in 10 Tagen rund um die iberische Halbinsel

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in 10 Tagen rund um die iberische Halbinsel
MopedMoped-Tour
Ausgabe Nr. 8
Mai 1997
Tour d’Europe
Einmal rund um die
Iberische Halbinsel
1. Tag: Freitag, 16.Mai 1997
Kiedrich - Bordeaux
Nach 2 Wochen Wanderurlaub auf Teneriffa sind
wir vorgestern zurückgekehrt. Seit gestern bin ich
Stohwitwer: mein Mautzelchen ist zur Kur nach
Ungarn geflogen. Und heute geht es noch einmal
Richtung Süden.
Das Moped ist vorne und hinten neu besohlt.
Meister Udo hat es inspiziert und fernreisetauglich
gemacht und ich habe es gestern noch einmal auf
Hochglanz gebracht. Ich habe geplant, durch
Frankreich bis in die Pyrenäen zu fahren und dann
die weitere Route vom Wetter abhängig zu
machen.
Morgens um 7 Uhr packe ich die Tasche in den
Seitenkoffer, jede Menge Karten und den
„Spanien“ Motorrad-Reiseführer von Josef Seitz
ins Topcase und starte bei frischen 12°C in
Richtung Süden. Für alle Fälle habe ich auch die
dicke Unterwäsche dabei, man kann ja nie wissen,
wie das Wetter im Hochgebirge Ende Mai
aussieht.
Heute morgen ist die Autobahn über
Kaiserslautern nach Saarbrücken auch recht leer,
allerdings ist das schön geputzte Moped bald
schon zum ersten Mal naß. Kurz hinter
Saarbrücken erwischt mich ein kurzer Schauer und
ich muß die Regenkombi anziehen. Auf dem
weiteren Weg bis Paris regnet es noch einige Male
und ich behalte vorsichtshalber die Regenhaut erst
einmal an. Weit vor Paris gibt es
schon eine Umgehung Richtung
Bordeaux, die ich zunächst
verpasse, weil ich das Schild zu
spät sehe. Nach einer Wende an
der nächsten Ausfahrt bin ich
dann aber doch wieder auf dem
richtigen Weg um den
berüchtigten „Periferique“ zu
umgehen. Hinter Paris lockert die
Bewölkung zusehends auf und bald kann ich die
Regenklamotten und auch die Gore-Tex
Innenjacke im Seitenkoffer verstauen. In bester
Laune und bei 25°C bringt mich aber die
Entfernungstafel dann doch aus der Ruhe. Da
steht: Bordeaux 535 km - schluck...
Ich hatte eigentlich vor, in einem Motel in Bayonne
ein Zimmer vorzubestellen. Aber zunächst einmal
muß ich eine französische Telefonkarte kaufen,
weil das mit der Zugangsnummer der T-Card aus
irgendeinem Grund nicht funktioniert und ich
immer nur eine französische Ansage und dann
einen lauten Piepton höre. Als ich eine
französische Karte habe (die es zum Glück an der
Tankstelle gibt), meldet sich unter der
Reservierungsnummer der Hotelkette nur eine
automatische Ansage und als ich dann endlich
nach mehr als 20 Versuchen direkt in dem Hotel
jemanden erreiche, bekomme ich nur noch die
Auskunft, daß es bereits ausgebucht ist. Na gut.
Hotels gibt’s hier genug, und obwohl das
Pfingstwochenende bevorsteht wird auch noch ein
Zimmer zu bekommen sein. Was mir mehr Sorgen
macht, sind die 535 km. Denn von Bordeaux bis
Bayonne kommen noch einmal 200 km dazu - und
es ist jetzt bereits nach 14 Uhr...
Ich esse in der Nachbarschaft einer holländischen
Familie auf dem nächsten Rastplatz ein Magnum
und beschließe, einfach weiterzufahren und mir
dann bei Einbruch der Dunkelheit ein Zimmer zu
suchen. Denn glücklicherweise habe ich keine
Termine und es gibt auch keinen Grund unbedingt
bis nach Bayonne zu fahren.
Kurz vor 21 Uhr erreiche ich Bordeaux und stehe
in einem Stau, als es heftig zu regnen beginnt. Die
Fahrspuren sind so eng, daß man sich auch nicht
vorbeimogeln kann. Außerdem wäre mir das bei
dem regennassen und seitlich beschlagenen Visier
auch zu gefährlich. Die Leuchtreklame des
„Comfort Inn“ kommt mir da gerade recht und 160
In dieser Ausgabe
1 Tour d’Europe
2
Franc für das Zimmer sind auch ok. Die
Hausdame mustert mich erst einmal von oben bis
unten, gibt mir aber mit einem freundlichen
Lächeln einen Zimmerschlüssel. Scheinbar kommt
Ihr ungewöhnlich vor, das ich ausgerechnet hier
nach einem Zimmer frage, denn in unmittelbarer
Nähe gibt es noch zwei Super-Economy Hotels für
120 Franc. Allerdings haben die keine Dusche
direkt im Zimmer und das ist es mir doch wert, 40
Franc mehr zu zahlen.
Durch einen Anruf bei Helmut in Wiesbaden
erfahre ich, daß sich die T-Card Zugangsnummer
für Frankreich geändert hat (jetzt: 0-800-99-0049)
und ich kann von nun an auf die heimatliche
Telefonrechnung telefonieren.
Das Hotelrestaurant sieht nicht besonders
einladend aus. Es ist eher von der Art, die
„Frischwaren“ aus der Kühltruhe zaubert. Darauf
kann ich heute abend verzichten und nach der
langen Etappe (fast 1300 km) bin ich auch ziemlich
müde und liege um 22 Uhr im Bett.
2. Tag: Samstag, 17.Mai
Bordeaux - Fuente De (Picos de
Europa)
Mein Nachtquartier morgens bei Zeiten zu
verlassen, stellt sich als nahezu unlösbare
Aufgabe heraus. Restaurant und Rezeption sind
um 7 Uhr noch verschlossen und ich muß bis um 8
Uhr warten, ehe ein verschlafener
Hotelangestellter auftaucht, um das
Frühstückbuffet vorzubereiten. Ich zahle schnell
meine Rechnung und starte ohne Frühstück.
Heute ist Samstag und die Stadtautobahn von
Bordeaux, auf der ich gestern abend noch im
Regen gestanden habe, ist heute morgen gähnend
leer. Die Strecke Richtung Bayonne, die ich nur als
Landstraße kenne, ist nun 4-spurig ausgebaut. Ich
verlasse Sie in Souston und erreiche 2 Stunden
nach dem Aufbruch in Bordeaux Vieux Boucau an
der Atlantikküste, unser Urlaubsziel von 1976. Ich
erkenne den Ort nach mehr als 20 Jahren natürlich
nicht mehr wieder. Nach einigen Runden durch
den Ort finde ich schließlich das Restaurant, in
dem es damals köstliche gegrillte Dorade gab.
Heute bieten die Lokale in der unmittelbaren
Nachbarschaft auf handgemalten Tafeln in bunten
Lettern Döner Kebap und Pizza an. Ich mache
noch einen kleinen Spaziergang über die Dünen
und telefoniere vom Strandparkplatz aus mit Gabi,
die sich als Kommunkationsdrehscheibe für
Ungarn- und Spanienreisende zur Verfügung
gestellt hat. Dann verlasse ich Vieux Boucau mit
der Gewissheit, hier nicht mehr nach alten
Erinnerungen suchen zu müssen.
