Illustration aus Hamburg

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Illustration aus Hamburg
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Illustration aus Hamburg
Die BuchiIllustration hat im Studiendepartment Design der HAW Hamburg
einen besonderen Stellenwert, der sich in einer in Deutschland einzigartigen Konzentration in der Ausbildung und im Engagement der Lehrenden
begründet. Ich möchte an dieser Stelle vor allem Prof. Rüdiger Stoye dafür danken, dass er über Jahre mit großem Energieaufwand eine intensive
(Einzel-)Betreuung der Studenten betrieben und dabei das Ziel einer hohen künstlerischen Qualität der Arbeiten mit Nachdruck vertreten hat. Er
hat sich mit immensem Fachwissen, einfühlsamemWitz und starker persönlicher Beteiligung für eine künstlerisch anspruchsvolle Bilderbuchillustration eingesetzt und sich auf seine unnachahmlich humorvolle und
herzliche Art um seine Studenten gekümmert, sie gefordert und gefördert.
»Stoye - Studenten« haben viele Preise gewonnen und Auszeichnungen erhalten. Viele herausragende Bilderbuchillustratoren sind aus seinem Kurs
hervorgegangen. Er hat die »Hamburger- Bilderbuchillustration« zu einer
wichtigen Adresse in Deutschland und Europa gemacht.
Zur Philosophie der »Hamburger Illustration« gehört es, dass man kein
kühles Hörsaalstudium oder ein Abarbeiten von Aufgaben will. Man ist
eher eine Art große Familie, in der es darum geht, durch gemeinsame Aktionen und sehr individuelle Betreuung die künstlerische Persönlichkeit
jedes einzelnen Studenten zu fördern.
Ein breiter künstlerischer Grundlagenunterricht ist das Fundament, auf
dem unsere Illustration aufbaut. In den Zeichen- und Malkursen geht es
darum, künstlerische Arbeits- und Sichtweisen kennenzulernen. Wir haben im Rahmen der aktuellen Studienreform entschieden, dass künstlerische Fächer auch im künftigen Bachelorstudium einen hohen Stellenwert
in der Ausbildung behalten werden. Es wurde die Möglichkeit geschaffen,
dass die Studierenden während des gesamten Studiums auch in Zukunft
ein künstlerisches Fach belegen können und müssen. Dies wurde im neuen
Studienplan fest verankert.
Im letzten Semester wurde das Fach Illustration offiziell neben dem Fach
Zeichnen in das Stellenprofil von Frau Prof. Anke Feuchtenberger aufgenommen. Damit hat die Studienrichtung Illustration 4 Professoren für »Illustration und Zeichnen« zu bieten. Das wird im Bundesgebiet von keiner
anderen Hochschule angeboten. Wir erhoffen uns durch diesen Schritt
eine größere Flexibilität bei der Verteilung der Lehre und größere Attraktivität für zukünftige Studienbewerber.
Mit dem Forschungsschwerpunkt »Nachhaltige ästhetische Kommunikation«, betreut von Prof. Anke Feuchtenberger, Prof. Schulz-Schaeffer und
mir, arbeitet der Studiengang Illustration und Kommunikationsdesign
zum ersten Mal in einem umfassenderen Forschungsprojekt. Wir beschäftigen uns in diesem Rahmen zunächst unter dem Stichwort »Public Understanding Of Science« mit der Frage, wie wir Wissenschaft einer breiten
Öffentlichkeit visuell näher bringen können. Durch Vermittlung von Prof.
Schulz-Schaeffer besteht dafür auch ein Kooperationsvertrag mit der Zeitschrift »Stern«. Parallel nehmen wir die Forschungsprojekte unser eigenen
Hochschule, der HAW-Hamburg, zum Thema. Das Ergebnis wird in einem
Kalender veröffentlicht werden.
Wir wollen im Anschluss daran die Rolle ästhetischer Kommunikation und
ihre nachhaltige Wirkung im Kindesalter untersuchen. Die Pisa Studie hat
vor allem eine eklatante Lese- und Verständnisschwäche der deutschen
Schüler ermittelt. Mit Bilder-, Kinder-, Jugend-, Schul- und Sachbüchern
sind unsere Studierenden die zukünftigen Gestalter der ersten kindlichen
Seh- und Leseerfahrungen mit dem Medium Buch. Uns beschäftigt die
Frage, welche gesellschaftliche Verantwortung uns und den Verlegern aus
diesen Tatsachen erwächst?
