Nordwestdeutschland - Institut für Geographie | Universität Stuttgart
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Universität Stuttgart Institut für Geographie Peter von Schnakenburg Geographie (Dipl.), 8. Sem. SS 2001 Seminar zur Regionalen Geographie: Nordwestdeutschland Leitung: Dr. E. Wehmeier Entwicklung und Bedeutung Inhalt 1. Einleitung ........................................................................................................................................ 2 2. Die Entwicklung der Binnenschifffahrt in Nordwestdeutschland .................................................... 2 3. 2.1. Kurzer historischer Abriss über die Binnenschifffahrt in Nordwestdeutschland ........ 2 2.2. Die Bedeutung der Binnenschifffahrt im Industriezeitalter ....................................... 5 2.3. Die Stellung der Binnenschifffahrt im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern. .. 8 Die Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Nordwest- deutschland und den angrenzenden Regionen ............................................................................................................................................... 10 3.1. Die Entwicklung der heutigen Bundeswasserstraßennetzes...................................10 3.2. Schifffahrtswege von regionaler Bedeutung ...........................................................17 4. Die wirtschaftliche Bedeutung der Nordwestdeutschen Wasserstraßen...................................... 18 5. Zusammenfassung ....................................................................................................................... 24 6. Literatur ......................................................................................................................................... 26 Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 1 1. Einleitung Schon ein erster Blick auf die Karte macht klar, das Nordwestdeutschland eine für den Wasserstraßenbau und damit die Schifffahrt besonders günstige Region darstellt. Als Küsten- und Tiefland hat Niedersachsen mit seinen angrenzenden Gebieten optimale Vorraussetzungen für die Schifffahrt zu bieten. Über die vier großen Mündungstrichter von Ems, Jade, Weser und Elbe besteht ein seeschifftiefer Zugang zur Nordsee, die zu den weltweit am stärksten befahrenen Seeschifffahrtstraßen gehört. Für die Binnenschifffahrt ist von Vorteil, dass etwa zwei Drittel der Landesfläche von Niedersachsen Geest- und Marschland mit einer Höhe von unter 60 m ü. NN. Dies sind günstige Vorraussetzungen für den Ausbau und den Unterhalt von Binnenwasserstraßen. Bis zur Erfindung und Verbreitung der Eisenbahn Mitte des 19. Jhr. war die Schifffahrt oft die einzigste Möglichkeit größere Gütermengen zu befördern. Mit der Einführung der Eisenbahn und später des LKWs erwuchs ihr jedoch starke Konkurrenz. Ende des 19. Jhr. erkannte man dann den Bedarf für billigen und massenhaften Transport, so dass sich nach und nach ein leistungsfähiges Wasserstraßennetz entwickelte. 2. Die Entwicklung der Binnenschifffahrt in Nordwestdeutschland 2.1. Kurzer historischer Abriss über die Binnenschifffahrt in Nordwestdeutschland Die Anfänge der Schifffahrt Schon in der Jungsteinzeit wurden die Ströme und Flüsse Nordwestdeutschlands von steinzeitlichen Jägern und Fischern mit Flößen, Fellbooten und Einbäumen befahren, die durch die natürliche Strömung oder menschliche Muskelkraft fortbewegt wurden. Das verhältnismäßig dichte Netz natürlicher Binnengewässer im norddeutschen Tiefland bot von Anfang an gute Vorraussetzungen für die Schifffahrt. Außerdem standen die küstennahen Flüsse unter Gezeiteneinfluss, so dass seegängige Schiffe mit der Tidewelle weit landeinwärts gelangen konnten. Auch die Römer benutzten für Heerzüge teilweise die norddeutschen Flüsse. Später in der Karolingerzeit benutzten friesische Händler und im Hochmittelalter hansische Kaufleute Ems, Weser und Elbe und ihre Nebenflüsse als wichtigste Transportwege bis weit in das Binnenland. Die Verkehrsbedeutung der Flüsse im frühen Mittelalter wird auch dadurch deutlich, dass nahezu alle bei der Einführung des Christentums neu gegründeten Missionsklöster und Bistümer an schiffbaren Gewässern angelegt wurden (Klöster: Fulda, Hersfeld, Corvey, Hameln; Bischofssitze: Minden, Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 2 Hildesheim, Verden und Bremen). Auch die meisten Handelsstädte die im Hochmittelalter von Bedeutung waren, waren mit dem Schiff erreichbar. Probleme der Schifffahrt in der vorindustriellen Zeit Seit dem Hochmittelalter traten an den meisten Flüssen Veränderungen ein, die im Laufe der Jahrhunderte die Schifffahrt nachteilig beeinflusste. Ursache war die enorm ansteigende Siedlungstätigkeit des Mensachen während der mittelalterlichen Rodungsphase (SEEDORF; MEYER,1992): „Durch die Umwandlung der Auwälder in Grünland und Ackerflächen und durch die umfangreichen Waldrodungen in den Einzugsgebieten veränderte sich das Abflussverhalten der Flüsse, die nun bei Hochwasser große Mengen Trübstoffe mitschleppten und als Auelehmdecken bzw. als Sandbänke ablagerten. Auch flussnahe Wehsande und Wanderdünen, hervorgerufen durch die Verwüstung der Geestwälder, durch Überweidung und Plaggenhieb, trugen Sand in die Gewässer. Die Folge war, dass sich auf der Ems, der Weser und der Aller die Bedingungen für die Schifffahrt immer mehr verschlechterten, und Bremen aufgrund der Versandung der Unterweser zeitweilig nicht mehr mit Seeschiffen angelaufen werden konnte.