SPEZIAL 1/2015

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SPEZIAL 1/2015
AL
T!
260 SEITEN DER ULTIMATIVE GUIDE FÜR KLASSISCHE SPIELE
SONDERHEFT
DIE BESTEN
SPEZIAL
1/2015
Deutschland € 14,95
RETROSPIELE
Über 70 der
wichtigsten
Retro-Games
ausführlich
vorgestellt
MARIO KART
Shigeru Miyamotos Klempner
am Steuer: Die gesamte Serie
Österreich € 16,90
Schweiz SFR 25,80
ARCADE | ATARI | COMMODORE | MSX | NEO GEO | NINTENDO | SCHNEIDER | SEGA | SINCLAIR | SONY
Anatol
Locker
Jörg
Langer
Heinrich
Lenhardt
Michael
Hengst
Mick
Schnelle
Knut
Gollert
Winnie
Forster
WILLKOMMEN ZU
DIESEM SONDERHEFT!
Wer es trotz größerer Dicke (und etwas höherem Preis) nicht sofort gemerkt hat: Ihr haltet
hier kein reguläres Retro Gamer-Heft in den Händen, sondern eine Spezialausgabe. Darin stellen
wir euch einige der besten Retro Games aller
Zeiten vor, dazu einige „einfach nur gute“ – und
zwar liebevoll von der deutschen Redaktion ausgewählt und nach Genres unterteilt. Wir haben
uns dazu kräftig aus den bisherigen deutschen
Retro Gamer-Heften bedient, die wir ja immerhin seit 2012 machen. Zusätzlich gibt’s diverse
ganz neue Artikel, die ihr in keiner vergangenen
oder zukünftigen Ausgabe des deutschen Retro
Gamer finden werdet. Etwa zu Final Fantasy
VII – dem wohl besten Serienteil überhaupt –, zu
Legend of Zelda: Ocarina of Time, zu Mario
Kart, zu Maniac Mansion oder zu Sid Meier’s
Pirates. Um nur einige zu nennen.
Mehr als 70 einzelne Spiele (wobei wir
die Serien-Artikel nicht mal mitzählen, sonst
kämen wir deutlich über 100) stecken in dieser
Sonderausgabe! Und keines davon wird auf weniger als zwei Seiten beschrieben. Aufgrund der
Vielfalt von Kategorien und Untergenres haben
wir die Genres recht breit gefasst. So finden
sich Adventures & Action-Adventures im selben
Genre wieder, in Action & Arcade (unserem
größten Bereich in diesem Heft) werdet ihr von
Geschicklichkeitsspielen über Seitwärtsscroller
bis zu 3D-Spielen viel Unterschiedliches entde-
cken – nur keine Ego-Shooter, die hatten wir erst
im vorigen regulären Retro Gamer. Wir haben
uns vor allem bei Heimcomputern und frühen
Spielekonsolen (bis ungefähr N64) bedient,
neuere Retro Games sowie reine AutomatenSpiele waren uns weniger wichtig.
Natürlich erhebt unsere Auswahl sowieso keinen Anspruch auf Vollständigkeit, auch
wenn wir auf dem Titel mutig „Die besten Retro
Games“ schreiben: Trotz seiner gewaltigen 260
Seiten kann dieses Heft nur einen Bruchteil der
interessanten alten Spiele vorstellen, es gibt
noch viele, viele mehr. Dennoch sind wir sicher,
mit dieser geballten Ladung jedem Retro-Fan
Lesespaß für mehrere Wochen zu kredenzen.
Und wir würden uns freuen, wenn ihr uns per
E-Mail an retrogamer@gamersglobal.de mitteilt,
wie euch dieses Sonderheft gefällt. Wünscht
ihr euch weitere solcher Genre-Hefte, habt ihr
andere Ideen für zukünftige Spezialausgaben?
Je mehr Feedback wir bekommen, desto besser
können wir uns nach euren Wünschen richten.
Nun aber viel Spaß mit diesem ersten
Retro Gamer-Sonderheft! Das nächste reguläre
findet ihr übrigens ab 23. Mai am Kiosk eures
Vertrauens.
Euer Retro Gamer-Team
SPEZIAL 1/2015
SONDERHEFT
ADVENTURES &
ACTION-ADVENTURES
006 Einleitung und Meilensteine
Von 2-Wort-Parsern und Infocom, LucasArts‘ Point-and-Click-Revolution
008 Legend of Zelda: Ocarina of Time
Der wohl beste Serienteil der Kultserie
016 Maniac Mansion
Das erste vieler Spitzen-Adventures
018 The Pawn
Das Gesellenstück von Magnetic Scrolls
020 Kyrandia 2: Lure of the Tempress
Westwood auf den Spuren von LucasArts
022 Borrowed Time
Krimi-Adventure mit Maussteuerung
024 Shenmue
Action, Abenteuer & Open World
030 Sid Meier’s Pirates!
Genremix machte uns zu Seeräubern
032 Fairlight 1 & 2
Isometrie-Abenteuer für ZX, CPC & C64
036 Frankie Goes to Hollywood
Das seltsamste Abenteuer der 80er
ROLLENSPIELE
038 Einleitung & Meilensteine
Aus Rogue und Temple of Apshai entstanden die 2D-, Iso- und 3D-RPGs
040 Final Fantasy 7
Für uns das genialste JRPG von allen!
048 Rogue
Wie aus Buchstaben Monster werden
050 Bard’s Tale
Hinab in die Tiefen von Skara Brae
006
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052 Eye of the Beholder 2
Westwoods Antwort auf Dungeon Master
054 Wizardry 4
Die Kultserie in ihrem vielleicht stärksten Teil
056 Wasteland
2D-Weltkarte, aber Kämpfe à la Bard’s Tale
058 Ultima 5
Das letzte „Kachel-Ultima“ ist für viele das beste
060 Elder Scrolls Arena
In Egoperspektive durch das riesige Tamriel
062 Planescape Torment
Textmassen und ungewöhnliches Szenario
DIE BESTEN
O
R
T
E
R
SPIELE
094 Starfox
Tierische Raumpiloten-Kämpfe
100 Arkanoid
Das Breakout der 80er Jahre
102 Spindizzy
Marble Madness mit Kreisel
104 Archon
Fantasy-Schach und Action-Kämpfe
106 Airborne Ranger
Hinter den feindlichen Linien
108 Spy vs. Spy
Splitscreen-Spaß mit den MAD-Spionen
ACTION & ARCADE
PLATTFORM-SPIELE
068 Einleitung & Meilensteine
112 Einleitung & Meilensteine
Wir spannen den Bogen von 1-Screen-Action
über Seitwärts-Scroller bis zu den 3D-Titeln
070 Turrican
Wie der deutsche Action-Hit entstand
076 Defender
Eugene Jarvis’ epochales Meisterwerk
078 Missile Command
Die Entstehung des Automaten
082 River Raid
Der lange indizierte Vertikalscroller
084 Nemesis
Konamis fantastisches Shoot-em-up
086 Uridium
Carrier-Knacken mit Braybrook
088 Axelay
Waffen gegen Level-Fortschritt
090 R-Type Delta
Irems vierter Serienteil haut rein
092 Descent
Hektische 3D-Bombenentschärfung
038
Die Jump-and-run-Geschichte beginnt 1980
mit einem Spiel, in dem gar nichts hüpft
114 Mr. Mario
Die Jump-and-run-Karriere der Hüpf-Ikone
122 Monty on the Run
Ein Maulwurf lässt sich nicht alles bieten!
124 Super Metroid
Samus Arans erster 16-Bit-Auftritt
130 Castlevania
Das erste Abenteuer von Belmont
132 Castlevania IV
So entstand der actionreiche SNES-Ableger
138 Psycho Fox
Ein Fuchs mit Verwandlungsgabe
140 Impossible Mission
„Stay a while. Stay forever!“
146 Super Mario 64
Mario zeigte es wieder allen – nun in 3D
148 Burger Time
Die Jagd nach den richtigen Zutaten
068
STRATEGIE
150 Einleitung & Meilensteine
150
210
190 Yie Ar Kung-Fu
230 ATV Simulator
Erst waren es noch „Brettspiele mit KI“,
doch dann mauserte sich das Genre
152 Die Civilization-Serie
Wie Sid Meier die Zivilisation neu erfand
158 M.U.L.E.
Dan Buntons geniales Wirtschaftsspiel
160 Populous
Peter Molyneux erschuf die Götterspiele
162 Dungeon Keeper
Als Verlies-Chef kämpfen wir
gegen das Gute
164 Battle Isle
Wie die deutsche Taktikserie entstand
170 Alpha Centauri
Im Civilization-Stil eine fremde Welt
erobern
172 Die Siedler 2
Blue Bytes meisterliches Aufbauspiel
174 Command & Conquer
Der erste König der Echtzeit-Strategie
176 Warsong
Japano-Rundentaktik mit vielen Dialogen
178 Panzer General
Dank SSI waren Militär-Strategiespiele
mit einem Mal en vogue
PRÜGELSPIELE
180 Einleitung & Meilensteine
Prügelspiele, Fighting Games, Beat-emups, Brawler, Wettkampf-Prügler und Co.
182 Tekken
Vier Buttons für ein Halleluja
112
Elf Gegner, elf Waffen
192 Altered Beast
Kultiger Seitwärts-Scroller
196 Strider
Kampfkünstler gegen Grandmaster
202 Pit Fighter
Die ersten digitalisierten Gegner
206 Streets of Rage
Mit Tritten und Waffenhieben
Über Stock und Stein auf dem
Sattel eines Quads
232 Road Rash
Das Motorradspiel für die ganz harten Biker
234 Die Lotus-Serie
Alle Details zu einer der wegweisenden
Rennspiel-Serien
240 Emlyn Hughes International Soccer
Als Fußballspiele begannen, realistisch zu
werden
SPORT- & RENNSPIELE SIMULATIONEN
210 Einleitung & Meilensteine
Sommerspiele und Joystick-Killer, Fun
Racer und Renn-Simulationen
212 Mario Kart
Auch auf dem Asphalt ein Hit – Blick zurück
auf die gesamte Serie
220 Winter Games
Der beste Zeitvertreib an kalten Tagen für
bis zu acht Spieler
222 Ridge Racer
Dieses Rennspiel brachte Automatenfeeling ins Wohnzimmer
224 NBA Jam
So entstand die seinerzeit beliebteste
Basketball-Umsetzung
228 Speedball 2
Futuristisches Handball in einer
Brutalo-Variante fast ohne Regeln
180
242 Einleitung & Meilensteine
Schon der erste Flight Simulator war ein
Hardware-Fresser – das setzte den Trend
244 Carrier Command
Strategie trifft SF-Simulation
250 F-15II Strike Eagle
Sid Meier ließ Polygone fliegen
252 Comanche
Novalogics kultiger Helikopter
254 Silent Service
U-Boot-Krieg im Pazifik
256 Battlehawks 1942
Die erste LucasArts-Flugsim
RUBRIKEN
003 Editorial
258 Vorschau
242
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 5
I >>> S. 38 ROLLENSPIELE
ADVENTURES &
ACTION-ADVENTURES
INHALT
008 Legend of Zelda: Ocarina of Time
Der wohl beste Serienteil der Kultserie
016 Maniac Mansion
Das erste vieler Spitzen-Adventures
018 The Pawn
Das Gesellenstück von Magnetic Scrolls
020 Kyrandia 2: Lure of the Tempress
Westwood auf den Spuren LucasArts
022 Borrowed Time
Krimi-Adventure mit Maussteuerung
024 Shenmue
Action, Abenteuer & Open World
030 Sid Meier’s Pirates!
Genremix machte uns zu Seeräubern
032 Fairlight 1 & 2
Isometrie-Abenteuer für ZX, CPC & C64
036 Frankie Goes to Hollywood
Das seltsamste Abenteuer der 80er
6 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
MEILENSTEINE
DES GENRES
Open mailbox, take leaflet, go south: Wer das Spiel
nicht erkennt, ist kein Adventure-Fan der ersten
Stunde! Populär wurde das von Infocom, Scott
Adams und Sierra geprägte Genre durch LucasArts,
Ende der 80er. Damals begannen auch die verwandten Action-Adventures ihren Siegeszug.