Seit der ersten Teilnahme 1990 bei dem Wettbewerb »Figures Future« der
französischen Kinder und Jugendbuchmesse in Montreuil/Paris ist die
»Ham­­­burger Illustration« ununterbrochen »Beste teilnehmende Hochschule« von weltweit bis zu ca. 340 teilnehmenden Kunst- und Designschulen. So auch in diesem Jahr.
Unsere Studierenden gewinnen viele Preise und Auszeichnungen. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang , dass mit Sonja Bougaeva und
Aljosha Blau zwei ehemalige »Stoye-Schüler« für den Jugendliteraturpreis
2006 nominiert worden sind, dass Tobias Krejtschi den Wettbewerb zum 40jährigen Jubiläum des renommierten Peter Hammer Verlages gewonnen
hat, dass Arne Bellstorf für seinen Comic »acht, neun, zehn« mehrere Preise erhalten hat, und dass Anne-Kathrin Ahrens mit ihrem Diplom für den
Adobe Achievement Award nominiert worden ist.
Wir werden uns weiterhin bemühen, die künstlerische und konzeptuelle
Qualität der Illustrationen auf hohem Niveau zu halten und gleichzeitig
neue Formen der Illustration zu entwickeln. So begehen wir zur Zeit mit
den 3D-Illlustrationen und Animationen im Bereich der Informativen Illus­
tra­tion neue Wege, was den Studenten neue berufliche Betätigungsfelder
eröffnen wird. Unsere Studierenden werden hoffentlich am Ende Ihres Studiums sagen können: »Ich habe viel gelernt und es hat Spaß gemacht.«
Prof . Bernd Mölck-Tassel (Leiter des Departments Design)
Buchillustration
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Anke Feuchtenberger
Diplom: 2005
Technik: Tusche, digital (Photoshop)
Thema: Comicerzählung (graphic novel)
Kontakt: mail@bellstorf.com
Arne Bellstorf
»acht, neun, zehn«
Nichts ist beunruhigender als eine ruhige Jugend. Warum will immer gerade dann nichts passieren, wenn man sich am meisten danach sehnt? Wenn
man das Gefühl hat, an der einzigen Haltestelle im Ort auf den Bus zu warten, von dem man gar nicht genau weiß, ob er überhaupt noch kommt. Man
kann es kaum erwarten, dass das Leben endlich anfängt, einen so ernst zu
nehmen, wie man sich selbst. Und trotzdem versucht man, dabei so gleichgültig wie möglich zu wirken. Das ist die größte Herausforderung.
Christoph Bachmann, der Protagonist meiner Bilderzählung, muss die
zehnte Klasse wiederholen. Der Sommer ist bald vorbei, der erste Tag des
nächsten Schuljahrs rückt näher. Ereignislos verstreichen die letzten Ferienwochen, die Christoph mit seiner Mutter allein zuhause verbringt. Aber
dann weckt ein Mädchen, das in einer Gärtnerei arbeitet, sein Interesse –
die erste Begegnung zwischen den beiden verläuft vielversprechend. Plötzlich kommt Farbe in sein Leben…
Im Mittelpunkt der grafischen Erzählung »acht, neun, zehn« steht ein
männlicher, etwas spät pubertierender Jugendlicher – scheinbar ziellos,
eher verschlossen, in sich gekehrt und mit einer Körperhaltung, die das
pubertäre »Sich-hängen-lassen« auch in die äußere Erscheinung überträgt.
Das Innenleben von Christoph Bachmann lässt sich nur an seiner Gestik
und Mimik ablesen; die gefühlte Enge und der Stillstand vor dem bürgerlichen Hintergrund einer Vorortsiedlung, der keine existenzielle Not sichtbar macht, lässt Christoph sprach- und antriebslos zurück. Das Warten auf
einen Wendepunkt und darauf, daß das Leben endlich mit großen Schritten
vorwärts geht, wird für ihn zur Unerträglichkeit. Nichts verheißt für Christoph eine Entwicklung nach vorn, die trägen Sommertage ziehen ereignislos an ihm vorüber. So ziehen sich die Motive Stillstand und Wiederholung
wie ein roter Faden durch die Erzählung und vermitteln Grundstimmung
und Empfinden der Hauptfigur.
