stadtleben 4/2015
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stadtleben 4/2015
stadtleben DAS MIETERMAGAZIN AUSGABE 04 / 2015 Winter olé! Draußen ist es kalt und grau. Machen Sie es sich drinnen gemütlich! So verdrückt sich jeder Winterblues Seite 17 Kiez mit Bodenhaftung Cooles Café neben alteingesessenem Friseursalon: Pankow putzt sich heraus und bleibt sich doch treu. Ein Kiezspaziergang Seite 28 Ein Hoch auf Marzahn Alessandro Libonati hat ganz Berlin im Blick. Der Italiener führt Neugierige über eine neue Aussichtsplattform: den Skywalk. Von dort oben blickt er auf Marzahn. Einst Ortsteil mit tristem Plattenbauimage, heute Kiez mit Zukunft ab Seite 08 chen & a m t i M nen gewin rei wohnen, ietf onat m eim Einen M chtssingen b a ehr m s le Weihn ie n und v io n U FC 02 AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 EDITORIAL degewo bildet aus Azubi werden! ngsu d l i b s Au beginn 016 r2 Sommt beewerben! Jetz Du bist perfekt, so wie du bist Lust, die Stadt mitzugestalten? Kein Problem! degewo bietet im nächsten Jahr wieder Ausbildungsplätze in kaufmännischen und technischen Berufen sowie Duale Studiengänge an. Wer einen Platz ergattert, arbeitet bei Berlins größtem Wohnungsbauunternehmen und erlebt mit, wie sich das Gesicht der Stadt verändert. Dass man dabei auch um die Ecke denken muss, weiß Maike Groth von der Unternehmensentwicklung: „Deshalb suchen wir auch Bewerber mit Ecken und Kanten. Schulnoten sind wichtig, aber nicht alles. Uns kommt es auf die Persönlichkeit an – das zeigen wir derzeit auch mit einer Werbekampagne in den Kinos.“ Wer sich für eine Ausbildung bei degewo interessiert, kann sich bewerben. Informationen zu den Berufen und zum Bewerbungsprozess gibt es auf www.ausbildung.degewo.de. AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 Duale Studiengänge Immobilienwirtschaft, Facilitymanagement, Bauwirtschaftsingenieurwesen Kaufmännische Ausbildung Immobilienkaufleute, Informatikkaufleute, Steuerfachangestellte, Kaufleute für Büromanagement Technische Ausbildung Maler und Lackierer, Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik, Gebäudereiniger Alle Angebote richten sich an Frauen und Männer. Allein der besseren Lesbarkeit wegen verwendet stadtleben nur eine Geschlechterform. Überraschung Ich wohne noch nicht so lange in Berlin wie die meisten von Ihnen. Doch trotzdem habe ich längst festgestellt: Berlin hält viele Überraschungen bereit. Die größte war für mich zu entdecken, KRISTINA JAHN dass unsere Hauptdegewo-Vorstandsmitglied stadt aus so unterschiedlichen Kiezen, Quartieren und Ortsteilen besteht – jeder Einzelne auf seine Art lebenswert. Zuletzt ist mir das wieder in Marzahn aufgefallen, dem Stadtteil, um den sich die Titelgeschichte dieser stadtleben-Ausgabe dreht. Lange galt er als öde Plattenbausiedlung, doch wer genau hinguckt, erkennt: In Marzahn lässt es sich leben. Der Kiez ist in Bewegung, er ist so grün wie kaum ein anderer in Berlin, und die Mieten sind niedrig. Aber lesen Sie am besten selbst ab Seite 08. Ich habe in diesem Jahr noch etwas über Berlin gelernt: Diese Stadt kann viel mehr schaffen, als man denkt. Seit Monaten strömen Flüchtlinge nach Deutschland und auch hierher. Und obwohl der Wohnraum knapp ist, versuchen wir nach wie vor, Platz für sie zu finden. Auch degewo hilft dabei – und darauf bin ich stolz! Denn gerade jetzt zur Vorweihnachtszeit, wenn Sie die neue stadtleben in Händen halten, sollten wir uns doch daran erinnern, dass es unsere Pflicht ist, Menschen in Not zu helfen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie ein erfüllendes und fröhliches Weihnachtsfest sowie ein glückliches und gesundes Jahr 2016! Inhalt 04 / 2015 22 AKTUELLES WOHNEN 02 16 AZUBI WERDEN! DER WINTERBÄR degewo bietet 2016 wieder Ausbildungsplätze an Lenz Koppelstätter will sich im Winter am liebsten einhöhlen. Doch der Nachbar stört 04 GANZ SCHÖN VIEL LOS 05 degewo AKTUELL 06 TERMINE, TERMINE 07 IMPRESSUM 17 8 x GEMÜTLICHKEIT Schluss mit dem Winterfrust. Jetzt machen wir es uns zu Hause gemütlich. stadtleben weiß wie 20 ENERGIE, BITTE! LEBEN 08 MARZAHN WÄCHST ÜBER SICH HINAUS Herzlichst, Ihre STADT Monotone Großsiedlung – das war einmal. In Marzahn bewegt sich was: Neue Bürger ziehen hinzu, der Kiez wird hipper Die Spülmaschine läuft, die Heizung wärmt – doch woher stammt eigentlich die Energie in den degewo-Häusern? Ein Überblick DIE ERMÖGLICHER Hilfe benötigt? stadtleben kennt drei Menschen, die sich für andere einsetzen 26 FEUER UND WASSER Ganz unauffällig: Wie aus einer Feuerwache ein Wohnhaus wurde 28 AUF DEM BODEN GEBLIEBEN Was der Pankower am liebsten macht? Quatschen. Wer das sehen will, sollte sich aber auch die Attraktionen nicht entgehen lassen. Ein Kiezspaziergang 31 RÄTSEL & RABATTE 03 04 AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 Ganz schön viel los degewo aktuell Aufgepasst! degewo lädt Sie zu Veranstaltungen und Aktionen ein. stadtleben erklärt, wie Sie teilnehmen können Gut zu wissen: 1.200 Mitarbeiter, 75.000 Wohnungen und noch mehr Mieter – stadtleben verrät, was bei degewo passiert Akrobatisch Zirkus wunderbar 6.170 ZAHL DES QUARTALS: DIE AB I N E G E N A M nd e ch n u Mitma nen! gewin Quadratmeter groß ist das Eisstadion Horst Dohm in Wilmersdorf. Genug Platz für Profis wie Hobbyeisläufer. Wer es bei dem winterlichen Vergnügen gerne etwas kuscheliger hat, sollte an einer der Eisbahnen vorbeischauen, die zur Weihnachtszeit in der Stadt aufgebaut werden: zum Beispiel am Potsdamer Platz, auf dem Bikini-Haus oder rund um den Neptunbrunnen. www.weihnachteninberlin.de/erleben/eisbahnen Mehr Kreativität degewo STELLT WEITERE NEUBAU-WEICHEN. „bauWerk“, das eigene in der „Wunderkammer“ der australischen Zirkus-Kompanie „CIRCA“. Wie der Name des Programms verspricht, lassen Regisseur Yaron Lifschitz und seine Truppe verschiedene Künste verschmelzen: Kabarett, Burlesque und Neuen Zirkus, Klassik, Jazz, Swing und Pop, Akrobatik und Tanz. Und das Beste: Sie gastieren mit ihrer Show in diesem Winter in Berlin – im Ballsaal des Chamäleon Theaters in den Hackeschen Höfen. Lust zuzuschauen? stadtleben verlost exklusiv an degewo-Mieter 4 x 2 Freikarten. Wer teilnehmen möchte, blättert auf die Seite 31 dieser Ausgabe und nimmt am Gewinnspiel „Manege frei!“ teil. Planungsbüro von degewo, wird ab sofort von sieben externen Architekturbüros unterstützt. „Indem wir dauerhaft mit den Büros kooperieren, können wir schneller planen und immer wieder dazulernen. Außerdem können wir Innovationen entwickeln – und unsere Qualität stets steigern“, erklärt degewo-Vorstand Kristina Jahn. degewo plant, bis 2020 pro Jahr etwa 1.600 neue Wohnungen in Berlin zu errichten. Dass nicht nur ein Architektenbüro, sondern mehrere Büros an den Projekten arbeiten, sorge außerdem für gestalterische Vielfalt der Entwürfe, so Jahn weiter. Musikalisch Die Schoko-Meisterin Ein Abend mit ABBA BITTE DAUMEN DRÜCKEN! In der Grolmanstraße in Charlottenburg KLEINE ZEITREISE GEFÄLLIG? degewo-Mieter liefen Mitte Oktober die WM-Vorbereitungen auf Hochtouren. Sabine Dubenkropp – Inhaberin der Confiserie Melanie, degewo-Mieterin und amtierende Deutsche Schokoladenmeisterin – ging in Paris für Deutschland bei der Schokoladen-Weltmeisterschaft an den Start. Wie sie abgeschnitten hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest, sicher ist jedoch: Die Confiserie ist ein wunderbares Ziel für den Weihnachtsgeschenk-Einkauf. Confiserie Melanie, Grolmanstr. 