Fairness im Handel

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Fairness im Handel
Nr: 89 8/2010
Schwerpunkt
Fairness im Handel
Das Magazin als PDF
Weitere Themen:
Fluthilfe in Pakistan
Zu Fuß zu den Menschen
mehr
Grundbildung
Ob für Kaffee, Reis, Baumwolle, Bananen oder Kakao, viele
Menschen in Deutschland entscheiden sich ganz bewusst für fair
gehandelte Waren. Sie wissen: Der Handel unter fairen
Bedingungen schafft für die Erzeuger in den armen Ländern ein
überlebenswichtiges Einkommen. Er stellt für die Kleinbauern und
Arbeiter zugleich eine Chance dar, sich aus der Armut zu befreien.
Auch die Bundesregierung unterstützt den Fairen Handel - weil er
auch Entwicklungspolitik ist. In Deutschland unterstützt sie
beispielsweise Informationskampagnen wie die "Faire Woche".
mehr
Welttag der Alphabetisierung
mehr
Flüchtlinge
Lesen Sie dazu in diesem Magazin:
Fair handeln - Armut bekämpfen
Für eine faire Welt
Mehr als eine Frage des guten Geschmacks
Indien: Ein Fairtrade-Dorf im Aufwind
Mit Engagement eine faire Brücke in den Süden bauen
Auf das Schicksal anderer
schauen
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Brasilien
Rosen, die verbinden
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Impressum
© 2010 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Bundesregierung
Foto: TransFair e.V./C. Nusch
Indien: Bio-Reis für den Fairen Handel
Fairness im Handel
Fair handeln - fair einkaufen
Armutsbekämpfung ist auch im Alltag möglich - zum Beispiel mit dem Einkaufskorb. Denn täglich
treffen Kunden in den Supermärkten kleine Entscheidungen, die für Produzenten rund um den
Globus große Auswirkungen haben können. Beim Griff in die Regale kann jeder zum Fairen Handel
beitragen.
Ob für Kaffee, Reis, Baumwolle, Bananen, Kakao oder Blumen: Viele Menschen in Deutschland
entscheiden sich ganz bewusst für fair gehandelte Waren. Sie wissen: Der Handel unter fairen
Bedingungen schafft für die Kleinbauern und Arbeiter in armen Ländern Einkommen und stellt für
sie eine überlebenswichtige Chance dar.
Fairer Handel ermöglicht den benachteiligten Produzentenfamilien in Afrika, Asien und
Lateinamerika eine Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie den Weg aus der
Armut. Auch die
Foto: TransFair/Fairtrade
Fairtrade-Kaffeebauer in Peru
Bundesregierung unterstützt den Fairen Handel in Deutschland - unter anderem
Informationskampagnen wie beispielsweise die "Faire Woche".
Vor 40 Jahren begann in Deutschland der Faire Handel mit dem Verkauf von fair gehandelten
Waren - eine Erfolgsgeschichte, die von kirchlichen Entwicklungswerken angestoßen wurde. Circa
7,5 Millionen Menschen in den Ländern des Südens können heute davon profitieren. Mit
mittlerweile 800 Weltläden, in denen fair gehandelte Produkte angeboten werden, entstand die
größte Weltladenbewegung der Welt.
Die bundesweite "Faire Woche"
2010 findet die Faire Woche vom 13. bis 26. September statt, ihr Motto: "Fair schmeckt mir!" Sie
zeigt eindrucksvoll, was zivilgesellschaftliches Engagement bewirken kann. Sie ist eine alljährliche
bundesweite Aktionswoche des Forums Fairer Handel und will über den Fairen Handel informieren.
Foto: TransFair e.V.
FairTrade-Infostand: Jeder kann etwas verändern
Veranstaltungen von Weltläden, Aktionsgruppen, Supermärkten, Kantinen und Einzelpersonen
haben das gemeinsame Ziel, den Fairen Handel mit seinem Hintergrund und Produkten in
Deutschland bekannter zu machen.
Auch Kleinbauern von Genossenschaften aus den Erzeugerländern berichten über ihre Arbeit und
geben einen Einblick in ihre Lebenssituation, die sich durch gerechte
Handelsbedingungen verändert hat. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat die
Schirmherrschaft über die Faire Woche übernommen.
Foto: GEPA
Philippinen: Zuckersack mit Aufdruck des Fairtrade-Siegels
Die Kampagnen zur Förderung von fair gehandelten Produkten richten sich aber nicht nur an die
Konsumenten. Viele Akteure und kirchliche Hilfswerke leisten wertvolle Arbeit und zeigen, wie
gerechte Handelsbedingungen in der Praxis aussehen können. Zum Beispiel:
Transfair, eine unabhängige Siegelinitiative, die Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt;
FairTrade mit seinen Mitgliedern, ein Akteur, der Aufklärungs- und Bildungsarbeit leistet;
GEPA, größtes faires Importunternehmen in Deutschland;
El Puente, die als Importeur und Großhandel für über 1.500 Weltläden und Aktionsgruppen
in Deutschland tätig ist oder auch.
Banafair, das den fairen Handel mit Bananenbauern unterstützt
Weltläden und weitere Akteure.
In dieser Magazinausgabe erläutert Bundesentwicklungsminister Niebel das Potenzial des Fairen
Handels als Entwicklungsinstrument im Rahmen der Armutsbekämpfung. Auch das
zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Engagement werden angesprochen. Zudem stellen
wir einige Akteure des Fairen Handels und ihre Arbeit vor.
Kontext
BMZ. Fairer Handel
Die Faire Woche 2010
Informationskampagne fair feels good
Fair handeln - mehr Lebensqualität
Wo es faire Produkte gibt
Das GoodWeave Siegel gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie
Fairer Handel: Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen herstellen
Foto: TransFair e.V./Didier Gentihomme
Kakaobohnen-Ernte
Fairness im Handel
Fair handeln - Armut bekämpfen
Von Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Unsere Entwicklungspolitik soll Menschen die Freiheit geben, selbstbestimmt und
eigenverantwortlich ihr Leben zu gestalten. Nachhaltiges Wirtschaften ist ein entscheidender
Baustein dazu. Über komplexe Wertschöpfungsketten sind Konsumenten und Produzenten in
entwickelten Ländern eng mit denjenigen in Entwicklungsländern verknüpft. Wir können daher
durch unser Konsumverhalten direkt dazu beitragen, die Arbeits- und Lebenssituation in
Entwicklungsländern zu verändern.
So geht es darum, Rechte und Produktionsmöglichkeiten von Menschen in Entwicklungsländern zu
stärken und ihnen besseren Zugang zu den Märkten ihrer eigenen Region und denen des Nordens
zu verschaffen. Jeder Konsument kann mit einer bewussten Kaufentscheidung dazu einen
wichtigen Beitrag leisten. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, einen
nachhaltigen Konsum zu fördern.
Foto: Laurence Chaperon
Dirk Niebel: Einflussmöglichkeiten durch eigenen Konsum nutzen
Ob Unternehmen, Bürger oder öffentliche Institution: Mittlerweile gibt es für eine Reihe an
Produkten Standards, mit denen ökologische und soziale Produktionsbedingungen verbessert
werden.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) berät deshalb
viele private und zivilgesellschaftliche Organisationen, die Standards ins Leben gerufen haben.
Ob soziale Verantwortung von Unternehmen oder Initiativen aus der Zivilgesellschaft: Die
Verknüpfung von privatem Engagement und wirtschaftlicher Aktivität ist ein sehr wichtiger Baustein,
um die Situation der Produzenten in Entwicklungsländern zu verbessern.
Fairer Handel fördert lokale Wirtschaftsstrukturen
Der Faire Handel ist hierfür Modell und wirksames Werkzeug zugleich. Denn diese Initiative, die auf
langjährigem zivilgesellschaftlichem Engagement beruht, hilft, Armut zu überwinden.
Dies geschieht direkt und unmittelbar, nämlich indem Produzentenfamilien zusätzliches
Einkommen durch den fairen Preis und eine höhere Preisstabilität erhalten. Die Wirtschaftsweise
der Produzenten wird aber auch längerfristig und umfassender verbessert, etwa durch
Qualifizierungsmaßnahmen wie dem Aufbau von Managementwissen oder Kenntnissen zu Arbeitsund Umweltschutz.
Foto: TransFair e.V./Oliver Scheel
Nach sozialen Standards von Hand hergestellte und fair gehandelte Fußbälle aus Pakistan
Außerdem wird den Produzenten der Zugang zu konventionellen Märkten eröffnet, zum Beispiel
indem sie einer Kooperative beitreten, die einen besseren Verhandlungsspielraum auf dem Markt
besitzt oder indem sie dank der Qualifizierungsmaßnahmen eine höhere Produktqualität und
höhere Wertschöpfungsstufen erreichen. Die Produkte lassen sich so besser verkaufen und
erbringen mehr Einnahmen.
So konnten wir beobachten, dass gerade beim Kaffee viele Produzenten des Fairen Handels dazu
übergegangen sind, eigenen gerösteten Kaffee für den Inlandsmarkt ihrer Länder herzustellen statt
nur die rohen Bohnen zu verkaufen. Einige Kooperativen haben die Einnahmen aus Fairem Handel
auch dafür verwendet, ihre Produktion zu diversifizieren.
Auch bei Kakao gibt es mit der bolivianischen Kooperative "El Ceibo" ein gutes Beispiel dafür, dass
Produzenten die Weiterverarbeitung in die eigene Hand nehmen und für den lokalen Markt
produzieren. So stellt "El Ceibo" mittlerweile eigene Kakaoprodukte her. Dazu wurde die
Kooperative unter anderem von der deutschen Entwicklungspolitik und zivilgesellschaftlichen
Organisationen wie "Brot für die Welt" mit technischer Beratung und Anschubfinanzierung
unterstützt. Auf diese Weise trägt der Faire Handel zur nachhaltigen Entwicklung lokaler
Wirtschaftsstrukturen in Entwicklungsländern bei.
Nachhaltiger Konsum: Verbraucher werden verantwortungsbewusster
Es ist für den Konsumenten hierzulande und in wachsendem Maße auch in Entwicklungsländern
wichtig zu wissen, wie ihr Produkt hergestellt worden ist. Mein Ministerium leistet deshalb
entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit in Deutschland.
Foto: TransFair
Die Kleinbäuerin Fatima Ismael aus Nicaragua wirbt für die "Faire Woche"
Ein wichtiger Partner ist dabei der Faire Handel. Mit gemeinsamen Informationskampagnen wie der
jährlichen bundesweiten "Fairen Woche" machen wir Bürgerinnen und Bürger auf ihre
Einflussmöglichkeiten durch ihren eigenen, privaten Konsum aufmerksam. Ohne das ehrenamtliche
Engagement vieler Menschen würde diese Aktion nicht laufen: In Weltläden, Schulen,
Unternehmen, Rathäusern, Kirchen und vielen anderen Organisationen informieren sie über den
Fairen Handel und seine entwicklungspolitischen Hintergründe.
