Berlin – Zentrum der Macht - Axel-Springer

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Berlin – Zentrum der Macht - Axel-Springer
12 Report
*
fl
Sonntag, 16. November 2008
Berlin, Zentru
Wenn sie da ist, vibriert
das Haus. Bundeskanzlerin Angela Merkel
nach einer hitzigen
Debatte im Bundestag.
Die Koalitions-Abgeordneten scharen sich
um ihren Star. Und sie
lächelt, als wisse sie
mehr
Wie Politik wirklich funktioniert. Die Z-Reporter Jan Rentzow (Text) und Falko Siewert
ein exklusives Porträt der großen und kleinen Deutschlandlenker. So nah und so menschlic
José Cases (39) steht in der den Besuchern mit den grünen. Der einzige Linke beim FC BunUmkleidekabine des Deut- Wenn er auf den Türmen die destag spielt im Mittelfeld halb
schen Bundestages und ist Flaggen hisst oder irgendwo rechts. Wenn er trifft, jubeln seiDeutschland. Die Hosenträger wartet, in den Katakomben un- ne Kumpels, auch die von der
in schwarz-rot-gold. Die schö- ter der Spree. Immer, wenn je- CDU.
nen Knöpfe mit dem Bundes- mand anruft.
***
***
adler drauf, die feine Fliege
Im Parlament zu arbeiten, ist
seiner Uniform.
Die Z durfte exklusiv hin- mehr als ein Job. Das Zentrum
Stolz wie ein Torero guckt er ter die Kulissen des Parla- der Macht macht süchtig. „Wer
sich an und kann nicht anders. ments – keine Tageszeitung einmal im Plenum sitzt, ist infi„Ja, du bist es“, sagt er. Seine Au- durfte je so frei hier recher- ziert“, sagt Bärbel Heising, Stegen leuchten, der Bauch ist ein- chieren. Woher kommt das Hä- nografin, auch für die Reden der
gezogen.
„Du bist
ein Teil
vom Bundestag.“
Dann verschwindet
er in den
Gängen.
Es heißt,
Frau Merkel
soll
gleich
Alles perfekt? Letzte Handgriffe der
Bulette Präsidial. Björn Waßmuth (27) ist
kommen. Chefkoch im Deutschen Bundestag
Saaldiener am Präsidententisch
Er hat
schon den Dalai Lama durchs keldeckchen auf dem Präsiden- Kanzlerin. 500 Silben in der MiHaus geführt, den berühmten tentisch? Von einem alten Ple- nute kann sie schreiben. Ihre genarsekretär in Bonn. Wie putzt sammelten Codes sind das
Geistlichen, an seinem Arm.
Wenn die Bundeskanzlerin man mit Stil? Mit schwarz-rot- Drehbuch jeder Kampf-Debatte.
die Ohren spitzt, vielleicht kann goldenen Staubwedeln. Warum Die mächtigste Frau der Welt in
sie seine Tochter Larissa (8) als darf die deutsche Flagge den Bo- Schnellschrift-Präzision. Heising
Klingelton hören. „Papa. Dein den vorm Eingang nicht berüh- guckt auf den DeutschlandTelefon klingelt. Kling. Kling!“, ren? Eine Frage der Symbolik. Parkplatz. Blitzende Limousisagt ihre süße Stimme, wenn er Es sind die Saaldiener, die Bun- nen, Audi, BMW, Mercedes, der
oben ist, auf der Plenar-Etage destagspräsident Norbert Lam- Fuhrpark der Mächtigen mit
mit den blauen Türen oder bei mert seine Bleistifte anspitzen. Blaulicht auf dem Dach – dane-
ben, an die Wand gelehnt, ein
Fahrrad. Es könnte Sabine
Arends (43) gehören, der Dame
von der Ausgabe in der Bibliothek. „Ich wohne hier in Mitte,
komme mit dem Rad.“
Mehr als 6000 Menschen drehen sich mit in der Maschine
der Macht, verbrauchen 87,5
Millionen Blatt Papier im Jahr.
612 Abgeordnete, gewählt vom
Deutschen Volke, haben im
hart debattiert, über die CastorWut von Gorleben gestritten.
Den Stand der Deutschen Einheit, das Kindergeld. Mittwochnacht um 1.00 Uhr standen
mehr Rechte für Behinderte auf
der Tagesordnung. Donnerstagnachmittag der Verkehrsminister auf der Abschussliste. Und
um die Soldaten in Afghanistan
ging es auch noch – Verlängerung des umstrittenen Mandats
bis Ende nächsten Jahres.
***
Hektisch eilen Mitarbeiter
über die Flure,
huschen
mit
Kaffeetassen in
die Toiletten –
zum
Spülen.
Friedrich Merz
steht am Schuhputzautomaten
Gut im Schuss. Am Dienstagabend kickt
im
Untergeder Bundestag mit vollem Körpereinsatz
schoss, eine ReiBundestag Büros – im Schnitt 52 segruppe aus Baden-WürttemQuadratmeter groß. Von ihren berg staunt: Hier unten kann
Fähigkeiten hängt Deutschland man sogar Flüge buchen. Beim
ab. Und von ihren Stimmungen. Quick-Check-Inn der Lufthansa.
„Dem Deutschen Volke“ steht Es gab doch mal den Wischam West-Portal. Ein großes Test, Kokain-Spuren auf dem
Wort, wenn man darüber nach- Bundestags-Klo. Sucht die Bundenkt.
destagspolizei die Toiletten der
***
Abgeordneten nach Drogen ab?
Über die Terrorbekämpfung Chefin Thea Bontjes (44):
des BKA wurde diese Woche „Nein!“
Sonntag, 16. November 2008
Report 13
*
um der Macht
Wenn er so aussieht,
stimmt einfach alles.
José Cases (39) , Saaldiener im Deutschen
Bundestag bei Dienstantritt. Manchmal kann
er sein Glück gar nicht
fassen, dass er ein Teil
sein darf der Maschinerie Bundespolitik
***
Zehn Uhr. Saaldienerin Sabine
Bruhs, die so schöne Knickse
machen kann, steht wie eine Stewardess, kerzengerade, mit Rock
und Einstecktuch vor dem
Osteingang. Der norwegische
Parlamentspräsident
kommt
gleich, der Hausfotograf, die Sicherheitsleute, alle warten nur
noch auf Norbert Lammert, den
Hausherren. „Sabine, du musst
ihn begrüßen, du musst ihn begrüßen, wenn der jetzt nicht
kommt. Ruf doch mal oben an!“,
fordert eine Kollegin. Doch dann
läuft der Bundestagspräsident
die Treppe runter, fröhlich fragt
er: „Sitzt meine Krawatte ordentlich?“ Und die beiden Saaldienerinnen , die offiziell Plenarassistentinnen heißen, rufen erleichtert im Chor: „Guten Morgen,
Herr Präsident!“ Punkt-Landung,
pünktlich zum Shakehands mit
Norwegen. Ein guter Morgen.
***
Am Nachmittag sitzt die Kanzlerin auf der Regierungsbank
und will gar nicht mehr aufstehen. Angela Merkel spricht mit
Bildungsministerin
Annette
Schavan. Wie staatsmännisch sie
sich die Haare hinter die Ohren
streicht, nur manchmal lächelt
sie. „Ich mache dann mal los.
Komme aber nachher wieder
Fortsetzung auf Seite 14
Wo der Präsident die Selters hat
Die Flaggen auf den
Türmen sind 35
Quadratmeter groß.
Zerfleddern zuerst
an den Spitzen
Angela Merkel hat
ein Büro im ersten
Stock, nutzt es aber
nur selten
Schuhe sauber? Der
Putz-Automat am Durchgang ins Jakob-KaiserHaus wird fast nur von
Touristen genutzt
174 Scheinwerfer
leuchten im Plenarsaal, am Rednerpult mit 700 Lux
Ins KäferRestaurant
dürfen nur
Parlamentarier und ihre
Gäste
Der Bundestag,
hier
wird Zukunft gemacht. Und von
der Dachkuppel guckt
die Welt mittenrein. Alle 612
Abgeordneten können rund
um die Uhr ihre Büros in Anspruch nehmen. 27 Millionen
Touristen waren schon da,
seit das Parlament 1999 einge-
Im Plenarsaal gibt
es einen Kühlschrank: ist aber
nur Selters drin
An den Gängen
im Erdgeschoss
und im ersten
Stock kleben
die GraffitiInschriften
russischer
WeltkriegsSoldaten
Parlamentspräsident Lammerts
Schreibtisch steht
im 2. OG
zogen ist, etwa drei Millionen
auch dieses Jahr. Der letzte
Abgeordnete, der ausschied,
war Horst Seehofer, jetzt baye-
rischer
Ministerpräsident.
2637 Menschen arbeiten in
der Verwaltung des Parlamentes, etwa 2700 für die Abgeord-
neten und noch einmal 900 in
den Fraktionen. Siebeneinhalb
Stunden dauert eine Plenarsitzung im Schnitt. Der letzte
Einlass zur Kuppel ist abends
um 22 Uhr.
GRAFIK: KIRCHER/BURGHARDT
t (Fotos) zeichnen
ch wie nie
14 Report
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Sonntag, 16. November 2008
Selbst der Staubwedel passt perfekt in
das Gefühl Deutscher Bundestag.
„Der macht gut
sauber", sagt die
Putzfrau im JakobKaiser-Haus und
lächelt verlegen.
„Wirklich gut."
Das Gefühl Schwarz-RotGold regiert auf jedem Flur
Fortsetzung von Seite 13 12
zum Klatschen“, sagt ein
CDU-Bundestagsabgeordneter
draußen in der Wandelhalle
zu einem der Saaldiener. Verständnisvolles
Kopfnicken.
Der Ton, manchmal ist er sehr
vertraut zwischen Saaldienern
und Volksdienern.
***
Sonne überm Reichstag, 20
Stunden später. Heidemarie
Wieczorek-Zeul, die Ministerin
für Entwicklungshilfe, steht in
der Kantinen-Schlange des
Bundestages, der wahrscheinlich wichtigsten Buletten-Zone
der Republik, und wedelt mit
einem 50-Euro-Schein. „Ein
Toast“, ruft sie „ein Toast!“
„Nicht alles durcheinander
hier!“, zischt die Büffet-Dame,
und die hungrige Ministerin
muss warten. Franz Müntefering
Kanzlerkandidat und
Kanzlerin.
Angela
Merkel und
Frank-Walter
Steinmeier
hat’s noch eiliger. Der SPDChef schießt, eine Akte in der
Hand, alleine am Osteingang
die Treppen hoch.
***
„Da oben kann die Welt abbrennen, und wir sitzen hier
unten und kriegen das nicht
mit“, sagen ein paar Meter
weiter die, die ganz unten sind
im Deutschen Bundestag.
Zweites Untergeschoss. Elisabeth-Lüders-Haus, 12 Meter
unter der Erde. Jede Menge
Cremes auf dem Pausentisch,
damit die Hände schön feucht
bleiben. Es sind Gabriele (51)
und Matthias (37), die Mitarbeiter des Magazins – stolz auf
ihren Kellerjob in einer der
größten Parlamentsbüchereien der Welt. „Das ahnt doch
keiner, dass hier unten noch
welche sitzen.“
***
14.25 Uhr. Alle hetzen jetzt
ins Parlament. Die Besucher
oben lehnen sich ganz nach
vorne, um den besten Blick zu
haben, auf Minister Tiefensee.
Ein Abwahlantrag ist gestellt,
weil er die Prämiengier beim
Bahnvorstand nicht bremste.
„Ich werde dann mal reingehen, den Tiefensee retten“,
sagt ein CDU-Abgeordneter
und verschwindet für den Rest
des Tages im Plenum. Die
Kampflinien sind jetzt wieder
die aus der Tagesschau: Ein
Abgeordneter aus der FDP,
der gestern Abend mit einem
Kollegen aus der CDU auf einem
Lobby-Abend
war,
stimmt gleich gegen den Minister, der andere für ihn. Am
Ende steht es 414 zu 156. Tiefensee bleibt.
***
Zu viel Politik macht krank.