ZORK I
D
er Informatiker William Crowther schrieb
1975 auf einem DEC PDP-10 ein Programm
namens Colossal Cave (das als Adventure
bekannt wurde), in dem man im Wesentlichen von Raum zu Raum wanderte – so wollte der
Hobby-Höhlenforscher ein Tropfsteinhöhlen-System
in Kentucky nachbilden. Bis 1976 erweiterte er es
um Spielelemente, denen der Student Don Wood
ab 1977 weitere Features hinzufügte, insbesondere
ein Spielziel: Sammle alle Schätze ein! Daraus entwickelten im selben Jahr Marc Blank und Dave Lebling
Zork für einen Großrechner, gründeten Infocom und
brachten das in drei Einzeltitel aufgeteilte, polierte
Spiel 1979 für diverse Heimcomputer heraus. Die drei
englischen Anweisungen im Artikel-Intro sind die Anfangszüge von Zork I.
Zwei- und Mehrwort-Parser
In den 80ern wurden unzählige Adventures veröffentlicht, da ihre Programmierung nicht sehr schwer war:
Die Spielwelt konnte dadurch kreiert werden, dass
man jedem Raum eine Nummer und vier RichtungsVariablen zuordnete, die entweder 0 enthielten oder
aber die Nummer eines angrenzenden Raums. So
beschrieb beispielsweise „2,Waldmitte,3,0,1,0“
die Lokation Nummer 2, die im Norden an Raum 3
(zum Beispiel Hütte) und im Süden an Raum 1 (zum
Beispiel Waldrand) angrenzte. Nun musste man nur
noch auf die Eingabe „Norden“ hin prüfen, ob die
Nord-Variable eine Raumnummer enthielt, den Spieler
dorthin versetzen und ihm den neuen Raum beschreiben. Ebenso ließ sich Objekten ein Raum oder eben
das Spieler-Inventar zuteilen. Auf dieses Prinzip bauen
sämtliche Text- und viele Grafikadventures auf.
Ein einfacher Parser zur Interpretation der
Spieler-Eingaben war ebenfalls schnell geschrieben.
Viele Adventures beschränkten sich auf Ein- und ZweiWort-Befehle, wobei der Spieler meist raten musste,
welche Vokabeln jenseits von „North“, „look“ und
„get X“ überhaupt möglich waren. Die InfocomAdventures zeichneten sich dadurch aus, dass sie
auch komplexere englische Sätze „parsen“ konnten
und zwischen Subjekt, Verb, Objekt, Präposition und
indirektem Objekt unterschieden. Knapp geschlagen
wurde der Infocom-Parser dann von dem der Firma
Magnetic Scrolls, die zudem ihre Adventures wie The
Pawn mit schönen Grafiken ausstatteten.
Bereits früh gab es Versuche, Räume in Adventures auch per Bild zu zeigen. Oft wurden die simplen Grafiken vor den Augen des Betrachters gemalt,
weil solche Zeichenanweisungen weniger Speicher
benötigten als fertige Bilder – etwa in den Adventures
des Briten Scott Adams (etwa Adventureland) oder
Twin Kingdoms Valley (1983) – Letzteres animierte
diese Grafiken sogar. Sierra erregte 1984 Aufsehen
mit einer neuen Darstellung: Per Cursortasten bewegte man in King’s Quest seinen Helden als Sprite über
den Screen (tippte aber immer noch Befehle ein).
Keine Frage: Grafik-Adventures kamen an,
und es war nur eine Frage der Zeit, bis Spiele wie
Borrowed Times (Interplay, 1985) auf Maussteuerung setzten. Einen wahren Popularitätsschub gab
dann LucasArts dem Genre: Ihre Adventures wie
Maniac Mansion (1987) und Secret of Monkey Island
kombinierten schöne Grafik, komfortable Steuerung,
knifflige Rätsel und viel Humor zu massentauglichem
Denksport.
QViele Stunden oder gar Tage dauerte es, bis man in Zork I
alle 19 Schätze gefunden und zur anfänglichen Hütte gebracht
hatte, zumal ein Dieb im Great Underground Empire herumspukte. In Zork II knallte der Magier Frobozz uns mit „F“ beginnende Zaubersprüche (Fear, Float, …) vor den Latz. Und
dann gab es noch in jedem stockfinsteren Raum einen Grue …
Aufstieg der Action-Adventures
Interessanterweise hatte das erste Action-Adventure
den gleichen Namen wie das erste (Text-)Abenteuer:
Das 1979 von Atari veröffentlichte Adventure. Anders
als im Namensvetter steuerte man hier eine Figur
durch 2D-Räume, sammelte Schlüssel ein und löste
Rätsel. Eben dieses Rätsellösen blieb dann auch die
größte Gemeinsamkeit zwischen Adventures und
Action-Adventures. Aber längst nicht die einzige,
denn auch die Wichtigkeit der Story ähnelt sich in
beiden Genres. Was zudem oft vergessen wird:
Nicht wenige Adventures boten ihre eigene Form
von „Action“, etwa in Form herumlaufender Gegner
wie dem Zauberer oder dem Dieb in der Zork-Serie.
Oder als hitpoint- und waffenbasierte Kämpfe wie in
Twin Kingdom Valley oder King‘s Quest. Oder es gab
„Zeitdruck mit Todesdrohung“ wie in den fünf EinzelAdventures von Eureka!.
Action-Adventures wechselten bald von der
2D- (zum Beispiel Legend of Zelda, Sabre Wulf) in die
isometrische Perspektive (zum Beispiel Fairlight, Last
Ninja), bevor sie, etwa in Ocarina of Time, echtes 3D
für sich entdeckten. Yu Suzukis Shenmue versetzte
uns gar in eine „Lebenssimulation“ in einer modernen Stadt, und bot uns neben Kampf und Erkundung
viele Minispiele. Nicht zuletzt diese Vielfalt an Gameplay-Mechanismen heben Action-Adventures von
normalen Adventures, aber auch von Rollenspielen
oder Plattform-Spielen ab. Deshalb scheint uns auch
der Action-Strategie-Handel-Schatzsuche-FechtenMix Sid Meier’s Pirates! am besten in diese Kategorie
zu passen.
LEGEND OF ZELDA
QShigeru Miyamoto erfand mit Prinzessin Zelda und dem
Jüngling Link eines der großen (asexuellen) Paare der Spielegeschichte: Immerzu musste Letzterer Erstere retten. Bereits
im ersten Spiel begründete Nintendo zahlreiche Serien- und
Genrestandards, etwa Item-Erwerb und -einsatz, Rätsel,
Kämpfe und Oberwelt.
MANIAC MANSION
QEs war weder das erste Adventure mit Grafik oder animierten Figuren, noch das erste per Maus beziehungsweise Joystick gesteuerte, noch das erste mit viel Humor. Doch wie Ron
Gilbert 1987 in Maniac Mansion diese Elemente kombinierte
und um pfiffige Ideen erweiterte (so wählte man drei aus
sieben einzigartigen Spielfiguren), war sensationell.
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 7
8 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
Auch mehrere Verschiebungen und kleine Gameplay-Schwächen
konnten nicht verhindern, dass dieses Spiel die Herzen der Fans
im Sturm eroberte. Dank gut konserviertem N64 oder Gamecube
(Master-Quest-Edition) oder aber der modernen 3DS-Fassung steht
es auch heute noch hoch in der Gunst der Videospieler. Retro Gamer
geht der Magie des ersten 3D-Zeldas auf den Grund.
W
enn nach all den Widrigkeiten in
einem Spiel dann schließlich der
Abspann läuft, ist der Moment
gekommen, in dem man nochmals
in sich geht und die Reise der letzten Tage oder
Wochen Revue passieren lasst. War es all die investierten Stunden wirklich wert?
Da kann das Gameplay noch so überzeugend sein – auf Dauer erinnern wir uns doch vorrangig an die Spiele zurück, die uns voll und ganz
in ihre Geschichte zogen und uns eine tragende
Rolle spielen ließen. Nicht immer waren wir mit
dem Handlungsverlauf einverstanden, insbesondere, wenn ins Herz geschlossene Charaktere
plötzlich das Zeitliche segneten. Umso größer
war dann aber auch die Befriedigung, wenn wir
am Ende den Oberbösewicht zur Strecke brachten – als wir beispielsweise Pauline aus Donkey
Kongs Fängen retteten oder Diablo erstmals in
die Knie zwangen. Solche Momente sind es, die
für viele die Faszination an Videospielen ausma-
chen – Erinnerungen, die für immer in unserem
Gedächtnis bleiben.
Ein Spiel, das bestens in diese Aufzählung
passt, ist The Legend of Zelda – Ocarina of Time.
Mit seinen zahlreichen denkwürdigen Momenten wurde das erste Zelda für den N64 aus dem
Nichts zum bis heute wohl beliebtesten Ableger
der gesamten Reihe. Für manche Fans ist es
sogar das beste Videospiel überhaupt. Und das,
obwohl sich Nintendo zumindest bei der Rahmenhandlung erneut an seiner bekannten Formel für
Jung und Alt orientierte: Ihr seid der Held, schlagt
euch mit vielen Gegnern und löst viele Rätsel, bekämpft den Bösewicht, rettet die Prinzessin – und
ganz nebenbei bringt ihr den Frieden ins Land
zurück und werdet zur Legende.
Technische Freiheiten
Keine Frage: Das 2D-Action-Adventure The Legend of Zelda war bei seiner Veröffentlichung im
Jahr 1986 ein Meilenstein in der Geschichte der
Videospiele. Darauf bezogen, was Serienschöpfer
Shigeru Miyamoto mit Link, Zelda, Ganon und
dem Land Hyrule noch alles vorhatte, war es aber
nur eine schwache Vorahnung. Erst mit Ocarina of
Time, so gab Miyamoto nach dessen Veröffentlichung zu Protokoll, habe er seine damalige Vision
umsetzen und Hyrule auch durch den Wechsel zu
3D-Grafik echtes Leben einhauchen können.
