangt werden. Die Schüler müssen genau wissen,
was und wie sie die Aufgaben erfüllen müssen. Dieses Portfolio ist formaler als
andere.
Das Vorzeigeportfolio
ist sehr flexibel, weil es Arbeiten aus einem längeren Zeitraum, aus einem Fach oder
mehreren Fächern dokumentiert.
Es enthält die besten Arbeiten eines Lernenden und zeigt somit die Arbeiten, die für
den Schüler bedeutsam sind und die er gerne anderen zeigen möchte, wobei die
Auswahl begründet werden sollte.
Das Entwicklungsportfolio
enthält Beispiele von Arbeiten im Anfangszustand bis zu den fertigen Produkten, die
den Lernprozess dokumentieren. Dabei treffen Schüler selbst die Entscheidung, wo
sie Fehlerquellen sehen und wie sie sie bearbeiten möchten.
Das Bewerbungsportfolio
Bei diesem Portfolio steht die erreichte Leistung im Vordergrund. Außer dem
Lebenslauf,
einem
Einleitungsbrief,
Empfehlungsschreiben
u.a.
können
Arbeitsvideos, ein persönliches Schreiben, die Biographie eines Vorbildes, die
Dokumentation einer gemeinnützigen Arbeit und Buchbesprechungen beigefügt sein.
Für den Bereich der Schule ist es seit dem Frühjahr 2001 interessant, weil seither die
Schule Bestätigungen bzw. Zertifikate ausstellen kann für:
•
Funktionen (Klassensprecher, Schulsprecher, SGA-Mitgliedschaft etc.)
•
Aktivitäten (Organisation von Projekten etc.)
•
Kursbesuche (z.B.: Teilnahme an Kursen, die von den Schulkubs organisiert
werden)
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Seite 10
Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Homepage des
Unterrichtsministeriums, wo die Form einer Leistungsmappe vorgestellt wird.4 Im
Materialienanhang auf Seite 92 finden Sie daraus einen Vordruck für ein Zertifikat.
4.
Das Portfolio im Deutschunterricht
Das Entwicklungsportfolio im Deutschunterricht
Das Entwicklungsportfolio im Deutschunterricht soll den Prozess der Textproduktion
dokumentieren und kann folgende Aufgabenstellungen bzw. Lernprodukte enthalten:
•
Brainstorming/Mindmap
•
Materialsammlung
•
Materialbearbeitung (markieren und exzerpieren)
•
Gliederung
•
Entwurf
•
Bearbeitungsvorschläge
•
Überarbeitung
•
Endprodukt
•
Selbstbeurteilung des Schülers
•
Kommentar des Schülers zum Arbeitsprozess
•
Rückmeldungen des Lehrers
Üblicherweise stellt sich mir bei der Korrektur der Hausübungen die Sinnfrage, wenn
meine Anmerkungen und Tipps manchmal den Umfang der vom Schüler geleisteten
Arbeit übertreffen, ohne dass sich deshalb eine Verbesserung zeigt. Das
Überarbeiten
von
eigenen
Texten,
sinnvoll
und
wichtig
für
die
eigene
Sprachkompetenz, wird meist von Schülern unwillig und deshalb ohne größeren
Erfolg erledigt.
Das Entwicklungsportfolio kann die Arbeit des Lehrers erleichtern, da Bearbeitungsund Überarbeitungsaufgaben Bestandteil der Arbeitsaufträge sind.
4
http://www.bmuk.gv.at/pbildung/leistmap/lm.htm
Stand: 20.Juni 2001
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Seite 11
Das Beurteilungsportfolio im Deutschunterricht
Das Beurteilungsportfolio verlangt von den Schülern die Bewältigung von
Aufgabenstellungen, die auf Lernzielen einer bestimmten Unterrichtssequenz
basieren. Für die Vergleichbarkeit, Transparenz und somit für die Bewertung ist eine
für alle gültige Liste mit Aufgabenstellungen notwendig. Diese Liste kann natürlich
mit „Küraufgaben“ erweitert werden. Wie beim Entwicklungsportfolio schließt eine
Evaluation die Aufgabe ab.
Die Bandbreite der Aufgabenstellungen reicht von der Informationssuche über
bestimmte Textsorten bis hin zur Erstellung von Diagrammen.
Für mich persönlich ist beim Beurteilungsportfolio auch wichtig – dafür werden also
Punkte vergeben – die formale Gestaltung wie Titelblatt, Seitennummerierung,
Inhaltsverzeichnis und äußere Gliederung. Die in dieser Publikation vorgestellten
Portfolios sind Beurteilungsportfolios.
Das Bewerbungsportfolio im Deutschunterricht
Das Bewerbungsportfolio
kann als Beitrag zur Berufsorientierung Teil des
Deutschunterrichts sein. Der Lebenslauf und das Bewerbungsschreibung sollte am
Computer erarbeitet werden, damit die Schüler später – für eine tatsächliche
Bewerbung – ihre Texte (gespeichert auf einer Diskette) ergänzen können.
Themenhefte
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5.
Seite 12
Gegenüberstellung Lesetagebuch - Portfolio
Lesetagebuch
Portfolio
Begleitet einen Leseprozess
Begleitet einen Lernprozess
Aufgabenstellungen Orientiert
sich
an
Lektürestoff
Reflexion
Keine
Reflexion
Arbeitsprozess
dem Orientiert
sich
an
den
Lernzielen
über
den Reflexion, ob und wie Ziele
erreicht
wurden,
Reflexion
über den Arbeitsprozess
Arbeitsplatz
Themenhefte
Zu Hause
Heft 7
Zu Hause, in der Schule
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6.
Das Lesetagebuch bei individueller Literaturauswahl
6.1
Das Festlegen des organisatorischen Rahmens
Dieses
Lesetagebuch
setzt
bereits
den
ersten
Schritt
zum
Seite 13
Portfolio
(Beurteilungsportfolio):
•
Die Textauswahl erfolgt individuell.
•
Die Aufgaben werden nämlich für alle verbindlich vorgegeben, freiwillige
Ergänzungen der Schüler sind allerdings möglich.
•
Die
Aufgabenstellungen
orientieren
sich
an
den
Lernzielen
Unterrichtszeitraumes und korrelieren mit den parallel dazu
eines
verlaufenden
Unterrichtsstunden.
•
Die Aufgabenstellungen werden nicht alle sofort zu Beginn der Arbeitsphase
vorgegeben, sondern in Blöcken, die sich auch zeitlich an den Zielen der
Unterrichtssequenzen orientieren.
•
Für
jeden
Block
von
Aufgabenstellungen
gibt
es
einen
eigenen
Fertigstellungstermin (ähnlich einer Wochenplanarbeit). Kleine Arbeitszeiträume
sollen eine Überforderung der Schüler in der Unterstufe vermeiden.
•
6.2
Die Reflexion erfolgt (nur) in der Gruppe und mündlich.
Zu den Aufgabenstellungen allgemein
Die Schwierigkeit, geeignete Aufgabenstellungen, die sich für alle gewählten Bücher
als sinnvoll erweisen, zu finden, stellt sich nur, wenn eine Klasse das erste Mal den
Versuch unternimmt, mit einem Lesetagebuch zu arbeiten. Wenn die Form als solche
mit ihren Möglichkeiten bereits praktisch erprobt wurde, können Schüler selbst einen
Aufgabenplan zusammenstellen oder eine Pflichtliste mit eigenen Ideen ergänzen.
Themenhefte
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6.3
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Seite 14
Zusammenarbeit mit Klassenlehrern (fächerübergreifend)
Gerade das Lesetagebuch in der Unterstufe bietet sich für eine Zusammenarbeit mit
dem BE-Lehrer der Klasse an. Wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht, so kann nur
das Titelblatt/der Umschlag des Lesetagebuches im BE-Unterricht gestaltet werden.
Gibt es einen größeren zeitlichen Rahmen, so können einzelne Aufgabenstellungen
(wie das Zeichnen eines Lageplan oder einer Hauptfigur) dem BE-Unterricht
zugeordnet werden. Abstimmungen sind dann allerdings hinsichtlich der Beurteilung
nötig.
Thematische Schwerpunkte einzelner Bücher können auch zu einer Zusammenarbeit
mit anderen Fächern führen. Tierbücher werden zum Beispiel bei einem
Lesetagebuch Aufgabenstellungen ergeben, die im Biologieunterricht bearbeitet
werden können.
6.4
Ziele
•
Eigenständiges Arbeiten an Aufgabenstellungen
•
Zeitvorgaben einhalten
•
Verschiedene Textsorten praktisch erproben
•
Übersichtliche Gestaltung und Einsatz graphischer Elemente und Bilder
•
Transfer der Lernziele der begleitenden Unterrichtsstunden auf das eigene Buch
6.5
Form
•
Heft oder Mappe
•
Vorgaben für Seitengestaltung
•
Überschriften und äußere Gliederung (Absätze)
•
Inhaltsverzeichnis
•
Seitennummerierung
6.6
Zeitorganisation
Für fünf Wochen wird ein Teil der Schulstunden bzw. der Hausübungen für das
Lesetagebuch reserviert. Jedes Kind muss für die in der Schule dafür vorgesehenen
Stunden das Buch und das Heft bzw. die Mappe für das Lesetagebuch mitbringen.
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6.7
Seite 15
Durchführung
1. Woche:
Stunden
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
1
2
3
Deutsch
Deutsch
4
Arbeiten mit dem
Titel
5
6
Bibliotheksstunde
Deutschstunde:
Büchervorstellung und Buchauswahl in der Bibliothek
Informationen über die Arbeitsweise zum Lesetagebuch
Vorbereitung:
•
Jugendbücher der Bibliothek für die 3. Klasse auswählen
•
Bücher nach Themenkreisen sortieren
•
„Bücherkoffer“: Die Schüler bringen eigene Bücher mit, die sie auch anderen in
der Klasse leihen würden. Die Bücher werden in eine Liste mit Titel und
Eigentümer eingetragen und werden dann in einem Karton mit der Aufschrift
„Bücherkoffer“ aufbewahrt. Jede Entlehnung muss auf der Liste vermerkt werden.
Stundenorganisation:
Zirka 10-15 Minuten werden einzelne Bücher kurz vom Lehrer und auch von den
Schülern vorgestellt. Im Anschluss daran haben die Schüler die Möglichkeit, Bücher
anzulesen, mit anderen über Bücher zu diskutieren, sich Lesetipps zu holen.
Am Ende der Stunde sollten alle Schüler sich für ein Buch entschieden haben, wobei
einige die Auswahl bereits zu Hause getroffen haben. Die Bücher werden in eine
Klassenliste eingetragen.
Die Schüler werden über die Arbeitsweise informiert (äußere Gestaltung des
Lesetagebuches) und müssen sich bis zur nächsten Stunden ein Heft (oder eine
Mappe) besorgen.
Themenhefte
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Deutschstunde:
Seite 16
Angaben zu einem Buch
Arbeiten mit dem Titel
Gemeinsam mit der Klasse wird gesammelt, welche
Angaben man zu einem Buch machen kann. Die
einfache
Form
(Autor,
Titel,
Verlag
und
Seitenanzahl) wird an die Tafel geschrieben. Diese
Angaben muss jeder Schüler zu seinem Buch
suchen und damit die erste Seite in seinem
Lesetagebuch gestalten.
Der Buchtitel wird in die Mitte des Blattes in ein
rundes oder eckiges Feld geschrieben. Nun sollen
in einer Art Brainstorming alle Begriffe, die die
Schüler mit ihrem eigenen Buchtitel assoziieren,
um das Titelfeld angeordnet werden.
Als Hausübung sollen die Schüler 10 verschiedene
Titelvarianten erarbeiten.
Die Werbewirksamkeit soll dabei im Vordergrund
stehen.
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2. Woche:
Stunden
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
1
2
3
Personenbe-
Deutsch
schreibung
4
Deutsch
5
6
Arbeits-und
Lesestunde
Deutschstunde: Personenbeschreibung
•
Wiederholung der verschiedenen Bereiche der Personenbeschreibung
•
Wortschatzübung: Adjektive, zusammengesetzte Adjektive, kreative Neubildung
von zusammengesetzten Adjektiven
•
Appositionen
Zunächst wiederholen die Schüler mittels einer
Mindmap
die
verschiedenen
Personenbeschreibung.
Bereiche
Übungen
und
der
eine
Hausübung zum Wortschatz runden diesen Bereich
ab. Für das Lesetagbuch soll eine Person (muss
nicht die Hauptperson sein) ausgewählt werden.
Die äußeren Kennzeichen werden zeichnerisch
dargestellt, andere Merkmale sollen schriftlich
ergänzt werden.
Themenhefte
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Seite 18
Die Schüler sollen einen Dialog zwischen einer
Buchfigur und ihnen selbst gestalten.
Da das Chatten für sie eine alltägliche Form des
Schreibens
ist,
brauchen
sie
dafür
die
Umrisse
kaum
Arbeitsanweisungen.
Manche
Schüler
nehmen
des
Bildschirms als äußeren Rahmen für ihren Text.
Jeder Schüler soll den Umriss einer seiner Hände
im Lesetagebuch abbilden. In der Handfläche soll
vermerkt werde, wie das Buch seinen Weg zum
Leser gefunden hat: „Wie dieses Buch in meine
Hände gekommen ist“.
3. Woche
Stunden
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
1
2
3
Briefe schreiben
Buchbewertung
4
Deutsch
5
6
Arbeits-und
Lesestunde
Deutschstunde: Briefe schreiben
•
Unterschiede zwischen Normbrief und privaten Brief erkennen
Themenhefte
Heft 7
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AHS
B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
•
Die Schreibung der höflichen Anrede üben
•
Einen Normbrief (mit Vorgaben) am Computer schreiben
PI
Seite 19
Deutschstunde: Buchbewertung
•
Anhand einer Geschichte (Deutschstunde 3, Seite 77f.) sollen die Schüler
Bewertungskriterien für einen Text erarbeiten. Zunächst werden in Partnerarbeit
Adjektive gesammelt, die die Geschichte charakterisieren. Anschließend sollen
Kategorien für die Beurteilung gefunden werden. Bekannte Qualitätssymbole wie
die Kameras bei Kinofilmen oder die Sternvergabe bei Fernsehfilmen für Niveau,
Spannung etc. werden auf ihre Brauchbarkeit für die Buchbewertung überprüft.
•
Für dieselbe Geschichte wird der Spannungsverlauf als eine Linie in einen
Kästchenraster in Einzelarbeit eingetragen. Im Anschluss daran sollen die
Sitznachbarn ihre Kurven vergleichen und versuchen gegenseitig einzelne
Kurvenabschnitte mit den dazugehörenden Textstellen zu bezeichnen.
Nun sollen die Schüler für ihr Lesetagebuch eine
eigene Buchbewertung für Jugendbücher erarbeiten.
Anschließend sollen sie ihr Buch damit beurteilen.
Als Zusatzaufgabe für ihr Lesetagebuch können die
Schüler eine beschriftete Spannungskurve für ihr
Buch zeichnen.
Deutschstunde 3, S. 78
Themenhefte
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PI
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Seite 20
4. Woche
Stunden
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
1
2
3
Zeitungsbericht
Leserbriefe/
Frageecken
4
Lageplan
5
6
Arbeits-und
Lesestunde
Deutschstunde: Zeitungsbericht
Die Schüler haben für diese Stunde eine Tageszeitung mitgebracht. Sie wählen zu
zweit drei Zeitungsbericht aus. Anhand dieser Berichte sollen sie in Partnerarbeit
erforschen,
wie
viele
Fragemöglichkeiten
es
mit
W-Fragewörtern
in
Zeitungsberichten gibt? Die Sammlung dieser Fragen wird ins Schulübungsheft
geschrieben.
Im Klassengespräch wird erarbeitet, aus welchen Bestandteilen (von der Form her
erkennbar) der Zeitungsartikel im Schulbuch besteht. Zur Wiederholung versucht
jeder Schüler die genannten Bezeichnungen aus dem Gedächtnis in sein
Schulübungsheft zu schreiben..
Für das Lesetagebuch sollen die Schüler ein Ereignis aus ihrem Buch auswählen
und dieses in einem Zeitungsbericht darstellen. Mindestens vier Bestandteile eines
Zeitungsartikels müssen vorhanden sein.
Themenhefte
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Seite 21
Deutschstunde: Lageplan
Zunächst wird der Bankspiegel der Klasse als Lageplan besprochen. In Partnerarbeit
sollen die Schüler einen Lageplan der Schule zeichnen. Zwei Möglichkeiten werden
vorgegeben:
1.
ein Lageplan (eines Stockwerkes) der Schule
2.
ein Lageplan des Stadtteils, in dem sich die Schule befindet.
Für das Lesetagebuch soll nun ein Lageplan
entworfen werden.
Als Zusatzaufgabe können die Schüler einen
Schauplatz ihres Buches mittels einer Collage
darstellen.
In der vierten Woche haben beinahe alle Schüler ihr
Buch
ausgelesen.
Leseverhalten
Nun
sollen
sie
Mit
der
reflektieren.
über
ihr
einfachen
Fragestellung „WO, WANN, WIE habe ich mein
Buch
gelesen?“
Leseverhalten
soll
jeder
erforschen,
das
Schüler
Ergebnis
sein
im
Lesetagebuch festhalten und sich mit anderen
darüber im Klassengespräch austauschen.
Themenhefte
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Seite 22
Die Schüler haben bereits zu Hause aus diversen
Jugendzeitschriften
Leserbriefe
für
„Beratungs-
briefkästen“ ausgeschnitten. In der Schule werden
sie auf Packpapier geklebt und in der Klasse an die
Wand geheftet. Einige werden vorgelesen und die
Schüler können aus dem Stegreif versuchen,
Antwortbriefe
zu
schreiben.
Nun
sollen
sie
versuchen zu ihrem Buch dazu eine Seite zu
gestalten.
5. Woche
Stunden
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
1
2
3
Inhaltsangabe
Deutschstunde
4
Inhaltsverzeichnis erstellen
5
6
Arbeits-und
Lesestunde
Deutschstunde: Inhaltsangabe
Jeder Schüler bereitet sich in der Stunde auf die Inhaltsangabe seines Buches vor.
Das Wesentliche soll in Stichwörtern festgehalten werden. Dann stellt jeder in einer
Art Mini-Referat sein Buch vor. Da es häufig passiert, dass Schüler vom Präsens ins
Präteritum gleiten, kann der Lehrer leise korrigierend eingreifen, indem er beim
Zeitenwechsel ein gelbes Kärtchen hochhält. So informiert er den Schüler und
signalisiert ihm „Achtung“, ohne ihn jedoch zu unterbrechen.