„Viele Parlamentarier vergessen über ihre Arbeit die Gesundheit“, sagt Doktor Barbara Vonneguth-Günther, die
Parlamentsärztin im Erdgeschoss. Kandinsky im Warteraum. „Bluthochdruck, verschleppte Atemwegserkrankungen, Lungenentzündungen,
Diabetes,
Rückenschmerzen. Das sind
die häufigsten Beschwerden
der Parlamentarier“, sagt sie.
Um manche macht sie sich
ernsthafte Sorgen.
***
José Cases, dem Mann, der
für Deutschland Schwarz-RotGold anlegt, beim Flaggenwechsel. Auf einer ist KrähenKot. „Krk, krk, machen die und
lachen mich von oben an.“
Einmal wollte er ein Foto. Mit
Gerhard Schröder. Für die Mama. „Er sagte: ‚Kommen Sie!’
und hielt mich fest. Er fragte:
‚Was wird sie sagen, wer das
ist, dieser Kauz neben Ihnen?’
Ich habe nur gesagt: ‚Da wird
mir schon was einfallen’ und
wir haben beide gelacht.“ Ein-
mal hätte er den Kanzler fast
überfahren, als der zu Fuß rüberkam vom Kanzleramt und
er mit dem Wagen aus der
Tiefgarage bog. „Da blieb mir
vielleicht das Herz stehen.“
Frau Merkel komme häufiger
mit dem Wagen. Das ist wohl
sicherer für sie.
***
Als wir uns am Abend aus
dem Bundestag verabschieden, fragt uns noch eine Mitarbeiterin der Verwaltung:
„Finden Sie nicht auch? Am
Ende sind die hier drinnen
ganz normal.“
Hinter den Kulissen der
Demokratie. Ab morgen
die große Z-Serie
Berlin, Zentrum der Macht
und die Z mittendrin. In einer bisher einmaligen Serie berichten wir ab morgen über die
Geheimnisse aus
dem Mekka der
Mächtigen. Wie
die Stenografin
mit Angela Merkel
mithält. Wie die
Katakomben des
Reichstags wirklich sind. Und warum der Parlaments-Koch Buletten hasst,
und trotzdem die besten
macht. Doch damit nicht ge-
nug: In der Woche darauf erfahren Sie alles über die Stadt
und wie die Politik sie regiert.
Wo isst die Bundeskanzlerin?
Wie wohnt ein
Abgeordneter?
Wer versteht
sich mit wem
und warum? Sie
wollen wissen,
wie stressig der
Alltag eines
Abgeordneten ist? Und wer der
heimliche Ballack beim FC
Bundestag ist? Lesen Sie, Ihre
Z!
12 Serie
*
fl
Montag, 17. November 2008
Diese Frau ist das
Gedächtnis von
Schwarz-Rot-Gold
Dr. Bärbel Heising (47)
schreibt mit, wenn
Merkel im Bundestag
redet. Wer klatscht wie
stark? Wer guckt wen
an? Auch das kommt ins
Protokoll
:
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eigentlich?
„Merkel“
Totale Konzentration. Stenografin
Dr. Bärbel Heising
(47) schreibt im
Takt der Mächtigen.
Bis zu 500 Silben in
der Minute
Die kleine
Nase heißt:
„Bundesregierung“
Zeichen für
ase
Die lange Nteu
„d
heißt:
sches Volk“
VON
JAN RENTZOW
Ihre Finger flitzen über
das Papier wie die einer
Klavierspielerin über die
Tasten. „Pass auf deine Steno-Hand auf“, sagt ihr
Mann, wenn sie Tennis spielen. Dr. Bärbel Heising (47),
studierte Germanistin, die
Frau, die mit Angela Merkel
mithält.
„Meine Arbeit ist Hochkonzentration. Ich bin dann nur
noch im Hier und Jetzt. Das
ist ein Fluss“, sagt die Stenografin des Bundestages, der
nichts, keine Beleidigung, kein
„Hört, hört!“, kein Mucks in
der Tagesschau-Welt des Parlaments entgeht. Ypsilanti
schreibt sie mit Steno-Ü, das
Kohl von Helmut ist ein
Strich, das Schmidt von Helmut Schmidt ein Punkt. Weltpolitik in Bundestags-Kringeln und Codes. „Wollen Sie
mal sehen, wie das geht?“,
fragt sie uns, als wir sie besuchen dürfen. „Kurze Worte
bringen nicht viel. Lange Worte, da kommt der Kick rein.
hleife
Die linke Sc/CSU“,
U
D
„C
t
heiß
PD“
die rechte „S
Ich
habe
Abkürzungen
für Buchstaben, Buchstabenfolgen wie SCH
oder ST, ganze Wörter. Hier ist
mal eine Rede von Frau Merkel ...“
Dann erklärt sie: Die Stenografen huschen von links ins
Plenum, vorbei an der Regierungsbank. Fünf Minuten, bis
zu 500 Silben pro Minute, zehnmal mehr als Normalos, schaffen sie. Heising ist Revisorin,
kontrolliert die Arbeit der Kollegen. Sie kommt von rechts ins
Parlament, bleibt länger – eine
halbe Stunde. Die 612 Abgeordneten mögen es nicht, wenn
man ihnen im Weg rumsteht.
Auffallen für Stenografen verboten!
„Wir sind ein Team von 30
Leuten“, sagt sie. „Die Nachwelt
soll sehen, worum es gegangen
ist.“ Es ist eine riesige Verant-
wortung, erste Chronistin zu
sein, wenn Geschichte passiert.
Heising, Herrin des Stiftes.
Mit 13 hat sie das SchnellSchreiben angefangen. Aus
Spaß, abgeguckt von einer
Tante. Fünf Jahre später war sie
Deutsche Meisterin im Wettschreiben. Schwarz-Rot-Gold
kann nur funktionieren, weil es
Wettschreib-Vereine gibt wie
Dortmund 1864 und Trainer, die
Talente wie Heising hart ran
nehmen. „Manchmal ist es so,
dass ein Politiker eine Pause
Damals in Bonn. Als SPD-Chef Herbert
Wehner seine Stieftochter heiratete
gen CDU-Abgeordneten Jürgen Todenhöfer (CDU) als
„Hodentöter“ oder Jürgen
Spitzenreiter unter den har- Wohlrabe (CDU) als „Übelten Typen der Bonner Repu- krähe“. Um sich nicht schon
blik war Herbert Wehner, der wieder einen Ordnungsruf im
Plenum einzufangen griff er
gefürchtete SPD-Fraktionsauch zu neuen Wortschöpchef. Wenn er in der Lobby
des alten Plenarsaals mit der fungen, beson- ders wenn es
um seinen
Pfeife in der
LieblingsHand Journalisfeind, CSUten anschnauzte:
Chef Franz
„Sie, Sie Herr, Sie“
Josef Strauß
(mit gerolltem R),
ging: „Sie
wagte man kaum
Abschaum,
noch ein Frage zu
äh -Bild“.
stellen. Legendär
Aber es
ist die Beschimp1980.
1980. Mit
Mit Herbert
Herbert Wehner
Wehner
gab da
fung des damali(1905-1990)
(1905-1990) im
im Bonner
Bonner
VON FRIEDEMANN
WECKBACH-MARA
..............................................................................
Bundestag
Bundestag
auch den ganz anderen Wehner im Umgang mit seiner
Stieftochter Greta Burmester.
Am 17. Mai 1983 erfuhr ich
durch einen Zufall, dass beide
in aller Stille geheiratet haben. Wehner ganz ungewohnt
liebevoll: „Das ist die Frau,
ohne die der, der vor Ihnen
steht, heute nicht mehr leben
würde.“ Er war nicht einmal
böse über die Veröffentlichung. Obwohl in der Bonner
Republik das Privatleben
gern unter dem Siegel der
Verschwiegenheit gehalten
wurde: Als sich Hans-Dietrich Genscher scheiden ließ
– aber darüber morgen mehr.
So funk
tioniert
Politik
wirklic
h.
-Serie
macht, dann gucke ich schnell, wer klatscht
und wie stark. Ich schreibe
mir auch auf, wer wen anguckt, wenn es wichtig ist.“
Duzt sie die Abgeordneten? Nein, dafür ist sie zu
professionell. Wann ist
Deutschland-Politik niederschreiben besonders schwierig? „Wenn es viel Applaus
gibt und der Abgeordnete
starken Dialekt spricht.“
Heißt das, die gebürtige
Hamburgerin Merkel ist ein
Klacks im Vergleich zum
Bayern Michael Glos? Keine
Antwort.
Wir sehen sie kurz darauf,
wie sie ins Parlament
kommt. Die Ehrfurcht in ihren Augen. Wir sehen sie sitzen mit ihrer fliegenden
Hand.
Wir fragen uns, was sie
wohl abends macht, die
Frau, die schneller schreiben kann als lesen. „Mir
Zeit nehmen fürs Genießen …“
***
Und morgen lesen Sie:
Wo der Präsident die
Parlamentsglocke versteckt
FOTO: FALKO SIEWERT
Das ist das
„Beifall“
Serie 13
Dienstag, 18. November 2008
Die der
Demokratie
dienen
Wasser für den Präsidenten,
Würde für Deutschland. Die
Plenarassistenten sind die guten
Seelen im Deutschen Bundestag
Wenn der Kanzler wechselt, bringen sie das Namensschild an. Wenn einer Ministerin ein Nagel reißt, holen
sie das Pflaster. Und wenn
die Herren Abgeordneten
kommen, gibt es ein Weingummi.
***
Ganz leise, fast auf Zehenspitzen schleichen sie ins
Haus. Niemand soll sie hören,
sie sollen da sein und doch
nicht da. Die stillen Diener an
der Macht.
***
Dienen unterm Adler. Die
60 Plenarassistenten des Bundestages sind DeutschlandHelfer an der Werkbank der
Demokratie. Das hat auch etwas mit Würde zu tun, sagen
sie. Es sei wichtig, wie sich
Deutschland präsentiert.
Ihre Kunst: Der Stil. Im
Frack stellen sie Norbert Lammert, dem Präsidenten des
Hohen Hauses, das Wasser
hin. Sie richten ihm die Krawatte vor Staatsbesuchen –
und wenn ein neuer Abgeordneter ins Parlament kommt,
begrüßen sie ihn mit seinem
Titel noch bevor er ihn selber
kennt. Da! Ulla Schmidt, die
Gesundheitsministerin, mit einer schweren Tasche. Sie
müssten es nicht, es ist nicht
ihre Aufgabe, doch sie tragen
sie ihr.
„Ein bisschen Service muss
schon sein“, sagt José Cases
(39), einer der Saaldiener.
„Ohne die Saaldiener würde
hier nichts gehen“, sagt Laurenz
Meyer (CDU).
***
Eine Woche haben wir sie begleitet. Wie sie Störenfriede von
der Tribüne bitten, höflich. Hun-
So funktioniert Politik wirklich.
-Serie
derte von Stimmkarten sortieren, geduldig. Schnelle Reparaturen in der Lobby vornehmen,
leise. 27 Männer und ihre 33
Kolleginnen im Zentrum der
Macht. Und natürlich, als sie
Hand anlegten, ans Herz der
Demokratie: Bei der Vorbereitung des Präsidententisches,
kurz bevor er rein kommt, die
Parlamentarier begrüßt, „Sehr
geehrte Damen und Herren“,
und sich im Plenum alle erheben. Nichts soll die Arbeit der
Abgeordneten stören. Nichts.
Um Himmels Willen!
***
„Wollen Sie wissen, wo die
Glocke ist?“, fragt uns Brigitte
Rubbel (48), knielanger Rock,
geklöppeltes Einstecktuch, zwei
goldene Knöpfchen mit Adler
an der schneeweißen Frack-Bluse. „Zweite Schublade im Präsidententisch. Wir stellen sie ihm
so
hin,
dass
er
den Adler
sieht!“
Warum?