In Capreton kaufe ich im Leclerc ein Baguette, eine
Paprikasalami, Schinken, Tomaten und Äpfel. Der
Moped-Tour
Supermarkt ist jetzt am Samstagvormittag natürlich
übervoll und ich muß einige Zeit an der Kasse
anstehen bis ich meine Beute (Baguette leider nur
2-geteilt) im Topcase verstauen kann. Dann geht
es weiter Richtung Süden. Ich erreiche bald auf
der Autobahn Richtung San Sebastian die
spanische Grenze, an der es wie schon zuvor an
der deutsch/französischen Grenze weder Zoll noch
andere Kontrollen gibt. Leider verdunkelt sich aber
der Himmel zusehends. Und als ich mich gerade
wieder in die Regenkombi gezwängt habe, schüttet
es auch schon kräftig. An ein Picknick ist bei
diesem Wetter überhaupt nicht zu denken und so
bleiben meine Köstlichkeiten zunächst einmal ins
Topcase gesperrt.
Ich durchquere auf der Autobahn im strömenden
Regen das Baskenland, vorbei an San Sebastian
und der häßlichen Industriestadt Bilbao. Die
Pyrenäen, die hier den Atlantik erreichen, kann ich
nur links im Dunst und durch einen Regenschleier
erkennen und bald wird die Landschaft wieder
flacher. Kurz vor Santander klart es dann zum
Glück doch noch auf. Die Autobahn ist
funkelnagelneu und als ich an einem sehr schön
angelegten Picknickplatz halte scheint die Sonne
aus allen Knopflöchern. Ein junges Ehepaar
beäugt mich interessiert, als ich die Regenkombi
über das Topcase zum Trocken ausbreite. Ich
winke Ihnen zu und erhalte als Antwort ein
freundliches „Olá!“
Richtig, das war’s. Hatte ich eben auf der
Autobahn an der Zahlstelle noch überlegt, daß es
doch außer „Buenos Dias“ noch einen kurzen Gruß
gab, das war er. Ich schneide ein viel zu großes Stück vom
Baguette ab und belege es reichlich mit Schinken.
Diesmal habe ich das Taschenmesser
glücklicherweise nicht vergessen.
Irgendwann kommt ein alter Opel Kadett mit
röhrendem Auspuff auf den Parkplatz gerollt. Eine
ganze Gruppe junger Männer steigt aus und beugt
sich über die geöffnete Motorhaube. Als sie mich
bemerken, kommt einer auf mich zu und spricht
mich auf spanisch an. Ich verstehe natürlich kein
Wort und frage Ihn auf deutsch, französisch und
englisch ob er Hilfe oder Werkzeug braucht. Er
macht aber nur irgendwelche unverständlichen
Gesten, winkt dann ab und geht auf ein anderes,
weiter entfernt geparktes Auto zu. Ich mampfe
weiter an meinem Baguette, als die ganze Horde
meinen Picknicktisch umringt und durcheinander in
französisch, spanisch und englisch auf mich
einredet. Ein kleiner Dicker sagt schließlich „spark
plug“ und deutet auf das Moped. Ich gehe mit
vollen Backen kauend und sechs Spaniern im
Gefolge zum Moped und sie versuchen verzweifelt
eine Zündkerze zu entdecken. Ich krame aus dem
Fach hinter der Sitzbank das Werkzeug hervor. Sie
sind sofort begeistert und deuten auf den
Moped-Tour
Kerzenschlüssel mit dem sie dann auch in
Richtung ihres Autos verschwinden. Allerdings
kommt der kleine Dicke auch genauso schnell
wieder enttäuscht zurück und bedankt sich mit
zuckenden Schultern und „mucho grande....“ - zu
groß.
Ich packe den Rest meiner Picknicksachen wieder
ein - die Paprikasalami hat sich als recht weich und
knoblauchreich aber äußerst schmackhaft
erwiesen. Die fünf potentiellen Automechaniker
stecken immer noch die Köpfe in den Motorraum
des Kadett und winken mir hinterher als ich kurz
hupe - dann bin ich wieder auf der Autobahn. Im Reiseführer ist als nächstes lohnendes Ziel
Santillana del mar - das Rotenburg ob der Tauber
von Spanien - erwähnt. Ich hatte von Bordeaux
aus versucht in einem Hotel dort, das als
besonders motorradfreundlich empfohlen wurde,
ein Zimmer zu reservieren. Aber auch hier hatte
ich Pech. Heute am Samstag war leider nichts
mehr frei.
Als ich Santillana am frühen Nachmittag in
schönstem Sonnenschein erreiche und in Richtung
Ortszentrum abbiege, werde ich sofort von einem
Uniformierten auf einen der kostenpflichtigen
Touristenparkplätze dirigiert. Ich drehe eine Runde
auf dem Parkplatz und habe keine Lust zwischen
mehreren Busgesellschaften in einer Horde durch
den Ort geschoben zu werden. Außerdem kann
man im Weiterfahren von oben noch einmal sehr
schön in die Gäßchen hineinschauen und
bekommt auch so einen Eindruck vom dem als
Vorzeigeobjekt besonders herausgeputzen
historischen Ort. Das oben erwähnte Hotel liegt
direkt an der Straße und macht von außen einen
sehr guten Eindruck - leider ist dort heute kein Bett
frei, schade.
Ich studiere den Reiseführer noch einmal und finde
eine interessante Adresse direkt unterhalb der
Picos de Europa in Fuente De. Das sind von hier
aus noch ungefähr 130 km. Ich biege also in
Unquera an der Costa Verde, die ihren Namen
übrigens völlig zu recht trägt, von der gut
ausgebauten Küstenstraße nach links in die Berge
ab. Die Felswände rechts und links der Staße
werden immer höher und nach kurzer Zeit hat man
den Eindruck sich in einer geschrumpften Ausgabe
der Alpen zu bewegen. Bald erreiche ich auch den
Abzweig nach Fuente De, das am Ende einer 25
km langen Sackgasse direkt am Fuß der Picos de
Europa liegt. Da ich die gleiche Strecke morgen
früh in umgekehrter Richtung zurück muß, habe
ich schon Sorge, die Sackgasse könnte ein kleines
Holpersträßchen sein - aber weit gefehlt. Die
herrlich ausgebaute Zufahrt zur Talstation der
Seilbahn in Fuente De bietet Fahrspaß pur: breit
ausgebaut, kein Stäubchen auf der Fahrbahn,
übersichtliche Kurven, und auf der ganzen Strecke
kommen mir nur 2 Autos entgegen. In
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Hochstimmung ob der schönen Strecke zum
Tagesabschluß, die die vielen Stunden im Regen
schnell vergessen läßt, komme ich am Hotel
Rebeco in Fuente De an. Das Hotel liegt direkt
unterhalb der Talstation der Seilbahn, die in
kühnem Schwung ohne einen einzigen Pfeiler das
Tal mit dem Grat kurz unterhalb des höchsten
Gipfels der Picos de Europa verbindet. Rechts,
etwas zurückgesetzt von der Straße, liegt hinter
einem großen Parkplatz ein Parador (Paradores
sind staatlich geführte Hotels mit gehobenem
Standard, meist etwas teurer). Links oberhalb der
Straße liegt das Hotel Rebeco vor dem ich das
Moped parke um nach einem Zimmer zu fragen.
Die junge Dame an der Rezeption spricht
ausgezeichnet Englisch und gibt mir ein sehr
schönes Zimmer mit Blick auf die Berge. Das Bad
ist mit Terracotta und weißen Kacheln gefließt und
die riesigen Handtücher sind so strahlend weiß,
daß ich fast Hemmungen habe, sie zu benutzen.