1986 waren es vor allem die technischen
Grenzen, die Miyamoto in seinem Schaffen einschränkten. Er musste sich auf die Kernthemen
konzentrieren: drei zentrale Charaktere, das
Triforce, Hyrule, das Gefühl der Freiheit – und
natürlich die Dungeons. Bereits mit dem ersten
Nachfolger nur ein Jahr später wurde jedoch klar,
dass er sich damit nicht zufriedengeben wollte.
The Adventure of Link wird zwar häufig als das
schwarze Schaf der Zelda-Reihe bezeichnet, weist
aber dennoch einige Ähnlichkeiten zu Ocarina of
Time auf. Durch die Plattform-Sequenzen aus der
seitlichen Perspektive sahen die Spieler Hyrule
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 9
» [N64] Ocarina of Time war anfangs als First-Person-Spiel geplant. Im fertigen Spiel war nur
noch der Zielmodus in der Egoperspektive.
» [N64] Die Okarina ist ein wichtiges Spielelement. Link lernt immer mehr Lieder,
die ihm bei Rätseln helfen oder die Zeit verbiegen.
aus einem anderen Blickwinkel. Auf diese Weise
schuf Miyamoto Dörfer mit unzähligen Einwohnern, mit denen Link interagieren und sich auf
seinen Reisen unterhalten konnte. Spieler wurden
dadurch nicht nur tiefer in die Spielwelt gezogen,
sondern hatten auch eine größere Last auf ihren
Schultern zu tragen.
Der zweite Teil legte zudem mehr Wert
auf Action. Link konnte nun wie später auch in
Ocarina of Time Zaubersprüche wirken (dort gab
es zusätzlich sogar eine Magieanzeige, über die
Spezialangriffe ausgelöst werden konnten), und
durch Erfahrungspunkte verstärkte er seine Angriffe. Während das Levelsystem daraufhin aber
wieder verworfen wurde, spielte der allgemeine
Aspekt der Charakterentwicklung auch in Ocarina
of Time eine große Rolle. Umgesetzt wurde diese
jedoch vorrangig durch neue Gadgets für euren
Hauptcharakter, Items, zusätzliche Herzcontainer
sowie zunehmend stärkere Waffen.
Obwohl Ocarina of Time stark von The
Adventure of Link inspiriert war, lieh es sich auch
aus den anderen Ablegern populäre Elemente.
Die titelgebenden Okarina-Flöten beispielsweise
gab es vorher schon in Link’s Awakening für den
Game Boy. Die Licht- und Schattenwelt aus A
Link to the Past für das SNES wurde ebenfalls in
abgewandelter Form umgesetzt: Während des
Spielverlaufs könnt ihr mit der richtigen OcarinaMelodie zwischen Link im Alter von 16 Jahren
und Link als Kind hin und her wechseln.
Die Arbeit beginnt
Erstmals vorgestellt wurde Ocarina of Time auf
der damaligen Nintendo-Hausmesse Space World
im Dezember 1995. Die anwesenden Besucher
»Als die Arbeiten an dem Projekt
starteten, waren etwa 15 Mitarbeiter involviert. Kurz vor der Fertigstellung wuchs ihre Zahl auf 50.«
10 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
waren von Anfang an begeistert. Besondere
Freude verursachte die Ankündigung, dass es als
Launchtitel für den Nachfolger des SNES erscheinen sollte. Das klappte allerdings nicht: Das N64
kam bereits im folgenden Jahr auf den Markt,
weshalb sich die anfängliche Zeitangabe für
Ocarina of Time als zu ambitioniert erwies. Das
erste N64-Zelda, das auf einer stark überarbeiteten Version der Mario 64-Engine basierte, musste
sogar gleich mehrmals verschoben werden und
erschien letztendlich erst Ende 1998.
Für die Entwicklung zeichnete Nintendo
EAD verantwortlich, wobei das Studio in diverse
Teams aufgeteilt wurde. Die eine Abteilung kümmerte sich um Skripts und Story, eine andere um
die Steuerung von Link inklusive der Kamera, und
wiederum ein anderes Team arbeitete an den vielen Items. Je weiter die Entwicklung schritt, desto
mehr Teams kamen hinzu, beispielsweise für den
Sound und Spezialeffekte. Auch Kensuke Tanabe,
der Schreiber von A Link to the Past, fand zurück,
um die von Shigeru Miyamoto und Yoshiaki Koizumi erdachte Story auszuarbeiten.
Miyamoto war seinerseits als Produzent
und Aufsicht tätig. Gleichzeitig sollte er den
Überblick über die gesamte Entwicklung bewahren und die Zusammenführung der einzelnen Spielinhalte koordinieren. Die Leiter
der einzelnen Abteilungen versorgte
er darüber hinaus mit neuen Ideen. In
vollem Umfang konnte sich Miyamoto Ocarina of Time aber erst nach der
Fertigstellung und Veröffentlichung von
Mario 64 widmen. Waren anfangs nur
etwa 15 Mitarbeiter an dem Spiel beteiligt,
wuchs ihre Zahl später auf 50.
Die Gründe für die Verzögerungen waren vielseitig. So plante
Nintendo zwischendurch, Ocarina of
Time als Launchtitel für das N64Add-on 64DD (Disk Drive) zu
veröffentlichen. Ebenso
dachte Miyamoto zu Beginn lange darüber nach,
das Spielgeschehen
komplett aus der Egoperspektive zu zeigen, um eine noch größere Immersion zu erreichen. Diese Idee
wurde erst wieder verworfen, als man sich
dazu entschied, sowohl als junger als auch
THE LEGEND OF ZELDA: OCARINA OF TIME
Magische
Momente
Wir erinnern uns an unsere Lieblingsmomente
in Ocarina of Time.
Kokiri-Wald
als erwachsener Link zu spielen – in der Egoperspektive wäre dieser Effekt wahrscheinlich komplett
untergegangen. Überraschenderweise wurde aber
auch die Geschichte erst sehr spät in das vorhandene Spieldesign eingearbeitet und finalisiert.
Weil die Kamera dabei helfen sollte, die
Immersion zu verstärken und die Spielwelt adäquat
darzustellen, verlangte Miyamoto, dass nicht Link
und seine Handlungen, sondern Hyrule im Fokus
der Kamera steht. Da es sich bei Ocarina of Time
um ein Action-Adventure mit Rollenspiel-Aspekten handelte, erschien dieser Weg logisch: Beim
3D-Hüpfspiel Mario 64 stand die Spielfigur im Mittelpunkt, wodurch man stets einen guten Überblick
über die Sprünge und Gegner hatte. In Zelda kam
es jedoch weniger auf millimetergenaue Sprünge
und ähnliche Aktionen an.
Seit der Veröffentlichung von The Legend
of Zelda lag es Miyamoto am Herzen, dass die
Spieler das Gefühl haben, sich wirklich in Hyrule
zu befinden. Das N64 bot nun endlich die nötige
Hardware-Power, doch neben der Technik spielte
hierfür ein weiterer Punkt eine große Rolle: die
Steuerung. Wir übertreiben nicht, wenn wir sagen, dass es damals keinen 3D-Titel gab, dessen
Steuerung besser auf das Spielerlebnis abgestimmt war. Der N64-Controller inklusive aller
Tasten wurde von Ocarina of Time perfekt ausgenutzt – Link ließ sich wunderbar flüssig durch
Hyrule navigieren. Dass sich das Team hierbei
viele Gedanken gemacht hatte, sah man etwa
daran, dass der Hauptcharakter sprang, sobald
er sich der Kante einer Plattform näherte. Die
A-Taste hingegen war kontextsensitiv: Mit einem
Schwert in der Hand schlug Link zu, sonst öffnete
DAS SPIEL BEGINNT in Links Heimatdorf im Kokiri-Wald.
Alleine hier könnt ihr schon Unmengen an Zeit mit der Erkundung verbringen. Gleichzeitig dient dieses Spielgebiet
auch als eine Art Tutorial, in dem ihr euch euer Schwert
und den Deku-Schild besorgen müsst. Danach dürft ihr
das erste Mal den Deku-Baum und damit den ersten
Dungeon betreten. Habt ihr diesen abgeschlossen, warnt
euch der Baum noch vor den bösen Absichten Ganondorfs. Ihr erhaltet den ersten heiligen Stein und sollt euch
nun zu Prinzessin Zelda aufmachen.
Hylianische Steppe
AN DIESEN MOMENT werden sich die meisten ZeldaFans noch mit großer Sicherheit erinnern. Erstmals
verlasst ihr das Dorf und den zugehörigen Dungeon und
befindet euch plötzlich auf einem großen, freien Feld.
Die hylianische Steppe dient hier als Hublevel, der von
diversen anderen Gebieten Hyrules umgeben wird. Der
erste Ritt Richtung Schloss Hyrule demonstriert euch
dann eindrucksvoll den Tag- und Nachtwechsel inklusive
wunderschönem Sonnenuntergang.
Treffen mit der Prinzessin
NACH EINEM Stealth-Abschnitt im Metal Gear-Stil,
in dem ihr mit Link den patrouillierenden Wachen im
Schloss ausweichen müsst, trefft ihr zum ersten Mal
Prinzessin Zelda. Sie klärt Link umgehend über ihre
Befürchtungen auf, dass Ganondorf auf der Suche
nach dem Triforce ist, um über Hyrule zu herrschen.
Sie bittet euch daher darum, die zwei übrigen heiligen
Steine zu finden und vor Ganondorf das Triforce zu sichern. Wer kann einer Prinzessin schon einen Wunsch
abschlagen?
Lord Jabu-Jabu
IN OCARINA OF TIME warten gleich mehrere exzellent designte Dungeons darauf, von euch gemeistert zu werden.
Einer der ausgefalleneren Sorte befindet sich im Bauch von
Lord Jabu-Jabu. Nachdem ihr von der riesigen Wal-ähnlichen Kreatur verschluckt werdet, müsst ihr euch in seinem
Riesenmagen auf die Suche nach Ruto, der Prinzessin der
Zora-Rasse, begeben. Nur sie kann euch dabei helfen, den
letzten heiligen Stein zu ergattern.
Die Okarina
MUSIK SPIELT IN Ocarina of Time eine wichtige Rolle –
wie auch kaum anders zu erwarten von einem Spiel
mit einem Instrument im Namen. Die musikalische Untermalung während eurer Abenteuer passt sich dynamisch
dem Geschehen an, zudem haben die Spielgebiete eigene
Musikstücke. Durch die Okarinas zieht sich das Musikthema bis in die Story und die Quests. Eure erste Okarina
erhaltet ihr von Salia, sobald ihr den Kokiri-Wald verlasst.
Im Verlauf des Spiels erlernt ihr immer weitere Lieder, die
euch bei euren Abenteuern unterstützen: Mal öffnet eine
Melodie Türen, mal ruft sie nach Hilfe.