„Tradition!“
***
Nur
noch eine Stunde. Brigitte (48),
Regine (47), Monika (57) und
Ralph (43) gehen besser gekleidet als mancher Abgeordnete
durch die Tür mit der Aufschrift:
„Nur Präsidium“. Sie spitzen
auch die Bleistifte an – unmittelbar vor der Sitzung, mitten im
Plenarsaal. Testen die Kugelschreiber. „Hier das schwarz-rot-
Bonner Doppelmoral. Genscher,
ein tödlicher Unfall und die Wahrheit
VON FRIEDEMANN
WECKBACH-MARA
Scheidungen waren in der
Bonner Republik seltener als
heute. Die vierte oder fünfte
Hochzeit wie bei Gerhard
Schröder und Joschka Fischer konnte sich kaum jemand vorstellen. Als sich
Hans-Dietrich Genscher
scheiden ließ, um
seine Sekretärin
Barbara zu heiraten,
war das Thema lange tabu. Dabei gab
sich der Daueraußenminister sonst
sehr offen, wenn es
um Publicity ging. Am 1. September 1976 war der FDP-Chef
im Wahlkampf unterwegs. Journalisten fuhren im Kreis Uelzen
dem Promi-Tross hinterher. Ihr
BMW stieß mit einem „Triumph“-Sportwagen frontal zusammen. Zwei wurden schwer
verletzt, einer starb. Sofort rief
ich bei Genschers
Büroleiter Klaus
Kinkel an und erfuhr: „Herr Genscher war schon
weg, als der Unfall
Genscher und
Weckbach-Mara
FOTO: PRIVAT
passierte, er hat davon nichts
mitbekommen.“
Trotzdem hatte Genscher
selbst nichts dagegen, dass am
nächsten Tag einer schrieb:
„Genscher kniete im Gras –
sein Freund starb. Kreidebleich, am ganzen Körper zitternd, kniete Außenminister
Genscher im Gras, nacheinander hielt er die Hand der
schwer verletzten Journalisten.“ Im Wahlkampf kam das
an und besiegelte die Freundschaft mit dem Autor. Aus anderem Holz war da Otto Graf
Lambsdorff geschnitzt. Doch
darüber morgen mehr.
Häkel-Untersetzer
und Saalglocke am
Präsidententisch
goldene
Häkeldeckchen
kommt beim Herrn Präsidenten auf den Tisch. Da kommt
sein Wasserglas drauf.“
***
Oben auf der Besucher-Tribüne treffen wir ihren Kollegen José Cases. „Ich habe
den Dalai Lama durchs Haus
begleitet. Danach gab es Leute, die haben mich angefasst,
hielten mich für gesegnet“,
erzählt er. Hans-Christian
Ströbele spricht gerade, der
Grüne. „Ich war früher auch
öfter im Plenum drinnen“,
sagt Cases. „Aber dort ist
man immer nur umgeben
von den Menschen und hat
keinen unmittelbaren Kontakt. Das ist hier oben anders.“
***
„Wissen Sie, ob die Kanzlerin noch da ist?“, fragt eine
Besucherin im Anorak und
zupft ihn am Arm. „Das hoffe
ich für Sie.“
***
Lesen Sie morgen: Warum
der Bundestagskoch Buletten
hasst, und trotzdem die besten
macht
FOTOS: FALKO SIEWERT
VON
JAN RENTZOW
Thomas Krappe
und Brigitte Rubbel
sind während
des Plenums am
Präsidententisch.
Manchmal sehen
sie sich in der
Tagesschau
12 Serie
fl
Mittwoch, 19. November 2008
Björn Waßmuth ist
Chefkoch bei Käfer
im Bundestag
Der Mann,
der Deutschland
würzt
Hausmannskost als große
Küche: Der Buletten-Teller,
den die Minister wollen
diger, stünde die Ministerin in
der Schlange mit der Sekretärin. Als wir da sind, sitzt ein
Ex-Generalsekretär der CDU
da – mit zwei Wiener Würstchen und Kartoffelsalat. Und
eine Bundesministerin, beim
Essen die Tasche auf dem
Tisch. „Tut es Ihnen nicht
weh, wenn die Politiker beim
Essen Akten lesen?“ Waßmuth antwortet nur: „Berufsschicksal.“
Als wir ihn das nächste
Mal treffen, steht er in einem
der Lichthöfe und raucht.
Drinnen bimmelt es wie verrückt, Aufruf zu einer Ab-
stimmung. Früher dachte er
an Feueralarm. Das war sein
erster Klops. Jetzt weiß er,
das sind die Gesetze, wenn
sie heiß sind.
***
Lesen Sie morgen: Warum
zwölf Meter unter der Erde ein
Pausentisch steht
Die FDP geht fremd. Und ein
Interview macht Geschichte
VON FRIEDEMANN
WECKBACH-MARA
he. Innenminister Gerhart
Baum vom linken FDP-Flügel
beklagte sich auf offener StraDas gab es bisher nur in der ße: „Mir sagt ja keiner was.“
Und einer handelte. Lambsalten Bonner Republik –
den Koalitionswechsel der
dorff schrieb seine WirtFDP von der SPD zur CDU
schaftsthesen auf, um zu zeimitten in der Legislaturperi- gen, dass es mit der SPD nicht
ode ohne Neuwahl. Diesen weiter gehen kann. Mehr
Regierungswechsel betrieb noch. Am 29. August traf ich
1982 der damalige Wirtihn in seinem Büro des Wirtschaftsminister Otto Graf
schaftsministeriums. Zum EntLambsdorff (FDP) noch
setzen seines Sprechers Dieter
energischer als sein Partei- Vogel machte der Graf klar,
chef Hans-Dietrich Genscher.
In der sozialliberalen Koalition ging es in dem Wendejahr
zu wie im Bienenhaus. Im
Bundestagsrestaurant mit
Blick auf den Rhein fragten
führende Genossen wie Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD) immer wieder Journalisten, wie es mit
Journalist Weckbach-Mara,
der Koalition wohl weiter ge- FDP-Politiker Graf Lambsdorff
dass die FDP an einem Koalitionswechsel nicht zerbrechen wird und fügte hinzu:
„Ich gehe davon aus, dass
die Union zu einer Koalition
mit der FDP bereit ist.“
Schon im Rausgehen
brummte Vogel: „Das Interview segne ich nicht ab.“ Da
aber traditionell in Deutschland Zeitungsinterviews vor
der Veröffentlichung dem
Gesprächspartner oder seinem Bevollmächtigten noch
einmal zur Freigabe vorgelegt werden, hatte ich ein
Problem.
Als der Interview-Text fertig
war, fuhr ich damit zum Ministerium. Auf halbem Weg
sah ich einen gepanzerten
Mercedes auf der Gegenfahrbahn kommen. Vorn
saß klar erkennbar der Graf.
Was tun? – Die Antwort
folgt morgen.
FOTO: PRIVAT
Deutschland-Koch. „Wir machen deutsche Küche. Nur
hohe Qualität, einfache ZuEr ist ein Karriere-Typ mit taten. Und bodenständig.“
Sein Geheimnis: Mögen
fliegenden Pfannen. Hat für
Putin gekocht in Moskau.
Boris Becker verwöhnt in St.
Moritz. Als Lehrling machte
er Theo Waigel ein Kanapee.
Björn Waßmuth (27) heißt
der Mann, der Deutschland
die Würze gibt.
-Serie
So funktioniert Politik wirklich.
Sein Arbeitsplatz: KäferRestaurant, erster Stock des sie sich drinnen streiten, die
Bundestages. Die 612 Abge- Herren und Damen von der
ordneten lieben ihn, er ser- CDU/CSU, der SPD, der
viert ihnen Klopse und Dis- FDP, den Grünen und der
kretion. Die Tische hübsch Linken. Wenn die Sitzungen
eingedeckt, eckige Tafeln – vorbei sind, kommen sie alle
zu langen Bahnen zusam- raus. Alle auf einmal. Er wismengeschoben,
feine, se nie wann, könne nicht
schwarze Lederstühle mit planen. Nur eines: „Schnitzel
Blick auf das weiße Kanzler- und Buletten gehen immer!
amt. Rouladen-Runden, die Wenn ich die Buletten vom
niemals an die Öffentlichkeit Plan nehme, steinigen die
kommen. Es ist voll hier, mich.“
Wir sollten doch mal rüber
doch vom Ton her ganz leer,
in die Kantine gehen, da sei
Stille.
„Kommen Sie, kommen die Küche noch bodenstänSie“, sagt er. „Machen Sie
schnell!“ Dann stehen
wir in der Küche des
Parlamentes, in einer Edelstahl-Welt
mit Balkon.
„Wir sind ein
deutscher
Bundestag“, sagt der
VON
JAN RENTZOW
FOTOS: FALKO SIEWERT
Björn Waßmuth (27) ist
berühmt im Bundestag.
Vor allem für seine
saftigen Buletten
16 Serie
*
fl
Donnerstag, 20. November 2008
Oben Joop, unten Jeans. Der Untergrund des
Bundestags ist das Fundament der Politik
Herr
Sobierajczyk
flitzt durchs
Hirn der
Republik
PausentischGemütlichkeit
im Untergrund
kommen jeden Tag vier Tonnen Pakete und Päckchen an,
erklärt uns Logistiker Winfried
Goedecke, 15 000 Briefe. Ein
sogenanntes „Eisenschwein“
rauscht gerade vorbei – ein vol-
ler, schwerer Metallwagen mit
noch mehr
Post. „Einmal hat einer
einen Stahlhelm für Joschka
Fischer geschickt, als der noch
Außenminister war. Aber unsere Röntgenanlagen haben das
erkannt.“
Oben Joop, unten leger. Der
Hauselektriker ist ein schweigsamer Herr. „Ich mache Ihnen
mal den Schrank auf, dann
kriegen sie das RaumschiffFeeling“, sagt Thomas Schmidt
(49) in einem der 45 Schalträume im Reichstag. Der Mann,
der den Politikern Licht macht,
sagt: „Man braucht drei Monate, alleine um die Schaltpläne
hier zu kapieren.“
Noch einmal zurück im Bü-
Ein brisantes Interview und der feste
Griff der Grenzschützer im Kanzleramt
Da gab ich einfach Vollgas. Zu
meinem Glück fiel kein Schuss.
Vor dem Kanzlerbau hielten
Mit dem brisanten Interwir an. Ich sprang aus dem Auview fuhr ich am 29. August to, Grenzschützer packten
1982 durch Bonn.
mich, als der Graf sich umdrehAls mir Wirtschaftsministe und den befreienden Satz
ter Otto Graf Lambsdorff ent- sagte: „Ach ja, wir müssen noch
gegenkam, fuhr ich über den das Interview absegnen.“ GeDoppelstreifen der Stadtauto- meinsam gingen wir zum Kabibahn hinter ihm her Richnettsaal: „Ich
tung
nehme den Text
Kanzlermit rein, warten
amt. Dort
Sie so lange vor
salutierten
der Tür.“
die GrenzDa sah mich
schützer,
der SchlagWeckbachbaum ging
Mara (li.) mit
hoch. Die
Helmut
Panzer-LiSchmidt (M.)
mousinen
am Strand
fuhren durch.
von Florida
VON FRIEDEMANN
WECKBACH-MARA
FOTO: PRIVAT
Referent Bruns (Spitzname:
Kugelblitz) und legte Bundeskanzler Helmut Schmidt
(SPD) einen Zettel auf den
Tisch: „Die Sitzung ist nicht
mehr geheim zu halten, draußen sitzt ein Redakteur.“ Drei
Minuten später kam Lambsdorff, gab das Interview frei.
Eine halbe Stunde später liefen seine Zitate vom Wunsch
nach Wechsel des Regierungspartners über die Agenturen. Schmidts Versuch zur
Rettung der sozialliberalen
Regierung war dahin.
Ich hatte Glück. Ob mir in
Berlin heute die Polizei die
Reifen zerschießen würde,
will ich lieber nicht prüfen.
Morgen lesen Sie, wie Rudolf Scharping seine Frau
wechselte.
So funktioniert Politik wirklich.
-Serie
cher-Magazin – ein Pausengespräch. Matthias holt ein paar
Bonbons aus einer Bücherkiste, die von oben kommt und
aus der Wand rollt. Die Damen
aus der Bibliothek meinen es
mal wieder gut. „Guckt mal,
was die uns von oben geschickt haben“, sagt er. „Sonst
kann da oben sonst was passieren, und wir kriegen das
nicht mit.“
Seine Kollegin Gabi: „Vielleicht ist das manchmal besser
so.“ Sie lacht dabei.