Vor dem Essen trinke ich noch ein Bier und
komme mit 2 Ehepaaren aus Plymouth ins
Gespräch, die hier 3 Tage mit Wandern verbringen
wollen. Zum Abendessen gibt es eine leckere
Fischsuppe und Filetsteak mit Roquefortsauce und
einem Berg Pommes, als Dessert eine
Zitronencreme. Auf Kosten des Hauses folgt ein
Likör, der dem Weinlikör unseres Winzers Martin
sehr ähnelt, aber - wahrscheinlich wegen des
Alkohols
-etwas schärfer schmeckt. Mit
Ausnahme der Briten sind nur noch zwei andere
Tische besetzt und wir kommen uns alle in dem
großen Speisesaal etwas verloren vor.
Da ich morgen auch gerne in aller Frühe
aufbrechen möchte, versuche ich schon jetzt für
das Zimmer zu zahlen, was sich als schwierig
herausstellt. Die Telefonverbindung des
Kartenlesegerätes ist nämlich seit einem Gewitter
in der letzten Woche unterbrochen und die ganze
Familie sucht erst einmal verzweifelt nach dem
Ritsch-Ratsch-Gerät und den Belegen aus grauer
Vorzeit, als es noch keine Online-Abbuchung gab.
Schließlich werden die Utensilien in einer großen
Holztruhe in der Rezeption gefunden und nach
mehreren Versuchen exisiert dann auch ein
leserlicher Abzug von meiner VISA-Karte. Da sich
die Chefin aber nicht ganz sicher ist, ob sie auch
die richtigen Formulare benutzt hat schreibe ich ihr
für alle Fälle noch Adresse und Telefonnummer in
Deutschland und die Nummer meines
Reisepasses auf. Sie entschuldigt sich tausendmal
für die Unannehmlichkeiten und wünscht mir dann
eine gute Nacht.
3. Tag: Sonntag, 18.Mai
Fuente De - Esposende (Portugal)
Als ich morgens um 6 Uhr wach werde herrscht
draußen absolute Stille. Während der Nacht hatte
es einige heftige Böen gegeben und ich mußte die
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klappernde Zimmertür mit einem
zusammengefalteten Hausprospekt zuklemmen.
Der Wind war so stark, daß ich fast aufgestanden
wäre, um das Moped hinter das Haus in eine
windgeschützte Ecke zu bringen. Aber jetzt
herrscht bis auf ein paar zwitschernde Vögel
wirklich absolute Ruhe. Es ist herrlich.
Als ich durch das dunkle Haus nach unten
schleiche fällt mir der große Hund ein, der hier
gestern so gemütlich gelegen hat. Ich hoffe nur,
daß ich nicht auf etwas Weiches trete, das mich
für einen Einbrecher hält, und erreiche tatsächlich
mit Helm und Taschen bepackt die Haustür, in der
extra für mich heute morgen der Schlüssel von
innen steckt. Während ich die Superstrecke von
gestern abend in umgekehrter Richtung
zurückfahre geht über dem Grat die Sonne auf und
taucht die gegenüberliegenden Felswände in
gelblich-rotes Morgenlicht. Vielleicht ist dieser Ort
im Hochsommer nicht ganz so idyllisch wie an
einem frühen Sonntagmorgen Mitte Mai, aber im
Augenblick bin ich von diesem herrlichen
Fleckchen Erde ganz und gar begeistert. Die N621 zurück an die Küste über den Puerto de
San Glorio ist in der Karte grün markiert, aber eine
mit Schlaglöchern übersäte Holperstrecke auf der
ich kräftig durchgeschüttelt werde und häufiger in
den Rückspiegel schaue, ob ich nicht irgendein
Teil vom Moped verloren habe. Kurz hinter der
Paßhöhe in 1681 Metern Höhe muß ich die
Regenkombi wieder auspacken und als ich im
nächsten Ort vor zwei auf der Straße liegenden
Hunden eine Vollbremsung machen muß, bin ich
dann wirklich wach. Den Gedanken daran, daß der
eine Hund, der neben mir herläuft und mich kräftig
anbellt, vielleicht auch Spaß daran hätte in ein
Mopedfahrerbein zu beißen, verdränge ich schnell
wieder - ganz abgesehen davon, daß ein wegen
eines Hundes gestürzter Mopedfahrer morgens um
sieben am Ende der Welt die unsanft geweckten
Dorfbewohner auch nicht zu
Begeisterungsstürmen hingerissen hätte. Wie dem
auch sei, ich finde in Riaño, daß an einem großen,
in meiner Karte nicht eingezeichneten Stausee
liegt, eine jetzt am Sonntagmorgen geöffnete
Tankstelle. Die Unterhaltung mit dem kauzigen
Tankwart fällt dann aber sehr kurz aus, denn er hat
sein Kassenhäuschen mit einer Zigarre
vollkommen eingeräuchert und beim
Unterschreiben des VISA-Beleges (in der
tropfenden Regenkombi) bin ich dem
Erstickungstod nahe.
Die weitere Strecke wird in der Nähe der Küste
dann doch noch sehr reizvoll, weil sie durch
dichten grünen Laubwald und enge Schluchten
abwärts führt. Bald habe ich die Hauptstraße nach
Oviedo wieder erreicht und das Reisetempo wird
wieder etwas höher als die zuvor häufig nötige
Schrittgeschwindigkeit.
Moped-Tour
Vor Oviedo gerate ich auf die falsche Autobahn in
Richtung Gijon und muß einen kleinen Umweg
fahren. Ab und zu läßt sich auch die Sonne
blicken, aber die Regenkombi behalte ich doch
lieber an. Der Spaß an den gelegentlichen
Aufheiterungen vergeht mir dann aber, als sich
hinter Oviedo von Westen her der Himmel
verdunkelt und es bald wie aus Eimern zu gießen
beginnt. Ich hatte am Vorabend im Wetterbericht
von Westen eine Tiefdruckfront herankommen
sehen und gehofft, daß werde schon nicht so
schlimm werden. Aber da hatte ich mich gründlich
geirrt. Der starke Wind zerrt heftig an der
Verkleidung, es ist unmöglich, schneller als 60
km/h zu fahren und die Schräglage bei
Geradeausfahrt ist abenteuerlich. Auf der Straße
steht das Wasser zentimeterhoch und spritzt vom
Vorderrad rechts und links wie die Bugwelle eines
Schnellbootes in die Höhe. Bis auf ein paar
Tropfen Wasser, die sich in den Kragen verirren,
bleibe ich gottseidank trocken, aber diese nicht
aufhören-wollende Sintflut und der starke Wind
nerven doch gewaltig. Nach mehr als 3 Stunden im
strömenden Regen, inzwischen habe ich bei La
Coruña eine neu gebaute Autobahn erreicht und
bewege mich nicht mehr nach Westen sondern
nach Süden, hellt es im Westen auf. Ein paar
Minuten später strahlt auch die Sonne wieder
durch die Wolken. Und als ich auf einem total
leeren Rastplatz ziemlich demoralisiert anhalte um
mit hängendem Kopf eine Tomate und etwas von
der französischen Paprikasalami zu essen, trällern
zur Aufmunterung auch die Vögel schon wieder.
