aktuell - dbb beamtenbund und tarifunion

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aktuell - dbb beamtenbund und tarifunion
aktuell
10. Jahrgang
Inhalt
Editorial
Editorial:
Wendepunkte
Wendepunkte
1
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Bericht aus den Institutionen:
Oh Britannia/ Macht Europa dicht?/ Haushalt 2016
verabschiedet/ EWSA zu Asylpolitik und Lastenteilung/
Migration und Integration/ Parlament fordert Strategie
gegen Terror/ Bericht über Steuerabsprachen/ Sozialhilfe
auch für EU-Ausländer/Waffenrichtlinie wird verschärft/
Verbesserungen im Verkehrssektor/ Gemeinwohlauftrag der Post bestätigt
2-9
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dbb in Europa:
Arbeitsschutz: „EU-Parlament auf dem richtigen Weg“/
Blockade gegen EU-Frauenquote durchbrechen/ dbb
lehnt europäische Arbeitslosenversicherung ab/ EU will
gggg
Feuerwaffen
stärker kontrollieren
10-12
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Neues von der CESI:
Für Freihandel, unter bestimmten Voraussetzungen/
25 Jahre CESI/ CESI Youth: „Ängste abbauen und Flucht
verstehen“/ Heeger zum Jahreswachstumsbericht/
CESI-Youth trotzt Terrorwarnungen
13/14
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Bürger und Verbraucher:
Verschwimmende Grenzen
15
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Ausblick:
Vertrauen stärken
Termine
16-18
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Einblick:
Gespräch mit Gunther Krichbaum MdB
Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union im Deutschen Bundestag
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Impressum:
dbb beamtenbund und tarifunion
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19-21
Dezember 2015
Was ist das bloß für ein Jahr, das sich da dem Ende zuneigt?
Selbstverständlich Geglaubtes scheint in Auflösung begriffen. Das Überleben der Europäischen Union mit 28 Mitgliedern ist alles andere als sicher. Nicht nur weil die Briten die
aus ihrer Sicht allzu enge Union schon bald verlassen könnten. Eine tragende Säule dieser Union war ganz sicher das
längst in EU-Recht übergegangene Schengen-Abkommen.
Der Schengen-Raum befindet sich aber in voller Auflösung.
Der Druck der Flüchtlinge auf die EU gefährdet nicht nur die
Reisefreiheit. Er scheint die Union selbst zu sprengen.
Die Osteuropäer verweigern sich in der Flüchtlingskrise jeder
Zusammenarbeit. In Warschau hat die neue rechtskonservative Regierung die EU-Fahne abhängen lassen. Nur eine
Symbolhandlung? Vorbild für ihre innenpolitischen Ziele ist
das bereits autoritär regierte Ungarn. Das „neue Europa“
driftet ab. Und das „alte“? Separatistische Bewegungen
gefährden den Bestand mehrerer Nationalstaaten. Rechtspopulisten und –extremisten steigen wie in Frankreich nicht
nur in Umfragen zu stärksten Parteien auf. Brüssel arbeitet
derweil weiter an der Stabilisierung der Wirtschafts- und
Währungsunion. Auch die Euro-Schuldenkrise schwelt noch
immer. Die große Fluchtbewegung hat sie nur verdrängt.
Während der Eurogruppenchef sich schon Gedanken über
eine kleinere Union macht, gerät das krisengeschüttelte, in
seinem Zusammenhalt gefährdete Europa in immer größere
Abhängigkeit von äußeren Mächten. Russland, das einen
souveränen europäischen Staat überfallen hat, wird nach
den Attentaten von Paris als Bündnispartner in einem neuen
Antiterrorkrieg hofiert, an dem fortan auch Deutschland
militärisch beteiligt sein wird. Als ob Moskau nicht eigene
Interessen in der Levante und darüber hinaus verfolgte. Der
Türkei, deren autoritärer Präsident von einem neuen Osmanischen Reich träumt, werden Milliarden und die Visafreiheit
in Aussicht gestellt. Auch sollen Flüchtlinge aus der Türkei in
der EU aufgenommen werden. Die Gegenleistung, den großen Flüchtlingstreck an der Ägäis aufzuhalten, bleibt eine
vage Hoffnung.
All diese Entwicklungen markieren mögliche Wendepunkte
in der europäischen Geschichte. Wendepunkte, die sich
massiv auf Deutschland auswirken können. Ändern sich die
Koordinaten, in die der bundesrepublikanische Staat eingefügt ist, wird über kurz oder lang auch der Staat ein anderes
Gesicht bekommen, werden auch seine Bediensteten mit
anderen, ganz neuen Wirklichkeiten konfrontiert werden. Es
bleibt zu hoffen, dass möglichst viel von dem bewahrt wird,
was Deutschland 70 Jahre lang Freiheit, Frieden und Wohlstand gesichert hat.
Die Redaktion freut sich über Ihre Rückmeldungen, Gedanken und Anregungen und wünscht besinnliche Festtage.
10. Jahrgang
aktuell
Oh Britannia
nehmer aus diesen Ländern davon profitierten. Problematisch sind auch Forderungen, die den nationalen
Parlamenten in der Europapolitik deutlich mehr Rechte
zusprechen würden. Kritiker befürchten, dies würde zu
einer Dauerblockade führen.
Wie geht es weiter mit Großbritannien in Europa? Diese
Frage stellen sich nicht nur die Briten. Allein letztere
aber werden sie demnächst beantworten. Spätestens
Ende 2017 findet das lange angekündigte Referendum
über die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in
der Europäischen Union statt. Die Brexit-Debatte ist in
vollem Gange. Der britische Premierminister David
Cameron will seine Landsleute davon überzeugen, dass
sie Ja zum Verbleib in der Gemeinschaft sagen. Vorher
soll der Rest Europas aber einer Reform der EU zugestimmt haben, die weniger Europa bedeutet. Im November übermittelte Cameron seine Reformvorstellungen an den Präsidenten des Rates Donald Tusk. Was will
Cameron, und wie reagieren die von den Engländern
gerne so titulierten „Continentals“?
Reaktionen der Institutionen
„Ich glaube, die Briten befinden sich in einem Prozess
der Identitätsfindung“, sagt die Vorsitzende des Ausschusses für Konstitutionelle Fragen des Europäischen
Parlaments, die polnische EVP-Abgeordnete Danuta
Hübner. Der von ihr präsidierte Ausschuss ist mit den
britischen Reformforderungen befasst. Hübner zeigt
sich optimistisch, dass die Verhandlungen der EU mit
Großbritannien zu einem positiven Ergebnis führen
werden. Allerdings lasse sich kaum vorhersagen, wie die
britische Öffentlichkeit auf diese Ergebnisse reagieren
wird, zumal vor dem Hintergrund der europäischen
Migrationskrise. Hübner betont, dass das Parlament den
Verhandlungsergebnissen zustimmen muss. An die
britische Öffentlichkeit appelliert sie: „Wir möchten,
dass ihr in der EU verbleibt, doch ihr müsst die Entscheidung treffen. Denkt langfristig und denkt an die Welt
um euch herum.“
Camerons Forderungen
Bericht aus den Institutionen
Dezember 2015
Einige der britischen Forderungen werden leicht zu
erfüllen sein. Das gilt zum Beispiel für den Wunsch nach
besserer Rechtsetzung. Dass Brüssel sich auf wesentliche Aufgaben konzentrieren und regulatorisches KleinKlein vermeiden soll, ist nicht wirklich neu. Das spiegelt
sich auch bereits in einer deutlich zurückgenommenen
Arbeit der Europäischen Kommission. Die Initiativen für
Richtlinien und Verordnungen sind erkennbar weniger
geworden. Im Rahmen des REFIT-Programms wird der
europäische Rechtsbestand auf Entbehrliches durchforstet. Konsensfähig dürfte auch die Forderung nach
einer Weiterentwicklung des Binnenmarkts sein. Besonders für Deutschland als Handelsmacht ist das von
zentraler Bedeutung. Gerade hier wird immer wieder
betont, wie wichtig die britische Sichtweise auch für die
Deutschen ist. Zwar werden Freihandelsabkommen
inzwischen vor allem in Deutschland von einer sehr
kritischen Öffentlichkeit begleitet. Aus Sicht der Bundesregierung wird das britische Anliegen, TTIP verwirklicht sehen zu wollen, aber keine Einigungshürde darstellen. Selbst Camerons Aussagen zu währungspolitischen Fragen erscheinen zustimmungsfähig, beschreiben sie doch weitgehend den Status quo.
Die EU und Großbritannien: wie herzlich ist das Verhältnis noch?
Jean-Claude Juncker (links, in Umarmung mit Frankreichs Außenminister Laurent Fabius) und David Cameron
© European Union, 2015
Deutlicher wird der Chef der EU-Kommission: „Einen
Brexit wird es nicht geben“, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 18. November während
eines Bürgerdialogs in Brüssel. Er setze sich für einen
fairen Deal mit Großbritannien ein. EU-Ratspräsident
Donald Tusk warnte am 7. Dezember vor einer Destabilisierung der Europäischen Union, sollte Großbritannien
austreten. Für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Februar 2016 erwartet er Vorschläge für eine
Reform der EU, die den britischen Forderungen soweit
als möglich entgegenkommen.
Andere Forderungen werfen große Fragen auf, sind
auch ohne Vertragsänderung nicht umzusetzen. Das
betrifft nicht zuletzt den britischen Wunsch, das im EUVertrag verankerte Integrationsziel einer immer engeren Union aufzugeben. Nicht minder problematisch ist
die Vorstellung, die Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte
eingeschränkt werden. Diese Grundfreiheit ist eine der
tragenden Säulen der Europäischen Union, und ohne
grundlegende Vertragsreform kann es hier zu keinen
Änderungen kommen. Abgesehen davon dürfte gerade
dieser Wunsch auch keine Mehrheit in der EU finden.
Besonders die Osteuropäer sind geschlossen gegen ein
Aufweichen dieser Regeln, da besonders mobile Arbeit-
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aktuell
10. Jahrgang
Bericht aus den Institutionen
Reaktionen der Presse
Dezember 2015
seit über 300 Jahren bestehende Union mit Schottland
aufgelöst würde. Cameron, so viel steht fest, will das
ganz sicher nicht. Auf der anderen Seite steht eine notorisch europaskeptische Presselandschaft, stehen auch
finanzschwere Förderer einer Out-Kampagne. Offen ist,
wie das Wahlvolk sich am Tag der Abstimmung entscheiden wird, ob es die Interessen des Landes wägt
oder ob es getrieben wird von irrationalen Ängsten vor
Terror und Aversionen gegen Flüchtlinge. Aus kontinentaler Sicht bleibt zu hoffen, dass Cameron nicht zum
Zauberlehrling wird.
Die Presseschau eurotopics zeigt die Resonanz auf die
britischen Vorschläge in der europäischen Öffentlichkeit. Als ein „wahrhaftes Diktat“ bezeichnete die italienische Tageszeitung Avvenire am 11. November die
Forderungen aus London. Cameron wolle die EU in eine
„FUFMS“ umwandeln, eine „Flexible Union of Free
Member States“. Die slowakische Pravda äußerte am
gleichen Tag unter der Überschrift „Britisch Roulette für
Europa“ die Befürchtung, die EU könne Zugeständnisse
machen, die sie zurückwerfen und das Referendum
dann trotzdem scheitern. Die mittelosteuropäischen
Staaten lehnen vor allem die britische Forderung nach
Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab. Der
Schweizer Tagesspiegel sah demgegenüber gerade
hierin einen interessanten Punkt für die aufs engste
assoziierte, der EU jedoch nicht angehörende Schweiz.
„Für Länder wie die Schweiz, die nicht Mitglied werden
wollen, steigt die Aussicht auf flexible Lösungen – und
einen dritten Weg.“
Macht Europa dicht?
Über lange Jahre waren die offenen Grenzen eines der
wichtigsten Argumente für ein geeintes Europa. Unter
dem Eindruck einer großen Zahl Flüchtender, die über
die Grenzen in die EU und dort weiter hauptsächlich
nach Deutschland und Schweden fliehen, schließt ein
Land nach dem anderen wieder die europäischen Binnengrenzen. Regelmäßige Grenzkontrollen gehören an
vielen Grenzübergängen wieder zum Alltag. Ein Aussetzen der Schengenregeln für zwei Jahre wird diskutiert,
die Verträge bieten seit 2013 diese Möglichkeit. Zudem
regen Berlin und Paris an, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex könne auf eigene Veranlassung hin
Kräfte zur Sicherung der Außengrenzen in einzelne
Mitgliedstaaten entsenden. Das wäre eine neue Qualität der Souveränitätsabgabe in diesem Bereich. Gleichzeitig lehnten die Dänen in einer Volksabstimmung
eine vertiefte Zusammenarbeit über Europol ab.
Spätestens Ende 2017 entscheidet sich
der weitere europäische Weg der Insel
© Stephen Finn – fotolia.com
Der britische Historiker Timothy Garton Ash schrieb am
23. November in der spanischen Tageszeitung El País:
„Das Problem ist der Kontext, das Gefühl, dass Großbritannien nur seine eigenen, eng definierten Interessen
im Auge hat, dass die Politik Londons komplett vom
Druck der Euroskeptiker zu Hause diktiert wird, während der Rest des Kontinents durch eine Existenzkrise
geht.“ Die französische Le Monde kommentierte am 12.