In größeren Klassen muss man bei dieser Vorgangsweise zwei Unterrichtsstunden
einplanen, die sich aber lohnen, da dadurch alle Schüler die Bücher kennen lernen
und sich so vielleicht für ein weiteres Buch interessieren. Wie bei Referaten rate ich
den Schülern das Ende, den Ausgang der Geschichte, zu verschweigen, damit die
Spannung für ihre Mitschüler bei der Lektüre nicht verloren geht.
Als Hausübung wird für das Lesetagebuch die Inhaltsangabe verfasst.
Themenhefte
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PI
Seite 23
Am Ende der fünften Woche haben nun alle
Schüler die Pflichtaufgaben für das Lesetagebuch
erledigt. Nun können sie als Zusatzaufgabe eine
Pinnwand oder einen Kühlschrank mit Merkzetteln
passend zum Buch gestalten.
Deutschstunde: Inhaltsverzeichnis
Vorbereitung:
Das Inhaltsverzeichnis eines Deutschbuches – auch ein anderes Schulbuch ist
möglich – wird kopiert. Anschließend werden die einzelnen Bestandteile des
Inhaltsverzeichnisses ausgeschnitten und ungeordnet auf ein Blatt geklebt. Eine
Kopiervorlage für ein Beispiel finden Sie dazu im Anhang auf Seite 54.
Die Schüler sollen nun in Partnerarbeit versuchen, das Inhaltsverzeichnis zu
erstellen, indem sie in einem ersten Schritt Unterbegriffe Überbegriffen zuordnen und
dann eine Reihenfolge erstellen. Um die Übung zu vereinfachen, können die
Kapitelüberschriften etwa durch Unterstreichen hervorgehoben werden.
Wenn das Lesetagebuch im zweiten Semester auf dem Plan steht, kann man im
Anschluss an diese Übung auch ein Inhaltsverzeichnis für die Deutschmappe
verlangen. Damit verbunden ist auch ein Ordnen der Blätter.
Wenn alle Arbeiten am Lesetagebuch fertig gestellt
sind, müssen die Seiten nummeriert werden (wenn
dies nicht bereits geschehen ist).
Dann sollen die Schüler zu ihrem „Buch“ ein
Inhaltsverzeichnis erstellen.
Themenhefte
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PI
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Seite 24
Einige Schüler wollten nicht akzeptieren, dass wir nach der fünften Woche die
Arbeiten am Lesetagebuch beenden sollten. Mein Argument, ich habe keine Ideen
mehr für Arbeitsaufträge, konnten sie mit ihren eigenen Ideen entkräften.
Manche ergänzten ihr Lesetagebuch mit weiteren Personenbeschreibungen, Briefen
oder Collagen. Andere entwickelten völlig neue Aufgabenstellungen, wie die zwei
Beispiele unten zeigen:
Buchquiz
6.8.
Ahnentafel
Korrektur und Beurteilung
In einem liebevoll gestalteten Heft mit dem Rotstift
zu wüten, wäre mir zu barbarisch erschienen. So
wurden in den Heften selbst die Fehler nicht
angestrichen. Jeder Schüler erhielt ein Beiblatt, auf
dem mit Seitenangabe seine Fehler vermerkt
waren. Die Verbesserung und das Fehlertraining
erfolgte im Schulübungsheft.
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Seite 25
Punktevergabe
Termingerechte Abgabe/Fertigstellung
3
Seitennummerierung
1
Inhaltsverzeichnis
1
Gestaltung und Gliederung
5
Umsetzung der Textsorte
5
Sprachliche Ausarbeitung
5
Zusatzaufgaben (+)
Gesamt
20
Die erreichte Punkteanzahl beim Lesetagebuch ist
ein Bestandteil der Mit-
arbeitsnote.
6.9
Schularbeit
Die Arbeit am Lesetagebuch war verknüpft mit den Lernzielen einer sechswöchigen
Unterrichtssequenz. So wurden auch die Themenstellungen für die Schularbeit in
diesem Lernabschnitt darauf abgestimmt.
Themenhefte
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PI
Seite 26
Schularbeitenblatt:
1.
Verfasse einen Brief an eine Freundin/einen Freund, in dem du von deinem
Buch erzählst. Teile ihr/ihm auch mit, warum du das Buch empfehlen könntest
und was dir nicht daran gefallen hat.
2.
Du hast die Möglichkeit in dein Buch zu schlüpfen und kannst dort in einer
Szene mitspielen.
Erzähle deine Geschichte in der Ich-Form. Der Handlungsablauf der
Geschichte kann sich durch dein Mitwirken verändern.
3.
Eine Figur aus deinem Buch verbringt eine Woche/einen Tag bei dir zu Hause.
Schreibe dazu eine Geschichte. Versuche dabei die Figur so zu schildern, dass
sich der Leser diese Figur gut vorstellen kann.
Themenhefte
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PI
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7.
Das Lesetagebuch mit Klassenlektüre: „Die Welle“5
7.1
Das Festlegen des organisatorischen Rahmens
•
Seite 27
Die Aufgabenstellungen werden alle am Beginn der Unterrichtssequenz den
Schülern vorgestellt und mit ihnen besprochen.
•
Für die Bearbeitung der Aufgabenstellungen und für das Lesen steht im Zeitraum
von drei Wochen je eine Deutschstunde (in Freiarbeit) dafür zur Verfügung.
•
Ein für alle verbindlicher Abgabetermin – dafür gibt es Punkte – wird festgelegt.
•
Für die äußere Form gelten die Vorgaben wie für die anderen Lesetagebücher:
Überschriften, Absätze, Seitennummerierung und Inhaltsverzeichnis.
7.2
Ziele
•
allgemeine Ziele, wie auf Seite 13 beschrieben
•
Lernen, sich die Aufgaben zeitlich einzuteilen
7.3
Die Aufgabenstellungen
Die Aufgabenstellungen werden auf den folgenden zwei Seiten mittels eines
Auftragsblattes für Schüler vorgestellt und wurden zum Teil schon in Kapitel 6
genauer besprochen.
Eine
neue
Aufgabenstellung
möchte
ich
allerdings
kommentieren:
den
Personenlageplan. Aus vorangegangenen Lesetagebüchern kannten die Schüler
bereits die Aufgabenstellung „Lageplan“. Daran anknüpfend versuchte ich ihnen die
Personenkonstellation als einen Personenlageplan zu erklären.
Diese Form der Aufgabenstellung verlange ich bei allen Buchbesprechungen, da
durch die Visualisierung nicht nur ein Schritt zur Abstraktion erfolgt, sondern das
Gelesene auch besser in Erinnerung bleibt.
5
Rhue, Morton: Die Welle. Ravensburg: Otto Maier 2000.
Themenhefte
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PI
Seite 28
Hake jede erledigte Aufgabenstellung ab und notiere am Rand das Datum.
•
Suche alle wichtigen Informationen wie Autor, Titel, Verlag und die Seitenanzahl
auf dem Umschlag und der ersten Seite (berücksichtige auch die Rückseite) und
gestalte damit das erste Blatt deines Lesetagebuches.
•
Schreibe den Titel „Die Welle“ in die Mitte eines Blattes und überlege dir, welche
Gedanken du mit diesem Wort verbindest. Notiere deine Ideen rund um den Titel.
•
Sammle alle Eigenschaften, die deiner Meinung nach ein guter Lehrer haben
sollte.
•
Du kennst die Cartoons mit dem Titel „Liebe ist...“. Gestalte nach diesem Schema
eine Seite mit der Überschrift „Gemeinschaft ist...“.
•
Zwei Seiten deines Lesetagebuches solltest du dafür verwenden, alle Begriffe,
die im Buch vorkommen und die nicht für alle klar sind, aufzulisten. Schreibe zu
jedem Begriff eine kurze und gut verständliche Definition.
•
Stelle eine Person vor: Zeichne sie, wie sie deiner Vorstellung nach aussieht und
notiere einige Informationen, die dir das Buch über sie gibt.
•
Disziplin kann Vor-und Nachteile haben. Überlege dir, in welchen Bereichen und
in welchen Situationen Disziplin angebracht oder nicht nötig ist.
•
Versetze dich in Laurie und verfasse aus ihrer Sicht einen Artikel, der in der
„Ente“ erscheinen und vor der Welle warnen soll.
•
Notiere zunächst alle wichtigen Personen des Buches. Überlege dir nun, in
welcher Beziehung sie zueinander stehen. Zeichne nun einen Personenlageplan.
Verwende Symbole, um zu zeigen, wie die Beziehung zwischen zwei Personen
funktioniert.
Themenhefte
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•
PI
Seite 29
Du kennst die Sprech- und Denkblasen aus Comics. Gestalte jeweils eine Blase
zu:
Ein Außenseiter denkt ...
Ein Außenseiter fühlt ...
•
Sammle Informationen (Geschichtebuch) über den Zweiten Weltkrieg und
verfasse dazu einen Sachtext.
•
Das Symbol der Welle ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewegung an der
Schule. Welche anderen Symbole kennst du? Gestalte damit eine Seite.
•
Verfasse eine Inhaltsangabe zum Buch (einschließlich Schluss).
•
Bereite ein Buchquiz vor: Formuliere mindestens zwölf Fragen, die man
beantworten können sollte, wenn man das Buch gelesen hat. Notiere auch die
Antworten.
Zusatzaufträge:
•
Gestalte ein Titelblatt für die „Ente“.
•
Schreibe einen Brief (aus der Sicht Davids) nach dem Streit mit Laurie.
•
Kreiere ein Flugblatt für die Versammlung in der Aula.
Und welche Ideen hast du noch?
Themenhefte
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PI
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7.4
Seite 30
Beurteilung
Bei diesem Lesetagebuch wurden die Aufgabenstellungen einzeln bewertet.
Zusatzpunkte durch weitere Aufgaben konnten erreicht werden. In der linken Spalte
(Maximum) wurde die höchstmögliche Punkteanzahl vermerkt, in der rechten Spalte
die tatsächlich vom Schüler erreichte.
Lesetagebuch: Die Welle
Name:
Maximum
Termin
2
Seitennummerierung
1
Inhaltsverzeichnis
1
Zitat
1
Gedanken zum Titel
2
Lehrereigenschaften
3
Gemeinschaft ist
3
Worterklärungen
3
Eine Person
3
Zeitungsbericht
3
Disziplin
3
Außenseiter
2
Personenlageplan
3
Sachtext über 2. Weltkrieg
3
Inhaltsangabe
5
Symbole
3
Buchquiz
3
Gestaltung/Übersichtlichkeit
10
Textgestaltung
10
Erreicht
Gesamt
Themenhefte
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7.5.
PI
Seite 31
Beispiele
Themenhefte
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Themenhefte
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PI
Seite 32
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8.
Das Lesetagebuch als Gruppenarbeit
8.1
Vorbemerkung
PI
Seite 33
Wenn Schüler mit der Form des Lesetagebuches bereits vertraut sind, kann es sehr
interessant sein, sie selbst Ideen für die Gestaltung suchen zu lassen. Ein weiteres
Anliegen war, die Kompetenzen im Bereich der Teamarbeit zu erweitern, wobei
speziell auf die Arbeitsplanung in der Gruppe Wert gelegt wurde. Die Schüler sollten
ein Repertoire erwerben, mit dem sie später selbst Gruppenarbeitsprozesse initiieren
und organisieren können. Ein schriftliches Feedback, das ausführlich besprochen
wurde, sollte der letzte Schritt zum Portfolio in der Oberstufe sein.
8.2
Ziele
•
Ideen für die Gestaltung eines Lesetagebuches sammeln
•
Einen Arbeitsplan erstellen und einhalten
•
In der Gruppe die Arbeitseinteilung diskutieren und ausführen
•
Das Lesetagebuch erstellen und ausführen
•
Das Lesetagebuch als Referat in der Gruppe präsentieren
•
Feedback über die Zusammenarbeit geben
•
Über die eigene Leistung reflektieren
8.3
Gruppeneinteilung
Die Gruppeneinteilung sollte über die Buchauswahl erfolgen. In der Praxis suchten
sich die Schüler jedoch das Buch aus, das ihre Freunde in der Klasse gewählt
hatten. Auch kam es in zwei Gruppen zu einigen neuen Buchvorschlägen und zu
einer neuerlichen Buchauswahl. Um das zu vermeiden, kann der Lehrer die
Gruppeneinteilung durch Zulosen vornehmen.
8.4
Arbeitsaufträge für die Gruppe
•
Einen Gruppenname finden (soll die Identifikation mit der Gruppe fördern)
•
Ideen für das Lesetagebuch sammeln
•
Ideen auswählen (mindestens dreizehn Aufgabenstellungen als Vorgabe)
•
Einen Arbeitsplan erstellen (Wer macht was bis wann?)
Themenhefte
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•
8.4
PI
Seite 34
Einen Zeitplan erstellen (abhängig von der Terminvorgabe für die Präsentation)
Gruppenbeobachtung
In der Arbeitsphase der Gruppen (eine Schulstunde pro Woche über einen Zeitraum
von fünf Wochen) wurden sie von mir (aus der Distanz, um nicht ins Geschehen
einzugreifen) beobachtet. Pro Stunde wählte ich zwei Gruppen für die Beobachtung
aus und versuchte möglichst detailliert meine Wahrnehmungen über das Verhalten
Einzelner aufzuschreiben. Das Feedback der Gruppen über ihre Zusammenarbeit
sollte von mir als außenstehenden Beobachter ergänzt werden.
8.5
Aufgabenstellungen für die Lesetagebücher
Natürlich haben die Schüler bereits bewährte Formen der Aufgabenstellung wieder
aufgegriffen. Anführen möchte ich deshalb nur ihre neuen Ideen, die auch für mich
Anregungen für weitere Lesetagebücher liefern.
Tolkien, I.R.R.: Herr der Ringe
•
Vergleiche von Personengruppen (Hobbits, Zwerge, Menschen)
•
Entwurf eines Brettspiels zum Buch
•
Kalender
•
Filmsequenz: Drehbuch entwerfen, in Video umsetzen
•
Quiz in Form der Millionenshow entwickeln (4 Antwortmöglichkeiten und Joker)
•
Internetseite auf Papier entwerfen und gestalten
King, Stephen: Stark
•
Beschreibung von Feind und Verbündeten
•
Worterklärungen
•
Was versteht man unter „stark“?
•
Wieso Horror anziehend ist?
•
Fotoroman/Comic
•
Ein anderes Ende erfinden
Themenhefte
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•
PI
Seite 35
Gedanken der Personen auf einem Blatt mit Zeichnungen und Sprechblasen
darstellen
•
Fragebogen zum Buch
•
Liedertext zum Buch
•
Speiseplan einer Buchfigur mit Rezepten
Horvath, Ödön von: Jugend ohne Gott
•
Kassette mit einer Radiosendung zum Buch
•
Die Gedanken der Gruppenmitglieder zu „Gott und Glauben“ nach einer
Diskussion festhalten
Gruber, Reinhard P.: Aus dem Leben Hödlmosers
•
Auflistung der verschiedenen Arten eines Steirers
•
Die wesentlichsten Dinge für Hödlmoser zeichnerisch darstellen
•
Einen Cartoon gestalten
•
Einige Steirertypen als Karikatur darstellen
Roberts, Monty: Der mit den Pferden spricht
•
Informationen über den Autor sammeln und über Text und Bild darstellen
•
Den Alltag in Reportagenform darstellen
•
Eine Liste von Büchern zum Thema erstellen
•
Ein Kreuzworträtsel erstellen
•
Über den Film „Der Pferdeflüsterer“
•
Lebenslauf des Trainers
Grisham, John: Die Akte
•
Personenlageplan
•
Collage zu einer Titelseite einer Zeitung (mit anschließendem Bericht)
•
Verhörprotokoll Inspektor und Darby Show (Dialog)
•
Ballade zum Buch
Themenhefte
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8.6.
PI
Seite 36
Beispiele
Themenhefte
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Themenhefte
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PI
Seite 37
AHS
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8.7
PI
Seite 38
Präsentation
Für die Präsentation mussten die Gruppenmitglieder ihren Auftritt planen:
•
Reihenfolge der Auftritte
•
Art der Präsentation
•
Mittel zur Veranschaulichung (Plakate, Folien etc.)
•
Vorbereitung der Medien (Videorekorder, Kassettenrekorder etc.)
Im Anschluss an jede Präsentation fand eine Feedbackrunde der Zuhörer statt, bei
der streng auf die Einhaltung der Feedbackregeln geachtet wurde.
8.8
Feedback
Die Feedbackbögen (Siehe Anhang S. 54 und 55) wurden ausgeteilt und die
Fragestellungen besprochen. Nun legte jeder Schüler zunächst in Einzelarbeit seine
Beobachtung über die Zusammenarbeit in der Gruppe schriftlich nieder.
In der Gruppe sollten dann die Aufzeichnungen vorgestellt und verglichen werden.
Unterschiedliche Wahrnehmungen gaben Raum für interessante (und hitzige)
Diskussionen. In dieser Phase wanderte ich von Gruppe zu Gruppe um
gruppenintern meine Aufzeichnungen über ihr Verhalten mit ihnen zu besprechen.
Besonders wichtig war der Punkt, was jeder Einzelne, aber auch die Gesamtgruppe
beim nächsten Mal anders (und vielleicht somit besser) machen würde.
8.9
Beurteilung
Für die Beurteilung mussten die Schüler mit ihrer Gruppenarbeitsmappe ausgefüllte
Arbeitsblätter abgeben, auf denen jeder Einzelne seine persönliche Arbeitsleistung
einschätzt (Siehe Anhang S. 56).
Obwohl die Arbeit in der Gruppe erfolgte, ergab sich für jeden Schüler eine
Einzelbewertung, die sich aus seinen Einzelleistungen (Anteil am Lesetagebuch und
an der Präsentation) und der Gesamtleistung der Gruppe zusammensetzte.
Themenhefte
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9.
Das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“6
9.1
Ziele
PI
•
Aus Detailinformationen Phantasien zum Buch entwickeln
•
Persönliche Erfahrungen textlich umsetzen
•
Ein Plädoyer verfassen
•
Informationssuche
•
Informationen zu einem Text verarbeiten
•
Beziehungen grafisch darstellen
•
Bücher zitieren können
•
Zeitmanagement
•
Formale Bearbeitung (Titelseite, Inhaltsverzeichnis, Überschriften etc.)
•
Über eigenes Arbeitsverhalten reflektieren
•
Über das Erreichen von Lernzielen reflektieren
9.2
Seite 39
Einstieg
Noch bevor die Schüler die Bücher bekamen, sollten sie zunächst ihre Phantasien
zum Buch entwickeln.
Dafür standen nur das Titelblatt und Textauszüge zur
Verfügung.
