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Der Prebound-Effekt: die Schere zwischen errechnetem
und tatsächlichem Energieverbrauch
Von Minna Sunikka-Blank und Ray Galvin, Department of Architecture, University of Cambridge
Zusammenfassung
Die deutschen Vorschriften für energetische Sanierung von Bestandsgebäuden basieren auf hohen
thermischen Standards, deren Erfüllung die Regierung für technisch und wirtschaftlich machbar hält. Das
vorliegende Papier untersucht die verfügbaren Daten von 3400 deutschen Gebäuden. Ihre theoretisch
errechneten Energiekennwerte werden den tatsächlich gemessenen Verbräuchen gegenübergestellt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewohner durchschnittlich 30% weniger verbrauchen als es dem
errechneten Energiekennwert des Gebäudes entspricht. Dieses Phänomen wird Prebound-Effekt genannt,
wobei der Effekt umso stärker auftritt, je schlechter der Energiekennwert ist. Das gegenteilige
Phänomen, der Rebound-Effekt, ist bei Niedrigenergiehäusern zu beobachten. Hier verbrauchen die
Bewohner mehr als der Energiekennwert des Gebäudes zulässt.
Ähnliche Phänomene wurden in verschiedenen kürzlich veröffentlichten Studien aus den Niederlanden,
Belgien, Frankreich und Großbritannien festgestellt. Daraus ergeben sich politische Folgerungen in zwei
Richtungen.
Erstens, dass die Nutzung theoretischer Energiekennwerte zur Vorhersage von Energieverbrauch und
CO2-Einsparung tendenziell die Einsparmöglichkeiten überschätzt, die Amortisationszeit unterschätzt
und eventuell kostengünstige und aufwachsende Sanierungsschritte verhindert.
Zweitens, dass das Potenzial von Energie- und CO2-Einsparung durch nicht-technische Maßnahmen wie
etwa Bewohnerverhalten viel größer ist als allgemein angenommen, so dass Politiker ein besseres
Verständnis dafür entwickeln müssen, was die Entscheidungen von Bewohnern antreibt oder behindert.
Der vorliegende Text ist die Übersetzung eines Artikels von Minna Sunikka-Blank & Ray Galvin (2012):
Introducing the prebound effect: the gap between per-formance and actual energy consumption,
Building Research & Information, 40:3, 260-273. Die Autoren lehren an der Universität Cambridge.
Die Übersetzung des Textes und seine Verwendung erfolgt mit ihrer ausdrücklicher Genehmigung.
Der Originaltext ist unter http://dx.doi.org/10.1080/09613218.2012.690952 erreichbar.
Verantwortlich: Rainer Scheppelmann, Leitstelle Klimaschutz, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg
Übersetzung: Dieter Schmidt
Einführung
Wenn Politiker und die Privatwirtschaft erfolgreich ehrgeizige CO2-Einsparziele erreichen wollen, dann
muss die Energiepolitik ausdrücklich den Gebäudebestand ins Blickfeld nehmen (Boardman et al., 2005;
Sunikka, 2006). Deutschland ist ein Vorreiter in Sachen energetischer Sanierung gewesen. Dies drückt sich
in eindeutigen Vorschriften und umfassenden Maßnahmenkatalogen aus, die den Energieverbrauch bei den
privaten Haushalten senken sollen (Sunnika, 2006; Meijer et al., 2009).
Da der Heizenergieverbrauch der privaten Haushalte in Deutschland von 2002 bis 2010 um 15% fiel
(vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) 2010), wurde Deutschland zum Modell für
andere Länder (de T’Serclaes, 2007; International Energy Agency, 2008).
Die Energieeinsparverordnung (EnEV) (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS),
2009b), zuletzt 2009 aktualisiert, ist der Stützpfeiler der
langfristigen Kampagne, mit der die Bundesregierung
die thermische Instandsetzung voranbringen will.
(BMVBS, 2009a; Deutsche Energieagentur, 2011).
Diese Verordnung verlangt, dass bei der thermischen
Instandsetzung
von
Bestandsgebäuden
hohe
Standards eingehalten werden. Die Parameter der
EnEV basieren auf dem Energieeinspargesetz. Es
schreibt vor, dass die EnEV nur thermische Standards
formulieren dürfe, die wirtschaftlich seien. Dies wird so
interpretiert, dass die durch die Maßnahmen erzielten
Energieeinsparungen hoch genug sein müssen, um die
Amortisation der Kosten für Sanierung oder Neubau
innerhalb der Lebensdauer der ergriffenen Maßnahme
zu erreichen.
Trotz erheblicher Probleme bei der thermischen Sanierung vieler Gebäude (Galvin, 2010, 2011) werden Energieeinsparungen bei den privaten Haushalten durch
technische Verbesserungen in der Energiepolitik immer
noch als „easy gain“ betrachtet.
Aber sind die vorgeschriebenen Standards für
Bestandsgebäude wirklich einhaltbar?
In der wissenschaftlichen Literatur geht man übereinstimmend davon aus, dass das Verhalten der Bewohner
ein determinierender Faktor für den Heizenergieverbrauch ist (Stern, 200; Guerra-Santin et al., 2009;
Gram-Hansen, 2010, 2011). In den entsprechenden
Veröffentlichungen untersucht man kulturelle Aspekte
des Lifestyles von Bewohnern (z.B. Chappells and
Shove, 2004, 2005; Cupples et al., 2007), das Sozialverhalten (z.B. Gram-Hansen, 2008a, 2008b) oder psychologische Aspekte, etwa ob man die Bewohner
trainieren kann, ihr Heizsystem effektiv zu nutzen (z.B.
Martiskainen, 2008).
Angesichts des Einflusses des Faktors Verhalten
können Heizenergieeinsparungen durch energetische
Sanierung erheblich geringer sein als angenommen
(Hass und Biermayr, 2000). Die vorliegende Studie baut
auf der Beobachtung von Walberg (2011, p.115) auf, der
für Deutschland feststellt:
2
„Für realistische Annahmen zur thermischen Struktur
des umbauten Raumes darf nur die Analyse des
tatsächlich gemessenen Energieverbrauches herangezogen werden... Theoretisch berechnete Energiekennwerte vermitteln uns ein unrealistisches Bild des
Energieeinsparpotenzials, das durch thermische
Sanierung erreicht werden kann.“
Dieses Konzept wird nun in dieser Studie weiterentwickelt, indem die Implikationen der Differenzen bei den
tatsächlichen Energieverbräuchen in thermisch
vergleichbaren Gebäuden untersucht werden. Deutschland und seine in der EnEV geregelten Effizienzvorschriften dienen als Beispiel.
Die Studie diskutiert die technischen Beschränkungen
von Bestandsgebäuden (Galvin, 2010; GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., 2011; Greller et al., 2010), das von
Bundespolitikern genutzte Bilanzierungssystem zur Kalkulation der Kosten (Pöschk, 2009; Galvin, 2011) sowie
die Kosten für umfassende thermische Sanierung
(Tschimpke et al., 2011).
Dies sind wichtige Themen, die über den Erfolg oder
Misserfolg der energetischen Sanierungspolitik entscheiden, denn diese tendiert dazu, sich nur auf die Investitionen zu konzentrieren und zu ignorieren, was
denn passiert, bevor und nachdem Energiemaßnahmen
stattfinden (IEA, 2008; Tambach et al., 2010; Schröder
et al., 2010, 2011; Walberg et al., 2011).