November, die Reformvorschläge seien vernünftig und
angemessen. „Die Verhandlungen im Zusammenhang
mit dem britischen Referendum stellen eine rare Gelegenheit dar, Europa neu zu legitimieren.“ Den Euroskeptikern könnten so die Flügel gestutzt werden, hofft die
linksliberale Tageszeitung mit Blick auf die französische
Front National.
Die europäischen Innenminister diskutierten am 4.
Dezember in Brüssel, welche Maßnahmen für den
Schengenraum notwendig sind. Eine generelle Aufhebung der Regeln wurde nicht beschlossen, allerdings
wurde die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag
für Regeln zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen
für einen begrenzten Zeitraum vorzulegen. Voraussetzung dafür ist immer, dass die Mitgliedstaaten darin
übereinkommen, dass ein Staat bei der Sicherung der
Außengrenzen der EU nicht seinen Pflichten nachkommt und deshalb eine unsichere Situation für das
gesamte Unionsgebiet entsteht. Die Minister einigten
sich darauf, sich künftig stärker gegenseitig zu informieren, sollte aus Sicht eines Mitgliedslandes eine kurzfristige Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den
Binnengrenzen notwendig werden.
Alles in allem bleibt es dabei: Cameron stand mit dem
Rücken zur Wand, als er das Referendum ankündigte.
Die City will in der EU bleiben. Die Amerikaner warnen
London vor einem Bedeutungsverlust. Die Schotten
dürften im Falle eines EU-Austritts neu über ihren Verbleib im Vereinten Königreich abstimmen. Aus Great
Britain könnte schnell Little Britain werden, wenn die
Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Folge fordern die Innenminister Frankreichs
und Deutschlands, Bernard Cazeneuve und Thomas de
Maizière, in einem Brief an EU - Kommissar Dimitris
Avramopoulos einen deutlichen Ausbau der Rechte von
Frontex. In begründeten Ausnahmefällen soll sie auch
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aktuell
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Haushalt 2016 verabschiedet
dann zum Einsatz kommen, wenn ein Mitgliedstaat
nicht selbst darum gebeten hat. Demnach heißt es in
dem Schreiben: „Weil wir Schengen erhalten wollen,
müssen wir den Schutz unserer gemeinsamen EUAußengrenzen und das gemeinsame europäische Asylsystem dringend weiterentwickeln." Mehr Kompetenzen seien notwendig, „damit Frontex im Falle von
schwerwiegenden Mängeln bei den Außengrenzkontrollen auf der Grundlage einer von Frontex vorgenommenen Risikobewertung schnell hinzugezogen
werden kann“.
Bericht aus den Institutionen
Dezember 2015
Das Schauspiel wiederholt sich jedes Jahr aufs Neue: die
Europäische Kommission legt früh einen Vorschlag für
den Haushalt im darauffolgenden Jahr vor, danach
ziehen dann das Parlament und der Rat in lange Verhandlungsrunden. Häufig wird mit einem Nothaushalt
gedroht, wenn die eine oder andere Forderung der
einen oder anderen Seite nicht erfüllt wird, und in einer
abschließenden Nachtsitzung kommt es dann zu einer
Einigung. Genau so war es auch in diesem Jahr. Mitte
November wurde eine Last-Minute-Einigung über den
EU-Haushalt 2016 erzielt und der Rat stimmte dem
Vorschlag am 24. November zu, das Parlament folgte
einen Tag später. Für Verpflichtungen sind 155 Milliarden Euro und für Zahlungen 143, 9 Milliarden Euro
vorgesehen.
Zahlungen sind für Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr gedacht, Verpflichtungen beziehen sich auf mehrjährige EU-Programme. Eine Erhöhung um 1,6 Milliarden Euro gab es bei der Unterstützung für alle Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationskrise. Zudem fordert das EU-Parlament in einer
gesonderten Entschließung die Mitgliedstaaten auf,
unerwartete Gewinne aus Bußgeldern und unerwartet
hohe Zolleinnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro
unter anderem für die Bewältigung der Syrienkrise zur
Verfügung zu stellen. Für das kommende Jahr ist zudem
eine umfassende Neubewertung der Prioritäten im EUHaushalt geplant.
Europa, Symbol der Freiheit?
© guukaa – fotolia.com
Parteiübergreifend zeigten sich die meisten Parlamentarier grundsätzlich zufrieden mit dem erzielten Kompromiss. „Wir sind mit dem Budget bis an die Grenze
gegangen, um mit allen Ressourcen und den Flexibilitätsinstrumenten effektiv auf die Herausforderung der
Förderung der Beschäftigung zu reagieren und die
Flüchtlingshilfe zu fördern“, erklärte der haushaltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion José Manuel Fernandes.
Jens Geier (S&D) begrüßte ebenfalls die Zugeständnisse
in diesen Politikfeldern. Kritisch sei allerdings, dass der
Rat sich bei den Haushaltsberatungen in seinen Sparbestrebungen durchgesetzt habe, in denen er vor allem
Zahlungen in der Regionalpolitik von insgesamt 460
Millionen Euro gestrichen habe: „Damit hat er die Vereinbarung der Institutionen zur Beseitigung der Zahlungskrise der EU verletzt. Das bedeutet, dass der Kommission im Verlauf des Jahres 2016 das Geld in diesem
Bereich ausgehen könnte."
Für weniger Europa in der Sicherheitspolitik stimmten
hingegen mehrheitlich die dänischen Wähler bei einer
Abstimmung am 3. Dezember. Anlässlich einer Reform
des Europäischen Polizeiamts Europol wurden die Dänen gefragt, ob ihr Land künftig auf nationale Ausnahmen bei der justiziellen Zusammenarbeit und der inneren Sicherheit verzichten soll. Etwa 53 Prozent verneinten dies. Deshalb wird Dänemark auch künftig nicht
vollständig mit den europäischen Partnern bei der Verfolgung von Straftaten kooperieren. Regierungschef
Lars Løkke Rasmussen hatte auch mit Blick auf den
internationalen Terrorismus und die Anschläge für ein
„Ja“ geworben und führte die Ablehnung unter anderem auf die „allgemeine EU-Skepsis“ zurück. Größter
Gegner einer stärkeren Zusammenarbeit ist die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF), die auch die
derzeitige Minderheitsregierung stützt. Der DFVorsitzende Kristian Thulesen Dahl erklärte nach der
Abstimmung: „Das Ergebnis steht im Kontrast zu der
Idee, dass wir näher an den Kern der EU rücken und
mehr und mehr Souveränität abgeben sollen."
Der derzeitige Vorsitzende des Rats der Finanzminister,
der Luxemburger Pierre Gramegna, betonte in einer
Erklärung vor dem Parlament, dass der Haushalt „ein
Gleichgewicht zwischen drei Vorgaben" herstellen
müsse, nämlich zwischen Wachstum und Investitionen,
den Notsituationen und Prioritäten angesichts der
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10. Jahrgang
aktuell
Arbeitsmarktbeobachtungsstelle berät Migration und
Integration
Migrationskrise und schließlich den etatmäßigen Einschränkungen des Europäischen Parlaments und der
Mitgliedstaaten. Das sei mit dem vorliegenden Kompromiss gelungen.
Wie können Migranten erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch in Brüssel wird intensiv
nach Antworten auf diese Frage gesucht. Am 27. November befasste sich die Arbeitsmarktbeobachtungsstelle des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) mit dem Thema. Die Europäische
Kommission stellte ihre Überlegungen insbesondere
zur Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden und
Flüchtlingen dar. Laurent Aujean, Generaldirektion
Migration und Inneres der EU-Kommission, erklärte:
„So gut wie alle Mitgliedstaaten werden Flüchtlinge
aufnehmen und spezifische Integrationsmaßnahmen
ergreifen müssen.“ Die Strategie müsse aber ganzheitlich sein, nicht allein auf Flüchtlinge fokussieren,
sondern auf alle Migranten in Europa.
EWSA fordert europäische Asylpolitik und solidarische
Lastenteilung
Bericht aus den Institutionen
Dezember 2015
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss
(EWSA) ist unzufrieden mit den bisherigen Reaktionen
der Mitgliedstaaten auf die Migrationskrise. Am 10.
Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, verabschiedete der EWSA mit überwältigender
Mehrheit eine Dringlichkeitsentschließung. In seiner
Entschließung unterstreicht der EWSA die positive Rolle
der Zivilgesellschaft Europas, die durch ihr schnelles,
solidarisches Handeln eine humanitäre Katastrophe
verhindert hat. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten
auf, endlich eine gemeinsame europäische Asylpolitik
umzusetzen. Diese müsse auf harmonisierten und
wechselseitig anerkannten Verfahren in der ganzen EU
basieren.
Die Europäische Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, Migranten wenn möglich bereits vor der
Bewilligung ihres Asylantrags arbeiten zu lassen. Die
Arbeitsmarktintegration müsse so schnell als möglich
gelingen. Es dürfe dabei keine Ungleichbehandlung
mit anderen Arbeitnehmern geben. „Zusätzlich zur
Gleichbehandlung sollten spezielle Maßnahmen wie
etwa intensive Sprachkurse ergriffen werden, die den
Migranten bei der Integration in den Arbeitsmarkt
helfen“, so der Kommissionsbeamte. „Wir haben bereits an 19 Mitgliedstaaten geschrieben, weil nicht
ganz klar ist, ob überall europäisches Recht in Bezug
auf Antidiskriminierung und Arbeitsmarktzugang
eingehalten wird.“
Die Dublin Verordnung gelte es im Geiste der Solidarität
zu überarbeiten. Der Ausschuss betont: „Darüber hinaus braucht es solidarische und tragfähige Systeme des
Lastenausgleichs, wobei ein permanenter fairer und
verbindlicher Schlüssel zur Verteilung der Schutzsuchenden auf alle Länder der EU der erste Schritt wäre.“
Der EWSA ist besorgt über den Zustand des SchengenRaums. Es gelte, die Reisefreiheit der EU-Bürger zu bewahren. Gleichzeitig spricht sich der Ausschuss für
wirksame Kontrollen an den EU-Außengrenzen und die
Einrichtung von humanitären Korridoren für die Schutz
suchenden Menschen aus.
An die Europäische Kommission appelliert der EWSA,
die Mitgliedstaaten insbesondere auch bei der Integration der Flüchtlinge zu unterstützen. Ohne die Zivilgesellschaft, die sich überall in Europa in der Flüchtlingshilfe engagiert, sei die Herausforderung nicht zu bestehen. Auch die Sozialpartner seien in Bezug auf die Arbeitsmarktintegration der ankommenden Menschen
gefordert. Lokale öffentliche Dienste müssten angemessen finanziell ausgestattet werden, um die Aufgabe
bewältigen zu können. Der EWSA ist das beratende EU
Organ, in dem die europäischen Sozialpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und die organisierte Zivilgesellschaft mit ihren Repräsentanten wichtige Impulse
für die europäische Politikagenda geben. Auch der dbb
ist hier traditionell vertreten.
Der EWSA in der Brüsseler Rue Belliard
© Tupungato – fotolia.com
Die Asylverfahrensrichtlinie und die Richtlinie über die
Aufnahmebedingungen von Personen, die internationalen Schutz beantragen, beide von 2013, sehen vor,
dass der Status von Asylsuchenden binnen sechs Monaten geklärt und Zugang zum Arbeitsmarkt spätestens nach neun Monaten gewährt sein muss. Die
Kommission arbeitet an einer weiteren Harmonisie-
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aktuell
Bericht aus den Institutionen
rung der einschlägigen nationalen Asylregelungen.
Der Europäische Sozialfonds (ESF) hilft den Mitgliedstaaten bei den Integrationsbemühungen. Öffentliche
und private Stellen müssten mit den Asylbehörden
zusammenarbeiten, um Qualifizierungen und Umschulungen zu ermöglichen, erklärte Laurent Aujean,
der Deutschland und Schweden diesbezüglich ausdrücklich lobte.
Dezember 2015
und ihre Mitgliedstaaten sollen interkulturelle Ansätze
in den Bildungssystemen und besonders in benachteiligten Stadtgebieten unterstützen, um Marginalisierung zu verhindern und soziale Teilhabe zu fördern.
Hassbotschaften oder gar Rekrutierungsplattformen
im Internet sollen im Einklang mit den Grundrechten
rasch gelöscht werden können.
Kernproblem auf dem Weg zu einem einheitlichen
europäischen Asylsystem, das im EU-Vertrag angelegt
ist, bleibt ein Verteilungsschlüssel der Schutz suchenden Menschen auf die Mitgliedstaaten. Dieser muss
die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den
Mitgliedstaaten berücksichtigen. Klar ist auch, das
zeigten Interventionen von EWSA-Mitgliedern, dass
ein solcher Schlüssel ohne einheitliche europäische
Registrierung und eine durchsetzbare Residenzpflicht
der Flüchtlinge nicht funktionieren kann. Auf dem
Weg dorthin bleibt die größte Hürde eine politische:
die prinzipielle Bereitschaft der Mitgliedstaaten, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen.
Sicherheitskräfte führen Verdächtigen ab
© Whitelook – fotolia.com
Das Parlament fordert aber auch repressive Maßnahmen im Anti-Terrorkampf. So ruft es die Mitgliedstaaten in seiner Entschließung auf, eine gemeinsame
schwarze Liste europäischer Dschihadisten und
dschihadistischer Terrorverdächtiger zu erstellen.