Vorbereitung für das Gruppentextpuzzle
Man wählt pro vorgesehener Gruppe eine Szene im Buch aus und kopiert zu dieser
Szene drei bis fünf (je nach Anzahl der Gruppenmitglieder) aufeinanderfolgende
Seiten. Die Seitennummerierung muss weggeschnitten oder mit Tippex gelöscht
werden.
Interessant ist es, wenn die ausgewählten Szenen nicht unmittelbar etwas
miteinander zu tun haben. Wenn zu wenig interessante Szenen zur Verfügung
stehen, kann man die Kopien zunächst für die Hälfte der Gruppenanzahl vorbereiten
und diese dann nochmals auf farbiges Papier kopieren. So entsteht zu jeder Gruppe
6
Schlink, Bernhard: Der Vorleser. Zürich: Diogenes 1995.
Themenhefte
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PI
Seite 40
eine Kontrollgruppe, die den gleichen Text behandelt. Im Anhang finden Sie von
Seite 58 bis Seite 66 eine bewährte kopierfertige Textauswahl für fünf Gruppen zu je
drei Gruppenmitgliedern. Für eine Klasse mit dreißig Schülern können Sie die Texte
durch Kopieren auf buntes Papier verdoppeln. Für kleinere Klassen lassen Sie
einfach Gruppen weg.
Durchführung
•
Jeder Schüler erhält willkürlich eine Seite und soll sich damit vertraut machen.
•
Die Textauszüge werden anschließend vom Lehrer eingesammelt.
•
Nun sollen sich die Schüler mittels mündlichem Austausch über ihre Texte zu den
passenden Gruppen zuordnen.
•
Anschließend versucht jede Gruppe ihre Texte zu besprechen, sie in eine
Reihenfolge zu bringen und mündlich wiederzugeben.
•
Durch Los wird ein Gruppensprecher bestimmt. Reihum wird über die
Textauszüge der einzelnen Gruppen berichtet.
•
Im Anschluss trifft sich nun wieder jede Gruppe und führt mithilfe der
gesammelten Informationen über alle vorgestellten Szenen ein Brainstorming
zum Buch durch.
•
Als Hausübung – und damit als erste Aufgabe für das Portfolio – soll jeder
Schüler seine Phantasien zu dem Buch entwickeln.
Anmerkung
Aufgrund der mit Absicht nicht zusammenhängenden ausgewählten Textstellen
konnten viele Schüler nicht glauben, dass es sich um ein Buch handle. Gerade aber
aus dieser Spannung heraus – scheinbar nicht miteinander zusammenhängende
Ereignisse verbinden zu müssen – entstanden viele ideenreiche Ansätze, verknüpft
mit dem eigenen Wissensstand und persönlichen Erfahrungen.
Dieser so subjektive Bucheintritt hat bei vielen Schülern dazu geführt, dass sie mit
größerer Spannung, als es sonst zu erwarten gewesen wäre, sich auf die Lesereise
begaben, um zu sehen, wie der Autor die „Lücken“ zwischen den ihnen bekannten
Textstellen gefüllt hat.
Themenhefte
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9.3
PI
Seite 41
Die Aufgabenstellungen
Schüler, die das erste Mal ein Portfolio herstellen sollen, haben zunächst kaum eine
Vorstellung, wie ein solches aussehen könnte. So ist es, wenn der Lehrer ihnen
einige Exemplare aus anderen Klasse, von anderen Kollegen, vielleicht sogar von
anderen Schulen zum Durchblättern zur Verfügung stellt.
Die Erwartungen des Lehrers, was die einzelnen Aufgabenstellungen betrifft, müssen
den Schülern transparent sein.
Zum Startpunkt des Portfolios sind aber nicht immer alle Aufgabenstellungen und
ihre impliziten Ziele im Unterricht besprochen worden. So kann es sein, dass die
detaillierte Besprechung für die Formulierung der Anklagepunkte erst während der
Arbeitsphase für das Portfolio stattfinden kann. In der Praxis begleitet diese Form
des Portfolios, das Beurteilungsportfolio, den Arbeitsprozess in der Schule.
Zunächst erhalten die Schüler die Aufgabenstellungen mit der Punkteverteilung für
das Portfolio. Das Blatt mit den Arbeitsaufträgen für die Schüler finden Sie auf Seite
57.
Das Portfolio sollte als Hausübung geschrieben werden, deshalb wurden
Hausübungen zu anderen Themenstellungen in diesem Arbeitszeitraum auf ein
Minimum gekürzt.
Der erste Schritt ist nun die Festlegung des Abgabetermins. Anhand der
Punkteverteilung können die Schüler den Stellenwert für das Einhalten des
Abgabetermins erkennen. Herausstreichen sollte man dabei, dass ein Lernziel auch
das persönliche Zeitmanagement ist. Der Zeitraum von fünf Wochen war für die
Schüler ausreichend, die mit dem Zeitmanagement zurecht kamen und nicht erst in
der letzten Woche mit den Aufgabenstellungen für das Portfolio begannen.
Bei den formalen Aspekten gibt es für die „Kleinigkeiten“, die Schüler gerne
übersehen, wie Seitennummerierung und Inhaltsverzeichnis, jeweils einen Punkt.
Zur übersichtlichen Gestaltung gehören:
•
Überschriften
•
Absätze
Themenhefte
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Seite 42
•
Strukturierung der Sachtexte
•
Grafische Ausführung der Aufgabenstellungen: Personenkonstellation und
Brainstorming zum Begriff „Schuld“
•
Die Arbeit mit dem Computer ist erwünscht, aber nicht Bedingung. Auch Teile der
Arbeit können mit dem Computer ausgeführt werden.
Bereits bekannte Aufgabenstellungen, mit denen die Schüler ohne weitere
Unterrichteinheit sofort beginnen können:
•
Sie sollen während des Leseprozesses mindestens zehn Textstellen (Zitate)
anzeichnen bzw. anschließend herausschreiben, die nach ihrer subjektiven
Empfindung über das Buch hinaus bedeutsam sind. Diese Textstellen waren
korrekt zu zitieren.
•
Als Vorarbeit für die Personenkonstellation muss eine Figurenliste erstellt werden.
Bei der grafischen Umsetzung sollen Symbole verwendet werden.
•
Für die Kurzinformationen über den Autor muss im Internet recherchiert werden.
Die Darstellung soll in einem gut gegliederten, übersichtlich gestalteten Text
erfolgen.
9.4
Begleitende Unterrichtsstunden
Erinnerungen
Für die Behandlung dieser Thematik wurde ein Artikel aus der Zeitschrift
„Psychologie heute“ mit dem Titel „Das autobiographische Gedächtnis: Wir sind,
woran wir uns erinnern“ ausgewählt. Den vollständigen Artikel finden Sie auf den
Seiten 79 – 86.
Zunächst wird der Text von jedem Schüler in Einzelarbeit in folgenden
Schritten bearbeitet:
•
Themenhefte
Erstes Lesen des Textes, einen Eindruck gewinnen
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Seite 43
•
Zweites Lesen des Textes, Wesentliches markieren
•
Die Struktur des Textaufbaus erkennen: ein Inhaltsverzeichnis
des Textes erstellen
In
Partnerarbeit
sollen
nun
die
Ergebnisse
verglichen
und
Nichtübereinstimmungen diskutiert werden.
Ausgehend von der Behauptung des Textes, dass Gerüche für die
Erinnerung eine wichtige Rolle spielen, soll jeder versuchen, sich an
Gerüche in seiner Kindheit zu erinnern. Die
Erzählungen einzelner
Schüler über bestimmte Ereignisse oder Wahrnehmungen in ihrer
Kindheit machen deutlich, wie wir uns erinnern: in Bruchstücken, mit
teilweise unscharfen Konturen, in Bildern verbunden mit Gefühlen,
Erinnerung an Ereignisse, die anscheinend keine Bedeutung zu haben
scheinen.
Für diese Unterrichtssequenz braucht man mindestens zwei Schulstunden.
Die Bearbeitung des Textes und der Erfahrungsaustausch in der Klasse sollen nun
die Schüler in die Lage versetzen, den Arbeitsauftrag „Ein Bild aus meinen frühen
Kindheitstagen“ ausführen zu können. Der Text kann auch in Expertengruppen
erarbeitet werden.
Meine Leseerfahrungen
Da Lesen und Vorlesen im Buch eine wichtige Rolle spielen, sollen die Schüler –
auch in Kombination mit dem Punkt „Erinnerungen" – über das persönliche Lesen
reflektieren. Um den Schülern für die eigene Textgestaltung ein Vorbild zu geben,
kann man für sie zu diesem Thema verschiedene Zitate von Persönlichkeiten und
historische Betrachtungen kopieren, in der Klasse aufhängen und dann einen
gemeinsamen Leserundgang in der Klasse starten.
Themenhefte
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Seite 44
Man kann auch eine „Vorlesestunde“ damit gestalten und anschließend gemeinsam
Erinnerungen austauschen. Sehr interessant ist es, wenn Schüler ihre Kinder- und
Bilderbücher mitbringen.
Anmerkung: Die Schilderung meiner eigenen Lesebiografie (beginnend mit der tiefen
Trauer darüber, dass mein Bilderbuchesel sich verirrte und nicht mehr nach Hause
fand) ermutigte viele, der Klasse von ihren Bucherfahrungen zu berichten.
Gespräche mit den Eltern (bei der Suche nach den Kinderbüchern?) scheinen bei
vielen die Erinnerungen wieder aufgefrischt und ergänzt zu haben.
Eine umfangreiche Auswahl von Textstellen aus dem ausgezeichneten Buch von
Alberto Manguel „Eine Geschichte des Lesens“ finden Sie im Anhang auf den Seiten
67 bis 76 zu folgenden Bereichen des Lesens:
•
Lesen lernen
•
Heimliches Lesen
•
Lesearten
•
Lesen und Leben
•
Subjektives Lesen
•
Vorlesen
•
Leseort
•
Verbotenes Lesen
Sachtext: Analphabetismus
Für das Verfassen des Sachtextes „Analphabetismus“ sollen mindestens zwei
Quellen verwendet werden.
Als vorbereitende Übung sollen die Schüler zwei Textstellen aus zwei verschiedenen
Quellen bearbeiten, das heißt zunächst exzerpieren und Schlüsselbegriffe
herausschreiben. Im Anschluss daran muss eine Struktur für den neuen Text
erarbeitet werden, in die die zwei Quellen einfließen können.
Themenhefte
Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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PI
B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Seite 45
Bilder, Vergleiche
Die Begriffe Bilder, Vergleiche und Metaphern wurden mit dem Schulbuch erarbeitet.
Die kreative Umsetzung für das Portfolio soll nach dem Muster der bekannten
Cartoonserie „Liebe ist...“ erfolgen, also „Pubertät ist...“.
Anklagepunkte formulieren
Das Herausfiltern und Formulieren der Anklagepunkte ist eine wichtige Vorarbeit für
das Erstellen des Plädoyers. Vorrangig dabei ist nicht der juristische Fachjargon,
sondern die exakte sprachliche Umsetzung.
Als Übung sollen aus einem aktuellen Artikel zur Gerichtsberichterstattung aus der
„Kleinen Zeitung“ in Partnerarbeit die Anklagepunkte herausgefunden und formuliert
werden.
Wichtig ist die anschließende Präsentation, die Vergleiche der eigenen
Arbeit mit denen der anderen ermöglicht.
Zitieren
Den Schülern wird, da es sich um den Einstieg ins wissenschaftliche Arbeiten
handelt, in diesem Semester eine reduzierte Vorgabe für das Zitieren von Büchern
präsentiert: Autor, Titel und Erscheinungsvermerk.
Die Schüler üben zunächst in Partnerarbeit mit Büchern, die in der Schulbibliothek
nach bestimmten Kriterien (vom Lehrer) gesucht und entlehnt wurden: nicht mehr
als drei Autoren, keine Übersetzung, keine Bücher in Bänden oder Reihen.
Probleme tauchen vor allem beim Zitieren des Erscheinungsvermerkes auf, wenn es
sich zum Beispiel um Lizenzauflagen von Buchgemeinschaften handelt.
9.5
Selbstreflexion
Am Tag des Abgabetermins bekommen alle Schüler ein Feedbackblatt (siehe
Anhang S. 87), das sie ausgefüllt ihren Portfolioarbeiten beilegen sollen. Ziele sind,
über das eigene Arbeitsverhalten zu reflektieren und die Bewertung der eigenen
Arbeit. Gleichzeitig gibt das Selbstbeobachtungsblatt dem Lehrer die Möglichkeit, die
Motivation der Schüler zu dieser Arbeitsform zu eruieren. Auch lassen sich aus den
persönlichen Lernzielen der Schüler
allgemeine Lernziele für das nächste
Semester/Schuljahr ableiten.
Themenhefte
Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
9.6
Seite 46
Beurteilung und Resümee
Die Arbeiten werden nach dem Beurteilungsraster mit einem Punktesystem bewertet,
wobei jede einzelne Aufgabenstellung stichwortartig auch verbal charakterisiert wird.
Das Beurteilungsblatt des Lehrers dient ebenso wie das Selbstbeobachtungsblatt der
Schüler als Grundlage für ein abschließendes Gespräch.
Das Gesamtergebnis des Portfolios ist nach meinem Leistungsbeurteilungskonzept
gleichwertig dem einer Schularbeit (bei drei Schularbeiten im ersten Semester).
Für die weitere Arbeit in der Klasse ergaben sich folgende Punkte:
•
Das Portfolio motiviert die Schüler zu eigenständigem Arbeiten. Zu bedenken ist
allerdings, dass die Schüler in manchen Klasse überfordert sein können, wenn in
mehreren Gegenständen ein Portfolio verlangt wird. Eine Absprache unter den
Klassenlehrern wird erforderlich sein.
•
Alle Schüler (mit einer Ausnahme) hatten das Portfolio am PC gestaltet. Dabei
zeigte sich, dass bei einigen das geringe Tempo an der Tastatur hinderlich war,
was sie selbst durch einen Maschinschreibkurs mit CD-Rom beheben wollten. Die
großen Unterschiede innerhalb des Klassenverbandes bezüglich anderer
Fertigkeiten und Möglichkeiten, die die verschiedenen Computerprogramme
bieten, wollten wir gemeinsam mit
einigen Stunden im Informatikraum
ausgleichen. Die „Profis“ in der Klasse erklärten sich bereit, als Experten für je
zwei „Lehrlinge“ die Gestaltung von Grafiken zu erklären.
•
Zwei Aufgabenstellungen für das Portfolio waren gebunden an das persönliche
Erleben der Schüler: Erinnerungen und Leseerfahrungen. Dabei zeigte sich, dass
die Schüler gerade diese Texte sehr gerne verfasst hatten und sie diese Art des
Schreibens verstärkt wünschen.
•
Die Aufgabenstellungen, die Informationsverarbeitung erforderten, zeigten die
schlechtesten Ergebnisse. Während die Informationssuche kein Problem
darstellte, war es für die Schüler schwierig, wesentliche Informationen aus der
Fülle auszuwählen, diese Informationen zu bewerten und zu ordnen, danach ein
eigenes gedankliches Konzept zu einem Themen zu erstellen und schließlich die
Informationen damit zu verknüpfen. Diese Bereiche sollten im zweiten Semester
nochmals bearbeitet werden.
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Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Seite 47
10. Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio)
10.1
Ziele
•
Erkennen der verschiedenen Bestandteile einer Zeitung
•
Erkennen der verschiedenen Bestandteile eines Berichtes
•
Informationssuche
•
Exzerpieren und Zusammenfassen
•
Verfassen eines Berichtes und eines Leserbriefes
10.2
Zeitrahmen
In einer Unterrichtsstunde können die Aufgabenstellungen besprochen und die Hälfte
von ihnen erledigt werden. Die verbleibenden Aufgabenstellungen sollen von den
Schülern als Hausübung gelöst werden.
Wegen des kleinen Zeitrahmens eignet sich diese Form auch gut als Einstieg für die
Portfolioarbeit.
10.3 Organisatorisches
Der Lehrer einigt sich mit der Klasse auf eine bestimmte Ausgabe einer
Tageszeitung. Entweder kaufen sich die Schüler selbst diese Tageszeitung oder sie
bringen sie von zu Hause mit oder der Lehrer kauft in Klassenstärke eine
Tagesausgabe.
Bezogen
auf
diese
Ausgabe
erarbeitet
der
Lehrer
die
Aufgabenstellungen mit verschiedenen Schwerpunkten:
•
Anzeigenteil
•
Allgemeine Informationen (Kino, Apotheken etc.)
•
Leserbriefe
•
Berichterstattung
Ein Beispiel für Aufgabenstellungen (für eine vierte Klasse), die für eine
Freitagsausgabe der Kleinen Zeitung erarbeitet wurden, finden Sie auf Seite 88.
Themenhefte
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PI
Seite 48
10.4 Formale Kriterien
•
Einzelblätter
•
Beschriftung mit dem Namen
•
Seitennummerierung
•
Übersichtliche Gestaltung (Überschriften, Absätze etc.)
Themenhefte
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Seite 49
11. Portfolio zu einem Zeitungsprojekt
Im Rahmen eines Zeitungsprojektes mit einer sechsten Klasse wurden verschiedene
österreichische Tageszeitungen nach folgenden Gesichtspunkten beleuchtet:
•
Die Titelseite
•
Die Auswahl und Gewichtung der Themen
•
Fotos und Diagramme
•
Kommentare und Glossen
11.1 Organisatorisches
Für vier Wochen wurde über „Zeitung in der Schule“ die Tageszeitung „Der
Standard“ für alle Schüler abonniert:
Zeitung in der Schule
Schreyvogelgasse 3
1010 Wien
Tel.: 01/5336178-29
11.2 Begleitende Unterrichtsstunden
Für die Unterrichtsstunden, die das Portfolio vorbereiten bzw. begleiten sollen,
möchte ich die Internetseiten von „Zeitung in der Schule“ empfehlen:
http://www.zis.at/projekte
Am
Ende
der
vier
Wochen
sollen
alle
Schüler
ihr
Portfolio
zu
den
Aufgabenstellungen (Siehe Anhang S. 89) inklusive eines Rückmeldebogens, im
Anhang auf S. 90, abgeben.
Bei der Beurteilung (Beurteilungsblatt auf S. 91) wurde bei der Punkteverteilung
darauf geachtet, dass eine ungerade Punkteanzahl pro Aufgabenstellung möglich
war. Der Mittelwert der Gesamtpunkteanzahl sollte für eine durchschnittliche
Aufgabenerfüllung stehen.