20, 10623 Berlin, Tel. 030 / 31 38 33 0, www.bei-melanie.de, Mo-Fr 10-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr lauschen exklusiv Welthits wie „Mamma Mia“ und „Waterloo“. stadtleben verlost 3 x 2 Freikarten für „Die ABBA-Story“ im Estrel Festival Center. Senden Sie eine E-Mail an stadtleben@degewo.de, Stichwort: „ABBA“. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen! Für degewo-Mieter gibt es auch Tickets zum Vorzugspreis von 29 Euro. Spielzeiten 2. bis 24. Januar, Reservierung: 030 / 6831 6831 NEUES PARKHAUS degewo baut weiter. Im Agnes-Straub-Weg in der Gropiusstadt wird deshalb im Januar ein Parkhaus abgerissen, um Platz für ein neues Wohnhaus zu schaffen. Bis Sommer 2017 entstehen dort 57 neue Wohnungen und einige Geschäfte. Als Ersatz hat das Wohnungsbauunternehmen ein neues, offenes Parkhaus in der Fritz-Erler-Allee gebaut – nur wenige Fußminuten vom alten entfernt. Eine Parkbucht kostet 60 Euro pro Monat. Wer noch auf der Suche nach einem Platz für sein Auto ist, meldet sich im Kundenzentrum Süd, Tel. 030 / 24685 2188. ERFOLGREICHER WOHNFÜHRERSCHEIN ATEMBERAUBENDE AKROBATIK, TOLLKÜHNE TÄNZE – willkommen Köstlich degewo NEWSTICKER Wohnraum für Flüchtlinge EIN THEMA, DAS ALLE BESCHÄFTIGT: Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland ist auch bei degewo ein Thema. Der Konzern hat – wie alle kommunalen Wohnungsunternehmen – bereits 2011 einen Kooperationsvertrag mit dem Land Berlin geschlossen. Er legt fest: Die sechs Kommunalen stellen jährlich zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. „Aufgrund der aktuellen Lage haben wir jetzt zusätzliche Wohnungen gemeldet“, erklärt Volker Bussler, Ansprechpartner für Flüchtlingsfragen bei degewo. Auch wohnen will gelernt sein – und deshalb unterstützt degewo bereits seit längerer Zeit in Köpenick und Marzahn den „Wohnführerschein“. In dem Projekt lernen junge Menschen, die zu Hause ausziehen möchten, welche Pflichten und Rechte sie als Mieter haben. Dabei werden Fragen geklärt wie: Welche Kosten kommen auf sie zu? Wie begegnen sie den Nachbarn? Oder welche Aufgaben hat der Vermieter? Das Projekt ist so erfolgreich, dass das Marzahner Angebot jetzt auch als herausragendes Beispiel in einer Broschüre der deutschen Immobilienwirtschaft vorgestellt wird. Weitere Initiatoren des Wohnführerscheins sind das Quartiersmanagement Mehrower Allee, die Wohnungsgenossenschaft Marzahner Tor und die Allod Immobilien- und Vermögensverwaltungsgesellschaft. www.wohnfuehrerschein.de EHRENAMTLICHE GESUCHT Das degewo-Beteiligungsunternehmen SOPHIA hat in Marzahn den Nachbarschaftstreff „Sonnenblume“ gegründet. Seit April können die Mieter der umliegenden degewo-Häuser dort ihre Freizeit gestalten oder sich selbst für die Einrichtung engagieren. Es finden regelmäßig Kurse zu Themen wie „Musik & Bewegung“ statt, außerdem trifft sich in den Räumen in der Wittenberger Straße 23 die Bastel- und Handarbeitsgruppe, das Kiezfrühstück findet hier statt und zwei Mal wöchentlich gibt es einen Spielenachmittag. Doch das Angebot soll noch weiter ausgebaut werden, deshalb werden Ehrenamtliche gesucht, die Veranstaltungen zu Fotografie, Gedächtnis- und Konzentrationstraining, Sport für Senioren oder Englischunterricht anbieten können. Wer Lust hat mitzuarbeiten, meldet sich beim Leiter der Einrichtung, Thorsten Höne, Wittenberger Str. 23, 12689 Berlin, Tel. 030 / 91 43 49 02, hoene@sophia-berlin.de. 05 06 AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 Termine, Termine Der degewo-Kalender. stadtleben verrät Ihnen die wichtigsten Ereignisse des Winters. In Ihrem Kiez und in ganz Berlin BRUNNENVIERTEL, IM DEZEMBER N AR TE F R E I K e n un d h c Mitma nen! gewin Kiezmagazin Das Brunnenviertel hat wieder ein Magazin: Der „Brunnen“ erscheint vier mal im Jahr, die aktuelle Ausgabe liegt seit dem 4. Dezember bei allen öffentlichen Stellen im Quartier aus. Das kostenlose Heft wird ehrenamtlich von einer Bürgerredaktion produziert, die über Neuigkeiten aus dem Kiez berichtet: Wo wird gebaut? Wo etwas abgerissen? Welche Angebote für Kinder gibt es? Erhältlich im degewo-Kundenzentrum Nord, Brunnenstr. 128, 13355 Berlin MARIENGRÜN & GROPIUSSTADT, 13. & 20. DEZEMBER Backen und Basteln degewo lädt Kinder, Eltern und Großeltern in der Adventszeit in zwei Kiezen wieder zum Backen von Weihnachtsplätzchen und Basteln von Weihnachtsfiguren ein. Marienfelde: 13. Dezember, 15–18 Uhr, Nachbarschaftscafé Altes Waschhaus, Waldsassener Str. 40, 12279 Berlin Gropiusstadt: 20. Dezember, 15–18 Uhr, VHG-Küche, Martin-LichtensteinGrundschule, Wutzkyallee 80, 12353 Berlin AKTUELLES stadtleben 04 / 2015 KÖPENICK, 12. JANUAR WILMERSDORF, GANZJÄHRIG Senioren gemeinsam Erzählwerkstatt Neues Angebot für ältere Kiezbewohner: In der Begegnungsstätte in der Alfred-Randt-Straße 42 findet ab Januar an jedem zweiten Dienstag im Monat ein Themenfrühstück statt. Teilnehmen können alle Senioren des Allende-Viertels, die Lust auf einen Plausch haben. Kennenlernfrühstück: 12. Januar, Alfred-RandtStr. 42, 12559 Berlin, Tel. 030 / 668 652 90 Sie wollen die Erinnerungen an Ihr Leben festhalten? Dann schauen Sie doch mal im SchlangeTreff vorbei. Dort stehen die Türen einer von der Aktion Mensch unterstützten Erzählwerkstatt allen Interessierten offen. Bester Termin für Einsteiger: immer mittwochs, 10 – 13 Uhr. Schlangenbader Str. 22, 14197 Berlin, weitere Termine auf www.erzaehlwerkstatt-berlin.de MITTE, 1. JANUAR Neujahrslauf KÖPENICK, 23. DEZEMBER Weihnachtssingen mit dem FC Union Die Berliner laufen gerne – und nach all dem Festtagsessen ist das auch eine besonders gute Idee. Am 1. Januar bittet der SCC Berlin jedermann zum Neujahrslauf zwischen Brandenburger Tor und Berliner Dom. Eine Strecke, die auch mäßig trainierte Läufer schaffen können. Brandenburger Tor, www.berliner-neujahrslauf. de, Voranmeldung nicht nötig, kein Startgeld, um Spenden wird gebeten. 2003 trafen sich 89 Union-Fans im Stadion An der Alten Försterei zum Weihnachtsliedersingen, 2010 erfüllten bereits über 10.000 Stimmen das eiserne Wohnzimmer. Inzwischen ist das Weihnachtssingen ein generations- und vereinsübergreifendes Ereignis. Wir verlosen 15 x 2 Karten. Senden Sie eine E-Mail an stadtleben@degewo.de, Stichwort: „Weihnachtssingen“. Einsendeschluss: 15. Dezember. Stadion An der Alten Försterei, An der Wuhlheide 263, Einlass ab 17 Uhr WILMERSDORF, GANZJÄHRIG Internettreff Der Verein AKolleg bietet in der Schlangenbader Straße 25 Workshops und Einzeltrainings rund um Computer und Internet an. Themen sind zum Beispiel: Soziale Netzwerke, Bildbearbeitung, Blogs, Smartphones und Tablets. Schlangenbader Str. 25, 14197 Berlin, Tel. 030 / 897 491 80, www.internettreff-schlange.de , Mo bis Do 9 – 17 Uhr, Fr 9 – 12 und 14 – 16 Uhr. Voranmeldung und kleine Spende für Teilnahme werden erbeten. BERLIN Mitgemacht MARIENGRÜN, 4. – 6. & 11. – 13. DEZEMBER Sie möchten hier oder auf anderen Seiten der stadtleben auch von Ihrem Kiez lesen? Zum Beispiel von Veranstaltungen, die Sie selbst organisiert haben, Nachbarn, die sich für das Quartier engagieren, oder auch über Missstände? Dann schicken Sie Ihre Vorschläge an stadtleben@degewo.de. Auf dem Bauernhof Ein Bauernhof im Lichterglanz? In Berlin? Das klingt romantisch und ist es auch: In Mariengrün lädt die Familie Lehmann alljährlich zu einem kleinen Weihnachtsmarkt auf ihrem Bauernhof an der alten Dorfaue – mit Handwerk, Kunst, Schmuck, Ponys, einer Kutsche und hausgemachter Erbsensuppe. Lehmanns Bauernhof, Alt-Marienfelde 35, 12277 Berlin, www.lehmanns-bauernmarkt.de, freitags (4. und 11.12.) 