Das zeigt Wirkung: Im Jahr 2009 kauften Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland fair
gehandelte Produkte im Wert von 322 Millionen Euro, dies entspricht einer Steigerung um 21
Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Nachhaltigen Konsum zu unterstützen ist für das BMZ ein wichtiger Beitrag zu den
Millenniumsentwicklungszielen. Wir tun dies ganz im Sinne einer "Globalen Partnerschaft" zur
Armutsbekämpfung. Ich freue mich, wenn möglichst viele Akteure in Deutschland diese
Partnerschaft mit gestalten.
Kontext
Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) zum Fairen Handel
Standards des Fairen Handels
Faire Woche
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt zum Fairen Handel
Lebensmittel und Produkte: Fairer Handel - mehr Lebensqualität
Öko-fair - das Verbraucherportal
Informationskampagnen zum Fairen Handel
Foto: Transfair
Fairer Lohn für Fair gehandelte Ware: Faitrade-Reis aus Indien
Fairness im Handel
Für eine faire Welt
Der Faire Handel hat das Ziel, benachteiligte Produzentenfamilien in Afrika, Asien und
Lateinamerika zu fördern. Entstanden ist er aus der Kritik an der Abhängigkeit der
Entwicklungsländer von den Industriestaaten.
In fast 60 Ländern profitieren über 7,5 Millionen Bauern und Plantagenarbeiter mit ihren Familien
vom Fairen Handel. Mit dazu beigetragen hat TransFair e.V., der gemeinnützige Verein zur
Förderung des Fairen Handels mit der "Dritten Welt". Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine
Brücke zwischen den Produzentenorganisationen im Süden und den Verbraucherinnen und
Verbrauchern im Norden zu schlagen.
TransFair wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, benachteiligte Produzentenorganisationen in so
genannten Entwicklungsländern zu unterstützen. 36 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen
Entwicklungshilfe, Kirche, Umwelt, Sozialarbeit, Verbraucherschutz, Genossenschaftswesen und
Bildung tragen den Verein. Darüber hinaus unterstützen die Bundesregierung, Parteien, Länder
und viele Organisationen und engagierte Einzelpersonen die Arbeit von TransFair.
Der Verein vermittelt Marktzugänge zu fairen Bedingungen für Produzentengruppen und Arbeiter
aus benachteiligten Regionen des Südens. Im Dialog mit seinen Partnern pflegt und erweitert
TransFair das Fairtrade-Siegel-Produktsortiment. Außerdem werden neue Vertriebswege
erschlossen, das Siegel vermarktet und Informations-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit betrieben.
Langfristige Handelsbeziehungen, garantierte Mindestpreise, Fairtrade-Prämien und
Vorfinanzierung verhelfen den benachteiligten Produzentengruppen zu einem verbesserten
Einkommen. Auf diese Weise können sie aus eigener Kraft ihr Überleben sichern – und zusätzlich
in Umweltschutz, Bildung und medizinische Versorgung investieren. Dies ermöglicht auch den
Kindern eine bessere Zukunft.
Das Fairtrade-Siegel
Foto: TransFair
Immer mehr Konsumenten achten auf das Fairtrade-Siegel
Als unabhängige Siegelinitiative handelt TransFair nicht selbst mit Waren. Es vergibt an
Importeure, Verarbeitungsbetriebe und Händler, die die Standards des Fairen Handels erfüllen, das
Recht, das so genannte Fairtrade-Siegel zu nutzen. Verbraucherschützer wie die Stiftung
Warentest oder die Verbraucherinitiative stufen das blau-grüne Siegel als vertrauenswürdig und
empfehlenswert ein. Es ist das am weitesten verbreitete Label für fair gehandelte Waren.
Derzeit bieten in Deutschland über 100 Lizenznehmer rund 800 Fairtrade-gesiegelte Produkte an.
Sie kommen aus den Produktsparten Kaffee, Tee, Eiscreme, Schokolade, Kekse, Kakao, Honig,
Bananen, Fruchtsäfte, Eistees, Wein, Sportbälle, Reis, Textilien mit Fairtrade-Baumwolle und
Rosen. Die Fairtrade-Produkte sind in über 30.000 Supermärkten, in den Lebensmittelabteilungen
der Warenhäuser, im Naturkosthandel und in allen Weltläden erhältlich. Darüber hinaus schenken
rund 10.000 Kantinen, Cafés, Mensen und Hotels fair gehandelten Kaffee und Säfte aus.
Das Fairtrade-Siegel ist in erster Linie ein Sozialsiegel und kein Umweltsiegel. Dennoch wird mit
den Umweltkriterien in den Fairtrade-Standards das Ziel verfolgt, sämtliche landwirtschaftlichen
Fairtrade-Produkte ressourcenschonend und umweltverträglich anzubauen. Fairtrade arbeitet
daran, die Produzenten dort abzuholen, wo sie in ihrer Entwicklung gerade stehen und sie
schnellstmöglich in das Fairtrade-System zu integrieren.
Zu hohe Bio-Standards grenzen dabei aber gerade die ärmsten Produzentengruppen aus. Das BioSiegel hingegen stellt die ökologischen Aspekte in den Vordergrund. Daher muss ein Produkt mit
Bio-Siegel auch nicht zwangsläufig fair gehandelt worden sein.
Video
Fair handeln für eine faire Welt
Der Einkauf im Supermarkt – tagtäglich treffen Kunden kleine Entscheidungen, die für
Produzenten rund um den Globus weit reichenden Folgen haben können. Der Film zeigt in rund
5 Minuten wie der Faire Handel funktioniert.
Internationale Standards
1997 hat TransFair die internationale Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations
International (FLO) mitbegründet. FLO e.V. betreut die Produzentengruppen im Süden. Ein lokales
Betreuernetzwerk unterstützt die Produzentengruppen bei ihrer sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung. Kernaufgabe ist die Erstellung der internationalen Fairtrade-Standards, die
gemeinsam mit den Produzentenvertretern, Händlern und entwicklungspolitischen Experten
erarbeitet werden. Dazu gehören:
Verbot von illegaler Kinderarbeit und Zwangsarbeit
menschenwürdige Arbeitsbedingungen
garantierte Mindestpreise
Fairtrade-Prämien für soziale Projekte
zusätzlicher Aufschlag für kontrolliert biologischen Landbau
Vorfinanzierung der Ernte
langfristige und möglichst direkte Lieferbeziehungen
nachhaltige und umweltschonende Wirtschaftsweise
Ursprungsgarantie und kontrollierter Warenfluss nach Europa
Zertifizierung durch FLO-Cert
Foto: TransFair e.V./Christian Nusch
Rund 1.000 verschiedene Produkte mit dem Fairträde-Siegel werden angeboten
Um die Glaubwürdigkeit des FairTrade-Siegels sicherzustellen, arbeitet die zuständige
Zertifizierungsgesellschaft FLO-Cert GmbH mit einem unabhängigen, transparenten und weltweit
konsistenten System, das den Anforderungen der DIN ISO Norm 65 folgt. ISO 65 ist heute die
weltweit akzeptierte Akkreditierungsnorm für Zertifizierungsorganisationen.
FLO-Cert GmbH stellt sicher, dass die Produkte mit dem Fairtrade-Siegel nach den internationalen
FLO-Standards produziert und gehandelt werden. Alle an der Fairtrade-Handelskette beteiligten
Organisationen, Firmen, Produzentenorganisation, Exporteure und Importeure unterliegen dem
strengen Kontrollsystem von FLO-Cert. Wichtigstes Kontrollinstrument ist in allen Bereichen die
Durchführung und Auswertung von Inspektionen nach einheitlichen Verfahren. So wird
sichergestellt, dass alle gesiegelten Produkte tatsächlich fair gehandelt wurden und die
Mehreinnahmen den Produzentenorganisationen in den südlichen Ländern zufließen.
TransFair Deutschland ist nach Frankreich und Spanien die dritte Nationale Siegelinitiative
weltweit, die ihre Zertifizierungsaufgaben an FLO-Cert GmbH übertragen hat und somit nach ISO
65 arbeitet.
Kontext
Die Siegelinitiative TransFair
FairTrade
FairTrade-Code: Woher kommt das Produkt?
Der FairTrade-Code: Erfahren Sie die Geschichte hinter dem Produkt
Internetprojekt Fair4You des Fairen Handels
Kampagnenseite des Fairen Handels zur "Fairen Woche 2010"
Online-Spiel: Die Faire Einkaufsrallye
Foto: Britta Radike
Einkommen sichern: Afrikanische Bauern füllen geernteten Reis ab
Fairness im Handel
Mehr als eine Frage des guten Geschmacks
"Fair schmeckt mir" ist das Motto der diesjährigen Fairen Woche. Fairer Handel ist auch im
übertragenen Sinn eine Frage des guten Geschmacks – und viel mehr noch eine Frage des
Prinzips. Brigitte Frommeyer von GEPA erläutert die Entwicklung des Fairen Handels, den das
Wuppertaler Fair Handelshaus entscheidend mitgeprägt hat.
35 Jahre GEPA
"Wir handeln! Grundsätzlich fair" lautet der Leitsatz, den die GEPA seit 35 Jahren konsequent
verfolgt. Dafür bürgt auch der Name, denn GEPA steht für "Gesellschaft zur Förderung der Pa
rtnerschaft mit der Dritten Welt". Das Handelshaus wurde 1975 in Wuppertal gegründet.
Mit einem Umsatz von 54,4 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2009/2010) ist es Europas größte Fair
Handelsorganisation, das alle (circa 1.300) Produkte fair handelt. Sämtliche Gewinne werden
wieder in den Fairen Handel investiert. GEPA arbeitet mit 170 Partnern
(Kleinbauerngenossenschaften, sozial und
Foto: GEPA
Faires Einkommen: Batikkunst aus Afrika
ökologisch engagierte Privatbetriebe und Vermarktungsorganisationen) aus Afrika, Lateinamerika
und Asien zusammen.
Produkte sind bundesweit in circa 800 Weltläden und bei rund 6.000 Aktionsgruppen erhältlich. Sie
werden auch in vielen Supermärkten, Bio- und Naturkostmärkten, Firmenkantinen und
Bildungsstätten sowie im GEPA-Onlineshop angeboten.
Hinter der GEPA stehen Organisationen und Hilfswerke: Misereor, der Evangelische
Entwicklungsdienst (eed), die evangelische Hilfsaktion "Brot für die Welt" und das
Kindermissionswerk "Die Sternsinger". Auch junge Menschen, wie die Arbeitsgemeinschaft der
Evangelischen Jugend in Deutschland (aej), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
gehören dazu.