Epona
MITTEN IN DER hylianischen Steppe findet er die Lon
Lon Farm. Als Kind begegnet Link dort Malon, die Tochter des Besitzers. Das Mädchen bringt euch ein Lied auf
der Okarina bei, mit dem ihr Epona besänftigt. Sieben
Jahre später kehrt Link auf die Farm zurück, sie gehört
nun dem ehemaligen Handlanger Basil. Mit Hilfe der
Okarina kann Link Epona erneut für sich gewinnen.
Erwachsen werden
A LINK TO THE PAST führte erstmals die Mechanik der
Licht- und Schattenwelt ein, Ocarina of Time nutzt dieselbe Idee für zwei Zeitebenen, zwischen der ihr mit Hilfe der
namensgebenden Okarina wechselt. Durch Veränderungen in der Vergangenheit könnt ihr die Zukunft verändern
und so Rätsel lösen oder Wege öffnen.
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 11
Links spätere Abenteuer
Auf Ocarina of Time folgten zahlreiche weitere Ableger für Nintendos Konsolen und Handhelds.
The Legend Of Zelda: Majora’s Mask
The Legend Of Zelda: Oracle of Seasons
The Legend of Zelda: Oracle of Ages
QPLATTFORM: N64 QJAHR: 2000
QPLATTFORM: GAME BOY COLOR QJAHR: 2001
QPLATTFORM: GAME BOY COLOR QJAHR: 2001
Auch das zweite N64-Zelda fand seine Fans – obwohl
es ganz anders als Ocarina of Time aufgebaut war.
In Majora's Mask bleiben Link nur drei Tage Zeit, die
Welt zu retten. Dank eurer Okarina erlebt ihr diese
immer wieder von vorn und kommt mit der Hilfe
diverser Zaubermasken sowie Gadgets bei jedem
Durchgang ein wenig weiter als zuvor. Anfang 2015
erschien ein gelungenes 3D-Remake für den 3DS.
Oracle of Seasons entstand bei Capcom in Zusammenarbeit mit Nintendo EAD. Die Besonderheit war,
dass man es über ein Passwort mit dem gleichzeitig
erschienenen Oracle of Ages verbinden konnte. In
diesem Abenteuer musste Link die Jahreszeiten
manipulieren, um Puzzles zu lösen. Es kommt nicht
an die Qualität von Link's Awakening heran, ist aber
trotzdem ein gutes Spiel.
Das Gegenstück zu Oracle of Seasons hat einige
Ähnlichkeiten mit Majora's Mask. Dieses Mal
musste Link die Zeit beeinflussen. Es war ein
wirklich toller Handheld-Ableger, der in gewisser
Weise sogar an A Link to the Past erinnerte.
Capcom bewies hiermit jedenfalls, dass sie der
Zelda-Marke den gleichen Respekt wie Nintendo
entgegenbrachten.
The Legend Of Zelda: The Minish Cap
The Legend Of Zelda: Twilight Princess
QPLATTFORM: GAME BOY ADVANCE QJAHR: 2004
QPLATTFORM: GAMECUBE/WII QJAHR: 2006
The Legend Of Zelda:
Phantom Hourglass
The Minish Cap ist ein weiterer von Capcom
entwickelter Nachfolger, der sich bestens in die
Ereignisse aus Four Swords und Four Swords
Adventures einfügte. Mit einem plappernden Vogel
als Hut erhielt Link einen neuen Sidekick. Der
Kniff war jedoch, dass Link als kleinere Version in
der bekannten (nun natürlich riesigen) Spielwelt
ganz andere Stellen erreichen kann.
So gut Twilight Princess auch war, im Prinzip war es
eher eine Erneuerung im Stile von Ocarina of Time
als ein komplett neues Spiel. Die Wii-Version wurde
an die neue Bewegungssteuerung der Wii angepasst – Link führt aus diesem Grund sein Schwert
auch erstmals mit der rechten Hand. Allerdings ist
die Steuerung nicht präzise, die GameCube-Fassung
hat in dieser Hinsicht Vorteile.
er mit demselben Button Türen, bewegte Objekte, erklomm Plattformen oder unterhielt sich mit
den unzähligen NPCs von Hyrule.
Ähnlich gut wurden die gelben C-Buttons
eingesetzt, die in der Third-Person-Perspektive als
Schnellzugriff für Items dienten. In der Egoansicht
(beim Schießen) kamen dieselben Tasten jedoch
für die Steuerung der Kamera zum Einsatz, sodass
sich auch Steinschleuder oder Bumerang bestens
bedienen ließen. Das Kampfsystem von Ocarina of
Time war sehr intuitiv. Dank eines automatischen
Zielsystems für die Projektilwaffen waren selbst
hektischere Begegnungen mit Feinden kein unlösbares Problem. Diese Hilfsfunktion fand daraufhin
zu Recht auch ihren Weg in viele andere Spiele
unterschiedlichster Genres. Zusätzlich wurde den
» [N64] Bevor ihr das erste Mal Zelda trefft, müsst ihr
euch an Wachen vorbei zu ihr schleichen.
12 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
QPLATTFORM: DS QJAHR: 2007
Wie Wind Waker zuvor vertraute auch Phantom
Hourglass wieder auf Cel-Shading-Grafik, dieses
Mal allerdings aus der Vogelperspektive. Ansonsten
setzte es voll und ganz auf die Kernthemen der
Reihe. Dank vieler umfangreicher Dungeons und
toller Puzzles war man mit dem Handheld-Zelda
eine lange Zeit beschäftigt.
Spielern mit Fee Navi ein kleiner Helfer zur Seite
gestellt. Sie weicht während des gesamten Abenteuers nicht von Links Seite und versorgt euch mit
diversen Infos sowie meistens nützlichen (aber
keinesfalls das eigene Nachdenken erübrigenden)
Hinweisen.
Großen Anteil am packenden Spielgefühl hatte auch die titelgebende Okarina. Schon
früh im Spiel lernt Link die ersten Lieder für das
ungewöhnliche Blasinstrument. Auf diese Weise
gewinnt er beispielsweise Eponas Herz für sich,
auf der er fortan durch die Spielwelt reitet. Aber
auch bei den Rätseln seid ihr immer wieder auf
eure musikalischen Fähigkeiten angewiesen. So
könnt ihr durch das Abspielen einer bestimmten
Melodie das Wetter verändern oder den Tag- und
Nachtrhythmus beeinflussen. Außerdem reist ihr
mit der Okarina durch die Zeit oder teleportiert
euch an einen bestimmten Punkt in der Spielwelt.
Die Umsetzung im Spiel hätte hierfür kaum besser
sein können: Jede verfügbare Aktion ist an eine
The Legend Of Zelda:
A Link To The Past & Four Swords
The Legend Of Zelda:
The Wind Waker
The Legend of Zelda:
Four Swords Adventures
QPLATTFORM: GAME BOY ADVANCE QJAHR: 2002
QPLATTFORM: GAMECUBE QJAHR: 2002
QPLATTFORM: GAMECUBE QJAHR: 2004
A Link to the Past war zwar eigentlich kein neues
Spiel, doch führte es gleichzeitig den Mehrspieler-Part
Four Swords für bis zu vier Spieler ein. Capcom gab
sich erneut viel Mühe, indem sie etwa die Rätsel mit
Koop-Elementen garnierten, die für den späteren
GameCube-Release nochmals erweitert wurden.
A Link to the Past wurde nur wenig angepasst.
Viele Fans ließen sich bei Wind Waker von der ungewöhnlichen Cel-Shading-Grafik abschrecken. Doch das
war ein Fehler, denn durch die Optik konnte Miyamoto
auf ganz neue Weise Emotionen in den Gesichtern der
Charaktere zum Ausdruck bringen. Die vielen Reisen
auf dem Ozean gefielen ebenfalls nicht jedem. Ende
2013 erschien eine HD-Auflage für die Wii U.
Der zweite GameCube-Ableger verzichtete
auf eine große Solokampagne und legte
stattdessen viel Wert auf Multiplayer-Elemente.
In einem der zwei Modi musstet ihr sowohl
kooperativ als auch gegeneinander Kristalle
sammeln, in einem anderen ausschließlich
gegeneinander spielen.
The Legend Of Zelda: Spirit Tracks
The Legend of Zelda: Skyward Sword
The Legend of Zelda: A Link between Worlds
QPLATTFORM: DS QJAHR: 2009
QPLATTFORM: WII QJAHR: 2011
QPLATTFORM: 3DS QJAHR: 2013
Obwohl auch Spirit Tracks noch viel Spaß bereitete, ging der altbekannten Formel nun erstmals
ein wenig die Luft aus. Die Abschnitte mit dem
Zug waren zu simpel gestrickt und fast schon
monoton, auch die Dungeons erschienen weniger originell als in den Vorgängern. Verglichen
mit anderen Spielen hatte Spirit Tracks aber
immer noch eine hohe Qualität.
Mit dem zweiten Zelda für die Wii ging Nintendo weiter als je zuvor in der Reihe in der Zeit
zurück: Zelda ist noch keine Prinzessin, auch
Links Schwert ist noch nicht geschmiedet.
Anders als bei Twilight Princess profitierte
dieses Spiel von der Wii-Steuerung, die dank
Wiimote-Plus-Erweiterung deutlich präziser
ausfiel.
Der erste Auftritt von Link auf dem 3DS begeisterte
seine Fans von der ersten Ankündigung an: Nie zuvor erinnerte ein Zelda derart stark an den immer
noch beliebten SNES-Klassiker A Link to the Past.
Auch die Neuerungen konnten überzeugen: Der
3D-Effekt wurde clever eingesetzt, zudem konnte
sich euer Held in den Rätseln als 2D-Schatten an
Wänden entlang fortbewegen.
Melodie aus bis zu fünf Tönen gekoppelt, die ihr
wiederum über die Aktionstasten des Controllers
nachspielt.
Ob Kamera, Steuerung oder Okarina:
Jeder Aspekt in Ocarina of Time fühlte sich gut
durchdacht an. Miyamoto und sein Team taten
wirklich alles dafür, dass ihr euren Aufenthalt in
Hyrule genießen konntet – natürlich in der Hoffnung, dass ihr euren Freunden davon erzählt und
nach Abschluss der Story gleich einen zweiten
Anlauf startet.
»Jeder Aspekt in Ocarina of Time
fühlte sich gut durchdacht an.
Miyamoto und sein Team taten
alles dafür, dass ihr euren Aufenthalt in Hyrule genießen konntet.«
Der Weg zur Legende
Die Geschichte von Ocarina of Time setzt noch
vor den Ereignissen der ersten vier Spiele an
und vertraut dem klassischen Zelda-Schema:
Link muss sich durch mehrere Dungeons voller
Gegner kämpfen, dort jeweils ein bestimmtes
Objekt aufspüren und danach einen gewaltigen
Boss besiegen, der den Ausgang blockiert. Jedes
Objekt eröffnet ihm dann weitere spielerische
Möglichkeiten und auch meist neue Wege in
der eigentlich schon bekannten Spielwelt. Wie A
Link to the Past besteht Ocarina of Time aus zwei
Spielhälften: Anfangs ist Hyrule noch ein hübsches und lebhaftes Königreich. Link ist ein kleiner
Junge, der im Auftrag von Prinzessin Zelda drei
heilige Steine beschaffen soll. Mit diesen wiederum erlangt er Zugang zum Heiligen Reich, wo sich
das Triforce befindet. Allein um es
bis hierhin zu schaffen, sind Spieler
bereits viele Stunden beschäftigt –
zumal Nebenquests für weiteren
Zeitvertreib sorgen. Doch geht das
Abenteuer erst danach richtig los:
Sobald das Heilige Reich geöffnet
wird, greift sich nämlich Fiesling
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 13
» [N64] Mit eurem Pferd Epona überwindet ihr
auch größere Distanzen in kurzer Zeit.