Die Studie will einerseits die technische und ökonomische Machbarkeit und das Energieeinsparungspotenzial energetischer Sanierung von Bestandsgebäuden
verdeutlichen, andererseits aufzeigen, welches Potenzial nicht-technische Maßnahmen, insbesondere Verhaltensänderung, haben, zu den energiepolitischen
Einsparungszielen beizutragen.
Auf der Basis vorliegender deutscher Datensätze, die
sowohl die Energiekennwerte als auch die tatsächlich
gemessenen Energieverbräuche von rund 3400 Gebäuden beinhalten, beschreibt diese Studie, wie sich die
Unterschiede zwischen dem errechneten Energiekennwert und dem tatsächlich gemessenen Verbrauch
proportional verteilen.
Sie versucht folgende Fragen zu beantworten:
- Wie verteilt sich der tatsächliche Verbrauch für
Heizung und Warmwasser in deutschen Gebäuden im
Vergleich zu den errechneten Energiekennwerten der
Gebäudeeffizienzklassen?
- Was können wir über das Energieeinsparpotenzial in
deutschen Gebäuden lernen, wenn wir diese beiden
Parameter zueinander in Beziehung setzen?
- Was sind die politischen Implikationen, wenn man
große Heizenergie- und CO2-Einsparungen durch energetische Sanierung erreichen will?
Die Studie gliedert sich wie folgt: Teil 2 analysiert deutsche Veröffentlichungen, in denen der theoretisch
errechnete Heizenergieverbrauch von Gebäuden mit
dem tatsächlich gemessenen Energieverbrauch verglichen wird (zur Struktur der gemessenen Energiedaten
siehe Tafel 1).
Teil 3 diskutiert die Gründe für die Lücke zwischen den
errechneten und den tatsächlichen Energieverbräuchen. Teil 4 entwickelt eine neue Begrifflichkeit für Heizintensität, den die Autoren den Prebound-Effekt nennen.
Teil 5 vergleicht die Ergebnisse der Studie mit neueren
Forschungsergebnissen in vier anderen westeuropäischen Ländern. Teil 6 macht Vorschläge für politische
Folgerungen. Der siebte Teil bringt eine Zusammenfassung und abschließende Bemerkungen.
Die Studie baut auf früheren Studien auf, die Politiken
zur Verbesserung der energetischen Qualität des europäischen Gebäudebestandes (Sunikka, 2006; SunikkaBlank et al., 2012) und die deutsche energetische
Sanierungspolitik (Galvin, 2010, 2011; Galvin and Sunikka-Blank, 2012) untersuchten.
Es muss hervorgehoben werden, dass die hier
beschriebenen politischen Entwicklungen auf der
Situation der Jahre 2011-2012 basieren und sich
inzwischen verändert haben können.
Tatsächlich gemessene Energieverbräuche
deutscher Gebäude
Im letzten Jahrzehnt erschienen in Deutschland eine
Reihe von Untersuchungen, die den errechneten Energieverbrauch von Gebäuden mit dem tatsächlich
gemessenen Energieverbrauch verglichen (Kaßner et
al., 2010; Knissel et al., 2006; Knissel and Loga, 2006;
Greller et al., 2010; Loga et al., 2011; Erhorn, 2007;
Jagnow und Wolf, 2008; Schloman et al., 2004; Schroöder et al., 2010, 2011; Walberg et al., 2011). Im Vergleich dieser Untersuchungen versucht die vorliegende
Studie, konsistente Strukturen zu identifizieren.
Die Datenreihen belegen die Diskrepanzen zwischen
den Annahmen zur Gebäudetechnik und dem, was wirklich passiert, wenn Menschen in ihnen wohnen. Die
Autoren gehen dieser Fragestellung jedoch meist
aufgrund technischer Fragestellungen nach: ob die
gemessenen Daten ein preisgünstiger Weg sind, die
Energiekennwerte nachzujustieren (z.B. Knissel et al.,
2006; Knissel and Loga, 2006); wie unterschiedliche
Gebäudetypen sich in der realen Praxis verhalten (Greller et al., 2010; Loga et al., 2011); oder wie Energieberater die Bewohner besser bezüglich des Energieeinsparpotenzials ihrer Häuser beraten können (Erhorn,
2007). Eine Reihe neuerer empirischer Studien quantifiziert die durchschnittlichen Energieverbräuche unterschiedlicher Klassen von Wohngebäuden (Schloman et
al., 2004; Schröder et al., 2010; Walberg et al., 2011)
und des Gesamtgebäudebestandes (Schröder et al.,
2011).
Gleichwohl scheint es keine deutsche Studie zu
geben, die die Frage stellt, was die gemessenen
Diskrepanzen zwischen errechneten und tatsächlichen Energieverbräuchen bezüglich der Entwicklung von Politiken bedeuten könnten, welche die
Anforderungen an energetische Sanierung im Hinblick auf das Verhalten der Bewohner optimieren
und so die besten Ergebnisse erzielen wollen. Diese
Studie gleicht die Datensätze auf Gemeinsamkeiten
und Unterschiede ab. Auf der Basis dieser Analyse
entwickelt sie politische Richtlinien für energetische
Sanierung im Gebäudebestand, die das Verhalten der
Bewohner einbeziehen und so zielgenauer und kostengünstiger sind als die gegenwärtige Herangehensweise.
Die untersuchten Studien decken die Messung der tatsächlichen Energieverbräuche in über 1 Million Gebäuden ab. Darunter sind 3400 Gebäude, für die genaue
Informationen zum Energiekennwert vorliegen und bei
denen daher direkte Vergleiche möglich sind. Diese Studie basiert also auf 3400 Gebäuden als Primärquelle.
Darüber hinaus werden die belegten Daten über den
Energieverbrauch von 1 Million Gebäuden, für die keine
Informationen zum Energiekennwert vorliegen, als
Hintergrundmaterial genutzt. Tabelle 1 fasst die gemessenen Energiedaten aller in dieser Studie genutzten
Untersuchungen zusammen. Die Studien werden
beschrieben anhand ihrer Schlüsseldaten wie Größe
der Datenreihe und Erfassungsmethode. Die gemessenen Daten beziehen sich auf Messreihen zwischen
einem und vier Jahren. Gebäudekühlung ist dabei nicht
enthalten.
Tabelle 1 zeigt den durchschnittlichen Energiekennwert
und den durchschnittlichen gemessenen Verbrauch (in
kWh/m2a) für jede Veröffentlichung. Sie belegt auch den
Heizfaktor und den Prebound-Effekt, der in Teil 4 dieser
Studie diskutiert wird.
Zwar basiert unsere Analyse auf Sekundärquellen, doch
ist sicher gestellt, dass die Quellenqualität und die
korrekte Interpretation der Ergebnisse verifiziert wurden. Nur offizielle statistische Quellen, Veröffentlichungen etablierter Forschungsinstitute und gleichwertiger
3
Tabelle 1: Datenquellen der Studie
Quelle
Art der
Datenquelle
Gebäudetyp
Knissel und
Loga (2006)
Nationale
Statistik mit 4670
Gebäuden
Gebäude unter 8
Wohnungen
Gebäude über 8
Wohnungen
Gemischte
Statistik, Umfang
unklar
Alle
Gebäudetypen
Loga et al.
(2011)
Kaßner er al.
(2010)
Jagnow und
Wolf (2008)
Schröder et al.