»Es ist eine erzählerisch und grafisch bemerkenswert reife Arbeit geworden:
ein Comic über die Pubertät, der die Lächerlichkeit und den ganzen Ernst
dieser körperlich wie geistig auf die Umwelt so abstoßend wirkenden Ent­
wicklungsphase in klarem Stil kristallisiert.« (J. Balzer, Berliner Zeitung)
96 Seiten, (ISBN 3-931377-98-9) EUR 13,00
Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Rüdiger Stoye
Diplom: 2006
Technik: Digital colorierte Bleistiftzeichnungen mit plastischen Elementen
Thema: »Von dem Breikessel« – Ein Bilderbuchprojekt nach einem Märchen Kontakt: claudia.carls@gmx.de
Claudia Carls
»Von dem Breikessel « – Ein Bilderbuchprojekt nach einem Märchen
Der Text, der meiner Diplomarbeit zu Grunde liegt, ist ein relativ unbekanntes niedersächsisches Märchen mit dem Titel »Von dem Breikessel«,
aufgeschrieben im Jahr 1854. Es ist ein Text mit vielen märchentypischen
Verrücktheiten und seltsamen Wendungen, der in der Gestaltung der Bilder viel Freiraum lässt, aber ohne eine ebenfalls märchentypische Moral
auskommt. Die Erzählung handelt von einem Mädchen, im Text nur »Müllerstochter« genannt, das während einer Hungersnot seinen Eltern verlorengeht, als die sich um die letzte Mahlzeit streiten. Auf Empfehlung einer
Fee stellt sich das Mädchen auf dem Königsschloss vor und beeindruckt
die Königsfamilie mit einigen Lügengeschichten und einem beachtlichen
Selbstvertrauen so sehr, dass sie am Ende den Prinzen heiraten darf. Diese
Geschichte erzähle ich auf zwölf ganzseitig illustrierten Doppelseiten mit
dem Format 22 cm mal 28 cm (aufgeklappt 56cm).
Auf der Suche nach einer Geschichte, die ich im Diplom bearbeiten wollte,
hatte ich mich nicht von Anfang an auf Märchentexte festgelegt, dennoch
erschien mir diese Art der Erzählung am besten zu dem Illustrationsstil zu
passen, den ich vor Augen hatte. Dieser Stil beinhaltet Photos plastischer
Elemente, die digital mit feinen und detailreichen Bleistiftzeichnungen
kombiniert werden. Die in der Geschichte auftretenden Personen werden
alle aus einer tonähnlichen Masse modelliert, angemalt und abfotografiert – für das zwölf Doppelseiten umfassende Bilderbuch entstanden so
25 einzelne Figuren, etwa 12 bis 15 cm groß, von denen 10 die Hauptfigur
(»Müllerstochter«) in verschiedenen Haltungen zeigen. Alles andere, z.B.
Landschaft, Hintergründe, Tiere, Pflanzen, Gebäude, ist mit dem Bleistift
gezeichnet, anschließend eingescannt und ausschließlich digital coloriert.
Der Grund, warum ich die Bilder nicht vollständig gezeichnet habe, besteht
darin, dass ich die feine, traditionelle Stilistik der Bleistiftzeichnungen mit
den moderneren, dreidimensionalen Einschüben durchbrechen wollte.
Auf diese Art hat der überlieferte Text einen historischen Bezug in den Illustrationen, dennoch beinhaltet die Technik ein verwirrendes und ungewohntes Element: als würden Schauspieler vor einer gemalten Kulisse ihre
Geschichte erzählen.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Rüdiger Stoye, Prof. Jovica Veljovi�
Diplom: 2005
Technik: Bleistift auf Papier
Thema: Es war finster Kontakt: einar.turkowski@web.de
Einar Turkowski
»Es war finster…« – ein Bilderbuch
Die Geschichte: Merkwürdig finster und still ist es, als ein Mann sein Schiff
auf eine Insel treiben lässt, es dort festzurrt und ein verlassenes Haus am
Dünenrand bezieht. Grund genug für die misstrauischen Bewohner eines
nahegelegenen Städtchens, den Mann von ferne zu beobachten, denn sicher
ist, dass hier etwas nicht stimmt. Tatsächlich geschehen bald merkwürdige
Dinge bei dem einsamen Haus. Stäbe ragen aus der Erde, mit Gegenständen darauf. Einige Fische hängen an einer Leine, andere stecken mit ihren Köpfen im Sand. Die Stadtmenschen zerspringen fast vor Neugier, ihre
Observationstechniken werden immer skurriler und umfangreicher, denn
sie wollen unbedingt wissen, was dort unten vor sich geht. Aber anstatt hinzugehen und ihn zu fragen, verstecken sie sich lieber in ihren Gassen und
verbreiten üble Gerüchte. Auch seine Fische verschmähen sie, als er ihnen
welche zum Verkauf anbietet.