Als Chef Michael zurück ist,
mit dem Wälzer von Helmut
Schmidt, setzt er sich dazu und
plaudert gemütliche Unter-Tage-Geheimnisse aus: „Bei uns
hier unten ist immer Stimmung. Manchmal gute, dann
kommen sogar Leute von oben
runter.“
Die Politik kann ohne die
Menschen hier nicht funktionieren, denken wir. Und fahren
mit einem kleinen Lift zurück
ans Tageslicht. Wir blinzeln
kurz und eilen zu einem Termin ins Plenum.
***
Lesen Sie morgen: Warum der
Präsident des Bundestags so gerne im Parlament ist
FOTOS FALKO SIEWERT
VON
JAN RENTZOW
Miezekatzen-Postkarten.
Pausentische mit Rohren
drüber weg. Das in der Ecke
zischt immer, wenn es oben
regnet. Sch, sch macht es
und unterbricht das Dröhnen der Aggregate.
Die Z am tiefsten Punkt
der Demokratie in den Kellern
des Bundestags. Dort, wo die
unterirdischen Adern fließen,
die unsere Politik zusammenhalten.
Marie-Elisabeth-LüdersHaus, zwölf Meter unter der
Erde. „Räumlich gesehen sind
wir hier ganz unten“, sagt Michael Sobierajczyk, Chef des
Bücherei-Magazins. In 13 Räumen auf 8500 Quadratmetern
stehen die 1,3 Millionen Bücher
des Parlaments und sieben Angestellte gehen alle paar Minuten hinein ins Hirn und holen
eins raus. „Ohne uns wären die
Informationen in manchen Reden nur halb so fundiert“, sagt
Michael und steigt auf seinen
Roller-Scooter, das neue Buch
holen von Helmut Schmidt.
Das ist bei den Politikern besonders gefragt gerade.
Neonstrahler, Altpapierlager,
23 Laderampen. 400 Meter
Straßen gibt es unter dem Bundestag, zweispurig. Gänge vom
Reichstag ins Jakob-KaiserHaus, ins Paul-Löbe-Haus.
Vom Jakob-Kaiser-Haus ins
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.
Keinen zum Kanzleramt, das
ist Regierung und hier ist Parlament.
Ein paar Untergrund-Meter
weiter, die Poststelle. „Hier
Michael Sobierajczyk
flitzt zu Helmut
Schmidt – im
Büchermagazin
12 Serie
fl
Freitag, 21. November 2008
Norbert Lammert (60) über den
Stolz und die Verantwortung,
Bundestagspräsident zu sein
Norbert Lammert (60) und
Z-Reporter Jan Rentzow
So funktion
iert Politik
wirklich.
-Serie
VON
JAN RENTZOW
Er ist der oberste Parlamentarier, die Nummer zwei im deutschen Staat – nach Horst Köhler
und noch vor Angela Merkel.
Bundestagspräsident
Norbert
Lammert (60, CDU): Der Z
erklärt er sein Leben an der
Macht.
Wann waren Sie das letzte
Mal richtig stolz, Bundestagspräsident zu sein?
Lammert: Stolz ist eine Haltung, die mir ein bisschen
fremd ist. Aber z.B. der Umgang von Parlament und Regierung nach der dramatischen globalen Finanzkrise
war auch bei nüchterner Betrachtung eine außerordentliche Leistung. Es hat bestätigt,
dass unsere Verfassungsinstitutionen in einer Weise leistungs- und kooperationsfähig
sind, wie das manche offenkundig nicht für möglich gehalten haben. Ein solches Paket in einer beispiellos kurzen
Zeit in einer beispiellosen Größenordnung zu beraten und zu
beschließen, um eine beispiellose mögliche Katastrophe abzuwähren, da soll sich mal einer melden und sagen: Das
machen wir mühelos nach.
Was macht Ihnen bei Ihrer
Arbeit am meisten Spaß?
Es gibt gelegentlich Parlamentsdebatten, an denen auch
ich nicht so viel Spaß habe,
und es gibt solche, da könnte
ich mich geradezu dran begeistern. Es gibt Staatsbesuche, die
machen richtig Freude, und
solche, da hätte nichts gefehlt,
wenn sie nicht stattgefunden
hätten. Was insgesamt das
Amt für mich so interessant
macht, ist die Vielfältigkeit.
Warum haben Politiker so
einen schlechten Ruf?
Die wichtigste Einzelerklärung ist vielleicht: Die meisten
Politiker kennt man eben nicht
persönlich. Die gleichen Leute,
die die Kaste der Politiker eher
zweifelhaft finden, antworten
auf die Frage, was mit ihrem
Wahlkreisabgeordneten ist, regelmäßig: Der ist in Ordnung,
den kenne ich.
Kann man nach 28 Jahren
im Bundestag noch Humor
haben?
Wahrscheinlich nur so.
Ihr letzter Termin?
Ein Vortrag in einem College
in Oxford. Da ich selber vor
grauer Zeit während meines
Studiums eine kurze Zeit in
Oxford verbracht habe, war
das auch eine schöne Gelegenheit, einen alten Tatort zu betreten.
Waren Sie auch im Pub?
Nein. Ich käme auch zu
Hause in meinem Heimatort
(Bochum, Anm. d. Red.) nicht
auf die Idee, abends in eine
Pinte zu gehen.
Wie viele Abende in der
Woche sitzen Sie auf Ihrem
Sofa?
Auf meinem Berliner Sofa jeden Abend oder besser gesagt
Scharpings zweiter Frühling und ein
Herz aus Gummibären für seine Gräfin
VON FRIEDEMANN
WECKBACH-MARA
Zum Ende der Bonner Republik stand Verteidigungsminister Rudolf Scharping
(damals 52) mit seiner Trennung von Ehefrau Jutta in
den Schlagzeilen und das
Rätselraten über seine Neue
begann. Am 26. August 2000
hakte ich nach („Sie haben
mir doch die
Story exklusiv
versprochen“),
da kam die
überraschende
Antwort: „O.K.,
treffen wir uns morgen am
Köln-Bonner Flughafen.“
Vergebens hielt ich Ausschau nach Ministerlimousinen, bis ich einen roten VW
einsam auf dem Parkplatz sah
mit einem heftig winkenden
Mann am Steuer. Er war es.
Zu zweit fuhren wir in Richtung Taunus. Konspirativ
musste ich den Fotografen
hinter uns herlotsen („verraten sie
den Ort niemanScharping (re.),
Weckbach-Mara
dem“). Vor dem einsamen
Wochenendhaus erwartete
uns Kristina Gräfin PilatiBorggreve (51). Was dann
kam, stellte jeden HerzSchmerz-Roman in den Schatten. Scharping hatte für seine
große Liebe Gummibärchen
in Herzform auf einem Tablett
arrangiert, liebevoll blickte er
seine Tina an: „Kopf und Herz
sind sehr jung. So passen wir
beide sehr gut zusammen.
Wir wollen zusammenleben,
so lange uns der liebe Gott
lässt.“ Morgen: Wie Ritas Rache in den Reichstag kam.
jede Nacht. Weil es jede Nacht
23 Uhr plus X ist, wenn ich anfange, Zeitungen zu lesen, die
ich bisher nur in Form von
Presseauszügen gesehen habe,
oder vielleicht beginne, wichtige Unterlagen für den nächsten Tag durchzugucken.
Der zweite Mann im Staat
wohnt im Plattenbau. Warum?
Warum nicht? Irgendwo
muss ich ja wohl wohnen. Also
habe ich nach einem Domizil
gesucht, dass möglichst zentral
gelegen sein sollte. In einer geradezu typischen Wohnlage in
Berlin Mitte, von der aus ich
alle für mich wichtigen Ziele
auch zu Fuß erreichen kann.
Soweit das BKA mich lässt.
Sie sind doch Pfeifenraucher oder haben Sie mit dem
Rauchverbot aufgehört?
Nein, nein, ich bin’s noch.
Aber in meinem Büro rauche
ich selbstverständlich nicht
mehr. Das hat meinen eigenen
Konsum sicher halbiert.
Was wären Sie ohne Ihre
Mitarbeiter im Bundestag?
Der gute Ruf, den man mir
nachsagt, hängt ganz wesentlich mit der unauffälligen Arbeit der Mitarbeiter zusammen, die kein Mensch wahrnimmt, die aber ganz wesentlich die Leistungsfähigkeit des
Bundestages und ganz sicher
auch meine ermöglichen.
FOTO: SIEWERT
Hier erklärt der zweite
Mann im Staate dem
Z-Reporter die Macht
12 Report
**
fl
Sonntag, 23. November 2008
Wo die Macht t
Deutschlands
Spitzenpolitiker
inside: Ihre
Büros, ihre
Kneipen, ihr
Zuhause
Das „Cabinett“
In der PolitikerSiedlung
„Schlange“ bewirtet Monika
Bollenberg (64)
die Abgeordneten. Mit viel
Liebe und
Schnitzeln bis
Mitternacht.
Angela Merkel
war auch schon
da
VON
JAN RENTZOW
Heidemarie WieczorekZeul kann ganz schön ruppig werden, wenn sie Hunger hat. Es soll Ministerinnen geben, die flitzen in
ein Lokal, bestellen einen
Salat, flitzen raus, und kommen später mit dem leeren
Teller wieder: Vielleicht
sollten wir so beginnen. Wie
unsere Politiker essen. Und
wo. Gesetze fangen auch
nicht hinten an.
***
Große Politik mit Milchschaum. Kontakthöfe, die
niemand für möglich halten
würde. Politiker, die abends
zusammen sitzen in einer
Eckkneipe, die „Cabinett“
heißt, und sich Schattenkabinett nennen. Politiker, die in
Prenzlauer Berg Fußball
spielen gegen eine Bürgermeisterauswahl aus Rheinland-Pfalz und nach dem
Duschen zur Dritten Halbzeit
gehen. Politiker, völlig übermüdet, hohläugig, mit 14 Terminen am Tag. Die Z war
im Zentrum der Macht. Im
Strudel, der sich dreht, zehn,
zwölf Stunden am Tag, noch
länger, noch weiter. Vom
Frühstücksfernsehen bis zum
Nachtjournal, vom Adenauer-Haus bis Udo Walz, immer
für Deutschland und ein
bisschen auch für sich selbst.
***
Politik ist, wenn wir über
den
Gendarmenmarkt
schlendern, und Barack
Obama kommt aus dem Promi-Lokal „Borchardt“ nach
seinem Besuch bei der Kanzlerin. Politik ist, was in der
Parlamentarischen Gesellschaft gleich neben dem
Reichstag passiert, während
wir die Tagesschau einschalten. Politik ist, wenn Politiker
abends unter sich bleiben,
weil sie nur sich kennen und
auch in der Opposition
Freunde haben. Politik in
Berlin sind politische Abende
mit Buletten. Von Firmen
und Verbänden. Bei Vodafone, VW – speziell für Politiker
organisiert. Entscheidungen
anfüttern beim Bier mit persönlichem Handschlag.
***
Wer macht was? Wer entscheidet wo? Die Politik verändert Berlin, Berlin verändert die Politik. Doch wie?
13
17
18
Hauptbahnhof
Damit die Pendler
ihren ICE noch erwischen, enden die
Debatten im Bundestag freitags früher
1
2
18
Kanzleramt
Schaltzentrale der
Macht, Merkels Repräsentanz
2
Schloss Bellevue
Amtssitz von Bundespräsident Horst Köhler
und Ehefrau Eva Luise
Interconti
Am Freitag
steigt hier
der Bundespresseball.