Für ihre Verdienste und ihre Glaubwürdigkeit ist die Gepa vielfach ausgezeichnet worden. Erst
jüngst wurde sie erneut für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert – in der Kategorie
"Deutschlands nachhaltigste Zukunftsstrategien (kleine und mittlere Unternehmen)."
Die Bohne der Revolution – Kaffee aus Nicaragua
Foto: TransFair
Kleinbäuerin Fatima Ismael wirbt für ihren fair gehandelten Nicaragua-Kaffee
Ein Beispiel ist der berühmte "Nicaragua-Kaffee" der GEPA. "Fair" schmeckte der Kaffee - von
vielen auch liebevoll "Sandrino-Dröhnung" genannt - allemal. Doch es ging vor allem darum,
Kaffeekleinbauern aus Nicaragua zu unterstützen und den Aufbau des Landes nach dem Sturz der
Somoza-Diktatur zu stärken. Denn Kaffee ist ein wichtiges und umkämpftes Exportgut.
Im Juli 1980 ging das erste Päckchen Nicaragua-Kaffee der GEPA über einen Weltladen-Tisch.
Damals hatte die GEPA nur wenige Kaffeesorten im Angebot, während sie heute vielfach prämierte
Kaffeespezialitäten anbietet.
Die Genossenschaften, mit denen die GEPA zusammenarbeitet, sind heute stabile
Bauernorganisationen mit Modellcharakter für ihre Regionen. Sie produzieren Kaffee von hoher
Qualität, führen in der Bioproduktion und können sich auf dem lokalen Markt behaupten.
Mehr soziale Gerechtigkeit
Foto: GEPA
Indien: Taschen aus Abfallresten für den Fairen Handel gefertigt
Als Mitglieder der nationalen Kaffeeorganisation "Cafenic" nehmen die Bauern durch ihre
Organisationen auf die Kaffeepolitik in Nicaragua Einfluss. Ihre Kinder erhalten eine gute
schulische Ausbildung, werden Kaffeeverkoster oder führen Touristen zu den Ursprüngen des
fairen Bio-Kaffees.
"Nach 30 Jahren Fairer Handel in Nicaragua sind wir nicht mehr dieselben", so Fatima Ismael,
Geschäftsführerin der Genossenschaft Soppexcca. "Heute können wir großen Exporteuren die
Stirn bieten, für den Erhalt der Umwelt arbeiten und für unsere Rechte kämpfen. Der Faire Handel
war und ist weiterhin das Bindeglied in der Kette von sozialer Gerechtigkeit und Hoffnung auf eine
bessere Welt."
Ein entscheidender Schritt in der Entwicklung des Landes ist für Fatima Ismael die Landreform, bei
der die Kleinbauern Zugang zu Grund und Boden bekamen. "Nicht nur das bessere Einkommen ist
für sie besonders wichtig, sondern auch Förderung von Gesundheit, Aus- und Weiterbildung,
Ökologie und Gemeinschaft."
>> VIDEO: Fairer Kakao aus Afrika
Durch den Fairen Handel waren die Genossenschaften erst in der Lage, sich um zusätzliche
Projektförderung von staatlichen und nicht-staatlichen Stellen zu bemühen. "Mehr Lebensqualität
für die Mitglieder führt so zu steigendem Mitgliederzuwachs wie auch bei anderen GEPAHandelspartnern in der Kaffeeregion", erläutert die engagierte Geschäftsführerin.
Auf den Spuren des Fairen Handels: Die etwas andere Kaffeefahrt
Das Beispiel Nicaragua zeigt: Fairer Handel hat viel bewegt, denn Fairer Handel ist eine
Bewegung, gestern wie heute. Das gilt auch für die Jugend, die sich dafür im wahrsten Sinne des
Wortes immer wieder auf den Weg macht.
Eine etwas andere Kaffeefahrt unternahmen beispielsweise zwölf Mitglieder der Katholischen
Landjugendbewegung (KLJB), einer Mitgliedsorganisation des GEPA-Gesellschafters Bund
Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ). Sie reisten im Januar 2010 zu den Ursprüngen des Fairen
Handels in Nicaragua.
Video
Kaffeefahrt nach Nicaragua
Lore Steiner von der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) erzählte über die
"Kaffeefahrt" - und was für junge Menschen das Besondere am Fairen Handel mit Nicaragua
ist.
Die Aktiven in der Jugendarbeit besuchten unter anderem Kleinbauern von SOPPEXCCA. Dort
informierten sie sich über die Arbeitsbedingungen der Kaffeebauern und lernten
Vermarktungsmöglichkeiten kennen.
Der Kaffee aus Nicaragua steht repräsentativ für die Pionierarbeit, die die GEPA im Laufe ihrer 35jährigen Geschichte geleistet hat. Er zeigt neben vielen anderen Beispielen, wie Fairer Handel ganz
praktisch zu mehr Gerechtigkeit weltweit beiträgt.
GEPA ist Mitglied im Forum Fairer Handel (FFH), World Fair Trade Organization (WFTO) sowie bei
der European Fair Trade Association (EFTA).
Kontext
GEPA – das Fair Handelshaus
Deutscher Nachhaltigkeitspreis nominiert GEPA
Forum Fairer Handel
EFTA - European Fair Trade Fair Association
Die Sternsinger und GEPA
Landesinformationen zu Nicaragua
Katholische Landjugendbewegung (KLJB)
Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
Foto: Transfair
Stolzer Bauer: Bio-Reis für den Fairen Handel
Fairness im Handel
Indien: Ein Fairtrade-Dorf im Aufwind
Von Katharina Nickoleit / TransFair e.V.
Vor fünf Jahren begannen alle Bauern eines kleinen indischen Dorfes damit, ihren Reis
ausschließlich an den Fairen Handel zu verkaufen. Aus dem ärmlichen Bauerndorf ist seitdem ein
Ort des bescheidenen Wohlstands geworden.
Groß und glänzend steht er da, und er ist der ganze Stolz der Patlikaithseth-Kooperative. Fast
liebevoll streicht Hardjnda Singh über die Scharen des Pfluges. "Den haben wir von der FairtradePrämie für unseren Gemeinschaftstraktor gekauft. Jedes unserer Mitglieder kann ihn verwenden.
Das Gerät erleichtert uns die Arbeit sehr, und weil wir die Erde so gut vorbereiten können, wird
auch die Ernte besser."
Hardjnda Singh ist Präsident der Kooperative, die den Namen ihres Dorfes Patlikaithseth trägt.
Rund 90 Bauern und ihre Familien leben hier. Sie alle pflanzen Reis an und sie alle verkaufen seit
fünf Jahren ihre Ernte ausschließlich an den Fairen Handel. Das bedeutet: Die Kunden in
Deutschland bezahlen etwas mehr für diesen Reis und dieser Mehrpreis wird an die Bauern in
Patlikaithseth weitergegeben. Ein Teil dieses Geldes, die Fairtrade-Prämie, fließt in die
Verbesserung der Infrastruktur. Das ermöglicht es ihnen, ein höheres Einkommen zu erwirtschaften
– die Anschaffung des Pfluges ist nur ein Beispiel dafür.
Hilfe bei bürokratischen Hürden
Foto: TransFair e.V./Fairtrade
Basmatireis in Bio-Qualität für den Fairen Handel
Nachdenklich lässt Hardjnda Singh den weißen Reis durch seine Finger rieseln, er nimmt eine
Hand voll und riecht genüsslich daran. Der indische Bundesstaat im Nordwesten des Landes ist die
Heimat des Basmatis.
"Die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft ist teuer und kompliziert. Zunächst einmal mussten
wir viel über den Bioanbau lernen. Aber das schwierigste war die Bio-Zertifizierung, der ganze
Papierkram. Das hätten wir als einfache Bauern ohne die Hilfe von Fairtrade nicht geschafft"
erinnert sich Hardjnda Singh.
Der Aufwand, auf Bio-Anbau umzustellen, hat sich gleich zweifach gelohnt. "Zum einen sind wir
Bauern deutlich weniger krank, weil wir nicht mehr mit Pestiziden in Berührung kommen. Zum
anderen bekommen wir für unseren Reis mehr Geld, seitdem wir auf Chemikalien verzichten." Für
den Bio-Reis erhalten die Bauern rund 15 Prozent mehr Geld, als wenn er aus konventionellem
Anbau stammen würde. Und diese 15 Prozent machen im täglichen Leben der einzelnen Familien
eine ganze Menge aus.
Hardjnda Singh, 42 Jahre, Reisbauer und Leiter der Kooperative: "Seitdem wir Fairtrade
beigetreten sind, konnten wir Landwirtschaftsmaschinen kaufen, die uns helfen, eine bessere Ernte
einzubringen. So haben unsere Familien im Dorf mehr Geld für ihr tägliches Leben zur Verfügung.
Wir sind sehr glücklich und froh darüber, dass wir unseren Reis über den fairen Handel verkaufen
können."
Investitionen in die Zukunft
"Wir haben mit dem Geld unsere Kinder auf die weiterführende Schule geschickt" erzählt Hardjnda
Singh. "Außerdem haben wir für unsere 13-köpfige Großfamilie eine Waschmaschine angeschafft,
das erspart den Frauen sehr viel Arbeit. Und als nächstes werden wir einen Kühlschrank kaufen
und das Haus renovieren." Sein Nachbar Jiwan Singh hat hingegen gleich ein neues Haus gebaut.
"Es ist bei uns Sitte, dass die Söhne mit ihren Frauen und Kindern im Haus ihrer Eltern leben. Da
brauchen wir viel Platz. Unser neues Haus ist jetzt so groß, dass nun auch mein jüngster Sohn
heiraten konnte und wenn hoffentlich bald Enkel kommen, dann werden auch sie unter meinem
Dach leben können", sagt das Familienoberhaupt.
Für welche Gemeinschaftsinvestitionen die Prämie des Fairen Handels verwendet wird, das
entscheidet ein gewähltes Komitee. Dem Präsidenten Hardjnda Singh steht Jiwan Singh als
Schatzmeister zur Seite. Verwandt sind sie nicht – sie sind Sikh, und alle Sikh haben den
Nachnamen Singh. Gemeinsam sind sie so etwas wie das Herz von Patlikaithseth. Bei ihnen laufen
die Vorschläge für neue Investitionen zusammen, von ihnen wird deren Umsetzung geplant und
organisiert.
Einkommen fördert Bildung und Infrastruktur
Zum Beispiel die neue Zufahrtstraße. "In der Regenzeit war der alte Weg ein einziges
Schlammloch. Deshalb entschieden wir uns dafür, ihn zu pflastern. Die Steine haben wir von der
Fairtrade-Prämie gekauft, aber gebaut haben wir ihn selber. Das ganze Dorf hat dabei
mitgeholfen." Das nächste Großprojekt der Kooperative ist die Ausbildung ihrer Kinder. "Die Welt
ändert sich und unsere Kinder müssen heute ganz andere Dinge lernen als wir früher. Ohne
Computerkenntnisse bekommt man in Indien keinen guten Job mehr."
