Bauchdeckendefekte und Wundheilungsstörungen

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Bauchdeckendefekte und Wundheilungsstörungen
DIAGNOSTIK + THERAPIE
OPERATIVE GYNÄKOLOGIE
Bauchdeckendefekte und
Wundheilungsstörungen
Diagnostik und Therapie
D.M. Forner1, B. Lampe1, K.-H. Vestweber2
Die Bauchdecken sind nicht eigentlicher Gegenstand der operativen Gynäkologie. Mit eine Behandlung erfordernden Störungen und Komplikationen wird der gynäkologische Operateur jedoch immer wieder konfrontiert. Im Folgenden wird daher ein
Überblick über die Möglichkeiten der Prävention, Diagnostik
und Therapie gegeben.
Bei der klinischen Untersuchung werden die Bauchdecken regelmäßig einbezogen. Dabei gilt es, neben den intraabdominalen Befunden auch die
Bauchdecke als Organ zu untersuchen
und Hernien als mögliche Ursache von
Beschwerden auszuschließen. Besonders nach vorausgegangener Laparotomie sollte nach einer Narbenhernie gesucht werden, um dies bei
OP-Planung und Aufklärung der Patientin einbeziehen zu können.
Für den operativen Zugang bei abdominalen Eingriffen bestehen mit
vaginaler und endoskopischer Operationstechnik alternative Möglichkeiten zur Laparotomie. Dennoch ergeben sich regelmäßig Indikationen zur
Laparotomie. Häufig wird der tiefe
Transversalschnitt nach Pfannenstiel
gewählt. Zu seinen unübersehbaren
Vorteilen zählen die geringe kosmetische Beeinträchtigung der Patientin und die verschwindend geringe
Zahl von Narbenhernien. Dennoch ist
der Längsschnitt in einer ganzen Reihe von Fällen unvermeidlich. Insbesondere onkologische Eingriffe erfordern zur Exploration und Operation
im Oberbauch (z.B. Tumor-Debulking)
1
Frauenklinik der Kaiserswerther
Diakonie, Florence-NightingaleKrankenhaus, Düsseldorf
2 Klinik für Allgemeinchirurgie des
Klinikums Leverkusen
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oder zur Lymphknoten-Entfernung eine großzügigere Eröffnung. Neben
den anatomischen Gegebenheiten bestimmt der Umfang des Eingriffs die
Größe des zu wählenden Zugangs.
Unabhängig von der Art des Zugangs
gilt beim Verschluss der Bauchdecken:
n Peritonealnaht: beeinflusst
nicht die Häufigkeit peritonealer
Adhäsionen;
n Fasziennaht: fortlaufende Fasziennähte verringern die Häufigkeit von Nahtbrüchen;
n Subkutannaht: vermindert den
Totraum nicht und führt häufiger
zu Wundheilungsstörungen.
Richtige Nahttechnik vermindert das Hernien-Risiko
Für den Verschluss der tiefen Querinzision gelten die obigen Regeln. Auch
wenn der Peritonealverschluss keine
belegten Vorteile bringt, wird er vielerorts noch durchgeführt. Die Muskelnaht entfällt, die Fasziennaht sollte fortlaufend durchgeführt werden.
Für die Längs-Laparotomie ist die fortlaufende allschichtige Naht – am besten mit Doppelschlinge und unter Mitnahme des Peritoneums – die günstigste Nahttechnik. Die Muskulatur
sollte so weit wie möglich ausgespart
werden. So lassen sich Muskelnekrosen und Narbenschmerzen reduzieren,
da ein unphysiologischer Gewebsverband vermieden wird. Es sollte möglichst langsam resorbierbares Nahtmaterial verwendet werden. Komplikationen werden so am besten verhindert (1).
Wissing konnte zeigen, dass schnell
resorbierbares Nahtmaterial zu einer
vermehrten Hernienbildung führte
(2).