14 – 20 Uhr; samstags und sonntags (5. bis 6.12. und 12. bis 13.12.) 12 – 20 Uhr IMPRESSUM Herausgeber und Verleger degewo Aktiengesellschaft, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin Projektleitung Kristina Jahn (V. i. S. d. P.), Isabella Canisius, 030 / 26485 1513, stadtleben@degewo.de, degewo.de Redaktion G+J Corporate Editors GmbH, Büro Berlin (Leitung Joerg Strauss), Friedrichstr. 82, 10117 Berlin, corporate-editors.com Publishing Management Eva Kanthack, 030 / 2757 2409 6822 Redaktionsleitung Margitta Schulze Lohoff (FR) Art Direction Britta Hinz, Dorothee Swinke (FR) Bildredaktion Isabell Seifert (FR) Schlussredaktion Dr. Egbert Scheunemann (FR) Druck Neef + Stumme, Wittingen Titelfoto Steffen Roth Fotos degewo (S. 2, 3, 5, 15); Chamäleon Theater Berlin (S. 4); Andreas Friese (S. 4); Holger Talinski (S. 5, 22 – 30); Tara Romasanta / Stocksy (S. 6); DAVIDS (S. 6); Eduard Bonnin / Stocksy (S. 7); Getty Images (S. 7, 18); Steffen Roth (S. 8 – 14); Plainpicture (S. 17, 18); Picturepress (S. 18); living4media (S. 19); Glada Canu / Stocksy (S. 19); Tom Tomczyk / Stocksy (S. 19); Landesarchiv Berlin (S. 27) Illustrationen Lisa Schweizer (S. 16, 19); Pia Bublies (S. 20-21) stadtleben erscheint viel Mal jährlich. Auflage 80.246 Exemplare 07 MARZAHN Marzahn wächst über sich hinaus Marzahn? Unendliche Hochhaussiedlung! Nur Plattenbau! Kann das lebenswert sein? Aber ja! Der Ortsteil im Nordosten ist wahrscheinlich einer der meist unterschätzten Kieze der Stadt. Die Bewohner mögen ihr Viertel, denn hier tut sich was. Was genau, hat stadtleben eine Neu-Marzahnerin, eine junge Mutter, einen Fremdenführer und eine Galeristin gefragt Text: Alexander Krex Fotos: Steffen Roth 10 LEBEN stadtleben 04 / 2015 P lattenbau, das ist ein ganz normales Wort. Es bezeichnet ein Gebäude, das aus Fertigteilen montiert wurde, nicht mehr und nicht weniger. Eigentlich. Denn „in die Platte ziehen“ bedeutet für viele nichts anderes als sozialer Abstieg. Und weil kein Ort in Berlin so für den Plattenbau steht wie Marzahn, hat der keinen besonders guten Ruf. Noch, muss man dazu sagen, denn der Wandel ist nicht zu übersehen. Und auch die Zahlen sprechen dafür, dass der Stadtteil, der nördlich des Tierparks beginnt und bis zur nordöstlichen Stadtgrenze reicht, immer attraktiver wird. Als Wohnlage ist Marzahn so begehrt wie seit 25 Jahren nicht mehr. Während nach dem Fall der Mauer die Zahl der Leerstände lange Zeit nur anstieg und 4.000 Wohnungen sogar abgerissen wurden, geht sie seit einer Weile wieder zurück. degewo – größter Vermieter von Plattenbauten in Marzahn – bestätigt den Trend. „Als ich vor fünf Jahren hier herkam, standen 1.200 Wohnungen in der Großsiedlung leer“, erzählt Dirk Enzesberger, Leiter des degewo-Kundenzentrums Marzahn. „Heute sind es nur noch wenige.“ Um für den prognostizierten Zuzug gewappnet zu sein, investiert das Wohnungsbauunternehmen: 700 neue Wohnungen sollen im Ortsteil entstehen, Apartments für Studenten an der Ludwig-Renn-Straße zum Beispiel. Baubeginn ist nächstes Jahr. Es kommen mehr Menschen nach Marzahn, das ist die eine Sache. Bemerkenswert ist aber auch, dass es den Neuankömmlingen wirtschaftlich besser geht. Lag das durchschnittliche Haushaltseinkommen der Neumieter im Jahr 2010 01 02 04 03 noch bei 1.180 Euro, ist es heute auf 1.782 Euro angestiegen. „Wir gleichen uns dem Berliner Durchschnitt an“, sagt Enzesberger. Es gebe mehr Arbeitsplätze im Bezirk und der Mindestlohn wirke sich auch positiv aus. Neue Mieter kommen auch aus Leipzig, Dresden und dem Ruhrgebiet. „Es sind nicht nur jene, die von den steigenden Mieten aus Friedrichshain verdrängt werden“, stellt Enzesberger klar. Mit seinem günstigen Wohnraum sei der Stadtteil einfach ein guter Startpunkt für Neuberliner – die S-Bahn braucht keine halbe Stunde zum Alexanderplatz. „Marzahn wird Kult“, da ist sich Enzesberger sicher. Es ist grün und ruhig, das merken Besucher sofort. Aber es tut sich auch was. An der Marzahner Promenade hat eine Galerie eröffnet, im Orwo-Haus an der Landsberger Allee proben junge Bands und von der neuen Aussichtsplattform Skywalk schauen Anwohner und Touristen je nach Blickrichtung bis zum Teufelsberg oder weit hinein nach Brandenburg. Die Idee für den Skywalk entstand im degewo-Team. Immer wieder hatten Architekturstudenten oder Delegationen aus dem Ausland gefragt, ob man die größte Plattenbausiedlung Deutschlands auch von oben sehen könne. Seit Ende September kann man das. Für den Leiter des Standortmarketings Marzahn-Hellersdorf, Oleg Peters, ist der Skywalk ein Volltreffer. „Passt doch perfekt zu unserem Claim: Berlins beste Aussichten!“, sagt er. 05 01 Zurück in die Zukunft: Dieser Trabi parkt auf Marzahner Straßen Die Neumieterin PETRA WERMKE 02 Dörfliche Idylle: die Bockwindmühle in Alt-Marzahn 03 Der Blick aus dem 16. Stock: auf Grün, Plattenbauten und Brandenburg als Kulisse 04 Sonnenplatz: Petra Wermke auf ihrem Balkon 05 Nabel der Welt: internationale Wegweiser vor dem Rathaus Marzahn MARZAHN Der Ortsteil im Osten Berlins ist Teil des Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Rund 100.000 Menschen leben hier, 5.449 von ihnen teilen sich durchschnittlich einen Quadratkilometer. Die heutige Großsiedlung entstand in den 1970er- und 80er-Jahren. Erst aus der Vogelperspektive erkenne man, wie viel Grünflächen Marzahn wirklich hat. „Das ist kein Plattenmeer.“ Warum das so ist, weiß Peters. Sein Vater war als Stadtbaurat für die Errichtung der Großsiedlung verantwortlich, die 1977 mit der Grundsteinlegung an der Marchwitzastraße begann. Vorher war dort nur Acker, und weil man Platz hatte, sind die Abstände zwischen den Wohnhäusern viel größer als in anderen Großsiedlungen wie Gropiusstadt oder dem Märkischen Viertel. „Ein historischer Glücksfall“, sagt Peters. Und es sieht so aus, als würden den immer mehr Menschen für sich entdecken. Wer Petra Wermke in einem der Hochhäuser am Helene-Weigel-Platz besucht, betritt eine Wohnung voller Familienerbstücke. Die Vitrine aus dunklem Holz und das Buffet im Gästezimmer sind ihre Lieblingsmöbel. „Die sind von meiner Oma“, sagt Wermke, bevor sie die Tür zu ihrem Balkon öffnet. Einem ihrer Balkons, muss man sagen, denn sie hat zwei: Auf einem sieht sie den Sonnenaufgang, auf dem anderen kann sie in der Nachmittagssonne sitzen. Seit einem halben Jahr wohnt Petra Wermke in Marzahn. Vorher lebte die 53-Jährige in einem Einfamilienhaus in Biesdorf. Als die Kinder aus dem Haus waren, wollte sie was Neues und wagte den Aufstieg: Früher lebte sie im Erdgeschoss, heute im 16. Stock. „Der Ausblick ist toll, diese Weite hatte ich vorher nicht. Und so viel Sonne.