“ Dazu kamen Hindernisse im Flussbett (z.B. Baumstämme), sowie schwierige Abflussverhältnisse durch langanhaltende Niedrigwasserperioden, Hochwasser und Eisgang. Von menschlicher Seite waren es die fehlende Flussbettunterhaltung sowie vielfältige politische Interessen. Vor allem die Absicht durch Zölle und Abgaben möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, behinderte die Schifffahrt. Insbesondere das Stapel- und Umschlagsrecht hielt die Händler lange auf und erhöhte die Transportkosten. Durch dieses Recht waren die Händler gezwungen ihre Waren drei Tage lang auf den städtische Märkten anzubieten, bevor sie die Reise fortsetzen durften. An der Weser beispielsweise hatten die Orte Münden, Minden, Bremen und später auch Hameln das Stapelrecht. Außerdem behinderten vor allem an den kleineren Flüssen Fischwehre oder schleusenlose Wehre von Mühlbauten den Schiffsverkehr. Die Schiffstypen in vorindustrieller Zeit Die Schiffe waren in ihrer Größe und Art von Fluss zu Fluss verschieden. Die Tragfähigkeit der Schiffe lag zwischen 10 und 70 t bei einer Länge von 10- 35 m und Breiten von 1,3 bis 5 m. Auf der Weser verkehrten beispielsweise die sog. „Bullen“ (23 m lang, 1,3 m breit, 20 t). Auf der Weser und ihren Nebenflüssen und auf der Elbe wurde auch Flößerei betrieben. Sie diente zur Holzversorgung des baumarmen Tieflandes. Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 3 Schiffsantriebe bis 1820 Treidel- und Segelschifffahrt Auf den Flüssen wurden die Schiffe flussaufwärts getreidelt: Menschen und später Pferde ziehen die Schiffe an langen Leinen, die vom Treidelmast des Schiffes bis zum Ufer reichen. Sieben bis acht Menschen entsprechen dabei einem Pferd. In den Küstengebieten werden auch Segelschiffe für den Verkehr auf Binnenwasserstraßen eingesetzt. Die ersten Kanäle Die erste künstliche Wasserstraße Norddeutschlands wurde bereits 1390-1398 von Lüneburg eine zur Hansestadt Lübeck gebaut. Die sogenannte Stecknitzfahrt, Kanalverbindung zwischen Trave und Elbe, ermöglichte den Salztransport von der Lüneburger Saline nach Lübeck an die Ostsee. Durch fürstliche Initiativen wurden weitere Kanal- und Flussausbauten begonnen, so z.B. im Raum Braunschweig durch die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel. Für die Schifffahrt von Bedeutung waren auch die Kanäle, die zur Entwässerung der Moore angelegt wurden. Im Bereich der wasserreichen ostfriesisch-oldenburgischen Marschen und Mooren hat sich seit dem Mittelalter die sog. „Loogschifffahrt“ ausgebildet (Loog = Dorf, Ortschaft). Da es kaum befahrbare Straßen gab, wurde auf den zahlreichen natürlichen Fließgewässern und Moorkanälen der Personenverkehr und Warenaustausch zwischen den einzelnen Dörfern und der Hafenstadt Emden abgewickelt. „Die Torfschifffahrt erfuhr einen starken Aufschwung, als seit dem 17.Jhr. die Fehnkolonien mit ihren Moorkanälen gegründet wurden (Gründung Papenburgs 1630)“ (SEEDORF; MEYER,1996). Mit dem Ausbau der Moorsiedlungen nahm auch die Rückfracht der Schiffe zu, so dass sich die Torfschifffahrt mehr und mehr zur Frachtschifffahrt entwickelte. Beispielsweise wurden Materialien für den Hausbau (Steine, Holz) und Schlick aus dem Watt zur Düngung der Mooräcker zu den Fehnsiedlungen transportiert. Der Bau von Kanälen oder der Unterhalt der Flüsse blieb in vorindustrieller Zeit zumeist auf Einzelinitiativen von geringer räumlicher Erstreckung beschränkt. Nur auf preußischem Gebiet mit seiner relativ großen räumlichen Ausdehnung kam es zu größeren Kanalbaumaßnahmen, so im Bereich von Berlin. Wiener Kongress (1815) und Deutscher Zollverein (1834) Mit der Schaffung des deutschen Bundes als einem Ergebnis des Wiener Kongresses wurde der territoriale und zollpolitische Flickenteppich zum Vorteil eines freieren Handels vereinfacht. Von zentraler Bedeutung für die Binnenschifffahrt war die Tatsache, dass die Staaten des Wiener Kongresses in ihrer Schlussakte erstmals auch die gemeinsame Verantwortung für die Binnenwasserstraßen übernahmen. Hauptziel der Reformen war, den Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 4 freien Schiffsverkehr (der Uferstaaten) auf den großen Strömen zu ermöglichen. „Konkreter gefasst wurden die Reformziele dann in der sog. Elbschifffahrtsakte von 1821 und in der Weserschifffahrtsakte von 1823, den wohl bedeutendsten Werken der norddeutschen Flussschifffahrtsgesetzgebung“ (SEEDORF; MEYER 1996). Um das Ziel des freien Handels zu erreichen, wurde die Schifffahrt auf den betreffenden Strömen grundsätzlich für frei erklärt: alle Stapel- und Umladezwänge wurden abgeschafft und die bisher durch Schiffergilden und Zünfte geregelte Schifffahrtsorganisation wurde durch die Gewerbefreiheit ersetzt. Nach der Vereinbarung der Weserschifffahrtsakte verringerte sich die Zahl der Zollstellen von 22 auf 11. Weiterhin übertrug die Weserschifffahrtsakte den Uferstaaten die Pflicht den Strom zu regulieren, d.h. ihm ein einheitliches Bett zu geben, eine Mindestfahrwassertiefe von 47 cm zu schaffen und Hindernisse zu beseitigen. Allerdings ließen sich die neuen Bestimmungen bei der Weser und der Elbe nur schwer realisieren, da aufgrund der langen Vernachlässigung hohe Geldsummen zur Sanierung dieser Ströme nötig gewesen wären. So blieben die Maßnahmen in ihren Anfängen stecken. Trotzdem konnte sich die Flussschifffahrt weiter behaupten, da die Zustände der Landstraßen noch wesentlich schlechter waren. 