Foto: TransFair e.V./C. Nusch
Frauenpower: Computerkenntnisse sind auch in Indien unentbehrlich
Deshalb haben die Einwohner von Patlikaithseth einen Computerschulungsraum eingerichtet. Der
ist ausschließlich Mädchen und jungen Frauen vorbehalten. "Unsere Söhne können auch alleine in
die nächste Stadt fahren, um etwas zu lernen, doch für ein Mädchen wäre das in unserer Kultur
nicht passend. Aber sie sollen trotzdem eine gute Ausbildung erhalten, und die bekommen sie nun
hier in unserem eigenen Schulungsraum."
Die Bauern von Patlikaithseth verkaufen ihren Reis erst seit dem Jahr 2005 an den Fairen Handel.
Doch was sich in dem Dorf innerhalb dieser kurzen Zeit getan hat, ist erstaunlich. Wer es von
früher kennt, erkennt es heute kaum wieder. Aus den einfachen Hütten sind feste, frisch
gestrichene Häuser geworden, ihre Bewohner sind gut gekleidet und genährt.
Jiwan Singh, 55 Jahre, Reisbauer: Früher haben wir unseren Reis auf dem lokalen Markt verkauft,
aber da bekamen wir nur wenig Geld für unsere Ernte. Jetzt produzieren wir Bioreis für den Fairen
Handel. Das ist gut für unsere Gesundheit und für unsere Umwelt – und wir verdienen außerdem
mehr Geld damit.
Foto: TransFair e.V./C. Nusch
Ein neuer Brunnen dank FairTrade-Prämie
Die Straße ist gepflastert und einen neuen Brunnen gibt es auch. Gegraben und angelegt wurde
auch er mit Mitteln aus der Fairtrade-Prämie. Der Brunnen versorgt alle Dorfbewohner mit
sauberem Wasser. Seitdem sind die Menschen wesentlich weniger krank als früher.
Keine Frage: In dem Fairtrade-Dorf Patlikaithseth zeigt sich, wie sich das Leben der Menschen
verändern kann, wenn sie nur eine faire Chance bekommen.
Kontext
TransFair
Magazin zur Entwicklungspolitik: Indien, Land der Gegensätze
Landesinformationen zu Indien
Misereor und der Faire Handel
Brot für die Welt und der Faire Handel
Foto: El Puente
Zuckerrohrernte für den Fairen Handel in Ecuador
Fairness im Handel
Mit Engagement eine faire Brücke in den Süden bauen
Der El Puente e.V. ist einer der ältesten entwicklungspolitisch tätigen Vereine Deutschlands. Er
unterstützt und fördert Kleinbetriebe und Genossenschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika
durch Import und Vertrieb ihrer Produkte in der Bundesrepublik Deutschland. Die direkte
Zusammenarbeit mit Projekten in diesen Kontinenten eröffnet seinen Partnern Chancen, sich auf
dem internationalen Markt zu gerechteren Bedingungen zu behaupten und dadurch bessere
Lebensperspektiven zu erreichen.
Begleitend zum Warenhandel betreibt El Puente entwicklungspolitische Bildungs- und
Informationsarbeit. Sein Anliegen ist es, anhand der Produkte Strukturen des weltwirtschaftlichen
Unrechts aufzuzeigen und den kulturellen Austausch zu fördern. "Die Auseinandersetzung mit
anderen Kulturen, Lebensweisen und Werten soll Anstöße geben, unsere Rolle als Bürger einer
Welt zu bedenken – einer Welt, in der unser Wohlstand von der Armut der sogenannten
Entwicklungsländer abhängt."
El Puente ist eine Organisation des partnerschaftlichen Handels mit Sitz in
Nordstemmen/Niedersachsen, die sich mit dem Import und Vertrieb fair gehandelter Produkte
befasst. Als "Brücke" (so die deutsche Übersetzung des spanischen Namens) zwischen Nord und
Süd will sie dazu beitragen, durch den Fairen Handel Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Dadurch wolle
man die Kluft zwischen den reichen und den sogenannten Entwicklungsländern verringern, so der
Verein.
Wie alles begann
Foto: El Puente
El Puente-Handelshaus in Nordstemmen/Niedersachsen
Ende der 60er Jahre traf sich bereits der Ökumenische Arbeitskreis Entwicklungshilfe im Landkreis
Hildesheim. Die ungerechten Handelsstrukturen wurden als Ursache vieler Probleme in den
ehemaligen Kolonialländern erkannt. Um andere Modelle zu entwickeln, wurde mit dem Aufbau
partnerschaftlicher Handelsbeziehungen begonnen, zunächst zu Projekten in Lateinamerika.
Für seine wachsenden Aktivitäten benötigte der Arbeitskreis schließlich eine rechtliche Form, und
so gründete sich im Juni 1972 der gemeinnützige "El Puente - Verein für Arbeits- und
Sozialförderung in Entwicklungsländern e.V.".
Ein Verein mit seiner ehrenamtlichen Struktur konnte einen Handel in der Größenordnung, zu der
El Puente allmählich heranwuchs, nicht mehr bewältigen. Deshalb wurde für die geschäftlichen
Aktivitäten 1977 die El Puente - Import und Vertrieb von Gebrauchsgegenständen und
Kunstgewerbeartikeln zur Förderung von Kleinbetrieben und Genossenschaften in
Entwicklungsländern GmbH' gegründet. Diese ist eng mit dem Verein verbunden geblieben und
arbeitet nach dessen Zielsetzung.
Foto: El Puente
Zuckerrohrgenossenschaft: Förderung von El Puente
Neben der Mitgestaltung der Aktivitäten der GmbH ist der Verein zuständig für die Bildungsarbeit
vor Ort. Das heißt: Veranstaltungen werden organisiert, Vorträge in Schulen gehalten, Info- und
Verkaufsstände sowie Aktionen durchgeführt. Außerdem können nach Absprache Materialien für
die schulische und außerschulische Bildungsarbeit ausgeliehen werden.
Die El Puente GmbH unterhält heute über 100 Projektkontakte und ist als Importeur und
Großhandel für über 1.500 Weltläden und Aktionsgruppen in Deutschland tätig.
Im September 2001 wurde die El Puente Stiftung gegründet. Über sie werden Stiftungsgelder
gesammelt, um die entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu fördern. Die Idee
ist, die Öffentlichkeitsarbeit unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der El Puente GmbH
auch für die Zukunft zu sichern.
Kontext
El Puente – das faire Handelshaus
El Puente Weltladen
Weltladen-Dachverband e.V.
Forum Fairer Handel
Veranstaltungen zum Fairen Handel im September
Foto: Transfair/Fairtrade
Fair und sozial gehandelt: Rosen aus Tansania für den Supermarkt
Fairness im Handel
Rosen, die verbinden
Rose Chemtai Ronoh lebt auf der Fairtrade-zertifizierten Blumenfarm Finlay Flowers im Hochland
von Kenia. Rings um den Äquator werden Blumen für den europäischen Markt gezüchtet, vor allem
Rosen.
Rose hatte vier Jahre lang vergeblich nach Arbeit gesucht. 1998 kam sie auf die Farm – ganz allein
und ohne ihre Familie. Hier auf der Farm arbeitete sie zunächst als Blumenpflückerin und in der
Verpackung der Rosen.
Da sie ehrgeizig war, nutzte sie die Weiterbildungsangebote der Farm und kam schließlich als
Kontrolleurin in die Qualitätssicherung der Farm. Sie prüft die verschiedenen Rosensorten unter
genau festgelegten Laborbedingungen auf Farbe, Langlebigkeit und Krankheiten. Die
Wachstumsverläufe verschiedener Sorten werden genauestens registriert und miteinander
verglichen.
Roses Alltag
Foto: REGIERUNGonline/ Fairfleur
Besseres Leben durch Fairtrade-Blumen: Rose Chemtai Ronoh
Rose wohnt mit Mann und Kindern in einer zur Farm gehörenden Siedlung. Für jede Familie stellt
die Farm ein kleines Haus zur Verfügung. Die Häuser verfügen über Wasser und Elektrizität,
Feuerholz gibt es ebenfalls – alles keine Selbstverständlichkeit in einem Land wie Kenia und ganz
sicher nicht auf den Blumenfarmen ohne Fairtrade-Siegel.
Rose freut sich nach ihrer Arbeit auf ihre beiden Kinder Ian und Daphny. Sohn Ian besucht mit
anderen Kindern der Farm die Schule von Kericho. Der Schulbesuch ist kostenlos. Bildung ist
besonders wichtig für eine bessere Zukunft. Das fängt schon in der Vorschule an mit dem
Englischunterricht. Für die noch kleineren wie Daphny gibt es in der Siedlung Betreuerinnen.
Sonntags gehen alle zusammen in die Kirche. Hinterher ist dann Zeit für die Familie: Spielen,
Lernen und gemeinsam Essen stehen auf dem Programm. Am frühen Abend geht’s für alle ins
Bett – die neue Arbeitswoche mit ihren Aufgaben naht.
Foto: Fairfleur
Ostafrika: Fair gehandelte Rosen verbessern den Lebensstandard der Menschen
Fair geht´s besser
Die Blumenfarm Finaly Flowers ist Fairtrade-zertifiziert. Die Blumen werden nach klar definierten
sozialen und ökologischen Standards gezüchtet. Das bedeutet: Faire Löhne, sichere soziale
Grundrechte, Verbot von Kinderarbeit, Gewerkschaftsfreiheit, Gesundheitsschutz und soziale
Projekte für die Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Familien.
Ein gutes Beispiel ist das Hospital von Finlay Flowers. Für die mehr als 50.000 Menschen, die auf
der Farm leben, gibt es hier eine medizinische Grundversorgung. Malaria und Aids sind die
häufigsten Krankheiten.
Foto: Fairtrade/TransFair e.V.
Infostand: Aids-Aufklärung ,Familienplanung und Kondome
Das große Problem Aids wird durch Aufklärungsprogramme und Verteilung von Kondomen
bekämpft. Gegen die Malaria-Erkrankung wurden verstärkt Moskitonetze angeschafft. Mit Erfolg –
die Zahl der Neuerkrankungen ist seither zurückgegangen!
Rose ist glücklich, nach schwierigen Zeiten soviel Gutes in ihrem Leben gefunden zu haben.
"Meine Kinder und mein Mann, wir alle fühlen uns gesegnet, auf der Blumenfarm ein gesichertes
Leben führen zu können. Auf der Fairtrade-Farm Finlay Flowers haben wir ein wahres Zuhause
gefunden!"