“ Wenn sie ohne Einkäufe nach Hause kommt, nimmt sie sogar die Treppen, drei Minuten braucht sie bis zur Wohnungstür, das hält fit. Ihr jüngerer Sohn ist auch in einen Plattenbau gezogen, gar nicht weit weg – mit Westbalkon. „Den Sonnenuntergang habe ich ihm gelassen“, sagt Wermke und lacht. 12 LEBEN stadtleben 04 / 2015 Die Jule-Absolventin ANGELINA MERING 01 02 Angelina Mering (Name geändert) weiß, wie es ist, wenn man sich beweisen will, aber nicht darf. Die 26-Jährige schloss ihre Lehre zur Restaurantfachfrau mit hervorragenden Noten ab und wollte natürlich sofort arbeiten. Das Problem: Sie ist alleinerziehende Mutter. Kaum ein Arbeitgeber traute ihr zu, mit Kind einen stressigen Job in der Gastronomie zu bewältigen. „Da nützen einem die besten Prüfungsnoten nichts“, sagt Mering. Sie sitzt auf einem Sessel im Gemeinschaftsraum des Projektes Jule in der Golliner Straße. Seit zwei Jahren wohnen Mering und ihr siebenjähriger Sohn im gleichen Haus in einer der 15 Wohnungen des degewo-Projekts. Jule ist berlinweit einzigartig, den Teilnehmern wird ein Ausbildungsoder Arbeitsplatz vermittelt. Damit das gelingt, bekommen sie nicht nur ein Zuhause, sondern werden auch bei der Kinderbetreuung unterstützt. Bei Angelina hat es mit dem Job nur dank Jule trotzdem noch geklappt. Sie arbeitet heute im Marzahner Event-Zentrum Alte Börse. Bald wird sie in eine eigene Wohnung ziehen. Sie ist zufrieden mit sich – ihr Arbeitgeber übrigens auch. 01 Galeristin in Marzahn: Karin Scheel 02 Kunst im Plattenbau: Die Galerie M ist seit 1989 in Marzahn 03 + 04 01 Ehre dem Kleingarten: Eine Ausstellung in der Galerie ist den Mini-Oasen gewidmet und zeigt ein Kaffee-Service aus der DDR-Zeit 02 03 03 Die Galeristin 01 KARIN SCHEEL Stolze Jule-Absolventin: Angelina Mering 02 Immer Aktion: Die Kinder der Jule-Teilnehmer haben Wandbilder gebastelt 03 Von wegen triste Platte: In der Golliner Straße, wo auch Jule zu Hause ist, sind die Balkone bunt bemalt 04 Karin Scheel steht in ihrer Galerie und erklärt, was alte Hollywoodschaukeln und Gartenmöbel mit Kunst zu tun haben: Die Möbelstücke sind Teil einer Installation, die den langen Raum der Galerie M an der Marzahner Promenade 46 einnimmt. Kunst zum darauf Sitzen sozusagen. Thema der aktuellen Ausstellung – alle acht Wochen gibt es etwas Neues zu sehen – sind Kleingärten. „Was wir hier zeigen, soll immer auch eine Brücke zu den Anwohnern bauen“, sagt Scheel. Deshalb spielt auch dieses Mal Marzahn eine Rolle: Lange bevor die Großsiedlung entstand, lagen hier Parzellen für Kleingärtner. Auf einem Monitor werden Fotografien gezeigt, die das beweisen, Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1930er-Jahren mit Datschen und Schrebergärten. „Heute sind die Häuser etwas höher“, sagt Scheel und deutet auf die modernisierten Neubauten, die man durch die bodentiefen Fenster sieht. Das Interesse an der Ausstellung sei groß. „Die Marzahner sind sehr interessiert an Kunst“, sagt sie. Damit das so bleibt, steht die Galerie M jedem offen und organisiert regelmäßig Workshops zur Kunstvermittlung. 13 14 LEBEN LEBEN stadtleben 04 / 2015 Der Skywalk-Guide Adressen und Tipps ALESSANDRO LIBONATI Den Augenblick, in dem die Besucher die Aussichtsplattform in 70 Metern Höhe betreten, mag Alessandro Libonati am liebsten. Dann schweigt er und beobachtet sie beim Staunen. „Die Gäste sind vollkommen fasziniert und wollen erst einmal gar nichts hören“, sagt Libonati, der die Besucher ehrenamtlich über den Skywalk führt. Erst nach ein paar Minuten beginnen sie mit den Fingern über die Brüstung gen Norden, Osten, Süden und vor allem Westen zu zeigen und zu rätseln. „Das ist der Moment, wo ich meine 360-Grad-Tour beginne und erkläre, was man alles sehen kann.“ Den Fernsehturm, den Dom, den Potsdamer Platz, den Schöneberger Gasometer, sogar das Zementwerk Rüdersdorf, dessen Silhouette sich im Osten am Horizont abzeichnet. Normalerweise führt Libonati, der 2010 aus Mailand nach Berlin zog, Touristen durch die Innenstadt. Seine Neugier trieb ihn jetzt nach Marzahn auf den Skywalk, der auf einem Hochhaus in der Raoul-Wallenberg-Straße errichtet worden ist. „Hier oben hat man das Gefühl von Freiheit“, sagt er und atmet tief durch. Das nächste Mal, wenn Libonati eine Touristengruppe am Brandenburger Tor verabschiedet, wird er ihnen raten, Marzahn nicht zu vergessen. GUTE AUSSICHTEN 04 Dach mit Krone: Der Skywalk thront auf einem Hochhaus in der RaoulWallenberg-Straße 05 „Guck mal da unten … Der Skywalk befindet sich auf dem Dach eines Hochhauses nahe dem S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße. Die Führung über die Stahlgitter-Konstruktion dauert rund eine Stunde und ist kostenlos. Interessierte Gruppen (je maximal 15 Personen) melden sich im degewo-Kundenzentrum Marzahn an. Raoul-Wallenberg-Str. 40 / 42, 12679 Berlin, Tel. 030 / 264 852 588, marzahn@degewo.de 06 04 … liegt Marzahn.“ Der Skywalk bietet beste Aussichten – auch auf den Sonnenuntergang KUNST ZWISCHEN HOCHHÄUSERN Die Galerie M zeigt die Arbeiten professioneller Künstler, die sich mit dem Thema Stadt auseinandersetzen. Die 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche werden alle sechs bis acht Wochen neu bespielt. Marzahner Promenade 46, 12679 Berlin MIT KIND ZUM ABSCHLUSS Das Projekt Jule unterstützt alleinerziehende Mütter und Väter im Alter zwischen 18 und 27 Jahren auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Das von degewo initiierte Projekt hilft bei Wohnen, Kinderbetreuung und Arbeitsvermittlung. Zurzeit sind vier Wohnungen frei. 01 02 Wer interessiert ist, erhält hier weitere Infos: Tel. 030 / 936 654 19, jule-marzahn@web.de 05 06 03 ANDERE LÄNDER, ANDERE BLÜTEN 21 Hektar groß ist das Gelände der Gärten der Welt in Marzahn. Und nebenan laufen derzeit die Vorbereitungen für die IGA im Jahr 2017. degewo-Mieter können jetzt wieder vergünstigte Jahreskarten für die Gärten und drei weitere Parks kaufen (gültig ab sofort bis 31.12.2016, Rabattcoupon erhältlich in allen degewoKundenzentren). Eisenacher Str. 99, 12685 Marzahn 01 KLINKER STATT PLATTE Skywalk- und BerlinExperte: der Mailänder Alessandro Libonati Das Gelände der Alten Börse war einst ein Umschlagplatz für Rinder und Schweine, wurde vor dem Verfall gerettet und bietet heute Raum für Kunst, Handwerk, Kultur und Events (zum Beispiel für die Künstler aus dem Tacheles in Mitte). Ein Restaurant und eine Bierbrauerei gibt es auch. 02 Was gibt es hier zu sehen? Libonati erklärt einer Besuchergruppe die Aussicht vom Skywalk 03 Blick über Berlin: Ein Gast greift zum Fernglas Zur Alten Börse 59, 12681 Marzahn, www.alte-boerse-marzahn.de 15 16 WOHNEN stadtleben 04 / 2015 8x Gemütlichkeit Der Winterbär Flurfunk. Winter in Berlin? „Fürchterlich!