Erst nach über 50 Tagen hat das Gewebe wieder 80% seiner Festigkeit
erreicht. Als günstiger Faden hat sich
das langsam resorbierbare monofile
Polydioxane (Halbwertszeit 40 Tage,
Resorptionszeit 180 Tage) erwiesen
(3). Bei der Handhabung dieses Fadens ist Vorsicht geboten: Eine Manipulation mit Pinzetten oder Klemmen jeglicher Art ist zu vermeiden,
da hierdurch Sollbruchstellen entstehen und eine Ruptur des Fadens
schon bei geringer Belastung möglich ist.
Die gesamte Länge der Naht (entspricht der Länge des Fadens) sollte
mehr als viermal so lang wie die eigentliche Wunde sein. Der Stichabstand beträgt 1 cm und der Abstand
zum Wundrand jeweils ebenfalls 1 cm.
Jenkins konnte dadurch die Rate von
Nahtinsuffizienzen bei medianen Laparotomien auf unter 0,1% senken
(4), auch wenn der genaue Mechanismus nicht geklärt ist. Wesentlich
ist anscheinend, dass ausreichend Gewebe durch die Naht gefasst wird. Außerdem konnte gezeigt werden, dass
durch die allschichtige fortlaufende
Naht Spannung und Druck gleichmäßiger im Gewebe verteilt werden als
bei Einzelknopfnähten.
Das so genannte atraumatische Operieren, d.h. die Vermeidung von übertriebenem Einsatz von Nahtmaterial,
sowie die Reduzierung von Infekten
und Seromen tragen weiter dazu bei,
die Häufigkeit von Narbenhernien herabzusetzen. Bei entsprechend adipösen Bauchdecken kann die subkutane Einlage von Drainagen (mit Sog)
erwogen werden.
Primäre Hernien
Eine der häufigsten Bruchformen im
Bauchdeckenbereich ist die Leistenhernie. Frauen sind erheblich seltener betroffen als Männer (1:8), jedoch sehen wir in der Tendenz eine
Zunahme dieser Bruchform. Die Bruchpforte der Leistenhernie entsteht als
Defekt der Fascia transversalis in der
Hinterwand des Leistenkanals. Während im Leistenkanal des Mannes der
empfindliche Samenstrang verläuft,
befindet sich bei der Frau dort das Ligamentum rotundum. Indirekte Leistenbrüche gehen auf einen offenen
Processus vaginalis und eine Insuffizienz des muskulären Verschlusses am
Eingang zum Leistenkanal zurück und
finden sich lateral der epigastrischen
Gefäße (s. Abb. 1 links). Dies ist der
typische Leistenbruch des Kindes und
der Frau.
Direkte Brüche entstehen durch
Schwächung der Fascia transversalis
medial der epigastrischen Gefäße mit
Auflockerung der Bindegewebsstrukturen und sekundärer Defektbildung
der Fascia transversalis im so genannten Hesselbach’schen Dreieck,
typischerweise bei Männern im fortgeschrittenen Lebensalter.
Symptomatisch werden Leistenhernien in der Regel durch eine lokalisierte Vorwölbung und/oder Schmerzen. Eine intraabdominelle Drucksteigerung kann die Symptomatik verstärken, auch im Zusammenhang mit
gynäkologischen Erkrankungen (z.B.
Aszitesbildung oder Überstimulation
bei IVF) oder in der Schwangerschaft,
wie wir im eigenen Patientinnengut
gesehen haben.
Die Diagnosestellung erfolgt durch
die klinische Untersuchung im Stehen. Dabei findet sich mit dem Finger eine Vorwölbung im Leistenkanal,
ein Anprall beim Hustenstoß ist möglich. Die Differenzierung zwischen direkter und indirekter Hernie ist auch
erfahrenen Untersuchern nur in zwei
Drittel der Fälle möglich. Eine sichtbare Vorwölbung findet sich nur bei
ausgeprägteren Hernien. Schwierig
zu beurteilen sind so genannte weiche Leisten, bei denen sich kein eindeutig pathologisches Korrelat finden lässt (3).