Den Plan, die nordwestlichste Ecke von Spanien,
das Cabo Finisterre zu erreichen, gebe ich auf,
und fahre weiter nach Süden. Da diese Ecke von
Spanien leider in meinem Reiseführer nicht
behandelt ist, gibt’s auch keine Hoteltips in der
Nähe. Bleibt also nur übrig, bei Einbruch der
Dunkelheit nach einem Quartier Ausschau zu
halten. Über Satiago de Campostela und
Pontevedra fahre ich weiter bis Vigo. Leider
scheint Portugal bei spanischen Verkehrsplanern
nicht zu existieren, jedenfalls gerate ich zunächst
einmal in Vigo direkt in die Stadt und an der ersten
Ampel steht neben mir ein abgerissener Typ und
hält mir eine Plastiktüte mit stangenweise
Zigaretten hin. Ich schüttle heftig den Helm und
nach einem U-turn bin ich zurück auf der
Autobahn. An der Zahlstelle der nächsten Ausfahrt
frage ich nach dem Weg und werde auch richtig
geleitet. Eine halbe Stunde später steht neben der
Autobahn ein blaues Europaschild mit einem
großen „P“ in der Mitte des Sternenkreises, dann
bin ich in Portugal - ohne Paßkontrolle und ohne
Zoll - aber mit drohenden dunklen Wolken.
Die Regenkombi war nicht lange im Koffer
verstaut, als sie wieder zum Einsatz kommt. Es
beginnt von Neuem in Strömen zu regnen. Die
Autobahn Richtung Porto geht sehr bald in eine
Moped-Tour
stark befahrene überflutete Landstraße über und
bei einem Tankstopp frage ich den Tankwart, ob
es in der Nähe ein brauchbares Hotel gibt. Seine
Augen blitzen kurz auf. Hatte er eben noch mit
wenig Begeisterung die Pfütze beobachtet, die sich
unter mir auf dem Fußboden in seinem
Kassenraum bildete, so hellt sich jetzt seine Mine
merklich auf und er drückt mir einen Hausprospekt
vom Hotel Suave Mar in Esposende in den nassen
Handschuh.
Der Ort liegt 10 Kilometer weiter, direkt am Meer
und 10 Minuten später stehe ich dort an der
Rezeption. Das Hotel liegt unmittelbar an der
Uferpromenade und zum Glück regnet es nicht so
stark, daß ich vor dem Fragen nach einem Zimmer
wenigstens die Regenklamotten ausziehen kann.
Ich habe natürlich keine Ahnung über den
Umrechnungskurs von portugiesischen Escudos,
aber der junge Mann an der Rezeption rechnet in
spanische Peseten um und ich bin beruhigt. Knapp
60 Märker für ein kleines aber sehr schönes
Zimmer mit Blick aufs Meer. Eine Überraschung
erlebe ich allerdings, als ich in die Hoteltiefgarage
fahren will. Auf ein Klingeln öffnet sich das Tor der
Garage und gibt den Blick auf eine abenteuerliche
Einfahrt frei. Ich schätze, es sind ungefähr 40%
Gefälle über zwei Etagen zu überwinden, um die
Tiefgarage zu erreichen. Die Rampe über die ich
mich jetzt hinuntertaste besteht aus schräg
aufgerauhtem Beton und da nützt kein ABS der
Welt etwas. Das Hinterrad rutscht seitlich weg und
ich bekomme fast einen Herzkasper. Irgendwie
erreiche ich dann doch die Katakomben und packe
entnervt das Topcase und die Koffer aus. Zu
überlegen, wie ich morgen wieder da hoch komme,
dazu habe ich ja eine ganze Nacht Zeit...
Die Dusche fällt wegen „laukalten“ Wassers heute
abend sehr spärlich aus, aber für den Schreck mit
der Garageneinfahrt entschädigt das Abendessen.
Weniger von der Qualität der Gerichte (ich habe
schon viel bessere nach Sägemehl schmeckende
Fischstäbchen gegessen, die sich nicht als
Seezunge ausgegeben haben), als von der
Zusammenstellung des Publikums, das sich hier
zum Dinner einfindet. Kurze Zeit habe ich den
Eindruck, in Thomas Mann’s „Zauberberg“ versetzt
worden zu sein: vom honorigen britischen
Gentleman mit angetrauter Lady bis zum
angewelkten belgischen Landadel (jedenfalls aus
dem distinguierten Benehmen zu schließen) findet
sich eine illustre Gesellschaft ein, deren jüngste
Teilnehmer die siebzig Lebensjahre um
wenigstens eine Dekade überschritten haben. Ich
komme mir vor, als würde ich an meinem
Tischchen in der Mitte des Speisesaales ständig
von einem riesigen Scheinwerfer angestrahlt, denn
in diesem erlauchten Kreis bin ich heute abend der
absolute Exote, was sich in pausenloser
versteckter Beobachtung aus allen Richtungen
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ausdrückt. Ich amüsiere mich aber köstlich über
die gekünstelten Tischmanieren einiger Gäste.
Zum Abschluß des Abendessens sind
verschiedene Obstsalate, Torten und Käse auf
einem riesigen Servierwagen drapiert, der vom
Oberkellner unter großem Teller- und Glasgerassel
quer durch den Speisesaal direkt an den Tisch zur
Auswahl gebracht wird. Die Gäste, die beim
Dessert angelangt sind, tun mir sehr leid, da sie für
die Zeit der Auswahl noch größere
Aufmerksamkeit erfahren als dieser abenteuerlich
aussehende deutsche Motorradfahrer. Und wehe,
einer deutet mit dem Finger auf einen Käse,
dessen Namen er nicht kennt, dann geht ein
verachtendes Raunen durch die Reihen...
Ok, etwas übertrieben, aber der Abend ist wirklich
lustig. Ich umgehe den Nachtisch durch einen
hastig bestellten Kaffee - bevor mich der
Dessertwagen ereilt. Danach wandere ich noch
einmal durch das Hotel, das einen großen
Innenhof mit einem sehr schönen Pool und auch
einen Fitneßraum hat und sehe mir den Strand
noch kurz an. Auf der Uferpromenade ist nachts
mit Ausnahme der unvermeidlichen auspufflosen
Knattermopeds glücklicherweise kein Verkehr
mehr, sodaß ich in meinem engen aber sehr
heimelig eingerichteten Zimmerchen sehr gut
schlafe.
4. Tag: Montag, 19.Mai
Esposende (Portugal) - Conil (Antonio)
Diesmal ist die Rezeption früh besetzt und ich
zahle schon um ½ 8 meine Rechnung. Das
Abendessen taucht auf der Rechnung nicht auf
und ich nehme an, daß ich als Halbpensions-Gast
gezählt wurde.
Heute morgen sieht die Rampe gar nicht mehr so
furchteinflößend aus. Nachdem ich den Türöffner
betätigt und um Schwung zu holen noch eine
Runde durch die fast leere Garage gedreht habe,
gebe ich beherzt Gas und sause mit
Todesverachtung und weit nach vorn über den
Tank gebeugt die Rampe hinauf. Ich muß
gestehen, daß mir einige größere Flußkiesel vom
Herzen fallen, als ich oben in der frischen
portugiesischen Morgenluft ankomme.
Die Straße nach Porto verläuft häufig nahe an der
Küste und bietet einige schöne Ausblicke auf’s
Meer. Allerdings wird der Verkehr immer dichter
und ich bin froh, als ich nach einer Stunde Stopand-Go hinter Porto die Autobahn Richtung
Lissabon erreiche.
Die wenigen Schauer bis Lissabon sind eigentlich
schon nicht mehr erwähnenswert, aber an der
ersten portugiesischen Autobahnzahlstelle gibt es
dann eine unangenehme Überraschung. Ich
bekomme die VISA-Card mit einem „no VISA“
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wieder in die Hand gedrückt und die Schranke vor
dem Vorderrad bleibt unbarmherzig geschlossen.