(2010)
Schröder et al.
(2010)
Schröder et al.
(2010)
Schröder et al.
(2010)
Walberg et al.
(2011)
Erhorn
(2007)
Nationale
Statistik
Probe aus
nationaler Statistik
OPTIMUS
Auszug aus
Brunata-Metrona
Aus
Heizmessungsquelle
Aus
Heizmessungsquelle
Auszug aus
Brunata-Metrona
2005-2010
Nationale
Statistiken auf Basis
verschiedener
Erhebungen
Bundesweite
DENA-Studie
Alle
Gebäudetypen
Nicht
gekennzeichnet
Ölheizung
Gasheizung
Fernwärme
Gesamt
Mietwohnung gebaut vor 1995er
Vorschriften
Mietwohnung gebaut vor 1995er
Vorschriften
Alle Typen, alle
Gruppen, Daten
gewichtet
Einzehäuser
Doppelhäuser
Etagenhäuser mit
3-7 Wohnungen
Einzelhäuser
Mehrfamilienhäuser
Anzahl der
Entstehung des
Gebäude in der
EnergiekennProbe
wertes
1178
113
1702
Errechnet
Errechne
Durchschnitt
Energiekennwert
(kWh/m2a)
Durschnitt
gemessener
Verbrauch
(kWh/m2a)
Heizfaktor:
gemessen/
errechneter
Verbrauch
Prebound-Effekt
(% zum
Energiekennwert
Raumheizung
Warmwasser
oder beides
261
184
150
135
0,57
0,73
43
27
Beides
220
0,69
31
Beides
44
Errechnet
209
153
0,73
27
Beides
rund 100
rund 100
Errechnet
Errechnet
220
200
135
148
0,61
0,74
39
26
Beides
250.000
Nicht
berücksichtigt
230.000
Nicht
berücksichtigt
143.000
250.000
Etwa 1.000.000
Etwa 1.000.000
50
70
141
156
109
148
Beides
145
Beides
Nicht
berücksichtigt
118
Nur Heizung
Nicht
berücksichtigt
148
Beides
172
Beides
Nicht
berücksichtigt
Nicht
berücksichtigt
Errechnet
Errechnet
240
175
Anmerkung: Die Energieeffizienzklassen (EPR) der Gebäude wurden entsprechend DIN V 4018-6:2003 berechnet.
Veröffentlichungen wurden als Datenquellen genutzt.
Dabei wurden nur Veröffentlichungen genutzt, deren
Datenerhebungsmethode und deren Berechnungsweisen transparent waren. In einigen wenigen Fällen, wo
es keine Rohdaten gab, basiert diese Studie auf den
veröffentlichten statistischen Darstellungen und der
graphischen Umsetzung statistischer Erhebungen.
Die früheren Veröffentlichungen der Autoren zur deutschen Energiepolitik (Galvin, 2010, 2011; Galvin and
Sunikka-Blank, 2012), gute Sprachkenntnisse und Experteninterviews halfen dabei, die Quellen kritisch zu
nutzen und die Ergebnisse angemessen zu interpretieren.
Die Untersuchung der Datenquellen (Kaßner et Al.,
2010; Knissel et Al., 2006; Knissel and Loga, 2006; greller et Al., 2010; Loga et Al., 2011; Erhorn, 2007; Jagnow
und Wolf, 2008; Schloman et Al., 2004; Schößer et Al.,
2010, 2011; Walberg et Al., 2011), lässt vier Grundmerkmal ins Auge springen.
4
152
Erstens gibt es, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis
mehrerer neuerer Untersuchungen, für jede Energieeffizienzklasse ein breites Spektrum gemessener Heizenergieverbräuche. Dabei sind Varianzen von bis zu
über 600% typisch, d.h. dass ein Gebäude sechsmal
mehr Heizenergie verbraucht als ein anderes derselben
Energieeffizienzklasse (Erhorn, 2007; Knissel und Loga,
2006; Loga et Al., 2011). Dies ist kein spezifisch deut-
145
170
140
0,71
0,80
29
20
Beides
Beides
Beides
sches Phänomen, sondern auch beispielsweise in der
Schweiz (Jakob, 2007), in Frankreich (Carey et Al.,
2011; Carla, 2010), in Österreich (Roth and Engelmann,
2010), den Niederlanden (Tigerpaar and mendelnd,
2011), und in Dänemark (Erhorn, 2007) zu beobachten.
Zweitens zeigt die Analyse eine Lücke zwischen dem
errechneten Heizenergieverbrauch, der sich aus den
Energiekennwert ergibt, und dem gemessenen Heizenergieverbrauch. Der Energiekennwert (so nennt man
in Deutschland die Energy Performance Rate EPR) ist
eine Zahl, die den vermuteten Heizenergieverbrauch
eines Gebäudes beschreibt, und zwar auf Basis physikalischer Faktoren wie der thermischen Qualität der
Gebäudehülle, dem Heizungssystem und dem Standort. Der durchschnittliche Energiekennwert für deutsche
Gebäude liegt bei 225 kWh/m2a, wobei die Spannbreite
von 15 kWh/m2a bis über 400 kWh/m2a geht.
Der Energiekennwert wird benutzt, um potenzielle Energieeinsparungen durch energetische Sanierung vorherzusagen. Im Gegensatz zum durchschnittlichen
Energiekennwert liegt der durchschnittliche gemessene
Heizenergieverbrauch der privaten Haushalte in
Deutschland bei etwa 150 kWh/m2a, z.B. bei 149
kWh/m2a in Untersuchungen von Schröder et al. (2011)
und bei 152 kWh/m2a bei Walberg et al. (2011). Dies bedeutet, dass er 30% niedriger liegt als der durchschnittliche Energiekennwert.
Drittens zeigen die Datenreihen einen Trend bezüglich
des Verhältnisses von Energieverbräuchen und Energiekennwerten. Je höher der Energiekennwert, umso
geringer ist der tatsächliche Verbrauch im Verhältnis
zum Energiekennwert. So liegt beispielsweise der gemessene Verbrauch eines Hauses mit einem Energiekennwert von 300 kWh/m2a etwa 40% unter dem
errechneten Wert. Hingegen haben Häuser mit einem
errechneten Energiekennwert von 150 kWh/m2a einen
tatsächlichen Energieverbrauch, der 17% unter dem
errechneten Wert liegt.
Diese Ergebnisse werden in Grafik 1 gezeigt. Die beiden Punktdiagramme zeigen auf der vertikalen Achse
den tatsächlichen Energieverbrauch und auf der horizontalen Achse die Energiekennwerte. Die Daten stammen aus einer Erhebung der Deutschen Energieagentur
und einer Analyse von Erhorn (2007), wobei links die
Werte für Einfamilienhäuser und rechts die für Mehrfamilienhäuser abgebildet sind.
In den beiden Teilgrafiken entspricht die durchgehende
Linie der tatsächlichen Regressionlinie aller Werte,
während die von den Autoren hinzugefügte gestrichelte
Linie y=x die Regressionslinie in dem Fall wäre, wenn
alle Punkte, die den tatsächlichen Verbrauch darstellen,
genau dem Energiekennwert entsprächen.
Die breite vertikale Streuung der Punkte bei jedem
beliebigen x-Wert spiegelt die große Varianzbreite im
Energieverbrauch unabhängig von der physikalischen
Beschaffenheit des Gebäudes wider. Die Verlauf der
Regressionslinie zeigt, wie sehr der durchschnittliche
Verbrauch von den Energiekennwerten abweicht.