2.2. Die Bedeutung der Binnenschifffahrt im Industriezeitalter Dampfschiffe als Konkurrenz zur Eisenbahn Die Erfindung und Verbreitung der Eisenbahn brachte den Schiffsverkehr fast zum erliegen. Die Unwägbarkeiten der Flüsse wie Riffe, Sandbänke, Untiefen und Schwankungen des Wasserstandes empfand man im Vergleich zur schnellen und sicheren Eisenbahn als gefährlich und unerträglich. Allerdings konnten wichtige Neuerungen im Schiff- und Wasserbau der Schifffahrt wieder zu mehr Attraktivität verhelfen. Die Einführung von Dampfschiffen mit Stahlrumpf bedeutete nicht nur eine erhöhte Fahrgeschwindigkeit (vor allem flussaufwärts), sondern auch eine um ein Drittel gestiegene Leistungsfähigkeit. Ein großer Nachteil dieser Raddampfer war der große Tiefgang, der bei Niedrigwasserphasen zu längeren Betriebspausen und damit finanziellen Verlusten führte. Begonnen hatte die Dampfschleppschifffahrt 1829 auf dem Rhein. Neben der eigenen Ladung konnte das Dampfschiff 4-6 Segelschiffe flussaufwärts ziehen. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit wurden vermehrt eiserne Schleppkähne mit einer höheren Tragfähigkeit (1841: 250 t) eingesetzt. Vor allem bei der Personenschifffahrt setzte sich die neue Antriebstechnik relativ schnell durch. Die Weser wurde erstmals 1843 auf ganzer Strecke von einem Personendampfschiff befahren. Neben den sog. „Lustfahrten“, auf denen man das Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 5 malerische Weserbergland erkundete, gab es noch den Auswanderer-Linienverkehr zwischen Münden und dem Überseehafen Bremen. Die Schiffe benötigten für die Strecke zwei Tage. Bis zu fünf Personenschiffe mit einer Kapazität von 300 Passagieren waren täglich auf der Strecke eingesetzt. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Minden-Bremen (1847) ging der sehr einträgliche Personenverkehr auf der Weser in wenigen Jahren stark zurück. Die Dampfschlepper hatten schon vor dem Zweiten Weltkrieg ihren Zenit überschritten, aber sie blieben noch bis in die 1960er Jahre im Einsatz. Die Kettenschifffahrt auf der Elbe In den 60er Jahren des 19. Jhr. wurde auf der Elbe ein neues Schleppsystem, die sog. Kettenschifffahrt eingeführt. Dabei zogen sich Frachtschiffe an einer bis zu 730 km langen Stahlkette stromauf und –abwärts. Die Schleppschiffe hatten im Vergleich zum Schaufelraddampfer einen höheren Wirkungsgrad: sie benötigten kleinere Maschinen und hatten deshalb bei niedrigerem Eigengewicht eine geringere Abladetiefe. Nachteilig wirkten sich die häufigen Kettenbrüche und der hohe Zeitaufwand, der zum Ein- und Ausspannen der Kette bei Gegenverkehr nötig war. Motorschifffahrt und Schubverband Die Motorschifffahrt beginnt um die Jahrhundertwende mit dem Einbau von Gasmotoren in die Schiffe. Ab 1910 kommen dann die ersten Dieselmotoren zum Einsatz. Allmählich vollzieht sich der Übergang von der Dampfmaschine zum Dieselmotor. Nach 1938 sind lediglich 17% aller Schiffe mit einem Dieselmotor ausgerüstet. Die große Zeit der Motorschiffe (siehe Abb.2) beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein großer Teil der Schiffe ist zerstört und die neugebauten Schiffe werden mit Dieselmotoren ausgerüstet. Abb. 1: Schubverband mit vier Leichtern (aus www.binnenschiff.de) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 6 Der Dieselmotor beansprucht im Gegensatz zur Dampfmaschine mit ihren großen Kesseln und Kohlevorräten weniger Platz und ist deutlich leichter. Da die Dieselmotoren auch in der Anschaffung viel preisgünstiger sind und weniger Personal im Betrieb benötigen, können nun viele Schiffer ihren Schleppkahn motorisieren. Etwa um 1960 ist die Schleppschifffahrt beendet. Das Regelschiff ist nun der Selbstfahrer mit Dieselmotor, die Schifffahrt mit Schubbooten beginnt. Der "Schubverband" entsteht durch die starre Koppelung eines "Schubbootes" mit "Leichtern" (vgl. Abb.1). Die Einführung der Schubschifffahrt hat große wirtschaftliche Vorteile. Im Unterschied zum Schleppverband, bei dem jedes geschleppte Schiff bemannt sein muss, können bei einem starren Verband die Personalkosten erheblich gesenkt werden. Zudem verkürzt sich die Liegezeit in den Häfen erheblich, weil die Leichter einfach ausgetauscht werden können. Die Dieselmotoren der Schubschiffe laufen heute bis zu 8.000 Stunden im Jahr, d. h. im Durchschnitt 22 Stunden pro Tag. Einen Überblick über die Schiffstypen zeigt Abb.2 .(nach www.wsv.de/wasserstrassen/index.html) Abb. 2: Typen von Binnenschiffen (aus SEEDORF; MEYER,1996, S.635) Während auf breiten, nichtkanalisierten Flüssen wie dem Niederrhein Schubboote mit vier bis sechs Schubleichtern verkehren können, sind den Schubschiffen auf den Kanälen und kanalisierten Flüssen Grenzen durch die Länge und breite der Schleusen gesetzt. Hier können maximal Zweierverbände bis zu 4600 t Ladung verkehren (SCHROIFF 1984). Der Transport von Containern mit Binnenschiffen erfolgt derzeit überwiegend auf dem Rhein mit seinen Nebenflüssen. Aber auch auf der Elbe bestehen Container-Liniendienste zwischen Hamburg und den Elbehäfen. Auf den norddeutschen Kanälen sind erste ContainerLiniendienste auf der Strecke Hamburg – Braunschweig – Hannover eingerichtet. Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 7 2.3. Die Stellung der Binnenschifffahrt im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern. Der relativ kostengünstige Transport von Gütern war seit jeher ein Vorteil der Schifffahrt. Deshalb wurden bis zum Aufbau eines leistungsfähigen Landverkehrsnetzes auch auf relativ kleinen Flüssen Schifffahrt betrieben Für die Römerzeit wird das Kostenverhältnis von Seezu Fluss- zu Straßentransport mit 1 : 6 : 70 angegeben (aus SEEDORF; MEYER,1996). Im Jahre 1852 wurde von Gotthilf Hagen festgehalten, dass ein Pferd imstande ist 600- 1500 Zentner auf einem Kanal zu ziehen, während es auf einer guten Straße nur 17- 20 Zentner fortbewegen kann. Die heutigen Kräfteverhältnisse veranschaulicht Abb. 3. Heutzutage steht die Binnenschifffahrt in viel stärkerer Konkurrenz zur Straße und zur Eisenbahn. Die Landverkehrswege sind so gut ausgebaut, das in vielen Fällen den schnellen Landverkehrsmitteln der