Mit Händen und Füßen mache ich dem trotzdem
sehr freundlichen Herrn klar, daß ich außer der
VISA nur Peseten, Franc und ein paar D-Mark
habe. Worauf er auf das Gebäude am
Autobahnrand deutet und Daumen und Zeigefinger
der rechten Hand aneinander reibt. Das ist
unmißverständlich.
Die Schranke öffnet sich, ich stelle das Moped auf
einer Sperrfläche direkt hinter dem Zahlhäuschen
ab und beginne einen Hürdenlauf über 10
Autobahnspuren und ebensoviele Leitplanken. Als
ich im Büro am Autobahnrand ankomme, hat der
ebenfalls sehr freundliche Herr schon einen Zettel
mit dem zu zahlenden Betrag und meinem
Kennzeichen in der Hand. Im Hintergrund sehe ich
auf einem Monitor mein Moped stehen - Flucht
zwecklos... Ich grabe durch viele Schichten in den
Tiefen meiner Zwiebelbekleidung nach dem Geld
(wie immer: ganz unten in der Tasche der
Lederhose) und zahle in Franc. Nach der
Wiederholung des Hürdenlaufes in umgekehrter
Richtung brumme ich weiter. An der nächsten
Ausfahrt steuere ich dann erst einmal ein Hotel
IBIS an und wechsle an der Rezeption einen 100DM-Schein in Escudos, um die nächsten
Überraschungen zu vermeiden. Eine halbe Stunde
später überquere ich auf der „Golden Gate“ den
Tejo. Glücklicherweise ist die rechte Fahrspur der
Brücke asphaltiert, denn den diagonalen
Stahlgittern auf den mittleren Fahrspuren bleibe ich
lieber fern. Der rechte Fahrbahnrand ist aber so
nahe und auch nur mit einer knöchelhohen
Spielzeugleitplanke gesichert, daß man in
furchteinflößender Entfernung unter sich das
Wasser des Flusses sehen kann. Ein bißchen
mulmig wird es einem da schon. Am
gegenüberliegenden Ende der Brücke steht auf
einem Sockel eine riesige Christusstatue. Ich bin
so fasziniert und damit beschäftigt, mich nicht von
temperamentvollen Portugiesen über den Haufen
fahren zu lassen, daß ich den Hinweis auf den
Aussichtspunkt an der nächsten Ausfahrt zu spät
sehe. Die übernächste Ausfahrt ist 40 Kilometer
entfernt und 80 Kilometer wegen des Beweisfotos
erspare ich mir, zumal im Reiseführer die Brücke
bei schönstem Wetter abgebildet ist.
Die Sonne läßt sich heute auch ab und zu durch
die Wolken blicken und die Temperaturen steigen
merklich an. Als ich ein paar Stunden später
Albufeira an der Algarve erreiche ist es schon
knallheiß. Den Ort hatte ich mir immer als
verträumtes Fischernest vorgestellt - weit gefehlt.
Der historische Ortskern mit den schmucken
weißen Häusern und den kleinen Gäßchen
existiert wohl, und ich kurve auch mitten durch die
Touristenschwärme, aber die Kulisse bilden
Hotelburgen der übelsten Sorte. Am Rand der
Altstadt sehe ich dann auch noch einmal die
Moped-Tour
beiden mit dem „WW-“Kennzeichen auf dem
Motorrad. Sie verschwinden aber gerade zu Fuß in
einem Hoteleingang. Als ich anhalte, stehen im Nu
einige kurzbehoste Bleichhäute mit weißen
Kegelclubschlapphüten um mich herum und ich
suche schnellstens das Weite. Albufeira abhaken!
Bald überquere ich wieder die - auch hier fast zu
übersehende - Grenze nach España und am
frühen Abend taucht in der sonst eher flachen
Gegend hinter einer Hügelkette Sevilla auf. Der
Autobahnring um die Stadt ist in meiner Richtung
hoffnungslos verstopft und ich beschließe, den
Ring einfach in der anderen Richtung zu fahren.
Dabei gerate ich aber wegen mehrerer Baustellen
und Umleitungen irgendwann doch in die Stadt und
vor einer Ampel ist die Fahrt zunächst einmal zu
Ende. Die futuristisch aussehenden Gebäude, die
zum Teil wahrscheinlich auch anläßlich der
Weltausstellung entstanden sind, heben sich
deutlich von den gelblich grauen Mauern der
älteren Häuser ab. Ich träume vor der roten Ampel
vor mich hin, als neben mir mit elegantem
Schwung eine weiße R1100GS mit einem Typ im
T-Shirt hält. „Hi! Where’re you from?“ - „Germany“
- „Today???“ - „No. Today I come from Lisboa.“ „Ah! And where do you go?“ - „Cadiz! But I missed
the right way...“ - „Ok, follow me!“
Die Ampel ist noch nicht ganz grün, da schießt er
schon zwischen den Autoreihen hindurch und ich
beeile mich, um hinterherzukommen. Ich habe
keine große Lust, mich stundenlang durch die
Stadt zu quälen, denn hier im Norden gibt es nicht
den leisesten Hinweis auf Cadiz und ich bin für den
Wegbegleiter sehr dankbar. Allerdings vergesse
ich für die nächste halbe Stunde besser, was ich in
der Fahrschule gelernt habe. Im Zick-Zack
zwischen den Autoschlangen hindurch - egal ob
fahrend oder vor der Ampel stehend - ist noch die
leichteste Übung. Mein Guide achtet aber sehr
schön darauf, daß die Lücken auch breit genug für
den Reisedampfer mit Koffern sind. Dann geht es
verkehrt herum durch einen Kreisverkehr, denn
anstatt nach rechts und dann an 4 Ausfahrten
vorbei durch den Kreisel zufahren, kann man ja
auch viel einfacher gleich links fahren - oder? Die
abenteuerliche Stadtdurchquerung endet im Süden
wieder am Autobahnring, wo sich mein spanischer
Kamikaze mit einem Hupkonzert verabschiedet.
Ich bedanke mich bei ihm mit erhobenen Daumen
und einem Winken, dann zischt er mit schleifenden
Fußrasten in eine Ausfahrt und ist verschwunden.
Eigentlich hatte ich ja in Sevilla eine
Übernachtungsmöglichkeit suchen wollen, aber
hier am Stadtrand, in der „besten“ Wohngegend
vergeht mir dann doch die Lust auf ein Nachtlager.
Ganz abgesehen davon, daß ich auch nicht eine
einzige Hotelreklame mehr sehe. Ich halte also
noch einmal an einem Rastplatz, verstaue die
Moped-Tour
Sonnenbrille, da sich die Sonne gerade feuerrot
am Horizont verabschiedet und hoffe dann beim
Weiterfahren im 50 Kilometer entfernten Jerez de
la Frontera ein Hotel zu finden. Die Autobahn führt
aber im weiten Bogen um Jerez herum und so
beschließe ich, die 30 Kilometer nach Cadiz auch
noch zu fahren. Es ist schon dunkel, als ich in der
Entfernung eine orange/gelbe Lichterkette sehe
und das zunächst für die Uferpromenade von
Cadiz halte. Beim Näherkommen entpuppt sich die
Beleuchtung allerdings als eine lange Kette von
Raffinerien, die jetzt auch schon deutlich zu
riechen sind und ich spare mir eine nähere
Inaugenscheinnahme.
Die Autobahn endet hier und ich fahre auf der
Landstraße weiter nach Süden. An der nächsten
Tankstelle frage ich den Tankwart nach einer
Unterkunft und erhalte die Information, daß 15
Kilometer weiter direkt an der Straße ein Hotel zu
finden sei. Strategisch günstig versorge ich mich
aus dem Automaten mit einer kalten Dose
Cerveza, die zunächst noch einmal ins Topcase
wandert und mache mich dann auf den Weg nach
Conil.