Als einige der Bewohner überhaupt nicht mehr ins Bett gehen, um die ganze Nacht Wache halten zu können, finden sie endlich heraus, dass der Mann
die Wolken einfängt, um sie dann abregnen zu lassen. Von der Ahnung ge-
trieben, es könne sich hierbei um ein gutes Geschäft handeln, fangen die
Stadtmenschen sofort an, es dem Wolkenfänger nachzumachen – erfolglos.
Das Misstrauen und der Ärger wachsen und schließlich soll der Mann verjagt werden. Doch als sie ihm ein Schreiben überbringen wollen, welches
ihm die Aufenthaltsgenehmigung untersagt, finden sie das Haus bereits
verlassen. Voller Eifer und das prächtige Geschäft mit den Fischen in ihren Köpfen, ziehen alle in das Haus am Strand. Doch auch beim zweiten
Versuch will ihnen das Wolkenfischen nicht gelingen. Stattdessen geschieht
etwas, mit dem sie nicht gerechnet haben…
»Es war finster…« ist ein Bilderbuch, das in seiner aufwendigen Bleistifttechnik über die Dauer von fast drei Jahren entwickelt wurde. Sowohl die
Geschichte als auch die gesamte übrige Buchgestaltung stammen von Einar
Turkowski. Das Buch mit seinen surrealen und detailverliebten Bildwelten
wurde Ende 2005 in einem aufwendigen Duplexverfahren beim AtlantisVerlag veröffentlicht.
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Studiengang: Illustration und Kommunikationsdesign
Begleitung: Prof. Rüdiger Stoye, Prof. Stefan Schabenbeck
Diplom: 2006
Technik: Mischtechnik (Bleistift, Buntstift, Aquarell, Acryl, Tee)
Thema: Gute Nacht, oder: Der lange Weg ins Bett.
Kontakt: jenny.brosinski@web.de / www.jennybrosinski.com
Jenny Brosinski
Gute Nacht, oder: Der lange Weg ins Bett.
Als Thema meiner Diplomarbeit wählte ich das Gedicht »Gute Nacht, oder:
Der lange Weg ins Bett« von Frantz Wittkamp. Zu meiner Arbeit gehörte
die Entwicklung einer eigenen Schrift und einer Bilder- und Figurenwelt,
die dem Gedicht nichts nimmt, ihm aber auch in Nichts nachstehen sollte.
Ich hielt es für wichtig, nicht ausschließlich das Beschriebene darzustellen,
sondern die vom Text gelieferten Ideen in Nebenszenarien weiterzudenken. So hat der Betrachter die Möglichkeit, bei einem zweiten, dritten oder
gar vierten Anschauen neue Details zu entdecken, die ihn auf dem Weg
durchs Buch begleiten.
Auch schien es mir wichtig, die Wirkung des Gedichtes mit der Wahl der
richtigen Technik zu unterstreichen. Da es sich hierbei um Schüttelreime
handelt, die Frantz Wittkamp selbst als »Findlinge« bezeichnet, bot sich ei­
ne nicht zu feste, spielerische Art der Umsetzung an. Ich zeichnete meine
Figuren und Parallelgeschichten in dünnen Bleistiftlinien und färbte die­se
mit einem Materialmix aus Aquarell, Buntstift,Acryl und schwarzem Tee ein.
Die Stimmung der Schrift unterstreicht die Leichtigkeit des Textes und der
Bilder, die Buchstaben, die handschriftlich geschrieben und später digitalisiert wurden, entstanden im Kurs von Prof. Jovica Veljovic, der mein Diplomprojekt ebenfalls bis zur Prüfung begleitete. Mein Diplom wurde im
Februar 2006 bei Atlantis/Orell Füssli Verlagsgruppe veröffentlicht.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Yoram Merose, Prof. Jochen Tensfeldt, Frau Ursula Trams
Diplom: 2006
Technik: Lambdaprints auf Duratrans, Siebdruck auf Tyvek, Video (Animation über Final Cut)
Thema: Aids
Kontakt: kilianfoerster@web.de
Kilian Foerster
Positiv & Negativ
Meine fotografische Diplomarbeit �Positiv & Negativ� ist die Suche nach
neuen und eindringlichen Ideen und Darstellungsweisen zum Thema Aids.
Gerade bei AIDS lässt sich exemplarisch zeigen, wie sich die Gesellschaft
gegenüber existentiellen Fragen (Liebe/Tod) verhält.