Vorzug vor dem Binnenschiff gegeben wird. Abb. 3: Primärenergiebedarf im Güterverkehr (HTTP://WWW.WSV.DE) Etwa 20% der Transportleistung (in Tonnenkilometern) des binnenländischen Güterfernverkehrs werden von der Binnenschifffahrt erbracht. Dies ist insofern beachtlich, da das Netz der Bundeswasserstraßen mit rund 7700 km deutlich kürzer ist als das der Eisenbahn mit 45 000 km oder das der Autobahnen und Bundesstraßen mit 52 800 km (Statistisches Bundesamt). Die Binnenschifffahrt kann vor allem dann günstig arbeiten, wenn Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 8 große Gütermengen über weite Entfernungen im sog. „Nassen Verkehr“ (von Hafen zu Hafen) transportiert werden sollen. Nachteilig ist dabei die geringe Dichte des Wasserstraßennetzes, da ein Umladen auf Landtransportmittel („gebrochener Verkehr“) die Kostenvorteile des Binnenschiffs reduziert. 2 Abb. 4: CO Emissionen der Verkehrsträger (HTTP://WWW.WSV.DE) Von besonderer Bedeutung sind auch die erheblichen Kapazitätsreserven der Binnenschifffahrt, die auf 20% und mehr geschätzt werden und die ohne zusätzliche Investitionen verfügbar sind. Das Binnenschiff ist im Vergleich zur Eisenbahn und zum LkWTransport wesentlich umweltfreundlicher. Der Primärenergieverbrauch (vgl. Abb. 3) ist niedriger, der CO2 ist geringer (vgl. Abb. 4) und die Lärmemissionen sind ebenfalls vernachlässigbar. Allerdings ist das Binnenschiff mit einer Geschwindigkeit von 10-12 km/h wesentlich langsamer als die Landverkehrsmittel. Das Binnenschiff ist im Vergleich zu den Landverkehrsträgern ein sehr sicheres Verkehrsmittel. Im Gegensatz zu den Landverkehrswegen sind die Wasserstraßen wichtige Erholungsgebiete. Auf dem Wasser findet Freizeitbootsverkehr statt und die Uferbereiche werden gerne von Anglern, Radfahrern und Wanderern genutzt. Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 9 3. Die Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Nordwestdeutschland und den angrenzenden Regionen 3.1. Die Entwicklung der heutigen Bundeswasserstraßennetzes Vorraussetzungen für den Bau von Wasserstraßen „In der modernen Verkehrswirtschaft ist für die Binnenschifffahrt und Wasserstraßenbau dort Raum, wo über größere Entfernungen überragende Verkehrsspannungen an Massengütern bestehen oder latent vorhanden sind. Bei Vorliegen dieser beiden Vorrausetzungen ist die Binnenschifffahrt der Eisenbahn und dem Lastkraftwagen dann ökonomisch überlegen, wenn die natürlichen Gegebenheiten- das Wasservorkommen und die Gestalt der Erdoberfläche – dem Wasserstraßenbau und der Entfaltung der Binnenschifffahrt nicht im Wege stehen, d. h. die erforderlichen Wassermengen mit wirtschaftlichen vertretbaren Mitteln zu beschaffen sind“ (SCHROIFF 1984). Abbildung 5 gibt einen Überblick über das Netz der Bundeswasserstraßen. Gründerzeitliche Kanalbauten In der preußischen Regierung setzte sich mehr und mehr die Ansicht durch, dass die moderne Binnenschifffahrt neben der Eisenbahn durchaus existenzberechtigt war. Mit dem Wachstum der Städte als Folge der Industrialisierung bestand eine große Nachfrage nach einem billigen Transport von Massengütern wie Kohle, Kalisalze und andere Bergbauprodukte, Steine, Kies und Sand, Getreide und Futtermittel usw. Mit der Annexion Hannovers 1866 kamen auch der größte Teil der Weser unter preußische Verwaltung, so dass in Norddeutschland erstmals eine großräumige Wasserstraßenpolitik möglich war. Preußen begann damit die Fahrwasser der großen deutschen Ströme vom Rhein über Weser, Elbe, Oder und Weichsel gezielt auszubauen. Dazu gehörten auch Kanäle, die die natürlichen Ströme untereinander verbinden sollten. Im Berliner Raum wurde in der Mitte des 19.Jhr. das Kanal- und Flussnetz ausgebaut, um die Versorgung der ständig wachsenden Stadt zu gewährleisten (z.B. Ausbau des Landwehrkanals). Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 10 Abb. 5: Die Bundeswasserstraßen in der nördlichen Hälfte Deutschlands (aus SEEDORF; MEYER,1996, S. 615) Dortmund-Ems-Kanal (Bauzeit 1892 - 1898) Der 267 km lange Dortmund-Ems-Kanal (DEK) sollte den Hüttenwerken an der Ruhr ermöglichen, überseeisches Erz über den deutschen Seehafen Emden (Eröffnung 1901) zu beziehen und damit der Abhängigkeit des niederländischen Hafens Rotterdam zu entfliehen. Gleichzeitig wurde der Absatz von Bunker- und Exportkohle erleichtert. Der Dortmund-EmsKanal war zunächst für Schiffe mit einer Abladung von 1;80 m und einer Kapazität von 600 t bestimmt. Nach Ausbaumaßnahmen konnte der DEK im Jahre 1963 mit Einschränkungen für das Europaschiff freigegeben werden. Die Unterems wurde bis 1990 so ausgebaut, dass unter Ausnutzung des Tidehochwassers Seeschiffe bis zu 26 m Breite, 200 m Länge und einem Tiefgang von max. 5,7 m die Mayerwerft verlassen können. “Für die Überführung außergewöhnlich großer Schiffsneubauten der Mayer-Werft in Papenburg in 2-Tidenfahrt wird die Ems von Papenburg bis Emden bedarfsweise für ein 7,3 m tiefgehendes, 36 m breites und 275 m langes Bemessungsschiff ausgebaggert“ (SEEDORF; MEYER,1996) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 11 Mittellandkanal (Bauzeit 1906 - 1838) Der Mittellandkanal ist mit seinen 320 km Länge (383 km mit Stich und Verbindungskanälen) wohl das bedeutendste Kanalbauwerk Norddeutschlands. Ihm sollte die Aufgabe zukommen, die großen Stromgebiete Norddeutschlands und darüber hinaus die Wasserstraßen Westund Osteuropas miteinander zu verbinden. Der erste, 102 km lange Abschnitt von der Abzweigung aus dem Dortmund-Ems-Kanal bei Bergeshövede bis nach Minden konnte 1915 in Betrieb genommen werden. Damit war auch eine Verbindung zur Weser hergestellt. Schon 1916 konnten die nächsten 55 km von Minden nach Hannover dem Verkehr übergeben werden. Der Mittellandkanal wurde „zum Wegbereiter der modernen Großschifffahrtstraßen“ (SEEDORF; MEYER,1996) da er im Gegensatz zum DEK und anderen älteren Kanälen für 1000-t- Schiffe mit einer Tauchtiefe von 2 m gebaut wurde. Er verläuft am nördlichen Rande der Mittelgebirgsschwelle und benutzt zeitweise ein eiszeitliches Urstromtal. Abb. 6: Kanalbrücke am Wasserstraßenkreuz Magdeburg vor Beginn der Bauarbeiten zum Verkehrsprojekt Projekt 17 Deutsche Einheit (von Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, www.wsv.de) Der Kanal verbindet industrielle Schwerpunkte wie Osnabrück, Hannover, Hildesheim, Braunschweig und Salzgitter, die teilweise mit eigenen Stichkanälen an den Mittellandkanal angeschlossen sind, sofern sich nicht direkt an ihm liegen. 