Grafiken wie diese zeigen, dass viele Haushalte weniger verbrauchen, als ihre Energiekennwerte vermuten
Grafik 1
lassen. Das linke Diagramm in Grafik 1 zeigt, dass
einige Einzelhäuser nur zwischen 100-130 kWh/m2a
verbrauchen, obwohl deren Energiekennwerte bis zu
400 kWh/m2a betragen. Andere deutsche Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen (Kaßner et al.,
2010; Knissel and Loga, 2006; Knissel et al., 2006; Jagnow und Wolf, 2008; Loga et al., 2011). Für Gebäude
mit einem Energiekennwert von mehr als 100 kWh/m2a
ist der Effekt in allen diesen Studien belegt.
Außerdem variiert der x-Koeffizient der Regressionslinie
von 0,2 bis 0,5. Das lässt annehmen, dass jedes
Prozent Anstieg bei der thermischen Undichtigkeit deutscher Gebäude einem Anstieg des Heizenergieverbrauches von 0,2 bis 0,5 % entspricht.
Viertens scheinen Niedrigenergiehäuser am anderen
Ende der Skala im allgemeinen die gegenteilige
Tendenz, den Rebound-Effekt aufzuweisen. Das rechte
Streudiagramm in Grafik 1 zeigt, dass sich die Mehrheit
der Punkte im Bereich niedrigen Energieverbrauchs
oberhalb der Linie y=x befinden.
Das bedeutet, dass bei Niedrigenergiehäusern die tatsächlichen Verbräuche höher sind als die errechneten
Energiekennwerte. Andere Datenreihen bestätigen
diese Tendenz. Loga et al. (2011) zeigen, dass der
durchschnittliche gemessene Verbrauch bei Gebäuden
mit einem Energiekennwert von weniger als 50
kWh/m2a höher als der Energiekennwert.
Dies ist noch deutlicher (rund 65%) bei Gebäuden mit
einem Energiekennwert unter 75 kWh/m2a in der
Untersuchung von Kaßner et al. (2010). Andere Studien
zeigen eine vergleichbare, wenn auch weniger ausgeprägte Tendenz (Knissel et al. 2006).
Streudiagramme im Vergleich von gemessenen (vertikale Achse) und errechneten Energieverbräuchen
(horizontale Achse) in Einfamilienhäusern (links) und Mehrfamilienhäusern (rechts). Quelle: Erhorn (2007)
5
In einer Untersuchung über eine Siedlung mit von
Thomsen et al. (2005) so genannten Niedrigenergiesolargebäuden erweist sich der Heizenergieverbrauch
als zweimal so hoch wie der Energiekennwert.
Greller et al. (2010) haben den tatsächlichen Heizenergieverbrauch deutscher Gebäude nach Baujahren
untersucht. Sie stellen fest, dass die Bauvorschriften in
den letzten Jahren sukzessive verschärft wurden und
dass immer mehr der in den letzten Jahren errichteten
Gebäude die erforderlichen Standards realiter nicht
erreichen. Eine Ausnahme bildet eine Studie von Enseling und Hinz (2006) über eine kleine homogene Gruppe
von Gebäuden, wo der durchschnittliche Verbrauch
nach der energetischen Sanierung auf Niedrigenergiestandards sich im Rahmen der Energiekennwerte
bewegte.
Bei Passivhäusern ist die Tendenz jedoch nicht so
konsistent. Berndgen-Kaiser et al. (2007) kontrollierten
den Energieverbrauch von 700 Passivhäusern und 370
Niedrigenergiehäusern in Nordrhein-Westphalen. Die
gemessenen Heizenergieverbräuche von 57% der
Niedrigenergiehäuser und von 41% der Passivhäuser
lagen über dem Energiekennwert.
In Studien über kleine Passivhaussiedlungen von Maaß
et al. (2008) und Peper und Feist (2008) ergab sich,
dass der Verbrauch im Durchschnitt im Bereich der
errechneten Energiekennwerte lag. Das legt die
Schlussfolgerung nahe, dass Gebäude mit Energiekennwerten unter 100 kWh/m2a und herkömmlichen
Heizsystemen in der Tendenz mehr verbrauchen als
berechnet, und dass der Verbrauch bei Passivhäusern,
die nicht mehr solche Heizsysteme haben, sich kongruent zum Energiekennwert verhält.
Zudem ist festzustellen, dass sowohl bei Niedrigenergie- wie bei Passivhäusern die Verbrauchsvarianz
sehr groß ist. Es wäre ein Forschungsdesiderat, die
Gründe dafür zu untersuchen.
Ursachensuche: Woher kommt die Lücke?
Es kann unterschiedliche Gründe für die breite Lücke
zwischen Energiekennwerten und gemessenem
Verbrauch geben.
Der Energiekennwert basiert auf Standardrechenmethoden nach DIN V 4108-6:2003. Die Annahmen
bei dieser Rechenmethode könnten einfach falsch
oder unangemessen sein, etwa der Faktor, der für
Lüftungsverluste angesetzt wird (0,7 Luftwechselrate pro Stunde) oder die Standardinnentemperatur
(19oC).
6
Abweichungen, die bei älteren Gebäuden festgestellt
werden, könnten sich aus unkorrekten Annahmen bei
der Errechnung der Energiekennwerte erklären. So
können Lüftungsverluste durch große Ventilatoren oder
Wärmerückgewinnung kompensiert werden, und in
Einfamilienhäusern könnte ein großer Teil der Wohnfläche nur wenig genutzt werden.
Die Unfähigkeit von Standardrechenmodellen, das
Heizverhalten zu berücksichtigen, mag bis zu einem
gewissen Grad unvermeidlich sein. Allerdings wird in
der Praxis die hohe Diskrepanz zwischen den theoretischen Kennwerten und dem tatsächlichem Verbrauch
Verwirrung stiften, wenn etwa ein privater Haushalt die
Energiekennwerte nutzen muss, wenn er Förderanträge
stellt.
Auch wenn der deutsche Bausektor weniger Probleme
als etwa der in Großbritannien haben mag, Bauvorschriften korrekt zu erfüllen, könnte es auch in Deutschland einen Unterschied zwischen dem geplanten und
dem dann tatsächlichen umgesetzten Gebäudezustand
geben. Das kann Dämmung und Kältebrücken ebenso
betreffen wie die Gebäudetechnik, die anders als
geplant umgesetzt worden ist. Auch Energiekontrollgeräte wie Thermostate können falsch eingestellt sein.
Gleichwohl, selbst wenn es verschiedene praktische
und technische Gründe für die Lücke zwischen Energiekennwerten und praktischem Verbrauch gibt, liegt
es auf der Hand, dass das Heizverhalten der Bewohner zumindest einen Teil der Diskrepanz erklären
kann.
Erstens gibt es eine große Varianzbreite beim Heizenergieverbrauch bei Gebäuden mit identischen Energiekennwerten. Offenbar heizt eine Reihe von Haushalten
ihre Wohnungen weniger, oder in einigen Räumen
weniger oder während kürzerer Zeit - oder Kombinationen davon - als in den Berechnungen des Energiekennwertes angenommen wird (vgl. Gram-Hansen, 2010).
Zweitens ist ein konsistentes Muster zu erkennen, das
die Abnahme der Heizenergieverbrauches in energieineffizienten Gebäuden betrifft. Dieser Effekt wird im
folgenden Abschnitt behandelt.