Themenhefte
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Seite 50
Anhang
Materialien
Themenhefte
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Seite 51
Informationsblatt für Schüler - Wir führen ein Lesetagebuch
Was ist ein Lesetagebuch?
In ein Lesetagebuch kommt alles, was du zu dem Buch, das du gerade liest,
aufschreibst, zeichnest oder einklebst. Gestalte dein Lesetagebuch so, dass es zu dir
und zu deinem Buch passt.
Im Lesetagebuch hältst du – wie in einem Tagebuch – deine Gedanken, Fragen und
Ideen zu einer Geschichte, zu den handelnden Figuren usw. fest.
Deine Leseeindrücke kannst du auch in einer Skizze oder einer Zeichnung
festhalten. Zusätzlich passende Bilder oder Texte z.B. aus Zeitschriften, Fotos und
anderes kannst du auch einkleben. Es steht dir frei, wie du dein Lesetagebuch
ausschmückst und gestaltest.
Das Lesetagebuch führst du vor allem für dich selber; wir alle sollten aber auch darin
lesen können.
Warum führst du das Lesetagebuch?
Während der Eintragung kannst du über eine Geschichte, über eine Buchfigur, ein
Problem nachdenken und deine eigenen Vorstellungen und Gedanken ausgestalten.
Hinterher, wenn du Verschiedenes gelesen hast, kannst du dich mit Hilfe der
Eintragungen besser an die einzelnen Textstellen und die verschiedenen Bücher
erinnern.
Wie führst du das Lesetagebuch?
Während du dein Buch liest, kannst du immer wieder kurze Notizen eintragen und
diese am Schluss ergänzen.
Du musst nicht zu jedem Kapitel des Buches etwas schreiben oder zeichnen. Du
kannst als Leser selbst entscheiden, was für das Verständnis der Geschichte und
was für dich wichtig ist.
Schreibe jedesmal den Titel des Kapitels oder die Seitenzahl der Textstelle dazu, auf
die du dich beziehst.
Schreibe jedesmal auch das Datum deiner Eintragung auf, wenn du dich wieder an
dein Lesetagebuch setzt.
Was könntest du alles ins Lesetagebuch schreiben/zeichnen/kleben?
Hier ein paar Fragen, denen du im Lesetagebuch nachgehen kannst:
Was erwartest du von diesem Buch?
Wem würde ich dieses Buch weiterempfehlen?
Worum geht es in dieser Geschichte?
Themenhefte
Heft 7
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Seite 52
Was spricht dich an? Was spricht dich nicht an? (Inhalt, Schreibweise, Umfang des
Textes, eine bestimmte Person im Text,...)
Worum geht es in diesem Kapitel?
Welche Gedanken kommen dir nach der Lektüre einiger Seiten ... – Zeichnungen,
Skizzen, passende Fotos (und anderes) zum Thema.
Du kannst Textstellen abschreiben (Seitenzahl angeben), die du besonders
beeindruckend, witzig, traurig oder spannend findest.
Du kannst Textstellen angeben, die du besonders langweilig, unglaubwürdig oder
ärgerlich findest.
Du kannst erklären, warum du diese Stellen beeindruckend, witzig usw. findest.
Du kannst Sätze aufschreiben (Seitenzahl angeben), die dem Autor besonders gut
gelungen sind und begründen, warum du das so gut findest.
Du kannst den Inhalt eines Kapitels, das dir besonders gefällt, mit eigenen Worten
zusammenfassen.
Du kannst beschreiben, was das Besondere an den Personen des Buches ist, oder
anmerken, wenn sie etwas Besonderes tun.
Du kannst die Personen zeichnen oder Zeichnungen aus dem Buch entnehmen und
farbig gestalten oder verändern.
Du kannst deine Meinung zu dem aufschreiben, was die Personen in besonderen
Situationen tun.
Du kannst eine besonders wichtige Station der Handlung als Bildgeschichte oder als
Comic gestalten.
Du kannst aufschreiben, wenn dir etwas unklar geblieben ist, um es später im
Klassengespräch zu klären.
Du kannst zu den Personen Steckbriefe anfertigen.
Du kannst etwas notieren, wenn etwas ganz anders ist, als wir es heute kennen.
(Quelle:“d.w.learnline-online“: http://macdirect.de/~dagmar. Wilde/)
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Seite 53
Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses
Themenhefte
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PI
B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Seite 54
Bilanzbogen I7
•
Kreuze in den vorgesehenen Spalten an, wie zufrieden oder unzufrieden du mit der
Gruppe bist. Je weiter links dein Kreuzchen, umso größer deine Unzufriedenheit, je
weiter rechts, desto größer deine Zufriedenheit.
•
Gib in den rechten Feldern jeweils deine Gründe in Stichworten an, die für deine
Beurteilung ausschlaggebend waren. Was hat dich gestört bzw. was hast du für gut
befunden?
•
Anschließend vergleicht
Einschätzungen.
•
Überlegt gemeinsam, was ihr beim nächsten Mal anders machen wollt.
und
besprecht
ihr
Mit diesen Gruppenleistungen Zufriedenheitsgrad
bin ich ...
-+
Mit der Zusammenarbeit in
der Gruppe bin ich ...
in
der
Gruppe
die
vorliegenden
Kurze Begründung
++
Mit unserer Vorgehensweise
bin ich ...
Mit
der
Mitarbeit
Gruppenmitglieder bin
ich ...
der
Mit den Umgangsformen in
der Gruppe bin ich ...
Mit dem Arbeitsergebnis bin
ich ...
7
Bearbeitet nach Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. S. 129.
Themenhefte
Heft 7
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Seite 55
Bilanzbogen II8
•
•
•
Kreuze in der Tabelle an, inwieweit das jeweils angegebene Verhalten in deiner Gruppe
gezeigt wurde.
Trage in der rechte Spalte zum jeweiligen Verhalten ein, was du gegebenenfalls zu
beanstanden bzw. zu kritisieren hast.
Vergleicht und besprecht anschließend in der Gruppe die vorliegenden Einschätzungen
und Beanstandungen. Überlegt gemeinsam, was ihr das nächste Mal anders machen
könnt.
Verhalten
ja
teils/
teils
nein
deine Kritik/deine Beanstandungen
Hat sich jeder in der Gruppe
bemüht mitzumachen?
Konnte jeder seine
Gedanken/Ideen
einbringen?
Wurde jeder beachtet und
ernst genommen?
Haben alle
Gruppenmitglieder
aufmerksam zugehört?
Wurde in der Gruppe
gefragt und aufeinander
eingegangen?
Wurde fair und freundlich
miteinander diskutiert?
Wurde zügig und zielstrebig
gearbeitet?
Bist du mit dem Ergebnis
der Gruppenarbeit
zufrieden?
8
Bearbeitet nach Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. S. 130.
Themenhefte Heft 7
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Selbsteinschätzung
Name:
Lesetagebuch/GA
Seite 56
Meine Präsentation:
+
0
-
+
0
-
+
0
-
Inhaltliche Sicherheit
Sprache
Blickkontakt/Standhaltung
Begründung in Stichworten:
Mein Gestaltungsanteil an der Mappe:
Inhaltliche Aufbereitung/Substanz
Sprachliche Verarbeitung
Formale Gestaltung
Begründung in Stichworten:
Mein Verhalten im Team:
Zügiges und zielstrebiges Arbeiten
Zusammenarbeit/Umgangsformen
Begründung in Stichworten:
Themenhefte
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Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Seite 57
Aufgabenstellungen für das Portfolio zum Buch „Der Vorleser“
1. Meine Phantasien über das Buch „Der Vorleser“
2. Wichtige Zitate (mit Seitenangabe)
3. Figurenliste
4. Personenkonstellation
5. Über den Autor (Kurzinformation)
6. Erinnerungen: Ein Bild aus meinen frühen Kindheitstagen (Beschreibung einer
Szene)
7. Meine Leseerfahrungen:
Vorlesen
Lesen lernen
Mein erstes Buch
Mein Lieblingsbuch
8. Sachtext: Was man über Analphabetismus wissen sollte
9. Pubertät ist ... (10 kurze Beschreibungen)
10. Wessen wird Hanna konkret im Prozess beschuldigt?
11. Mein Plädoyer für Hanna
12. Kurzinformationen (Lexikonartikel) zu:
Jean Amery
Primo Levi
Vietkong
Obstruktiv
13. Brainstorming zu „Schuld“
14. Meine persönliche Buchkritik
15. Wie man Bücher zitiert: „Der Vorleser“ und zehn Beispiele
Beurteilungskriterien:
•
Termingerechte Abgabe
•
Formale Gestaltung (Inhaltsverzeichnis, Seitennummerierung, Überschriften,
Absätze...)
•
Inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aufgabenstellungen
•
Sprachliche Gestaltung/Textsorte
Themenhefte
Heft 7
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Seite 58
Gruppenpuzzle - Textauszüge für Dreiergruppen
Gruppe 1
Ich wusste den Namen der Frau nicht. Mit dem Blumenstrauß in der Hand stand ich
unschlüssig vor der Tür und den Klingeln. Ich wäre lieber umgekehrt. Aber dann kam ein
Mann aus dem Haus, fragte, zu wem ich wolle, und schickte mich zu Frau Schmitz im dritten
Stock.
Kein Stuck, keine Spiegel, kein Läufer. Was das Treppenhaus ursprünglich an bescheidener,
der Prächtigkeit der Fassade nicht vergleichbarer Schönheit besessen haben mochte, war
längst vergangen. Der rote Anstrich der Stufen war in der Mitte abgetreten, das geprägte
grüne Linoleum, das neben der Treppe schulterhoch an der Wand klebte, abgewetzt, und wo
im Geländer die Stäbe fehlten, waren Schnüre gespannt. Es roch nach Putzmitteln. Vielleicht
ist mir das alles auch erst später aufgefallen. Es war immer gleich schäbig und gleich sauber
und es gab immer den gleichen Putzmittelgeruch, manchmal gemischt mit dem Geruch nach
Kohl oder Bohnen, nach Gebratenem oder nach kochender Wäsche. Von den anderen
Bewohnern des Hauses lernte ich nie mehr kennen als diese Gerüche, die Fußabtritte vor
den Wohnungstüren und die Namensschilder unter den Klingelknöpfen.
Ich erinnere mich nicht, im Treppenhaus jemals einem anderen Besucher begegnet zu sein.
----------------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------Ich erinnere mich auch nicht mehr, wie ich Frau Schmitz begrüßt habe. Vermutlich hatte ich
mir zwei, drei Sätze über meine Krankheit, ihre Hilfe und meinen Dank zurechtgelegt und sie
aufgesagt. Sie hat mich in die Küche geführt.
Die Küche war der größte Raum der Wohnung. In ihr standen Herd und Spüle, Badewanne
und Badeofen, ein Tisch und zwei Stühle, ein Küchenschrank, ein Kleiderschrank und eine
Couch. Über die Couch war eine rote Samtdecke gebreitet. Die Küche hatte kein Fenster.
Licht fiel durch die Scheiben der Tür, die auf den Balkon führte. Nicht viel Licht – hell war die
Küche nur, wenn die Tür offen stand. Dann hörte man aus der Schreinerei im Hof das
Kreischen der Säge und roch das Holz.
Zur Wohnung gehörte noch ein kleines und enges Wohnzimmer mit Anrichte, Tisch, vier
Stühlen, Ohrensessel und einem Ofen. Dieses Zimmer wurde im Winter fast nie beheizt und
auch im Sommer fast nie benutzt. Das Fenster ging zur Bahnhofstraße und der Blick auf das
Gelände des ehemaligen Bahnhofs, das auf- und umgewühlt wurde und auf dem hier und da
schon die Fundamente neuer Gerichts- und Behördengebäude gelegt waren. Schließlich
gehörte zur Wohnung noch ein fensterloses Klo. Wenn es im Klo stank, stank es auch im
Gang.
-------------------------------------------------------------------------"----------------------------------------------Themenhefte
Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Seite 59
Ich erinnere mich auch nicht mehr, was wir in der Küche geredet haben. Frau Schmitz
bügelte; sie hatte eine Wolldecke und ein Leintuch über den Tisch gebreitet und nahm ein
Wäschestück nach dem anderen aus dem Korb, bügelte es, faltete es und legte es auf den
einen der beiden Stühle. Auf dem anderen saß ich. Sie bügelte auch ihre Unterwäsche, und
ich wollte nicht hinschauen, konnte aber auch nicht wegschauen. Sie trug eine ärmellose
Kittelschürze, blau mit kleinen, blassen, roten Blüten. Sie hatte ihr schulterlanges,
aschblondes Haar im Nacken mit einer Spange gefasst. Ihre nackten Arme waren blass. Die
Handgriffe, mit denen sie das Bügeleisen aufnahm, führte und absetzte und dann die
Wäschestücke zusammen- und weglegte, waren langsam und konzentriert, und ebenso
langsam und konzentriert bewegte sie sich, bückte sich und richtete sich auf. Über ihr
damaliges Gesicht haben sich in meiner Erinnerung ihre späteren Gesichter gelegt. Wenn
ich sie vor meine Augen rufe, wie sie damals war, dann stellt sie sich ohne Gesicht ein. Ich
muss es rekonstruieren. Hohe Stirn, hohe Backenknochen, blassblaue Augen, volle, ohne
Einbuchtung gleichmäßig geschwungene Lippen, kräftiges Kinn. Ein großflächiges, herbes,
frauliches Gesicht. Ich weiß, dass ich es schön fand. Aber ich sehe seine Schönheit nicht vor
mir.
Gruppe 2
„Wart noch“, sagte sie, als ich aufstand und gehen wollte, „ich muss auch los und komm ein
Stück mit.“
Ich wartete im Flur. Sie zog sich in der Küche um. Die Tür stand einen Spalt auf. Sie zog die
Kittelschürze aus und stand in hellgrünem Unterkleid. Über der Lehne des Stuhls hingen
zwei Strümpfe. Sie nahm einen und raffte ihn mit wechselnd greifenden Händen zu einer
Rolle. Sie balancierte auf einem Bein, stützte auf dessen Knie die Ferse des anderen Beins,
beugte sich vor, führte den gerollten Strumpf über Wade, Knie und Schenkel, neigte sich zur
Seite und befestigte den Strumpf an den Strumpfbändern. Sie richtete sich auf, nahm den
Fuß vom Stuhl und griff nach dem anderen Strumpf.
Ich konnte die Augen nicht von ihr lassen. Von ihrem Nacken und ihren Schultern, von ihren
Brüsten, die das Unterkleid mehr umhüllte als verbarg, von ihrem Po, an dem das Unterkleid
spannte, als sie den Fuß auf das Knie stützte und auf den Stuhl setzte, von ihrem Bein,
zuerst nackt und dann im Strumpf seidig schimmernd.
Sie spürte meinen Blick. Sie hielt im Griff nach dem anderen Strumpf inne, wandte sich zur
Tür und sah mir in die Augen.
---------------------------------------------------------------"---------------------------------------------------------
Themenhefte
Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Seite 60
Ich ging langsam. Bahnhofstraße, Häusserweg, Blumenstraße – seit Jahren war es mein
Schulweg. Ich kannte jedes Haus, jeden Garten und jeden Zaun, den der jedes Jahr frisch
gestrichen wurde, den, dessen Holz so grau und morsch geworden war, dass ich es mit der
Hand zerdrücken konnte, die eisernen Zäune, an deren Stäben ich als Kind mit dem Stock
klingend entlanggerannt bin, und die hohe Backsteinmauer, hinter der ich Wunderbares und
Schreckliches phantasiert hatte, bis ich hochklettern konnte und die langweiligen Reihen
verwahrloster Blumen-, Beeren- und Gemüsebeete sah. Ich kannte das Kopfsteinpflaster
und den Teerbelag auf der Straße und die Wechsel zwischen Platten, wellenförmig
gepflasterten Basaltklötzchen, Teer und Schotter auf dem Gehweg.
Alles war mir vertraut. Als mein Herz nicht mehr schneller klopfte und mein Gesicht nicht
mehr brannte, war die Begegnung zwischen Flur und Küche weit weg. Ich ärgerte mich. Ich
war wie ein Kind weggelaufen, statt so souverän zu reagieren, wie ich es von mir erwartete.
Ich war nicht mehr neun, ich war fünfzehn. Allerdings blieb mir ein Rätsel, was die souveräne
Reaktion hätte sein sollen.
----------------------------------------------------------------"---------------------------------------------Das andere Rätsel war die Begegnung zwischen Küche und Flur selbst. Warum hatte ich die
Augen nicht von ihr lassen können? Sie hatte einen sehr kräftigen und sehr weiblichen
Körper, üppiger als die Mädchen, die mir gefielen und denen ich nachschaute. Ich war
sicher, dass sie mir nicht aufgefallen wäre, wenn ich sie im Schwimmbad gesehen hätte. Sie
hatte sich auch nicht nackter gezeigt, als ich Mädchen und Frauen im Schwimmbad schon
gesehen hatte. Überdies war sie viel älter als die Mädchen, von denen ich träumte. Über
dreißig? Man schätzt das Alter schwer, das man noch nicht hinter sich hat oder auf sich
zukommen sieht.
Jahre später kam ich drauf, dass ich nicht einfach um ihrer Gestalt, sondern um ihrer
Haltungen und Bewegungen willen die Augen nicht von ihr lassen hatte können. Ich bat
meine Freundinnen, Strümpfe anzuziehen, aber ich mochte meine Bitte nicht erklären, das
Rätsel der Begegnung zwischen Küche und Flur nicht erzählen. So kam meine Bitte als
Wunsch nach Strapsen und Spitzen und erotischer Extravaganz an, und wenn sie erfüllt
wurde, geschah es in koketter Pose. Das war es nicht, wovon ich meine Augen nicht hatte
lassen können. Sie hatte nicht posiert, nicht kokettiert. Ich erinnere mich auch nicht, dass sie
es sonst getan hätte. Ich erinnere mich, dass ihr Körper, ihre Haltungen und Bewegungen
manchmal schwerfällig wirkten. Nicht dass sie so schwer gewesen wäre. Vielmehr schien sie
sich in das Innere ihres Körpers zurückgezogen, diesen sich selbst und seinem eigenen, von
keinem Befehl des Kopfes gestörten ruhigen Rhythmus überlassen und die äußere Welt
vergessen zu haben.
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PI
Seite 61
Gruppe 3
Wenn bei Flugzeugen die Motoren ausfallen, ist das nicht das Ende des Flugs. Die
Flugzeuge fallen nicht wie Steine vom Himmel. Sie gleiten weiter, die riesengroßen,
mehrstrahligen Passagierflugzeuge eine halbe bis Dreiviertelstunde lang, um dann beim
Versuch des Landens zu zerschellen. Die Passagiere merken nichts. Fliegen fühlt sich bei
ausgefallenen Motoren nicht anders an als bei arbeitenden. Es ist leiser, aber nur ein
bisschen leiser: Lauter als die Motoren ist der Wind, der sich an Rumpf und Flügeln bricht.