Eine Leistenhernie ist zu
operieren
Wird eine Leistenhernie außerhalb der
Schwangerschaft festgestellt, besteht
die Indikation zur elektiven Versorgung. Diese besteht aus der Darstellung und Versorgung der Bruchpforte und des Bruchsacks. Wichtig ist bei
allen Verfahren die Rekonstruktion
der Hinterwand des Leistenkanals. In
der offenen traditionellen Technik
nach Bassini erfolgt dies unter Annaht der Fascia transversalis und der
Internusmuskulatur an das Leistenband. Bei der Shouldice-Technik wird
die Fascia transversalis eröffnet und
dann gedoppelt genäht. Anschließend
wird die Internusmuskulatur zweireihig am Leistenband fixiert (s. Abb. 1
rechts).
Zahlreiche offene Techniken der Leistenhernien-Rekonstruktion bedienen
Die endoskopischen Techniken kommen bei der Frau nur selten in Frage,
da durch die Netzeinlage im Wesentlichen die Faszia transversalis verstärkt und damit die direkte Hernie
beseitigt wird. Offene LeistenhernienOperationen wie der Shouldice-Repair
lassen sich sehr gut in Lokalanästhesie durchführen.
DIAGNOSTIK + THERAPIE
Abb. 1: Linkes Bild: Anatomie im Leistenbereich: indirekter Bruchsack. Links außen epigastrische Gefäße, medial: präperitoneales Fett nach Durchtrennung der Fascia transversalis. Rechtes
Bild: Rekonstruktion durch doppelt fortlaufende Naht der zugehörigen Anteile an das Leistenband (Transversalis, Internus und Externus) bei der Rekonstruktion nach Shouldice (5).
sich mittlerweile der Augmentation
mit einem Netz (Mesh-Repair). Dadurch wird die Bruchpforte der medialen Hernie verschlossen. Besonders
einfach ist die Lichtenstein-Technik
(6). Hier wird das Netz in einer modifizierten Onlay-Technik unter die Aponeurose des M. externus plaziert. Die
Sublay-Techniken positionieren das
Netz unter die Aponeurose des M.
transversalis in die präperitoneale
Schicht. Gleiches Vorgehen erfolgt bei
den laparoskopischen Hernien-Verschlussoperationen. Hier unterscheidet man das transperitoneale Vorgehen, bei dem das Peritoneum über dem
inneren Bereich der Leiste eröffnet
wird, dann das Netz platziert und das
Peritoneum wieder geschlossen wird,
vom extraperitonealen Vorgehen, bei
dem unter dem M. rectus vor dem Peritoneum der Raum für die Präparation geschaffen und das Netz direkt extraperitoneal platziert (TEP) wird.
Grundsätzlich sind die umbilikalen
und paraumbilikalen Hernien von
den Narbenhernien nach Laparotomie zu unterscheiden (7, 8). Während
umbilikale und paraumbilikale Hernien meist durch direkte Naht wenig
aufwändig ausreichend zu versorgen
sind, ist die Rekonstruktion von Narbenhernien schwieriger.
Narbenhernien vor allem
nach Längslaparotomie
Narbenhernien begegnet man regelmäßig bei Re-Laparotomien. Während
sie beim Pfannenstielzugang und anderen Kulissenschnitten selten sind,
liegt die Häufigkeit bei der Längslaparotomie bei 10–20% (9, 10). Die
Entstehung einer Narbenhernie ist in
aller Regel ein multifaktorielles Ge-
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DIAGNOSTIK + THERAPIE
schehen, die Faktoren sind in Tabelle 1 angeführt.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden
zwischen primär verschließbaren
Fasziendefekten und Hernien, die
einen primären Faszienverschluss
nicht zulassen.
Wesentlich für die erfolgreiche Versorgung einer Hernie ist die vollständige Darstellung der gesamten Wundlänge. Klassische Versorgungsmethoden für die Narbenhernie sind die Fasziendoppelungen nach Mayo oder die
Bildung einer andersartigen Faszienverdickung (z.B. Dick’sche Plastik).
Diese weisen eine inakzeptabel hohe
Rezidivhäufigkeit bis in den Bereich
von 50% auf (11). Die Netzimplantation ist der aktuelle Standard.