Dazu soll auch der Begriff „ausländische Kämpfer“
einheitlich definiert werden. Ausländische Kämpfer
sollten nach ihrer Rückkehr nach Europa unter gerichtliche Kontrolle gestellt und gegebenenfalls in „Verwaltungshaft“ genommen werden, bis ein Strafverfahren
gegen sie eröffnet wird. Die Kontrolle der EUAußengrenzen betrachten die Abgeordneten als besonders dringlich. Zudem soll die Zusammenarbeit der
nationalen Strafverfolgungsbehörden untereinander
und mit Europol intensiviert werden. Die Mitgliedstaaten sollten Instrumente wie das Schengener Informationssystem (SIS) besser nutzen, fordert das Parlament. Die Abgeordneten erklärten sich bereit, bis
Jahresende Einigkeit über die Richtlinie über Fluggastdatensätze zu erzielen.
Parlament fordert Strategie gegen Terror
Das Europäische Parlament verabschiedete am 25.
November eine Resolution, in der es mehr Prävention
im Kampf gegen den Terrorismus fordert. Die Terroranschläge in Paris hätten einmal mehr gezeigt, dass
koordinierte Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten
dringend notwendig seien, damit Radikalisierung
vermieden und Terrorismus bekämpft werden kann.
Das Parlament fordert eine umfassende EU-Strategie
gegen Extremismus. Im Fokus stehen dabei Prävention durch Bildung und soziale Teilhabe. Vor allem in
Gefängnissen soll Radikalisierung entgegengewirkt
werden, weil gerade dort Islamisten neue
Dschihadisten werben. Das Parlament spricht sich
aber auch für weitreichende repressive Maßnahmen
bis hin zu „Verwaltungshaft“ aus.
Familienangehörigen und Freunden von Terrorverdächtigen soll schnell geholfen werden, wenn diese
sich an die Sicherheitsbehörden wenden. Wer beobachtet, dass ein Angehöriger sich radikalisiert, müsse
Ansprechpartner haben, damit der Prozess der Radikalisierung durch rechtzeitige staatliche Intervention
abgebrochen werden kann. Spätestens wenn die Radikalisierung so weit fortgeschritten ist, dass eine Ausreise in Kampfgebiete oder terroristische Ausbildungslager bevorsteht, gelte entschiedenes Handeln. Die
Beschlagnahmung von Reisepässen wird in der Entschließung als ein geeignetes Präventionsmittel genannt. Die Abgeordneten verlangen aber auch, bereits
deutlich früher in der Vorbeugung anzusetzen. Die EU
Parlamentsbericht zu Steuerabsprachen von Großunternehmen mit EU-Staaten
Nein, der Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Er ist
vielmehr Normalität in Europa. Nicht für die kleinen
Leute, nicht für Arbeitnehmer oder Beamte, sondern
für viele große Unternehmen. Oft genug kommt er
scheinbar im Gewand der Legalität daher, ist aber
doch Ausdruck eines grundlegenden Systemfehlers.
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aktuell
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Bericht aus den Institutionen
Und etliche Mitgliedstaaten haben das Spiel mitgespielt, teilweise durch ihre „aggressive Steuerplanung“ überhaupt erst ermöglicht. Dazu zählen nicht
nur Luxemburg und die Niederlande. Das Europäische
Parlament hatte Anfang 2015 einen Sonderausschuss
(TAXE) zu den so genannten Steuervorbescheiden
eingerichtet. Am 25. November stellten die KoBerichterstatter, die Portugiesin Elisa Ferreira von der
sozialdemokratischen S&D-Fraktion und der BadenWürttembergische FDP-Chef Michael Theurer von der
liberalen ALDE-Fraktion, den Bericht des TAXEAusschusses vor. Der Widerstand gegen die parlamentarische Aufklärungsarbeit war groß.
Dezember 2015
Irland, Großbritannien und den Niederlanden recherchiert. Die Regierungen waren aber nicht sehr auskunftsfreudig. „Sobald wir nach Details fragten,
herrschte Stillschweigen“, berichtete Ferreira. Auch die
EU-Kommission, deren Chef jahrelang Regierungschef
und Finanzminister im besonders betroffenen Großherzogtum Luxemburg war, scheint sich stark zurückgehalten zu haben. Michael Theurer ergänzte, der
Ausschuss hätte bessere Ergebnisse erzielen können,
wenn es nicht diesen Widerstand wichtiger Akteure,
mancher Mitgliedstaaten und der EU-Kommission
gegeben hätte. „Wir haben von der `Verhaltenskodex´-Gruppe einige wichtige Dokumente gar nicht
erhalten oder nur geschwärzte Fassungen“, so
Theurer. Die aggressive Steuerplanung mancher EUMitgliedstaaten habe zu Steuererhöhungen für alle
anderen Steuerzahler geführt.
„Multinationale Unternehmen sollen Steuern dort
zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften.“ So lautet
die Quintessenz des TAXE-Berichts, den das Plenum
des Europäischen Parlaments am 25. November verabschiedete. Die Ko-Berichterstatter Elisa Ferreira und
Michael Theurer erwarten nun Verbesserungen für
einen fairen Steuerwettbewerb. Die Zusammenarbeit
der Multis und der Mitgliedstaaten mit dem Ausschuss war aber schwierig, wie beide Abgeordneten
berichteten. Offenbar hatten die großen Unternehmen es zunächst abgelehnt, vor dem Ausschuss aufzutreten und ihre Sicht über die Körperschaftssteuerplanung, also im Vorhinein mit der Politik vereinbarte
Steuerleistungen, zu sprechen. Am Ende taten sie es
doch, blieben aber in ihren Aus- und Zusagen vage.
Auch die Staaten, die ja Komplizen in diesem begünstigenden Geschäft mit Steuervorbescheiden sind,
scheinen nicht sehr kooperativ gewesen zu sein.
Ferreira und Theurer fordern einen „effizienten Regelungsrahmen für einen fairen Steuerwettbewerb“.
Ferreira erklärte: „Ich hoffe, der LuxLeaks-Skandal und
die Arbeit des TAXE-Ausschusses werden die Art, wie
wir mit Steuerthemen umgehen, beeinflussen.“ Der
Bericht sei ein Meilenstein auf diesem Weg, so
Theurer, eine „hochqualitative Analyse der unfairen,
unzulässigen und teils illegalen Praktiken“.
Sozialhilfe auch für EU-Ausländer
Erst vor wenigen Monaten urteilte der Europäische
Gerichtshof, dass solche EU-Ausländer von Hartz IV
ausgeschlossen werden können, die noch nicht in
Deutschland gearbeitet haben und für die Arbeitssuche nach Deutschland einreisen. Das Bundessozialgericht urteilte nun am 3. Dezember, die Sicherung des
Existenzminimums nach sechs Monaten sei von diesem Urteil unberührt. Die Sozialämter müssten auch
bei EU-Ausländern den Anspruch auf Sozialhilfe als
Ermessensleistung prüfen. Nach spätestens sechs
Monaten läge das Ermessen allerdings bei null, so dass
in der Regel Sozialhilfe zu zahlen sei. Auch bei fehlender Freizügigkeitsberechtigung sei nach sechs Monaten eine „tatsächliche Aufenthaltsverfestigung“ erreicht und das Existenzminimum müsse gezahlt werden.
Theurer und Kommissionspräsident Juncker
© Europäisches Parlament, 2015
Das Bundessozialgericht hatte vor seinem Urteil den
Europäischen Gerichtshof (EuGH) in dieser Sache um
eine Vorabentscheidung gebeten. Der EuGH hatte in
einem Urteil am 15. September daraufhin geurteilt,
dass ein EU-Staat Unionsbürger, die zur Arbeitssuche
einreisen, von beitragsunabhängigen Sozialleistungen
ausschließen kann. Bereits Ende 2014 hatte der EuGH
in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass EUBürger, die einreisen, ohne Arbeit zu suchen, von der
Immerhin, freuten sich Ferreira und Theurer, hätten
einige Unternehmen schließlich sogar die Parlamentsforderung nach konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlagen unterstützt. Vor dem Ausschuss
erschienen unter anderen Amazon, Facebook, Google,
IKEA und HSBC. Eine Delegation des Sonderausschusses hatte auch in Belgien, Luxemburg, der Schweiz,
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Bericht aus den Institutionen
Grundsicherung („Hartz IV“) ausgeschlossen werden
können. Im Kern sollte die Frage geklärt werden, ob
der Ausschluss von Hartz IV-Leistungen im Falle von
arbeitsuchenden EU-Bürgern gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung mit Hartz IV berechtigten Inländern
verstößt. Der EuGH hatte diese Frage verneint.
Dezember 2015
illegalen Waffenhandels vorlegen werde. „Es kann und
wird nicht toleriert werden, dass sich die organisierte
Kriminalität kriegstaugliche Waffen beschafft und
damit Handel treibt.“
Konkret will die Kommission strengere Vorschriften
erlassen, um halbautomatische Waffen generell für
Privatpersonen zu verbieten. Auch endgültig deaktivierte halbautomatische Waffen sollen streng verboten sein. Schließlich könnten sie, da ihnen die Unbrauchbarkeit nicht anzusehen ist, für Überfälle benutzt werden. Brüssel setzt sich zudem für eine bessere Rückverfolgbarkeit von registrierten Waffen in der
gesamten EU ein. Dementsprechend soll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten verbessert werden. Die
Kommission will die nationalen Waffenregister vernetzen, letztlich also ein europäisches Register schaffen. Auch Schreckschusswaffen wie Signal- und Startpistolen sollen strenger reguliert werden, da sie teilweise in voll funktionsfähige Feuerwaffen umgebaut
werden können.
Entscheidungen mit Reichweite
© Zebra – fotolia.com
Feuerwaffen-Richtlinie wird verschärft
Die Europäische Kommission will den Erwerb von
Schusswaffen erschweren. Nicht erst seit dem terroristischen Angriff auf Paris am 13. November betrachtet
Brüssel dies als wichtigen Schritt für mehr Sicherheit
im Innern der Europäischen Union. Bereits im April
wurde die Europäische Sicherheitsagenda verabschiedet, die eine Reihe neuer Vorschriften vorsieht. Ihre
Umsetzung wurde nun durch den dschihadistischen
Terror stark beschleunigt. Die Kommission veröffentlichte am 18. November ein Maßnahmenpaket. Werden diese Maßnahmen vom europäischen Gesetzgeber verabschiedet, müssen künftig in legalem Besitz
befindliche Waffen besser registriert, deaktivierte
Waffen unbrauchbar gemacht werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten soll besser
werden. Das gilt vor allem für den Informationsaustausch über registrierte Schuss- beziehungsweise
Feuerwaffen.
Halbautomatische Waffen im Visier
© Stalkerstudent – fotolia.com
Verbesserungen im Verkehrssektor
Die Verkehrsinfrastruktur ist im EU-Binnenmarkt ein
Gegenstand von hohem gemeinsamem Interesse. Die
Europäische Kommission vergleicht regelmäßig 29
Verkehrskategorien, um eventuelle Investitionsbedarfe fest- und herauszustellen. Die Mitgliedstaaten
sollen auf diese Weise bei der Verbesserung ihrer
Verkehrsinfrastruktur unterstützt werden. Brüssel
verfolgt mit seiner Förderpolitik das Ziel eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Am 20. November stellte die Kommission zum zweiten Mal den
aktuellen EU - Verkehrsanzeiger vor, der die Leistung
der Mitgliedstaaten im Verkehrssektor vergleicht. An
der Spitze stehen aktuell die Niederlande, Deutschland führt das Mittelfeld an.
Die Europäische Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten in ihrem Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. In diesem Zusammenhang ist die
Feuerwaffen-Richtlinie von besonderer Bedeutung. Die
Kommission erklärte: „Wir müssen EU-weit uneinheitliche Vorschriften durch strengere, harmonisierte EUStandards für Feuerwaffen ersetzen und für einen
effizienten Informationsaustausch zwischen den
Mitgliedstaaten sorgen.“ Kommissionspräsident JeanClaude Juncker kündigte zudem an, dass die Kommission bald auch einen Aktionsplan zur Bekämpfung
-8-
aktuell
Bericht aus den Institutionen
10. Jahrgang
Dezember 2015
- Beihilfevorschriften. Schließlich erhält die polnische
Post den Ausgleich lediglich für zusätzliche Kosten, die
von der Erfüllung der Universaldienstverpflichtung
herrühren. Postdienste unterliegen einem staatlichen
Gemeinwohlauftrag.
Deutschland schneidet in neun der 29 Kategorien
unter den fünf besten EU-Staaten ab, in vieren unter
den letzten fünf. Die besten Werte haben nach den
Niederlanden Schweden, Finnland, das Vereinigte
Königreich und Dänemark. Auf den letzten Plätzen
insgesamt liegen Polen und Rumänien. Die für den
Verkehr zuständige Kommissarin Violeta Bulc sagte,
die Zahlen für das Jahr 2015 zeigten, wie dynamisch
der europäische Verkehrssektor sei. Sie freute sich
über die Fortschritte, die gegenüber 2014 erzielt worden seien. Das gelte insgesamt für die Qualität der
Infrastrukturen und die Öffnung des Schienengüterverkehrsmarktes. „Die Zahlen zeigen auch, wo noch
Handlungsbedarf besteht, damit im Verkehrssektor
Arbeitsplätze entstehen oder seine Nachhaltigkeit
verbessert wird.“ Brüssel setzt sich vor allem für mehr
Investitionen in die Elektromobilität ein. Die Verkehrssysteme sollen intelligenter zusammenwirken, gemeinsame Netze ausgebaut werden.