1928 ging der 15 km lange Stichkanal mit dem Hafen Hildesheim in Betrieb und 1933 wurde Braunschweig erreicht. Das große Ziel, nämlich die Verbindung der Stromgebiete von Rhein, Weser und Elbe Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 12 miteinander zu verbinden, wurde im Herbst 1938 mit der Eröffnung der Schleuse Sülfeld und des Schiffshebewerkes Rothensee bei Magdeburg erreicht. Durch den zweiten Weltkrieg konnte jedoch eine direkte Anbindung an die märkischen Wasserstraßen (an den ElbeHavel-Kanal) mit einer Kanalbrücke über die Elbe (vgl. Abb.6) nicht mehr fertiggestellt werden, so dass die Schiffe einen 12 km langen Umweg über die Elbe nehmen müssen. Zudem ist das Schiffshebewerk Rothensee mit einer Länge von 85 m nicht für Großmotorgüterschiffe geeignet. Im Rahmen des Verkehrsprojekts 17 Deutsche Einheit soll das Wasserstraßenkreuz Magdeburg mit der Elbquerung bis zum Jahr 2003 fertiggestellt sein. Der Mittellandkanal wird vor allem im Pumpwerk Minden mit Wasser aus der Weser versorgt, die er mit einer Trogbrücke überquert. „Zusätzlich wird der Kanal durch die Lippe über den Dortmund-Ems-Kanal und bei Sommerhochwasser durch die Aller gespeist“ (SEEDORF; MEYER,1992). Den Planungen zum Bau des MLK war ein Verkehrsaufkommen von 8,8 Mio. Jahrestonnen zugrunde gelegt worden. Bereits gegen Ende der 30er Jahre erreichte der Verkehr jedoch 12 Mio. Jahrestonnen und ist bis heute auf etwa 22 Mio. t angewachsen. Daher wurde 1965 der Mittellandkanal-Ausbau für das so genannte Europaschiff mit 1.350 t Tragfähigkeit bei 80 m - 85 m Länge, 9,50 m Breite und 2,50 m Abladetiefe beschlossen und in einem Regierungsabkommen zwischen dem Bund und den beteiligten Ländern festgelegt. Die für den Verkehr mit diesen Fahrzeugen entwickelten Regelquerschnitte weisen bei 4,00 m Wassertiefe Wasserspiegelbreiten zwischen 42 m und 55 m auf; sie sind damit etwa doppelt so groß wie der ursprüngliche Querschnitt des MLK. In Anbetracht der weitergehenden Entwicklung im Schiffbau und bedingt durch den Zwang zu wirtschaftlichen Fahrzeugen werden der Erweiterung des Kanals heute das Großmotorgüterschiff (110 m x 11,40 m x 2,80 m) und der zweigliedrige Schubverband (185 m x 11,40 m x 2,80 m) zugrunde gelegt. Die bisherige Durchfahrtshöhe unter den Brücken von 4,00 m wurde auf 5,25 m vergrößert. Problematisch ist der Ausbau insbesondere in den besiedelten Bereichen, wo oft nur wenig Raum zur Verfügung steht und Spundwände gezogen werden müssen. (nach http://www.wsa-minden.de/index01.html) Mittelweser und Oberweser Die Mittelweser war für die Schifffahrt vor allem wegen ihrer häufig auftretenden niedrigen Wasserständen und damit ungenügenden Tauchtiefen schlecht geeignet. Bei ungünstigen Bedingungen konnte die Abladetiefe zwischen Minden und Bremen auf 60- 80 cm zurückgehen. Wegen dieser Nachteile stellte sich auch mit dem Anschluss der Weser an den Mittellandkanal kein regerer Schiffsverkehr ein. Auch die Inbetriebnahme von zwei Staustrecken bei Dvörden (1912) und Hemelingen (1916) brachte nur abschnittsweise Verbesserungen. Um die Mittelweser für 1000-t-Schiffe befahrbar zu machen musste jedoch Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 13 von 1936-1961 die Mittelweser-Kanalisierung durchgeführt werden. Durch die Abschneidung großer Flussschleifen konnte die Strecke Minden-Bremen von 97 auf 80 Stromkilometer verkürzt werden. Der Abschnitt Minden-Bremen wurde in 7 Stauhaltungen aufgeteilt und auf eine Fahrwassertiefe von 2,20 m und später 2,50 m ausgebaut. Die Oberweser wurde aufgrund des geringen Verkehrsaufkommens nicht ausgebaut. Der Küstenkanal (1920 – 1935) Der Küstenkanal verbindet den Dortmund-Ems-Kanal mit der unteren Hunte und somit mit der Unterweser. Bei seinem Bau konnte zwischen Oldenburg und Kampe auf den alten Hunte-Ems-Kanal, eine alten Torfkanal zurückgegriffen werden. Der Küstenkanal verkürzt den Weg in das Ruhrgebiet gegenüber der Strecke über die unbeständige Mittelweser und den Mittellandkanal um rund 70 km. Der Küstenkanal war ursprünglich für den 600-t-Kahn bemessen, ist aber nach Ausbaumaßnahmen heute wasserstandsunabhängig mit dem Europaschiff befahrbar. Die Elbe Die Elbe ist als einer der größten Ströme Europas auf 864 km bis Melnik, 25 km vor Prag mit 1000-t-Schiffen befahrbar. Die Elbe ist gut in das Binnenwasserstraßennetz eingebetet. Über den Elbe-Lübeck-Kanal hat sie Anschluss zur Ostsee, über den Elbe-Seitenkanal und den Mittellandkanal zum westdeutschen Kanalnetz und über die Müritz-Elde-Wasserstraße, Untere Havelwasserstraße und den Elbe-Havel-Kanal zum Ostdeutschen Kanalnetz. Wegen der unregelmäßigen Wasserführung beschränkt sich die Schifffahrt aber auf rund 130 Tage im Jahr. Die Unterelbe ist für große Seeschiffe ausgebaut. Der Elbe-Seitenkanal (1968-1976) Aufgrund der deutschen Teilung hatten Hamburg und Lübeck ihr traditionelles Hinterland verloren, die Elbe büßte