Irgendwann sind beim Blick durchs Fenster die Erde oder das Meer bedrohlich nah. Oder der
Film läuft, und die Stewardessen und Stewards haben die Jalousien geschlossen. Vielleicht
empfinden die Passagiere den ein bisschen leiseren Flug sogar als besonders angenehm.
Der Sommer war der Gleitflug unserer Liebe. Oder vielmehr meiner Liebe zu Hanna; über
ihre Liebe zu mir weiß ich nichts.
Wir haben unser Ritual des Vorlesens, Duschens, Liebens und Beieinanderliegens
beibehalten.
----------------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------Ich habe „Krieg und Frieden“ vorgelesen, mit allen Darlegungen Tolstois über Geschichte,
große Männer, Russland, Liebe und Ehe, es müssen vierzig bis fünfzig Stunden gewesen
sein. Wieder ist Hanna dem Fortgang des Buchs gefolgt. Aber es war anders als bisher; sie
hielt sich mit ihren Urteilen zurück, machte Natascha, Andrej und Pierre nicht zum Teil ihrer
Welt, wie man staunend eine Reise tut oder ein Schloss betritt, in das man eingelassen ist, in
dem man verweilen darf, mit dem man vertraut wird, ohne doch die Scheu völlig zu verlieren.
Was ich ihr bisher vorgelesen hatte, hatte ich davor schon gekannt. „Krieg und Frieden“ war
auch für mich neu. Wir taten die ferne Reise gemeinsam.
Wir haben Kosenamen füreinander erdacht. Sie begann, mich nicht mehr nur Jungchen zu
nennen, sondern auch, mit verschiedenen Attributen und Diminutiven, Frosch, Kröte, Welpe,
Kiesel und Rose. Ich blieb bei Hanna, bis sie mich fragte: „An was für ein Tier denkst du,
wenn du mich im Arm hältst, die Augen schließt und an Tiere denkst?“ Ich schloss die Augen
und dachte an Tiere. Wir lagen aneinandergeschmiegt, mein Kopf an ihrem Hals, mein Hals
an ihren Brüsten, mein rechter Arm unter ihr und auf ihrem Rücken und mein linker auf ihrem
Po. Ich strich mit Armen und Händen über ihren breiten Rücken, ihre harten Schenkel, ihren
festen Po und spürte auch ihre Brüste und ihren Bauch fest an Hals und Brust. Glatt und
weich fühlte sich ihre Haut an und ihr Körper darunter kraftvoll und verlässlich.
----------------------------------------------------------------"--------------------------------------------------------
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B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
Seite 62
Als meine Hand auf ihrer Wade lag, fühlte sie ein stetiges, zuckendes Spiel der Muskeln. Es
ließ mich an das Zucken der Haut denken, mit dem Pferde Fliegen verscheuchen. „An ein
Pferd.“
„Ein Pferd?“ Sie löste sich von mir, richtete sich auf und sah mich an. Sah mich entsetzt an.
„Magst du das nicht? Ich komme drauf, weil du dich so gut anfühlst, glatt und weich und
darunter fest und stark. Und weil deine Wade zuckt.“ Ich erklärte ihr meine Assoziationen.
Sie sah auf das Muskelspiel ihrer Waden. „Pferd“, sie schüttelte den Kopf, „ich weiß nicht...“
Das war nicht ihre Art. Sie war sonst völlig eindeutig, entweder in Zustimmung oder in
Ablehnung. Ich war unter ihrem entsetzen Blick bereit gewesen, wenn‘s sein musste, alles
zurückzunehmen, mich anzuklagen und sie um Entschuldigung zu bitten. Aber jetzt
versuchte ich, sie mit dem Pferd zu versöhnen. „Ich könnte Cheval zu dir sagen oder
Hottehüh oder Equinchen oder Bukeffelchen. Ich denke bei Pferd nicht an Pferdegebiss oder
Pferdeschädel oder was immer dir nicht gefällt, sondern an etwas Gutes, Warmes, Weiches,
Starkes. Du bist kein Häschen oder Kätzchen, und Tigerin – da ist was drin, was Böses, was
du auch nicht bist.“
Sie legte sich auf den Rücken, die Arme hinter dem Kopf. Jetzt richtete ich mich auf und sah
sie an. Ihr Blick ging ins Leere. Nach einer Weile wandte sie mir ihr Gesicht zu. Sein
Ausdruck war von eigentümlicher Innigkeit. „Doch, ich mag, wenn du Pferd zu mir sagst oder
die anderen Pferdenamen – erklärst du sie mir?“
Gruppe 4
Wer hatte mir die Spritze gegeben? Ich mir selbst, weil ich es ohne Betäubung nicht
ausgehalten hätte? Die Betäubung wirkte nicht nur im Gerichtssaal und nicht nur so, dass ich
Hanna erleben konnte, als sei es ein anderer, der sie geliebt und begehrt hatte, jemand, den
ich gut kannte, der aber nicht ich war. Ich stand auch bei allem anderen neben mir und sah
mir zu, sah mich in der Universität, mit Eltern und Geschwistern, mit den Freunden
funktionieren, war aber innerlich nicht beteiligt.
Nach einer Weile meinte ich, ein ähnliches Betäubtsein auch bei anderen beobachten zu
können. Nicht bei den Anwälten, die während der ganzen Verhandlung von derselben
polternden, rechthaberischen Streitsucht, pedantischen Schärfe oder auch lärmenden,
kaltschnäuzigen
Unverschämtheit
waren,
je
nach
persönlichem
und
politischem
Temperament. Zwar erschöpfte die Verhandlung sie; am Abend waren sie müder oder auch
schriller. Aber über Nacht hatten sie sich wieder aufgeladen oder aufgeblasen und dröhnten
und zischten am nächsten Morgen wie am Morgen zuvor. Die Staatsanwälte versuchten
mitzuhalten und ebenfalls Tag um Tag denselben kämpferischen Einsatz zu zeigen. Aber es
gelang ihnen nicht, weil die Gegenstände und die Ereignisse der Verhandlung sie zu sehr
entsetzten, dann, weil die Betäubung zu wirken begann.
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----------------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------Am stärksten wirkte sie bei den Richtern und Schöffen. In den ersten Verhandlungswochen
nahmen sie die Schrecklichkeiten, die manchmal unter Tränen, manchmal mit versagender
Stimme, manchmal gehetzt oder verstört berichtet und bestätigt wurden, mit sichtbarer Erschütterung oder auch mühsamer Fassung zur Kenntnis. Später wurden die Gesichter
wieder normal, konnten einander lächelnd eine Bemerkung zuflüstern oder auch einen
Hauch von Ungeduld zeigen, wenn ein Zeuge vom Hölzchen auf Stöckchen kam. (...) Stets
aufs Neue entsetzt waren die anderen Studenten. Sie kamen jede Woche nur einmal zur
Verhandlung, und jedesmal vollzog er sich erneut: der Einbruch des Schrecklichen in den
Alltag. Ich, Tag um Tag bei der Verhandlung dabei, beobachtete ihre Reaktion mit Distanz.
Wie der KZ-Häftling, der Monat um Monat überlebt und sich gewöhnt hat und das Entsetzen
der neu Ankommenden gleichmütig registriert. Mit derselben Betäubung registriert, mit der er
das Morden und Sterben selbst wahrnimmt. Alle Literatur der Überlebenden berichtet von
dieser Betäubung, unter der die Funktionen des Lebens reduziert, das Verhalten teilnahmsund rücksichtslos und Vergasung und Verbrennung alltäglich wurden. Auch in den spärlichen
Äußerungen der Täter begegnen die Gaskammern und Verbrennungsöfen als alltägliche
Umwelt, die Täter selbst auf wenige Funktionen reduziert, in ihrer Rücksichts- und
Teilnahmslosigkeit , ihrer Stumpfheit wie betäubt oder betrunken.
-----------------------------------------------------------------------"------------------------------------------------Schon damals, als mich diese Gemeinsamkeit des Betäubtseins beschäftigte und auch, dass
die Betäubung sich nicht nur auf Täter und Opfer gelegt hatte, sondern auch auf uns legte,
die wir als Richter oder Schöffen, Staatsanwälte oder Protokollanten später damit zu tun
hatten, als ich dabei Täter, Opfer, Tote, Lebende, Überlebende und Nachlebende miteinander verglich, war mir nicht wohl, und wohl ist mir auch jetzt nicht. Darf man derart vergleichen? Wenn ich in einem Gespräch Ansätze eines solchen Vergleichs machte, betonte
ich zwar stets, dass der Vergleich den Unterschied, ob man in die Welt des KZ gezwungen
wurde oder sich in sie begeben hatte, ob man gelitten oder Leiden zugefügt hatte, nicht
relativiere, dass der Unterschied vielmehr von der allergrößten, alles entscheidenden
Wichtigkeit sei. Aber ich stieß selbst dann auf Befremden oder Empörung, wenn ich dies
nicht erst in Reaktion auf die Einwände der anderen ausführte, sondern noch ehe die
anderen etwas einwenden konnten.
Zugleich frage ich mich und habe mich schon damals zu fragen begonnen: was sollte und
soll meine Generation der Nachlebenden eigentlich mit den Informationen über die Furchtbarkeiten der Vernichtung der Juden anfangen? Wir sollen nicht meinen, begreifen zu
können, was unbegreiflich ist, dürfen nicht vergleichen, was unvergleichlich ist, dürfen nicht
nachfragen, weil der Nachfragende die Furchtbarkeiten, auch wenn er sie nicht in Frage
stellt, doch zum Gegenstand der Kommunikation macht (...).
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Gruppe 5
„Warum haben Sie nicht aufgeschlossen?“
Der Vorsitzende Richter stellte einer Angeklagten nach der anderen dieselbe Frage. Eine
Angeklagte nach der anderen gab dieselbe Antwort. Sie habe nicht aufschließen können.
Warum? Sie sei beim Einschlag der Bombe ins Pfarrhaus verwundet worden. Oder sie habe
unter dem Schock des Einschlags gestanden. Oder sie habe sich nach dem Einschlag der
Bombe um die verwundeten Wachmannschaften und anderen Aufseherinnen gekümmert,
sie aus den Trümmern geborgen, verbunden, versorgt. Sie habe nicht an die Kirche gedacht,
sei nicht in der Nähe der Kirche gewesen, habe den Brand in der Kirche nicht gesehen und
die Rufe aus der Kirche nicht gehört.
Der Vorsitzende Richter machte einer Angeklagten nach der anderen denselben Vorhalt. Der
Bericht lese sich anders. Das war mit Bedacht vorsichtig formuliert. Zu sagen, dass es im
Bericht, der sich in den Akten der SS gefunden hatte, anders stand, wäre falsch gewesen.
Aber richtig war, dass er sich anders las.
----------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------------Er erwähnte namentlich, wer im Pfarrhaus getötet und wer verwundet worden war, wer die
Verwundeten mit dem Lastwagen in ein Lazarett transportiert und wer den Transport im
Kübelwagen begleitet hatte. Er erwähnte, dass Aufseherinnen zurückgeblieben waren, um
das Ende der Brände abzuwarten, ein Übergreifen zu verhindern und Fluchtversuche im
Schutz der Brände zu unterbinden. Er erwähnte den Tod der Gefangenen.
Dass die Namen der Angeklagten nicht unter den aufgeführten Namen waren, sprach dafür,
dass die Angeklagten zu den zurückgebliebenen Aufseherinnen gehört hatten. Dass die
Aufseherinnen zurückgeblieben waren, um Fluchtversuche zu verhindern, sprach dafür, dass
mit der Bergung der Verwundeten aus dem Pfarrhaus und der Abfahrt des Transports ins
Lazarett nicht schon alles vorbei war. Die zurückgebliebenen Aufseherinnen hatten, so las es
sich, den Brand in der Kirche toben lassen und die Türen der Kirche geschlossen gehalten.
Unter den zurückgebliebenen Aufseherinnen waren, so las es sich, die Angeklagten
gewesen.
Nein, sagte eine Angeklagte nach der anderen, so sei es nicht gewesen. Der Bericht sei
falsch. Das sehe man schon daran, dass er von der Aufgabe der zurückgebliebenen
Aufseherinnen rede, ein Übergreifen der Brände zu verhindern. Wie hätten sie diese
Aufgabe erfüllen sollen. Sie sei Unsinn, und ebenso sei die andere Aufgabe, Fluchtversuche
im Schutz der Brände zu verhindern, Unsinn. Fluchtversuche? Als sie sich nicht mehr um die
eigenen hätten kümmern müssen und um die anderen, die Gefangenen, hätten kümmern
können, sei nicht mehr zu fliehen gewesen. Nein, der Bericht verkenne ganz und gar, was
sie in der Nacht gemacht, geleistet und gelitten hätten.
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----------------------------------------------------------"-------------------------------------------------------------Wie es zu einem derart falschen Bericht kommen könne? Sie wüssten es auch nicht.
Bis die behäbig-gehässige Angeklagte dran war. Sie wusste es. „Fragen Sie die da!“ Sie
zeigte mit dem Finger auf Hanna. „Sie hat den Bericht geschrieben. Sie ist an allem schuld,
sie allein, und mit dem Bericht hat sie das vertuschen und uns reinziehen wollen.“
Der Vorsitzende fragte Hanna. Aber es war seine letzte Frage. Seine erste Frage war:
„Warum haben Sie nicht aufgeschlossen?“
„Wir waren...wir hatten...“ Hanna suchte nach der Antwort. „Wir wussten uns nicht anders zu
helfen.“
„Sie wussten sich nicht anders zu helfen?“
„Einige von uns waren tot, und die anderen haben sich davongemacht. Sie haben gesagt,
dass sie die Verwundeten ins Lazarett schaffen und wiederkommen, aber sie wussten, dass
sie nicht wiederkommen, und wir haben es auch gewusst. Vielleicht sind sie auch gar nicht
ins Lazarett gefahren, so schlimm verletzt waren die Verwundeten nicht. Wir wären auch
mitgefahren, aber sie haben gesagt, die Verwundeten brauchen den Platz, und sie haben
sowieso nichts... waren sowieso nicht scharf darauf, so viele Frauen mit dabei zu haben. Ich
weiß nicht, wohin sie sind.“
„Was haben Sie gemacht?“
„Wir haben nicht gewusst, was wir machen sollen. Es ging alles so schnell, und das
Pfarrhaus hat gebrannt und der Kirchturm, und die Männer und Autos waren eben noch da,
und dann waren sie weg, und auf einmal waren wir allein mit den Frauen in der Kirche. (...)“
Gruppe 6
Den Sommer nach dem Prozess verbrachte ich im Lesesaal der Universitätsbibliothek. Ich
kam, wenn der Lesesaal öffnete, und ging, wenn er schloss. An den Wochenenden lernte
ich zu Hause. Ich lernte so ausschließlich, so besessen, dass die Gefühle und Gedanken,
die der Prozess betäubt hatte, betäubt blieben. Ich vermied Kontakte. Ich zog zu Hause aus
und mietete ein Zimmer. Die wenigen Bekannten, die mich im Lesesaal oder bei
gelegentlichen Kinobesuchen ansprachen, stieß ich zurück.
Im Wintersemester verhielt ich mich kaum anders. Trotzdem wurde ich gefragt, ob ich mit
einer Gruppe von Studenten über Weihnachten auf eine Skihütte mitkommen wolle.
Verwundert sagte ich zu.
Ich war kein guter Skifahrer. Aber ich fuhr gerne und schnell und hielt mit den guten
Skifahrern mit. Manchmal riskierte ich bei Abfahrten, denen ich eigentlich nicht gewachsen
war, Stürze und Brüche. Das tat ich bewusst. Das andere Risiko, das ich einging und das
sich schließlich erfüllte, nahm ich überhaupt nicht wahr.
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Seite 66
Mir war nie kalt. Während die andern in Pullovern und Jacken Ski fuhren, fuhr ich im Hemd.
Die anderen schüttelten darüber den Kopf, zogen mich damit auf. Aber auch ihre besorgten
Warnungen nahm ich nicht ernst. Ich fror eben nicht. Als ich anfing zu husten, schob ich’s
auf die österreichischen Zigaretten. Als ich anfing zu fiebern, genoss ich den Zustand. Ich
war schwach und zugleich leicht, und die Sinneseindrücke waren wohltuend gedämpft,
wattig, füllig. Ich schwebte.
Dann bekam ich hohes Fieber und wurde ins Krankenhaus gebracht. Als ich es verließ, war
die Betäubung vorbei. Alle Fragen, Ängste, Anklagen und Selbstvorwürfe, alles Entsetzen
und aller Schmerz, die während des Prozesses aufgebrochen und gleich wieder betäubt
worden waren, waren wieder da und blieben auch da. Ich weiß nicht, welche Diagnose
Mediziner stellen, wenn jemand nicht friert, obwohl er frieren müsste. Meine eigene
Diagnose ist, dass die Betäubung sich meiner körperlich bemächtigen musste, ehe sie mich
loslassen, ehe sie mich loswerden konnte.
Als ich das Studium beendet und das Referendariat begonnen hatte, kam der Sommer der
Studentenbewegung. Ich interessierte mich für Geschichte und Soziologie und war als
Referendar noch genug in der Universität, um alles mitzukriegen. Mitkriegen hieß nicht mitmachen – Hochschule und Hochschulreform waren mir letztlich ebenso gleichgültig wie
Vietcong und die Amerikaner. Was das dritte und eigentliche Thema der Studentenbewegung anging, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit,
spürte ich eine solche Distanz zu den anderen Studenten, dass ich nicht mit ihnen agitieren
und demonstrieren wollte.
-------------------------------------------------------------------"----------------------------------------------------Manchmal denke ich, dass die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit nicht der Grund, sondern nur der Ausdruck des Generationenkonflikts war,
der als treibende Kraft der Studentenbewegung zu spüren war. Die Erwartungen der Eltern,
von denen sich jede Generation befreien muss, waren damit, dass diese Eltern im Dritten
Reich versagt hatten, einfach erledigt. Wie sollten die, die die nationalsozialistischen
Verbrechen begangen oder bei ihnen zugesehen oder von ihnen weggesehen oder die nach
1945 die Verbrecher unter sich toleriert oder sogar akzeptiert hatten, ihren Kindern etwas zu
sagen haben. Aber andererseits war die nationalsozialistische Vergangenheit ein Thema
auch für Kinder, die ihren Eltern nichts vorwerfen konnten oder wollten. Für sie war die
Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht die Gestalt eines
Generationenkonflikts, sondern das eigentliche Problem.