Als ich den Tageskilometerzähler nach dem
Tanken wieder auf Null stelle sehe ich auch,
warum meine Konzentration jetzt doch nachläßt.
Noch 20 km weiter und die Länge der heutigen
Etappe würde 4-stellig. So weit kommt es allerdings nicht, denn genau in
der vom Tankwart angegebenen Entfernung taucht
am linken Fahrbahnrand ein Hostal auf. Ich bin
recht froh, den Tankwart gefragt zu haben, denn
seit der Tankstelle war ich an zwei anderen
Hostals vorbeigefahren, die nicht ganz so
einladend aussahen, die ich aber ohne die
Information wahrscheinlich doch wegen des
fortgeschrittenen Abends in Kauf genommen hätte.
Es ist ½ 11, als ich das Moped vor der hell
erleuchteten Veranda von „Antonio“ parke und
nach einem Zimmer frage.
Es gibt Momente, in denen man erschöpft und
müde nach einem langen Tag eigentlich nur noch
schlafen möchte. Jetzt ist ein solcher Moment, und
ich denke natürlich nicht im Traum daran, daß es
jetzt noch etwas zu essen geben könnte. Aber als
ich an der Theke der Mini-Rezeption stehe und der
kleine quirlige Wirt, der sich eben noch mit Händen
und Füßen mit seinen Gästen unterhalten hat,
mich erwartungsvoll anblickt, weiß ich, daß ich hier
genau richtig bin! Das Zimmer soll 3500 Peseten
kosten. Ich frage nach einer Garage, woraufhin ich
einen anderen Schlüssel bekomme und Antonio
mir bedeutet, ihm zu folgen. Wir gehen durch
einen mit Bougainvillea vollständig zugerankten
Torbogen seitlich in den hinteren Teil des
Anwesens und Antonio zeigt mir ein Zimmer mit
einer separaten kleinen Veranda, vor der man ein
Eisentörchen schließen kann. „Aqui el moto!“ - und
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deutet auf die Miniveranda. Super! Genauso hatte
ich es mir gedacht. Als ich frage, ob ich noch
etwas zu essen bekommen kann, schaut er mich
erstaunt an: „Si, si !“ Das Moped auf die Miniveranda zu bekommen
erweist sich dann wegen des engen
Rangierraumes als weniger einfach und nach 2
Versuchen gebe ich auf und parke vor dem
Gartentörchen. 3 Minuten später sitze ich auf der
Veranda des Restaurantes und bin kurz danach
mit einem kühlen Cerveza und der Speisekarte
versorgt.
Das Hostal sieht aus wie ein typisch spanisches
Landhaus. Der Gastraum ist noch gut gefüllt mit
lautstark konversierenden Gästen zwischen denen
Antonio und sein Kellner herumflitzen. Ich bestelle
eine Suppe mit Meeresfrüchten und einen
gedünsteten Merluza. In der Speisekarte gibt’s
auch eine deutsche Sektion über die ich sehr froh
bin. Denn bei mehr als 20 verschiedenen
Fischgerichten wäre ich doch arg ins Schleudern
geraten. Die Müdigkeit ist nach dem ersten großen
Schluck kühle Cervisia und einigen Tapas
verflogen und ich genieße die herrlich warme
Abendluft. Selbst jetzt um 23 Uhr sind das sicher
nicht viel weniger als 25°C.
Die Suppe mit Muscheln, Fisch und anderem
Seegetier kommt in einer gigantischen Terrine, aus
der ich zwei riesige Schöpflöffel auf den Teller
bekomme - sie schmeckt genauso köstlich wie der
anschließende Fisch. Nach Mitternacht kann ich
kaum noch „Piep“ sagen und werde vom Kellner,
der vorher noch ein Beweisfoto macht, und vom
Chef des Hauses mit einem freundlichen „Buenas
noches“ verabschiedet. - Glück gehabt. Ich bin
froh, nach einer so langen Etappe ein so schönes
Quartier gefunden zu haben. - In meiner Hazienda
errinnere ich mich dann noch an die Bierdose im
Topcase, die für die nötige Bettschwere eigentlich
nicht mehr erforderlich, aber bis morgen sicher
lauwarm ist, und beschließe den Abend zufrieden
auf meiner kleinen Veranda.
5. Tag: Dienstag, 20.Mai,
Conil - Sierra Nevada
Antonio erwartet mich um 8 Uhr bereits an der
Rezeption. Ich zahle für Essen und Übernachtung
5000 Peseten und verlasse das sympathische
Landgasthaus mit der Gewissheit, hier sicher noch
einmal herzukommen. Auf den nächsten
Kilometern in der kühlen Morgenluft und unter
strahlend blauem Himmel bemerke ich eine
eigenartige Wandlung. War ich in den
vergangenen Tagen noch, von dem Gedanken
besessen die iberische Halbinsel in 2 Wochen
komplett zu umrunden, rastlos von Tankstopp zu
Tankstopp gehetzt und hatte mir nur wenig Zeit für
die Umgebung gelassen, so ist diese Rastlosigkeit
8
jetzt plötzlich verschwunden und macht dem
herrlich entspannenden Gedanken an sonnigen
Urlaub und großer Zufriedenheit Platz. Sicherlich
auch in der Gewissheit, den südlichsten, und damit
von zu Hause am weitesten entfernten Punkt in ein
paar Stunden zu erreichen, habe ich es heute
morgen gar nicht mehr eilig. Ich genieße einfach
nur die andalusischen Hügel mit den endlosen
Getreidefeldern, über die der Wind in sanften
Wellen streicht und stelle mir dazu die Melodie des
Gitarrensolos im Concierto de Aranjuez vor. Den
Sinn oder Unsinn, in 4 Tagen über 3500 Kilometer
an den südlichsten Zipfel Spaniens zu fahren,
möchte ich auch nicht weiter begründen. Als Alibi
kann ich ja irgendwann einmal sagen, daß man
sich für spätere Reisen einen Überblick
verschaffen muß. Der wahre Antrieb war aber wohl
die Möglichkeit dazu, nur durch die Dauer des
Tageslichtes begrenzt, einmal absolut nichts
anderes zu tun als einfach nur Motorrad zu fahren.
Und allein dieses Gefühl der Unabhängigkeit und
das Bewußtsein, es ganz alleine bis hierher
geschafft zu haben, ist jeden einzelnen der 3500
Kilometer wert. Der Gitarrenspieler in meinem Kopf hält kurz inne,
als ich auf einer Enternungstafel „Tarifa - 68 km“
lese. Die Hauptstadt der Surfer aus aller Welt mit
garantierten „100% Fun“ liegt bereits an der
Meerenge von Gibraltar. Ich bin also fast „ganz
unten“.
Vor Tarifa liegt rechts ein kilometerlanger
Sandstrand mit einigen Campingplätzen, die aber
jetzt Mitte Mai verwaist sind. Ein paar schillernde
Typen in klapprigen VW-Bussen sieht man noch,
ansonsten ist das Mekka der Surfer ausgestorben.
Ich bin enttäuscht. Etwas mehr Leben herrscht in
der Innenstadt von Tarifa, die ich mir kurz darauf
ansehe. Hinter dem Ort führt die Straße dann
bergauf und von einem Aussichtspunkt aus, der
von großen Windgeneratoren umgeben ist, sehe
ich zum ersten Mal auf der anderen Seite der
Meerenge im Dunst den anderen Kontinent Afrika!