Die für Wettbewerb zuständige Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Erstmals hat die Kommission die Anwendung eines AusgleichsfondsMechanismus zur Finanzierung von Universalpostdiensten genehmigt.“ Sie freue sich, dass das gebilligte
polnische System im Sinne der EU – Beilhilfevorschriften den Kunden der polnischen Post zugutekommen
wird. Die polnischen Behörden hatten ihr Finanzierungsvorhaben im Juni 2014 in Brüssel angemeldet.
Konkret geht es um Basispostdienste, die der Markt
nicht zu erschwinglichen Preisen abbilden kann, weshalb der Staat hier einen Ausgleich zahlt, um die Universaldienstverpflichtung aufrechtzuerhalten.
Kommissarin Violeta Bulc
Basispostdienste sind ein Gemeinwohlauftrag
© Europäische Kommission, 2015
© Jürgen Fälchle – fotolia.com
Der Verkehrssektor ist von großer Bedeutung für strategische politische Ziele der Europäischen Union. Diese
sind neben dem Ausbau des Binnenmarkts eine zukunftsweisende Klimapolitik und der Aufbau einer
Energieunion. In Bezug auf letztere geht es nicht zuletzt um die Frage, wie hoch der Anteil erneuerbarer
Energien am Kraftstoffverbrauch im Verkehrssektor
ist, wie viele zugelassen Fahrzeuge mit alternativen
Brennstoffen betrieben werden. Den Ausbau des Binnenmarkts betrifft vor allem die weitere Eisenbahnliberalisierung, die Öffnung eines gemeinsamen Eisenbahnmarkts.
Nach den im Jahr 2011 festgelegten EU - Beihilfevorschriften für Ausgleichsleistungen für die Erbringung
öffentlicher Dienstleistungen kann Unternehmen
unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausgleich für
die zusätzlichen Kosten gewährt werden. Die somit
zulässigen Beihilfen dürfen jedoch nicht über einen
Ausgleich der zusätzlichen Kosten hinausgehen. Eine
Überkompensation wäre verboten. „Wettbewerbsverfälschungen“ will die Kommission soweit als möglich
ausschließen. Für das Jahr 2013 wurde der Ausgleichsbetrag für die polnische Post auf 23 Millionen Euro
veranschlagt. Finanziert wird der Ausgleich über einen
Fonds, den einzurichten die dritte Postrichtlinie erlaubt. Die polnische Post ist noch vollständig in Staatseigentum und der größte Postdienstleister in Polen.
Gemeinwohlauftrag der Post bestätigt
Die Europäische Kommission genehmigte am 26.
November eine Ausgleichzahlung, die Polen der polnischen Post gewährt hatte. Nach Auffassung der Kommission steht dieser Ausgleich im Einklang mit den EU
-9-
aktuell
10. Jahrgang
Arbeitsschutz: „EU-Parlament auf dem richtigen Weg“
Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Hans-Ulrich Benra hat die Entschließung des Europäischen Parlaments „Strategischer
Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014 – 2020“ gelobt. „Konkrete Ziele, eine
gute Ausstattung für Arbeitsaufsichtsbehörden, die
konsequente Einbindung der Sozialpartner und ein Fokus
auf Risikobewertungen – das Parlament setzt die richtigen Schwerpunkte“, sagte Benra am 27. November 2015
in Berlin.
dbb in Europa
Benra sicherte die Unterstützung des dbb bei diesen
Vorhaben zu. „Die Fortschritte im Arbeitsschutz sind in
den vergangenen Jahren immer weniger geworden,
teilweise sind durch die Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen errungene Fortschritte komplett
zunichte gemacht worden. Hier besteht dringender
Handlungsbedarf.“
Dezember 2015
dürfe. „Natürlich bedeutet Arbeitsschutz auch Aufwand
für die Arbeitgeber, das steht außer Frage. Aber von einem hohen Schutzniveau profitieren langfristig beide
Seiten. Wenn Arbeitnehmer aufgrund gesundheitlicher
Belastungen am Arbeitsplatz frühzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen, ist niemandem geholfen“, so
der dbb-Vize. Nicht zuletzt in Zeiten wirtschaftlicher
Unsicherheit müsse das Arbeitsschutzniveau in Europa
gehoben und nicht gesenkt werden.
Ausdrücklich beziehe das Europäische Parlament sich mit
seiner Entschließung auch auf die Arbeitnehmer im
öffentlichen Sektor. „Die Arbeitswelt, auch im öffentlichen Dienst, befindet sich stark im Wandel. Neue Risiken
müssen ernst genommen und entsprechende Lösungen
formuliert werden. Vor allem psychosoziale Risiken wurden bislang häufig unterschätzt und sollten stärker in den
Fokus genommen werden“, fordert Benra. „Das Europäische Parlament kann den dbb bei seinem Kampf für
einen nachhaltigen europäischen Arbeitsschutz und für
konkrete legislative EU-Maßnahmen zu seinen Verbündeten zählen, es befindet sich auf dem richtigen Weg.“
Blockade gegen EU-Frauenquote durchbrechen
dbb Vize und Fachvorstand Beamtenpolitik Hans-Ulrich Benra
© dbb, 2015
Ein Schlüssel für einen effizienten Arbeitsschutz sei unter
anderem die zuverlässige Überwachung von Maßnahmen, so Benra. Das EU-Parlament fordert, „dass Aufsichtsbehörden ausreichend Personal und Ressourcen zur
Verfügung stehen“ müssen und die Schulungen für
Arbeitsaufsichtsbeamte verbessert werden sollen. Benra:
„Es kann nicht sein, dass gerade beim Schutz solch fundamentaler Arbeitnehmerrechte gespart wird. Nur wenn
ständig mit einer Prüfung der Standards zu rechnen ist,
gibt es auch ein flächendeckendes Interesse an der Einhaltung. Schwarze Schafe haben so kaum eine Chance,
den Arbeitsschutz schleifen zu lassen. Und das kann nur
mit einer guten Personalausstattung und einer guten
Aus- und Weiterbildung der Aufsichtspersonen gelingen.“
Der Antrag weise zudem darauf hin, dass eine Überprüfung des regulatorischen Rahmens für Gesundheit und
Sicherheit am Arbeitsplatz, so wie es die EU-Kommission
im Rahmen ihres REFIT-Programms plant, auf keinen Fall
zu einer Verschlechterung für Arbeitnehmer führen
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Am 7. Dezember 2015 tagt der EU-Beschäftigungsrat in
Brüssel. Auf der Tagesordnung stand auch der Vorschlag
der EU-Kommission für eine europaweite Frauenquote in
Aufsichtsräten. Deutschland sorgte zusammen mit anderen Mitgliedstaaten für eine weitere Verschiebung des
Beschlusses. Kirsten Lühmann, stellvertretende dbb
Bundesvorsitzende und Präsidentin des CESIFrauenrechtsausschusses FEMM hatte am 2. Dezember
2015 in Berlin gefordert, die Mitgliedstaaten müssten
den Weg für die Quote endlich freimachen. Die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer betonte die Vorbildfunktion Deutschlands als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes EU-Mitglied bei
der Gleichstellung. Sie warnte, ein Rückzieher der Bundesregierung könne negative Folgen für Frauen europaweit haben. Dennoch gab es auch gute Nachrichten,
überraschend ermutigte der Beschäftigungsrat die
Kommission, eine neue Gleichstellungsstrategie aufzulegen.
Der nun auf Eis gelegte Kompromissvorschlag war bereits
im Laufe der Verhandlungen abgeschwächt worden.
Zwar war eine Quote von 40 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts in Aufsichtsräten bis 2020 vorgesehen. Staaten, die bereits eigene Maßnahmen unternommen haben, sollten sich daran aber nicht halten
müssen. Deutschland hätte von dieser Klausel profitiert,
da es die eigene Vorgabe von 30 Prozent ab 2016 nicht
hätte ändern müssen. „Angesichts eines beinahe konstant großen Gender Pay Gaps und drohender Altersar-
aktuell
10. Jahrgang
mut für Millionen von Frauen muss die Politik nun endlich handeln. Dabei reicht die vorgeschlagene Quote bei
Weitem nicht aus, die großen Probleme zu lösen. Sie ist
dennoch ein wichtiges Signal, das weit über die eigentliche Regelung hinaus geht“, so Kirsten Lühmann. Die
ablehnende Haltung des Rats sei ein schwerer Rückschlag.
Dezember 2015
Geschlechterunterschiede in vielen Bereichen bislang nur
bereit erklärt hat, sich auf der Basis eines informellen
Arbeitspapiers für Gleichberechtigung einzusetzen. Ich
hoffe, die Ratsempfehlung wird das jetzt ändern“, erklärte Kirsten Lühmann.
dbb lehnt europäische Arbeitslosenversicherung ab
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales startete
in diesem Herbst mit dem Grünbuch „Arbeiten 4.0 Arbeit weiter denken“ eine Konsultation zur Zukunft der
Arbeit. Der dbb beteiligte sich Ende November mit einem
„Dialogbeitrag“, in dem auch europäische Fragen angesprochen werden. So sieht der dbb auch auf europäischer
Ebene Handlungsbedarf. Eine „europäische Arbeitslosenversicherung“, wie sie seit einiger Zeit diskutiert wird,
lehnt der dbb aber entschieden ab.
dbb in Europa
Kirsten Lühmann und Helene Wildfeuer
© dbb, 2015
„Frauen leiden unter Krisen besonders stark, da sie sich
ohnehin schon häufiger in prekären Situationen befinden
als Männer. Das können wir auf Dauer nicht einfach
hinnehmen“, forderte Helene Wildfeuer. Mit Blick auf die
wirtschaftlichen Herausforderungen, die unter anderem
auch durch die Integration von hunderttausenden Migranten auf die Mitgliedstaaten zukommen, dürfe es hier
nun keine Kompromisse geben. „Die Europäische Union
hat durch ihre Politik in der Vergangenheit viele positive
Veränderungen in der Gelichstellungspolitik auch in
Deutschland bewirkt. Diese positive Gestaltungswille darf
jetzt nicht nachlassen“, so Helene Wildfeuer. Auch auf
nationaler Ebene im öffentlichen Dienst und in den privatisierten Bereichen müsse mehr getan werden, so die
Chefin der dbb bundesfrauenvertretung weiter. „Flexible
Führungsmodelle und ein stärkerer Fokus auf die Bedürfnisse vor allem junger Mütter kann auch hier zu mehr
Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen insgesamt führen.
Der öffentliche Dienst hinkt in vielen Bereichen der
Gleichstellung noch hinterher, dabei müsste er eine viel
stärkere Vorbildfunktion haben.“
Ein Signal für mehr europäische Gleichstellung ging
dennoch vom Beschäftigungsrat aus, der die Kommission
ermutigte, eine neue Gleichstellungsstrategie vorzulegen.
Dieser Entschluss folgte einer Ankündigung der Kommission, statt einer Strategie nur ein nicht-bindendes „Staff
Working Document“ zu veröffentlichen. CESI hatte gegen
diese Degradierung der ursprünglichen Pläne zusammen
mit der European Women’s Lobby mit einem Brief bei der
luxemburgischen Ratspräsidentschaft protestiert. „ Es ist
ein Skandal, dass sich die Kommission trotz fortgesetzter
-11-
Eine in Europa diskutierte „europäische Arbeitslosenversicherung“ lehnt der dbb kategorisch ab. „Die Sozialversicherungen der EU-Staaten müssen von europäischer
Harmonisierung ausgenommen werden, weil sie höchst
unterschiedlich gestaltet sind und auf erheblich verschiedenen Niveaus ansetzen. Zudem gelten für sie besondere
rechtliche wie auch politisch - legitimatorische Bedingungen.“ Eine europäische Fiskalkapazität käme aus dbb
Sicht unter bestimmten Voraussetzungen in Frage, solange sie nicht in die nationalen Sozialversicherungssysteme eingreift. Sie müsste als zweckgebundener europäischer Fonds definiert sein, der sich aus zusätzlichen Einnahmen der Europäischen Union speist, heißt es in der
Stellungnahme. So soll sie nicht nur den Mitgliedern der
Wirtschafts- und Währungsunion zur Verfügung stehen,
sondern allen EU-Mitgliedstaaten, die sich an ihr beteiligen.
Der dbb ist aufgeschlossen gegenüber der sorgfältigen
Prüfung eines solchen europäischen Instruments, das
nach dem Vorbild des Europäischen Globalisierungsfonds
und auch im Sinne bereits erfolgender Verwendung von
Strukturfondsmitteln in besonderen sozialen Krisenlagen
europäische Hilfen generiert und somit auch stabilisierend auf nationale Arbeitsmärkte wirkt. Die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zur Sicherstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa erachtet
der dbb als unverzichtbar und auch Anpassungen, Modernisierungen für geboten, um die nationalen Arbeitsmärkte stärker miteinander zu verzahnen und Mobilität
im Sinne einer optimalen Allokation des Faktors Arbeit zu
ermöglichen. Auch dort gilt aber: „In den Leistungsbereich der Sozialversicherung einzugreifen, hier eine partielle oder gar vollständige Verlagerung auf europäische
Einrichtungen anzustreben, lehnt der dbb ab.“
10. Jahrgang
aktuell
dbb in Europa
Der dbb befürwortet – im Sinne einer Unterstützung der
Arbeitsmarktpolitiken durch die EU – einen weiteren
Ausbau des EURES-Netzwerks, also der europäischen
Arbeitsvermittlung, wie sie in Deutschland von der Bundesagentur für Arbeit als deutscher EURES-Partner abgebildet wird. „Gleiches gilt für die wechselseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen, für die es einen europäischen Rahmen braucht, der allerdings nicht zur
Infragestellung bewährter Qualifikationen in den Mitgliedstaaten führen darf.“
Die Sozialversicherung und ihr Leistungsbereich müssen
aber nach Dafürhalten des dbb in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben. Der EU solle auch
keine eigene Steuerhoheit zukommen. Etwaige zusätzliche Mittel müssten durch Zuweisungen der Mitgliedstaaten erfolgen. Die EU hat nach wie vor keine eigene Steuerhoheit. Die Voraussetzungen für einen solchen Integrationsschritt sähe der dbb auch nicht gegeben. Von zentraler Bedeutung zum Erreichen einer beschäftigungsintensiven, Sozialstaatlichkeit in Europa bewahrenden Arbeitswelt 4.0 sind aus dbb Sicht eine Vertiefung der Wirtschaftsunion, eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und gemeinsame Reformanstrengungen
der EU-Staaten, nicht jedoch eine europäische Arbeitslosenversicherung.