Was immer es mit Kollektivschuld moralisch und juristisch auf sich haben oder nicht auf sich
haben mag – für meine Studentengeneration war sie eine erlebte Realität. Sie galt nicht nur
dem, was im Dritten Reich geschehen war.
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Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens (Textauszüge)
Lesen lernen
Ich war vier, als ich entdeckte, dass ich lesen konnte. Überall und immer wieder hatte
ich gesehen, dass die Buchstaben, die ich kannte (weil man mir sie erklärt hatte), die
Namen der Bilder formten, unter denen sie standen. Der in dicken schwarzen
Strichen gezeichnete Junge mit roten Shorts und grünem Hemd (aus demselben
roten und grünen Tuch, aus dem alle Bilder des Buches geschnitten waren, die
Hunde und Katzen, die Bäume und die gertenschlanken Mütter) war, wie ich
feststellte, auch in den strengen schwarzen Zeichen unter dem Bild enthalten, als ob
er, der boy, in drei klare Teile zerlegt wäre: das b ein Torso mit einem Arm, das o ein
abgetrennter, vollkommen gerundeter Kopf, das y die baumelnden Beine. Ich malte
Augen in das runde o, dazu einen lachenden Mund, und füllte den leeren Torso mit
Farbe aus. (...) Der Junge rennt, sagten die Zeichen. (S. 13,14)
Dann eines Tages sah ich durch das Autofenster (wohin die Fahrt ging, ist
vergessen) eine Plakatfläche am Straßenrand. Ich bekam sie nur kurz zu sehen –
vielleicht hielt das Auto einen Moment oder bremste nur ein wenig ab -, und dort
prangten riesige Zeichen ähnlich denen in meinem Buch, und sie bildeten Folgen, die
ich nie zuvor gesehen hatte. Ich hörte sie in meinem Kopf, die schwarzen Zeilen und
die weißen Zwischenräume verwandelten sich in klaren, klingenden Sinn. Ich hatte
es ganz alleine geschafft. Niemand hatte den Zauber für mich vollbracht. Ich war mit
den Zeichen allein, und in einem stummen, respektvollen Dialog gaben wir einander
zu erkennen. Seit ich die dürren schwarzen Zeichen zu lebendigen Wirklichkeiten
zusammenfügen konnte, war ich allmächtig. Ich konnte lesen.
Welches Wort ich da auf der Plakatfläche entziffert hatte, weiß ich nicht mehr (vage
sehe ich ein Gebilde mit vielen A vor mir), aber das Erlebnis, plötzlich verstehen zu
können, statt nur auf inhaltsleere Formen zu starren, ist mir heute noch so
gegenwärtig wie damals. (S. 14)
In jeder Schriftkultur kommt das Lesenlernen einer Initiation gleich, einem
ritualisierten Übergang vom Zustand der Unselbstständigkeit und der beschränkten
Verständigung zur Fähigkeit, mit Hilfe der Bücher am kollektiven Gedächtnis
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teilzuhaben und sich mit einer Kultur vertraut zu machen, die sich mit jedem Leseakt
weiter erschließt.
In der jüdischen Gemeinschaft des Mittelalters zum Beispiel wurde das Ritual des
Lesenlernens ausdrücklich gefeiert. Beim Fest des Schawuot, das an den Tag
erinnert, da Moses die Thora aus Gottes Händen empfing, wurde der Junge, der in
die Gemeinschaft aufgenommen werden sollte, in einen Gebetsschal gehüllt und von
seinem Vater zum Lehrer gebracht. Der Lehrer nahm den Jungen auf den Schoß und
zeigt ihm eine Schieferplatte, auf der das hebräische Alphabet, ein Vers aus der
Heiligen Schrift und die Worte „Möge die Thora dein Beruf sein“ geschrieben waren.
Der Lehrer las jedes Wort vor, und das Kind wiederholte es. Dann wurde die Tafel
mit Honig bestrichen, das Kind leckte sie ab und nahm so die heiligen Worte in sich
auf. Desgleichen wurden Bibelsprüche auf hartgekochte Eier und Honigkuchen
geschrieben, die das Kind essen durfte, nachdem es dem Lehrer die Sprüche
vorgelesen hatte. (S. 89f.)
Heimliches Lesen
Ich hatte damit begonnen, im großen spanischen Lexikon von Espasa-Calpe die
Stichwörter nachzuschlagen, die sich in meiner Vorstellung irgendwie mit Sexualität
verbanden: „Masturbation“, „Penis“, „Vagina“, „Syphilis“, „Prostitution“. Ich betrat
immer allein die Bibliothek, da mein Vater sie nur dann betrat, wenn er einen
Besucher ausnahmsweise nicht im Büro, sondern zu Hause empfing. Ich war zwölf
oder dreizehn, hatte mich in einen der großen Sessel gekauert und gerade in den
Artikel über die verheerenden Auswirkungen der Gonorrhöe vertieft, als mein Vater
eintrat und sich am Schreibtisch niederließ. Einen Moment war ich wie gelähmt vor
Schreck, weil ich dachte, er würde merken, was ich da las, aber dann erkannte ich,
dass niemand, nicht einmal der nur wenige Schritte entfernte Vater, in meine
Lesewelt eindringen und mir ansehen konnte, welche Schweinereien mir das Buch
gerade beibrachte, und dass es einzig von meinem Willen abhing, ob es überhaupt
jemand erfuhr. Dieses kleine Wunder spielte sich im Stillen ab, es war nur mir
zugänglich. Ich las den Artikel über die Gonorrhöe eher trumphierend als geschockt
zu Ende. (S. 22)
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Zwei Arten des Lesens
Gelesen habe ich wohl vorwiegend auf zwei Arten: entweder, indem ich atemlos von
Ereignis zu Ereignis hastete, ohne mich um die Feinheiten zu kümmern, so dass ich
mit ständig steigendem Lesetempo am Ende über Ziellinie hinausschoss – etwa bei
Rider, der Odyssee, Conan Doyle und Karl May. Oder aber, indem ich den Text
sorgfältig erforschte, die losen Enden zusammenfügte, dem Klang der Wörter
nachlauschte, nach versteckten Bedeutungen in ihnen suchte oder in der Handlung
selbst – nach etwas, was zu schrecklich oder zu schön war, um noch in Worten
sagbar zu sein. Diese zweite Art des Lesens, die etwas mit dem Lesen von
Kriminalromanen gemein hat, entdeckte ich bei der Lektüre von Lewis Carrol, Dante,
Kipling und Borges. (S. 23)
Lesen und Leben
Eines Tages, bei einem Spaziergang durch Prag mit Gustav Janouch, dem Sohn
eines Kollegen, blieb er (=Kafka) vor dem Schaufenster eines Buchladens stehen.
Als er sah, wie sein junger Begleiter bei Versuch, die Titel der aufgereihten Bücher
zu lesen, den Kopf nach rechts und links neigte, lachte er.
„Sie sind wohl ein Büchernarr, dem die Lektüre den Kopf hin und her reißt.“
„Ja, so ist es. Ich glaube, dass ich ohne Bücher nicht existieren könnte. Für mich sind
sie die Welt.“
Dr. Kafka zog die Augenbrauen zusammen.
„Das ist ein Irrtum. Das Buch kann die Welt nicht ersetzen. Das ist unmöglich. Im
Leben hat alles seinen Sinn und seine Aufgabe, die von etwas anderem nicht restlos
erfüllt werden kann. Man kann – zum Beispiel – sein Erleben nicht mittels eines
Ersatzmannes bewältigen. So ist es auch mit der Welt und dem Buch. Man versucht
das Leben in Bücher wie Singvögel in Käfige einzusperren. Doch das gelingt nicht.“
(S. 112)
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Subjektives Lesen
Ernst Pawel bemerkte am Ende seiner scharfsichtigen Kafka-Biografie aus dem
Jahre 1984, dass die Literatur über Kafka und sein Werk sich derzeit auf etwa 15 000
Titel in fast allen großen Weltsprachen belaufe. Kafka ist wörtlich, allegorisch,
politisch und psychologisch interpretiert worden. Dass Deutungen ihren Gegenstand
immer überwuchern, ist eine banale Feststellung, doch zugleich liegt darin ein
Hinweis auf die kreative Natur des Lesens, die sich auch daran erweist, dass ein und
dieselbe Buchseite den einen Leser zur Verzweiflung treiben und den anderen zum
Lachen bringen kann. Meine Tochter Rachel las Kafkas Verwandlung mit dreizehn
Jahren und fand die Erzählung lustig; Gustav Janouch las sie als eine religiöse und
ethische Parabel. (S. 114)
1904 schreib Kafka an seinen Freund Oscar Pollak:
„Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und
stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den
Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch. Damit es uns glücklich macht, wie Du
schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten,
und solche Bücher, die uns glücklich machen, können wir zur Not selber schreiben.
Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr
schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder
vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muss die
Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich. (S. 115)
Vorlesen
Ich machte es mir dann in den aufgetürmten Kissen bequem (meist am Abend, oft
aber auch am Tag, weil mich das Asthma häufig für Wochen ans Bett fesselte) und
hörte meinem Kindermädchen zu, das mir die furchterregenden Märchen der Brüder
Grimm vorlas. Mal lullte mich ihre Stimme ein, mal versetzte sie mich in fieberhafte
Erregung, und dann trieb ich sie zur Eile an, um schneller, als es der Autor
beabsichtigt hatte, den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Aber meistens genoss
ich einfach nur das luxuriöse Gefühl, von den Worten entführt zu werden in eine
ferne Welt – dies mit einer fast physischen Intensität, so dass ich tatsächlich dem
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wundersam fernen Ort entgegenschwebte, der am Ende der Geschichte auf mich
wartete, auf der geheimnisvollen letzten Seite, in die ich kaum einen Lidschlag lang
hineinzuschmulen wagte. Später, als ich neun oder zehn war, erklärte mir der
Schuldirektor, dass das Vorlesen nur für kleine Kinder tauge. (S. 133f.)
Vorbemerkung: Mitte des 19. Jahrhunderts konnten in Kuba kaum 15% der
arbeitenden Bevölkerung lesen. Saturnio Martinez überzeugte einen Direktor einer
Zigarrenfabrik, Vorlesestunden abzuhalten. Bald folgten andere Fabriken. Die
Vorlesungen waren so erfolgreich, dass sie sich schnell den Ruf erwarben
„subversiv“ zu sein. So erließ der Gouverneur von Kuba 1866 folgende Verordnung:
1.
Es ist untersagt, die Arbeiter der Tabakfabriken, Manufakturen und
Werkstätten aller Art durch das Vorlesen von Büchern und Zeitungen oder
durch Diskussionen, die nicht die zu leistende Arbeit betreffen, abzulenken.
2.
Die Polizei wird die Einhaltung dieser Verordnung ständig überwachen und
diejenigen Fabrikbesitzer, ihre Stellvertreter oder Geschäftsführer, die sich
dem Mandat der Polizei widersetzen, meiner Amtsbefugnis überstellen, damit
sie je nach Schwere des Verstoßes juristisch zur Verantwortung gezogen
werden können. (S. 136)
„Als ich jung war, hielt man es für unschicklich, wenn eine junge Dame sich allzu
eifrig dem Studium widmete. Es wurde erwartet, dass sie sich mit einer Handarbeit in
den Salon setzte, sich aus einem Buch vorlesen ließ und für Besucherinnen
bereithielt. Wenn diese kamen, drehte sich die Unterhaltung oft um das Buch, das
ihretwegen beiseite gelegt worden war. Folglich musste der Lesestoff sehr sorgfältig
ausgewählt werden, damit nicht eine schockierte Besucherin dort, wo sie ihre
nächste Aufwartung machte, über den bedauerlichen Sittenverfall im Haus der
soeben verlassenen Familie Klage führte.“ (Martineau, Harriet: Autobiographische
Erinnerungen. 1876) (S. 146)
Sich ein Buch vorlesen zu lassen – ob zur Läuterung des Leibes, zum Vergnügen,
zur Belehrung oder aus Wohlgefallen am Klang der Sprache – ist eine Bereicherung
und eine Schmälerung des Lesevorganges zugleich. Einen anderen die Worte
sprechen zu lassen, die auf der Seite stehen, ist eine weitaus unpersönlichere
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Erfahrung, als den Text in der Hand zu halten und mit den eigenen Augen
aufzunehmen. Vertrauen wir uns der Stimme des Vorlesenden an, berauben wir uns
der Möglichkeit, selbst über das Tempo und den Tonfall zu bestimmen, außer wir
verfügen über die Fähigkeit, den Vorlesenden genau nach unseren Wünschen zu
dirigieren. In jedem anderen Fall muss das Ohr der Stimme eines anderen
gehorchen, und dadurch wird eine Rangordnung begründet (manchmal sichtbar in
einem gesonderten Sessel oder einem Podium), die den Hörer zum Objekt des
Vorlesenden macht. (S. 148f.)
Leseort
Ausgestreckt im Bett, abgeschirmt von der Außenwelt, das geliebte Buch mit beiden
Händen auf den Bauch aufstützend, hat sich das kleine Mädchen nicht nur einen
eigenen Raum, sondern auch ihr eigenes Zeitmaß geschaffen.
Auch ich lese im Bett. Die vielen Betten, in denen ich die Nächte meiner Kindheit
verbrachte – in absonderlichen Hotelzimmern, wo die Lichter vorbeifahrender Autos
gespenstisch über die Decke huschten, in Häusern, deren Gerüche und Geräusche
mir fremd waren, in Ferienhütten, die klamm vom Seewind oder von der Bergluft so
trocken
waren,
dass
neben
meinem
Bett
eine
Schüssel
mit
heißem
Eukalyptuswasser stand, damit ich Luft bekam – in all den vielen Betten gewährte
mir die Kombination aus Bett und Buch ein Zuhause, in das ich immer zurückkehren
konnte, Nacht für Nacht, unter welchem Himmel auch immer. Niemand würde nach
mir rufen und irgend etwas von mir verlangen; mein Körper brauchte nichts, er lag
unbeweglich unter der Decke. Alles was geschah, geschah im Buch, und der
Erzähler der Geschichte war ich. Das Leben vollzog sich, weil ich die Seiten
umblätterte. Ich kann mich wohl kaum an eine tiefere, umfassendere Freude erinnern
als den Augenblick, wenn ich kurz vor dem Ende des Buches angelangt war: Ich legt
das Buch weg, um mir den Schluss für den nächsten Tag aufzuheben, ich schloss
die Augen mit dem Gefühl, die Zeit angehalten zu haben. (S. 178)
Ob wir nun zuerst das Buch wählen und dann den geeigneten Winkel, oder zuerst
den Platz bestimmen und dann entscheiden, welches Buch seiner Stimmung
angemessen ist – es bleibt kein Zweifel, dass der Akt des Lesens in der Zeit einen
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entsprechenden Akt des Lesens im Raum mit sich bringt und dass beide unlösbar
miteinander verbunden sind. Es gibt Bücher, die ich im Sessel lese, und es gibt
Bücher, die ich an Schreibtischen lese, Bücher für die U-Bahn, die Straßenbahn und
den Bus. (S. 180)
Der englische Autor Alan Sillitoe meint:
„Die beste Gelegenheit, eine gutgeschriebene, flotte Story zu lesen, bietet eigentlich
eine Fahrt allein im Zug. Wenn man unter lauter Fremden sitzt, und draußen zieht
eine unbekannte Landschaft vorbei (auf die man ab und zu einen Blick wirft)
bekommt das fesselnde und verwickelte Leben im Buch seine eigene, eindrückliche
Wirkung.“ (S. 180)
Henry Miller bekannte: „ Meine besten Leseerlebnisse fanden auf der Toilette statt.
Es gibt Passagen im Ulysses, die nur auf der Toilette gelesen werden können, wenn
man ihre ganze Würze auskosten möchte.“
Tatsächlich war das stille Örtchen, eigentlich „einer spezielleren und vulgäreren
Nutzung zugedacht, ein Ort für alle meine Beschäftigungen, die eine ungestörte
Einsamkeit verlangten: Lesen, Träumereien, Tränen und sinnliches Vergnügen.“
(Marcel Proust) (S. 180)
Marguerite bekannte:
„Ich lese selten an Stränden oder in Gärten. Man kann nicht bei zwei Lichtern
gleichzeitig lesen, dem Licht des Tages und dem Licht des Buches. Man sollte bei
elektrischem Licht lesen, den Raum im Dunkeln, und nur die Seite beleuchtet.“
(S. 181)
Verbotenes Lesen - Lesen als Privileg begreifen
Über Jahrhunderte riskierten die afroamerikanischen Sklaven ihr Leben, wenn sie
trotz aller Verbote und Schwierigkeiten die Kunst des Lesens erlernen wollten – in
aller Heimlichkeit und manchmal in jahrelanger heroischer Anstrengung, wie man
vielen Berichten aus dieser Zeit entnehmen kann.
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Der Sklave Leonard Black, ebenfalls beim Lesen ertappt, wurde von seinem Herrn so
grausam ausgepeitscht, „daß er meinen Wissensdurst fürs erste zum Erliegen
brachte, und ich versagte mir alle weiteren Versuche bis zu meiner Flucht.“
Doc Daniel Dowdy berichtete: „Wurde man das erste Mal bei Lese- oder
Schreibversuchen erwischt, bekam man den Ochsenziemer zu spüren, beim
nächstenmal die neunschwänzige Katze und beim drittenmal wurde einem das erste
Glied des Zeigefingers abgehackt.“ Bei den Sklavenhaltern der Südstaaten war es
gang und gäbe, Sklaven zu erhängen, wenn sie versuchten, anderen das Lesen und
Schreiben beizubringen. (S.326f.)
Die Diktatoren aller Epochen wussten und wissen, dass eine analphabetische Masse
am leichtesten zu lenken ist. Da die Fähigkeit des Lesens, einmal erlernt, nicht
rückgängig gemacht werden kann, bleibt ihnen als zweitbeste Lösung die
Eindämmung des Lesestoffes. Bücher werden von Diktatoren gefürchtet wie keine
andere menschliche Erfindung. Die absolute Macht duldet nur eine Lesart; statt
ganzer Bibliotheken widerstreitender Meinungen soll nur das Wort des Herrschers
gelten. (...) Der Macht folgt daher, in welcher Gestalt auch immer, die Zensur auf
dem Fuße, und die Geschichte des Lesens wird begleitet von der schier endlosen
Geschichte der Bücherverbrennungen, von den ersten Papierrollen bis zu den
Büchern unserer Zeit. (...)
Im Jahr 303 verurteilte Kaiser Diokletian alles schriftliche Christentum zum Feuertod.