» [N64] Für die Musik war wie in vielen anderen
Zelda-Spielen Koji Kondo verantwortlich.
»Nintendo erschuf eine der bezauberndsten und perfektesten Spielwelten, an der
sich alle 3D-Spiele dieser Art lange Zeit
messen lassen mussten.«
Ganondorf das Triforce und sperrt Link ein. Dieser
Punkt leitet eine dramatische Wendung in der Story ein: Als Link wieder erwacht, sind volle sieben
Jahre verstrichen – unser Held ist nun ein junger
Erwachsener.
Er trifft auf einen der sieben Weisen, deren
eigentliche Aufgabe es ist, das Triforce zu beschützen. Von diesem erfährt er, dass Ganondorf den
von ihm erbeuteten Teil des Triforce dazu eingesetzt hat, Hyrule in Finsternis zu hüllen. Die ganze
Hoffnung des ehemals florierenden Königreichs
liegt nun auf Link, der fünf weitere der Weisen in
von Ganondorf verfluchten Tempeln erwecken
muss. Nur mit Hilfe der sieben Weisen (Nummer
7 ist Prinzessin Zelda) kann er Ganondorf im Heiligen Reich gefangen nehmen und das Königreich
von seiner Herrschaft befreien.
14 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
Einer der intensivsten Momente in Ocarina of
Time ist zweifelsfrei die Szene, in der Link das erste
Mal nach draußen tritt und sieht, was Ganondorf
verbrochen hat. Hyrule wirkt nun plötzlich leblos und
farblos, von dem einst so prächtigen Königreich ist
nicht mehr viel zu erkennen. Es ist ein deprimierender Anblick. Doch Ocarina of Time gelingt es sofort,
den Spieler wachzurütteln und ihn anzuspornen, die
Dinge wieder in Ordnung zu bringen.
Dadurch, dass sieben Jahre seit euren
letzten Reisen durch Hyrule vergangen sind, hat
sich vieles verändert. Die Lon Lon Farm, in der ihr
zu Beginn und auch jetzt euer treues Pferd Epona
findet, gehört einem neuen Besitzer: Talon und
seine Tochter wurden von Ganondorf aus ihrem
Haus verjagt, stattdessen hat nun der hinterlistige
Stallbursche Basil das Sagen. Diese und viele
weitere Änderungen in der Spielwelt nehmen auf
eurer Quest einen immer größeren Teil ein, da
ihr auch stets mit den Auswirkungen eurer Handlungen in der Vergangenheit konfrontiert werdet
beziehungsweise in der Zeit zurückreisen müsst,
um Dinge in der Gegenwart zu verändern.
Das Erbe von Zelda
Trotz des mitten in der Entwicklung angedachten
Plattform-Wechsels und des Schrittes hin zu echter 3D-Grafik übertraf Ocarina of Time weltweit
alle Erwartungen. Langjährige Fans der Reihe
zeigten sich rundum zufrieden. Aus ihrer Sicht
übertraf das Spiel selbst das hoch gelobte A Link
to the Past. Nintendo sprach mit dem Titel zudem
eine ganz neue Zielgruppe an. Wie gut das Spiel
bei der Presse ankam, zeigte die japanische Famitsu: Ocarina of Time war dort das erste Spiel
überhaupt, das sich die volle Punktzahl von 40
Punkten sichern konnte. Die einzigen Nachfolger
bekannter Spielereihen, die bis hierhin eine ähnliche Aufmerksamkeit erlangen konnten, waren
Street Fighter 2 und Mario 64.
Natürlich war auch Ocarina of Time nicht
perfekt. Insbesondere aus heutiger Sicht wirken
einige Elemente veraltet. An einigen Stellen wird
zum Beispiel nicht ganz klar, was der Spieler als
Nächstes machen soll. Hin und wieder sind auch
die Voraussetzungen, um bestimmte Situationen
auszulösen, alles andere als logisch – wenn ihr
etwa zunächst einen ganzen Raum von Fledermäusen säubern sollt, bevor es weitergeht, oder
ihr gleich zweimal kurz hintereinander mit einem
NPC sprechen müsst. Von der Schwimmmechanik
wollen wir gar nicht erst anfangen. Auch an den
berüchtigten Wassertempel denken wir eher mit
Schrecken zurück. Die Schwächen des Spiels waren aber schnell vergessen: Dank der opulenten,
wunderschönen 3D-Grafik, der flüssigen Steu-
THE LEGEND OF ZELDA: OCARINA OF TIME
Die besten Momente aus Ocarina of Time
Die Leser der englischen Retro Gamer teilen mit uns ihre Erinnerungen.
theantmesiter
Bei mir war es der
Moment, als ich das Masterschwert herauszog – und die
Möglichkeit, vom Erwachsenen
zum Kind zu werden.
Lied spielt – das beste Stück aller mich für das gesamte Spiel!
Zeiten! Beeindruckend war auch
StickHead
die Szene, in der der Sensenmann auf dem Pferd aus dem
Als ich auf dem Rücken von
Gemälde herauskommt.
Epona die Lon Lon Farm
verließ, fühlte ich mich wie Steve
sscott
McQueen in Gesprengte Ketten.
Das Beste war das Gefühl
mrmarvelxiii
der Freiheit, wenn man
erstmals die Hylianische Steppe
Ganz klar das Ende: Kein
betritt.
anderes Spiel berührte
mich auf ähnliche Weise. Die MuThe Mask Seller
sik, das Lagerfeuer an der Lon
Lon Farm und die Schlussszene,
Mich berührt jedes Mal
der Abschied von Salia auf in der sich der junge Link und
Zelda noch mal treffen …
der Holzbrücke, kurz bevor Link
den Kokiri-Wald verlässt und in
Budley Moore
sein Abenteuer aufbricht. Sie sind
Ich erinnere mich noch an
zwar beide nur Kinder, doch dieser
einige der Rätsel zurück.
Moment ist einfach toll umgesetzt.
Trotz seiner matschigen Texturen, Wie sehr ich mir immer wieder
den einfachen Charaktermodellen selber in den Hintern hätte treten
können, wenn ich nach Stunden
und dem puristischen Skript
dann auf die eigentlich simple
packte mich die Szene mehr als
jede Full-Motion-Video-Zwischen- Lösung kam. Ein tolles Spiel!
sequenz anderer Spiele dieser Zeit.
Shinobi
learnedrobb
Ich kaufte mir Ocarina of
Time gleich am Releasetag – es sollte aber zehn Jahre
dauern, bis ich es tatsächlich beendete. Rückblickend war es aber
wirklich meine beste Spielerfahrung. Ich alterte gemeinsam
mit Link, und als es zu Ende war,
musste ich fast weinen. Deswegen habe ich das Spiel danach nie
wieder angerührt.
ShadowMan
Der Wassertempel!
Wörter können gar nicht
beschreiben, wie froh ich war,
als ich diesen Dungeon endlich
geschafft hatte.
RetroMartin
Wenn man das erste Mal
Zelda trifft und sie Eponas
Nur eine Szene? Unmöglich! Dann entscheide ich
erung, der großartigen Story, dem Spieldesign
und dem tollen Spieltempo war Ocarina of Time
seinerzeit ein annähernd perfektes Spiel.
Mittlerweile wurde das erste N64-Zelda
gleich mehrere Male neu veröffentlicht. Für
den GameCube erschien Ocarina of Time 2003
zum einen als Teil einer limitierten Collector’s
Edition zusammen mit The Legend of Zelda,
The Adventure of Link und Majoras Mask. Zum
anderen lag der Limited Edition von Wind Waker die Master Quest-Variante mit alternativen
und schwereren Dungeons bei. Besitzer einer
Wii haben zudem über die Virtual Console
Zugriff auf das Original.
Die ultimative Neuauflage kam jedoch im Sommer 2011 für den 3DS auf den
Markt. Nintendo passte hierfür nicht nur die
Grafik für stereoskopisches 3D an, sondern
verbesserte, wo nötig, auch das Gameplay. So wurde der frustige Wassertempel
entschärft. Items wählt ihr auf dem Handheld
etwa über den Touchbildschirm aus. Auch die
Bewegungssteuerung wurde geschickt eingebaut. Wechselt das Spiel in die Egoperspektive,
zielt ihr, indem ihr den 3DS in die Richtung des
entsprechenden Feinds bewegt. Darüber hinaus
enthält die Handheld-Fassung auch den Master
Quest-Modus, der allerdings erst freigespielt werden muss. Solltet ihr danach noch immer nicht
genug haben, legt ihr euch in einem weiteren
Spielmodus gezielt mit den Bossen des Spiels an.
vor dem Fernseher. Der Boss war
so riesig! Der packende Kampf mit
ihm ist einer meiner Favoriten.
Was war ich froh, als ich die erste
Stunde hinter mir hatte, in der
mich die Entwickler noch an die
Hand nahmen. Plötzlich konnte
Zapper
ich überall hingehen. Schon in
der Hylianischen Steppe fühlt sich
Die Atmosphäre von
Ocarina of Time ist einfach alles so wunderbar offen an. Das
großartig. Irgendwann hatte ich es war wohl der erste Schritt hin
zu dem Genre, das wir heute als
so lange gespielt, dass ein neuer
Sandbox-Spiel kennen. Damals
Durchgang zur Routine wurde.
fühlte es sich aber noch neu und
Also setzte ich mir das Ziel, es
ohne zusätzlichen Herzcontainer unglaublich aufregend an.
zu schaffen – und plötzlich hatte
dste
ich eine neue Herausforderung.
Die Szene, in der ich mit
Miketendo
Link nach sieben Jahren
den Tempel verlasse und erkenne,
Es auf einen einzigen Mowelches Unheil Ganondorf mit all
ment zu beschränken, ist
viel zu schwierig. Es ist viel mehr die seiner Zerstörung angerichtet hat,
Summe der vielen tollen Momente. werde ich nie in meinem Leben verOcarina of Time konnte ich erst
gessen. Besser und beklemmender
zur Seite legen, als ich es beendet
hätte die zweite Hälfte des Spiels
hatte – etwas Ähnliches erlebte
nicht eingeführt werden können.
ich seitdem nie mehr. Am meisten
boggyb68
beeindruckte mich, dass es in der
Spielwelt so viel zu erkunden gab.