somit einen Teil ihrer Verkehrsbedeutung ein. Um den beiden Hansestädten ein neues Hinterland zu geben sollten sie über den Mittellandkanal an das westdeutsche Kanalnetz angebunden werden. Außerdem sollten die niedersächsischen Wirtschaftsräume Braunschweig-Salzgitter bzw. Hannover-Hildesheim besser mit dem Seehafen Hamburg verbunden werden. Durch den Bau des Elbe Seitenkanals konnte der lange Umweg über die Elbe und somit über fremdes Territorium (DDR) vermieden werden. Der 115 km lange Wasserweg verkürzt die Entfernung zwischen dem Mittellandkanal und dem Hamburger Hafen um 217 km, was einer Zeitersparnis von 2 Tagen auf einer Fahrt entspricht. Zudem ist der Strom nur an rund 80 Tagen im Jahr vollschiffig mit dem Europaschiff befahrbar. Der neue Kanal sollte außerdem Impulse für das strukturschwache Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 14 Zonenrandgebiet bringen. In Lüneburg, Uelzen und Wittingen wurden Häfen, Umschlaganlagen und neue Gewerbegebiete gebaut. Durch die Fahrgastschifffahrt und den Betrieb technischer Anlagen (Schiffshebewerk Scharnebeck, Schleuse Uelzen) konnte eine Belebung des Fremdenverkehrs erreicht werden. Der Elbe-Seiten-Kanal ist für das Europaschiff, das Großmotorgüterschiff und Schubverbände bis 185 m Länge befahrbar. Elbe-Lübeck-Kanal (1895-1900) Weil die Verkehrsbedeutung der alten Stecknitzfahrt (siehe 2.1) mit dem Anschluss Lübecks an das Eisenbahnnetz (1851) immer mehr abnahm, erwog man den Bau einer leistungsfähigen Wasserstraßenverbindung zwischen der Elbe bei Lauenburg und Lübeck. Die Ausbautiefe betrug anfangs 2,0 m, wurde aber wenige Jahre später auf 2,5 m vergrößert. Die im ersten Jahrzehnt seines Bestehens hohe Verkehrsbedeutung nahm allmählich ab. Die Zunahme der Schiffsgrößen und Antriebskräfte bewirkten eine Beschädigung und Verkleinerung des Kanalprofils, so dass der Kanal nur noch eingeschränkt befahrbar war. Mit der Eröffnung des Elbe-Seiten-Kanals1977 nahm die Verkehrsbedeutung des Elbe-Lübeck-Kanals prinzipiell zu, so dass man sich zu einer Mindestinstandsetzung entschloss. Nord-Ostsee-Kanal (1887-1895) Der 1886 beschlossenen Kanalbau erfolgte aus zwei Gründen: erstens sollte die Handelsschifffahrt erleichtert werden und zweitens erkannte man die militärische Bedeutung eines solchen Kanals. Das Zusammenwirken der deutschen Nordseeflotte in Wilhelmshaven mit der Ostseeflotte in Kiel konnte so entscheidend verbessert werden, eine schnelle Verlegung der Flottenverbände war so möglich. Der Kanal, bei seiner Eröffnung noch KaiserWilhelm-Kanal genannt, zweigt in der Nähe von Brunsbüttel von der Elbe ab und verläuft dann in nordöstlicher, später östlicher Richtung nach Kiel. Bei einer Gesamtlänge von 99 km besteht er aus einer einzigen Haltung. Die Wasserspiegelbreite betrug beim Bau des Kanals 67 m, die Sohlenbreite 23 m und die Tiefe 9 m(vgl. Abb.7). Eisenbahnen und Straßen wurden durch Brücken oder Fähren über den Kanal geführt. Wegen der hohen Masten der damals verkehrenden Segelschiffen war unter festen Brücken eine lichte Durchfahrtshöhe von 42 m erforderlich. In Geländeeinschnitten von 20 m Tiefe ließ sich die Durchfahrtshöhe durch Aufschüttung von Rampen mit verhältnismäßig wenig Aufwand erreichen. In den Niederungsgebieten wurden Drehbrücken mit Durchfahrtsbreiten von 50 m gebaut. Da sowohl die Größe der Kriegsschiffe, als auch die Größe der Handelsschiffe rasch zunahm, wurde der Kanal von 1907- 1914 erweitert. Der neue Kanalquerschnitt hatte eine Wasserspiegelbreite von 102 m, eine Sohlenbreite von 44 m und eine Tiefe von 11 m. Die Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 15 für den Land- und Schiffsverkehr hinderlichen Drehbrücken wurden durch Hochbrücken ersetzt. Der Verkehr auf dem Kanal nahm weiter zu und verursachte Schäden an den ungesicherten Kanalböschungen, so dass man schon 1938 einen weiteren Ausbau plante. Abb. 7: Querschnitte des Nord-Ostsee-Kanals 1895, 1914 und 1966 (aus ECKOLDT 1998). Wegen des Krieges konnte mit dem Ausbau erst 1965 begonnen werden. Die Wasserspiegelbreite beträgt nun 162 m, die Sohlenbreite 90 m und die Tiefe 11 m. Ab 1966 nahm zwar die Zahl der den Kanal passierenden Schiffe ab, aber ihre Größe ständig zu. Der Nord-Ostsee-Kanal weist trotzdem „die größte Anzahl an durchfahrenden Schiffen von allen Seekanälen der Welt auf“ (ECKOLDT 1998). Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 16 Rhein-Herne-Kanal (Inbetriebnahme 1914) Der Rhein-Herne-Kanal sollte den Nord-Süd verlaufenden Dortmund-Ems-Kanal aus seiner Isolierung lösen und eine leistungsfähige Verbindung mit dem Rhein herstellen. Er zweigt bei Herne vom DEK ab und erreicht nach 38 km bei Duisburg-Ruhrort den Rhein. Da der RheinHerne-Kanal Bergbaugebiet durchquert wurde er mit Sicherheitsmaßen gegen Bergsenkungen geplant. Die Schleusen waren 165 m lang, 10 m breit und 3,5 m tief. Datteln-Hamm-Kanal (Inbetriebnahme 1914) Der Datteln-Hamm-Kanal war zunächst als reiner Wasserzubringer für den DEK gedacht und sollte Lippewasser im natürlichen Gefälle überführen. Aufgrund von Forderungen aus der Wirtschaft war er jedoch als Teil einer zukünftigen Lippewasserstraße ausgebaut worden. Der Datteln-Hamm-Kanal zweigt im Stadtgebiet von Datteln vom DEK ab und verläuft südlich der Lippe als Seitenkanal nach Hamm. 1926 wurde mit einer Verlängerung des Kanals nach Lippstadt begonnen. Wegen fraglicher Wirtschaftlichkeit wurden die Bauarbeiten 1933 nach 8 km Länge eingestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Weiterbau endgültig aufgegeben. Wesel-Dattel-Kanal (Inbetriebnahme 1931) Der Wesel-Dattel-Kanal wurde als zweite Verbindung vom DEK zum Rhein geplant. Als zweiter Teil der sogenannten Lippewasserstraße verlief er parallel zur Lippe zwischen Weseln und Datteln. Der Hauptgrund für den Kanalbau war, die Nord- und Ostwanderung des Bergbaues sowie der übrigen Industrie durch eine leistungsfähige Wasserstraße zu unterstützen. Der WDK stellte zudem eine Reserve für den Fall der Überlastung des RHK dar, und außerdem entstand gegenüber diesem eine über 50 km kürzere Verbindung vom DEK zu den Rheinmündungshäfen. Bei einer Länge von 60 km hat der WDK einen Höhenunterschied von maximal 44 m zu überwinden. Bei der Planung des WDK wurden ebenfalls mögliche Bergsenkungen berücksichtigt. 