EU will Feuerwaffen strenger kontrollieren
„Es ist höchste Zeit, dass die Polizeibehörden in Europa
Zugriff auf die nationalen Waffenregister bekommen“,
sagt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizei Gewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt am 30. November
2015 in Berlin. Wendt begrüßt ausdrücklich, dass die
Kommission mit ihren nun vorgelegten Initiativen eine
Vernetzung der Waffenregister und eine strenge Regulierung des Internethandels mit Schusswaffen anstrebt.
Richtig sei auch ein striktes Verbot halbautomatischer
Waffen für den privaten Erwerb. „Das ist Kriegsgerät, und
das gehört nicht in die Hände von Privatpersonen.“ Der
DPolG-Chef befürwortet auch europäische Kriterien für
den Erwerb von Schreckschusswaffen. „Die Gefahr, dass
solche Pistolen zu letalen Waffen umgebaut werden, ist
real.“ Wendt erwartet, dass das Europäische Parlament
und die Mitgliedstaaten im Rat dem sicherheitspolitischen Maßnahmenpaket der EU-Kommission zustimmen: „Auch im Kampf gegen den Handel mit illegalen
Waffen haben wir in Europa keine Zeit zu verlieren.“
„Wir haben hierzulande lange darauf hinarbeiten müssen, dass wir endlich ein bundesweites Register schaffen“, so Wendt mit Blick auf die letzte Novellierung der
EU-Waffenrichtlinie im Jahr 2008. „Damals galt es eine
Kompetenzzersplitterung im deutschen Föderalismus zu
-12-
Dezember 2015
überwinden. Das war uns dank der EU-Kommission und
des Europäischen Parlaments gelungen.“ In Anbetracht
des dschihadistischen Terrors und des organisierten
Verbrechens sei es nun geboten, auch die nationalen
Grenzen beim Informationsaustausch über registrierte
Waffen aufzuheben. „Wenn die Bösen keine Grenzen
kennen, dürfen die Guten sich nicht in Kleinstaaterei
ergehen“, so Wendt. Der Datenabgleich müsse perspektivisch in Echtzeit möglich sein. „Wir spielen an zu vielen
Fronten das Hase-und-Igel-Spiel. Information ist eine
entscheidende Größe in der modernen Polizeiarbeit.“
Rainer Wendt
© DPolG, 2015
Wendt spricht sich für eine deutliche Intensivierung der
Zusammenarbeit europäischer Sicherheitsbehörden aus.
„Wenn der europäische Gesetzgeber dafür die rechtlichen Grundlagen legt, ist das richtig und entspricht absolut den Herausforderungen unserer Zeit.“ Besonders
wichtig sei das von der EU-Kommission angekündigte
Vorhaben, bald auch stärker gemeinsam gegen den
illegalen Waffenhandel vorzugehen. „Da müssen sich
auch manche auf dem schwarzen Markt aktive Sammler
und Waffennarren kritisch hinterfragen. Was sie tun, ist
kriminell, auch wenn sie nicht vorhaben, die Waffen
einzusetzen. Und sie schaffen einen Markt, der letztlich
Kriminellen und womöglich auch Terroristen hilft.“
Wendt begrüßt das umgehende Inkrafttreten der Verordnung über gemeinsame Mindeststandards für die
Deaktivierung von Feuerwaffen. „Es ist gut, dass auch der
Besitz unbrauchbar gemachter halbautomatischer Waffen verboten wird.“ Zum einen könne eine Deaktivierung
unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig gemacht werden. Zum anderen dienten solche nach wie vor
schussbereit wirkenden Waffen unter Umständen Kriminellen bei Überfällen. Terror und organisierte Kriminalität
ließen sich nur wirksam bekämpfen, wenn die Europäische Sicherheitsagenda konsequent umgesetzt werde.
10. Jahrgang
aktuell
Für Freihandel, unter bestimmten Voraussetzungen
Neues von der CESI
„Freihandel ist gut“, sagt CESI-Generalsekretär Klaus
Heeger, „wenn er ein Wirtschaftswachstum bewirkt,
das Wohlstand nicht für einige wenige, sondern für
möglichst viele bringt“. Handel solle Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards nicht nur nicht in Frage stellen.
„Fairer Handel kann dazu beitragen, diese sozialen
Rechte und Standards zu sichern und auch jenen zugänglich zu machen, die bisher davon ausgeschlossen
sind“, so Heeger. Beim transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP habe die CESI gewisse Zweifel, ob es diese
Voraussetzungen erfüllt, erklärt der Generalsekretär.
„Das ist für uns unabhängige Gewerkschaften aber der
entscheidende Faktor. Wir messen TTIP daran, ob es
Mindeststandards gewährleistet für hochwertige Arbeit,
soziale Rechte, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz.“ Der Vorstand der CESI verabschiedete Anfang Dezember eine neue Stellungnahme zu den TTIPVerhandlungen.
In der Stellungnahme spricht die CESI sich allgemein für
Klauseln in Freihandelsabkommen aus, die negative
Auswirkungen auf Arbeitnehmerrechte und Arbeitsbedingungen verhindern. „Darüber hinaus ist es eine Priorität für die CESI, eine Demontage von Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse (DAI) in der EU zu vermeiden
und angemessene Arbeitsbedingungen und Personalausstattungen im DAI anbietenden öffentlichen Sektor
zu bewahren.“ Freihandel könne Liberalisierungsdruck
bewirken. Dies lehnt die CESI kategorisch ab. „Folglich
fordert die CESI den unzweideutigen Ausschluss der DAI
vom Anwendungsbereich von Freihandelsabkommen.“
Tatsächlich beobachte die CESI, so Heeger, nicht nur TTIP,
sondern auch die Geheimverhandlungen zum
plurilateralen Abkommen über Dienstleistungen (TiSA)
mit zunehmender Sorge. Die CESI betont in ihrer aktuellen Stellungnahme, dass auch die nationalen Regeln und
Definitionen von Vergabekriterien für öffentliche Ausschreibungen von Behörden in keiner Weise durch Freihandelsabkommen berührt werden dürfen.
Die CESI befürchtet auch negative Folgen von TTIP für die
nationalen Sozialschutzsysteme. „Freihandelsabkommen dürfen gesetzliche Sozialversicherungssysteme
nicht beschränken“, heißt es in der CESI-Stellungnahme.
Weiterhin dürfe Investorenschutz auf keinen Fall das
Recht der Parlamente beeinträchtigen, im Sinne des
Gemeinwohls Gesetze zu erlassen. Grundsätzlich fordert
die CESI mehr Transparenz in Handelsfragen. Die EU
müsse in den Verhandlungen mit den Vertragspartnern
darauf bestehen, dass zumindest die acht ILO – Kernarbeitsnormen vollständig ratifiziert, glaubwürdig angewandt und durchgesetzt werden. Dass weder die USA
noch Kanada die einschlägigen ILO-Konventionen unterzeichnet haben, betrachtet die CESI als grundlegendes
-13-
Dezember 2015
Problem und Hindernis für eine Ratifizierung der Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Diese und weitere
Positionspapiere der CESI finden sich hier.
25 Jahre CESI
Am 1. Dezember feierten gut hundert Gäste aus Mitgliedsgewerkschaften, europäischen Verbänden und aus
der EU-Politik in Brüssel das 25-jährige Bestehen der
CESI. Neben CESI-Präsident Romain Wolff und CESIGeneralsekretär Klaus Heeger sprachen Dimitris
Papadimoulis (Vize-Präsident des Europäischen Parlaments), Marc Hansen (Staatssekretär im Ministerium für
Wohnungsbau, Luxemburg) und Michel Servoz (Generaldirektor der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales
und Integration) zu den Gästen.
dbb feiert mit CESI (v.l.n.r.):
Horst Günther Klitzing (DPhV), Dietmar Knecht (dbb MecklenburgVorpommern), Horst Sayffaerth (DPVKOM), CESI Ehrenpräsident
Peter Heesen, CESI Youth Sprecher
Matthäus Fandrejewski, CESI Präsident Romain Wolff, dbb Vize
Ulrich Silberbach, dbb Vize Volker Stich, dbb Vize Claus Weselsky,
CESI Schatzmeister Frank Stöhr
© Steve Heiliger, 2015
CESI Youth: „Ängste abbauen und Flucht verstehen“
In der neuesten Ausgabe des dbb Jugendmagazins
„t@cker“ kommentiert CESI Youth Sprecher Matthäus
Fandrejewski die europäische Flüchtlingspolitik. „Es ist
einfach untragbar, wie unser soziales Europa, das 2012
sogar mit einem Friedensnobelpreis gewürdigt wurde,
mit der Flüchtlingsfrage umgeht! Wo sind die gemeinsam gesetzten europäischen Werte geblieben? Schwinden sie, sobald es nicht mehr um die Steigerung des
Bruttosozialproduktes geht?“ Besonders in der jetzigen
Situation reichten Worte nicht aus. „Wir haben gemeinsame Werte, aber auch gemeinsame Pflichten!“
Dennoch würden immer mehr EU-Mitgliedstaaten ungeachtet des Schengen-Abkommens ihre Grenzen zu
ihren europäischen Nachbarstaaten schließen. Dabei
10. Jahrgang
aktuell
Neues von der CESI
komme es zu teils kriegsähnlichen Zuständen, die nicht
akzeptabel seien, so Fandrejewski. „Sind das die Grenzen,
die wir uns in Europa wünschen?“ Während eines der
letzten EU-Gipfeltreffen im Juni sei die Nachbarschaftspolitik wichtigstes Thema gewesen und die Regierungschefs hätten sich für die Integration der Nachbarn der
EU ausgesprochen. „Heute, wenige Monate später,
schotten sich Länder unserer Wertegemeinschaft mit
aller Gewalt vor diesen Nachbarn ab.“
Dennoch sei offensichtlich, dass die Flüchtlingsproblematik sehr komplex sei. „Es kommen plötzlich tausende
Menschen zu uns. Viele müssen medizinisch erstversorgt
werden, es muss ein menschengerechter Schlafplatz und
eine Grundversorgung zur Verfügung gestellt werden.“
Dabei müsse vor allem aber auch auf die Gründe für die
derzeitigen Fluchtbewegungen geschaut werden. „Aktuell sind es vor allem die Krisen in Syrien, Irak, Afghanistan und einigen Ländern Afrikas, die viele Menschen vor
Krieg und Gewalt fliehen lassen. Dazu kommen viele
Menschen, die aus Armut und Unterversorgung fliehen.