“, sagt Lenz Koppelstätter. Er würde am liebsten Winterschlaf halten – vor allem wegen des lieben Nachbarn, Herrn N. Illustrationen: Lisa Schweizer Der Winter in Berlin? Grau, eisig, verschneit. Manchmal scheint es, als wäre die kalte Jahreszeit in Deutschlands Hauptstadt besonders unwirtlich. stadtleben weiß Rat und gibt acht Tipps für mehr Behaglichkeit D er Mensch unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom Tier – und das ist auch gut so. Wir haben die Philosophie, wir haben Tischmanieren, wir können Filme schauen. Das alles machen Tiere nicht. Doch viele machen etwas, das wir Menschen nicht tun und um das ich sie beneide: Sie halten Winterschlaf. „Und wie ist Berlin im Winter so?“ Das werde ich oft von Freunden gefragt, die nicht in Berlin leben. „Ich weiß es nicht“, antworte ich. Und um ihnen eine Erklärung zu bieten, füge ich hinzu: „Ich gehe kaum raus. Ich mache schon seit Jahren Winterschlaf.“ Ich versuche es zumindest. Es würde auch klappen. Wenn da Herr N. nicht wäre, der Nachbar über mir. Herr N. ist kein Winterschlafmensch. Winterschlafmenschen sind ruhige Zeitgenossen. So wie auch ich einer bin. Man hört uns kaum. Wir verkriechen uns während der dunklen, verschneiten, kalten, grauen, windigen, feuchten Monate – also in Berlin von Mitte Oktober bis Mitte April – in unseren Wohnungen, unter Decken auf unseren Sofas, wir trinken viel Tee und lesen tausendseitige Literaturklassiker im flackernden Licht der Kerzen. Ruhe, Stille, Geborgenheit, Frieden – das ist unser Berliner Winter. Wenn wir gezwungenermaßen aus dem Haus müssen, verstecken wir unsere Gesichter hinter dicken Schals und huschen unbemerkt um die Ecken. Man nimmt uns kaum wahr. Wir verschwinden in der schwarzweißen Wintertristesse. stadtleben 04 / 2015 01 ATMOSPHÄRE SCHAFFEN Herr N. ist das Gegenteil. Herr N. tut im Winter so, als wäre es Sommer. Er telefoniert. Lauthals. Bei Minusgraden auf dem Balkon, sodass ich jedes Wort mithören muss. „Mensch ja, toller Tag heute. Ich habe mich durch den tiefen Schnee gekämpft. Mit dem Fahrrad. So ein bisschen Schnee, das macht doch nichts …“ Er hört laut Musik. Sommerhits. Bei offenem Fenster. „Hot town, summer in the city, back of my neck, gettin’ dirty and gritty …“ Ich bin gerne Mensch. Aber Winterschlaf würde ich auch gerne halten. Ungestört. So wie die Braunbären. Braunbären haben einen tiefen Schlaf. Wenn der Braunbär trotzdem geweckt wird von jemandem, der ihm zu nahe kommt, der vor seiner Höhle das Handy auspackt und telefoniert, dann würde der Braunbär seine Zähne … Ich bin froh, dass ich ein Mensch bin. Herr N. kann froh sein, dass ich kein Braunbär bin. KOLUMNIST Lenz Koppelstätter, 33, lebt seit elf Jahren in Berlin und schreibt seither über die Stadt und ihre Bewohner – aber nicht nur. Im August ist sein erster Krimi „Der Tote am Gletscher. Ein Fall für Commissario Grauner“ erschienen, der in seiner Heimat Südtirol spielt. Die Tage sind die kürzesten des Jahres, draußen ist es dunkel und kalt und drinnen hilft dagegen nur: Machen Sie es sich so richtig gemütlich! Halten Sie Wohnaccessoires wie Kissen und Decken in dunklen, warmen Farben und zünden Sie Kerzen an. Beim Blick in das flackernde Licht soll unser Körper genauso viele Glückshormone ausschütten wie beim Naschen von Schokolade – und das ganz kalorienfrei. WOHNEN 17 18 stadtleben 04 / 2015 07 02 LAMMFELL Ein Holzstuhl ist im Sommer eine gute Sache, bietet er doch eine kühle Sitzgelegenheit. Im Winter jedoch kann es auf dem glatten Holz unbehaglich werden. Die Lösung: Legen Sie ein Lammfell über Sitzfläche und Rücklehne und schon können Sie stundenlang am Esstisch ausharren, bequem das Weihnachtsmenü verzehren und mit Freunden und Familie orakeln, was das neue Jahr wohl bringen mag. Und wollen Sie sich dann doch aufs Sofa setzen, kann das Fell einfach mitwandern – an besonders kalten Tagen sogar mit ins Bett. Es werde Licht! EXPERTEN-TIPP „Am dunkelsten Tag des Jahres, dem 21. Dezember, scheint – selbst wenn es das Wetter gut mit uns meint – die Sonne in Berlin nicht einmal acht Stunden lang. Beleuchten Sie Ihr Zuhause, und zwar am besten mit vielen kleinen Lichtquellen. Sie lassen Ihre Räume gemütlicher erscheinen als eine grelle Deckenleuchte. Lampenschirme, die Licht sanft filtern, Stehleuchten mit indirektem Licht und Wandleuchten, die Teile eines Raumes, beispielsweise den Lieblingssessel, in Szene setzen, machen Ihr Zuhause kuschelig. Auch Nischen und Bücherregale eignen sich besonders gut, um beleuchtet zu werden.“ 03 04 NICHT DEN STROM VERHEIZEN RICHTIG WÄRMEN Im tiefsten Winter, wenn es in Berlin richtig kalt werden kann, ist eine zusätzliche Heizung, die direkt neben dem Sessel stehen kann, manchmal verlockend. Trotzdem: Lassen Sie die Finger von mobilen Elektroheizkörpern. Damit zu heizen ist so teuer, dass sie sich meist nur an Orten lohnen, wo kein anderes Heizsystem vorhanden ist – in Datschen und Schrebergärten zum Beispiel. Gehören Sie auch zur Fraktion der Heizungsnutzer, die die Heizung auf Fünf dreht, wenn es schnell warm werden soll? Ja? Das ist gar nicht nötig. Ein kalter Raum wird nicht schneller warm, er wird nur wärmer. Die jeweilige Stufe steht nämlich für die gewünschte Höchsttemperatur. Ist die erreicht, wird die Wärmezufuhr gestoppt. Bei Stufe Drei ist das bei ungefähr 20, 21 Grad der Fall – eine ideale Temperatur für Wohn- und Esszimmer. Im Kinderzimmer sollten maximal 22 Grad herrschen, im Elternschlafzimmer 16 bis 18 Grad. Kälter als 16 Grad sollte es aber in der ganzen Wohnung niemals werden – Frostgefahr. 06 Keine Hektik TEE SELBST GEMACHT 05 WARME FÜSSE KRIEGEN EXPERTEN-TIPP „Im Winter sollte man in warme Hausschuhe oder kuschelige Teppiche investieren. Sind unsere besonders kälteempfindlichen Füße warm, kann die tatsächliche Temperatur des Zimmers um etwa zwei Grad niedriger liegen als die gefühlte.“ WOHNEN stadtleben 04 / 2015 Zutaten für 60 Gramm: 1 kl. Bio-Orange, 1 ½ EL getr. Ingwer, 1 Stange Zimt, 1 Sternanis, 50 g Ostfriesen-Teemischung, 1 EL Earl-Grey-Tee. Den Backofen vorheizen (100 Grad, Umluft: 80 Grad, Gas: kleinste Stufe). Orange heiß abspülen, trocken tupfen, Schale dünn abschälen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen. Im Ofen 1 Stunde 20 Minuten trocknen lassen. Die harte Orangenschale grob zerkrümeln. Ingwer hacken. Zimtstange in kleine Splitter schneiden. Sternanis in kleine Stückchen brechen. Zutaten mischen, trocken und luftdicht verpacken. Vor dem ersten Aufgießen 24 Stunden ziehen lassen, damit sich die Aromen gut miteinander verbinden. 08 DECKEN EXPERTEN-TIPP „Für mich sind Decken der Inbegriff von Gemütlichkeit. Im Winter liegen überall in unserer Wohnung (auf dem Bett, dem Sofa und den Sesseln) selbst gemachte Merinodecken. Sie halten wunderbar warm! Meine Lieblingsdecke ist eine karierte Decke in Orangetönen, die verströmt auch noch gute Laune.“ WOHNEXPERTIN Christina Maria Götte, 37, ist die stadtlebenWohnexpertin. Die Architektin arbeitet seit neun Jahren in Berlin. Und wenn sie nicht arbeitet, brütet sie über neuen Einrichtungsideen für ihre Wohnung. 