Es sind verschiedene Netzpositionen
möglich. Das Netz sollte ausreichend
groß gewählt werden, die laterale Überlappung auf beiden Seiten mindestens
5 cm betragen. Die Fixation des Netzes in Onlay-Position auf der äußeren
Risikofaktoren für
Narbenhernien
operative Faktoren
n Schnittführung
n Nahtmaterial
n Nahttechnik
patientenbedingte Faktoren
n sekundäre Wundheilung
n Alter >45 Jahre
n männliches Geschlecht
n Begleiterkrankungen
n Adipositas
n Anämie
n malignes Grundleiden
n Diabetes mellitus
n abdominales Aortenaneurysma
n exogene Noxen
n Nikotinkonsum
n Medikamente
(Kortikosteroide, ACE-Hemmer,
NSAID, Zytostatika)
n hereditäre Kollagenerkrankungen
Tab. 1: An der Entstehung von Narbenhernien kann eine ganze Reihe operativer wie
patientenbedingter Faktoren beteiligt sein.
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FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4
Sehnen- und Faszienschicht vor dem
Übergang zur Subkutis ist technisch
einfacher. Sie führt jedoch häufiger als
die Sublay-Technik zu Komplikationen
durch Serome und Infekte, die durch
große subkutane Wundflächen bedingt
sind. Die Sublay-Technik ist zwar operativ aufwändiger, hat aber die besten
Ergebnisse (12–14). Hier wird das Netz
präperitoneal bzw. vor der verschlossenen hinteren Rektusscheide eingelegt und fixiert. Die vordere Rektusscheide wird ebenfalls mit fortlaufender Naht verschlossen. Dieser Verschluss
sollte spannungsfrei erfolgen. Ist das
nicht möglich, kann eine zusätzliche
laterale Entlastungsinzision erforderlich werden.
Als Netzmaterialien bieten sich sämtliche nicht resorbierbaren Fadenmaterialien an. Am meisten durchgesetzt
hat sich Polypropylen. Mittlerweile
sind kombinierte Netze aus resorbierbaren Außenschichten und nicht
resorbierbarem Kern verfügbar. Der
Vorteil dieser Netze ist der feine und
kaum spürbar verbleibende dünne
Netzanteil, der für die Stabilität aber
ausreicht (s. Abb. 2).
Intestinale Fistelbildung
vermeiden
Schwieriger ist die Versorgung nicht
verschließbarer Defekte. Hierbei
muss das Netz den Defekt überbrücken („bridging“), was zu höherer Belastung der Nähte führt. Daher ist die
retromuskuläre Netzposition und Fixierung an allen Schichten der Rektusscheide günstiger als die alleinige Fixierung auf dem hinteren Blatt
der Rektusscheide.
Ein Kontakt von nicht resorbierbaren
Netzanteilen mit dem Bauchhöhleninhalt muss vermieden werden. Dies
ist bei der Positionierung immer zu
beachten. Besteht keine Abdeckung
des Netzes gegenüber dem Darm durch
den Verschluss des Peritoneums oder
des hinteren Blattes der Rektusscheide, müssen spezielle antiadhäsive Composite-Netze verwendet
werden. Andersfalls besteht ein sehr
Abb. 2: Versorgung einer Narbenhernie: Nach
Abdeckung der Intestinalorgane durch Peritoneal-Verschluss präperitoneale Position
eines Netzes vor dem Verschluss der aponeurotisch-muskulären Anteile der Bauchdecke.
hohes Risiko der intestinalen Fistelbildung (15).
Trokarinzisionen ≥10 mm
sollten verschlossen werden
Einen Sonderfall unter den Hernien
stellt die Trokar-Hernie nach laparoskopischen Eingriffen dar. Diese
insgesamt seltene Komplikation lässt
sich allerdings eindeutig auf die Trokargröße zurückführen. Montz (16)
untersuchte 840 Hernien hinsichtlich der Trokargröße: Bei 41% derartiger Hernien hatten die zuvor verwendeten Trokare einen Durchmesser von ≥12 mm, bei 45,2% 10–11
mm, bei 10,9% 8–9 mm und bei
2,7% <8 mm. Trokarinzisionen von
mehr als 10 mm Durchmesser sollten regelmäßig mit Naht des Peritoneums und der Faszie unter Sicht verschlossen werden. Spezielle Systeme zur Naht der Inzision sind im
Handel und in der Routine einsetzbar (17). Auch das Trokar-Design hat
einen Einfluss auf die Hernienhäufigkeit. So führte der Wechsel von
schneidenden pyramidalen Trokaren
auf nicht schneidende konisch dilatierende Trokare zu einem deutlichen
Rückgang der Hernienfrequenz (18,
19).