Die Arbeit ›Positiv & Negativ�, ebenso wie andere von mir schon zu diesem
Thema erstellte und ausgestellte Arbeiten, ist nicht so sehr als »Präventionskampagne« zu verstehen, sondern hat vielmehr zum Ziel, die Stigmatisierung von HIV positiven Menschen in der Öffentlichkeit in Frage zu
stellen. Das Thema Aids ist in den Medien und der Kunst schon vielfältig
behandelt und dargestellt worden und gerade deshalb reizte es mich, nach
eigenen Ideen zu suchen. So sehr ich auch die fotografischen Arbeiten von
Oliviero Toscani zum Thema Aids schätze; ich zweifle, dass der beabsichtigte Schock seiner Fotografien noch die erhoffte Wirkung beim Betrachter
heutzutage hat.
Das Positiv und das Negativ sind in der Fotografie untrennbar miteinander
verbunden. Man könnte auch von einer Symbiose sprechen. Dieser Umstand hilft mir bei meiner fotografischen Arbeit zum Thema Aids. Das Blut
als Lebensstoff an sich, schließlich ist es Träger vom Sauerstoff im menschlichen Körper, wird durch die Infektion mit HIV-Viren als Bedrohung und
Gefahr empfunden. Im Videotrailer wird das Bildmaterial noch zusätzlich
durch das von mir mittels Ultraschalldiagnostik aufgenommene Blutflußgeräusch verstärkt.
Die Präsentation meiner mikroskopischen Aufnahmen von Blut in Leuchtkästen, die an Brillianz und Farbintensität einem Papierprint deutlich
über­legen sind, nimmt direkt Bezug zum Thema Aids. Positiv und Negativ
gehören zusammen und verbinden sich, die Stigmatisierung von HIV-Positiven wird in Frage gestellt. Zusätzlich mit »Positiv & Negativ« präsentiere
ich noch zwei Großplakate aus Tyvek, auf denen das »red ribbon« grafisch
verändert wird.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Klaus Waschk
Diplom: 2004
Technik: Acryl
Thema: Sexarbeit – Eine Portraitserie
Kontakt: masamif@web.de
Masami Fischer
Sexarbeit – eine Portraitserie
In einem privaten SM-Studio traf ich auf drei junge Frauen wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Drei selbstbewusste Frauen, die ihre bürgerlichen Berufe aufgegeben haben, um in dem ältesten Gewerbe der Welt
als Domina, Sklavin und Switcher ihr Geld zu verdienen. Sie haben ganz
bewusst die Sexarbeit als Tätigkeit mit vielen Vor- und wenigen Nachteilen
gewählt. Sie entscheiden selbst, welche Dienstleistungen sie ihren Gästen
anbieten, wie oft und an welchen Tagen sie arbeiten und den Großteil ihrer
Einnahmen behalten sie für sich. Keine von ihnen ist gezwungen, körperliche oder emotionale Grenzen zu überschreiten. Sadomasochismus leben
zwei von ihnen auch privat, während die Dritte es sich nicht annähernd vorstellen könnte, SM-Praktiken auch in ihre private Beziehung miteinzubeziehen. Es wird natürlich trotzdem zwischen privatem und beruflichem SM
unterschieden. Während Tanja die Sexarbeit als Auszeit von ihrem »nor-
malen« Beruf betrachtet, ist für Undine, die ein Problem mit Autoritäten
hat, der wichtigste Aspekt ihre Selbstständigkeit. Gabi wiederum mag die
geistige Freiheit. Aber alle drei Frauen sind sich einig, dass diese Arbeit für
sie ein Privileg ist.
Das Studio ist trotz Käfigen und diversen Instrumenten, die allein beim
Hingucken schon Schmerzen verursachen, mit Liebe eingerichtet und hat
ein sehr freundliches Ambiente. In den drei Monaten, die ich dort zu Gast
war, wurde mir gezeigt, dass das Geschäft mit der Lust auch ohne Ausbeutung oder Begleitkriminalität funktioniert. Sie gewährten mir einen kleinen Einblick in die Welt des Sadomasochismus, der auf Freiwilligkeit, Einvernehmlichkeit und dem Vergnügen aller Beteiligten basiert und von den
Praktizierenden als Bereicherung ihres (Sexual-) Lebens empfunden wird.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Rüdiger Stoye, Prof. Dietmar Ullrich
Diplom: 2005
Technik: schwarzer Wachs und Polychromos
Thema: »Sagenhaftes aus der Altmark«
Kontakt: mirkorathke@gmx.de
Mirko Rathke
Sagenhaftes aus der Altmark
Ich stamme aus der Altmark, dem nördlichen Sachsen-Anhalt. Diese Gegend ist sehr ländlich geprägt. Sie zeigt gewachsene Dorfstrukturen und
ist voller idyllischer Reize und reich an kulturellen Kleinodien. Inmitten dieser trügerisch friedvollen Beschaulichkeit habe ich meine kleinen und großen Absurditäten zum Sagenhaften hin inszeniert. Die Basis
beim Ideenfindungsprozess bildet stets die Frage: »Was würde passieren,
wenn…«.