Kontext
Fairtrade-Blumen aus Kenia
Faire Blumen für die Vase
Wenn Blumen sprechen könnten
Landesinformationen zu Kenia
Foto: Malteser International
Kinder erkennen nicht die Gefahr verseuchten Wassers
Fluthilfe in Pakistan
Zu Fuß zu den Menschen
Von Christine Prokopf, Malteser International
Im Dorf Kokarai gehen sie von Tür zu Tür, sammeln die Kinder um sich und verteilen Seife und
Wasserentkeimungstabletten. Vor allem aber spricht das Team von Malteser International mit den
Menschen: Darüber, wie wichtig der richtige Umgang mit Trink- und Abwasser ist und dass einige
Grundregeln der Hygiene beachtet werden müssen, um Krankheiten zu vermeiden. Poster und
andere Informationsmaterialien, die in Wort und Bild über das richtige Verhalten aufklären, werden
verteilt.
Solche Einsätze wurden bereits vor den Überschwemmungen von Malteser International im Distrikt
Swat durchgeführt. Doch jetzt ist der Bedarf akut: Aus diesem Dorf kam der Mann, bei dem als
erstem im Swat-Tal ein akuter wässriger Durchfall diagnostiziert worden war. Inzwischen wird er
behandelt, doch das Trinkwasser der Familie kommt noch immer aus derselben Quelle. Durch die
Fluten wurden Quellen und Brunnen überschwemmt und das Trinkwasser so durch Exkremente
verseucht, die mit weggeschwemmt wurden. Die Quelle in Kokarai ist direkt neben dem Fluss, dort
baden Kinder und sind sich der Gefahr, in die sie sich damit begeben, nicht bewusst.
Risiko für Epidemie von Durchfallerkrankungen steigt
Akute wässrige Durchfälle sind eine der großen Bedrohungen, nachdem das Wasser aus dem
Swat-Tal abgeflossen ist und viel Schlamm und Zerstörung zurückgelassen hat. Kranke verlieren
dabei schnell sehr viel Körperflüssigkeit und drohen unbehandelt am Flüssigkeitsverlust zu sterben.
Noch wird gezögert, die Bezeichnung Cholera, die auf das auslösende Bakterium verweist, zu
verwenden. Denn Fälle der hochansteckenden Durchfallkrankheit treten auch in "normalen Zeiten"
immer wieder auf. Doch jetzt ist das Risiko groß, dass ein Fall nur der Beginn für eine große
Epidemie ist: Wegen der zerstörten Häuser wohnen viele Menschen eng gedrängt bei Verwandten
oder hausen zwischen den Trümmern ihrer Häuser.
Seit dem Erdbeben 2005 arbeitet Malteser International in Pakistan, ab August 2009 auch im Swat-
Tal. Nach den Kämpfen zwischen Regierung und Taliban unterstützte die Organisation den
Wiederaufbau der Basisgesundheitsversorgung für die zurückkehrenden Binnenflüchtlinge.
Deshalb konnten die medizinischen Teams der Malteser auch sofort anfangen zu arbeiten, als die
Fluten kamen, Häuser mitrissen und Straßen mit Steinen und Geröll unpassierbar machten.
Foto: Malteser International
Großer Andrang an den mobilen Kliniken
Die anfangs drei medizinischen Teams in den lokalen Gesundheitsstationen wurden bald durch
mobile Teams ergänzt. Diese fahren tageweise in die besonders betroffenen Dörfer, um dort die
Kranken zu behandeln. Wenn die Straße durch Schlammlawinen blockiert oder zerstört ist, geht es
zu Fuß weiter über Geröll und Unrat. Schließlich wird in einer Schule, einer Moschee oder einem
Privathaus der Behandlungstisch aufgebaut und mit den Behandlungen und den Impfungen
begonnen.
Das Bild dominieren Lungenentzündungen, Hautausschläge und andere Krankheiten, die auf die
Lebensbedingungen der von den Fluten betroffenen Pakistanis zurückzuführen sind. Auch Masern
und Malaria bereiten dem Team von Malteser International Sorgen. Nun tritt der Durchfall in den
Vordergrund und wie so oft in der humanitären Hilfe wird deutlich, dass Prävention lebenswichtig
ist.
Internationale Zusammenarbeit funktioniert
Neben der medizinischen Hilfe engagiert sich Malteser International auch in der Trinkwasser- und
Nahrungsmittelversorgung und verteilt Hygiene- und andere Nothilfegüter. Über 22.000 Menschen
in den Distrikten Swat und Kohistan werden für drei Monate mit Grundnahrungsmitteln versorgt und
erhalten so genannte Hygiene- und Familykits. Diese enthalten unter anderem Seife, Handtücher,
Reinigungsmittel, Kochutensilien und Plastikplanen – das Notwendigste, um zu überleben und
einen gewissen Alltag in der Katastrophe zu entwickeln. Außerdem bringt ein Tankwagen
regelmäßig Trinkwasser aus einer wiederhergestellten Quelle in Teile des Projektgebiets.
"Die internationale Koordination der Hilfsmaßnahmen vor Ort läuft bisher gut. Die Malteser stimmen
sich im Clustersystem, in dem jeweils eine Organisation der Vereinten Nationen die Koordination
für einen Nothilfesektor übernimmt, mit den anderen Organisationen ab," berichtet Jürgen Clemens,
Pakistanreferent bei Malteser International. Bereits kurz nach Beginn der Überschwemmungen
reiste er nach Pakistan, um die Ausweitung der Hilfe vor Ort zu unterstützen.
Finanzielle Transparenz sicherstellen
Der logistische und organisatorische Aufwand ist groß. Auch bei der lokalen Beschaffung der Güter
müssen gewisse Grundregeln eingehalten werden, um deren Qualität zu sichern und finanzielle
Transparenz zu gewährleisten. So erhöht sich nicht nur die Zahl der lokalen Mitarbeiter, sondern
auch der Verwaltungsaufwand steigt. Doch dies ist unumgänglich, wenn sichergestellt sein soll,
dass auch alle finanziellen Mittel wirklich den Bedürftigen zugute kommen.
In der Zentrale von Malteser International wird bereits weiter gedacht und geplant: Die
Gesundheitszentren in Swat, die von den Überschwemmungen beschädigt wurden, sollen wieder
aufgebaut werden und die Krisenreaktionsfähigkeit aller Gesundheitszentren muss gestärkt werden
– denn das nächste Erdbeben, die nächste Flut kommen bestimmt.
Anmerkung der Redaktion: Die Bundesregierung stellt für die humanitäre Hilfe angesichts des
Ausmaßes der Katastrophe 25 Millionen Euro bereit. Die bereitgestellten Mittel fließen in
Organisationen der Vereinten Nationen und deutsche Nichtregierungsorganisationen wie Malteser
International.Auch innerhalb der EU engagiert sich Deutschlandfür Pakistan: Rund 20 Prozent der
70 Millionen Euro, die als europäische Nothilfe nach Pakistan fließen, stammen aus Deutschland.
Die Überschwemmung in Pakistan stellt alle Hilfsorganisationen und Helfer vor eine
Herausforderung von nie gekanntem Ausmaß. Nie zuvor warens so viele Menschen von einer
Naturkatastrophe betroffen.
Kontext
Malteser International
Pakistan braucht unsere Hilfe
Not- und Übergangshilfe
Trinkwasser in Katastrophensituationen
Landesinformationen zu Pakistan
Foto: Unicef
Grundbildung für alle Kinder
Grundbildung
Lesen und Schreiben fördern
Weltweit gibt es derzeit noch fast 776 Millionen Jugendliche und Erwachsene, die nicht lesen und
schreiben können. Ein Ziel der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft
und Kultur (Unesco) ist es, diese Situation zu verbessern. Sie hat deshalb den 8. September zum
Welttag der Alphabetisierung erklärt. Dieser Tag soll daran erinnern, dass es in vielen Ländern
noch ein Privileg ist, lesen und schreiben zu können.
In der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen verpflichtet sich die internationale
Gemeinschaft, bis zum Jahr 2015 allen Kindern Zugang zur Grundbildung zu verschaffen. Bildung
ist ein Menschen-recht. Eine wichtige Aufgabe der deutschen Entwicklungspolitik ist es, diese zu
fördern. Bildung ist aber auch eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltige menschliche
Entwicklung und für die Überwindung von Armut.
Vor allem die Grundbildung fördert die Alphabetisierung. Der deutsche Beitrag konzentriert sich auf
die Länder, in denen die Förderung der Grundbildung bereits ein vereinbarter Schwerpunkt der
Entwicklungs-zusammen-arbeit ist. Dazu gehört unter anderem auch der Jemen. Die Republik
Jemen ist ein vergleichsweise junger Staat. In ihrer heutigen Form existiert sie erst seit 1990. Sie
liegt im Süden der Arabischen Halbinsel und grenzt an Saudi-Arabien und den Oman.
Bildung und Gleichberechtigung
Der Jemen ist eines der am wenig-sten entwickelten Länder der Welt. Die Menschen kämpfen
täglich gegen die weit verbreitete Armut. Nur zwei Drittel der Kinder gehen zur Schule; mehr als die
Hälfte der Mädchen sind vom Schulbesuch ausgeschlossen. Das Ziel der Regierung, bis 2015 allen
Kindern den Zugang und den erfolgreichen Abschluss der neunjährigen Grundschule zu
ermöglichen, ist ernsthaft gefährdet. Gründe hierfür sind unter anderem
hohes Bevölkerungswachstum und Armut.
Foto: Unicef
Mädchen häufig von Bildung ausgeschlossen
Vor Ort fördern die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die KfW
Entwicklungsbank (KfW) sowie der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) zum Beispiel die
Anschaffung von Büchern und eine mädchenfreundliche Umgestaltung der Schulgebäude. In einem
islamischen Land wie dem Jemen ist es besonders wichtig, dass sich Mädchen angstfrei und
sittengemäß auf dem Schulgelände bewegen können. Gerade Mädchen werden früh verheiratet
oder sollen lieber im Haushalt und auf dem Feld helfen. Nach und nach erkennen jedoch immer
mehr Eltern, dass eine gute Ausbildung wichtig ist.
"Investitionen in Bildung für Mädchen sind die wirksamsten Einzelinvestitionen, die ein
Entwicklungsland vornehmen kann. Die Ausbildung von Mädchen wirkt auf alle Dimensionen der
Entwicklung: geringere Kinder- und Müttersterblichkeit, eine geringere Fruchtbarkeitsrate, höherer
Bildungsstand bei Töchtern und Söhnen, höhere Produktivität und besserer Umgang mit der
Umwelt." (Quelle: Studie der Weltbank)
Auch die Eltern sollen sich in Vater- und Mutterräten aktiv in den Schulalltag einbringen. Erste
Erfolge zeichnen sich ab: Wo sich Elternräte engagieren, werden mehr Kinder eingeschult und
diese verbleiben auch länger in der Schule. Das gilt insbesondere für Mädchen. Auch die
Kooperation zwischen Schule und Gemeinde wird durch Einbeziehung der Elternräte gefördert.
Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder
Deutschland unterstützt den Jemen bereits seit Mitte der Neunzigerjahre im Grundbildungssektor.
2002 wurde eine langfristige Zusammenarbeit vereinbart und das "Programm zur Verbesserung der
Grundbildung" gestartet. Für die Laufzeit von 2002 bis 2011 ist ein deutscher Beitrag in Höhe von
47 Millionen Euro geplant.
Schwerpunkte des Programms sind die Verbesserung der Qualität der Bildungseinrichtungen auf
allen Ebenen, die Verbesserung der Lehrerfortbildung. Weitere Ziele sind die Förderung der
Mädchenbildung sowie die Verbesserung der Infrastruktur, zum Beispiel der Schulen, der
Schulausstattung und der Schulbehörden. GTZ, KfW und DED arbeiten dabei Hand in Hand.
Durch Maßnahmen der jemenitisch-deutschen Entwicklungszusammenarbeit zur Verbesserung der
Grundbildung soll die Armut bekämpft und die Situation von Kindern verbessert werden. Dazu wird
das jemenitische Bildungsministerium bei seinen intensiven Reformbemühungen unterstützt. 2007
lag der Anteil der Kinder im schulpflichtigen Alter, die eine Grundschule besuchen, bei 75 Prozent.
Diese Situation soll weiter verbessert werden.
Kontext
Unesco Alphabetisierung
Grundbildung
Länderinformation Jemen
Bildung ist Zukunft
Foto: Alixandra Fazzina/NOOR
Gefährliche Fahrt ins Ungewisse
Flüchtlinge
Nansen-Award 2010: Flüchtlingen eine Stimme geben
Die britische Fotojournalistin Alixandra Fazzina, die Salima fotografierte, erhält in diesem Jahr den
mit 100.000 US-Dollar dotierten Nansen Award. Der Preis wird jährlich an eine Person oder
Organisation verliehen, die sich für Flüchtlinge in herausragender Weise engagiert.
Die Jury des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) lobte den
unermüdlichen Einsatz der Fotografin für bedrängte Flüchtlinge, der das Bewusstsein für Flucht
und Vertreibung schärft. "In ihren Bildern zeigt sie eindrucksvoll und überzeugend das Leid des
Krieges und dessen Folgen sowie die Notlage von Flüchtlingen und Vertriebenen, die wachrütteln".
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres: "Alixandra Fazzina sei unerschrocken und vom
humanitären Gedanken geprägt. Ihr besonderes Talent, ihr Einsatz und Mitgefühl machten sie zu
einer beispielhaften Chronisten der Schutzlosen dieser Welt."
Der Nansen-Preis wurde 1954 zu Ehren von Fridtjof Nansen, dem norwegischen Entdecker,
Wissenschaftler und ersten Flüchtlingskommissar des Völkerbundes ins Leben gerufen. Der
Nansen-Preis ist mit 100.000 US-Dollar dotiert, der von der schweizerischen und norwegischen
Regierung gestiftet wird. Der Preisträger bestimmt, wofür die Summe eingesetzt werden soll. Die
diesjährige Preisverleihung findet am 5. Oktober 2010 in Genf statt.
Foto: Alixandra Fazzina/NOOR
Chronistin der Schutzlosen: Alixandra Fazzina
Alixandra Fazzina verbrachte zwei Jahre in Somalia und dokumentierte den Exodus von Migranten
und Flüchtlingen aus Somalia auf die Arabische Halbinsel und das Schmuggelgeschäft im Golf von
Aden. Ihr Buch, "A Million Shillings, Escape from Somalia", wird im September 2010 veröffentlicht.
Lesen Sie dazu die wahre Geschichte von Salima aus Mogadischu, die Alixandra Fazzina
schonungslos erzählt: (gekürzt):
Salimas Geschichte
Von Alixandra Fazzina
Salima ist 19 und trägt roten Lippenstift. Aber ihre Kleidung gehört nicht ihr – sie mag sie nicht und
ist ganz verschüchtert.
Salima wohnt vorläufig in den müllgesäumten Wegen von Basatine (Somalia) in einem dunklen,
vollen Raum eines Hauses, das einer Bande von Menschenschmugglern gehört. Vier dieser
geheimen Häuser gibt es in dem Elendsviertel.
Junge somalische Männer und Frauen werden von hier nach Saudi Arabien geschickt, in der
Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben. Sie sind vor der andauernden Gewalt in ihrem
Heimatland geflohen. Jetzt müssen sie so lange bei den Schmugglern bleiben, bis sie 25 US-Dollar
für die Fahrt in die Wüste beisammen haben. Es kann Wochen dauern, bis dieses Geld beisammen
ist.
Im Moment versucht es Salima mit Betteln. Sie kommt jeden Abend aus der Stadt zurück, um auf
einer abgenutzten Matratze zu schlafen. Wenn sie zu spät kommt, muss sie mit dem blanken
Boden vorlieb nehmen – zusammen mit 20 anderen Frauen, die den kargen Raum mit ihr teilen.
Weit von der Heimat und ohne eine andere Möglichkeit, ist dies jedoch alles, was sie haben.
Salima ist völlig ausgelaugt. Die letzten sechs Wochen ihres Lebens waren ein Albtraum.
Ein friedliches Leben im Krieg
Salima wuchs in Mogadischu auf. Obwohl sie in ihrem Leben nur Krieg erlebt hatte, wollte sie
bleiben. Mit ihrem Baby und dem geliebten Mann lebte die kleine Familie in einem kleinen Haus.
"Es war unser Heim. Mein Lieblingsplatz auf der Welt." Und Salima war schwanger.
Eines Morgens waren in der Ferne Gewehrsalven zu hören. Salima ging schnell zum Bäcker, um
Brot für das Frühstück zu holen. Plötzlich sank ein Mann vor ihr auf der Straße zu Boden, getroffen
von einer verirrten Kugel. Hinter sich hörte sie das Kreischen einer Rakete, deren Explosion riss sie
zu Boden. Ein Teil ihres Hauses war von Mörsern durchsiebt. "Ich fand meinen Mann und mein
Kind – aber sie waren nicht mehr unter uns." Beide waren bei einem zufälligen Angriff von eben
jenen Soldaten getötet worden, die sie beschützen sollten.
Wie viele andere Familien, die alles verloren haben, hatte Salima nun genug. Ihre Mutter, Brüder
und Schwestern begannen ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, um auf der einzig sicheren
Straße raus aus der Stadt zu kommen: nach Süden in die Flüchtlingslager.
Aber Salima hatte eine andere Idee, weil sie gehört hatte, wie schlimm es dort sei. "Ich hatte
gerade meinen Mann und mein Kind verloren. Jetzt wollte ich meiner Mutter helfen – versuchen ihr
Leben ein wenig besser zu machen. Ich dachte, ich könnte helfen."
Die Schrecken der Flucht
Im siebten Monat schwanger, brach Salima nach Norden auf. Sie hatte viele Geschichten über die
Gefahren einer solchen Reise gehört. Doch ihre einzige Sorge war, lebend aus Mogadischu heraus
zu kommen. 20 Tage fuhr sie auf Lastwagen. Alle paar Kilometer kam es bei den Checkpoints zu
Gewalt, wenn Banditen die Passagiere einschüchterten und ausraubten. "Die Straße war
schrecklich. Ich hatte solche Angst." Eine Frau im Wagen davor wurde mit vorgehaltener Waffe
vergewaltigt; Salima versuchte einfach nichts an sich herankommen zu lassen. Ihre letzte Nacht in
Somalia verbrachte sie in den Bergen nahe der Küste bei Bossaso.
Am Morgen wurde sie mit über 120 anderen aus dem Wasser in ein kleines hölzernes Boot
gezogen, das sie nach Jemen bringen sollte. "Die Mannschaft hatte Gin getrunken und Haschisch
geraucht. Aber als sie sahen, dass ich hochschwanger war, erlaubten sie mir, meine Beine
auszustrecken." Alle anderen mussten mit angewinkelten Beinen, die Knie unter dem Kinn, sitzen.
Die Crew, bewaffnet mit Pistolen, Messern und Hammern, drohte jeden zu erschlagen, der das
wackelige Boot zum Wanken brächte. "Die See war rau und ich begann Krämpfe zu bekommen."
Salima wollte nicht glauben, dass sie Wehen bekam und versuchte still zu sein.
In der Nacht bettelte ein Mann nach etwas Wasser zum trinken; die Schmuggler stachen ihn nieder
und warfen ihn über Bord. Dann begann Salima zu bluten. Sie wimmerte leise und ihre
Sitznachbarn flehten sie an, sie möge still sein. Alle hatten Angst geschlagen zu werden. Als das
Blut auf die Männer unter ihr tropfte, bemerkte die Crew, dass sie ihr Kind bekommen würde, bevor
sie die Küste Jemens erreicht hätten.
Erst war sie sicher, dass sie ihr zu helfen versuchten. Sie wurde in den Bug des Bootes gebracht
und sie wuschen das Blut mit Seewasser fort. Dann wurde sie ohnmächtig. Das Einzige, an das sie
sich erinnern kann, als sie wieder zu Bewusstsein kam, ist, dass einer der Männer ihr
neugeborenes Baby wie einen Ball ins Meer warf. "Mein Baby war das Einzige, das mir von
meinem Mann geblieben war."
Als sie auf dem verlassenen Strand im Jemen ankamen, wurde Salima im Aufnahmezentrum vom
UNCHR registriert. Sie wurde von einem Arzt untersucht, konnte jedoch nicht über das reden, was
passiert war.
Es ist noch immer schwer für sie. Es ist gerade mal sechs Wochen her, dass Salima zum Bäcker
ging. Sie ist ein zerbrechlicher Teenager, völlig traumatisiert und allein; und darum ist sie jetzt
wieder bei den Schmugglern. Sie sagt, dass sie dahin geht "Wo Allah mich hinbringt".
Wahrscheinlich wird sie die nächsten Jahre ihres Lebens als Hausmädchen in Saudi-Arabien
"versklavt" sein.
Kontext
Der Nansen-Flüchtlingspreis
Bisherige Nansen-Flüchtlingspreisträger
UNHCR: Nansen Refugee Award (englisch)
Video: Wer ist ein Flüchtling?