3.2. Schifffahrtswege von regionaler Bedeutung Etliche kleinere Kanäle haben für den Schiffsgüterverkehr nur noch eine regionale oder gar keine Bedeutung mehr. Oft sind dies Moorkanäle, die zur Entwässerung der Moore und zum Abtransport des Torfs gebaut wurden, wie z.B. der 1880 bis 1887 erbaute 72 km lange EmsJade-Kanal zwischen Emden und Wilhelmshaven. Aufgrund des geringen Ausbautiefe und der unzureichenden Spiegelbreite sind die meisten dieser Kanäle nur mit Schiffen von 150- Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 17 250 t Traglast zu befahren. Zu den Moorkanälen gehört auch das 1871-1901 geschaffene, 112 km lange linksemsische Kanalnetz. Kleinere Schiffe können als Verbindung zwischen Weser und Elbe die Geeste und den Haldener Kanal (32 km lang) nutzen. Auch wenn die kleineren Kanäle und Wasserstraßen ihre Bedeutung für den Gütertransport verloren haben, so bieten sie doch für Sport- und Freizeitschiffer ein landschaftliches schönes Revier. Außerdem haben die meisten Kanäle nach wie vor noch eine wasserwirtschaftliche Funktion, so z. B. die Entwässerung von Moorgebieten. 4. Die wirtschaftliche Bedeutung der Nordwestdeutschen Wasserstraßen Wenn man die Verkehrsbedeutung der nordwestdeutschen Flüsse und Kanäle betrachtet, muss man ihre Funktion berücksichtigen. Dortmund-Ems-Kanal, Mittelweser, ElbeSeitenkanal und Elbe verbinden die Nordseehäfen mit den Wirtschaftszentren im Binnenland und durchqueren dabei städtearme Landschaften mit nur wenigen leistungsfähigen Häfen. Sie sind in erster Linie, von den Sand und Kiestransporten auf der Mittelweser einmal abgesehen, Durchgangswasserstraßen mit geringem eigenen Ziel- und Quellverkehr. Der Mittellandkanal und die Westdeutschen Kanäle (Rhein-Herne-Kanal, Datteln-Hamm-Kanal, Weseln-Datteln-Kanal) durchqueren oder verbinden großstädtische Wirtschaftsräume und verfügen neben dem Durchgangsverkehr über einen ausgeprägten Eigenverkehr. Abbildung 8 gibt einen Überblick über die Güterverkehrsdichte auf den Wasserstraßen Deutschlands, Abb. 9 zeigt die Güterverkehrsdichte der westdeutschen Kanäle. Die Weser und ihre Nebenflüsse Seit der Schließung der Zonengrenze fand auf der Werra keine Schifffahrt mehr statt, dagegen findet auf der landschaftlich reizvollen Fulda nach Ausbaumaßnahmen inzwischen wieder Personenverkehr bis Kassel statt. Auch auf der unkanalisierten Oberweser zwischen Hannoversch Münden und Porta Westfalica sind die Fahrwasserverhältnisse unbefriedigend, so dass ein wirtschaftlicher Güterverkehr nur noch selten möglich ist. 1993 wurden nur etwa 10 000 t transportiert (SEEDORF; MEYER,1996). Früher wurde aus den traditionsreichen Häfen wie Hannoversch Münden, Beverungen, Höxter, Holzminden, Bodenwerder, Hameln und Rinteln Getreide, Bier, Weserkeramik, Glas, Solling- und Vogler Buntsandstein sowie Flößholz verschifft. Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 18 Abb. 8:Güterverkehrsdichte der Binnenschifffahrt 1997 auf dem Hauptnetz der Binnenwasserstraßen (von Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 19 Abb. 9: Verkehrsdichte auf den westdeutschen Kanälen (aus GLÄßER; SCHMIED; W OITSCHÜTZKE 1997, S. 214) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 20 Im Sommer verkehren zwischen Hannoversch Münden und Hameln Personenschiffe. Auf der Mittelweser (Porta Westfalica – Bremen) findet vor allem Hinterlandverkehr der Unterweserhäfen mit dem niedersächsischen und westfälischen Binnenland statt. Von Bremen, Bremerhaven Brake und Nordenham werden vor allem Getreide, Futter- und Düngemittel und Brennstoffe (Kohle und Mineralöl) zu den Binnenhäfen am Mittellandkanal oder im Ruhrgebiet gebracht. Talabwärts von Nienburg werden vor allem Sand und Kies für Straßen- und Betonbau in die kiesarmen Küstengebiete transportiert. Im Jahr 1964 wurden zwischen Minden und Nienburg noch 4 Mio. t Güter befördert, inzwischen ist die Gütermenge jedoch auf 2-2,5 Mio. t jährlich zurückgegangen. Viele der kleineren Häfen werden heute als Sportboothäfen genutzt, sie können aber wirtschaftlich keinen Ausgleich zu den ehemaligen Güterumschlaghäfen bieten. Der Schiffsverkehr auf Aller, Leine und Oker hat heute, im Gegensatz zum Mittelalter keine Bedeutung mehr. Die mittlere Ems und der Dortmund-Ems-Kanal Auf DEK dominiert seit der Eröffnung bis in die 50er Jahre der Transport von Erzen und Kohle. Schwedisches Eisenerz konnte über den Hafen Emden eingeführt werden und Kohle konnte günstig exportiert werden. Wegen der Krise in der Stahlindustrie ging der Erzverbrauch stark zurück und auch der Kohleexport verringerte sich wegen dem starken Konkurrenzdruck auf dem Weltmarkt. Zudem ist der Umschlag über die holländischen Rheinmündungshäfen günstiger. Der Rückgang bei den Erz- und Kohletransporten konnte aber durch den Aufschwung bei anderen Gütern kompensiert werden. „Mineralöl, Getreide, Futter- und Düngemittel, Holz und Zellstoff, Eisenschrott und mineralische Baustoffe, die über die Seehäfen eingeführt werden, bestimmen heute den Bergverkehr, während am Talverkehr Eisen und Stahl, Chemikalien, Maschinen und andere Fertigprodukte der