Folgt man nun unauffällig jenen Pfaden, so erschließen sich die kuriosen
Aspekte voll Ironie und Ernsthaftigkeit nach und nach. Manches bleibt
jedoch im Rätselhaften, und ich werde oft gefragt, warum ich das mache.
Mit meinen Illustrationen möchte ich einfach allzu Vertrautes neugierig
und provozierend frech hinterfragen. Für mich spielt der Kontrast von
Modernem und Marodem dabei die wesentlichste Rolle. Die realistische,
bisweilen fantastische Bildauffassung soll den Betrachter in meine Welt
entführen. Meine Protagonisten, Objekte gar, entwickeln stellvertretend
ihr Eigenleben. Auf bizarre Weise stehen sie wie Metaphern für menschliches Handeln. Unermüdlich bin ich auf der Suche nach retadierenden
Mo­menten. Sie machen mir deutlich, wie veränderlich die Dinglichkeiten
sind. Meine Grafiken erinnern trotz aktueller Inhalte in ihrer Umsetzung
an Zeichnungen früherer Jahrhunderte. Ich verbinde so die Sagenschätze
der Vergangenheit mit denen meiner Gegenwart.
Zu allen 13 Zeichnungen gehören verschiedene selbst erdachte Sagengeschichten, die ich mit den Jahren zeichnerisch weiter verfolgen werde, um
sie später zu einer illustrierten Sagenbuch-Edition zu vereinen, die dann
meine bisher persönlichste Auseinandersetzung mit heimatlichen Wurzeln widerspiegeln wird.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Erhard Göttlicher, Prof. Dietmar Ullrich
Diplom: 2005
Technik: Acryl auf Leinwand
Thema: Travestiekünstler im Pulverfass, eine Portraitserie
Kontakt: ole.fink@freenet.de
Ole Fink
Travestiekünstler im Pulverfass, eine Portraitserie
Portraitmalerei war innerhalb der Kunstgeschichte und meiner eigenen
Arbeit immer schon am interessantesten und faszinierensten für mich.
Als ich Anfang des Jahres 2004 vom »Pulverfass«, einem Travestie-Theater
auf der Reeperbahn, den Auftrag für ein Wandbild im Foyer des Theaters
erhielt, fragte ich mich während der Planung, wen ich dafür – und dann
auch für meine Diplomarbeit – portraitieren könnte: Ich sprach die dort
auftretenden Künstler an – und einige waren gern bereit, sich von mir
fotografieren zu lassen, damit ich ein Bild nach ihrem Foto malen konnte.
Als das erste Bild fertig war, waren sie auch bereit, mir Modell zu sitzen und
mir Interviews zu geben. So entstand eine Portraitserie von dreizehn Bildern, die vier der im Pulverfass auftretenden Künstler als Mann und als
Frau darstellen. Zwei von ihnen gaben mir umfangreiche Interviews, in
denen sie über ihr Leben und ihren Beruf erzählen und darüber, wie sie
Travestie- Künstler geworden sind. Die aufgezeichneten Gespräche schrieb
ich als Monolog auf, wobei ich den Wortlaut kaum veränderte und alles so
festhielt, wie es gesagt wurde. Auf diese Weise wird das Portrait um eine
Dimension verstärkt, die abgebildete Person erzählt dem Leser ihre Geschichte. Zusammen mit einem Bericht über Idee und Realisierung des
Themas sowie einem kleinen Text über die Geschichte der männlichen Homosexualität, einer kurzen Übersicht über Travestie in Deutschland heute
und einigen Dokumentarfotos ergibt sich daraus meine Diplom-Arbeit.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Rüdiger Stoye, Prof. Klaus Waschk
Diplom: 2005
Technik: mixed (Bleistift, Acryl, Letraset etc auf Papier, Leinwand, Holz…)
Thema: Wunderkammer – Untersuchungen einer gesammelten Wirklichkeit
Kontakt: srothfuss@gmx.de / www.zeichnerei.com
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Susanne Rothfuss
Wunderkammer, eine inszenierte Sammlung
Was wir heute mit dem Begriff der Wunderkammer bezeichnen, hat seinen
Ursprung in der Spätrenaissance und entwickelte sich aus Privatsammlungen. Der Sammler verstand sich als eine Art Weltschöpfer, der die Welt
im Kleinen nachbildet: den »Macrocosmo im Microcosmo«. Durch das