Hier Wirtschaftsminister
michael Glos
mit Ehefrau
Ilse 2007
14
14
5
21
11
21
11
5
Udo Walz
Kanzlerin Merkel kommt vor Staatsbesuchen in seinen Salon im Kempinski Plaza in der Uhlandstraße. In
der Woche hat sie eine Dame, die ihr
die Haare fönt. Auch die CDU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl geht zu
Star-Friseur Udo
***
„Die Berliner Machtzentren
sind das Bundeskanzleramt, der
Bundestag, der Bundesrat und
das Finanzministerium. Mit größerem Abstand das Auswärtige
Amt“, sagt Parteienforscher Gero Neugebauer über die aktuelle
Einstein
Kurfürstenstraße
Bis zu ihrer
Wahl zur
Kanzlerin
war Merkel
oft Gast
Konrad-Adenauer-Haus
Die Machtzentrale der
CDU
politische Machtkarte in Berlin.
Danach gibt es noch viele kleinere Punkte, die Ministerien,
Parteizentralen. Und die Lokale
der Berliner Gesellschaft –
Machtzentren alleine deshalb,
weil man dort gesehen wird,
und nur wer gesehen wird, ist
wichtig. Im „Cinque“, in das
Guido Westerwelle so gerne
geht, weil es so nah an der Parteizentrale der FDP liegt. Dem
„Café Einstein“, in das Gerhard
Schröder oft auf einen Kaffee
kommt, weil er sein neues Büro
gleich um die Ecke hat. Cem Öz-
demir, der neue Parteichef der
Grünen, die SPD-Linke Andrea
Nahles, Otto Schily. Im „Grill Royal“ an der Friedrichstraße feierte Joschka Fischer im August
seinen 60. Geburtstag mit Claudia Roth und Marius-MüllerWesternhagen. In die „Eins“ im
Sonntag, 23. November 2008
Report 13
*
tagt und tafelt
3
Parlamentarische
Gesellschaft
Hier dürfen nur
Abgeordnete
essen. Und ihre
Gäste
6
Grünen-Zentrale
Neuer Chef seit letzter
Woche: Cem Özdemir
6
7
16
Reinhardtstraße
Die Ausgehmeile
der Abgeordneten.
Hier das „Kanzlereck“
17
9
FDP-Zentrale
Opposition
unter Führung
von Guido
Westerwelle
Reichtstag
Draußen Touristen, oben Touristen, drinnen 612
Abgeordnete, die um die Zukunft von Deutschland ringen
8
7
1
10 12
9
8
Karl-LiebknechtHaus
Sitz des Parteivorstandes der Linken (Bisky und
Lafontaine)
16
13
12
19
20
Paul-LöbeHaus
Es beherbergt Ausschüsse des
Bundestages
10
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Das Informations- und
Dienstleistungszentrum
des Parlaments
15
3
19
3
Finanzministerium
Nächste Woche soll der
neue Haushalt durchs
Parlament
20
4
15
4
Bundesrat
Vertritt die Interessen der Bundesländer. Fast alle wichtigen Gesetze sind von seiner Zustimmung abhängig
Hauptstadtbüro
der
ARD
kommt Ottmar Schreiner vom
SPD-Arbeitnehmerflügel oft mit
dem Fahrrad, und Franz Müntefering war früher häufiger hier,
zusammen mit seiner Frau.
***
Angela Merkel. Die Frau mit
der harten Hand und dem sanften Lächeln, hat keine Angst vor
Deftigkeit. Bei nächtlichen
Machtrunden im Kanzleramt
stellt sie schon mal das „Kanzlerin-Buffet“ hin. Mit Buletten. So
lange hört sie dann zu, wägt ab
und steuert, bis es genug ist. Ber-
Einstein
Beliebtes
Caféhaus Unter
den Linden.
Eines der wichtigsten Frühstückszimmer
der Politik
SPDZentrale
Alter Chef
ist neuer
Chef. Seit
Beck weg
ist, ist Müntefering
wieder Herr
im Haus
lin oder die Frage, wer mit wem
aß. Die Kanzlerin, das Kabinett
und das Spiel der Macht in Mitte.
***
Feines Tischtuch, Kellner, die
noch Fliege tragen, „Einstein“,
zweiter Hinterraum. „Ich bin
diese Woche schon das dritte
Mal hier“, sagt Renate Künast,
die frisch gewählte Spitzenkandidatin der Grünen. Und lobt:
„Die Bedienung strahlt aus: Auf
Sie haben wir schon gewartet.
Es gibt Rucola-Salat hier. Heute
versuche ich es mal mit einem
Borchardt
Thomas
Gottschalk
und Iris
Berben.
Und dazu
die große
Politik.
Berlin.
Deutschland, die
Welt: Auch
Obama war
schon da
Ei im Glas.“ Die “M“ heißt die
Merkel, „P“ der Steinbrück,
Peer. An den Tischen, an denen die Wichtigen speisen.
Kommen sei nur bedingt ein
Vergnügen,
sagt
Fortsetzung auf Seite 14
FOTOS: FALKO SIEWERT, (LAIF/BISKUP, WECKBACH-MARA, KARADSHOW, BECHER, DPA, EVENTPRESS HERMANN, SUCCO MEDIA)
14 Report
**
fl
Axel Fischer (CDU, li.)
und Detlef Parr (FDP,
2. v. re.): „Wir üben
schon mal die nächste
Koalition“, sagen die
Abgeordneten. Und
trinken Wasser statt
Wein, weil sie gleich
weiter müssen.
Zum nächsten
Abendtermin
Die Woche
der
Mächtigen
Wasser statt Wein. Und
danach nicht ins Bett
ministerin. „Der habe ich was
erzählt.“
***
Unterhalten sich zwei Hinterbänkler. „Kennst Du den
Unterschied zwischen der
Legehenne und dem Kaninchen des Jahres?“ Nein, sagt
der andere und denkt an seinen letzten Termin. „Das
Karnickel können wir wenigstens noch streicheln.“ Ein
14-Stunden-Tag, zehn Termine
am Tag“, sagt Axel Fischer, gelernter Elektroinstallateur –
seit elf Jahren Volksdiener von
der CDU-Hinterbank. „Ich
trinke lieber keinen Wein,
sonst halte ich den nächsten
Termin nicht durch.“ Sein FDPKollege Detlef Parr nickt und
steht neben ihm am Tresen:
„Mir macht sie Spaß, die Politik“, sagt er, „sonst würde ich
Dienstagnachmittag, 17.30
Uhr. Ein Reisebus fährt vom
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus,
Dieter Wollstein, der Gedem Verwaltungsgebäude des
schäftsführer des „Einstein“,
Bundestags in den Szene-Kiez
Arbeit, die morgens um 7 Uhr
Prenzlauer Berg. Die letzten
mit dem ersten Frühstück beAbgeordneten des FC Bundesginne.
tag ziehen sich einfach unter***
wegs um. „Die verlieren doch“,
Wir folgen den Spuren in
die Hinterzimmer der Macht,
sagt der Busfahrer. „Kriegen
Regierungsviertel, Reinhardtdoch keine Luft!“ Am Spielfeldstraße. „Wirtshaus Mitte“.
rand wenig später: „Seid ihr
„Wir würden
bei der Fraktionssitzung heute
auch so hart rangenommen
gerne sitzen, wo
worden?“, fragt ein AbgeordneHerr Lafontaine
ter den anderen am Spielfeldimmer
sitzt“,
rand. „Bei uns ging es heute
bitten wir. Das
richtig zur Sache.“
würde
aber
***
schwierig, sagt
„Das schreiben Sie doch
die Kellnerin:
nicht“, sagt Monika Bollenberg
„Der mietet sich
(64), Wirtin vom „Cabinett“,
immer die Bider Eckkneipe gleich bei den
bliothek!“ Wir
Abgeordnetenwohnungen in
sitzen
noch
der Politiker-Schlange von
nicht,
da
Tiergarten. „Das schreiben Sie
kommt Lothar
doch nicht, wie die hier sind.
Bisky rein und
Die wollen doch ihre Ruhe hageht
gleich
ben hier. Sonst kommen die
nach
hinten
doch nicht mehr. Schreiben Sie
durch. Allein.
mal nicht, dass mir das Bild
Kurz
darauf
von Kurt Beck von der Wand
kommen Oskar
Ein Abgeordneter nach dem Freundschaftsspiel. „Deutscher Bundestag“
gefallen ist! Der hat doch schon
Lafontaine und
steht auf seinem durchgeschwitzten Trikot
genug zu tun. . .“
Gregor Gysi, zuPolitiker-Alltags-Witz, der sie das nicht machen.“ Und trotz***
sammen.
„Heute Mittag war Herr de erträglich macht, die Realität. dem: „Der Stil der Politik ver„Natürlich kommen sie zu
***
Maizière da, der Kanzlerändert sich, das Netzwerken, mir“, sagt Ercan Akbal (37),
Montag
Landesgruppe, die Kungelei zum Aufbau der Betreiber des Feinkostladens
amtsminister“, verrät die Kellnerin im „Kanzlereck“, ein Dienstag, Mittwoch, Don- Machstrukturen ist stärker ge- zwei Eingänge weiter. Frau
paar Häuser weiter. „Gestern nerstag Lobby-Abende, einer, worden.“ Dann muss er weiter. Nahles, Herr Seehofer, alle.
der Kanzlerkandidat. Der zwei, drei am Stück. Freitag Um 22 Uhr soll er sich den „Ist doch normal. Die kriegen
sitzt immer unten im Grup- nach dem Parlament ab in Apothekern stellen. Nett wird ihr Brot und ihre Milch ja
penraum.“ Neulich war Ulla den Wahlkreis. Angst, etwas das nicht, sagt sein Gesicht.
auch nicht vom Himmel geSchmidt da, die Gesundheits- zu verpassen. „Ich habe einen
***
schickt.“
Fortsetzung von Seite 13 12
Sonntag, 23. November 2008
MONTAG
D SPD-Präsidium: 10 Uhr. Unter Führung von Franz Müntefering, Willy-Brandt-Haus,
6. Stock.
D CDU-Präsidium mit Angela Merkel. Fällt aber morgen
aus, weil am Wochenende
CDU-Parteitag ist.
D Treffen der Fraktionsvorstände von CDU/CSU, SPD,
FDP, Linkspartei, Grünen.
D Fraktionssitzungen: Üblicherweise finden sie dienstags statt. Diese Woche ist
aber Haushaltswoche im
Parlament, deshalb vorgezogen auf Montag. Ein langer
Tag für die Abgeordneten.
DIENSTAG
D Erste Plenarsitzung, Beginn 10 Uhr. Bereits heute,
weil große Haushaltswoche
ist. Sonst findet die erste Sitzung immer mittwochs statt.
Diese Woche müssen alle
Etats durchgepeitscht werden. Die letzte Debatte findet 18.10 Uhr statt: Etat für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit, bis 19.30 Uhr.
MITTWOCH
D Der Kanzler-Etat, Höhepunkt der politischen Woche: Angela Merkel und ihre
Richtlinienkompetenz, Generalangriff der Opposition
auf die Politik der Großen
Koalition. Ab 9 Uhr vier
Stunden lang. 13 Uhr: Die
Wahl des Datenschutzbeauftragten.
DONNERSTAG
D 9 Uhr: Plenumsdebatte
über die Erbschaftssteuer.
D Letzte Sitzung bis 20.45
Uhr: Umwelt-Etat.
FREITAG
D Die monatliche Bundesratssitzung.
D Parlament von 9 bis 13.40
Uhr. Früherer Feierabend als
sonst aus Rücksicht auf die
Termine im Wahlkreis.
D Abends: Bundespresseball
im Interconti mit 2500 Gästen aus Wirtschaft, Politik.
Feiern und gesehen werden.
SONNTAG
D Beginn des Bundesparteitags der CDU in Stuttgart
(bis Dienstag).
Sonntag, 23. November 2008
*
Bonn, Krieg der
Sterne und eine
geheime Akte
Wie Journalist Friedemann Weckbach-Mara den SDI-Vertrag öffentlich machte
Der Regierungsumzug von sehen“. Am nächsten Tag um verschwiegen.