Schulmaterialien zum Thema Flüchtlinge
UNHCR-Weltflüchtlingsstatistik 2009
Partnerland Äthiopien
Bundesentwicklungsminister Niebel trifft Almaz Böhm
Länderinformationen zu Äthiopien
Foto: DBWTI
Vertragsunterzeichung: Die Grundlage für die Partnerschaft ist gelegt
Brasilien
Umweltfreundliche Technologien für Brasilien
Das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien wird wahrscheinlich im
Mineirao-Stadion in Belo Horizonte stattfinden. Im sonnenverwöhnten Brasilien wird das Dach des
Mineirao- und das der anderen WM-Stadien bis spätestens zur Weltmeisterschaft mit Solarenergie
ausgerüstet werden. Mauro Passos von der brasilianischen Nichtregierungsorganisation Instituto
Ideal (Institut für die Entwicklung alternativer Energie in Lateinamerika) konnte schnell Partner aus
Brasilien und Deutschland für dieses Projekt gewinnen.
Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums begleiten und finanzieren die Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit und die KfW Entwicklungsbank den Umbau der Stadien. Deutsche
Unternehmen liefern dafür die Technologie. Von der Zuverlässigkeit der Solartechnik konnten sich
die brasilianischen Energieversorger und Stadionbetreiber bereits bei einem Besuch des Bremer
Fußballstadions überzeugen.
Deutsch-Brasilianisches Jahr der Wissenschaft
Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien auf dem Gebiet der Wissenschaft und
Forschung verbindet seit mehr als 40 Jahren. Um diese erfolgreiche Zusammenarbeit zu würdigen
und ihr neue Impulse zu geben, haben die Forschungsministerin Annette Schavan und der
brasilianische Forschungsminister Sergio Rezende im Frühjahr 2010 in Sao Paulo das DeutschBrasilianische Jahr der Wissenschaft, Technologie und Innovation 2010/11 eröffnet. Unter dem
Motto "nachhaltig: innovativ" finden in beiden Ländern bis April 2011 zahlreiche Aktivitäten statt.
Foto: DBJWTI
Logo des gemeinsamen Wissenschaftsjahres
Brasilien ist Deutschlands wichtigster Partner in Südamerika. Im Wissenschaftsjahr werden beide
Länder neue Wege auf den naturwissenschaftlich-technischen Zukunftsfeldern beschreiten. Ganz
oben auf der Agenda stehen unter anderem die Umweltforschung, erneuerbare Energien und
Energieeffizienz. Beide Länder wollen vor allem durch neue gemeinsame Projekte und einen
stärkeren Austausch von Studierenden und Forschern die Beziehungen ausbauen. Dadurch soll die
Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden.
Brasilien gehört zu den sogenannten Schwellenländern, die sich umfassend vom Entwicklungszum Industriestaat wandeln. Aufgrund seiner zentralen Rolle für die politische und wirtschaftliche
Entwicklung Lateinamerikas ist Brasilien eines der Ankerländer der deutschen Zusammenarbeit.
Trotz einer gezielten Armutsbekämpfung der brasilianischen Regierung leben noch immer mehr als
20 Prozent der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze.
2006 haben Deutschland und Brasilien ihre Entwicklungszusammenarbeit neu ausgerichtet. Der
Entwicklungsstand und die gewachsene globale und regionale Bedeutung Brasiliens sollten stärker
berücksichtigt werden.
Als Schwerpunkte der Kooperation wurden 2009 bei Regierungsverhandlungen der Schutz des
Tropenwaldes und die Förderung von erneuerbaren Energien vereinbart.
Neben dem Bildungsministerium sind auch das Bundesentwicklungsministerium sowie das
Bundesumweltministerium an der Förderung beteiligt. Deutschland hat für die Zusammenarbeit 264
Millionen Euro zugesagt.
Schutz des Tropenwaldes
Der Erhalt der Amazonas- und Küstenregenwälder ist für den Schutz der biologischen Vielfalt und
des weltweiten Klimas von großer Bedeutung. 60 Prozent der Gesamtfläche Brasiliens werden von
Regenwäldern bedeckt.
Ziel ist es, einen besseren Ausgleich zwischen Brasiliens Interessen an wirtschaftlicher Nutzung
des Amazonasgebietes und Belangen des Tropen- und Klimaschutzes zu schaffen. Unter anderem
konzentriert sich die Zusammenarbeit darauf, weitere Flächen zum Schutz der indigenen
Bevölkerung und weitere Naturschutzgebiete auszuweisen.
Erneuerbare Energien
Deutschland unterstützt Brasilien bei der Umsetzung einer klimaneutralen und nachhaltigen
Energiepolitik. Durch politische Beratung und mit Krediten für Investitionen in regenerative Energien
unterstützt Deutschland Brasilien beim Einsatz erneuerbarer Energien. Gefördert wird zum Beispiel
die Instandsetzung von Kleinwasserkraftwerken und auch die Ausstattung der Fußballstadien mit
Solardächern. Damit trägt Deutschland zur Energiesicherheit Brasiliens bei und dient gleichzeitig
dem regionalen und globalen Umwelt- und Klimaschutz.
Da Brasilien sich immer stärker als Geber in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert, arbeitet
Deutschland mit Brasilien auch in der Form von Dreieckskooperationen zusammen. Durch
Technologie- und Wissenstransfer wird Brasilien dabei unterstützt, eigene Entwicklungsvorhaben in
Drittländern umzusetzen. Auf diese Weise kommen Erfolge der brasilianisch-deutschen
Zusammenarbeit auch anderen Ländern zugute.
Kontext
Deutsch-Brasilianisches Jahr der Wissenschaft
Politischer Rahmen der Zusammenarbeit in Forschung und Bildung
Länderinformation zu Brasilien
Belo Horizonte: Fußball, Musik und Capoeira
Die GTZ in Brasilien
Naturschutz in den Anden
"Meine Tante hatte mal einen Kondor im Kochtopf"
Wie die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des
Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und die deutsche Botschaft in Ecuador versuchen, den
Andenkondor zu retten.
Foto: picture-alliance / dpa
Nationalvogel und Wappentier: Der Andenkondor
Von Oliver Hölcke, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
Hübsch ist er gerade nicht, aber imposant. Seine Flügellänge von dreieinhalb Metern ist
furchteinflößend und majestätisch. Das hat dem Andenkondor wohl auch den Status als
Nationalvogel und Wappentier in den vier südamerikanischen Staaten Ecuador, Kolumbien,
Bolivien und Chile eingebracht.
Die Liebe der Nationen reicht für diverse nationale und binationale Programme, aber schützt ihn
nicht vor der Bedrohung auszusterben. Jedes Jahr ziehen immer weniger Kondore ihre großen
Kreise im Andenhimmel. Jetzt haben die GTZ, die Deutsche Botschaft in Ecuador zusammen mit
dem dortigen Umweltministerium und anderen Institutionen ein umfassendes Schutzprojekt
gestartet. Es soll direkt den Kondor, aber auch sein Ökosystem schützen und vor allen Dingen die
Bevölkerung aufklären und ökonomisch unterstützen.
Foto: GTZ
Joep Hendriks (links) mit Segundo Fuentees vom Umweltministerium und Miriam Factos von der GTZ
Nur noch 40 bis 50 Exemplare
Im kleinsten Andenstaat Ecuador leben derzeit noch 40 bis 50 Exemplare. Vor 15 Jahren waren es
noch ungefähr 70. Die Gründe für das rapide Aussterben der Tiere sind nicht genau geklärt. "Lange
hat man geglaubt, es läge am mangelnden Futter, dass die Tiere immer weniger werden", sagt
Joep Hendriks. Er ist der Direktor der Cóndor Stiftung, die ihren eigenen Park am Fuße des
erloschenen Vulkans Imbabura rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Quito eingerichtet hat.
"Doch nach umfangreichen Beobachtungen kann das nicht der Fall sein, es gibt in der Region
genügend Aas für den Vogel." In dieser Andenregion hat man mit rund 30 Exemplaren die meisten
Kondore in Ecuador gezählt und auch zwei Nester gefunden.
Der Andenkondor kann bis zu 50 Jahre alt werden und ein Gewicht von 13 Kilogramm erreichen.
Bei einer Körperhöhe bis zu 1,5 Meter kann seine Flügelspannweite an die 3,5 Meter erreichen.
Das Weibchen legt alle zwei Jahre ein Ei. Der Aasfresser ist in den Anden zwischen Venezuela im
Norden bis tief in den Süden Chiles vorzufinden. Meist ist der Kondor in einer Höhe von über 3.000
Metern zuhause. Sie sind meisterhafte Flieger und können bis zu 8.000 Meter über der Erde
gleiten. Als Vergleich: Ein Passagierflugzeug hat in der Regel eine Flughöhe von circa 10.000
Metern.
Hendriks führte diverse Umweltbildungsworkshops mit Kindern der Umgebung durch. Da hörte er
von den Kids ab und an erstaunliche Sätze wie: "Meine Tante hatte mal einen Kondor im Kochtopf".
Auf der einen Seite kann die Fantasie eines Kindes schon mal aus einer Taube einen Kondor
machen. Aber auf der anderen Seite hat man schon verletzte Tiere mit Schrotkorn und mit
kleinkalibrigen Kugeln im Körper aufgefunden. Joep Hendriks lässt die Theorie allerdings eher
schmunzeln, dass der Kochtopf der Tante die Hauptursache der Bedrohung sein könnte.
Das Internet als Beobachtungsposten
Foto: GTZ
Aufbau einer Kondor-Futterstelle, finanziert von der Deutschen Botschaft
Als Start für das neue Projekt wurde in der Nähe des Vulkangipfels eine Futterstelle für den Kondor
eingerichtet. Sie soll gleichzeitig Schutzraum, aber auch Beobachtungsplatz werden, an dem
Forscher das Verhalten der Tiere ergründen können. Bis zu fünf weitere Futterstellen sind geplant,
die nach einem bestimmten System mit Aas bestückt werden, um den Futtersuchzwang der Tiere
nicht zu beeinflussen.
Vom Umweltministerium kam zudem die Erlaubnis, Kondore zu fangen, um an ihnen einen Sender
anzubringen und ihre Flugrouten zu verfolgen. Dabei wird ein Veterinär die Tiere
untersuchen. Weitere Feldarbeit soll dann außerdem an den Vulkanen Cotopaxi und Antisana
durchgeführt werden. Geplant ist zudem, eine Kamera an der Futterstelle anzubringen, um die
Vögel auch im Internet beobachten zu können.
Foto: Erlebnis-Zoo Hannover
Das Kondorweibchen legt nur alle zwei Jahre ein Ei
Der Regionaldirektor des ecuadorianischen Umweltministeriums, Segundo Fuentes, begründet,
warum sich sein Haus an dem Projekt beteiligte: Zum einen "weil der Kondor eine immense
Symbolkraft für das Land hat und weil er ein Indikator für ein intaktes Ökosystem ist." Man werde
daher einen Antrag auf die Einrichtung eines Naturschutzreservates für dieses Gebiet auf den Weg
bringen, um auch die unmittelbare Umgebung zu schützen. Gemeinsam mit der GTZ (im Auftrag
des BMZ) werde sein Ministerium diesen Antrag stellen, so Fuentes.
Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt
Foto: Deutsche Botschaft in Quito
Unterstützung des Kondorparks durch die Deutsche Botschaft: Botschafter Linder mit Indigenen
Peter Linder, der neue deutsche Botschafter in Quito, machte seinen ersten Projektbesuch auch
gleich zum Kondorpark. Für ihn ist besonders wichtig, "dass durch dieses Projekt ein Beitrag zum
Erhalt der Biodiversität geleistet und damit insbesondere auf die Verletzbarkeit des Kondors
aufmerksam gemacht wird."
Große Teile des zukünftigen Naturschutzgebietes werden allerdings noch landwirtschaftlich
genutzt. Ein Ausbildungsprogramm zu ökologisch, nachhaltiger Landwirtschaft richtet sich daher an
die Landwirte. Sie haben bislang eher konventionell mit Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln
ihre Felder bewirtschaftet und damit unwissentlich zur Verunreinigung des Wassers beigetragen. In
dieser Zone gibt es circa 35 Quellen, aus denen nicht nur die Bewohner aus der unmittelbaren
Umgebung, sondern auch die Städter ihr Wasser beziehen.
Für Miriam Factos, Projektleiterin der GTZ, ist die Aufklärung der Leute unverzichtbar: "Wir müssen
die Leute darüber aufklären, woher das Wasser eigentlich kommt. Sie müssen wissen, wie es
verunreinigt wird und dadurch auch für die im Dorf auftretenden Krankheiten mitverantwortlich ist."
Es werden Workshops durchgeführt, in denen es um Umweltbildung geht. Auch gilt es, das
unsägliche Vorurteil auszuräumen, dass der Kondor lebende Tiere reißen würde. Außerdem will
man mehr darüber wissen, wie die Menschen über den Kondor denken, ob sie ihn tatsächlich
schießen oder aus den Nestern holen. Es soll auch in Erfahrung gebracht werden, welche
kulturhistorischen Überlieferungen sie über den Kondor kennen.
Ökotourismus - Bewohner mit einbeziehen
Die Gemeindebewohner werden in das Projekt, das auf zwei Jahre angesetzt ist, einbezogen.
"Diese Gegend ist strategisch wichtig, aber es existiert noch kein Bewirtschaftungsplan. Den
werden wir gemeinsam mit den Kommunen und der Provinzverwaltung erarbeiten", sagt Miriam
Factos. Es fanden sich bereits Dorfbewohner, die in einer Art Freiwilligenarbeit (Minga) den steilen
Weg hin zur Futterstelle begehbar gemacht haben. Für mindestens ein Jahr wird auch eine Person
dafür bezahlt, die Futterstelle in Ordnung zu halten.
Die Provinz Imbabura ist bekannt für ihre wunderschönen Seen und einen gut funktionierenden
Ökotourismus. Auf den indigenen Kunsthandwerkermarkt der Stadt Otavalo strömen Woche für
Woche viele Touristen. Doch der wirtschaftliche Aufschwung kommt in den Gemeinden rund um
den Vulkan Imbambura, nur 20 Minuten von Otavalo entfernt, nicht so recht an. Die GTZ will daher
durch das Kondorschutzprogramm auch den umweltverträglichen und nachhaltigen Tourismus
stärken, der dann letztendlich den Einwohnern als Erwerbsquelle zugutekommt.
Kontext
Der Kondorpark von Imbabura
Die Deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Ecuador
Landesinformationen zu Ecuador
Deutsche Hilfe beim Waldschutz in Ecuador
Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Ecuador
Foto: action medeor/Barbara Kühlen
Medizinische Hilfe aus Naturpflanzen
Gesundheit
Ecuador: Traditionelles Wissen nutzen
Von Barbara Kühlen, Leiterin Entwicklungszusammenarbeit, action medeor e.V.
Im Hochland von Ecuador verbessern Gesundheitspromotoren die medizinische Basisversorgung
in indigenen Gemeinden und verbinden dabei Schulmedizin und traditionelle Heilmethoden.
Mühsam ruckelt der Jeep die Bergstraße hoch, durch Schlaglöcher hindurch an einer Schafherde
vorbei. Über lange Zeit kein Auto weit und breit. Auf fast 4.000 Meter Höhe wird die Luft dünn.
Dicker Nebel liegt auf den Feldern. Viel wächst hier oben nicht. Zwei Stunden dauert die Fahrt von
Riobamba, der Hauptstadt der Provinz Chimborazo, nach Totoras Llulín.
Hier oben leben Manuel, Delfina und María Elena, Gesundheitspromotoren, die mit Unterstützung
von action medeor und finanzieller Förderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung ausgebildet wurden. Sie kümmern sich um Notfälle, aber auch
um Vorsorge und medizinische Grundversorgung von rund 85 Familien.
Foto: action medeor/Barbara Kühlen
Gesundheitsposten für die ländliche Bevölkerung
"Früher mussten wir viele Stunden laufen, wenn einer krank wurde", sagt Manuel. "Im staatlichen
Gesundheitszentrum wurden wir oft schlecht behandelt." Nun gibt es direkt im Dorf Beratung und
eine medizinische Grundversorgung.
Ein Familienvater erzählt von seiner Erleichterung darüber, dass die Hilfe nun schnell zu erreichen
ist und die teure – und im Notfall zu lange – Fahrt in die Stadt nicht mehr nötig ist, wenn
beispielsweise ein Kind krank wird.
In Chimborazo, der zweitärmsten Provinz Ecuadors, gibt es viele Orte wie Totoras Llulín: klein, von
der Welt abgeschnitten und unterversorgt. Die Menschen leben meist von
Subsistenzlandwirtschaft, die Mehrzahl von ihnen un-terhalb der Armutsgrenze. Viele Kinder sind
unter- und fehlernährt und von vermeidbaren Krankheiten bedroht.
Die wenigen staatlichen Einrichtungen liegen weit entfernt und sind aufgrund von Geldmangel und
der schlechten Infrastruktur kaum erreichbar. Oft fehlt es zudem selbst dort an Ausstattung und
Personal. Der ländliche Raum ist nicht attraktiv, insbesondere junge Ärzte bevorzugen urbane
Zentren.
Die Diskriminierung der indigenen Bevölkerung ist Alltag, Sprachbarrieren und Kultur-unterschiede
erschweren die Kommunikation. "Wenn sie unseren Poncho sehen, wollen sie uns schon gar nicht
behandeln", erzählt ein Gesundheitspromotor.
Bessere Basisversorgung durch Promotoren
Die Gesundheitspromotoren richten in ihren Gemeinden Gesundheitsposten ein. So ist in den
letzten acht Jahren ein Netz zur Basisversorgung mit rund 120 kleinen und fünfzehn größeren
Posten entstanden. Es dient gleichzeitig als Referenzzentrum. Land, Baumaterial und Arbeitskräfte
dafür stellt jeweils die Dorfgemeinschaft.
Die Ausbildung berücksichtigt das indigene Weltbild und Gesundheitsverständnis und verknüpft
traditionelle Naturheilmethoden mit denen der Schulmedizin. Ärzte und Naturheiler vermitteln
Grundlagen in Schul-, Natur- und Zahnmedizin sowie in sexueller und reproduktiver Gesundheit.
Aber es gehört mehr dazu: "Ein guter Gesundheitspromotor muss die Menschen ernst nehmen, sie
motivieren und überzeugen", sagt Gerardo Chacón, Projektleiter der ecuadorianischen
Organisation Yachachic, dem Partner von action medeor.
Zur Sicherung der nachhaltigen Versorgung mit kostengünstiger – und somit auch für die arme
Bevölkerung erschwinglicher – Medizin, erlernen die Promo-toren die Her-stellung von
Natur-arz-neien aus Pflanzen, die sie in kommunalen Gärten anbauen. Der Erhalt und die
Weitergabe traditioneller Heilmethoden stärkt zudem die kulturelle Identität und das
Selbstbewusstsein der indigenen Bevölkerung. Das ist wesentlich für den Erfolg des Projektes. In
einem "Handbuch des Gesundheits-promotors" werden Krankheitsbilder, Diagnosen und Therapien
sowie die korrekte Verwendung von Heilpflanzen aufgeführt. So können die Promotoren ihr Wissen
immer wieder auffrischen.
Ein Huhn für eine Sprechstunde
Foto: action medeor/Barbara Kühlen
Sprechstunde beim Promotor
Knapp 200 Gesundheitspromotoren wurden in den vergangenen acht Jahren in drei Projekten
ausgebildet. Jeder Promotor versorgt mindestens zwei Gemeinden, bietet regelmäßige
Sprechstunden an und führt Hausbesuche durch. Die Promotoren leisten Gemeinde-Sozialarbeit –
hauptsächlich aus Solidarität, nur selten gegen Geld, mal für Eier, ein Mittagessen, etwas Mehl
oder ein Huhn.
Prävention und Information sind zentral. Die Promotoren sprechen in Schulen oder
Gemeindeversammlungen über Gesundheitsvorsorge, Hygiene und Ernährung und sensibilisieren
für Gesundheitsgefahren. Regelmäßige Radioprogramme und -spots auf Spanisch und Quechua,
Interviews und Poster informieren über das Projekt, über Krankheitssymptome, Präventions- und
Heilungsmög-lichkeiten.
Fortschritte sind sichtbar
Der Erfolg ist spürbar. Viele Familien ernähren sich gesünder, die hygienische Situation ist besser
geworden. Vorsorge wird ernst genommen, Krankheiten werden früher erkannt und behandelt.
Grenzen setzen zuweilen die auseinanderdriftenden Weltanschauungen. Wie Gerardo Chacón,
Projektleiter von Yachachic, schildert, waren viele der Angesprochenen verwundert, als man sie
aufforderte, sich nach der Feldarbeit vor dem Essen die Erde von den Händen zu waschen: "Wie
soll Mutter Erde ‚dreckig‘ oder gar schädlich sein, wenn wir doch Teil von ihr sind, aus ihr
entstehen und zu ihr zurückgehen?" Pachamama, die Erde, ist die Fruchtbarkeitsgöttin der
Quechua.
Ein etwas zweischneidiges Zeichen des Erfolges ist, dass andere Organisationen gut ausgebildete
Gesundheitspromotoren abgeworben haben. In ihren Heimatdörfern stehen sie dann nicht mehr zur
Verfügung, aber sie erreichen anderswo als Multiplikatoren vermutlich sogar mehr Menschen. Und
da pro Gemeinde in Chimborazo zwei Promotoren ausgebildet werden, ist durch diesen "Brain
Drain" bislang keine Versorgungslücke entstanden.
Kontext
action medeor e.V.
Länderinformation Ecuador
Gesundheit - ein Menschenrecht
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