Zur Versorgung einer Bauchwandhernie wird in der Regel eine offene Operationstechnik eingesetzt. Grund-
Der Platzbauch erfordert die
umgehende operative Revision
Der Platzbauch stellt eine besonders
frühe Form der Narbenhernie dar, bei
der neben der Fasziennaht (subkutaner Platzbauch, s. Abb. 3) auch alle
Schichten der Operationswunde betroffen sein können (kompletter Platzbauch, s. Abb. 4). Während die komplette Wundruptur ein eindrückliches
Ereignis darstellt, kann es schwierig
sein, eine subkutane Ruptur zu erkennen. Die Absonderung von klarer
bis hämorrhagischer Flüssigkeit kann
als wichtiger Hinweis dienen. Die
Wundrupturen treten in der Regel um
den achten postoperativen Tag auf,
die Häufigkeit liegt zwischen 0,5 und
3% (21).
Allgemein akzeptiert ist die Ansicht,
dass es sich beim Platzbauch um ein
„multifaktorielles Geschehen“ handelt (22), wenn nicht ein Fadenbruch
vorliegt. Ursächlich dürfte ein Durchschneiden der Fäden am Faszienrand
sein, da zu diesem Zeitpunkt die gängigen Nahtmaterialien noch eine ausreichende Festigkeit aufweisen, sich
aber noch keine belastbaren Kollagenstrukturen in der Narbe ausgebildet haben.
Abb. 4: Komplette Bauchwandruptur
(„Platzbauch“). Bei einem schwer kranken
Tumorpatienten ist es längere Zeit nach Entfernung des Fadenmaterials im Hautbereich
während einer Hustenattacke zu einem totalen Platzbauch gekommen.
Begünstigend sind unsachgemäße
Nahttechnik, Einzelknopfnähte, erhöhter intraabdomineller Druck (abdominelles Kompartment), Hämatome, Wundinfekte und oft unerkannte
intraabdominelle Komplikationen. Der
Platzbauch erfordert die umgehende
operative Revision. Wegen möglicher
Komplikationen wie Abszessen oder
Ileus ist die Exploration des Abdomens unumgänglich. Durch Eviszeration besteht die Gefahr einer Darmischämie (23). Bei offen liegenden
Darmschlingen kommt es in bis zu
16% der Fälle zu spontanen Fistelbildungen.
Wird der Platzbauch frühzeitig erkannt, so ist der sofortige definitive
Verschluss der Bauchdecken die Versorgung der Wahl. Hierfür dürfen die
Faszienränder nicht retrahiert oder
nekrotisch sein und es darf keine erhöhte Spannung auf der Naht liegen.
Auch wenn eingewendet werden kann,
dass das gleiche Nahtverfahren angewendet wird, das initial versagt hat,
ist auch hierbei die fortlaufende
Schlingennaht Methode der Wahl. Auf
die korrekte Technik ist zu achten.
Intraabdominelles
Kompartment vermeiden
Abb. 3: „Subkutaner Platzbauch“. Sonographischer Nachweis des Fasziendefektes und
einer Dünndarmschlinge im Subkutangewebe.
Drahtstütznähte sind obsolet, wenn
sie ein intraabdominelles Kompartment-Syndrom begünstigen (24).