Sammeln und Ordnen war es dem Menschen möglich geworden, sich einen Überblick über die Welt zu verschaffen. Er hatte gelernt, erworbene
Erkenntnisse miteinander zu verknüpfen und konnte so neue Ideen entwickeln. Jede Entwicklung, jeder Fortschritt beginnt mit dem Wundern. Wir
persönlich glauben, dass unsere Welt so ist, wie wir sie sehen, riechen und
hören. Oft vergessen wir dadurch, alltägliche und scheinbar selbstverständliche Dinge zu hinterfragen. Das eigentliche Wundernswerte ist schwer
greifbar, z.B. das belauschte Gespräch in der U-Bahn, die achtlos weggeworfene Notiz, die Überschrift in der Zeitung. Meine Wunderkammer ist eine
illustrierte Betrachtung der mich umgebenden Wirklichkeit, ein Sammeln
und Betrachten des Lebens. Ich wähle nach bestimmten persönlichen Kriterien aus, was in der Sammlung Platz findet, und bestimme dadurch natürlich deren Erscheinungsbild.
Die Arbeiten präsentieren sich in Form meist kleinformatiger Alltagsskiz-
zen in verschiedenen illustrativen Techniken: so finden sich Acryl, Bleistift, Kugelschreiber, Siebdruck, Stempel und Photos neben Gesticktem,
Geklebtem und Collagen auf Papier und Pappe, auf Holz und in Boxen,
Kästen, Gläsern und auf Pinnwänden. Mein Anliegen ist es, die Freude am
Schauen wieder zu entdecken. Auch finde ich es wichtig, dass der Besuch
der Wunderkammer spielerisch ist, dass gelacht und geschmunzelt werden
darf. Ich sehe mich nicht als Geschichtenerzähler, sondern als Ausrufezeichner. Auch in der Wunderkammer werden keine fertigen Geschichten
erzählt. Dort findet man lediglich die Impulse für Geschichten, die dann
in den Köpfen des Betrachters entstehen sollen. Er muss sich auf das Wundern einlassen, muss sich Zeit dafür nehmen. Die Objekte und Bilder müssen den Blick des Betrachters zumindest so lange halten können, bis er
über den ersten, raschen Blick hinaus zu dem kommt, was Wilhelm Genazino in seinem gleichnamigen Buch als den »gedehnten Blick« bezeichnet.
Nur dadurch ist es überhaupt möglich, eine nicht sichtbare Botschaft zu
vermitteln. Je nach persönlicher Sichtweise, Erziehung und Herkunft, wird
es dem Betrachter möglich sein, die Symbolik der Bilder zu entschlüsseln.
Und sich zu wundern.
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Studiengang: Illustration
Begleitung: Prof. Reinhard Schulz-Schaeffer, Prof. Hartmut Gudenau
Diplom: 2005
Technik: Kohle und Acryl auf Leinwand
Thema: Mein Haus - ein Portrait in 228 Teilen
Kontakt: t-c-a@gmx.net
Tonia Ackermann
Mein Haus – ein Portrait in 228 Teilen
Seit nunmehr etwa zehn Jahren wohne ich in einem Haus aus der Zeit der
Jahrhundertwende im Hamburger Schanzenviertel. Als ich einzog, war dies
eine gute Adresse mit erschwingliche Mieten in zentraler Lage, umgeben
von Altbauten, kleinen Läden und Lokalen. Sanierungsvorhaben und Umstrukturierungenverändern den Stadtteil kontinuierlich seit mindestens
zwanzig Jahren. Manchmal bedauerte ich es, wenn einzelne gemütliche
oder kuriose Geschäfte zumachten. Doch erst, als eines Tages auch unser
Haus zum Objekt umfassender Renovierungsmaßnahmen wurde, begann
ich, mich eigentlich mit der Entwicklung zu beschäftigen. Die Situation des
Hauses steht exemplarisch für viele im Stadtteil. Natürlich sind Renovierungen in der Tat eine sinnvolle Maßnahme, jedoch sind die Häuser, andenen über Jahrzehnte nur das Nötigste verändert wurde, nicht nur baufällig. Sie sind auch Zeitzeugen und spiegeln zuweilen eine Geschichtlichkeit,
die unter neuem Anstrich verloren geht. Durch die steigenden Mietpreise
kann sich auch die Mieterschaft der Häuser verändern. Die Vorstellung,
dass sich so das Erscheinungsbild nach und nach komplett verwandeln
könnte, brachte mich zu dem Vorhaben, etwas von diesem Haus in Bildern
einzufangen und festzuhalten.