19 20 WOHNEN stadtleben 04 / 2015 Energie, bitte! WOHNEN stadtleben 04 / 2015 Die degewo-Energiewende Der Anteil der Mietkosten, der in den letzten Jahren am stärksten gestiegen ist, sind die Betriebskosten für Strom und Wärme. Was tun Vermieter dagegen? degewo will lernen, wie man die Kosten reduzieren kann, und stattet ein Mehrfamilienhaus – das sogenannte Zukunftshaus – in Lankwitz so aus, dass es nahezu unabhängig von externen Energiequellen ist. Nebenbei werden so auch die CO2 -Emissionen gemindert. Auf einen Blick. Der Fernseher läuft, die Lampe in der Ecke brennt, die Heizung wärmt das Wohnzimmer – doch woher kommen Strom und Wärme bei degewo? stadtleben klärt auf SolarhybridTechnologie Infografik: Pia Bublies Wärmespeicher Stromspeicher Alles auf Strom Wärmeerzeugung Mehr als 70.000 Wohnungen in 5.500 Häusern und alle brauchen Energie. Ein Großteil von Strom und Wärme stammt von externen Anbietern. Doch degewo rüstet auf: Insgesamt wurden bereits 42 thermische Solaranlagen (sie versorgen immerhin bereits 3.270 Wohnungen) und acht Fotovoltaikanlagen installiert. Die Heizungsanlagen in den 5.000 degewoGebäuden werden so betrieben: Gebäudehülle hoch gedämmt 56,7 % Kraft-Wärme-Kopplung1 28,9 % Konventionell 2 14,4 % Konventionell mit regene rativem Anteil 3 Energiequellen degewo-Häuser werden von sieben verschiedenen Quellen mit Strom und Wärme versorgt: Lüftung mit Wärmerückgewinnung 53,5 % Fernwärme fossil 4 Fotovoltaik 34,6 % Erdgas 9,0 % Fernwärme Biomasse 5 2,7 % Heizöl 1 2 3 4 5 gleichzeitige Gewinnung von Strom und Wärme durch ein Kraftwerk zum Beispiel Gas, Kohle, Öl, Kernenergie regenerativ sind Bio-, Meeres-, Sonnen- und Windenergie, Erdwärme, Wasserkraft Wärme wird außerhalb des Hauses erzeugt, Energiequelle ist konventionell Energie stammt aus der Verbrennung nachwachsender Rohstoffe 0,1 % Braunkohle 0,1 % Holz Willkommen im Zukunftshaus Hinter der Fassade Das Mehrfamilienhaus soll nach der Sanierung nahezu hundert Prozent des Wärmebedarfs und des Hausstroms selbst produzieren, außerdem Teile des Mieterstroms. So wird es unabhängig von teuren Energielieferanten: In einem durchschnittlichen degewo-Haus liegen die warmen Betriebskosten heute bei 1,05 Euro pro Quadratmeter, im Zukunftshaus sollen sie 0,29 Euro betragen. Ein Haus, das seine Energie selbst erzeugt? Ja, aber wie? Eine Fotovoltaik- und die Solarthermie-Anlage sowie ein Solarhybrid-Modul sorgen für Strom und Wärme, die gespeichert werden können. Die Lüftung pustet warme Luft nicht nur nach draußen, sondern gewinnt auch Wärme zurück. Und: Das Gebäude ist so gut gedämmt, dass Wärme nicht unerwünscht entweichen kann. 21 stadtleben 04 / 2015 D er Antrag für das Arbeitslosengeld muss ausgefüllt werden – Sie wissen aber nicht wie. Der Mann in der Wohnung nebenan ist einsam – wo kann er andere Menschen treffen? Auf dem Konto haben sich Schulden angehäuft – wie baut man die wieder ab? Oder ganz einfach und alltäglich: Die Kinder sitzen pausenlos vor Tablet, Fernseher und Co. – wo gibt es Ablenkung? Probleme und Herausforderungen gibt es zahlreiche im Leben von Otto-Normal-Berliner. Doch es gibt auch genauso viele Projekte, in denen sich Menschen ehrenamtlich für andere engagieren und helfen können – oder die zumindest wissen, wo es Hilfe gibt. Die MachBar im Brunnenviertel ist so ein Projekt, die Begegnungsstätte Alfred-RandtStraße 42 im Allendeviertel und auch der Puppenspieler, der vor Weihnachten in der Gropiusstadt gastiert. stadtleben hat die Menschen hinter den Projekten getroffen und gefragt, was sie antreibt. BILD LINKS Gut versteckt: Toni Tränkler und seine Frau erwecken die Puppen unter der Bühne zum Leben 01 Ab ins Theater: Kinder entern den Truck 02 Volle Konzentration: Kasperle tritt auf 03 Auch dabei: eine böse Hexe 01 Märchentruck vor dem Wutzky Toni Tränkler 02 03 Die Ermöglicher Stadtmenschen. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Problem und keine Hilfe – in Berlin unmöglich. stadtleben stellt vor: drei Menschen und drei Projekte, die anderen auf ganz unterschiedliche Weise helfen Text: Margitta Schulze Lohoff Fotos: Holger Talinski Dieses Theater rollt: In dem großen Truck, der im Dezember in der Gropiusstadt parken wird, versteckt sich Puppentheater, in das die Zuschauer – meist Kinder aus Kitas oder Schulhorts – einsteigen können. Die fahrende Kasperlebühne ist ein Familienunternehmen, die Tränklers sind Puppenspieler in der vierten Generation. Tradition ist dem 51 Jahre alten Toni Tränkler sehr wichtig. Seit er volljährig ist, spielt er mit den handgefertigten Holzpuppen für Kinder. „In Zeiten, in denen man mit all den digitalen Geräten und Spielen konkurrieren muss, ist es schwierig, Kinder für so etwas Handwerkliches zu begeistern“, sagt er. Umso größer ist seine Freude, wenn es gelingt und die Kinder bei der Vorstellung mitmachen, zum Beispiel dem Kasper helfen, einen Dieb zu fangen. Dieses unmittelbare Feedback ist es, was ihn antreibt. „Kinder sind ein unheimlich dankbares Publikum. Sie spiegeln sofort, ob wir gut oder schlecht spielen“, sagt er. INFOS Der Märchentruck gastiert am 19. Dezember in der Gropiusstadt. Von 15 bis 18 Uhr steht er auf dem Rotraut-Richter-Platz (direkt vor dem Wutzky). Toni Tränkler gibt zwei Vorstellungen: 15.30 Uhr: Kasper und der Zaubertrank, 17 Uhr: Neues Abenteuer von Räuber Pfefferkopf 24 STADT stadtleben 04 / 2015 stadtleben 04 / 2015 01 02 03 01 „Wie kann ich helfen?“ Heike Fahrnländer im Ge spräch mit einer Klientin 02 Die MachBar unterstützt zum Beispiel beim Ausfüllen von Behördenanträgen 03 Kaum zu übersehen: Von außen erstrahlt die MachBar in grellem Grün Yvonne Neis Yvonne Neis will sich mit Missständen nicht abfinden: „Das Leben wird so viel erlebnisreicher, wenn man an Dinge mit der nötigen Kritik, aber vor allem auch mit positivem Gestaltungswillen herangeht“, sagt sie. Sie fragt immer: Was kann man aufbauen? Deshalb arbeitet sie auch seit April in der Begegnungsstätte in der AlfredRandt-Straße. Den Treff gibt es erst seit Anfang des Jahres in einem Wohnhaus, gegenüber ist ein Flüchtlingswohnheim. Sie hat schon viel angeschoben: einen Bastelkurs für Kinder, einen Nähkurs für Erwachsene. Eine Sache freut Neis besonders: Waren es anfangs vor allem Menschen mit Beschwerden, Sorgen und Ängsten, die in der Begegnungsstätte vorbeikamen, kommen jetzt auch Menschen, die fragen, wie sie helfen, mitarbeiten und unterstützen können. Anwohner bieten Schülernachhilfe an, leihen sich gegenseitig Werkzeug aus, tauschen Bücher. „Ein Trend, der mich glücklich macht“, sagt Neis. 01 02 MACHBAR IM BRUNNENVIERTEL Heike Fahrnländer Über Heike Fahrnländers Schreibtisch hängt ein kleines Poster. „Wer lacht, lebt länger“, steht darauf. Während die 48-Jährige über ihr Engagement im Brunnenviertel spricht, hat man allerdings nicht den Eindruck, dass sie dieses Poster braucht, die Botschaft darauf hat sie längst verinnerlicht. Sie ist ein fröhlicher, zupackender Mensch. Fahrnländer hat die MachBar 2006 mitbegründet. Sie hat viel dazu beigetragen, dass der Name in den vergangenen neun Jahren Programm geworden ist. Seit Eröffnung der MachBar wurden 10.530 Beratungen angeboten – zu Fragen zum Arbeitslosengeld I und II sowie zur Grundsicherung oder bei wirtschaftlichen, persönlichen und familiären Schwierigkeiten. Fahrnländer selbst hilft vor allem bei Amtsanträgen, prüft, ob es Chancen gibt, unterstützt bei Widersprüchen, und wenn sie einmal nicht persönlich helfen kann, dann weiß sie auf jeden Fall eine Stelle, die es kann. So ist in den