Ich unterhalte mich mit zwei Bietigheimern, die mit
Ihrer häßlich verunstalteten Cowboy-LT auch einen
Fotostop eingelegt haben, dann steuere ich den in
der Entfernung schon sichtbaren Felsen von
Gibraltar an. Eine Stunde später, nach der
Umgehung von Algeciras, bin ich auf der schmalen
Landzunge, die Gibraltar mit dem Festland
verbindet. Vor mir erhebt sich mehr als 300 Meter
hoch und schön kitschig weiß in der Sonne der
Felsen von Gibraltar - beeindruckende
Grenzmarke des südlichsten Zipfels von Europa.
Beeindruckend ist auch die Fahrzeugschlange vor
der Grenzstation, denn der Felsen selbst liegt
kurioserweise auf englischem Territorium und man
muß formell aus Spanien ausreisen. Ich begnüge
mich mit einem Beweisfoto „Moped mit blauem
Moped-Tour
Meer vor weißem Felsen“ und trete den Rückzug
an, der jäh von einer Straßensperre der Guardia
Civil unterbrochen wird. Der Uniformierte auf der
Straße winkt die Pkws vor mir alle durch, auf mich
deutet er mit dem Zeigefinger und winkt mich an
den Fahrbahnrand. Der junge Polizist der mich dort
in Empfang nimmt ist zwar sehr höflich, weist mich
aber sehr bestimmt an, Topcase und Koffer zu
öffnen. Ich bedeute ihm in Englisch, daß ich gar
nicht über die Grenze gefahren bin, daß läßt ihn
aber unbeeindruckt. Ich muß auch die Innentasche
im rechten Koffer öffnen und er durchwühlt meine
gesamte Urlaubsgarderobe. Auch unter die
Sitzbank will er schauen und fühlt, ob etwas in der
Polsterung versteckt ist. Ich spare mir, ihn auf das
Werkzeugfach hinter der Sitzbank und auf das
Fach in der Verkleidung aufmerksam zu machen,
als er urplötzlich jedes Interesse an mir und dem
Moped verliert und mich mit einem kurzen „Ok“
verabschiedet. Paß oder Fahrzeugpapiere sind
hier scheinbar überflüssig. Da im Reiseführer als nächster sehenswerter Ort
Ronda aufgeführt ist, verlasse ich nach dem
unfreiwilligen Halt die Küstenstraße und fahre nach
Norden in die Berge. Der Reiseführer hat wirklich
nicht zuviel versprochen. Zwar wechseln
wunderbare Mopedsträßchen mit furchtbaren
Schlaglochpisten, aber die Aussicht von der sich
langsam in die Serrania de Ronda
hinaufwindenden Straße ist grandios. Ich halte
dann auch einige Male und bleibe auf den großen
Felsbrocken am Straßenrand sitzen um die
Aussicht bis an die nun schon 40 km entfernte
Küste zu genießen. In Ronda esse ich köstliche
kleine scharfe Würstchen mit Weißkraut (für 200
Pts !) und als Dessert folgt dann auf dem weiteren
Weg zurück zur Küste eine Straße, die man nur als
absolutes Sahnestückchen bezeichnen kann. Die
gesamte Strecke von Ronda nach San Pedro de
Alcantara führt über mehr als 40 Kilometer ohne
Ortsduchfahrten mit phantastischer Aussicht und
auf brandneuer griffiger Fahrbahn hinunter zur
Küste und nach einer halben Stunde Kurvenorgie
auf den äußersten Profilrillen glaubt man, daß
dieser Traum gar nicht mehr endet.
Leider tauchen aber doch irgendwann die
Hotelburgen der Costa del Sol auf. Marbella lasse
ich rechts liegen und glücklicherweise gibt es auch
um die Stadt mit dem Namen der grünen Eissorte
eine Umgehung. Mittlerweile habe ich (trotz
schlechten Gewissens) die Jacke ausgezogen und
fahre in Lederhose, T-Shirt und Lederweste. In
Torremolinos mache ich noch einen Abstecher an
den Strand, der um diese Jahreszeit und trotz der
glühenden Hitze erstaunlich leer ist, dann erreiche
ich den Abzweig, auf dem nach links „Granada“
angeschrieben steht und ich verlasse die Küste am
späten Nachmittag zum zweiten Mal. Die gut
ausgebaute Schnellstraße führt über viele staubige
Baustellen fast überall 4-spurig ständig bergauf
Moped-Tour
9
und nach einer Stunde erreiche ich die riesige von
hohen Bergen umgebene Hochebene auf der
Granada liegt. So groß hätte ich mir die Stadt dann
doch nicht vorgestellt! Ich suche verzweifelt ein
markantes Gebäude über dem Stadtrand, aber die
Alhambra ist absolut nicht zu entdecken.
Jamon Iberico, getrockneter Schinken, ähnlich
dem Bündener Fleisch, ist ausgezeichnet und auch
das Pfeffersteak schmeckt sehr gut. Das Dessert
ist ein Extrafoto wert, denn was der Kellner als
Selection de la casa bringt, ist zweifellos die
Portion für eine fünfköpfige Familie.
Ich fahre den Hinweisen zur Alhambra nach und
stehe bald vor der Schranke, die die Zufahrt auf
mehrere große Parkplätze erst nach Ziehen eines
Parkscheines freigibt. Von der Alhambra ist immer
noch nichts zu sehen.
Nach einer Stunde bin ich rundherum vollgefuttert
und nehme mir noch eine Cervisia mit auf den
Balkon. Weit unten im Tal sieht man die Lichter
von Granada funkeln, es ist vollkommen still. Es ist
zwar in dieser Höhe nachts recht frisch, aber nach
dem Backofen an der Costa del Sol genieße ich
die saubere Bergluft und schlummere bald bei
geöffneter Balkontür ein.
Ich frage zwei wichtig aussehende Uniformierte
und erfahre, daß für Besichtigungen zwischen 9
und 17 Uhr geöffnet ist - jetzt ist es 10 nach 5.
Der Reiseführer hat hier ganz in der Nähe einen
Hoteltip parat, also folge ich den Hinweisen zur
Sierra Nevada. Dieser Kunstort, an dem vor 2
Jahren die Ski-WM stattfinden sollte, wegen
Schneemangel aber ausgefallen ist, liegt über
2000 m hoch im gleichnamigen Gebirge. Auf dem
Weg in das Skigebiet soll laut Reiseführer das
Hostal Desvio liegen. Ich finde das Hotel auch
bald, möchte aber zunächst noch den Rest der
Strecke bis in den Skiort, der von Granada ca. 30
km entfernt liegt, erkunden. Alle Skigebiete sehen
im Sommer trostlos aus, und da macht auch Sierra
Nevada keine Ausnahme: ein toter Retortenort mit
großen und zu dieser Zeit geschlossenen Hotels
umgeben von plattgewalzten Skihängen mit
Resten von schmutzigen Schneefeldern.
Ich kehre wieder um und finde vor „meinem“ Hotel
einen Bus vor, aus dem gerade eine ganze Horde
junger Leute steigt. Schluck - was nun?