Der Prebound-Effekt bei den Haushalten
Die oben zitierten deutschen Datenreihen zeigen, dass
der tatsächlich gemessene Heizenergieverbrauch der
privaten Haushalte im Durchschnitt 30% niedriger als
errechnet ist. Die Analyse deutscher Datenquellen, die
sowohl den Energiekennwert als auch die real gemessenen Verbräuche wiedergeben, legen die Vermutung
nahe, dass die Bewohner sich umso sparsamer beim
Heizen verhalten, je schlechter die thermische Qualität
des Gebäudes ist.
Dieses Phänomen wird von uns in Kontrastierung zum
bereits bekannten Rebound-Effekt als Prebound-Effekt
bezeichnet. Der Rebound-Effekt ergibt sich bekanntermaßen, wenn nach der Sanierung ein Teil der Energieeinsparung durch zusätzlichen Energieverbrauch
wettgemacht wird, z.B. durch „erhöhte Raumtemperatur
und Komfortansprüche, oder weil das eingesparte Geld
in neue Geräte und erhöhten Energieverbrauch gesteckt wird“ (Barker et al., 2007; Haas und Biermayr,
2000; Holm und Englund, 2009; Sorrell und Dimitropoulos, 2008).
Im Gegensatz dazu bezieht sich der Prebound-Effekt
auf die Situation vor einer energetischen Sanierung,
und er zeigt, wie viel weniger Energie verbraucht wird
als vermutet. Da Sanierungen keine Energie einsparen können, die gar nicht verbraucht wird, ergeben
sich Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit
energetischer Sanierungen.
Logo et a.. (2011) hat für Gebäude mit einem Energiekennwert über 100 kWh/m2a eine Darstellung entwickelt, die die Relation zwischen Energiekennwerten und
gemessenem Heizenergieverbrauch zeigt. Dabei zeigt
sich, dass ein Gebäude mit einem Energiekennwert von
500 kWh/m2a einen tatsächlichen Heizenergieverbrauch von 215 kWh/m2a haben wird. Gebäude mit
einem Energiekennwert von 200 kWh/m2a kommen auf
einen Heizenergieverbrauch von 145 kWh/m2a.
So könnte eine Faustregel entwickelt werden, um die
tatsächlichen durchschnittlichen Energieeinsparungen
zu berechnen, die sich aus Energieeffizienzmaßnahmen ergeben. Dabei gibt es selbstverständlich Abweichungen aufgrund von Art, Größe und Alter der
Gebäude.
Auf der Basis der Modellgleichung von Loga et al.
kommen wir für den Preboundeffekt auf die Formel:
P (%) = 100 [1,2 - 1,3 / (1 + Energiekennwert/500]
Wir zeigen dies in Grafik 2. Bei unserem Modell geht
der Prebound-Effekt auf Null, sobald ein Energiekennwert von 50 kWh/m2a erreicht ist. Darunter wird er
negativ, d.h. es kommt zum Rebound-Effekt.
Es muss hervorgehoben werden, dass der PreboundEffekt in der Tendenz ausgeprägter ist, je höher der
Energiekennwert ist.
Der Prebound-Effekt (nach Loga et al., 2011)
Es bedarf sozialwissenschaftlicher Forschung, die
dieses Phänomen untersucht und erklärt, wie die Bewohner es schaffen, in solchen energie-ineffizienten
Gebäuden zu leben. Außerdem wäre es interessant zu
begreifen, warum Haushalte, die sich höhere Heizstandards leisten könnten, es vorziehen, so wenig
Heizenergie in ihren nicht sanierten Gebäuden zu
verbrauchen.
Ein anderes Thema ist die Frage, worin ihre Energieeinsparstrategien bestehen, etwa wann und mit welchen Temperaturen sie welche Räume heizen, welche
Heizungseinstellungen sie wählen und wie häufig sie
lüften. Aber was nicht so bekannt ist, ist die Motivation:
Welche Gründe führen Bewohner privater Haushalte
zum sparsamen Umgang mit Energie?
Vergleich mit anderen europäischen Ländern
Zur Validierung wollen wir unsere Ergebnisse mit den
Forschungsergebnissen anderer westeuropäischer
Länder vergleichen. Die Literaturrecherche ergibt, dass
ähnliche Prebound-Phänomene auch bei niederländischen, britischen, belgischen und französischen Haushalten festgestellt wurden. Die Forschungsergebnisse
wurden im Januar 2012 in Amsterdam auf einem Workshop mit Tiglehaar und Menkveld (2011) und Cayre et
al. (2011) abgeglichen.
Niederländische Haushalte
In ihrer Analyse der Daten von 4700 Haushalten in den
Niederlanden fanden Tiglehaar und Menkveld (2011)
ein dem Prebound-Effekt vergleichbares Phänomen.
Sie nannten es „Heizfaktor“ und quantifizierten es
umgekehrt (Heizfaktor = 1 - Prebound-Effekt/100). Sie
bestimmten einen durchschnittlichen Heizfaktor von 0,7
(entsprechend einem Prebound-Effekt von 30%). Er
sank bei weniger energie-effizienten Gebäuden und
stieg bis auf 1,0 und höher bei Gebäuden mit höherer
Energieeffizienz.
Diese Ergebnisse entsprechen dem in Grafik 2
beschriebenen Prebound-Effekt. Tiglehaar und Menkveld (2011, S. 356) stellen fest, dass
Prebound-Effekt (%)
„Bewohner in energie-effizienten Gebäuden ein
energie-intensiveres Verhalten zeigen als Bewohner
von Gebäuden mit niedriger Energieeffizienz.“
Dies weist nach ihrem Urteil darauf hin, dass das
Einsparpotenzial von Wärmedämmung sehr stark
begrenzt ist.
Energiekennwert
Grafik 2
Der Prebound-Effekt nach Loga et al. (2011) mit Formel
P (%) = 100 [1,2 - 1,3 / (1 + Energiekennwert/500]
Britische Haushalte
In einer Studie zum Gebäudebestand in Großbritannien
fand Kelly (2011) eine Korrelation zwischen der Energieeffizienz von Gebäuden und ihrem Energiebedarf.
7
Kelly nutzte Daten von 2531 Gebäuden des English
House Condition Survey (EHCS) und entwickelte eine
Strukturgleichung, mit der interdependente Korrelationen einer Reihe von Faktoren mit dem Heizenergiebedarf in Beziehung gesetzt werden konnten. Er benutzt
dabei die Begrifflichkeit, „Bereitschaft, mehr (oder weniger) Energie zu verbrauchen“, für Faktoren, die nicht
von den physikalischen Parametern der Gebäude
abhängen (Raumtemperatur, Wohnfläche, Zahl der Bewohner und Einkommensniveau). Alle diese Faktoren
stehen nach Kelly in positiver Korrelation zum Energieverbrauch.
Gebäude mit einem hohen SAP-Wert haben die „Bereitschaft, mehr Energie zu verbrauchen“, während das
Gegenteil der Fall ist für Gebäude mit einem niedrigen
SAP-Wert. Anders ausgedrückt: je schlechter die
Energieklasse, umso niedriger der Energieverbrauch im
Verhältnis dazu - ähnlich wie in deutschen Haushalten.