Drahtstütznähte mit Widerlager-
In allen anderen Fällen ist dem druckentlastenden Laparostoma der Vorzug
zu geben. Durch Einnaht eines resorbierbaren Netzes werden die Faszienränder entlastet, die darüber
liegenden Bauchdecken bleiben
zunächst offen. Bei wiederholten Eingriffen kann der Zugang zur Bauchhöhle durch Inzision des Netzes erfolgen. Dies kann bei der programmierten Etappen-Lavage bei schweren intraabdominellen Infekten
notwendig sein. Durch Verkleinerung
des Netzes können die Faszienränder
angenähert werden. Bei vorhersehbarer Notwendigkeit einer Serie von
Re-Laparotomien erscheint es elegant, ein Reißverschlusssystem oder
noch besser einen Klettverschluss einzusetzen. Unter das KlettverschlussGewebe legt man üblicherweise eine
handelsübliche Abdominal-Plastikfolie. So kann die Bauchhöhle ohne Verklebungen und ohne Gefahr jeweils
eröffnet und wieder verschlossen werden. Beim Klettverschluss kann je
nach Bedarf die Spannung sehr leicht
variiert und angepasst werden (26).
DIAGNOSTIK + THERAPIE
scheiben können aber nützlich sein,
wenn kein erhöhter intraabdomineller Druck zu befürchten ist, also eine blande Wundruptur vorliegt und
auch keine Notwendigkeit für eine ReIntervention zu erkennen ist. Die routinemäßige Anlage von Drahtstütznähten ist dagegen problematisch und
von geringem Nutzen (25).
sätzlich lassen sich viele Hernien aber
auch laparoskopisch versorgen. Hierbei müssen besondere adhäsionsfreie
Netze (z.B. PTFE) benutzt werden
(20). Eine Bewertung der laparoskopischen Verfahren ist aufgrund der
fehlenden Erfahrungen derzeit nicht
möglich.
Bei der Verwendung von resorbierbaren Netzen kann ein sekundärer Verschluss der Haut erfolgen oder die
Granulation über dem Netz abgewartet und der Defekt mit Spalthaut gedeckt werden. Zusätzlich besteht die
Möglichkeit, durch eine sog. kontrollierte Vakuum-Therapie (VAC Abdominalverbandssystem) die Granulation
und den Wundverschluss zu beschleunigen (27, 28).
Das Laparostoma führt unweigerlich
zur Ausbildung einer großen Hernie.
Diese sollte frühestens nach sechs
Monaten versorgt werden, wenn das
verwendete Netz sich aufgelöst hat.
FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4
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DIAGNOSTIK + THERAPIE
Sekundäre Wundheilung –
mit Sorgfalt betreuen
Wundbehandlung heißt
chirurgische Reinigung
Wundheilungsstörungen sind für Patient und Arzt unerfreuliche Komplikationen. Neben dem Erkennen gehört die konsequente ernstgenommene Behandlung zu den Pflichten
des Operateurs.
Bei der Behandlung einer üblichen
Wundheilungsstörung ist die Konditionierung, d.h. die Schaffung eines
optimalen Wundmilieus mit proliferationsfähigem Wundgrund und vitalem Wundrand erste Maßnahme. Wesentlich dabei ist die chirurgische Entfernung nekrotischen, kontaminierten und fibrotischen Gewebes.
Von besonderer Bedeutung ist es hierbei, einfache Wundheilungsstörungen von einer beginnenden nekrotisierenden Fasziitis zu unterscheiden. Diese schnell fortschreitende
Entzündung, durch eine Mischinfektion hervorgerufen, führt zu massiven Gewebsdestruktionen. Hier sind
schnelle und zielgerichtete ausgedehnte Revisionen erforderlich, ggf.
mit kurzfristigen Re-Revisionen und
Entfernung aller nekrotischer Gewebsanteile. Eine Resektion von größeren Gewebsarealen muss hierbei in
Kauf genommen werden, z.B. im Bereich der Bauchdecke, des Beckens
oder der Extremitäten. Nur so kann
dieses schwere Krankheitsbild beherrscht werden. Eine Variante stellt
die Fournier’sche Gangrän dar. Hier
spielt sich die nekrotisierende Ent-
Abb. 5: Fournier’sche Gangrän nach Leisteneingriff mit ausgedehnten Nekrosen im
äußeren Genital- und Perinealbereich.
zündung hauptsächlich im Perianalund Perigenitalbereich ab (s. Abb.