Die Sensation war perfekt,
Bonn (310 000 Einwohner) 15.10 Uhr trafen wir uns auf
nach Berlin (3,4 Millionen der Straße, gingen gemeinsam meine Zeitung konnte weltexEinwohner) hat in den Köpfen in die Nähe der Geheim- klusiv die Geheimverträge zu
der handelnden Personen ei- schutzstelle. Ich wartete zwei SDI drucken – bis zu dem Hinne Menge verändert. Die Zeit Räume weiter. Als „Ausrüs- weis, dass „sehr bedeutende
der rheinischen Lösung mit tung“ hatte ich eine kleine Mi- technologische, wissenschaftlischlitzohrigem Kompromiss nox, wie sie in jedem bessern che und industrielle Talente,
ist vorbei. Am 6. November Spionagefilm vorkam, und ein für die Berlin sehr wohl be1999 beklagte sich der damali- Tonbandgerät. Nur zur Erinne- kannt ist, dazu gebracht werge Außenminister und Ober- rung: Handy und Digitalkame- den, das SDI-Programm mitzutragen“.
grüne Joschka Fischer in der ra gab es
Noch in
Dienstvilla des Auswärtigen noch nicht.
der Nacht
Amtes: „Es ist
US-Verteidigungshabe ich
furchtbar hier in
minister Caspar
alle
UnterBerlin.
Man
Weinberger bestätigt
lagen
per
kann kein verden Geheimvertrag
an
trauliches Gemit Deutschland Post
mich selbst
spräch
mehr
geschickt.
führen. Das war
Dadurch
in Bonn noch
waren sie
ganz anders.“
für 24 StunDa ist schon etden unerwas dran.
reichbar für
Die Dimensiden
Fall,
on wird besondass
die
ders deutlich,
Staatsanwenn man an Weinberger mit
waltschaft eidie Zeit des Kal- Weckbach-Mara
ne Durchsuten
Krieges im Pentagon.
chung anorddenkt. So hatte Rechts die Minox
net. Aber am
am 23. März zum Kopieren der
nächsten
1983 US-Präsi- Geheimverträge
Morgen rief
dent
Ronald
GeneralbundesReagan
eine
anwalt Kurt Rebstrategische Vermann (1977 bis
teidigungsinitia1990 im Amt) bei
tive unter dem
mir an: „Erstens:
englischen Kürzel SDI angeordIch gratuliere Ihnet. Killersatellinen zu Ihrem
ten sollten anJagderfolg. Zweigreifende Sowtens: Ich nehme
jetraketen in der
an, Sie machen
Luft zerstören.
von Ihrem ZeugAm 18. April
nisverweigeAußenminister Joschka Fischer
1985 kündigte
rungsrecht Ge(heute 60, r.) mit WeckbachBundeskanzler
brauch.“ Meine
Mara in der Toskana
Helmut
Kohl
Antwort
war
(CDU) die deut- FOTOS: PRIVAT, BILD AM SONNTAG/NIELS STARNICK (1)
schlicht
„Ja“.
sche Beteiligung am Krieg der Und in Reichweite der Ge- Freund Rebmann trocken:
Sterne an und einigte sich ein heimschutzstelle stand aus Si- „Dann ist die Sache für mich
Jahr später mit US-Verteidi- cherheitsgründen kein Kopie- erledigt.“
gungsminister Caspar Wein- rer.
Nicht so für den Bundestag,
berger (von 1981 bis 1987 im
Mein Freund kam raus: „Wir der eine Woche darüber deAmt) auf die Bedingungen.
haben nur wenige Minuten.“ battierte – mit dem Ergebnis,
Der deutsch-amerikanische Ich fotografierte ein paar Sei- es sei gut, dass die SDI-VerträSDI-Vertrag verschwand in der ten und las den gesamten Text ge nicht länger geheim sind.
Das hat nur aus zwei GrünBonner Geheimschutzstelle. ins Tonband. Bereits nach weVor allem Mitglieder des Si- nigen Minuten gingen wir aus- den funktioniert: 1. Der Politiker wollte, dass der Vertrag
cherheitskabinetts wie die Mi- einander.
Ich fuhr zu meinem Chefre- trotz Verpflichtung zur Genister für Äußeres, Inneres,
Verteidigung und Wirtschaft dakteur, der bereits mit dem heimhaltung öffentlich wird. 2.
hatten Zugang. Und ganz Bonn Verleger zusammensaß. Recht- Er hat mir vertraut, denn bei
liche Bedenken – es ging um der kleinsten Indiskretion wäwollte wissen, was drin stand.
Am 16. April 1986 rief mich nicht weniger als glatten Lan- re er öffentlich zum Landesein zugangsberechtigter Politi- desverrat im Kalten Krieg – verräter geworden. Das war
ker an mit dem schlichten Hin- wurden ausgeräumt. Die Quel- die Bonner Republik – und
weis, wir sollten uns „morgen le habe ich selbstverständlich der Kalte Krieg.
Report 15
Lesen Sie ab morgen neue
Folgen der großen Z-Serie
Berlin, Zentrum der
dachtsraum des BundesMacht, Stadt der Entschei- tags. Wie entsteht Politik,
dungen. Die Z ist für Sie
was beeinflusst sie? Wie
auf den Spuren der Politik.
wird sie gemacht? Was
Was passiert in den Hinterspürt man, wenn man sie
zimmern der Mächtigen?
hat, die Verantwortung für
Was hat eine
DeutschAbgeordland?
nete im
Berlin,
Kühldas ist
schrank?
Ringen
Wie ist es,
um Ge-Serie
.
über das Parsetze
litik wirklich
Po
t
ier
on
funkti
lament zu 80 So
rund um
Millionen Deutschen zu
die Uhr. Und wir wollen zeisprechen?
gen, wie sie funktioniert:
Die Z besucht die Politik
die Politik mitten unter uns.
zu Hause und im Hotel. Die
Lesen Sie morgen: Wie
Z begleitet Abgeordnete der FC Bundestag gegen
elf Bürgermeister aus
24 Stunden, trifft sie, in
Rheinland Pfalz antrat.
persönlichen Momenten,
Kicken als Politik.
sogar beim Beten im An-
14 Berlin
*
fl
Montag, 24. November 2008
Dienstags in Prenzlauer Berg
tauschen die Parlamentarier Anzug
gegen kurze Hose
Kick mal! Der
FC Bundestag
„So, und jetzt wählen wir den
Knackarsch der Mannschaft“,
ruft einer durch die Kabine und
zieht das Trikot aus. „Ach“, sagt
ein anderer. „Da gewinnt wieder die SPD.“ Sie albern herum,
So funktioniert Politik wirklich.
-Serie
Politiker wie kleine Jungen.
Doch nicht erst jetzt. Es passierte schon vorhin im Bus. Im
Bus auf dem Weg zum Stadion
in Prenzlauer Berg, als die letzten den Schlips ablegten.
***
Die Z auf den Spuren der
Macht. Politik, so ehrlich wie sie
wirklich ist. Heute mit dem FC
Bundestag beim Kick nach dem
Parlament. Zwei Mal dreißig Minuten gegen Bürgermeister aus
Rheinland-Pfalz. „Gut warmlaufen! Das Wetter ist tückisch für
die Muskeln“, warnt Captain
Klaus Riegert (49, CDU) Sportausschuss. „Ich spiele mit der 13.
Wie Ballack!“, sagt Michael
Grosse-Brömer (48, CDU),
Rechtsexperte. Hat da eben
noch einer Erbschaftssteuer gesagt? Streber.
***
18.14 Uhr. Die Bürgermeister
erleichtert. Da seid Ihr ja. Nach-
her Dritte Halbzeit? Klar. Anpfiff.
18.15 Uhr. Dirk Fischer (64)
am Ball. Die „Blutgrätsche“ der
CDU. Parteifreund Marcus
Weinberg (41), erst seit drei Jahren im Bundestag, vertändelt.
18.17 Uhr. Angriff Weiß. Für
die Bürgermeister geht es um
die Ehre. „Spielen die öfter zusammen? Verdammt!“
18.19 Uhr. Die Bundespolitik
verliert den Humor. Offener Koalitionsgraben im Strafraum.
0:1! Wird schon noch.
18.24 Uhr. „Sind das wirklich
Politiker?“, fragen die beiden
Jungen am Spielfeldrand. „Bundestag, Bundestag!“, rufen sie
der Kicker-Koalition zu. Freistoß, Captain Riegert. Vorbei.
18.29 Uhr. Innenexperte Alois
Karl (58) von der CSU allein
vorm Tor. Den muss er doch
machen. Konter der Bürgermeister über rechtsaußen.
18.31 Uhr. Schon wieder dieser Pfälzer. „Der Bomber aus der
Pfalz“, jetzt hat er seinen Spitznamen weg. Gemurmel, Rufe:
„Wieso kommt der immer wieder durch?“
18.35 Uhr. Die Spielerfrauen
der Bürgermeister feixen. „Wir
wussten, dass unsere Männer
gut sind.“ Frauenvorteil.
18.45 Uhr. Halbzeit. Schulterklopfen, Mut zusprechen. „Wer
einmal zusammen geduscht
hat“, redet anders miteinander“,
sagt Riegert, der Captain.
18.50 Uhr. Anpfiff. Zweite
Amts- ähm, Halbzeit.
18.52 Uhr. Die Bürgermeister
drücken Berlin an die Wand.
Tor! Doch nicht. Abseits.
18.59 Uhr. Paul Schäfer (59),
der einzige Linke im Team wird
ungeduldig auf der Bank. Verdammte Zerrung. „Ich würde so
gerne spielen“, sagt er. Mosert:
„Wir brauchen einen Einwurf-
herbei gelaufen: „Jungs, seid wenigstens ehrlich!“
19.12 Uhr. Links mehr als
rechts. Die Politiker hecheln.
Nur noch acht Minuten.
19.13 Uhr. Ein Bürgermeister
alleine vorm Tor. Glanzparade
des Bundestags-Keepers.
19.15 Uhr. Wieder von Stetten
Das Abc der
Politik (Teil 1)
A
wie Abgeordneter. Jeder
Wahlberechtigte ab 18
Jahren kann für den Bundestag kandidieren. Dazu wird
er normalerweise von einer
Partei, deren politische Ziele
er teilt, aufgestellt. Parlamentarier sind Abgesandte
auf Zeit. Bei jeder Bundestagswahl müssen sie sich erneut dem Wählervotum stellen.
wie Bundestag. Der Bundestag ist das höchste
Verfassungsorgan Deutschlands. Und das einzige, das
auf Bundesebene direkt vom
Volk gewählt wird.
wie CDU. An der Spitze
der Christlich Demokratischen Union Deutschlands
steht seit dem 10. April 2000
die Parteivorsitzende Dr. Angela Merkel. Seit dem 22.
November 2005 ist sie Bundeskanzlerin der Großen Koalition aus CDU und SPD.
wie Demokratie. Alle
Staatsgewalt geht in einer Demokratie vom Volk
aus. Wer das Land regiert,
wer die Gesetze macht,
hängt von den beiden Kreuzen ab, die die Wahlberechtigten auf ihre Stimmzettel
machen. Damit geben die
Wähler ihre Macht auf Zeit
an ihre Volksvertreter ab.
wie Erststimme. Jeder
Kandidat, der in seinem
Wahlkreis die Mehrheit der
Erststimmen erhält, kommt
mit einem Direktmandat in
den Bundestag.
B
C
Der Bundestag erschöpft und erleichtert nach dem Spiel.
Wenigstens nicht verloren
trainer.“
19.02 Uhr. Freistoß. Wieder
die Chance, alles besser zu machen. Jetzt wächst zusammenwachsen, was zusammen gehört, Teamgeist.
19.04 Uhr. Finanzpolitiker
Christian von Stetten (38, CDU)
kommt an den Spielfeldrand.
„Wie Butter gehe ich da durch
die Linien durch.“
19.05 Uhr. Die Butter macht
ernst. Schöne Flanke.
19.09 Uhr. Noch elf Minuten.
Latte. Linie. Ein Tor, das keins
war. Der Bundestag jubelt. Der
Bürgermeister-Coach kommt
am Spielfeldrand: „Wie lange ist
noch?“
19.22 Uhr. „Ich hab’ keinen
Bock mehr“, ruft Ballack, Michael Grosse-Brömer. Doch dann
kriegt er den Ball vor die Füße.