Und das waren nur die Anfänge. Als der junge Goethe in Frankfurt Zeuge einer
Bücherverbrennung wurde, kam er sich vor, wie bei einer Hinrichtung.
(S. 328ff.)
Im Jahre 1872 gründete Anthony Comstock – ein treuer Nachkomme der
Kolonialherren, die dem bildungsfreundlichen Dekret Karls II widerstanden hatten –
in New York eine machtvolle Zensureinrichtung, die Gesellschaft zur Bekämpfung
des Lasters. Nach reiflicher Überlegung war Comstock zu dem Schluss gelangt, dass
das Lesen am besten gar nicht erfunden worden wäre. („Unser Stammvater Adam im
Paradies konnte auch nicht lesen“, führte er einmal zu Begründung an.). Aber da es
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nun einmal geschehen war, fühle er sich dazu berufen, den Umgang mit dieser
Erfindung zu reglementieren. (...) Zwei Jahre vor seinem Tod bekannte er einem
New Yorker Reporter: „In den 41 Jahren meines Hierseins habe ich so viele
Personen überführt, daß sie einen Zug von 61 Waggons füllen, 60 Waggons zu je 60
Personen, der 61. „Waggon ist fast gefüllt. Ich habe 160 Tonnen unsittlicher Literatur
vernichtet.“ Comstocks Jagdeifer war auch verantwortlich für mindestens fünfzehn
Selbstmorde. (S. 330f.)
1981 ließ die chilenische Militärjunta unter General Pinochet den Don Quichotte
verbieten, weil der General (völlig zu Recht) argwöhnte, dass das Buch die
Freiheitsrechte des Individuums bejahte und die Autorität der Obrigkeit verneinte.
Die Bücherverbrenner erliegen der Illusion, dass sie mit ihrem Tun die Geschichte
abschaffen und die Vergangenheit auslöschen können. Am 10. Mai 1933 wurden in
Berlin
bei
laufenden
Kameras
und
begleitet
von
einer
Ansprache
des
Propagandaministers Goebbels vor mehr als 100 000 Zuschauern über 20 000
Bücher verbrannt. Hunderten von Autoren, unter ihnen Freud, Marx und Zola,
Steinbeck, Hemingway, Einstein und Proust, H.G.Wells und Jack London, Heinrich
Mann und Bertolt Brecht, wurde die widersinnige Ehre ihrer symbolischen
Verbrennung auf dem Scheiterhaufen zuteil – eine Drohung, die sich nicht nur gegen
sie selbst richtete, sondern gegen alle, die es wagten, der Hassideologie der Nazis
Kritik und eigenes Denken entgegenzusetzen. (330)
Comstocks Zensoreneifer musste sich darauf beschränken, die unter Verdacht
geratenen Werke auf eine schwarze Liste zu setzen, und der Zugriff unter
Missbrauch der Staatsgewalt wurde ihm erst dann möglich, wenn die Bücher bereits
erschienen waren und somit schon eine Reihe von emsigen Lesern gefunden hatten.
Die katholische Kirche war ihm da weit überlegen. 1559 veröffentliche die römische
Inquisitionsbehörde den ersten Index der verbotenen Bücher – eine Aufstellung der
Bücher, in denen die Kirche eine Gefährdung des Glaubens und der Moral erblickte.
Der Index, der viele Bücher bereits vor ihrer Veröffentlichung erfasste und auch
erschienene Bücher mit dem Kirchenbann belegte, verstand sich nie als vollständige
Auflistung der vom Vatikan verdammten Werke. Als er im Juni 1966 letztmalig
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erschien, enthielt er allerdings – neben Hunderten von theologischen Werken – auch
viele weltliche Autoren, von Voltaire und Diderot bis zu Colette und Graham Greene.
(S. 333f.)
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Bildimpuls: Erinnerungen
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Bildimpuls: Erinnerungen
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Tatjana Keiner, Muriel Macé und Erika Theobald:
Das autobiographische Gedächtnis. Wir sind, woran wir uns
erinnern. 9
Solide, echt und „wahr“ kommen uns viele Episoden aus unserem Leben vor, aus
denen wir unsere persönliche Geschichte formen. Sie geben uns Halt und ein Gefühl
von Identität. Doch die Forschung zeigt: Erinnerungen sind formbar. Sie verändern
sich ständig – und wir mit ihnen.
Mit unserem Gedächtnis machen wir sehr unterschiedliche Erfahrungen. Manchmal
geht es uns wie Marcel Proust, der die Anstrengung beschrieben hat, sich mittels des
Duftes einer Madeleine an das zugehörige Ereignis in seiner Kindheit zu erinnern.
Auch wenn ein bestimmter Geschmack, eine wieder gefühlte Bewegung, ein Gefühl
ganz plötzlich das Tor zu unserer Vergangenheit aufstoßen kann, befindet sich
dahinter oft kein klares Erinnerungsbild, sondern eher ein Schleier des Vergessens,
durch den wir uns mühsam hindurchtasten, um dann nur ein unbestimmtes
Wiederempfinden einer vergangenen Erfahrung zu finden. Manches, was wir
erinnern, scheint uns verschwommen und unwirklich, an der Grenze zwischen
Wirklichkeit und Traum. Andere Ereignisse aus unserer Vergangenheit stehen so klar
wie eine Fotografie oder eine Filmaufnahme vor uns, als wären sie gestern erst
geschehen, und es kommt uns nicht in den Sinn, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.
Aber können wir wirklich sicher sein, dass unsere Erinnerungen dem entsprechen,
was wir erlebt haben? Sind Erinnerungen teilweise Illusion? Ist unser Gedächtnis ein
großes Filmarchiv, in dem wir nur manchmal Mühe haben, den gewünschten Film zu
finden?
Oder
erstellen
wir
mithilfe
unseres
Gedächtnissystems
unermüdlich
neue
Drehbücher, die wir in rasanter Geschwindigkeit in entsprechende Filmsequenzen
umsetzen?
Intuitiv vertrauen wir unserem Gedächtnis, vor allem wenn wir uns ganz deutlich
erinnern können, wie, wo, wann, mit wem wir ein bestimmtes Erlebnis hatten. Doch
dann müssen wir manchmal erfahren, dass unsere Erinnerungen nicht unbedingt der
Realität entsprechen. So kann sich Muriel sehr gut daran erinnern, wie ihr der
Großvater im Frühling in der Bretagne das Drachensteigen beigebracht hat.
9
Psychologie heute. März 2000. S. 21 – 26.
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Jahrelang war dieses Ereignis eine sehr wichtige Kindheitserinnerung, die sie in allen
Details wiedergeben konnte. Aber als sie eines Tages mit ihrer Mutter darüber
sprach, war diese sehr erstaunt, denn die Familie war nie mit dem Großvater
zusammen in der Bretagne gewesen. Es stellte sich heraus, dass sich in der
Erinnerung zwei oder mehrere Ereignisse miteinander verknüpft hatten und so zu
einem einzigen Erlebnis zusammengeschmolzen waren. Es handelte sich also nicht
um die genaue Wiedergabe eines Ereignisses, sondern um eine konstruierte
Erinnerung.
Oft nehmen wir die Lebendigkeit einer Erinnerung und unsere persönliche
Überzeugung, dass sie eine reale Begebenheit wiedergibt, als Garantie für ihre
Genauigkeit und Richtigkeit. Wir sehen alles so klar und deutlich vor uns, dass es gar
nicht anders gewesen sein kann. Erst wenn wir uns gemeinsam mit anderen über
gemeinsame Erinnerungen unterhalten, machen wir manchmal die Erfahrung, dass
wir anscheinend doch nicht die gleichen Erlebnisse hatten. Im Falle von Muriel
konnte sich der Vater zum Beispiel überhaupt nicht daran erinnern, dass seine
Tochter jemals einen Drachen hatte steigen lassen, obwohl sie das als Kind mit
großer Begeisterung getan hatte. Überhaupt scheinen sich Männer und Frauen ganz
im Allgemeinen unterschiedlich an gemeinsame Erlebnisse zu erinnern.
Fasst man die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammen, so scheinen die
Frauen ein präziseres Gedächtnis als Männer zu haben. Dies könnte weniger mit
angeborenen
Fähigkeiten
als
vielmehr
mit
erlernten
Verhaltensmustern
zusammenhängen. Von Männern werden im Allgemeinen Selbstständigkeit,
Rationalität und Kompetenz erwartet, während Frauen eher lernen, ihre Emotionen
zu
beachten
und
auszudrücken
und
interpersonelle
Beziehungen
als
ihr
Aufgabenfeld zu betrachten.
Das könnte dazu führen, dass Frauen Situationen, die in der Beziehung auftreten,
zum Beispiel eine Auseinandersetzung, anders bewerten als Männer. Sie reagieren
emotionaler und setzen andere Bewältigungsstrategien ein. So reden Frauen mehr
und öfter über persönliche Erlebnisse und Probleme, wodurch einerseits die hohe
Detailfreudigkeit ihres Gedächtnisses als auch ihre subjektive Gewissheit, ein gutes
Gedächtnis zu haben, erklärt werden könnten. Allerdings bedeutet dies noch nicht,
dass ihre Erinnerungen auch genau sind, denn beim wiederholten „Durchspielen“
einer Szene können bestimmte neue Details, die der jeweilige Gesprächspartner
beisteuert, nachträglich in den „Erinnerungsfilm“ eingebaut werden. Psychologen
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konnten diese konstruktive Arbeitsweise unseres Gedächtnisses in zahlreichen
Experimenten immer wieder nachweisen.
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie kommen morgens früh zur Arbeit und werden
von einem Ihrer Kollegen gefragt, ob Sie im Flur die neuen gelben Papierkörbe
gesehen haben. In Wirklichkeit sind diese nicht gelb, sondern grün. Wenn Sie nicht
auf die Farbe geachtet haben, weil Sie morgens noch zu müde sind, um sich für
Papierkörbe zu interessieren, werden Sie wahrscheinlich einfach mit „Ja“ antworten,
und die neuen Papierkörbe in Ihrem Gedächtnis als „gelb“ abspeichern. Dieser Effekt
tritt vor allem dann auf, wenn die Versuchsteilnehmer nicht genau wissen, worauf sie
eigentlich achten sollen.
Bei bedeutsamen und einmaligen Ereignissen scheinen wir dagegen doch so etwas
wie ein fotografische Gedächtnis zu besitzen. Die Geburt unseres Kindes, ein
Verkehrsunfall, an dem wir beteiligt sind, die Nachricht vom Tod unserer Mutter, all
das sind Ereignisse, die sich wie Fotos in unserem Gedächtnis eingeprägt haben.
Solche Blitzlichterinnerungen, wie sie in der psychologischen Forschung genannt
werden, zeichnen sich durch ihre Lebhaftigkeit und vor allem ihren Reichtum an
visuellen Details aus.
Untersucht wurde die Gesetzmäßigkeit von Blitzlichterinnerungen vor allem mittels
zeitgeschichtlicher Ereignisse. Dabei werden die Teilnehmer sehr kurze Zeit und
einige Monate und Jahre nach einem bedeutsamen, einschneidenden Ereignis der
Zeitgeschichte – zum Beispiel einem Attentat, einem Rücktritt oder einer Katastrophe
– danach befragt, wo sie waren und womit sie beschäftigt waren, als sie von dem
Ereignis erfuhren. Die Ereignisse dieser Untersuchungen zeigen übereinstimmend,
dass die Ereignisse zu allen Befragungszeitpunkten sehr detailliert und mit einem
hohen Grad an subjektiver Sicherheit erinnert werden. Allerdings unterscheiden sich
die Berichte der Teilnehmer zu den verschiedenen Zeitpunkten wesentlich
voneinander. Das heißt: Obwohl diese Erinnerungen bei uns einen quasi
fotografischen Eindruck hinterlassen, sind sie dennoch nicht vor nachträglichem
Retuschieren geschützt.
Die Forschung aus den psychologischen Gedächtnislabors hat in den letzten Jahren
viele
Nachweise
dafür
erbracht,
dass
unser
Gedächtnis
auf
allen
Verarbeitungsebenen (Wahrnehmung, Verarbeitung, Speicherung und Abruf) die
Wirklichkeit nicht objektiv abbildet, sondern je nach Stimmung, Kontext und
Bedeutsamkeit organisiert und strukturiert. Diese experimentell nachweisbaren
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Verzerrungseffekte stellen im Alltag menschliche Anpassungsleistungen an sich
ändernde Umwelten und die jeweiligen individuellen Interessen und Bedürfnisse dar.
Unser Gedächtnis ist keine Bibliothek, die unsere Erinnerungen in kleinen Bänden
aufbewahrt, sondern ein dynamisches Netzwerk aus unterschiedlichen Systemen,
die miteinander interagieren, aber auch nebeneinander und voneinander unabhängig
ihre Funktion erfüllen können. Der Konsolidierungsprozess, das heißt die
Umwandlung von Sinneseindrücken in Gedächtnisinhalte, das Entstehen unserer
Erinnerungen, ist ein kontinuierlicher Prozess, der nie wirklich abgeschlossen ist.
Martin A. Conway, einer der Forscher, die sich mit dem autobiografischen
Gedächtnis und seiner Organisation beschäftigen, nimmt an, dass unsere
autobiografischen Erinnerungen eine bestimmte Ordnung aufweisen, mittels derer
einzelne Ereignisse in übergeordnete Strukturen eingebettet werden. Diese
Strukturen stellen Lebensabschnitte und Lebensthemen dar, zu denen zum Beispiel
unsere Schul- und Ausbildungszeit, aber auch langjährige Freundschaften und
Beziehungen gehören. Dabei handelt es sich um längere Zeitintervalle, die sich
gegenseitig überlappen können und in denen unsere Pläne und Ziele genauso ihren
Platz haben wie Informationen über wichtige Personen, Handlungen und Orte des
jeweiligen Lebensabschnittes.
Daneben werden aber auch alltägliche oder sich wiederholende Ereignisse
gespeichert, wie zum Beispiel der Erwerb unseres Führerscheins in mehreren
Fahrstunden, regelmäßige Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen. Diese Erinnerungen
werden meist in Zeitabständen von Wochen und Monaten zusammengefasst.
Und schließlich finden sich in der Erinnerung die Eindrücke von Erlebnissen in Form
von Bildern, Gedanken, Gefühlen und Gerüchen. Diese Erinnerungen werden oft
sehr plastisch und detailliert wiedererlebt und beziehen sich auf Ereignisse, deren
Dauer von einem kurzen Augenblick bis zu einem Tag reichen kann.
Vielleicht haben Sie schon einmal erlebt, wie Sie einen ganz bestimmten Duft
aufgenommen und sich dabei spontan an ein lange zurückliegendes Ereignis erinnert
haben. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie gehen durch ein Kaufhaus und wittern
plötzlich den Geruch eines Sonnenöls. Sie registrieren das nur am Rande, aber
sofort erinnern sie sich an ihren letzten Sommerurlaub. Während Sie nun Ihre
Gedanken schweifen lassen, fallen Ihnen mehr und mehr Details ein, vielleicht ein
ganz bestimmter Augenblick, an dem Sie entspannt am Strand lagen. Oder es geht
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Ihnen durch den Kopf, was zu dieser Zeit für Sie wichtig war, wie Ihre damaligen
Lebensumstände aussahen. Wie lassen sich diese Erinnerungsvorgänge erklären?
Gehen wir von dem Wahrnehmungsreiz aus, zum Beispiel dem Geruch. Damit
befinden wir uns im Gedächtnismodell auf der untersten Ebene, in der das
Detailwissen abgelegt ist. Fast automatisch fängt unser Gedächtnis an zu suchen:
„Wo habe ich dieses schon einmal erlebt (gerochen)?“ Es fahndet nun auf der
nächsthöheren Ebene nach entsprechenden Episoden. Im konkreten Fall landen wir
so beim letzten Urlaub. Ohne dass wir viel dazu tun, gehen die Gedanken weiter, um
diese Episode in einen größeren Lebenszusammenhang zu stellen. Damit befinden
wir uns auf der obersten Ebene, der Ebene der Lebensabschnitte, und wir erinnern
uns möglicherweise daran, dass der betreffende Urlaub unmittelbar an die letzte
Prüfung anschloss und damit das Ende der Ausbildung markierte. Dieses
Durchlaufen der verschiedenen Gedächtnisebenen kann ungesteuert, aber auch
durch bewusstes Abbrechen der Suche entlang der Gedächtnislinien beendet
werden. In unserem Beispiel gelangten wir vom Sinnesindiz nach und nach zur
komplexen Erinnerung.
Der Prozess der Erinnerung kann auch umgekehrt verlaufen: Es ist möglich, sich
bewusst an etwas erinnern zu wollen, zum Beispiel an die Gesichter der früheren
Mitschüler. Zuerst versuchen wir, Hinweise aus der Schulzeit zu vergegenwärtigen,
zum Beispiel das Schulgebäude. Wenn dies vor unserem inneren Auge auftaucht,
versuchen wir, eine bestimmte Klassenstufe herauszugreifen, dann etwa den
Chemieunterricht, und vor dem geistigen Auge entsteht allmählich ein Bild der
Chemielehrerin, der Anordnung der Schulbänke und der Reihe der Mitschüler. Auf
dieser Ebene erinnern wir möglicherweise nicht nur die Gesichter verschiedener
Klassenkameraden,
sondern
vielleicht
auch
eine
ganz
konkrete
Situation,
beispielsweise einen bestimmten Chemieversuch. Wir bestimmen bei dieser
mentalen Suchbewegung aktiv, wie lange sich unsere Aufmerksamkeit auf diese
Erinnerungen konzentriert und wie lange der Abruf dauert.
An diesen Beispielen ist schon zu erkennen, dass unsere Erinnerungen konstruktiv
sind. Im Vergleich zu einfachen Assoziationen brauchen sie verhältnismäßig lange,
bis sie aufgebaut werden: Der Abruf einer bestimmten Erinnerung dauert etwa drei
bis
fünf
Sekunden.
Außerdem
ist
sie
je
nach
aktueller
Stimmung
und
psychologischer Verfassung jedesmal neu und anders zusammengesetzt. Einen
wesentlichen Einfluss auf erinnerte autobiografische Ereignisse hat unser Selbstbild.