Kelly folgert daraus , dass einerseits die Kosten für
weitere thermische Verbesserungen in Gebäuden mit
einem hohen SAP-Wert entsprechend dem Gesetz
sinkender Amortisation (vgl. Jakob, 2006) hoch sein
werden. Andererseits geht er davon aus, dass energetische Sanierungen in Gebäuden mit einem niedrigen
SAP-Wert zu einem Rebound-Effekt führen: zum
Anstieg der durchschnittlichen Raumtemperatur anstatt
zu verringertem Energieverbrauch.
Belgische Haushalte
Hens et al. (2010) analysierte eine Datenreihe mit Gebäudedaten und gemessenem Heizenergieverbrauch
von 964 belgischen Gebäuden, deren Heizverlustwerte
bekannt waren.
Er drückte die Energieklassen nicht in kWh/m2a aus,
sondern wählte als unabhängige Variable „spezifische
Wärmeverluste per m3 umfassten Volumens“ (STV) und
drückte dies als W/m3K aus. Dies ist der durchschnittliche U-Wert der Gebäudehülle, geteilt durch ihr Volumen
und multipliziert mit der Fläche der Gebäudehülle.
Man kann dies mit dem deutschen Energiekennwert
vergleichen, wobei der Vorteil dabei ist, dass es hier
keine impliziten Annahmen zum Standardheizverhalten
gibt. Als abhängige Variable wählten Hens et al. „Heizenergieverbrauch pro Volumenseinheit“ anstelle pro m2
Wohnfläche. Dies schließt Varianzen beim Energieverbrauch in Abhängigkeit von der Deckenhöhe ein. Die
Autoren setzen die Ergebnisse zum STV der 964
Gebäude in Beziehung.
8
Wir beobachten eine Ähnlichkeit in diesem Vorgehen
und dem Vergleich von verbrauchter Heizenergie und
Energiekennwerten deutscher Gebäude (Grafik 1).
Hens et al. entwickeln in einer Kurvendiskussion eine
Gleichung für den Rebound-Effekt . So nennen sie ihr
Ergebnis, obwohl es an sich der Prebound-Effekt ist,
den wir weiter oben beschrieben haben.
Er zeigt nämlich genau den Prozentsatz, zu dem der
tatsächliche Heizenergieverbrauch unter dem errechneten Wert liegt:
P (MJ/a) = 100 [1,355 (U/C)0,16 - 1]
Dabei ist U der Transmissionsverlust (W/m2K) und C die
Kompaktheit des Gebäudes, d.h. Volumen/Fläche der
Gebäudehülle.
Die Kurve gleicht der in Grafik 2, die nach Loga et al.
(2011) berechnet wurde. Je höher die Wärmeverluste
pro m3 (im Vergleich zu den Energiekennwerten) sind,
umso stärker weichen die gemessenen Verbräuche ab.
Die hier genutzte Gleichung kann auch darstellen,
inwieweit die geringen Wärmeverluste (= hohe Energieeffizienz) den Prebound-Effekt ins Negative bringen, wo
also der Rebound-Effekt einsetzt.
Prebound-Effekt und Transmissionsverluste - Belgien
Prebound-Effekt (%)
Die Energieeffizienz von Gebäuden werden in Großbritannien durch die Standard Assessment Procedure
(SAP) auf einer Skala von 1 bis 100 beschrieben. Dabei
ist in Umkehrung der Skalierung des deutschen Energiekennwertes der Wert 100 das energie-effizienteste
und 1 das energie-ineffizienteste Gebäude.
Grafik 3 Darstellung des Prebound-Effekts für 964
belgische Gebäude, nach Hens et al. (2010),
P (MJ/a) = 100 [1,355 (U/C)0,16 - 1]
Französische Haushalte
Cayre et al. (2011) setzten den gemessenen Heizenergieverbrauch in Bezug zum Diagnostic de performance énergetique (DPE). Dieser Wert wird in Frankreich für den Heizenergieverbrauch in privaten
Haushalten genutzt.
Anstelle von kWh/m2a gibt der DPE die MWh pro
Gebäude und Jahr an (MWh/dw.y). Dies erbringt mehr
Informationen über die Bewohner, denn die Heizkosten
hängen sowohl von der Größe des Gebäudes als auch
von dem Verbrauch pro Quadratmeter ab. So ist ein
direkter Vergleich von Ausgaben und der Gesamtenergieeffizienzklasse des Gebäudes möglich.
Zusätzlich setzten Cayre et al. den DPE (Energiekennwert) nicht nur zu den absoluten Heizenergiekosten in
Bezug, sondern auch zum Heizkostenanteil am
Gesamteinkommen des Haushalts. Sie setzten dies in
Bezug zur „Energieintensität“, wobei dieser Begriff dem
„Heizfaktor“ bei Tiglehaar und Menkveld (2011) entspricht.
Die Ergebnisse zeigen, dass französische Haushalte im
Schnitt 2 bis 5 % des Haushaltseinkommens für Heizenergie ausgeben und eine Energieintensität von 0,6
erreichen (entsprechend einem Prebound-Effekt von
40%). In einigen Fällen, wo das Haushaltseinkommen
niedrig ist, erreichen die Haushalte nicht einmal eine
Energieintensität von 0,5, obwohl sie bis zu 5% ihres
Einkommens dafür aufbringen. Haushalte in besseren
Gebäuden, oder die höhere Einkommen haben,
erreichen eine Energieintensität von 0,8 bis 1,0 (mit
einer Varianz von Prebound-Effekten von 20% bis zu
Rebound-Effekten von 10%).
Die mittlere Energieintensität beträgt 0,6 (entsprechend
einem Prebound-Effekt von 40%), und die Haushalte
verbrauchen im Schnitt 3% ihres Einkommens für Heizenergie. Energetische Sanierungen führen dazu, dass
die Haushalte einen geringeren Teil ihres Einkommens
für Heizzwecke ausgeben und gleichzeitig die Raumtemperatur erhöhen.
Bei Haushalten mit niedrigem Einkommen in thermisch
defizitären Gebäuden könnte eine maßvolle energetische Sanierung die Energieintensität auf einen Wert
von 0,6 bringen und den Anteil am Haushaltseinkommen auf 3% senken. Für alle anderen Haushalte ergibt
sich, dass jegliche Art energetischer Sanierung zu
unterschiedlichen Ausprägungen erhöhter Energieintensität und einem geringeren Heizkostenanteil am
Haushaltseinkommen führt.
Dieses Szenario steht im Gegensatz zur deutschen
Politik, deren Annahme es ist, dass alle Gebäude sich
bereits auf einer Energieintensität von 1 (als gäbe es
keinen Prebound-Effekt) bewegen und dass nach einer
energetischen Sanierung auf einen bestimmten
Standard die Haushalte ihren Heizenergieverbrauch
proportional zum Energieeffizienzgewinn verringern
würden. Man könnte jedoch einwenden, dass die
beschriebenen Effekte (im französischen Fall,
Anm.d.Ü.) lediglich das aktuelle Verhalten der privaten
Haushalte wiedergeben und nicht darauf abstellen, wie
sich das Verhalten nach einer energetischen Sanierung
verändern könnte.
Politische Implikationen
In Deutschland stehen die Vorschriften der thermischen
Standards der EnEV im Vorbehalt ihrer Wirtschaftlichkeit, so dass die Amortisationsdauer 25 Jahre nicht
überschreiten sollte.