Ich war vom ersten
Reglan
Moment an gepackt. Ich
erkundete in aller Ruhe das ganze
Bei meiner ersten Begeg- FatTrucker
nung mit König Dodongo
Ich spielte Ocarina of Time Dorf, warf mit Felsen um mich und
saß ich nur noch mit offenem Mund
kurz nach seinem Release. feuerte Link dabei lautstark an…
Z
Mit Ocarina of Time erschuf Nintendo eine
der bezauberndsten und perfektesten Spielwelten, an der sich alle 3D-Spiele dieser Art lange
Zeit messen lassen mussten. Aus heutiger Sicht
gibt es zwar diverse kleinere Schwächen, und
auch die Grafik ist nicht mehr zeitgemäß, doch
darauf kam es bei einem Zelda noch nie an. Ocarina of Time begeisterte seine Spieler früher wie
heute vor allem durch seine packende, emotionale Geschichte und seine zahlreichen unvergesslichen Momente.
» [N64] In Ocarina of Time stellt sich Link immer wieder riesigen Bossgegnern.
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 15
Maniac Mansion
» RETRO-REVIVAL
NIE WIRD’S WAS MIT DER KETTENSÄGE.
»PUBLISHER: LUCASFILM GAMES
» ERSCHIENEN: 1987
»HARDWARE: C64 UND VIELE
ANDERE
Von Jörg Langer
1987 war ich fünfzehn und kannte zwei
coole Leute. Cool fand ich sie, weil sie a)
etwa doppelt so alt waren wie ich, sich b)
dennoch mit mir abgaben und c) meine mit
Abstand besten Raubkopien-Quellen waren.
Der eine war Polizist, der andere arbeitete
als Maschinenbauer oder so. Letzteren besuchte ich gerne mal in der Fabrikhalle, wo
wir dann zu seinem Spind gingen und ich
neue Ware bekam. An einem Herbstabend
nahm er mich mit zu sich nach Hause, drei
Kuhdörfer weiter, weil er etwas Neues
hatte. Ein Adventure, das man mit dem
Joystick steuerte!
Nun kannte ich, erfahrener Spieleexperte, der ich war, natürlich Adventures, von den
Scott-Adams-Zweiwort-Parsern bis zu den beinharten Infocoms, und auch King’s Quest oder
das bombastgrafische Amazon schlummerten in
meiner Sammlung. Aber ein richtiges Adventure, bei dem man die Sätze per Joystick zusammenklickte und zur Objekt- oder Zielauswahl
ganz einfach die entsprechende Stelle anwählte?
Will ich haben, hier sind die Leer-Disks!
So verlief meine erste Begegnung mit
Maniac Mansion, das ich dann am heimischen
C64 vollends in mein Herz schloss: Drei Charaktere aus sieben wählen, alle paar Meter eine Anspielung übersehen (ich war fünfzehn, und mein
Englisch noch ausbaufähig…), hirnzermarternde
16 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
Puzzles und nette Animationen, sogar einige
der ersten Cutscenes der Spielegeschichte im
Wortsinne – es war sonnenklar, dass ich es
mit einem Meisterwerk zu tun hatte. Ein fieses Meisterwerk obendrein: Wer ständig vor
verschlossenen Türen steht und in der Küche
die Kettensäge hängen sieht, dem geht das
Herz auf. Es fehlt ihr zwar das Benzin, eine
typische Adventure-Komplikation, doch das
wird doch wohl zu finden sein. In der Garage
beispielsweise. Oder im Keller?
Maniac Mansion war zwar längst nicht
mein erstes Spiel von Lucasfilm Games, doch
weder Ballblazer noch Rescue on Fractalus
noch Labyrinth hatten mich derart geflasht.
Maniac Mansion war anders, und es legte
nicht nur den Grundstein für zahlreiche weitere Adventures aus dem Hause LucasArts,
sondern definierte über Nacht den Genrestandard neu. Es ist kein Zufall, dass 1987
das letzte Jahr war, in dem der Genreprimus
Infocom noch reine Textadventures herauszubringen wagte, ab Zork Zero versuchte man,
auf den Grafik-Zug aufzuspringen. Doch wer
Spiele wie Maniac Mansion oder die noch
weit populäreren Nachfolger wie Secret of
Monkey Island erstmal gespielt hatte, war nur
noch schwer zum Tippen ganzer englischer
Sätze zu bewegen: LucasArts-Spiele waren
(beinahe) ebenso knifflig, aber schöner, witziger und komfortabler.
Ach so, für die drei oder vier Leser,
die es nicht wissen: Natürlich gibt es gar kein
Benzin in der Maniac Mansion. Die Kettensäge war ein „Red Herring“.
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 17
The Pawn
» RETRO-REVIVAL
EINE HERRLICH SCHRÄGE PARODIE AUF KLASSISCHE FANTASYADVENTURES.
»PUBLISHER: MAGNETIC SCROLLS
» ERSCHIENEN: 1985
»HARDWARE: ATARI ST, AMIGA, PC, SINCLAIR QL,
APPLE II, ATARI, C64, MACINTOSH, ZX SPECTRUM,
SCHNEIDER CPC, ARCHIMEDES
Von Mick Schnelle
Wer wie ich im Jahr 1985 schon stolzer Besitzer eines
Atari ST samt Farbmonitor war und Freunden die
unschlagbaren Vorteile eines 16-Bit-Computers gegen
deren ollen 8-Bit-Schleudern demonstrieren wollte,
hatte ein Problem: Abgesehen vom mitgelieferten
Shareware-Malprogramm Neochrome gab es absolut
nichts, bei dem der Atari seine Muskeln spielen lassen
konnte. Bis dann eine hübsche junge Frau aus England
bei so ziemlich jedem Spielemagazin der Zeit auftauchte und ein Adventure präsentierte, das grafisch
den Weg ins 16 Bit-Zeitalter wies. Die Dame hieß Anita
Sinclair, ihr Spiel The Pawn.
Dass The Pawn zuvor in England für den Sinclair
QL komplett ohne Grafiken erschienen war, wusste
hierzulande kaum jemand. Das spielte aber auch keine
Rolle. Ich wage mal die Prognose: Ohne die wunderschönen Bilder wäre das Adventure wahrscheinlich
komplett untergegangen. Dabei waren die Bilder tatsächlich nur Beiwerk und lediglich an das Textadventure
angeflanscht. Das zeigt sich schon allein daran, dass
man die Bilder gar nicht zu sehen bekommt, sofern man
sie nicht per Maus wie ein Rollo von oben herab nach
unten zieht. Dafür gibt es nicht mal einen Menüpunkt,
das musste man schon wissen – oder man musste eine
Fachzeitschrift gelesen haben.
Das Spiel selbst war eine herrlich schräge
Parodie auf klassische Fantasy-Adventures und die
Leute, die sich mit sowas beschäftigten. Vordergründig
18 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
ging es zunächst nur darum, König Erik dabei zu helfen,
die in seinem Reich Kerovnia drohende Revolte zu
verhindern. Wurden doch just jene Zwerge des Landes
verwiesen, die sich wegen ihres einzigartigen Whiskeys
besonderer Beliebtheit erfreuten. Bemerkenswert war
der von Miss Sinclair und ihren Mannen selbstgebastelte Parser, der recht komplexe Sätze zuließ und dabei die
übermächtig scheinende Konkurrenz von Infocom und
Co. locker abhängte.
Dazu gab es noch weitere technische Schmankerl. Zum einen die schon erwähnte Rollo-Grafik, dazu
frei mit Kommandos belegbaren F-Tasten, ein eingebautes Hilfesystem und die veränderbare Schriftgröße und
Hintergrundfarbe. Kurz und gut: The Pawn bot fast alles,
was sich Freunde des gepflegten Adventures wünschten. Zugegeben, das Rätseldesign war alles andere als
ausgewogen. Manche Aufgaben waren kinderleicht, andere dafür fast unlösbar, wenn man nicht um drei Ecken
dachte. Ich weiß nicht, wie viele Wochen ich daran
herumgetüftelt habe, einen unbeweglich erscheinenden
Fels beiseitezuschaffen. Aber genau das machte ja den
Reiz solcher Spiele aus, über die man vor dem Einschlafen nachdachte und über die man dann in der Schule
oder Uni mit Gleichgesinnten diskutierte.
Der Erfolg von The Pawn sorgte dafür, dass Magnetic Scrolls ihr Adventure für so ziemlich jeden damals
erhältlichen Computer umsetzten. Wer’s heute noch
spielen will, ist bei der Amiga-Version am besten aufgehoben, die die ansonsten gleich gute Atari-ST-Version
durch besseren Sound toppt. Bemerkenswert: Gemalt
wurden die wunderschönen Grafiken mit just jenem
Sharewareprogramm Neochrome, das dem Farbmonitor des ST 1985 als kostenlose Zugabe beilag…
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 19
K L A SSIK E R- CH ECK
SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE
Kyrandia 2
The Hand
of Fate
W
estwood gehörte seit
dem ersten Erfolg
mit Dune 2 zu den
Herstellern, deren
Spiele man praktisch blind
kaufen konnte. Egal ob Echtzeitstrategie, Rollenspiel oder eben
Adventure. Was Westwood
anpackte, stand für Qualität. So
auch die Kyrandia-Reihe, deren
erster Teil noch ein zwar schöner, letztlich aber doch reichlich
biederer King’s Quest-Klon war.
Deutlich mehr Eigenständigkeit
sollte das Team um Firmengründer Brett Sperry mit dem
zweiten Teil erreichen.
Kyrandia 2: The Hand of
Fate ist noch heute ein Adventure,
das jeder, der es einmal gespielt hat,
auf den ersten Blick wiedererkennt.
Schuld daran: Magierin Zanthia, das
erste Pin-up-Girl der Computerspiel-
20 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
branche. Lange vor Lara Croft! Aber
beginnen wir mal brav ganz vorn…
Kyrandia ist in Gefahr. Stück
für Stück verschwindet das Land,
und nur Zanthia kann das Unglück
abwenden. Bis zum Mittelpunkt der
Welt soll die königliche Magierin auf
der Suche nach einem geheimnisvollen Stein reisen. Klingt spannend,
ist spannend und schon die ersten
Schritte mit Zanthia im heimischen
Sumpf ziehen den Spieler in die
herrlich schräge Geschichte, die
durch ihr märchenhaftes Flair
einen eigenen Zauber entwickelt.
Die kesse Zanthia vermag mit
ihren flotten Sprüchen ebenso zu
verzaubern wie durch den Einsatz
ihres magischen Kessels. Wer die
benötigten Zutaten findet und die
richtigen Zauber einsetzt, findet den
Weg durch die fünf Kapitel lange
Geschichte.
Das Problem dabei: Anders
als bei den LucasArts-Adventures
zeigt der Cursor nicht an, wenn
ein untersuchbarer Gegenstand
gefunden wurde. Und durchsichtige Flaschen findet man in der
wunderschön gezeichneten Grafik
ebenfalls nicht sehr leicht. Da es
zudem recht wenige Hinweise
gibt und die deutsche Übersetzung gelegentlich zu Fehlern
neigt, gehört Hand of Fate zu den
kniffligeren Vertretern des Genres.