heimischen Industrie wachsenden Anteil haben“ (SEEDORF; MEYER,1996). Die wichtigsten Häfen an der Wasserstraße, Emden, Leer und Papenburg, sind See- und Industriehäfen. Dort spielt neben der Umschlagfunktion zwischen See- und Binnenschiff auch die Weiterverarbeitung der Importgüter eine große Rolle (Dünge- und Futtermittelwerke, Holzund Spanplattenindustrie, Stahl- und Maschinenbau). Die Elbe Die Elbe hat vor allem als Seeschifffahrtsstraße (Unterelbe) bis Hamburg eine enorme Bedeutung. Die Oberelbe erschließt für den Hamburger Hafen ein riesiges Hinterland das sich über die märkischen Wasserstraßen bis nach Berlin erstreckt. Allerdings sind die traditionellen Verkehrsbeziehungen mit dem Hinterland noch nicht voll wiederhergestellt. Die jährlich transportierten Gütermengen liegen mit 1,5 Mio. t deutlich unter den Werten der Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 21 Vorkriegszeit (1936: 9 Mio. t). Dies liegt zu einem großen Teil an der Konkurrenz durch den ganzjährig befahrbaren Elbe-Seitenkanal. Mittellandkanal Der Mittellandkanal ist die verkehrsreichste Wasserstraße in Niedersachsen und besitzt darüber hinaus wegen seiner W-O-Erstreckung eine wichtige Verbindungsfunktion zwischen Flüssen, dem West- und dem Ostdeutschen Kanalnetz. Rund 70 % des Gesamtverkehrs hat seinen Ausgangs- oder Endpunkt an den Häfen des Mittellandkanals, etwa 30 % sind Durchgangsverkehr. In fast allen Häfen des Mittelandkanals ist der Empfang von Gütern deutlich größer als der Versand, weil die heimische Industrie zwar ihre Grund- und Energiestoffe über den Wasserweg bezieht, aber die hochwertigen Fertigprodukte nicht mehr mit dem langsamen Binnenschiff abtransportiert. Abb. 10 Güterumschlag in den wichtigsten Häfen am Mittellandkanal 1994 (linke Säulen: Versand; rechte Säulen: Empfang) (aus SEEDORF; MEYER,1996, S. 621) Mehr als 90 % der Transportmenge auf dem Mittellandkanal entfallen inzwischen auf ausgesprochene Massengüter wie Sand, Kies, Steine und andere Baustoffe, Brennstoffe wie Kohle und Mineralöl, Schrott, sowie Getreide, Futter- und Düngemittel. Rund drei Viertel des Güteraustausches erfolgen mit den Häfen des Rheingebietes und den Seehäfen an Elbe, Weser und Ems (vgl. Abb. 10) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 22 Elbe- Seitenkanal Der Elbe- Seitenkanal verbindet vor allem die Häfen am Mittellandkanal mit dem Seehafen Hamburg. Fast 60 % des Gesamtverkehrs auf dem ELK hatten 1994 die Häfen Hannover, Hildesheim, Peine, Braunschweig und Salzgitter als Ziel oder als Ausgangspunkt. (siehe auch Abb.11) Abb. 11: Güterverkehr über den Elbe-Seitenkanal mit anderen Wasserstraßengebieten (aus SEEDORF; MEYER,1996, S. 623) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 23 Küstenkanal Der Küstenkanal dient im wesentlichen dem Durchgangsverkehr, da er weite siedlungs- und gewerbearme Gebiete durchzieht. Wichtigste Transportgüter im Bergverkehr sind Mineralöl, Dünge- Futtermittel und Getreide, die von den Unterweserhäfen bezogen werden, sowie im Gegenzug Koks und Kohle , Chemieprodukte, Eisen- und Stahl aus dem Ruhrgebiet. Wesel-Dattel-Kanal; Rhein-Herne-Kanal und Datteln-Hamm-Kanal Diese Kanäle im Ruhrgebiet dienen vor allem dem Anschluss der Städte und Industriebetriebe des Ruhrgebietes an die überregionalen Wasserstraßen wie den Rhein, den Dortmund-Ems-Kanal und den Mittellandkanal und damit auch an die Seehäfen an der Nordsee. Einen Überblick über die versendeten Gütergruppen gibt Abbildung 7. Abb. 12: Güterumschlag in den Häfen Nordrhein-Westfalens (nach Gütergruppen) (aus VOPPEL. 1993, S. 26) 5. Zusammenfassung In vorindustrieller Zeit behinderten vor allem schlechte Wasserwege, der territoriale Flickenteppich mit seinen vielen Zollstationen, sowie Stapelrechte und Schiffergilden die freie Schifffahrt. Später war die Schifffahrt eher durch Konkurrenz von der Eisenbahn bedroht. Aber durch die Industrialisierung entstand ein Bedarf, an billigem, massenhaften Verkehr. Deshalb wurde das Netz der natürlichen Wasserstraßen mehr und mehr durch den Bau von Kanälen ergänzt. Die Schiffe wurden im Laufe der Zeit aus wirtschaftlichen Gründen immer größer, weshalb auch die Wasserstraßen ständig erweitert oder größer geplant werden Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 24 mussten. Die Wasserstraßen verbinden die Wirtschaftszentren untereinander und mit den Häfen der Küste, über die viele Grundstoffe bezogen werden und über die viele Produkte versand werden. Über die Wasserwege werden vor allem Sand, Kies, Steine und andere Baustoffe, Brennstoffe wie Kohle und Mineralöl, Schrott, sowie Getreide, Futter- und Düngemittel befördert. Neben diesen ausgesprochenen Massengütern werden auch mehr und mehr Container transportiert. Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 25 6. Literatu · ECKOLDT, M. [Hrsg.] (1998): FLÜSSE UND KANÄLE.-526; Hamburg. · SCHROIFF, F. J. (1984): Das Binnenschiffahrt- Verkehrssystem.- Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 84: 267; Hannover. · SEEDORF, H. H. ; MEYER, H. H.(1992): Landeskunde Niedersachsen- 1 Historische Grundlagen und naturräumliche Ausstattung.- 517; Neumünster. · SEEDORF, H. H. ; MEYER, H. H.(1996): Landeskunde Niedersachsen.- 2 Niedersachsen als Wirtschafts- und Kulturraum.-896; Neumünster. · GLÄßER, E.; SCHMIED, M.W.; W OITSCHÜTZKE, C-P. (1997): Nordrhein-Westfalen.-423; Gotha. · Voppel, G. (1993): Nordrhein-Westfalen.- 253; Darmstadt. · Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (www.wsv.de, WWW.WSV.DE/WASSERSTRASSEN/INDEX.HTML; JUNI 2001) · STATISTISCHES BUNDESAMT: HTTP://WWW.STATISTIK-BUND.DE/D_HOME.HTM (21.06.01) Regionale Geographie Nordwestdeutschland – Das Wasserstraßennetz 26