Eine Reihe deutscher Wissenschaftler beginnen indes
Kritik daran zu üben, wie politische Entscheider in
Deutschland die Wirtschaftlichkeit berechnen: sie
basierten auf den Energiekennwerten aufgrund der
falschen Annahme, dass diese den tatsächlichen
Verbräuchen entsprechen (GdW, 2011; Gerth et al.,
2011; Schröder et al., 2010, 2011; Walberg, 2011; Walberg et al., 2011).
Die vorliegende Studie kommt zu dem Schluss, dass
der tatsächliche Heizenergieverbrauch im Durchschnitt
30% niedriger ist, als die Energiekennwerte der
Gebäude annehmen ließen. Daraus ergibt sich, dass
der Unterschied zwischen tatsächlichem Verbrauch und
Energiekennwerten wahrscheinlich die errechneten
Energieeinsparungen energetischer Sanierung wettmachen. Dies zeigen wir schematisch in Grafik 4.
Heizenergieverbrauch
kWh/m2a
Energiekennwert
vor Sanierung
errechnete
Energieeinsparung
Energiekennwert
nach Sanierung
tatsächliche
Energieeinsparung
PreboundEffekt
ReboundEffekt
Grafik 4 Begrenzung des theoretischen Energieeinsparpotenzials durch den Prebound-Effekt und den
Rebound-Effekt
Die deutsche Politik zielt darauf ab, den Heizenergieverbrauch bis 2050 um 80% zu reduzieren (Umweltbundesamt (UBA), 2007; Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), 2007; Tiefensee, 2006). Das bedeutet, dass der tatsächliche
Heizenergieverbrauch bis auf einen Durchschnitt von
30 kWh/m2a gesenkt werden muss. Die Grenzkosten
einer Sanierung auf diesen Standard können extrem
hoch sein (Galvin, 2010; Jakob, 2006; Tschimpke et al.,
2011).
Schröder et al. (2010, 2011) haben gezeigt, dass ökomisch machbare Energieeinsparungen durch maßvolle
energetische Sanierungen auf einen Wert von etwa
25% bis 35% hinausliefen (ähnlich Sunikka-Blank and
Galvin, 2012), und nicht auf 70% bis 80%, wie es
die deutsche Politik postuliert (BMVBS, 2009a; DENA,
2011).
Vor diesem Hintergrund ist die politische Frage nach
den Kosten von CO2-Vermeidung zu stellen. Beim dem
von der EnEV verlangten Sanierungsstandard entspre9
chen die Kosten pro eingesparter kWh über die Laufzeit
der Sanierung dem Energiepreis, gegenwärtig also
0,069 € pro kWh. Bei einer CO2-Emissionsrate von 0,26
kg pro eingesparter kWh ergäbe das 265€ für jede eingesparte Tonne CO2.
Wenn die Energieeinsparung aber tatsächlich nur die
Hälfte der errechneten Einsparung ausmacht (wie es
unsere Analyse vielfach zeigt), würden sich die Kosten
pro eingesparter kWh auf 0,138 € verdoppeln, und die
eingesparte Tonne CO2 würde 530€ kosten. Da die
Hälfte der Kosten durch Energieeinsparungen aufgewogen würde, beliefen sich die Nettokosten pro eingesparter Tonne CO2 auf 265€. Dies sind zehnmal höhere
Kosten als beispielsweise bei der Modernisierung eines
gasbetriebenen Elektrokraftwerkes in Westeuropa pro
Tonne entstünden, und 20 mal mehr als der gleiche Vorgang in Osteuropa kosten würde(Sinn, 2008).
Empirische Studien zeigen jedoch, dass es möglich ist,
deutsche Gebäude in bescheidenem Umfang, also
unter EnEV-Standards, zu renovieren, und dass dabei
positive Einsparungen erreicht werden können (Michelsen and Müller-Michelsen, 2010). So sind in der jüngsten Zeit bei politischen Planungen, die die Sanierung
von Dachböden auf einen gewissen Standard vorsahen, deutsche Politiker von der harten Linie abgewichen
und haben schrittweise Dämmmaßnahmen für den Fall
erlaubt, wo die Gebäudestruktur den Standard von
22cm-Dämmung unmöglich machte (GdW, 2010) .
Dies ist ein Beispiel dafür, wie Vorschriften für den
Gebäudebestand besser an die Gebäudestruktur und
die Bewohner angepasst werden könnten. Der nächste
Schritt bestünde darin, die Vorschriften für energetische Sanierung wie in der EnEV so zu formulieren,
dass anstatt drakonischer Vorschriften ökonomisch
effiziente und aufwachsende Maßnahmen möglich
würden, die dem tatsächlichen Zustand der Gebäude entsprechen und die Heizmuster optimieren.
In Ergänzung zum Ordnungsrecht erweisen sich
Steueranreize und wirtschaftliche Zwänge als Schlüsselantriebsfaktoren beim Heizverhalten. In einer Untersuchung von Hacke (2007) wird klar, das für
einkommensschwache Bewohner in Deutschland die
Heizenergiekosten der entscheidende Parameter für
das Heizverhalten ist.
Rehdanz (2007) vergleicht Untersuchungen zur Energiepreisflexibilität in den Niederlanden, Dänemark und
Großbritannien und bemerkt eine durchschnittliche
Flexibilität von -0,35% auf -0,65%. Dies bedeutet, dass
für jedes Prozent Energiepreiserhöhung der Energieverbrauch um 0,35% auf 0,65% sank. Die Studie von
Rehdanz über Ausgaben deutscher Haushalte für
Heizung und Warmwasser kommt zu vergleichbaren
Ergebnissen.
10
Für Großbritannien belegt eine Studie von Summerfield
et al. (2010), dass der Energieverbrauch hier relativ
unelastisch ist. Die durchschnittliche Preiselastizität
beträgt nur -0,20. Ein 50-prozentiger Anstieg der Energiepreise (wie er 2008 beim Gaspreis innerhalb nur
eines Jahres stattfand) führte zu einem etwa 10-prozentigen Rückgang in der Energienachfrage. Dies wird bei
Hunt et al. (2003) bestätigt.
Die aktuellen Untersuchungen der Autoren zu
Heiztrends in deutschen Haushalten für die Jahre 20022010 legen nahe, dass die jährliche Preiselastizität
insgesamt -0,50 betrug, und für Haushalte ohne
energetische Sanierungsmaßnahmen -0,49 (SunikkaBlank und Galvin, 2012).
Es könnte eine Korrelation zwischen dem PreboundEffekt und dem Haushaltseinkommen, Energieabrechnungen daraus folgenden Energiepreisen geben. Im
Durchschnitt geben deutsche Haushalte jährlich etwa
880€ für Raum- und Warmwasserheizung aus (Galvin
und Sunikka-Blank, 2012). Die Analyse deutscher
Datenreihen zeigt, dass die Verteilung des Heizenergieverbrauches pro Quadratmeter Wohnfläche eine
kleinere Standardvarianz hat (40%) als die der Energiekennwerte (60%).
Dies legt nahe, dass die Bewohner bewusstermaßen
ihr Haushaltseinkommen so ausgeben, dass ein konsistenter Mittelwert für die Energieausgaben bei allen
Energiekennwerten entsteht. Es würde Sinn machen zu
untersuchen, in welchem Maße sowohl der PreboundEffekt als auch der Rebound-Effekt zumindest partiell
auf einer festen Entscheidung der Haushalte beruht,
einen definierten Teil ihres Einkommens für Heizenergie
auszugeben. Das so gewonnene Wissen könnte bei der
Formulierung von Energiepolitik dafür verwandt werden,
auf Verhalten und Energieeinsparung Einfluss zu
nehmen.