5). Häufig ist hier die Anlage eines
künstlichen Darmausgangs zur Unterstützung der Wundbehandlung erforderlich (29, 30).
Abb. 6: Defektwunde und angelegte Vakuumversiegelung bei Pyoderma gangränosum nach
Mammasegmentresektion.
In der zweiten Phase folgt die Wundstimulation. Durch die Untersuchungen von Winter (31) ist eindrucksvoll
belegt, dass die feuchte Wundbehandlung der trockenen überlegen ist.
Durch interaktive Verbandmaterialien
wird ein feuchtes Wundmilieu geschaffen. Verschiedenste Materialien
sind verfügbar, wobei praktisch kein
Präparat durch große prospektiv randomisierte Studien belegt ist. Mehrere Beschreibungen und eigene Erfahrungen mit kolloiden Verbänden und
Alginaten belegen deren klinische
Wirksamkeit. Die Indikation für Alginate liegt bei Wunden mit starker Exsudation und tieferen Gewebsdefekten, während Hydrokolloide bei nicht
mehr infizierten granulierenden Wunden zum Einsatz kommen. Zusätzlich
stehen antimikrobielle Wundauflagen
mit silberbeschichtetem Polyethylennetz für die Therapie infizierter Wunden zur Verfügung.
Vorteilhaft ist, dass die abgeschlossenen Verbände u.U. mehrere Tage belassen werden können. Für die Patienten bedeutet dies einen erhöhten
Komfort sowie für das Personal einen
verminderten Aufwand im Vergleich
Abb. 7: Komplizierte Sekundärheilung nach Verschiebelappenplastik an der Vulva wegen eines Vulvakarzinoms (13,5 cm Durchmesser),
angelegter Vakuumverband und Ergebnis nach Sekundärnaht und Deckung des verbliebenen Defekts mit Spalthaut.
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Vakuum-Versiegelung
beschleunigt die sekundäre
Heilung
Insbesondere für komplexe Wunden
steht mit der Vakuum-Versiegelung
eine weitere Behandlungsmethode zur
Verfügung. Fleischmann publizierte
1993 diese Methode bei unfallchirurgischen Patienten (32). Bei diesem
Verfahren wird nach chirurgischer
Wundreinigung ein Polyurethanschwamm eingelegt und die Wunde
mit einer Folie abgedeckt. Wundtaschen werden durch eingeschobene
Schwämme drainiert. Bei jedem Wechsel werden die Schwämme kleiner gewählt, um eine Kontraktion der Wundränder zu erreichen. Die Vakuum-Pumpe entfernt unter kontrolliertem Sog
das Wundexsudat und reduziert zusammen mit der Folie die Keimzahl.
Experimentell wurde gezeigt, dass sich
unter Vakuum-Versiegelung die
Kapillarzahl verdoppelt und Durchblutung und Sauerstoff-Sättigung
steigen. Zellteilung, Proteine und Kollagensynthese nehmen zu und insgesamt beschleunigt die Vakuum-Therapie die Granulation.
Das VAC-Wundversorgungs-System
(Firma KCI, USA), durch Morykwas eingeführt, basiert auf den Grundlagen
experimenteller Ergebnisse (33). Anwendungserfahrungen in der Gynäkologie liegen insbesondere bei ausgedehnten Wunden mit Defektbildung
vor, z.B. an der Brust oder der Vulva,
aber auch komplizierten Wunden wie
nach Chemotherapie-Paravasaten. Ziel
ist die Konditionierung, um einen
Wundverschluss zu ermöglichen. Je
nach Befund kann dieser durch Sekundärnaht oder plastische Deckung
z.B. mit Spalthaut erfolgen (s. Abb.
6 und 7) (34).
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DIAGNOSTIK + THERAPIE
zum täglichen Wechsel der mit Kochsalzkompressen versorgten Wunde.
Für die Autoren
Dr. med.
Dirk Michael Forner
Oberarzt
Frauenklinik der
Kaiserswerther Diakonie
Florence-NightingaleKrankenhaus
Kreuzbergstraße 79
40489 Düsseldorf
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FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4
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