Aber, und hier zeigt sich die Kunst
eleganter Spielentwicklung, das
stört gar nicht. Gelegentliches
Fluchen gehört zu einem guten
Adventure dazu! Und wer verfällt
der reizenden Zanthia nicht, wenn
sie aufgeregt durch die Gegend
stapft und neben der Rettung der
Welt auch immer auf ein stylishes
Äußeres achtet?
Zu den ganz großen Verkaufsrennern gehörte Hand of Fate
trotz der innewohnenden Qualitäten
nicht. Beim dritten Teil der Reihe
war es dann aus mit der Frauenpower; es spielte wieder der aus
Teil eins bekannte Hofnarr Malcolm
die Hauptrolle. Trotz neuer Grafikengine und tollem Rätseldesign war
Lenhardt
auch Kyrandia 3 Von
nichtHeinrich
der erhoffte
Erfolg. Westwood sollte nie wieder
nach Kyrandia zurückkehren. Wahrscheinlich wartet Zanthia dort heute
noch auf einen wagemutigen (und
modebewussten) Kickstarter.
Von Mick Schnelle
» Mal im Hauskleid,
mal lässig oder
im Yeti-Style:
die Modeschau
der Zanthia
DENK W ÜRDIGE
Stylish auf Fingerschnipp
Man muss nicht lange warten, bis Zanthia zum ersten Kostümwechsel
ansetzt. Schließlich kann die Zauberin von Welt ja unmöglich im Hauskleid zur Weltenrettung antreten! Der geschmackvolle Schlammsumpflook muss dann für das gesamte erste Kapitel reichen, bevor nach
einem rasanten Drachenflug der nächste Wechsel ansteht. Was am
Anfang noch reichlich bieder wirkt, wird im Laufe des Spiels zu einem
immer schnelleren Fashiontrip, in dem Ministrandkleidchen, knappe
Shorts, Schneefraulook und sogar ein fliederfarbener Skianzug nicht
fehlen dürfen. Highlight: das hautenge Yetikostüm.
FAKTEN
KLEINE NERVEREIEN
ZAUBERHAFTE MAGIE
Im Laufe des Spiels wächst einem die Zauberin Zanthia unweigerlich ans
Herz. Das liegt nicht zuletzt an den Kommentaren, mit denen sie oft und
ungefragt die jeweiligen Situationen kommentiert. Und ja, es liegt auch
an den zahlreichen Outfits. Der Spieler ertappt sich des Öfteren dabei,
wie er sich mehr Gedanken über Zanthias Garderobe macht als über die
zu lösenden Rätsel. Dazu kommt das spaßige Ausprobieren immer neuer
Zaubertränke und deren Auswirkungen auf Zanthia und andere Leute.
Zusammen mit der auch für heutige Verhältnisse noch sehr schönen
Märchengrafik entsteht eine einzigartige Atmosphäre.
Ein Kessel Buntes
PUBLISHER: VIRGIN
ENTWICKLER: WESTWOOD
VERÖFFENTLICHT: 1993
GENRE: GRAFIKADVENTURE
Was die
Presse sagte …
Farbcode? Welcher Farbcode?
Bei aller Freude, die es uns auch 2014 macht, mit Zanthia durch die
Lande zu ziehen, hat das Team um Brett Sperry beim eigentlichen Rätseldesign ab und zu etwas geschlampt. So muss man sich den Farbcode
von Glühwürmchen merken, um einen Schatz zu finden. Wer den Code
danach für abgehakt hält und vergisst, wird später niemals den Weg
ins Gasthaus finden. Denn die Rückkehr zu den Glühwürmchen ist ausgeschlossen! Richtig nervig: das Schalterrätsel, das den größten Teil
des vierten Kapitels einnimmt – und das, nachdem man’s gelöst hat,
von einer Trial-and-Error-Passage mit Zaubertränken abgelöst wird.
DIE KAPITEL
DIE ÜBERSETZUNG
Ein wesentlicher Bestandteil im Rätseldesign von Hand of Fate sind die
Zauberspüche, die intelligent eingesetzt werden wollen. Dazu findet
Zanthia immer wieder verloren gegangene Seiten aus ihrem Zauberbuch. Doch die Rezepte wollen entschlüsselt werden: Wenn jeder Ritter
in Schneemänner, Kristallstaub in einen Teddy verwandeln oder aus
rotem Leder fliegende Schuhe machen könnte, wär’s ja einfach! Wer
ein klein wenig aufpasst, entdeckt, dass der Zauberkessel zeitweilig
ein Eigenleben besitzt. Dann fahren Schiffchen darauf herum oder ein
Tentakel schlabbert über die Oberfläche.
PLATTFORM: MSDOS
Kröte mit Stuhlgang
Beim Adventure unerlässlich: eine sehr gute Übersetzung, vor allem, wenn
ein Werk immer wieder mit Wortspielen arbeitet. Leider hatte das Team bei
Kyrandia 2 oft kein glückliches Händchen. So zum Beispiel die Sache mit
der Kröte. Im Original wurde für das Mischen eines wichtigen Tranks ein
„Toad’s Tool“ benötigt. Fand man dann später im Spiel eine Kröte und einen
Hocker, erkannte der Engländer darin leicht „Toad Stool“ und somit den
eigentlich gesuchten Gegenstand. Im Deutschen musste man leider raten,
wo denn ein „giftiger Pilz“ zu finden war. Auch dass aus „Jack“ statt dem
gemeinten „Wagenheber“ ein „Junge“ wurde, war wenig hilfreich.
Kapitelweise neue Welten
Hand of Fate gehört zu den Spielen, die in jedem Kapitel eine völlig neue
Optik präsentieren. Am Anfang gibt’s den heimischen grün-braunen
Sumpf, dann folgt das Festland mit gelben Ähren und einem lauschigen
Seestädtchen. Danach geht’s ins lila-rote Volcania voller Lava. Schließlich reisen wir über die Wolken in eine weiß-blaue Schneewelt samt
Yetihöhle. Und schließlich über einen kunterbunten Regenbogen zum
großen Finale. Allerdings nimmt Zanthia immer wieder Kontakt zu ihrem
Haustier auf, was zu herrlichen Gesprächen und einem zweigeteilten
Bildschirm führt.
Foto: kultboy.com
Symbiose aus Heldin und Spiel
MOMENTE
DIE MODENSCHAU
WIESO EIN KLASSIKER?
SPEEDBALL 2: BRU
TAL DELUXE
Power Play 2/94: 79%
»Die phantastische Geschichte
und die professionelle Präsentation machen den Ausflug
nach Kyrandia zu einer lohnenden und erholsamen Reise.
Für Adventure-Profis wird es
allerdings nur ein Kurztrip.«
(Sönke Steffen)
Was wir denken
Hand of Fate verzaubert heute
noch wie Anno 93. Es ist schon
erstaunlich, wie gut die auf 256
Farben limitierte Grafik immer
noch aussieht. Wer sich an den
zugegebenermaßen pixeligen
Look gewöhnt, hat heute noch
genauso viel Spaß wie damals.
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 21
RETRO-REVIVAL
BORROWED TIME
KILLER AUS HEITEREM HIMMEL
PUBLISHER: ACTIVISION
ENTWICKLER: INTERPLAY
ERSCHIENEN: 1985
GENRE: GRAFIKADVENTURE
HARDWARE: AMIGA, APPLE II, ATARI ST, C 64, PCDOS, MACINTOSH
PREISPROGNOSE: 60 EURO
HISTORIE
Von Anatol Locker
Spieledesignern außerhalb des Roguelike-Genres gilt es
als Todsünde, Spieler ohne Vorwarnung abzumurksen.
Genau das machte Borrowed Time gleich zur freundlichen Einstimmung: Der Spieler schlüpft in die Rolle eines
amerikanischen Privatdetektivs, der kein Geld, aber viele
Fälle und Feinde hat. Kaum hat er sein Büro verlassen,
steht er zwei schießwütigen Killern gegenüber.
Wer auf der anschließenden, zehn Spielschritte dauernden Flucht auch nur einen falschen Zug macht, wird von
Kugeln durchsiebt und lädt fluchend den letzten Spielstand
(und das dauerte früher richtig lange!). Sprich: Borrowed Time
war fies. Und zwar richtig. Allein die Anfangssequenz würde
also ausreichen, es heutzutage in die Ecke zu pfeffern. Wieso
erinnere ich mich dann trotzdem so gern daran?
Ganz einfach: 1985 war man noch nicht verwöhnt,
und Interplays Abenteuerspiel war für seine Zeit extrem gut
aussehend. Wer ausgefeilte Geschichten mit knackigen Rätsel
genießen wollte, griff zu Infocoms bildfreien Textabenteuern.
Grafikabenteuer dagegen litten aufgrund der Speicherknappheit oft unter einer zu simplen Story und Spielmechanik. Ein
„Illustrated Text Adventure“ wie Borrowed Time, das Augenpulver bei Bedarf von Diskette lud, war geradezu revolutionär;
ein angenehmes Zwischending zwischen der spielerischen
Tiefe eines Textadventures und den aufkommenden Grafikadventures (Maniac Mansion erschien erst zwei Jahre später).
Die Grafiken waren sogar animiert! Da hüpft neckisch ein
Telefonhörer auf der Gabel oder ein Killer schlägt eine Scheibe
ein. Auch das Interface war seiner Zeit voraus: Klickbare Kompassrose, Wort- und Gegenstandliste und Mausbedienung
(na ja – via Joystick). Legend Entertainment entwickelte dieses Interface mit der Spellcasting-Serie zur Perfektion – aber
eben erst ab 1991.
Sofern ich die Anfangshatz überlebte, musste ich als
Privatdetektiv sieben fein konstruierte Minikrimis lösen. Und
das in schönster Film-Noir-Manier: Hier hat Interplay kräftig,
aber gekonnt bei Raymond Chandler, Rex Stout und Dashiell
Hammett geklaut. Borrowed Time war nicht kompliziert („Gib
dem Hund den Knochen“), bot aber schon auch ein paar
knackigere Puzzles. Manchmal tauchte aus heiterem Himmel
ein Killer auf, sodass man wieder fluchend den letzten Spielstand lud. Die nette Detektivgeschichte stammt übrigens von
niemand Geringerem als Brian Fargo. Er hatte gerade Interplay
gegründet und einen Deal mit Activision über drei Adventures
abgeschlossen. Mindshadow war das erste Spiel, dann folgte
Borrowed Time, und Tass Times in Tonetown beendete die
Serie. Anschließend schrieben Brian Fargo und Kollegen mit
Wasteland und The Bard’s Tale Spielegeschichte – das ist aber
schon wieder eine andere Story. Die erzähle ich euch dann
vielleicht ein andermal.
22 | RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 23
Making Of
Ambitioniert, technisch
verblüffend, unglaublich kostspielig und
nie vollendet: Retro Gamer ergründet,
wieso Shenmue trotzdem und selbst
heute noch so viele treue Fans hat.
E
s gibt einige Spiele, die als
Triumph des Spieldesigns,
als Meilenstein des Fortschritts, als ungeheuer tief
und gleichzeitig spielenswert gefeiert
werden. Doch nur wenige dieser Ausnahmetitel waren gleichzeitig mit
derartigen Problemen behaftet wie
Shenmue. Und wenige andere Ausnahmespiele werden noch heute so
von ihren Fans verehrt. Während seiner Entwicklung überlebte die Reihe
zwei Konsolen, häufte enorme Produktionskosten an und baute sich eine treue Fanbasis auf, die nun schon
mehr als eine Dekade überdauert.