Die Forschungsergebnisse dieser Studie wurden im
Januar 2012 in Berlin mit einer Reihe von politischen
Entscheidern diskutiert: Bundestagsabgeordneten von
CDU und SPD, wissenschaftlichen Mitarbeitern von
Abgeordneten der Grünen, Mitarbeitern der GdW
(Gemeinschaft der Wohneigentümer), mit einem
Gebäudeexperten der DENA und wissenschaftlichen
Mitarbeitern des NABU.
Das Ergebnis dieser Gespräche zeigt: allmählich
wächst das Verständnis dafür, dass die deutschen
CO2-Reduktionsziele im Bereiche der Heizenergie
nicht durch immer höhere Standards bei der Dicke
der Dämmschichten erreicht werden können. Die
Sanierungsstandards sollten 2012 um weitere 30% verschärft werden, doch unsere Gespräche ergaben, dass
die politischen Entscheider immer größere Abneigung
entwickeln, dies zuzulassen.
In der Tat hat eine neuere Studie von Tschimpke et al.
(2011) ergeben, dass die Kosten, wenn es denn technisch möglich wäre, den gesamten Gebäudebestand
doppelt so stark zu sanieren wie bisher, um ein Vielfaches höher wären, als der Staat und die Hausbesitzer
es sich leisten könnten. Gleichzeitig würden so Mittel
von ökonomisch sinnvolleren CO2-Einsparprojekten
abgezogen.
Einige Politiker sehen dies als Chance, alternativ
darüber nachzudenken, wie andere Konzepte wie etwa
ein Mix bescheidenerer Sanierungsmaßnahmen und
zielgerichtete Verhaltensänderungskampagnen die
Einsparung erhöhen könnten. Die dominierende
Sichtweise scheint jedoch noch immer folgende zu
sein: Wenn der technische Lösungsweg nicht
adäquat funktioniert, muss eben umso stärker versucht werden, ihn in Gang zu bringen. Diese Sichtweise wird durch die staatliche Förderpolitik unterstützt.
Schlussfolgerungen
Diese Studie untersuchte existierende Datenreihen, die
sowohl Werte für den errechneten Heiz- und Warmwasserenergieverbrauch deutscher Gebäude enthielten
(Energiekennwerte) als auch die tatsächlich gemessenen Verbräuche. Auf der Basis der Energiekennwerte
und der realen Verbräuche von 3400 deutschen Gebäuden (siehe Tabelle 1) bringt unsere Analyse vier Kernergebnisse, die ähnlich auch in den Niederlanden,
Belgien, Frankreich und Großbritannien zu beobachten
sind:
• Erstens ist eine große Varianz beim Heizenergieverbrauch (kWh/m2a) von Gebäuden mit identische Energiekennwerten zu beobachten.
• Zweitens liegt der durchschnittlich gemessene tatsächliche Energieverbrauch 30% unter dem Energiekennwert. Diese Lücke zwischen errechneten und
gemessenen Energieverbräuchen kann technisch
erklärt werden, etwa durch fehlerhafte Annahmen bei
den Algorithmen der Energieklassifizierung nach DIN
(DIN V 4108-6:2003). Es ist jedoch wahrscheinlich,
dass diese Lücke zumindest teilweise auf unterschiedliches Heizverhalten zurückzuführen ist.
• Drittens scheint diese Lücke zwischen errechnetem
und tatsächlichem Verbrauch mit der Höhe des Energiekennwertes zuzunehmen. Die Lücke beträgt 17% bei
einem Energiekennwert von 150 kWh/m2a und 60% bei
einem Energiekennwert von 500 kWh/m2a (PreboundEffekt)
• Viertens ergibt sich für Gebäude mit einem Energiekennwert unter 100 kWh/m2a, dass sich dieser Trend
umkehrt und die Bewohner mehr verbrauchen, als dem
Energiekennwert entspräche (Rebound-Effekt).
Die Analyse der deutschen Datenreihen zeigt, dass sich
die Bewohner im Allgemeinen umso energiebewusster
bezüglich ihres Heizenergieverbrauches verhalten, je
schlechter ihr Gebäude in thermischer Hinsicht ist.
Da durch Sanierungsmaßnahmen keine Energie eingespart werden kann, die in Wahrheit gar nicht verbraucht
wird, wird dieses Phänomen als Prebound-Effekt
bezeichnet. Hierbei wird weniger Energie verbraucht als
errechnet, und das hat Implikationen für die ökonomische Machbarkeit von thermischen Sanierungsmaßnahmen.
Die Ergebnisse sind eine Herausforderung für die
vorherrschende politische Sichtweise in Deutschland, derzufolge erhebliche Energieeinsparungen
erreicht werden können, wenn man sich nur auf die
technischen Aspekte energetischer Sanierung konzentriert und extrem hohe thermische Standards einfordert.
Die von uns identifizierte Lücke zwischen theoretischem
und tatsächlichem Energieverbrauch zeigt, dass
ökonomisch sinnvolle Energieeinsparungen beim
Heizenergieverbrauch privater Haushalte ein erheblich kleineres Potenzial haben, als es der politische
Diskurs in Deutschland annimmt.
Die verbreitete Praxis, die Energieeinsparungen durch
energetische Sanierungen auf der Basis des theoretischen Energiekennwertes zu berechnen, führt dazu,
dass das Einsparungspotenzial überschätzt wird.
Dies liegt an den Annahmen, die zur Ermittlung des
Energiekennwertes herangezogen werden. Selbst
wenn es der deutschen Regierung gelingen würde, alle
Bestandsgebäude auf EnEV-Standards zu ertüchtigen,
würde die von uns festgestellte Lücke dazu führen, dass
in Wahrheit nur die Hälfte der erhofften Energieeinsparung erzielt wird, und dass wegen zahlreicher technischer Schwierigkeiten bei vielen Gebäuden die Kosten
für die privaten Haushalte inakzeptabel hoch wären.
Unsere Analyse der deutschen Politik auf Bundesebene
und die Gespräche mit politischen Entscheidern im
Januar 2012 zeigten uns, dass nicht-technische
Faktoren wie Verhalten vermutlich nicht ausreichend bei der Formulierung effektiver energetischer
Sanierungsvorschriften berücksichtigt wurden.
Die EnEV enthält rigide Vorschriften für thermische
Sanierung im Gebäudebestand, und in manchen Fällen
wird sie Hauseigentümer davon abhalten, ihre Sanierungsabsichten an das angesichts ihrer Heizgewohnheiten und Einkommensverhältnisse für sie ökonomisch
Machbare anzupassen.
Ausgesprochen drakonische thermische Standards
können real die Menge eingesparter Energie bei den
privaten Haushalten verringern.
11
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Kontakt zu den Autoren:
Minna Sunikka-Blank und Ray Galvin
Department of Architecture,University of Cambridge,1-5 ScroopeTerrace,Cambridge CB21PX,UK
E-mails: mms45@cam.ac.uk und rg445@cam.ac.uk
Kontakt für die deutsche Fassung:
Rainer Scheppelmann
Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
Leitstelle Klimaschutz
Stadthausbrücke 8
20355 Hamburg
E-Mail: rainer.scheppelmann@hamburg.de
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