Läuft, läuft, tänzelt, läuft. Hämmert aus 20 Metern. Der Ball
fliegt. 1:1!
19:25 Uhr. Das war’s. Abpfiff.
19.28 Uhr. „Wir waren wie Ribery und Ze Roberto, sagt Grosse-Brömer zu Captain Riegert.
„Nur der eine zu langsam und
der andere zu weiß…“
20.00 Uhr. Das mit der Dusche wissen Sie ja schon.
D
E
FOTO: FALKO SIEWERT
VON
JAN RENTZOW
1:0 liegen die
Bürgermeister
aus RheinlandPfalz vorne.
Doch der
Bundestag in
Rot gibt nicht
auf
*
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Dienstag, 25. November 2008
Mein Leben in der
PolitikerPlatte
Christine Scheel
(51) beim
Frühstück in
ihrer Dreizimmerwohnung.
Unten im Haus
ist ein
Feinkostladen
Die Politikerschlange. Das Zuhause von 50 Bundespolitikern
50 Abgeordnete
wohnen in Tiergarten
in der Schlange. Auch
Christine Scheel (51)
von den Grünen
VON
JAN RENTZOW
Wer kann schon aufs Kanzleramt gucken? Herrlich die
Spree, die Weite. „Ich wüsste
nicht, warum ich hier ausziehen sollte“, sagt Christine
Scheel (51), eine von 50 Parlamentariern in der PolitikerSchlange von Tiergarten.
„Von außen denkt man Hasenkasten, aber von innen.
Kommen sie rein“, sagt die Vize-Vorsitzende der GrünenFraktion, die sieben Jahre
Chefin des mächtigen Finanzausschusses war.
Die Z im Zentrum der
Macht. Heute, wo die Politik zu
Hause ist, in der Politiker-Platte
bei Christine Scheel.
70 Quadratmeter. Drei Zimmer, offene Küche – das kleine
Reich der Parlamentarierin in
der Hauptstadt. 570 Kilometer
Entfernung bis nach Aschaffenburg, ihrer Heimat. Ein kleines Dorf und 1700 Menschen,
die sich freuen, wenn sie samstags zum Metzger geht. Die
Welt, an die sie immer denkt,
wenn sie während der Woche
Politik macht.
„Ich wohne hier in einer
WG“, sagt Scheel, „meine Mitbewohnerin Thea ist auch
Grüne. Die sehe ich manchmal öfter als meinen Mann zu
Hause.“ Die blaue Couch – hat
Thea besorgt. Das Kinderbild
neben dem Frühstückstisch –
hat Thea aufgehängt. „Zuhause in Bayern nehme ich Abstand von hier, von der Politik“, sagt Scheel und gießt
noch einen Frühstücks-Tee
auf.
***
„In meinem Aufgang wohnen noch mehr Politiker“, erzählt sie. „Oben der Rainer
Brüderle von der FDP“, aber
den sieht sie kaum. Macht der
denn viel Krach, der Kollege
Vizefraktions-Chef? „Nein, den
höre ich nicht. Nur die Kinder
direkt über uns.“ Sie lächelt,
schaukelt ihre Füße in den
weißen Socken. Warum nur
sind Menschen wie sie so
Das Abc der
Politik (Teil 2)
F
schrecklich normal, wenn sie
nicht vor der Kamera stehen?
***
So funktioniert Politik wirklich.
-Serie
Haben Sie eine Putzfrau, die
hier durchsaugt? „Ja, eine Dame kommt alle zwei Wochen,
eine Stunde.“ Alleine schafft
sie das nicht. Wo holen Sie ihre Milch? „Manchmal gehen
wir runter in den Feinkostladen, holen die Zeitungen und
’nen Joghurt!“ Sitzen die Politiker wirklich da unten in der
Eckkneipe? „Ja, die Hardliner,
Immer dem
Licht
entgegen.
Scheels
Küche in
Tiergarten
jeden zweiten Abend. Die können einfach nicht abschalten.“
Auch ihr fällt es schwer, ohne
Zeitung ins Bett zu gehen.
***
Frau Scheel, wann haben
Sie in Berlin das letzte Mal gekocht? „Vor vier Wochen!“
Zeit, sich abends mal in die
Badewanne zu legen? „Doch,
das mache ich öfter, nach anstrengenden Debatten!“ Und
Gerhard, ihr Mann, was sagt
der dazu, dass sie immer so
viel hier ist und nicht bei ihm
in Bayern? „Der unterstützt
mich. Wenn ich freitags ankomme, sagt der: ‚Jetzt setz
Dich erst mal hin. Komm runter!’ Das hier in Berlin ist meine schnelle Welt. Und zu Hause in Aschaffenburg meine
langsame.“
***
Dann muss sie los, die Grüne, die ihre Mitbewohnerin
Thea öfter sieht, als ihren
Mann. Die schnelle Welt hat
gerufen. Arbeitskreis, Fraktionsvorstand, große Fraktionssitzung. Es ist 10 Uhr. Heute
Abend um 23.30 Uhr ist sie
wieder zu Hause. „Mit Thea
habe ich mich noch nie gestritten. Mach mal, bring Du mal
Tee mit, so was gibt es bei uns
nicht!“
Ihr Mann ist übrigens in der
SPD.
wie FDP. An der Spitze der
Freien Demokratischen
Partei steht seit dem 4. Mai
2001 der Parteivorsitzende Dr.
Guido Westerwelle. Die FDP
ist mit 61 Sitzen die größte
Nichtregierungspartei im Parlament.
wie Grüne. An der Spitze
der Grünen stehen gleich
zwei Politiker. Seit Samstag
vor einer Woche Cem Özdemir, der erste Parteichef in
Deutschland mit türkischen
Wurzeln. Claudia Roth führt
die Partei schon länger, seit
2004.
wie Henne, fette. An der
Stirnseite des Bundestags
hängt über den Köpfen der
Abgeordneten die „Fette Henne“, der Bundesadler. Das
Wappentier aus Aluminium
wiegt 2,5 Tonnen. Und hat eine stattliche Größe: 58 Quadratmeter.
wie Immunität. Eine besondere Regel zum Schutz der
Arbeitsfähigkeit des Parlamentes. Danach darf gegen
einzelne Abgeordnete nur mit
Zustimmung des Bundestages
ermittelt oder Anklage erhoben werden. Ausnahme: Der
Abgeordnete wird bei Begehung einer Straftat erwischt
oder am Tag darauf festgenommen.
wie Juristen. Die Juristen
stellen mit 135 die größte
Berufsgruppe unter den 612
Volksvertretern im Bundestag.
Insgesamt sind 25 Berufsgruppen vertreten, darunter auch
70 Pädagogen.
G
H
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FOTOS: FALKO SIEWERT
10 Serie
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fl
Mittwoch, 26. November 2008
Der ehrliche Mann
von SchwarzRot-Gold
Vier Stunden Schlaf,
Presseschau im Fitness-Studio
und manchmal das Parlament
schwänzen. Der
CDU-Bundestagsabgeordnete
Axel Fischer (42) verrät
elf Wahrheiten seines
Politikerlebens
Axel Fischer
(42): Aus dem
Ländle nach
Berlin-Mitte.
Und dort jede
Menge zu tun
Das Abc der
Politik (Teil 3)
VON
JAN RENTZOW
Er lebt sein Leben für die
Politik: Elektroinstallateur
Axel Fischer (42), seit fast
elf Jahren Mitglied im Bundestag. Vier Töchter, CDUMann aus dem Ländle,
Wahlkreis: Karlsruhe Land.
„Politiker
aus
Leidenschaft“, sagt er, Forschungspolitik von früh bis spät.
Raus um 6.30 Uhr, ins Bett
um 2.00 Uhr nachts. Morgens Kanzlerin, nachts Kartoffelsalat. Seine Mission:
Ein besseres Deutschland.
Seine Hoffnung: Die Wiederwahl.
Wir trafen ihn auf einem
Lobbyabend der Automatenindustrie. Elf Bekenntnisse
eines gelernten Strippenziehers, die Politiker-Wahrheit
in der Z.
q Ich gehe auch mit Oppositionskollegen aus der FDP
in die Kneipe.
„Wir üben schon mal die
nächste Koalition ab nächsten Herbst.“
w Manchmal haue ich bei
Terminen früher ab.
„Meine Regel ist, überall, auf
allen Terminen, den Kopf
reinstecken. Wenigstens eine
Stunde hingehen. Wenn ich
wirklich nicht kann, schicke
ich meinen Referenten.“
e Hin und wieder sehe ich
ein wenig gequält aus.
„Manchmal denke ich, das
habe ich schon fünf Mal ge-
z Manchmal gehe ich nicht
ins Plenum.
„Normalerweise hat das Plenum Priorität. Ich gehe rein,
wenn die Regierung spricht.
Oder ein Vertreter aus meiner Landesgruppe. Oder
wenn Themen aus meinem
„Das Streiten ist die politische Auseinandersetzung.
Das andere die menschliche
Seite. Es gibt in der eigenen
Partei Leute, die weniger
sympathisch sind. Und ich
habe in der SPD Kollegen,
mit denen ich locker ein Bier
trinken könnte.“
i Ich kann kaum loslassen.
„Mittwochs und freitags gehe
ich ins Fitnessstudio. Ich laufe dann auf dem Band und
-Serie
So funktioniert Politik wirklich.
gucke im Frühstücksfernsehen so lange Nachrichten,
Ausschuss behandelt wer- bis sie sich wiederholen.“
den. Wenn niemand davon o Ich lese die „Bunte“.
spricht, gehe ich vielleicht „Für die Leute ist Zeitung lenicht unbedingt hin.“
sen Freizeit, für mich Arbeit.
u Im Parlament streiten Ich lese ‚Spiegel’, ‚Focus’, sowir uns. Danach verstehen gar ‚Gala’ und ‚Bunte’, damit
ich weiß, worüber die Leute
wir uns. Das kommt vor.
im Wahlkreis reden.“
Fischer (li.) auf einem Lobbyp Im Büro habe
abend der Automatenindusich ein Sofa.
trie in der Dircksenstraße.
„Als ich anfing, haMit seinem FDP-Kollegen
be ich da mittags
Detlef Parr (re.)
zwei Stunden übergenickt. Doch das
schaffe ich nur noch
selten.“
3 Ich würde so
gerne mehr Sport
machen.
„Ich habe jeden Tag
meine Sporttasche
dabei, will zwischendurch
kurz
zum Sport. Doch
abends nehme ich
die wieder mit nach
Hause. Ohne Sport.“
hört. Frage mich, bevor ich
zu einem Termin los muss:
Oh je, muss das wirklich
sein? Dann bin ich da, stehe
auf dem Podium und es sind
doch noch wieder neue Aspekte dabei.“
r Meinen Wein trinke ich
nur mit Wasser.
„Wenn ich mir einen Wein
bestelle oder aufdrängen lasse, dann nur mit einem Glas
Wasser. Wenn ich mehr als
nippen würde, wäre das eine
Katastrophe. Ich muss ja
gleich zum nächsten Termin.“
t Für Fotos stelle ich das
Weinglas weg.
„Das könnte sonst einen falschen Eindruck machen.
Man muss immer an den
Wähler denken.“
K
wie Kölner Dom. Donnerstags und freitags erklingen
im Bundestag um 8.35 Uhr die
Glocken des Kölner Doms. Die
Glockentöne kommen vom
Band und laden zur christlichen Morgenfeier im Andachtsraum ein.
wie Linke. Die Partei „Die
Linke“ ist hervorgegangen
aus der PDS und der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit WASG. An der Spitze stehen seit 16. Juni 2007 Lothar
Bisky und Oskar Lafontaine.
Lafontaine war früher in der
SPD.
wie Mandat. Keines der
612 Mitglieder des Deutschen Bundestages kann gezwungen werden, sich der
Meinung seiner Fraktion zu
unterwerfen. Artikel 38 des
Grundgesetzes garantiert das
freie Mandat.
wie noch freie Plätze. Der
Bundestag könnte seine
vielen Aufgaben nicht erfüllen, wenn alle Abgeordneten
immer gleichzeitig im Plenum
säßen. Es herrscht Arbeitsteilung, organisiert in Ausschüsse, Unterausschüsse, Arbeitsgruppen.
wie Opposition. Als Opposition bezeichnet man
die Parteien und Gruppierungen, die zwar im Parlament
vertreten, jedoch nicht an der
Regierungsbildung beteiligt
sind.
wie Petitionen. Bitten und
Beschwerden an den Bundestag landen beim Petitionsausschuss, der sie prüft und
berät.