Wie viele Shenmue-Fans sicher
wissen, basiert die Entstehung der
Serie auf einer anderen Marke des
internen Sega-Studios AM2. Geplant
war das Spiel als RPG-Erweiterung im
Virtua-Fighter-Universum auf dem Sega
Saturn. Das zeigt sich nicht nur an den
Charaktermodellen, sondern auch direkt
im Quellcode. Yu Suzuki veranlasste sogar, dass die Bezeichnung im Code für
Held Ryo, auch im fertigen Spiel, das
Kürzel AKIR (als Kurzform von Akira,
einer Figur aus Virtua Fighter 2) behält.
Zwar ist es schwer zu sagen, wann
genau aus dem Spin-off Shenmue
wurde, der Zeitraum lässt sich aber auf
die letzten Wochen der Entwicklung
für das Saturn oder die Anfangszeit der
Dreamcast-Entwicklung eingrenzen.
In der Tat ist es nicht leicht, sich beim
Anblick früher Bilder von Ryo ein Lächeln zu verkneifen – die Ähnlichkeit zu
Akira ist immens. Auch in einem Video
einer frühen Version des Spiels für den
Saturn, das der Dreamcast-Veröffentlichung von Shenmue II beilag, lassen
sich die Parallelen nicht leugnen.
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Doch trotz des Fortschritts, den das
Spiel in den zwei Jahren auf dem Saturn
machte, konnte das Unheil nicht mehr
abgewendet werden: In Nordamerika
verkaufte sich das Saturn nur schleppend, die Entwickler taten sich mit der
Hardware schwer und der Support von
Sega of America versagte. Die Arbeiten
an der Saturn-Version von Shenmue
kamen ins Stocken. Eins war klar: Falls
Shenmue jemals das Licht der Welt
erblicken sollte, dann auf einer anderen
Plattform. Zum Glück hatte Sega genau
diese schon in der Hinterhand...
Das war der Startschuss für Project
Berkley, der Codename für Shenmue
in der Frühphase vor dem DreamcastLaunch. Immer noch lassen sich
viele Videos mit Techdemos zu Project
Berkley im Internet finden. Besonders
interessant ist das Alter der Demos,
das darauf hindeutet, dass Shenmue
eines der ersten Entwicklungsprojekte
für die Dreamcast überhaupt war. Der
Codename haftete für lange Zeit an
dem Projekt. Sogar auf der Teaser-Disk,
die dem japanischen Launchtitel Virtua
Fighter 3tb beilag, war von Project
Berkley die Rede.
Es mag zwar verlockend sein, einen
Großteil der horrenden Entwicklungskosten auf die Probleme während der
Saturn-Phase und den anschließenden
Hardware-Wechsel zu schieben – das
wäre aber nur die halbe Wahrheit. Denn
trotz des Wechsels auf die programmierfreundlichere Dreamcast gab es bei
Sega keinen Grund zur Freude. Allein
die Kosten für die Arbeitskräfte und die
Organisation einer solchen Unternehmung sind gewaltig. Als wir den Lead
Systems Programmer Tak Hirai zu seiner Rolle in der Entwicklungsphase von
FAKTEN
PUBLISHER: SEGA
ENTWICKLER: SEGAAM2
PLATTFORM: DREAMCAST
ERSCHIENEN: 1999
GENRE: ACTIONADVENTURE
PREISPROGNOSE: 20 EURO
Shenmue befragen, erläutert er: „Ich
war für die Organisation eines Teams
von 87 Programmierern verantwortlich. Zusätzlich hatte ich grundlegende
Entscheidungen über die Eigenschaften
des Spiels zu treffen. Ein derart großes
Team zu managen ist ein Albtraum.
Hätte ich mit jedem einzelnen Mitarbeiter nur zehn Minuten täglich sprechen
wollen, hätte mich das jeden Tag 14,5
Stunden gekostet.“
Auch zu seinem eigenen Programmierpensum äußert sich Tak Hirai:
„Ich wurde nicht nur mit dem Aufbau
der Entwicklungsumgebung, sondern
mit der Erstellung eines elementaren
Grundgerüsts für die Systemprogrammierer beauftragt. Darüber hinaus
war ich für das Charaktersystem, die
Render-Pipeline, das Lichtmodell und
die Performance-Optimierung zuständig. Ich habe mir meine Hände mit der
Programmiersprache SH4 Assembly
schmutzig gemacht, um wirklich alles
aus der Dreamcast rauszuholen. In
meiner Freizeit kümmerte ich mich
dann noch um kleine Details in den Zwischensequenzen, wie zum Beispiel die
physikalische Simulation von Telefonkabeln, die Ketten an den Handschellen
im zweiten Kapitel oder den Lichtkegel
von Autoscheinwerfern. Am Ende kamen ungefähr 200 der insgesamt mehr
als 300 Quelldateien von mir.“
Aus heutiger Sicht ist es ein Wunder,
dass das Projekt nach dem Motto „koste es, was es wolle“ durchgeprügelt und
schließlich fertig wurde. Und obwohl es
noch andere Spiele in dieser Ära gab, die
eine ähnlich aufwendige Story hatten,
fällt uns kein anderer Titel ein, der derart
viele aufwendige Spielmechaniken in
sich vereinte. Mit einem Team dieser
MAKING OF... SHENMUE
RETRO GAMER SPEZIAL 1/2015 | 25
Making Of
SHENMUE
Die Schlüsselfiguren
in Ryos Abenteuer in Yokosuka
Nozomi ist Ryos Freundin aus
Kindheitstagen. Die gelegentliche
„Jungfrau in Nöten“ ist für die Liebesgeschichte des Spiels zuständig.
Obwohl ihre Eltern nach Kanada
zogen, blieb sie in Japan. Gewöhnlich
arbeitet sie im Blumenladen ihrer
Großmutter. Von allen Charakteren
ruft Ryo sie am häufigsten an.
Fuku-san ist ein ehemaliger Schüler
von Iwao Hazuki, in dessen Wohnung er seit jungen Jahren lebte.
Im Spiel wird er oft als tollpatschig
und sozial unbeholfen dargestellt,
mitunter dient er auch als lustige
Abwechslung. Trotz einiger weniger
Fehltritte, die Ryo das Leben
erschweren, ist er extrem loyal und
wie ein Bruder für Ryo.
Gui Zhang ist der Sohn und Schüler
des Antiquitätenhändlers und
Kampfkunst-Meisters Chen. Obwohl
Ryo und Gui Zhang einen holprigen
Start haben, werden sie zu engen,
wenn auch unkonventionellen Freunden. Ihre wachsende Freundschaft
stellt die stärkste Charakterentwicklung in Shenmue 1 dar.
Mark ist ein Kollege Ryos am Hafen
und für seine Gabelstapler-Fahrstunden zuständig. Eigentlich kam er zum
Hafen, um dort seinem vermissten
Bruder nachzuspüren. Das führt zu
einigen sehr emotionalen Szenen mit
Ryo. Zwar wurde er als Charakter oft
übersehen, aber die dritte Disk (und
damit Spielabschnitt 3) wäre ohne
ihn nicht dieselbe.
Lan Di ist der Antagonist der Serie.
Er ist verantwortlich für den Tod von
Iwao Hazuki und das Ziel von Ryu auf
seiner Suche nach Rache. Im Laufe
des ersten Shenmue bleibt er ein
Mysterium. Außer seiner Verbindung
zu den Chi You Men, seiner Gier nach
den Spiegeln und seiner Brutalität ist
nur wenig ist über ihn bekannt.
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Größe, das auch noch mit diversen
Unterprojekten beschäftigt war, bedurfte
es einer geradezu märchenhaften Organisation – und zwar nicht nur bei der
Einteilung der Mitarbeiter, sondern auch
bei der Struktur des Programmcodes.
Hirai verrät uns seine damalige
Strategie: „Die Programmierabteilung
war grob in zwei Bereiche aufgeteilt. Das
erste war die Systemprogrammierung.
Die anderen Gruppe erstellte die GameEvents, die durch die Skriptsprache
ausgelöst wurden. Die Funktionen, die
mit Ingame-Events verknüpft waren, legten wir klar fest, damit ein Update einer
einzelnen Komponente keine negativen
Auswirkungen auf die Programmstruktur
hatte. Um die Effektivität in unserem
großen Team zu erhöhen, arbeitete jeder
von uns mit Objektdateien, die vom
Quellcode unabhängig waren. Ich hielt
es für lächerlich, dass 87 Leute ihre Zeit
mit Kompilieren verschwenden müssen,
sobald jemand eine Kleinigkeit am Quellcode änderte.“
Doch so hoch auch der Aufwand war,
so wichtig war es auch, die hinter Shenmue beabsichtigte Vision zu verstehen:
„Wir investierten unglaublich viel Zeit in
Features, die für den Spieler unsichtbar
sind“, führt Hirai fort. „Wenn das Spiel
auf euch natürlich wirkte und nichts unrealistisch rüberkam, dann lag das daran,
dass wir trotz der für damalige Verhältnisse begrenzten Hardware-Power viel
Zeit für subtile Details aufwendeten.
Gerade bei Wettereffekten kommt es
auf Leistung an, daher war deren Optimierung besonders wichtig.“
Alle 300 NPC (Nicht-Spieler-Charaktere) wurden einzeln in der Spielwelt
verteilt. Solange alles harmonierte, führte
dass dazu, dass sich die Entwickler nicht
um Kollisionen zwischen den NPCs
kümmern mussten, und Rechenzeit
sparten. Doch wenn der Spieler einem
NPC in den Weg kam und dieser ausweichen musste, wurde plötzlich alles
zunehmend komplizierter. Es war schier
unmöglich, eine (in der echten Welt
triviale) Situation aufzulösen, wie etwa
einen „vom Weg abgedrängten“ NPC
direkt vor eine Tür zu stellen.
Gegenüber jüngeren Spielern ist es
schwer zu erklären, wie großartig die
Offene-Welt-Features von Shenmue
zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung
waren. Voller Ehrfurcht beobachteten wir
die schwimmenden Fische im Koi-Teich
oder Ryos Schatten, der seine Position
passend zur Tageszeit änderte. Obwohl
vieles von dieser Weltsimulation für
den Spieler gar nicht zu sehen war, war
sie doch zu spüren. Wir verbrachten
beispielsweise Ryos Mittagspausen
oft damit, Vögeln nachzulaufen. In
jedem anderen Spiel wäre nichts weiter
passiert, aber in Shenmue flogen sie
realistischerweise weg, sobald wir uns
ihnen näherten.
Aber auch ein Epos wie Shenmue
blieb während seiner Entwicklung
nicht davon verschont, dass einige der
» [Dreamcast] Ob ihr sie liebt oder hasst, QuickTime-Events hatten einen Stammplatz in der Shenmue-Reihe.