Auch dieser Wunsch nach einer sozialen und wirtschaftlichen Absicherung ist ein ganz normales menschliches
Bedürfnis, das jeder von uns in sich hat.“
Europa dürfe sich nicht vor seiner historischen Verantwortung wegducken und gleichzeitig müssten Befürchtungen ernst genommen werden, so Fandrejewski: „Es
ziehen plötzlich fremde Menschen in unsere Nachbarschaft – Menschen, die sich anders verhalten, die anders
aussehen und eine ganz andere Kultur leben. Aber wir
müssen diese Ängste vor den Zufluchtsuchenden abbauen. Wir müssen uns mit den Befürchtungen beschäftigen und darüber sprechen. Vor allem aber müssen wir
mit den „Neuen“ in Kontakt kommen, sie kennen- und
verstehen lernen, versuchen, uns in ihre Lebenssituation
hineinzuversetzen – schlicht: sachlich bleiben und uns
mit der konkreten Situation vor Ort auseinandersetzen.“
Heeger zum Jahreswachstumsbericht
Am 26. November legte die EU-Kommission ihren Jahreswachstumsbericht 2016 vor und leitete damit das
neue Europäische Semester ein. Am Ende dieses Prozesses stehen die jährlichen länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten. CESI-Generalsekretär begrüßte die veränderte Einstellung der Kommission zu
Sozialinvestitionen: „Sparen um jeden Preis ist schädlich
für die Mitgliedstaaten. Der neue Tonfall der Kommission ist erfreulich. Bei ihrem Einsatz für mehr Investitionen in Gesundheit und Kindererziehung stehen wir an
ihrer Seite.“ Bedauerlich sei aber die Zurückhaltung
bezüglich öffentlicher Dienste. „Ohne funktionierende
öffentliche Dienste kann kein wirtschaftlicher Aufschwung nachhaltige Wirkung entfalten.“
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Dezember 2015
Viele Verwaltungen seien mittlerweile aufgrund von
Personalnot und Mittelkürzungen stark in ihrer Funktionsfähigkeit bedroht, so Heeger. „Das scheint die Kommission aber nicht zu verstehen und findet keine klaren
Worte gegen diese falsche Politik der Mitgliedstaaten.“
Der CESI-Generalsekretär setzt sich für ein grundsätzliches Umdenken der Kommission und in den Mitgliedsländern ein: „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst
mussten in den vergangenen Jahren bereits starke Einschnitte hinnehmen. Meist deutlich stärker als im privaten Sektor. Das ist weder nachhaltig noch gerecht.“ Vor
allem mit Blick auf die aktuellen und kommenden Herausforderungen sei diese Politik falsch. „In der Flüchtlingskrise sehen wir zurzeit in vielen Mitgliedstaaten, wie
Ordnungskräfte, Kommunalbeschäftigte, Lehrer und
viele mehr über sich hinaus wachsen. Sie dürfen mit
dieser großen Belastung nicht alleine gelassen werden,
die Mitgliedstaaten haben auch für sie und ihr Wohlbefinden eine große Verantwortung.“
Heeger kündigte an, diese Positionen auch über die
„European Semester Alliance“ an die europäischen Institutionen heranzutragen. „Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Institutionen setzt sich zusammen mit uns
für eine andere europäische Politik ein. Es geht in den
kommenden Jahren darum, die Grundlage für die folgenden Generationen zu legen.“ Noch gebe es die Möglichkeit, die richtigen Prioritäten zu setzen und funktionierende Strukturen zu bewahren. „Kaputtsparen war
noch nie eine Lösung. Die öffentliche Verwaltung hat in
der Vergangenheit gute Dienste geleistet, Europa stünde
ohne sie wirtschaftlich deutlich schlechter dar.“
CESI-Youth trotzt Terror-Warnungen
Am 20. November 2015 fand das zweite CESI Youth
Meeting in Brüssel statt. Überschattet wurde das Meeting durch die anhaltend hohe Terrorwarnstufe der
Behörden in Belgien. Dennoch zeigte sich die europäische Gewerkschaftsjugend davon überzeugt, das Vorantreiben des europäischen Gedankens über antidemokratisches Gedankengut zu stellen. In den Fokus der Beratungen stellten die Teilnehmer Vorhaben für den European Youth-Event 2016 beim Europäischen Parlament,
die gewerkschaftliche Teilhabe junger Gewerkschaftsmitglieder in Europa sowie die weitere Zusammenarbeit.
Ebenso nahm ein Positionspapier zu jungen Flüchtlingen
breiten Raum der Diskussionen ein. Das mindestens
einmal im Jahr stattfindende Treffen gibt den Spitzen
der Gewerkschaftsjugenden aus den Mitgliedsorganisationen der CESI die Möglichkeit, ihre Interessen auf europäischer Ebene zu artikulieren.
aktuell
Bürger und Verbraucher
10. Jahrgang
Dezember 2015
Geoblocking
Cybersicherheit
Kürzlich erst wurde der „Smombie“ zum Jugendwort
des Jahres gewählt. Gemeint sind Menschen, die so sehr
auf ihr Smartphone starren, dass sie die Welt um sich
herum vergessen. Nah liegt auch die Annahme, viele
dieser Smombies schauten sich Serien oder Filme auf
ihrem Mobilgerät an. Wenn sie das über einen
Streamingdienst machen, ist bislang an der Landesgrenze häufig Schluss. Anbieter erkennen, aus welchem
Land ein Dienst angefragt wird und erlauben nur bestimmte Standorte, andere werden unterbunden, das
sogenannte Geoblocking. Besonders etwa für urlaubende Smombies also bislang ein Graus. Die Europäische
Kommission scheint jetzt ein Nachsehen zu haben und
will das Geoblocking einschränken. Hat ein Nutzer zum
Beispiel ein Abo für einen Streamingkanal, dann soll er
diesen künftig von überall innerhalb der EU auch aufrufen können, sofern es ein kostenpflichtiges Angebot ist.
Auch wenn die öffentliche Debatte derzeit hauptsächlich von der Sicherheit an Grenzen und im öffentlichen
Raum insgesamt bestimmt wird, immer mehr Verbrechen finden mittlerweile ganz ohne direkten Kontakt im
digitalen Raum statt. Auch öffentliche Infrastruktur
kann über diesen Weg angegriffen werden. Längst gibt
es ausgefeilte Krisenszenarien, wie im Falle eines erfolgreichen Cyberanschlags etwa auf die öffentliche Stromversorgung zu reagieren ist. Rat und Parlament einigten
sich Anfang Dezember erstmals auf eine neue europäische Regelung, die bestimmte Sektoren - Energieversorgung, Transport, Finanzdienstleistungen, Gesundheitsdienste und Wasserversorgung - dazu verpflichtet,
sicherzustellen, dass ihre digitale Infrastruktur tatsächlich geschützt ist. Diese „wesentlichen Dienste“ sollen
so sicherstellen, dass sie jederzeit robust genug sind, um
Cyber-Angriffen zu widerstehen. Auch OnlineMarktplätze wie eBay oder Amazon, Suchmaschinen
und Datenclouds müssen sicherstellen, dass ihre Infrastruktur sicher ist. Die Mitgliedstaaten müssen nun
„Betreiber von wesentlicher Diensten“ in diesen Sektoren nach bestimmten Kriterien benennen. Wichtige
Kriterien für diese Auswahl sind unter anderem, ob die
angebotene Leistung entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft ist und ob sich ein Störfall maßgeblich auf das öffentliche Leben auswirken könnte.
Fluggastdaten
Im Netz verschwimmen die Grenzen.
© ninog – fotolia.com
Onlineshopping
Weitere Erleichterungen soll es künftig auch im Onlinehandel geben. Die Kommission schlägt mehrere Verbesserungen für das grenzüberschreitende Einkaufen im
Internet vor. So soll künftig die Beweislast, dass der
Mangel zum Zeitpunkt der Lieferung bestand, europaweit einheitlich auf zwei Jahre ausgedehnt werden.
Bislang gibt es hier, für den Verbraucher wenig transparent, unterschiedliche nationale Regeln. Auch das Recht,
vom Vertrag zurückzutreten und selbst bei kleinen
Mängeln den Kaufpreis erstattet zu bekommen, soll
künftig EU-weit gelten. Zudem gibt es einige Vorschläge, die den Handel mit digitalen Inhalten betreffen. Für
die Haftung von Lieferanten bei mangelhaften digitalen
Inhalten und Diensten soll es in Zukunft keine zeitliche
Begrenzung geben, weil digitale Inhalte nicht dem
Verschleiß unterliegen. Außerdem darf der Lieferant
personenbezogenen Daten, die er im Austausch mit
digitalen Inhalten oder Diensten erhalten hat, nicht
mehr verwenden, wenn der Vertrag beendet ist.
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Aus den Reisedaten eines durchschnittlichen Flugpassagiers lässt sich sehr viel herauslesen. Wann hält er
sich wo auf. Mit wem reist er? Wie zahlt er seine Tickets? Welche Anschlussflüge nimmt er? All das sind
sensible Daten, die nicht jedem jederzeit öffentlich
zugänglich sein sollten. Die Amerikaner fanden nach
9/11 darauf unzweideutige Antworten; Passagiere sind
dort längst gläsern, zumal wenn es sich um NichtAmerikaner handelt. Wie genau mit diesen Daten in
Europa umzugehen ist, sollte in einer europäischen
Richtlinie geregelt werden. Allerdings lag der Vorschlag
aufgrund vieler datenschutzrechtlicher Bedenken lange
auf Eis. Erst nach den Anschlägen von Paris war wieder
Bewegung in den Prozess gekommen. Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments stimmte nun
einem Vorschlag zu, dass in nationalen Systemen die
Fluggastdaten gesammelt, ausgewertet und untereinander ausgetauscht werden sollen. Zwar sollen die
Daten nach einem halben Jahr maskiert werden, also
ohne direkten Bezug auf den Reisenden. Auf Antrag soll
aber eine „Demaskierung“ für weitere viereinhalb Jahre
lang möglich sein. Das Plenum muss über den Vorschlag noch abschließend beraten.
10. Jahrgang
aktuell
Vertrauen stärken
von Birgit Sippel MdEP
Ausblick
Die terroristischen Anschläge in der französischen
Hauptstadt, aber auch weitere damit verbundene Ereignisse, wie die Festnahmen mutmaßlicher Komplizen
in Brüssel, verunsichern viele Menschen. Als eine Reaktion darauf wünschen sich viele ein gemeinsames starkes Auftreten gegenüber einer diffusen Bedrohung.
Dies wurde nicht zuletzt an Sätzen wie "nous sommes
unis" - wir sind vereint - deutlich. Wie diese starke Einheit allerdings aussehen soll, darüber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen.
Nur allzu gerne machen sich einige Akteure die derzeitige öffentliche Verunsicherung zu Nutzen und behaupten, allein neue Sicherheitsmaßnamen und instrumente könnten in der derzeitigen Situation helfen. Nicht zuletzt wird dies bei den wiederaufkommenden Rufen nach dem sogenannten „Krieg gegen den
Terror“ deutlich, der erstmals im Jahre 2001 nach den
Anschlägen vom 11. September von den USA ausgerufen wurde. Viele Aspekte erkennen wir auch heute
wieder: Kriegsrhetorik, schwarz-weiß-Gegensätze wie
„Gut“ und „Böse“ sowie Intoleranz bis Aggression gegen
alle, die sich dieser Rhetorik mit den daraus folgenden
Maßnahmen nicht anschließen. Nicht zuletzt Bilder von
Guantanamo oder auch von CIA-Foltergefängnissen in
Polen und Rumänien machen deutlich, wohin eine
solche Herangehensweise führt. Langfristige Folgen wie
zusammenbrechende Staaten und das Entstehen des
sogenannten IS sind da noch nicht eingerechnet.
Eine derartige Entwicklung kann und darf nicht unser
Ziel sein! Derzeit wird der Ruf nach mehr Überwachung
wieder laut. Und obgleich bereits bestehende Maßnahmen nicht effektiv genutzt werden, der Informationsaustausch zwischen Behörden beziehungsweise
zwischen Staaten nicht nur sehr lückenhaft funktioniert, werden Vorschläge für Gesetze, die eigentlich
unter anderem aufgrund von Grundrechtebedenken
begraben wurden - wie beispielsweise die Fluggastdatenspeicherung - plötzlich wieder als unverzichtbare
Lösung gegen Kriminalität und Terrorismus präsentiert.
Mal unterschwellig, mal direkt unterlegt mit der Behauptung, damit hätten die letzten Attentate verhindert werden können.
Was ist dann aber die angemessene Antwort in der
derzeitigen Situation? Eines ist klar: terroristische Anschläge erfordern eine kritische Überprüfung vorhandener Maßnahmen und ihrer Verbesserung; zugleich
müssen verantwortliche Entscheider einen kühlen Kopf
bewahren. Vorschnelles Handeln und überhöhte Rhetorik bringen keine guten Ansätze, bergen aber die Gefahr, Grundrechte, wie die Freiheit der Person, die Hand-
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Dezember 2015
lungsfreiheit oder auch das Recht auf Privatsphäre ohne
echten Mehrwert für die Sicherheit über den Haufen zu
werfen. Wir müssen mit Besonnenheit und Verstand
sicherheitspolitisch relevante Bereiche, wie beispielsweise die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in
der EU, prüfen und, falls nötig, reformieren.
Ein Blick auf die derzeitige Zusammenarbeit von Polizei
und Justiz auf europäischer Ebene zeigt: Während Politikbereiche wie die Handelspolitik oft schon weitgehend
im Rahmen der Europäischen Union vergemeinschaftet
wurden, liegen die Kompetenzen bei der Innen- und
Justizpolitik noch zu großen Teilen bei den Mitgliedstaaten. Dabei haben nicht erst die Anschläge in Paris, gefolgt von dem abgesagten Fußball-Länderspiel in Hannover und den Festnahmen in Brüssel gezeigt: Verbrechen enden nur noch selten an der Landesgrenze. Kriminelle und Terroristen arbeiten zunehmend über
Staatsgrenzen hinweg und so stoßen einzelstaatliche
Polizei- und Justizbehörden in ihrer täglichen Arbeit viel
zu oft an ihre wortwörtliche (Landes-)Grenze.
Fordert einen kühlen Kopf bei der Überprüfung
von Maßnahmen der inneren Sicherheit: Birgit Sippel
© Birgit Sippel, 2015
Dass der Bereich Justiz und Inneres trotz der Schaffung
des „gemeinsamen Raumes der Freiheit, Sicherheit und
des Rechts“ viele Jahre unangetastete Kompetenz der
Mitgliedstaaten blieb, ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass trotz der geschilderten zunehmenden
grenzüberschreitenden Tendenz von Strafverfolgung
die Kontrolle über Polizei und Justiz als die klassische
Aufgabe des souveränen Staates gilt. Und so wurden
innerhalb der EU lange Zeit jegliche Versuche zur
Vergemeinschaftung dieser Bereiche sofort wieder von
der Hand gewiesen, während andere Kompetenzen
schrittweise auf die supranationale Ebene gehoben
wurden. Erst mit dem Vertrag von Amsterdam im Jahre
1997 wurde die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft
verankert. Es dauerte jedoch weitere zehn Jahre, bis
zum Vertrag von Lissabon, bis dieser Politikbereich
10. Jahrgang
aktuell
Ausblick
endlich auf EU-Ebene, unter gleichwertiger legislativer
Mitentscheidungskompetenz von EU-Parlament und
Rat, gelangte.