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Das Selbst ist eine dynamische Struktur, die sich im Laufe unseres Lebens
kontinuierlich im Zusammenspiel mit unserem jeweiligen Lebenskontext bildet. In ihr
sammeln sich Erfahrungen, Meinungen und Einstellungen, die wir über uns selbst
und unsere Eigenschaften sowie über unsere Beziehungen zu anderen Menschen
haben. Die Art und Weise, wie wir uns selbst sehen, unsere persönlichen Interessen
und Vorlieben beeinflussen unsere Erinnerungen an die Vergangenheit, je nachdem,
an welchem Punkt unserer Lebensgeschichte wir uns gerade befinden und unter
welchem Blickwinkel wir zurückschauen. Als Instanz, die uns vermittelt, wer wir sind
und was uns ausmacht, verleiht das Selbst unserem Wesen Sinn und Bedeutung. Es
ermöglicht uns, in aktuellen Situationen aufgrund früher gemachter persönlicher
Erfahrungen einzuschätzen, welches Verhalten gerade angemessen und wie zu
handeln ist. Denn Erinnerungen nehmen großen Einfluss auf unser Leben und
Erleben und auf unsere Erfahrungen: Wie wir uns erinnern, beeinflusst unsere
Selbstwahrnehmung, und unsere Erinnerungen formen unser Selbstbild.
Dieses selbstbezogene Wissen ist zum größten Teil ein Nebenprodukt dessen, was
wir täglich tun, denken oder fühlen, wenn wir mit unserer Umwelt in Kontakt stehen.
Denn autobiografische Erinnerungen sind in der Regel alltägliche Ereignisse, die wir
uns nicht gezielt merken. Das autobiografische Gedächtnis arbeitet sozusagen im
Hintergrund mit. Die Entscheidung, ob es sich bei dem täglich Erlebten um relevante,
für uns wichtige Erinnerungen handelt, fällt erst im Nachhinein und ohne dass wir uns
dessen bewusst wären.
Dass unserem Selbstkonzept dabei eine organisierende und strukturierende Rolle
zukommt, zeigt ein Phänomen, das in der Gedächtnisforschung unter dem Namen
„Erinnerungsgipfel“ bekannt ist. Wenn wir nach Erinnerungen aus unserer gesamten
Vergangenheit befragt werden, ergibt sich für alle Menschen ein relativ einheitliches
Bild: Wir erinnern uns besonders gut an Ereignisse, die in unserer unmittelbaren
Vergangenheit stattgefunden haben. Je weiter zurück ein Ereignis liegt, umso
schlechter ist unsere Erinnerung. Dies gilt allerdings nicht für unsere Erinnerungen
an die Zeit zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. An diese Jahre können wir uns
alle besonders gut und lebhaft erinnern.
Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen ist, dass sich unser Selbstkonzept in
dieser Zeit in einem entscheidenden Umbauprozess befindet. Wir sind auf dem
Wege von der Kindheit ins Erwachsenenalter, und die für diesen Lebensabschnitt
wesentlichen neuen und oft einzigartigen Erlebnisse spielen dabei eine wichtige
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Rolle. So ist denkbar, dass diese Erinnerungen einen bevorzugten Platz in unserem
autobiografischen Gedächtnis erhalten und zu einem wesentlichen Teil unseres
Selbstbildes werden.
Wer wir sind, wie wir uns und wie uns andere in der Welt wahrnehmen und bewerten
– das macht unsere Identität aus. Sie ist das Kernstück unserer Überzeugung, eine
einzigartige Persönlichkeit zu sein. Die Identität hat einen ausgeprägten sozialen
Aspekt, denn unsere Einzigartigkeit ist nur im Vergleich mit den Identitäten der
anderen zu erfahren.
Daneben besitzt unsere Identität noch eine historische Komponente, die uns meist
nicht bewusst wird. Um zu wissen, wer wir heute sind, ist es notwendig zu wissen,
wer wir gestern waren. Gedächtnisstörungen, die zu einem Verlust der persönlichen
Erinnerungen führen, führen unweigerlich auch zu einem Verlust an Identität. Wie
bedeutsam das Wissen um unsere Vergangenheit für unsere Identität sein kann,
beweisen die Anstrengungen von Menschen, die ihre leiblichen Eltern nicht kennen
und Jahre darauf verwenden, etwas über ihre Herkunft – und damit über ihre Identität
– zu erfahren.
Die historisch gewachsene Identität eines Menschen ist eng verknüpft mit seinem
Selbstwertgefühl. Wer bin ich, welche einzigartigen und unverwechselbaren Dinge
habe ich erlebt?
Selbstwertgefühl und Identität einer Person beeinflussen sowohl ihre aktuelle
Stimmung als auch ihr Verhalten. Beispielsweise kann ich mich unmittelbar vor einer
Prüfung an eine bereits bestandene Prüfung erinnern und so mein Gefühl für
Kompetenz erhöhen und mich in eine optimistische Stimmung versetzen. Im „Archiv“
meiner Lebensgeschichte suche ich nach Informationen, die mit meinem Selbstbild
übereinstimmen. Das persönliche Wohlbefinden hängt also von der Qualität der
Erinnerungen „an mich selbst“ ab.
Umgekehrt beeinflussen die Gefühle auch den Abruf von Informationen aus dem
Gedächtnis und die Rekonstruktion von Erinnerungen. Es ist nicht nur ein Ergebnis
meines Selbstbildes, ob ich mich daran erinnere, dass die letzte Prüfung insgesamt
gut gelaufen ist, oder ob ich mich daran erinnere, dass ich „nur Glück“ hatte, weil die
Prüferin milde gestimmt war. Vielmehr kann uns – je nach Gemütsverfassung – ein
und dieselbe Vergangenheitsepisode in einem unterschiedlichen Licht erscheinen.
Das Selbstbild und die Verfügbarkeit von Emotionen stehen in einem anhaltenden
Prozess wechselseitiger Beeinflussung. Die Art, wie wir erinnern und uns
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zugängliche Informationen (in Form der Erinnerungen) verarbeiten, wirkt also auf
unsere psychische Verfassung und bestimmt unsere Erwartungen an die Zukunft.
Das aktuelle Selbst – so wie Menschen sind – und das ideale Selbst – so wie sie
sein wollen – können sich je nach der persönlichen oder sozialen Lage einer Person
verändern. Es ändern sich dann auch Wünsche, Ziele und Pläne, und frühere
Erfahrungen werden aufgrund neuer Ansichten und Motivationslagen neu bewertet.
Unser Gedächtnis für autobiografische Erinnerungen schafft die Möglichkeit, unsere
Vergangenheit aktiv zu rekonstruieren, indem wir uns an Details erinnern und sie
wieder zu einem (neuen) Erinnerungsbild zusammensetzen. Dabei ist wesentlich,
dass
Erinnerungen
je
nach
der
augenblicklichen
psychischen
Verfassung
rekonstruiert werden, also immer nur ausgewählte Teile der (wahren) Vergangenheit
beinhalten. Das Wissen, das ich über mich habe (auch semantisches Wissen oder
Bedeutungswissen genannt), fließt mit in die Rekonstruktion des Berichtes ein. Was
sich damals ereignet hat (mein Faktenwissen) mischt sich mit dem, was damals für
mich
wichtig
war.
Daher
sind
autobiografische
Erinnerungen
subjektive
Interpretationen von Erfahrungen und Erlebnissen.
Diese Rekonstruktion ermöglicht aber auch, dass sich unser Selbstkonzept
weiterentwickelt und wir uns verändern können: Was uns vor einiger Zeit sehr betrübt
hat, kann nach einem angemessenen Zeitraum der Trauer mit anderen Augen
betrachtet werden. Das bewirkt, dass auch Erinnerungen anders bewertet werden
und Details des traurigen Ereignisses „vergessen“ werden können.
Damit erklärt sich auch, welchen Sinn das Vergessen in unseren autobiografischen
Erinnerungen hat: Vieles in unserem Leben vergessen wir, weil es durch
Wiederholung oder eine Änderung unseres Lebenskontextes seine ursprüngliche
besondere Bedeutung verliert. Es ist uns unangenehm, daran erinnert zu werden.
Unser autobiografisches Gedächtnis scheint sich auf einem Kontinuum des
Erinnerns und Vergessens zu bewegen. Es garantiert die Verbindung von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist die Voraussetzung für unsere
Entwicklung und Kontinuität und schafft die Grundlage für unsere Identität und
Integrität.
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Selbstbeobachtungsblatt zum Portfolio „Der Vorleser“
Seite 87
Name:
1. Meine ersten Gedanken, als die Aufgabenstellungen vorgestellt wurden:
2. Was ich über meine Arbeitsweise anmerken möchte:
• Leseverhalten
•
Ausführen der Arbeiten (Wie?)
•
Timemanagement
3. Die größte Schwierigkeit während der Arbeitsphase:
4. Was mir die Arbeitsphase erleichtern könnte:
5. Welche Lernziele waren mit dieser Arbeit verbunden:
Markiere mit +, - , 0 (=teilweise), wie du diese Lernziele erreicht hast.
6. Wie ich selbst mein Produkt beschreiben bzw. bewerten würde:
7. Was ich überhaupt von dieser Idee halte:
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Seite 88
Zeitungsarbeit (Kleines Portfolio für 4. Klassen)
Die Seiten, die du für die Aufgaben brauchst, müssen alle nummeriert und mit deinem
Namen versehen sein. Die Seiten sollen klar und übersichtlich gestaltet werden
(Überschriften, Absätze...). Die Reihenfolge der Arbeiten ist beliebig.
1. Erstelle ein Inhaltsverzeichnis, das für jede Ausgabe der „KleinenZeitung“ gelten könnte.
Es muss mindestens 15 verschiedene Punkte enthalten.
2. Verfasse einen Leserbrief zum dem Artikel über das neue Jugendschutzgesetz. Lies
vorher die Seite mit den Leserbriefen.
3. Suche einen Artikel aus den Bereichen Politik/Landespolitik und fasse ihn kurz
zusammen. Du darfst nicht mehr als zehn Zeilen benötigen. Es soll trotzdem alles
Wesentliche enthalten sein.
4. Mit welcher Gesamtsumme musst du rechnen, wenn du in Graz eine
Zweizimmerwohnung mieten möchtest. Achte auf Angaben wie Betriebskosten und
Steuer. Notiere die Seite und die Spalte für ein Beispiel, das du auswählen würdest.
5. Du möchtest eine Radiosendung, in der ein Text von Herbert Zinkl vorgestellt wird,
aufnehmen. Um welche Zeit musst du das Radio einschalten.
6. Schreibe mindestens 30 Eigenschaften auf, die in Inseraten von Stellungssuchenden
verlangt werden. Notiere jeweils das Adjektiv und das dazugehörende Nomen. (Beispiel:
selbstbewusst- das Selbstbewusstsein)
7. Du suchst (später einmal) ein gebrauchtes Auto, einen VW Vento. Welche Angebote gibt
es in dieser Ausgabe der Zeitung?
8. Nenne zwei Gründe für das Ansteigen der Arbeitslosigkeit im Monat Mai. Wie hoch ist die
Arbeitslosenrate in der Steiermark? (Diagramm)
9. Du fährst im Sommer nach Italien. Deine Oma will dir 100.000 Lire als Taschengeld
mitgeben. Welchen Schillingbetrag hast da also zur Verfügung?
10. Am Abend möchtest du den Film „Mr. Magoo“ ansehen. Welche Kinos stehen zur
Auswahl?
11. Wer gewann die fünfte Etappe der Österreichrundfahrt?
12. Du brauchst in der Nacht von Freitag auf Samstag ein schmerzstillendes Mittel aus der
Apotheke. Wohin gehst/fährst du?
13. Hat sich die NATO entschieden, Truppen in den Kosovo zu schicken? Wo liegt der
Kosovo?
14. Du suchst einen Ferialjob. Verfasse ein Inserat, in dem du deine Vorzüge und dein
Können hervorhebst.
15. Lies den Artikel auf Seite 14 „Über Ufer getretener Bach...“ und unterstreiche die sieben
wichtigsten Wörter, die du anschließend aufschreibst. Du sollst mithilfe dieser sieben
Wörter einen mündlichen Bericht über das Ereignis geben können.
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Seite 89
Arbeitsaufträge für das Portfolio zum Zeitungsprojekt
1. Sammle Informationen zum „Standard“, d.h. seine Geschichte, den Herausgeber,
die Besitzer, den Chefredakteur, die Auflage, das Distributionssystem.
2. Was ist deiner Meinung nach die „politische“ Blattlinie des „Standard“? Belege
sie anhand von Zitaten.
3. Vergleiche an einem bestimmten Tag einen bestimmten Bericht, ein bestimmtes
Thema mit der Berichterstattung in mindestens zwei anderen Zeitungen.
4. Vergleiche an mehreren Tagen die quantitative Gewichtung von redaktionellen
Themenbereichen und vergleiche die Gewichtung mit einer anderen
Tageszeitung, d.h. wieviel wird seitenmäßig über Sport berichtet, über Polititk,
Wirtschaft, Kultur usw. Vergleiche auch das Text – Bild-Verhältnis. Welchen
Umfang beansprucht die Werbung ?
5. Recherchiere ein Thema aus deiner unmittelbaren Umgebung und berichte
darüber. Maximal 250 Wörter, mindestens 150.
6. Verfasse einen persönlichen Kommentar zu einem aktuellen Thema (150 W.
Maximum)
7. Beschreibe deinen persönlichen Umgang mit Zeitungen. Seit wann liest du
Zeitungen, was liest du? Warum liest du keine Zeitung? Wann und wo liest du
Zeitungen, welche Kommentatoren liest du gerne und warum ? Woher beziehst
du die für dich wesentlichen Informationen ?
8. Wie beurteilst du nach mehrwöchiger Lektüre den „Standard“ ?
9. Wie sollte die Zeitung beschaffen sein, die für dich interessant wäre ?
10. Verfasse als Reaktion auf einen Artikel, der dich bewegt hat, einen Leserbrief
(maximal 200 W.)
11. Deine Reaktion auf das Zeitungsprojekt? Dazu gibt’s noch einen Rückmeldebogen, der nicht in die Beurteilung miteinbezogen wird.
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Feedbackbogen
Seite 90
Portfolio „Der Standard“
1. Die Aufgabenstellungen waren
sehr schwierig
schwierig
angemessen
leicht
2. Meine Zeiteinteilung funktionierte im Vergleich zum ersten Portfolio
besser
gleich
schlechter
Begründung:_________________________________________________________
___________________________________________________________________
3. Meine größten Probleme während der Arbeitsphase:
___________________________________________________________________
___________________________________________________________________
___________________________________________________________________
4. Ich habe die Möglichkeit genutzt, mir Unterstützung zu suchen durch:
Verwandte
Mitschüler
Freunde
Internet
Bücher
andere Quellen:__________
5. Ich habe durch die Beschäftigung mit dem Zeitungsthema
eher nicht profitiert
profitiert
sehr profitiert
6. Mein Zugang zu Zeitungen hat sich durch das Projekt verändert:
Ja
Nein
7. Ich finde den Stellenwert des Portfolios im Rahmen der Gesamtbeurteilung
überbewertet
angemessen
unterbewertet
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Portfolio/„Der Standard“
Name:
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Seite 91
Punkte:
Aufgabenstellung Anmerkungen
Termin
P/m P
5
S-Nummerierung
1
Inhaltsverzeichnis
1
Übersichtlichkeit/
Gestaltung
5
Informationen
3
Blattlinie
5
Berichtvergleich
7
Themenbereiche/
Gewichtung
5
Eigener Bericht
9
Kommentar
5
Umgang mit
Zeitungen
5
Beurteilung
3
Meine ideale
Zeitung
3
Leserbrief
5
Rückmeldung
Gesamt
Themenhefte
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Seite 92
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Seite 93
Literaturliste
Brunner, Ilse/ Schmidinger, Elfriede: Gerecht beurteilen. Portfolio: die Alternative für
die Grundschulpraxis. Linz: Veritas 2000.
Danielson, Charlotte/Abrutyn, Leslye: An Introduction to Using Portfolios in the
Classroom. Alexandria: Association for Supervision and Curriculum Development
1997.
Jabornegg, D.: Das Portfolio – Möglichkeiten und Grenzen einer alternativen
Prüfungsform. Ein Erfahrungsbericht. In: Dubs, R. u. Luzi, R. (Hg): Schule in
Wissenschaft, Politik und Praxis. St. Gallen: IWP Eigenverlag 1997. 411-425.
Keiner, Tatjana/Macé, Muriel/Theobald,Erika: Das autobiografische Gedächtnis:Wir
sind, woran wir uns erinnern. In: Psychologie heute. Das Magazin für Leib &Seele.
März 2000.
Klemm, Elisabeth: Portfolio. Leistungsbeurteilung ohne Probleme? Seminararbeit.
Graz 2001.
Klippert, Heinz: Teamentwicklung im Klassenraum. Übungsbausteine für den
Unterricht. Weinheim/Basel: Beltz Verlag 1998.
Lissman, Urban: Beurteilung und Beurteilungsprobleme bei Portfolios. In: Jäger,
Reinhold: Von der Beobachtung zur Notengebung. Diagnostik und Benotung in der
Aus-, Fort- und Weiterbildung. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2000 . S. 284 288.
Manguel, Alberto: Eine Geschichte des Lesens. A. d. Eng. Reinbek: Rowohlt TB
2000.
Rhue,Morton: Die Welle. Ravensburg: Otto Maier 2000.
Scheiflinger, Werner/Petri, Gottfried: Probleme der Lernerfolgsfeststellung. Wie
Schulstress abgebaut, Lernfreude verstärkt und die Leistungsbeurteilung objektiviert
werden? Graz: Zentrum für Schulentwicklung 1999. S. 42f. (=Forschungsbericht 28)
Schlink, Bernhard: Der Vorleser. Zürich: Diogenes 1995.
Strasshofer, Josef: Direkte Leistungsvorlage in der Polytechnischen Schule. In:
Noten – nicht zu umgehen? Alternative Formen der Leistungsbeurteilung auf dem
Prüfstand. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte 2000. S. 174 – 177. (=Schulheft
98/2000)
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Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
AHS
B. Plamenig: Vom Lesetagebuch zum Portfolio
PI
Seite 94
Internetadressen – Stand 20. Juni 2001
Hecker, Ulrich: Neue Formen der Leistungsbewertung – Perspektive
„Portfolio“
http://www.regenbogenschule.de/portfolio.htm
http://www.zis.at/projekte
http://www.bmuk.gv.at/pbildung/leistmap/lm.htm
http://pluto.osk.uni-bielefeld.de/leistung
http://www.schlosswagrain.asn-linz.ac.at/schule/portfolio
http://www.regenbogenschule.de/portfolio.htm
http://macdirect.de/~dagmar
Themenhefte
Heft 7
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
AHS
PI
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark
Abteilung für Lehrer an allgemeinbildenden höheren Schulen
Ortweinplatz 1, 8010 Graz
E-Mail: ahs @ pi-stmk.ac.at
ISBN 3-902083-07-7
Layout: Mag. Beatrix Plamenig