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FOTOS: FALKO SIEWERT
14 Serie
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Donnerstag, 27. November 2008
Erst das Vaterunser,
dann der Vater Staat
Die Morgenandacht im
Bundestag. Um 8.40
Uhr die Richtung
finden für die eigene
Politik
Das Abc der
Politik (Teil 4)
Im Andachtsraum, mitten im Bundestag, schöpfen
die Abgeordneten Kraft für schwere Entscheidungen
VON
JAN RENTZOW
Ein kleiner karger Saal in
der Mitte der Macht. Das
Licht gedämpft. Eine Kerze.
Ein hölzernes Kreuz. Und
andächtige Stille wie in einer Kathedrale. Die Bundespolitiker, jetzt erheben sie
sich. Sie beten: „Vater Unser
im Himmel, Geheiligt werde
Dein Name…“ Beten für das
Gewissen und die richtige
Entscheidung.
Im Raum 1S019, nur fünf
Schritte zum Plenarsaal im
Reichstag, geht die Politik unter die Haut. Wenn die gläubigen Politiker aus allen
Fraktionen hier zusammenkommen, nur noch Gott regiert. Innehalten wie auf einer Insel der Gebete. Steffen
Reiche von der SPD, Bodo
Ramelow von der Linken.
Katharina Landgraf von der
CDU. Geeint in ihrem Glauben, der ihnen Kraft gibt für
Verantwortung, die manchmal nur schwer zu ertragen
ist. Und Spardebatten wie
gestern: als die Kanzlerin
verkündete, dass Deutschlands Wirtschaft vor einem
schweren Weg steht.
Die Z im Andachtsraum
des Bundestags, im stillsten
Hinterzimmer der Macht.
Erst das Vaterunser, dann
Vater Staat.
8.38 Uhr. Nur Katharina
Landgraf fehlt noch, die kleine sächsische Abgeordnete.
„Ach, Sie schaffen es ja
doch“, begrüßt sie eine Saaldienerin. Abgehetzt stürmt
die Politikerin in den Saal der
Ruhe. „Ich habe extra einen
Zug früher genommen“, sagt
sie und da sitzt sie schon.
Zweite Reihe ganz rechts. Eine Saaldienerin des Parlamentes schließt die schwere
blaue Tür.
Orgel. Gebet, Segen – zehn
Minuten. Pfarrer Alexander
Bitzel (39) ist heute zu den
Politikern gekommen, seine
Stimme ist viel leiser als die
Politik vor der Tür. Sanft
spricht er zu den andächtigen Politikern, der Parla-
den Schatten stellt, die eben
noch zu hören waren – als
Einstimmung in die 10 Minuten dieser Ökumenischen
Zeremonie.
„Die Andacht hat mir gut
getan. Es bringt mir Ruhe,
mich auf Glaubensdinge zu
konzentrieren“, sagt Katharina Landgraf von der CDU.
Bevor über das Stammzellengesetz abgestimmt wurde,
war sie hier. Jetzt, wenn es
-Serie
So funktioniert Politik wirklich.
darum geht, über die Patienmentsärztin, den gläubigen tenverfügungen zu entscheiMitarbeitern aus der Verwal- den, den selbst gewünschten
tung. Und ein 71-Jahre alter Tod, wird sie genauso oft
Herr, Christian Schlicke, be- kommen. „Da bin ich noch
dient die herbei gerollte Or- unsicher.“
gel. So flink, dass er selbst
Wie oft betet die Politik in
die Kölner-Dom-Glocken in Raum 1S019? Annette KippSandherr (52), die SaaldieEin Holzkreuz auf
nerin, die den Abgeordneten
dem Altar. Mit
hilft, ihre eigene Mitte zu finNagelkunst von
den: „Sie kommen öfters her.
Günther Uecker an
Nicht nur zu den Gottesder Wand
diensten. Das ist ein Ort der
Ruhe. Hier finden die Politiker die Kraft, die sie brauchen. “
Glaube kann Berge versetzen, lautet ein altes Sprichwort. Doch wahrscheinlich
macht er nicht nur das.
Wahrscheinlich verändert er
Deutschland. Ein bisschen.
Q
wie Quorum. Um nach
Bundestagswahlen ins
Parlament einzuziehen, muss
eine Partei fünf Prozent der
Zweitstimmen erhalten haben.
Ausnahme: Der Einzug über
Direktmandate.
wie Regierung. Die Bundesregierung muss dem
Bundestag Rechenschaft ablegen. Bei Abstimmungen über
Regierungsvorhaben ist die
Bundeskanzlerin auf das Vertrauen des Parlaments angewiesen.
wie SPD. An der Spitze der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands steht seit 18.
Oktober Franz Müntefering.
Die Fraktion der SPD hat im
jetzigen Parlament 222 Sitze,
vier weniger als die Fraktion
von CDU/CSU (226).
wie Technik, ressourcensparend. Im Reichstag
sorgt ein rüsselförmiger Trichter mit 360 Spiegeln für Tageslicht im Plenarsaal. Die Solarmodule der Fotovoltaik-Anlage auf dem Süddach bedecken eine Fläche von 300
Quadratmetern.
wie Untersuchungsausschuss. Ein Untersuchungsausschuss prüft Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten der Minister. 2005
wurde die Befragung von
Joschka Fischer zur Visa-Affäre im Fernsehen übertragen.
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FOTOS: FALKO SIEWERT
16 Serie
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Freitag, 28. November 2008
Das ist der Mann, der
Merkels Haushalt
kontrolliert
Otto Fricke (43)
gestern früh. „Ich
heiße Otto“, sagt
er. „Da muss man
an den Otto
Normalverbraucher denken!“
Otto Fricke ist Chef des
Haushaltsausschusses
im Bundestag und das
Geldsparen hat er von
seinen Eltern gelernt
VON
JAN RENTZOW
Jeder Cent, den Deutschland
ausgibt, tut ihm weh. Um 6
Uhr steht er auf und denkt
ans Geld, um 23.30 Uhr geht
er ins Bett und denkt ans
Geld. Otto Fricke (43, FDP)
heißt der Chef des Haushaltsausschusses, der Angela Merkels Haushalt kontrolliert.
Die Z hat ihn gestern begleitet. Einen Krefelder, der
schneller mit Staatsausgaben
und Zahlen jonglieren als der
Bürger gähnen kann. Und nebenbei die 290 Milliarden Euro Etat der Bundesregierung
auf den Prüfstand stellt.
„Ich bin Fachpolitiker. Sich
mit Politik auseinanderzusetzen, ist soziales Engagement.
Sonst funktioniert der Laden
nicht!“, sagt er. Das Geldsparen hat er von seinen Eltern.
Beide selbstständig.
Es ist seine Woche. Jeder einzelne Etat der Bundesregierung
muss durchs Plenum. Es ist Fricke-Time. Den ganzen Tag.
7.02 Uhr: Regen. Mit Basecap
steht der Haushaltshüter vor
seiner Wohnungstür in Mitte.
Chicago White Sox. „Gut für
Brillenträger“, sagt der Finanzwächter. Sein erster Termin?
„Ein Banker zur Finanzmarktkrise im Einstein. Da kann ich
frühstücken. Wir gehen zu
Fuß.“ Er mag es, dass es dort
ein weißes Tischtuch gibt. Er
nimmt Tisch 62. Am Gang.
Die Kollegen grüßen ihn.
8.32 Uhr. Im „Einstein“ wird es
voll. Zu voll. Fricke hat Großes
vor heute, muss weiter. Steht
seine Rede zur Familienpolitik
schon? „Nein. Es gibt keine
fertige Rede. Ich rede frei. Politiker sollten frei reden“, sagt er.
8.57 Uhr. Jetzt dran denken?
Fehlanzeige. Erst noch die Erbschaftssteuer-Debatte im Plenum. Die namentliche Abstimmung. Ein FDP-Kollege nennt
die neuen Regelungen zur Erbschaft „totalen Murks“, Fricke
klatscht. Hält aber auch Small
Talk mit der neuen Agrarministerin Ilse Aigner (CSU). Mit
Annette Schavan (CDU). Politik soll fair sein, sagt er.
Das Abc der
Politik (Teil 5)
V
9.43 Uhr. Gespräch mit Angela Merkel im Parlament. Sie
lächelt. Er lächelt. Er fragt:
„Sind Sie froh, wenn die
So funktioniert Politik wirklich.
-Serie
Haushaltswoche vorbei ist?
Haben Sie wenigstens dann
mal Zeit für ein ruhiges Wochenende?“ Er hat Hochachtung vor Frau Merkel und Finanzminister Steinbrück. Der
Mann, der im Haushaltsausschuss die Finger in die Wunden ihrer Ausgabenpolitik
legt. „Diese Leistung nicht zu
sehen, wäre dumm.“
Otto Fricke im
Gespräch mit
Angela Merkel.
Es geht ums
Wochenende
10.00 Uhr. Fricke kniet. 50 Besucher aus Krefeld hinter ihm.
„Tag erst mal“, sagt er. „Der
Mann hier vor Ihnen macht
gute Fotos, aber nur, wenn Sie
machen, was er sagt.“ Zwei
Mal im Jahr darf Fricke im
Parlament Besucher empfangen. Was ist mit der Rede?
„Ich habe zehn Karteikarten,
nachher nur noch fünf!“
11.55 Uhr. Noch eine Stunde.
Dann muss Fricke ins Plenum, gegen Ursula von der
Leyen antreten. „Ich bin
schon beim ersten Satz“, sagt
er. Will ihren Haushalt nicht
durchwinken.
12.42 Uhr. „Haben Sie noch
Lebkuchen für mich?“, fragt
er seine Sekretärin.
12.55 Uhr. Zwei Stufen auf
einmal auf dem Weg die
Treppen hoch.
14.08 Uhr. Fricke im Parlament.
Es ist seine Stunde. Sein Moment. Schnell. Präzise kritisiert
er die Familienpolitik.
14.30 Uhr. Der Tag ist noch
nicht vorbei. Pressekonferenz
zu Patientenverfügungen. Die
zweite Angriffsrede am frühen Abend. Ministerin Brigitte Zypries abwatschen. Den
Justiz-Etat.
Es macht ihm Spaß. Er hat
Freude. Es sind nur noch
neun Stunden bis zu Hause.
***
Ende
wie Vermittlungsausschuss. Wenn sich Bundesrat und Bundestag nicht über
ein Gesetzesvorhaben einigen
können, kann ein Vermittlungsausschuss eingesetzt
werden. Je 16 Vertreter aus
beiden Häusern bemühen sich
dann um einen Kompromiss.
wie Wissensdurst. 13 623
Fragen an die Bundesregierung haben die Abgeordneten des Bundestags in der
letzten Wahlperiode gestellt,
643 Gesetze verabschiedet.
wie XXL. Der Bayer Ernst
Hinsken (CDU/CSU) ist bei
der letzten Wahl mit 68 Prozent der Erststimmen ins Parlament gewählt worden. Rekord! Der Bäckermeister und
Konditor ist seit Dezember
2005 Tourismusbeauftragter
der Bundesregierung.
wie Ypsilanti, Andrea.
SPD-Politikerin in Hessen,
die in diesem Jahr zwei Mal
vergeblich versucht hat, eine
Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Partei „Die
Linke“ zu bilden. Als Termin
für Neuwahlen wurde der 18.
Januar 2009 festgelegt.
wie Zweitstimme. Entscheidend für das Kräfteverhältnis der Parteien im
Bundestag ist die Zweitstimme. Mit ihr entscheidet der
Wähler, welche Partei oder
welche Koalition so stark wird,
dass sie aus den eigenen Reihen den Kanzler oder die
Kanzlerin wählen kann.
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FOTOS: FALKO SIEWERT
12 Serie