Seither hat sich Einiges getan. Einerseits wurde eine
Reihe von EU-Agenturen geschaffen, die bei der Umsetzung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit
helfen sollen. Dazu gehören das Europäische Polizeiamt
(Europol) und die Agentur für Zusammenarbeit der
Staatsanwaltschaften (Eurojust) ebenso wie die EUAgentur für Grundrechte oder die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Andererseits wurde insbesondere mithilfe von EU-Richtlinien
beziehungsweise Rahmenbeschlüssen die Grundlagen
für eine verbessere Zusammenarbeit von Polizei und
Justiz geschaffen. Diese Form der Rechtsakte ist für die
Mitgliedstaaten hinsichtlich des Ziels verbindlich, es ist
ihnen jedoch freigestellt, wie und in welcher Form sie
das Ziel erreichen. Zu den bekanntesten Beispielen
gehört hier sicherlich die Europäische Ermittlungsanordnung, die die grenzüberschreitende Umsetzung
polizeilicher oder justizieller Anordnungen aus einem
Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat regelt, vor
allem im Bereich der Beweisermittlung. Auch der Europäische Haftbefehl, ein Instrument zur EU-weiten
Durchsetzung eines nationalen Haftbefehls, hat den
Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit bei allen noch bestehenden praktischen Defiziten
vorangebracht.
Neben diesen bereits verabschiedeten Instrumente gibt
es eine Reihe weiterer, derzeit verhandelter Instrumente, die die gemeinsame Strafverfolgung im europäischen Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts
vereinheitlichen sollen: Pläne zu einer europäischen
Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Straftaten
gegen die finanziellen Interessen der EU zusammen mit
der derzeit debattierten Richtlinie für eine strafrechtliche Bekämpfung von finanziellem Betrug gegen die EU
(sogenannte PIF-Richtlinie) oder die Bekämpfung der
Korruption. All dies sind Maßnahmen, die das Vertrauen
der Mitgliedstaaten in die Justizsysteme der jeweils
anderen stärken und so für eine verbesserte justizielle
Zusammenarbeit sorgen können.
Leider besteht aber nach wie vor das Grundproblem,
dass viele Mitgliedstaaten nicht bereit sind, die hierfür
nötigen Kompetenzen tatsächlich als gemeinsame
Zuständigkeit an die Europäische Gemeinschaft zu
übertragen. Und so versuchen sie die jeweiligen Gesetzesvorschläge mit rechtlichen Schlupflöchern oder
Ausnahmeregelungen zu verwässern. Statt bei einem
einheitlichen europäischen Rechtsrahmen enden wir so
erneut in einem undurchdringlichen Wirrwarr von
Einzelregelungen. Das schafft kein Vertrauen, sondern
schürt alleine das Misstrauen untereinander. Als EU-
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Dezember 2015
Parlament fordern wir daher eine effiziente und mit
umfangreichen Kompetenzen ausgestattete Europäische Staatsanwaltschaft mit einheitlichen Verfahrensrechten wie auch eine starke PIF-Richtlinie, die beispielsweise auch Fälle des Mehrwertsteuerbetrugs mit
einbezieht.
Der Fokus auf die verstärkte gemeinsame Strafverfolgung kann und darf gleichwohl nicht der einzige
Schwerpunkt der zukünftigen polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit sein, auch nicht im Bereich
der Terrorismusbekämpfung. Wir müssen stets gewährleisten, dass wir unsere Werte nicht selbst verraten,
indem wir die Angriffsziele der Täter, nämlich Freiheit
und Demokratie, selbst immer weiter einschränken.
Darüber hinaus ist Strafverfolgung hier nur ein Element.
Mit gleicher Kraft müssen wir parallel Integration und
Teilhabe für alle Bürger als Teil von Prävention begreifen, wir brauchen nachhaltige Projekte der
Deradikalisierung, Ausstiegsprogramme und Reintegration für bereits radikalisierte Menschen.
Die verstärkte polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit erfordert zugleich Anpassungen und Harmonisierungen etwa bei den Beschuldigten- und Verfahrensrechten. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament seine neuen Legislativkompetenzen, die es durch
den Lissabon-Vertrag erhalten hat, in den vergangenen
Jahren verstärkt genutzt, um insbesondere auch die
Rechte von Beschuldigten und Verdächtigen in Strafverfahren zu stärken. Wenn Strafverfolgung europäisiert
wird, dürfen Verfahrensrechte nicht weiterhin ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen.
In der ersten Legislaturperiode unter dem LissabonVertrag (2009-2014) konnten wir bereits drei grundlegende Richtlinien - Stärkung des Rechts auf
Dolmetschleistungen und Übersetzungen, auf Belehrung und auf einen Rechtsbeistand - verabschieden. In
der aktuellen Legislaturperiode arbeiten wir an drei
weiteren Richtlinien, mit denen das Prinzip der Unschuldsvermutung, das Recht auf Prozesskostenhilfe
und besondere Verfahrensgarantien für Kinder EU-weit
gestärkt werden sollen. Eine dringend notwendige
Komplettierung der bereits verabschiedeten Richtlinien!
Auch das stärkt das Vertrauen der Mitgliedstaaten
untereinander und erhöht insbesondere das Vertrauen
der EU-Bürger in die verstärkte Zusammenarbeit von
Polizei und Justiz.
Beim Schutz personenbezogener Daten sehen wir als
Parlament weiterhin einen großen Nachholbedarf. Es ist
absolut inakzeptabel, dass einerseits die Kompetenzen
von Polizei und Justiz auf europäischer Ebene verstärkt
werden, der Schutz personenbezogener Daten im Polizei- und Justizbereich aber weiterhin auf einem relativ
unverbindlichen und auch inhaltlich schwachen Rah-
10. Jahrgang
aktuell
Ausblick
menbeschluss aus dem Jahre 2008 basiert, zusammen
mit den weiterhin bestehenden generellen Unterschieden in den Datenschutzvorschriften der Mitgliedstaaten. Damit erfolgt der Schutz personenbezogener Daten
- Daten von Verdächtigen und Beschuldigten wie auch
von Opfern und Zeugen - auf einem Flickenteppich von
Rechtsvorschriften.
Dem Bereich des Datenschutzes muss auf EU-Ebene
deutlich mehr Bedeutung zukommen, gerade auch mit
Blick auf die weiter zunehmende Digitalisierung. Als
Parlament haben wir mit Nachdruck gefordert, dass die
seit Jahren vom Rat gebremsten Verhandlungen zum
Datenschutzpaket endlich zum Abschluss gebracht
werden. Dieses Paket umfasst eine allgemeine Verordnung, die für die Mitgliedstaaten direkt verbindlich ist,
und eine Richtlinie für den Schutz personenbezogener
Daten im Bereich Polizei und Justiz. Das Datenschutzpaket bietet dann auch endlich die Möglichkeit, einen
verbindlichen EU-weiten Schutzrahmen für die derzeitigen und vor allem auch für alle zukünftigen Instrumente im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zu schaffen. Ein weiteres wichtiges Element,
um gegenseitige Vertrauen und Kooperation zu stärken
und zu vereinfachen.
All die Punkte, die ich bis hierhin angeführt habe, zeigen: Hauptziel all unserer Bemühungen muss die Verbesserung des Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander und auch des Vertrauens der Bürger in die polizeiliche und justizielle Kooperation der Mitgliedstaaten
sein. Dieses Vertrauen und die daraus resultierende
Stärkung der Institutionen und Behörden sind der Baustoff, auf den wir stärker setzen müssen. Aus diesem
Grund stellen wir uns als Sozialdemokraten auch klar
gegen zum Teil drastische Personalkürzungen bei Polizei
und Justiz. Für mehr Vertrauen darf es zudem nicht bei
der Verabschiedung von Gesetzen oder der Gründung
von Agenturen bleiben. Jede Maßnahme ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht auch tatsächlich von den
Mitgliedstaaten beziehungsweise den zuständigen
Polizei- und Justizbehörden genutzt wird. Und auch hier
besteht nach wie vor Nachholbedarf.
Neben der bereits kritisierten mangelhaften Nutzung
von Maßnahmen und dem lückenhaften Informationsaustausch gibt es Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung von Gesetzen in nationales Recht. so auch bei den
bereits angesprochenen Richtlinien im Bereich der
Verfahrensrechte, die vielfach verspätet und erst nach
einer schriftlichen Aufforderung durch die Kommission
umgesetzt wurden. In einigen Fällen war sogar eine
weitere Ermahnung von Seiten der Kommission, die
sogenannte „schriftliche Stellungnahme“ und damit die
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Dezember 2015
zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nötig,
damit die Richtlinien tatsächlich in nationales Recht
umgesetzt wurden.
Verspätete Umsetzung und mangelhafte praktische
Anwendung führen zu Schutzlücken auch für Beschuldigte und Opfer. Dies befeuert nur die Zweifel nationaler Polizei- und Justizbehörden an der Verlässlichkeit der
Behörden eines anderen Mitgliedstaats. Und wo die
Behörden nicht das Gefühl haben, sich auf den Partner
des anderen Mitgliedstaats verlassen zu können, kann
die Zusammenarbeit nicht vernünftig funktionieren. Es
ist somit unerlässlich, dass die Kommission ihre Rolle als
Hüterin der Verträge vollumfänglich wahrnimmt und
durch die konsequente Überprüfung der Umsetzung
der EU-Rechtstexte der Nachlässigkeit der Mitgliedstaaten entgegen wirkt. Im Bereich Polizei und Justiz hat sie
dazu seit dem Jahr 2014 die nötigen Kompetenzen.
Volle Umsetzung bereits verabschiedeter Rechtstexte;
Komplettierung angefangener Gesetzespakete wie bei
den Verfahrensrechten; finaler, ambitionierter Abschluss seit langem auf dem Verhandlungstisch liegender Dossiers wie des Datenschutzpakets und auch der
Europäischen Staatsanwaltschaft. Das sind die Bereiche
auf die wir uns nun konzentrieren müssen. Das schafft
das gegenseitige Vertrauen, das für eine effiziente
Zusammenarbeit der Behörden nötig ist. Gelingen kann
dies nur im konstruktiven Miteinander europäischer
und nationaler Akteure.
Birgit Sippel, MdEP, ist für die SPD seit 2009 im Europäischen Parlament tätig. Als innenpolitische Sprecherin der
sozialdemokratischen S&D-Fraktion befasst sie sich mit
der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit auf EUEbene, aber auch mit den Themen Sicherheit und Terrorismusbekämpfung, Schutz der Grundrechte und der
Privatsphäre sowie Migration, Asyl und Freizügigkeit.
Termine
14.-17.12.2015
Plenum Europäisches Parlament;
Straßburg
15.12.2015
Lesung: „Europa literarisch“ mit Dragan Velikić; EU-Kommission; Österreichisches Kulturforum; Berlin; 18:00 Uhr
17.12.2015
PodiumsdiskussionWie können Unternehmen in Deutschland vom EUInvestitionsplan profitieren?; EUKommission/BDI; Haus der Deutschen
Wirtschaft; Berlin, 12:00 Uhr
17./18.12.2015 Europäischer Rat; Brüssel
18.12.2015
Podiumsdiskussion mit der Ehefrau des
Sacharow-Preisträgers Raif Badawi; EUParlament; Akademie der Künste; Berlin; 20:00 Uhr
10. Jahrgang
aktuell
Dezember 2015
Gespräch mit Gunther Krichbaum MdB,
Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag
Einblick
© Gunther Krichbaum, 2015
Gunther Krichbaum ist seit seinem Einzug in den Deutschen Bundestag 2002 für die CDU Mitglied im Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union und steht diesem seit 2007 auch vor. Der Wirtschaftsjurist ist Träger der Ehrenauszeichnungen von gleich vier europäischen Ländern: Niederlande (Orde van Oranje-Nassau), Frankreich (Ordre national
de la Légion d'honneur), Rumänien (Steaua României) und Österreich (Großes Goldenes Ehrenzeichen).
Europathemen: Welche Prioritäten muss die Europäische
Union für das kommende Jahr setzen, um handlungsfähig
zu bleiben?
Krichbaum: Die europäischen Institutionen und die
Mitgliedstaaten müssen mit voller Kraft und Entschlossenheit die größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg anpacken und endlich Lösungen in der Flüchtlingskrise finden. Natürlich gibt es darüber hinaus noch weitere Herausforderungen, etwa das britische Referendum
oder die innenpolitischen Entwicklungen nach den Wahlen in Polen und Frankreich. Die Abstimmungen haben
nämlich etwas gemeinsam: die politischen Fliehkräfte
werden bedient. Zwar gibt es solche Kräfte schon seit
Längerem, sei es in Schweden, Finnland oder die FPÖ in
Österreich. Doch mittlerweile ist kaum noch ein Mitgliedstaat davon verschont. Das bedeutet für die Europäer, dass wir Europa jetzt mehr denn je zusammenhalten müssen. Noch nie war die Lage für die Europäische
Union und für den Einigungsgedanken prekärer als
heute.
Europathemen: Wie kann die Europäische Union diesen
Fliehkräften entgegenwirken?
Krichbaum: Die konkreten Herausforderungen müssen
entschieden angegangen werden. Die Europäische
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Kommission ist jetzt zum Beispiel in der Pflicht, eine faire
Verteilung von Flüchtlingen in Europa zu organisieren.