Jahren ein Vertrauensverhältnis zwischen den Brunnenviertelbewohnern und der MachBar entstanden. „Die Dankbarkeit und die Erfolge, wenn man die Menschen auf einem langen Weg begleitet, das ist es, was mich antreibt“, sagt sie. ADVENT IN DER MACHBAR Jeder Anwohner ist eingeladen, die große Küche in der MachBar für ein adventliches Plätzchenbacken zu nutzen. Die Plätzchen können an Kinder im Kiez verteilt oder auch selbst gegessen werden. Um telefonische Terminabsprache wird gebeten. BEGEGNUNGSSTÄTTE ALFRED-RANDT-STRASSE 42 INFOS Putbusser Str. 29, 13355 Berlin, Tel. 030 / 460 695 16, Mo bis Fr 9 bis 16 Uhr, Termine nach telefonischer Vereinbarung INFOS Begegnungsstätte Alfred-Randt-Str. 42, 12559 Berlin, Tel. 030 / 668 652 90, www.tinyurl.com/alfred-randt-str, Träger Offensiv 91: www.offensiv91.de 03 04 ADVENT IN DER ALFRED-RANDT-STRASSE Ein selbst gebasteltes Weihnachtsgeschenk? Köpenicker Kinder basteln in einem Kurs Präsente für Eltern und Geschwister. Der genaue Termin stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; bitte telefonisch erfragen: Tel. 030 / 668 652 90 01 + 04 Auf Drehortsuche im Wald: In der Begegnungsstätte findet ein Kurzfilm-Workshop statt 02 Die Kinder schreiben das Drehbuch selbst 03 Pause: Die Teilnehmer essen gemeinsam in der Begegnungsstätte 26 STADT stadtleben 04 / 2015 Feuer und Wasser STADT stadtleben 04 / 2015 SCHÖNEBERG Damals wie heute. Das degewo-Haus in der Martin-Luther-Straße wurde als Feuerwache entworfen. Heute erinnern an diesen Zweck nur noch Details Text: Margitta Schulze Lohoff 01 Gestaltung der Fassade gelegt: Mauerblenden und Eckrisalite gliedern sie in Achsen. Allerlei Ornamente verraten den Zweck des Baus: Die weiblichen Relieffiguren zwischen dem zweiten und dritten Stock zum Beispiel stellen die Elemente Feuer und Wasser dar. Ein Jahr nach Baubeginn, am 2. November 1906, geht es los: 45 Feuerwehrleute beziehen ihr Quartier – die nagelneue Feuerwache Schöneberg Nord. … WIE HEUTE D ie Tür öffnet sich langsam, ein Mann tritt auf die Straße. Das Gebäude hat das schon ganz anders erlebt. Anfang des 20. Jahrhunderts preschten Feuerwehrwagen aus den Toren des Hauses Martin-Luther-Straße 46 in Schöneberg. Heute erinnern daran nur noch die Torbögen und die Gestaltung der Fassade. Doch der Reihe nach. DAMALS … Wir schreiben das Jahr 1905. Der Magistrat Schöneberg (heute würde man ihn Bezirksverwalter nennen) lässt in der Martin-Luther-Straße eine neue Feuerwache bauen. Unten ist Platz für die Wagenhalle mit vier hohen Segmentbodeneinfahrten, in den vier Obergeschossen für Wohnungen. Die unauffällige Wache im Stil der märkischen Backsteingotik hätten Passanten auch leicht für ein reines Wohnhaus halten können, hätte Architekt Paul Egeling nicht großen Wert auf die 110 Jahre später: An der Martin-Luther-Straße heulen keine Sirenen mehr. Im Vorderhaus und in einem Hofflügel sind heute 13 Ein- bis Vierzimmerwohnungen untergebracht. Was vor einem Jahrhundert gewirkt hat wie ein Wohnhaus, wirkt heute wie ein alter Industriebau, umgenutzt zu Wohnungen, in dem auch die Jugendkunstschule Schöneberg ihr Zuhause hat. Feuerwehrkameraden, so ist es in den Archiven der Berliner Feuerwehr vermerkt, hatten nur kurz in der Martin-Luther-Straße Posten bezogen. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und mehr und mehr Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden, schloss die Verwaltung die Wache. Sechs Jahre später – nach dem Krieg – wurde Schöneberg nach Groß-Berlin eingemeindet, die Schöneberger Wachen wurden Teil der Berliner Feuerwehr und die Wache Nord wurde nicht mehr benötigt. 01 Wasserspucker: Fassadenornamente erinnern an den ehemaligen Zweck des Hauses 02 Das Gebäude wurde 1905 als Feuerwache entworfen 03 Heute ist es ein Wohnhaus 04 Auch die Jugendkunstschule Schöneberg hat hier ihren Sitz 02 03 04 27 STADT stadtleben 04 / 2015 Auf dem Boden geblieben PANKOW Kiezspaziergang. In Pankow ist nichts los? Von wegen! Der Ortsteil hat alles, was der Berliner braucht: Cafés, Parks, Kultur. Doch dazu noch Ruhe und eine Prise Lässigkeit Protokoll: Margitta Schulze Lohoff Fotos: Holger Talinski W 01 01 „Am Schloss Schönhausen spaziere ich gerne durch den Park.“ 02 „In der Museumswohnung in der Heynstraße stehen alte Schätze in der Küche: Töpfe für Zimt, Ingwer und Linsen.“ 03 „Im Geschäft Zweite Liebe gibt es herzerwärmenden Krimskrams.“ 04 „Und in der Tapas-Bar Esstilo genehmige ich mir eine Pause.“ 02 03 04 enn ich im Sommer auf meinem Balkon stehe, sehe ich nur Grün: das der Bäume, des Rasens, der Blumen. Im Herbst färben sich die Blätter bunt, und auch jetzt mag ich den Ausblick: auf die kahlen Bäume im Winterschlaf. Ich fühle mich wohl in Pankow. Es ist so grün, so bodenständig, so ruhig. Ich bin schon viel gereist in meinem Leben. Deshalb kann ich aus voller Überzeugung sagen: Hier ist es am schönsten! Ich bin hier aufgewachsen. Nicht in der ElsaBrändström-Straße, wo ich jetzt wohne, sondern drüben im Kissingenviertel, im Zeiler Weg. Dort bin ich zur Schule gegangen und habe mein Abitur gemacht. Danach bin ich beruflich viel gereist. Zu DDR-Zeiten nach Tschechien, Ungarn, Bulgarien. Später habe ich sogar in Italien gelebt. Erst vor sechs Jahren bin ich zurück nach Pankow gezogen, weil viele Freunde und auch meine Mutter immer noch hier leben. Und in den letzten Jahren hat sich hier unheimlich viel entwickelt: Der Bürgerpark wurde modernisiert, dort bin ich jetzt sehr gern, aber auch der Park am Schloss Schönhausen ist toll für einen ausgiebigen Spaziergang – auch wenn der streng genommen nicht mehr in Pankow liegt, sondern in Niederschönhausen. Und was alles auf den Hinterhöfen in den Pankower Straßen entstanden ist, ist toll. Mein Onkel hatte früher in einem solchen Hof seine Tischlerei, heute arbeitet dort eine Zahnärztin. In einem anderen Hinterhof, in der Kreuzstraße, habe ich ein Naturheilzentrum entdeckt, das Yoga und Pilates anbietet – da kann ich herrlich entspannen. Wenn ich mal abschalten möchte, sitze ich aber auch gerne mit einem guten Buch in der Tapas-Bar Esstilo, bestaune die Blumen im Laden nebenan und genieße die Sonnenstrahlen, die man dort gegen Abend erwischt. Ich brauche diese Auszeiten. In meinem Beruf bin ich viel unterwegs, Pankow ist deshalb genau die richtige Heimat für mich. Hier komme ich zur Ruhe. Ich schlendere durch die Florastraße, die Straße, die sich im Kiez vielleicht am meisten verändert hat. Heute ist sie das Herz des modernen Pankow – mit vielen kleinen Geschäften und Cafés. Besonders gern gehe ich in die Zweite Liebe, einem Papeterie-Geschäft mit wundervollen Glückwunschkarten, Notizbüchern und Geschenkpapier. Tina Hustedt, die Besitzerin, sucht alles selbst aus. Sie hat einen fantastischen Geschmack und weiß, dass man in Pankow bei aller Kreativität auch auf dem Boden bleiben muss. Die Menschen hier sind bodenständig. Ihnen sind Kontakte wichtiger als moderne Läden. Sie sitzen lieber auf der Straße vor ihren Häusern, auf dem Marktplatz oder im Park und quatschen. Ja, auch das mag ich so an Pankow. Es ist wie ein kleines Dorf, aber mit allen Annehmlichkeiten, die eine Stadt zu bieten hat. Außerdem kommt man von hier ganz schnell in andere Stadtteile: In ein paar Minuten bin ich in Prenzlauer Berg, in Mitte oder auch in Buch oder Wandlitz – und da bin ich schon fast mitten in der Natur. Was will man mehr? JUTTA RUPPRECHT Mieterin, 64, ist Mutter zweier Töchter, arbeitet als freie Marke ting-Beraterin und lebt seit sechs Jahren bei degewo in der ElsaBrändström-Straße. GALERIE REMISE Jedem Künstler seine Ausstellungsfläche: In der Galerie Remise von degewo finden Maler auch abseits der schicken Ateliers in Mitte einen Platz, ihre Werke zu zeigen. Die Ausstellungen wechseln regelmäßig. degewo-Galerie Remise, Pankgrafenstr. 