Die Darstellung mit Hilfe des Rasters und einer Collagentechnik nach David Hockney bringt mehrere zeitliche und räumliche Ebenen in einem Bild
zusammen und ermöglicht es so, einen umfassenderen, »begehbaren« Eindruck eines Motivs wiederzugeben. Diese Motive handeln von Besuchen
bei den Nachbarn, Untersuchungen unserer Küche oder des Treppenhauses bei verschiedenem Lichteinfall, zu verschiedenen Tageszeiten. Auf
diese Weise habe ich ein Portrait aus acht Bildern zusammengestellt, die,
wie in einem Rundgang durch das Haus, von mehreren Standpunkten den
Ausblick auf ein Stück Hamburg zeigen.
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Kommunikationsdesign
Kommunikationsdesign. – Nomen est omen. So betrachtet bedeutet Kommunikationsdesign die Recherche, die Konzeption und Gestaltung jedweder »Nachricht« oder »Bortschaft« in Wort und Bild und Ton – in der Regel
auf zweidimensionaler Ebene als Print- oder elektronisches Produkt.
Kommunikationsdesign dient dem Sichtbarmachen, der Verdeutlichung
und Präzisierung »nachrichtlicher« Anliegen. Es ist bemüht, sowohl die
rationale als auch die emotionale Seite des Empfängers zu erreichen. Es
erzählt und berichtet über Unternehmen, Institutionen und Produkte und
macht Zusammenhänge klar. Es zielt auf bestimmte Wirkungen und auf
Erkenntnisgewinn und letztendlich auf eine Verhaltensänderung.
Die Mittel des Kommunikationsdesigns sind schnell aufgezählt, es sind nur 6.
1. Das Format. Kommunikationsdesign bedarf immer eines Formates. Es
kann so klein sein wie eine Briefmarke oder so groß wie ein Fussballfeld.
2. Der Text. Kommunikationsdesign ohne Sprache ist zwar denkbar, aber
Kommunikationsdesign als Vermittlungsfunktion ohne Sprache ist kaum
darstellbar. Die Form der Sprache ist die Typographie. Sie hat neben ihrer
reinen Erzähl- und Ordnungsfunktion auch eine außerordentlich stark
emotionale wirkende Funktion.
3. Das Bild. Das Bild, ob nun bewegt oder unbewegt, nimmt eine zentrale
Stelle im kommunikativen Prozess ein. In der Regel ist es der emotionale
Träger der jeweiligen Botschaft. Bilder werden ungeschützt, unmittelbar
und ungefiltert wahrgenommen. Sie prägen unser kulturelles Gedächtnis.
4. Die Farbe. Auch sie ist eher der emotionalen Seite zuzuordnen als der rationalen. Farb­­zuordnungen können das erste Wiedererkennungsmerkmal
sein. Da Farbe immer an Form gebunden ist, spielt auch diese eine wichtige
Rolle.
5. Der Ton. Ton, gedacht als Sprache und/oder Musik und/oder Geräusch ist
heute bei Internetauftritten nahezu selbstverständlich. Zwingend ist er in
Fernseh- und Funkspots und selbstverständlich im Film.
6. Die Räumlichkeit. Das Wissen um Räumlichkeit (gemeint ist nicht die
dargestellte Räumlichkeit, sondern die wirkliche) ist sicherlich nicht das
zentrale Thema des Kommunikationsdesigns. Sie spielt aber bei der Packungsgestaltung, bei der Displaygestaltung und selbstverständlich bei al­
lem, was mit Ausstellung und Präsentation zu tun hat, eine wichtige Rolle.
Diese sechs »Materialfelder« sind das Handwerkszeug im Kom­­muni­ka­tions­
design. Je nach Disziplin verschieden gewichtet sind sie selbstverständ­lich
und un­ver­zichtbar unterfüttert mit den jeweiligen Theoriefächern.
Kommunikationsdesign bewegt sich im Wesentlichen auf folgenden Berufs- und Medienfeldern: Typographie, Corporate Identity, Advertising Design, Editorial Design, Book Design, Internet/CD ROM-Design, Multimedia
und audio-visuelles Design wie Film und Fernsehen und Fotografie.
Prof. Welfhard Kraiker