Denn die europäische Idee zeichnet sich neben den
gelebten Werten wie Frieden, Freiheit, Rechtstaatlichkeit
und Demokratie vor allem durch den Solidargedanken
aus. Mit dieser Solidarität nehmen es aber etliche Mitgliedstaaten nicht mehr ganz so genau. Im Gegenteil,
viele sind nur dann sehr empfänglich, wenn es um Mittel
für den Ausbau der Infrastruktur in den einzelnen Ländern geht. Jetzt ist die Zeit gekommen, etwas zurückzugeben. Solidarität muss auch im 21. Jahrhundert in
Europa gelebt werden, sonst wird dieses Europa in dieser
Form das 22. Jahrhundert nicht erleben. Die einzelnen
europäischen Mitgliedsländer können in Zeiten der
Globalisierung nur dann erfolgreich sein, wenn sie zusammenstehen. Deswegen erleben wir heute genau
genommen keine Krise Europas, sondern eine Krise der
Nationalstaaten, deren Egoismus die europäische Idee
ernsthaft bedroht.
Europathemen: Was muss Europa jetzt in der aktuellen
Flüchtlingssituation unternehmen?
Krichbaum: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
wird beim nächsten Treffen der europäischen Staatsund Regierungschefs am 17. und 18. Dezember konkrete
10. Jahrgang
aktuell
Vorschläge hierzu präsentieren. Das gilt es jetzt abzuwarten. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass mit
der ersten Entscheidung über die Umverteilung von
160.000 Flüchtlingen ein Anfang gemacht wurde. Enttäuschend ist aber schon, dass davon bis zum heutigen
Tag nicht mal 1.000 tatsächlich verteilt wurden. Es kann
nicht sein, dass sich einige Länder, vornehmlich in Osteuropa, einen schlanken Fuß machen. Die Europäische
Kommission muss auf sie mehr Druck ausüben. Das
alleine wird aber auch nicht reichen. Mittelfristig braucht
es eine echte Europäisierung des Asylrechts. Das kann
nur dann funktionieren, wenn die Europäer sich auf
gemeinsame Standards und vor allem auch auf einheitliche Leistungen für Flüchtlinge in der EU einigen.
Einblick
Europathemen: Welche Gründe sehen Sie für die derzeit
sehr hohen Flüchtlingszahlen?
Krichbaum: Einerseits gibt es die Symptome einer großen Krise, die sich beispielsweise im Bürgerkrieg in Syrien oder auch in vielen Ländern Afrikas zeigen, wo der
Klimawandel dafür sorgt, dass die Äcker keine Nahrung
mehr für die Bevölkerung bringen. Aber es reicht nicht,
nur über die Symptome zu reden. Die dahinterliegenden
Ursachen müssen bekämpft werden. Und in diesem
Kampf ist vor allem die Europäische Union viel stärker
gefordert als in der Vergangenheit. Kein Mitgliedstaat
kann die Herausforderung für sich alleine genommen
bewältigen. Ursachenbekämpfung heißt dann, neue
Wege in der Entwicklungszusammenarbeit zu gehen.
Jetzt rächt sich, dass wir Europäer über Jahrzehnte hinweg den afrikanischen Kontinent vernachlässigt haben.
Es darf nicht jedes EU-Mitgliedsland seine eigenen Ziele
verfolgen, wir brauchen eine geschlossene europäische
Strategie. Da kommt sehr viel Arbeit auf Europa zu.
Europathemen: Was heißt das konkret?
Krichbaum: Die Politik muss etwa die Wirtschaft ermuntern und dabei unterstützen, stärker in den Ländern
Afrikas zu investieren. Zum Beispiel sind im Moment aus
Deutschland nur rund 1.000 Unternehmen auf dem
afrikanischen Kontinent aktiv. Das ist viel zu wenig, das
Potential ist viel größer. Europäische Unternehmen
müssen sich stärker vor Ort einbringen. Denn wenn dort
Arbeitsplätze geschaffen werden, entsteht so auch
gleichzeitig eine tragfähige Lebensgrundlage für viele
Menschen und damit Perspektiven, dass sie sich in ihrer
Heimat eine Zukunft aufbauen können. Dadurch kann
auf weitere Sicht auch die Flucht aus diesen Ländern
begrenzt werden.
Europathemen: Was sind die dringendsten Herausforderungen in der europäischen Innen- und Sicherheitspolitik?
Krichbaum: Die Europäische Kommission ist ganz akut
gefordert, die Außengrenzen besser und stärker zu sichern. Die durchlässigste ist gegenwärtig die türkisch-
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griechische Grenze. Dazu muss unter anderem Frontex
gestärkt werden. Ich warne aber vor zu großen Erwartungen. Frontex ist sehr zum Schlagwort geworden,
kann aber als eine von vielen europäischen Agenturen
nicht alleine die Lösung sein. Dennoch muss Frontex
mehr Befugnisse bekommen. Ein wichtiger Schritt dafür
ist die Initiative der französischen und deutschen Innenminister, Bernard Cazeneuve und Thomas de Maizière. Sie wollen eigene Eingriffsbefugnisse für Frontex
für den Fall, dass ein Mitgliedstaat seinen originären
Aufgaben der Grenzsicherung nicht nachkommen kann.
Dann müssen diese Grenzen unter eine gemeinsame
Verantwortung gestellt werden können. Das bedeutet
natürlich die Abgabe nationaler Souveränität, aber es ist
an der Stelle richtig, um Konflikte innerhalb der Europäischen Union vermeiden zu helfen. Wenn Europa es nicht
bald schafft, seine Außengrenzen zu sichern, dann werden wir eine große Errungenschaft verlieren und zwar
Schengen, die offenen Binnengrenzen. Das wäre ein
Rückfall in längst vergangene Zeiten. Das kann keiner
wollen und sich auch keiner wünschen.
Europathemen: Sind die vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen zwischen einigen Mitgliedstaaten
gerechtfertigt?
Krichbaum: Diese vorübergehenden Hilfsmaßnahmen
wären sicher nicht notwendig, wenn alle Außengrenzen
der Europäischen Union effizient geschützt würden. An
den Binnengrenzen ist die Situation aber eine andere.
Deutschlands Grenze ist gut 3.750 Kilometer lang. Wir
sind heute auch dank Europa von Freunden umgeben.
Diese Grenze in letzter Konsequenz schützen zu wollen,
wäre schon technisch eine riesige Herausforderung. Seit
den 90er Jahren haben wir mit Blick auf den
Schengenraum viele der damaligen Grenzschutzkapazitäten abgebaut. Die können heute nicht einfach reaktiviert werden, weil sie schlicht nicht mehr da sind. Zudem
kann es auch nicht gewollt sein, dass wir uns vollständig
abschotten. Das würde nur die Schlepper stärken, denn
die Menschen werden weiter nach Europa und Deutschland kommen wollen und dann auch Wege finden.
Zuwanderung muss auch weiterhin auf legalem Wege
möglich sein. Allerdings brauchen wir klare Zuwanderungskontingente, um wieder Herr des Verfahrens zu
werden.
Europathemen: In der Diskussion der vergangenen Monate ist die europäische Wirtschafts- und Finanzkrise fast
vollständig aus den Schlagzeilen verschwunden. Ist diese
Krise überstanden oder täuscht der Eindruck?
Krichbaum: Nur weil sich die Lage in Europa etwa beruhigt hat, dürfen wir uns jetzt nicht in falscher Sicherheit
wiegen. Die Europäische Union muss deutlich wettbewerbsfähiger werden, als sie es im Moment ist. Die
Eurozone hat in den vergangenen Jahren bereits viele
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aktuell
Reformen in kürzester Zeit vollbracht, die vernünftigerweise schon der Vertrag von Maastricht hätte einführen
müssen. Die EU hat im Zeitraffer das nachgeholt, was
damals schon geboten gewesen wäre. Jetzt muss es
noch weiter gehen. Als nächstes steht eine ernsthafte
Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion an. Im
sogenannten Fünf-Präsidenten-Bericht, einem Reformvorschlag der Spitzen der wichtigsten europäischen
Institutionen, werden dafür bereits wichtige Impulse
gesetzt. Die Reformvorschläge lassen sich grob in zwei
Stufen unterteilen. In der ersten Stufe sind noch keine
Vertragsänderungen notwendig, für die zweite Stufe am
Ende dann aber sehr wohl. Mir ist besonders wichtig,
dass die parlamentarische Kontrolle verstärkt wird, da
gibt es bislang einige Defizite.
Einblick
Europathemen: In welchen Bereichen wäre ein Kompetenzzuwachs für die europäischen Institutionen denkbar?
Krichbaum: Deutlich wird das zum Beispiel mit Blick auf
die sogenannten länderspezifischen Empfehlungen. Die
Europäische Kommission schreibt damit jedem Mitgliedstaat jedes Jahr ins Stammbuch, welche Wirtschaftsreformen aus ihrer Sicht notwendig sind. Letztlich bleibt
das aber bislang wirkungslos, weil die Kommission die
Reformen nicht selbst vollstrecken kann, sie bleiben
reine Empfehlungen. Das würde sich nur dann ändern,
wenn es in Brüssel einen echten Haushaltskommissar
gäbe, der nationale Reformen auch anleiten könnte.
Dazu müssten die Mitgliedstaaten natürlich bereit sein,
einen Teil ihrer Souveränität in diesem Bereich abzugeben. Das scheint derzeit undenkbar. Deswegen wird es
absehbar bei all dem, was die Kommission an der Stelle
macht, bei Empfehlungen bleiben. Es müssen jetzt andere Wege gefunden werden, den Druck für Reformen zu
erhöhen. Gleichwohl bleibt da noch sehr, sehr viel zu tun.
Europathemen: Einige Mitgliedstaaten scheinen eher
gewillt als andere, Kompetenzen an die europäische Ebene
abzugeben. Muss künftig verstärkt auf ein Europa der
unterschiedlichen Geschwindigkeiten gesetzt werden, in
dem einige Staaten mit einer vertieften Integration vorausgehen?
Krichbaum: Unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt es
bereits heute. So gibt es Staaten, die sich am
Schengenraum beteiligen und andere, die das nicht
machen. Ähnlich ist es beim Euro. Selbst im Bereich der
inneren Sicherheit gibt es diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Großbritannien und Dänemark müssen im Bereich der Justiz und der polizeilichen Zusammenarbeit nicht alle europäischen Maßnahmen mitmachen. Deshalb kann es auch künftig geboten sein, dass
Länder im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit
voranmarschieren, wenn sie das für sinnvoll halten. Das
wäre zum Beispiel für eine europäische Finanztransaktionssteuer denkbar, einige Staaten haben hier bereits
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konkrete Überlegungen, auch wenn der Prozess etwas
ins Stocken geraten ist. Wichtig ist, dass die Länder ihren
Weg gehen können, ohne dass andere Länder blockieren
oder blockiert werden können. Im besten Falle wirkt das
Projekt einzelner Staaten wie ein Magnet, der andere
anzieht.
Europathemen: Den umgekehrten Weg scheint derzeit
Großbritannien zu gehen. Premierminister David Cameron
hat Vorschläge vorgelegt, die das Land von bestimmten
europäischen Pflichten befreien würden. Wie sollte Europa
auf diesen Vorstoß reagieren?
Krichbaum: Grundsätzlich kann man über alles diskutieren, wenn ein Staat Vorschläge auf den Tisch legt, über
die er gerne mal sprechen würde. Die britische Position
ist aber sehr differenziert zu betrachten. Wenn Herr
Cameron jetzt mehr Wettbewerbsfähigkeit einfordert,
rennt er damit bei den meisten Mitgliedstaaten offene
Türen ein, die Juncker-Kommission setzt sich ebenfalls
genau dafür ein. Inakzeptabel ist aber der britische Vorschlag, Sozialleistungen für EU-Arbeitnehmer in Großbritannien erst nach einer Karenzzeit von vier Jahren freizugeben. Der Europäische Gerichtshof würde eine solche
diskriminierende Regelung ohnehin niemals durchgehen
lassen, da dies gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit
verstoßen würde.
Europathemen: Was würde ein Austritt Großbritanniens
für die Europäische Union bedeuten?
Krichbaum: Es ist eine souveräne Entscheidung der
britischen Wähler, ob das Land in der Union bleibt oder
nicht. Es ist mein erklärter Wunsch, dass es zu keinem
Austritt kommt. Wir teilen zum Beispiel in der Sicherheits- und Außenpolitik, in der Verteidigungspolitik und
auch in der Wirtschaftspolitik viele gemeinsame Interessen. Das sollte nicht einfach leichtfertig aufgegeben
werden. Über eins muss sich Premierminister Cameron
zudem im Klaren sein. Bei einem Austritt würde er nicht
nur eine Union verlieren, sondern gleich zwei. Zum Einen
natürlich die Europäische Union, aber mit Blick auf das
Vereinigte Königreich auch den Zusammenschluss mit
Schottland. Dort ist die Bevölkerung mehrheitlich für
einen Verbleib in der Europäischen Union und würde
dann vermutlich lieber ein unabhängiges Schottland in
der EU sehen. Ich würde mir von Cameron wünschen,
dass er in den kommenden Monaten klar für einen Verbleib des gesamten Königreichs in der EU wirbt. Die
Wirtschaft, nicht zuletzt die Finanzmärkte, sehen ganz
klar die Vorzüge einer britischen EU-Mitgliedschaft, der
das Land einen guten Teil seiner wirtschaftlichen Stärke
zu verdanken hat. Ein Austritt kann gar nicht im britischen Interesse sein.