1, 13187 Berlin, Tel. 030 / 499 887 0, Di – Fr 12 – 18 Uhr 29 30 STADT stadtleben 04 / 2015 Rätseln Insider-Entdeckertipps BUMMEL DURCH DEN KIEZ ehemaliger Berliner Flughafen PANKOW 04 02 03 Eingang Ortsteil Vorname berdes Zooim Bezirk spanisch: der Phylinerisch: logischen Treptow- der sikerin Glas Bier Gartens Köpenick Meitner † GREIFEN SIE ZU! Sparen Sie mit den Ange boten von degewo und ihrer Kooperationspartner. Nehmen Sie an den Verlosungen teil Stadtviertel in BerlinMitte Chef 05 01 Was für Töne! 1 Berliner Einbrecher Wortteil: Erde biblischer König 2 Lümmel, Rabauke Vorname der Lemper Europäer Es duftet nach frisch gebackenem Kuchen und gerade aufgebrühtem Kaffee. Und keine Angst: Bären schauen nicht vorbei, sie beobachten von Bildern auf den dunkelgrün getünchten Wänden das Treiben im Café. Florastr. 37, 13187 Berlin, Tel. 030 / 400 494 65, tägl. 8 – 18 Uhr, www.facebook.com/ honig.holen 02 ZIMMER 16 Ein Zimmer der Künste: Hinter der Tür in der Florastraße verbergen sich ein Hort für Theater, Comedy, Musik, Film und Platz für Ausstellungen für Malerei und Fotografie. Florastr. 16, 13187 Berlin, Tel. 030 / 480 968 00, www.zimmer-16.de Wie die Fabrikanten-Familie Heyn residierte, lässt sich heute in der Beletage der Heynstraße 8 bewundern: unter prachtvollen Stuckdecken, die wie die Wände kunstvoll bemalt waren, mit ausladenden Kachelöfen und auf fein gepolsterten Möbeln. Heynstr. 8, 13187 Berlin, Tel. 030 / 481 404 7, www.berlin.de/ba-pankow/museumsverbund/ heynstr; Di, Do, Sa, So 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei 04 ESSTILO Datteln im Speckmantel, Pimientos de Padrón, ein „Ich mag es, durch Pankow zu flanieren. Hier gibt es so viel zu entdecken: den Bürgerpark, alte Villen, das Zimmer 16, die mittelalterliche Pfarrkirche.“ (von oben nach unten) bisschen Chorizo und ein Platz im Sonnenschein – was braucht man mehr, um nach einem Spaziergang durch Pankow zu entspannen? Wollankstr. 133, 13187 Berlin, Tel. 030 / 218 016 26, www.tapasbar-esstilo. de, Mo–Fr ab 9 Uhr, Sa, So und feiertags ab 13 Uhr 05 ZWEITE LIEBE Schönes, Nützliches, vieles unter fairen Produktionsbedingungen hergestellt: In der kleinen Papeterie Zweite Liebe finden Sie Post- und Grußkarten, Geschenkpapier, Stifte, Schmuck und garantiert ein Geschenk für Ihre Lieben. Florastr. 59, 13187 Berlin, Tel. 030 / 536 637 39, www.zweiteliebe.net, Mo– Fr 11–19 Uhr, Sa 11–16 Uhr 06 SCHLOSS SCHÖNHAUSEN Das Schloss Schönhausen ist ein Abbild der deutschen Geschichte von Friedrich dem Großen bis zur Gegenwart. Im Park lässt es sich herrlich flanieren. Tschaikowskistr. 1, 13156 Berlin, Besucher- information: Tel. 0031 / 96 94 200, www.tinyurl.com/ schloss-park-schoenhausen; Apr – Okt Di–So 10 – 18 Uhr, Nov – Mär Sa und So 10 – 17 Uhr, Eintritt 6 Euro, erm. 5 Euro 07 BÜRGERPARK Einst ein Landsitz, heute ein herrlicher kommunaler Park: Eichen, Buchen und Ahorne beschatten hier auf zwölf Hektar seit 150 Jahren weitläufige Wiesenflächen und die Panke – die Namenspatronin Pankows. Wilhelm-Kuhr-Str. 9, 10439 Berlin Senden Sie eine E-Mail an stadtleben@degewo.de oder eine Postkarte an degewo, Marketing / Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen! Gemüsefrucht kurz: zu der männl. Fürwort Vorname von Delon irischer Namensteil 4 KIEZ MIT CHARME Einsendeschluss: 4. Januar Stichwort: „Kammerorchester“ Missfallensruf Gerät zum Reinigen 5 berlinisch: Bruder, Freund 03 MUSEUMSWOHNUNG Jazz trifft Klassik: Im Konzert #3 Jazz des Deutschen Kammerorchesters verzaubern die Werke der Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, Alexander Glasunow, Erwin Schulhoff und George Gershwin mit ganz neuen Tönen. stadtleben verlost 50 x 2 Freikarten für den Abend, der am 5. Februar um 20 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie beginnt. italien.: ja Berliner Basketballteam Lutscher 01 WO DER BÄR DEN HONIG HOLT 3 Kurzwort für Assistent Erdteil deutsches Bundesland (kurz) Spannung im Fuchsbau Für das Heimspiel der Füchse gegen ThSV Eisenach am 27. Dezember verlost stadtleben 25 x 2 Freikarten. Spielbeginn ist um 15 Uhr in der Max-Schmeling-Halle. Wegekarte italienische Tonsilbe Ruf des Triumphs Singvogel Einsendeschluss: 15. Dezember Stichwort: „Füchse“ hohe Spielkarte Senden Sie eine E-Mail an stadtleben@degewo.de oder eine Postkarte an degewo, Marketing/ Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen! 6 bayerischer Bierrettich A L I C H T T E R F K E L D E B R I E M I E S A D afrikanischer Strom I R N O A D E N B A R T H A E R P O D R A S S T E I W S M A A G U E R R E E Lösung Heft 03/15 Lösungswort: Feierabend 31 Mehr für Sie! Wohnen Sie einen Monat mietfrei! Rätsel lösen, einsenden und dann – Daumen drücken 06 07 UNTERHALTUNG stadtleben 04 / 2015 7 RM176076 201504 Manege frei! RM A U U S E C U OM P S I A N U S R E A L 01 02 03 TEILNEHMEN & GEWINNEN Bringen Sie die Lösungsbuchstaben in die richtige Reihen folge. Schicken Sie uns das Lösungswort und vergessen Sie dabei nicht, Ihre vollständige Adresse und die Mietvertragsnummer anzugeben. Mit etwas Glück wohnen Sie schon bald einen Monat mietfrei (eine Kaltmiete). 04 05 06 07 degewo, Marketing/Unternehmenskommunikation, Stichwort: Kreuzworträtsel, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin, oder per E-Mail an quiz@degewo.de, Einsendeschluss ist der 15. Januar. Der Gewinner wird in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben. Gewinner aus dem vergangenen Heft ist Reinhard Fleischer. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wunderkammer – das ist Neuer Zirkus, Kabarett und Burlesque: Die australische Zirkus-Kompagnie CIRCA gastiert mit ihrer akrobatischen Show im Chamäleon-Theater und stadtleben verlost 4 x 2 Eintrittskarten für die Vorstellung am 27. Januar. Einsendeschluss: 4. Januar Stichwort: „Wunderkammer“ Senden Sie eine E-Mail an stadtleben@degewo.de oder eine Postkarte an degewo, Marketing / Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen! Puppentheater im Märchentruck Alle sind herzlich eingeladen. Samstag, 19. Dez. 2015 Lasst Euch von der Puppenspielkunst mit Hohensteiner Kasperpuppen verzaubern. Lustig, spannend und gar nicht langweilig. Wo? Rotraut-Richter-Platz (in der Gropiusstadt, direkt am U-Bahnhof Wutzkyallee vor dem Einkaufszentrum Wutzky) 15.30 Uhr und 17.00 Uhr Wann? Samstag, 19. Dezember 2015, Beginn um 15.30 und 17.00 Uhr Gezeigt werden die Puppenspiele „Kasper und der Zaubertrank“ und „Neues Abenteuer von Räuber Pfefferkopf “. Der Eintritt ist kostenfrei. iSto www.degewo.de ck./ d am ien g Wir freuen uns auf Euch.