Hüttenromantik hatte ich mir dann doch anders als
mit schnatternden Junggänsen und stampfenden
Technoklängen vorgestellt. Wenige hundert Meter
weiter war ich aber vorhin an einem anderen
Hostal vorbeigekommen und dort frage ich jetzt
nach einem Zimmer. Es stellt sich zwar bald
heraus, das ich dort der einzige Gast bin, aber das
Hostal und das Restaurant sind geöffnet. Auf die
Frage, ob ich heißes Wasser brauche wird dies
auch in 20 Minuten versprochen. Kurz nachdem
ich mein Domizil für diese Nacht bezogen und auf
dem zweiten Bett ein Potpourri aus Helm, Jacke,
Tasche, Karten, Brillenetui, Fotoapparat,
Mopedschlüssel und Wertsachen arrangiert habe,
klopft es an der Tür. Der Sohn des Hauses schiebt
mir lächelnd und wortlos einen Radiator ins
Zimmer. Aha, die Heizung scheint außer Betrieb zu
sein. Dafür ist die Aussicht vom Balkon grandios
und nach einer Viertelstunde ist auch das
Duschwasser angenehm temperiert.
Im Restaurant sitze ich später als einziger Gast.
Weil es keine kleinen Weinflaschen gibt, öffnet der
Kellner kurzerhand eine 0,75 l Flasche Rioja und
bedeutet mir, daß ich daraus zum Preis einer
halben Flasche trinken könne soviel ich mag. Der
6. Tag: Mittwoch, 21.Mai,
Sierra Nevada - S.Carles de la Rapita
Um 8 Uhr am Morgen ist niemand an der
Rezeption, obwohl der Sohn des Hauses das als
früheste Uhrzeit genannt, dabei aber die Augen
verdreht hatte. Ich will also erst einmal das Moped
packen, als ich bemerke, daß das ganze Haus wie
eine Festung verschlossen und verriegelt ist. Es
bleibt mir nichts übrig, als an der Rezeption zu
warten, bis ich „entlassen“ werde. Ein paar Minuten
später kommt dann auch der junge Mann im
Jogginganzug, verknittert und mit zerzausten
Haaren, und läßt mich meine Rechnung bezahlen.
Da die Alhambra erst um 9 öffnet, ich also noch
etwas Zeit habe, fahre ich noch einmal bergauf
nach Sierra Nevada und erkunde, wie weit man auf
der höchsten befahrbaren Straße Europas fahren
kann. Ich bin zwar sicher, den 3398 Meter hohen
Pico del Veleta nicht zu erreichen, da daß letzte
Stück der Strecke vor dem Gipfel nur noch aus
Sand- und Schotterpiste besteht. Aber ich bin
natürlich neuggierig, wie hoch man gelangen kann.
Leider verhindert schon in 2600 m Höhe, oberhalb
der letzten Häuser des Ortes Sierra Nevada, eine
Schranke mit unmißverständlichen Hinweisen die
Weiterfahrt. Und nach dem Beweisfoto sause ich
die kurvenreiche Straße nach Granada wieder
hinunter um zu einem der vermeintlichen
Höhepunkte meines kleinen Spanienausfluges zu
kommen. Die beiden Norweger, die gestern abend
hier oben in der Wildnis ihr Zelt aufgestellt haben,
sind noch nicht wach. Aber beim Aufstehen
werden sie einen phantastischen Blick hinunter auf
Granada haben.
Eine halbe Stunde später, auf dem Parkplatz der
Alhambra, helfe ich einem Spanier, der auf der
steinernen Einfassung eines Baumes sein Auto
festgefahren hat, dann stehe ich in der um diese
Zeit noch kurzen Schlange vor dem
Kassenhäuschen und berappe 750 Pts um die
Höhepunkte maurischer Architektur zu bewundern.
Das Gelände ist recht weitläufig und um die
einzelnen Paläste und das Generalife zu sehen ist
10
ein größerer Marsch erforderlich. Da die
Besuchszeit auf 1 Stunde begrenzt ist, bemühe ich
mich auch, nicht gerade zusammen mit großen
Besuchergruppen in kleinere Räume zu geraten.
Das läßt sich aber nicht immer vermeiden und so
besteht mein Rundgang eher daraus, mehr oder
weniger durch die Paläste und Gartenanlagen
geschoben zu werden und hier und da mal einen
Blick zu erhaschen und ein Foto zu schießen. Die
Anlage ist aber absolut sehenswert. Von großen
Festungsmauern bis zu herrlichen filigranen
Fresken und phantastischen Gärten gibt es alles
zu bestaunen. Und trotz der Besuchermassen und
den ständig durcheinandersprechenden
Reiseführern, die in Japanisch, Finnisch, Englisch,
Deutsch und Kisuaheli die Historie der Gebäude
erläutern, habe ich die Melodie des sagenhaften
Gitarrentremolos aus „Ricuerdos del Alhambra“ im
Ohr. Im Generalife schaffe ich es sogar einmal, ein
paar Minuten ganz alleine in einem
wunderschönen Innenhof mit Wasserspielen zu
sein und ich bedaure sehr, jetzt keinen Walkman
mit dieser so passenden Musik dabeizuhaben.
Die Besichtigungsstunde geht schnell vorbei. Die
einzelnen Paläste sind auf der Eintrittskarte
abgeknipst, man kann also überall auch nur einmal
hineingehen. Als ich doch etwas wehmütig durch
das Drehkreuz nach draußen komme, nehme ich
mir noch die Zeit für einen café solo und
schlendere dann zum Moped zurück. Selbst jetzt,
kurz nach 10 Uhr morgens, sind die Temperaturen
schon im schweißtreibenden Bereich und ich bin
froh, bald wieder vom Fahrtwind gekühlt zu
werden.
Kurz nachdem ich in der Nähe von Guadix die
Autobahn verlasse habe, um nach Süden wieder in
Richtung Küste zu fahren, sehe ich erst rechts
vorne an der Verkleidung einen Schatten und dann
im Rückspiegel irgendetwas über die Straße
fliegen. Zunächst denke ich, mit einem Vogel
zusammengestoßen zu sein, aber das hätte einen
Schlag an der Verkleidung geben müssen und
außerdem wäre ein verletzter Vogel nicht wie ein
Stück Gummi hinter mir auf der Fahrbahn
herumgehüpft. Ich halte an und rutsche am
staubigen Straßenrand auf Knien um das Moped
herum, um der Sache auf den Grund zu gehen. An
der Verkleidung ist von einem Zusammenstoß
nichts zu sehen und allem Anschein nach ist das
Moped auch noch vollständig. Aber links vorne an
der Verkleidung sind einige schwarze Flecken, die
ich mir nicht erklären kann, bis ich die Bescherung
entdecke: der linke Gabelholm ist ölverschmiert
und aus der Dichtung zwischen Stoßdämpfer und
Standrohr quillen einige Tröpfchen Öl. Mist! Ich
fahre noch einmal zurück, um trotzdem
nachzusehen, was da eben auf der Straße lag,
kann aber nichts finden. An der nächsten
Tankstelle, die einsam 20 km von der nächsten
Ortschaft entfernt liegt, halte ich an. Die Sonne
Moped-Tour
sengt jetzt schon erbarmungslos und mit einem Eis
in der Hand inspiziere ich das Moped noch einmal
gründlich und wische das Öl vom Gabelholm. Ich
beschließe, erst einmal weiterzufahren, da der
Udo, den ich auf jeden Fall um Rat fragen muß,
jetzt um die Mittagszeit sicher nicht ans Telefon
geht. Während der Fahrt kann man durch eine
Öffnung in der Verkleidung direkt die undichte
Stelle sehen, und ich beobachte, wie tropfenweise
das Gabelöl zu Tage tritt. Ich bilde mir sogar ein,
daß die Federung am Vorderrad weicher wird und
rechne ständig damit, daß sich am Fahrverhalten
irgendetwas dramatisch ändern könnte. Zurück an
der Küste in Roquetas de Mar finde ich unmittelbar
am Strand eine Telefonzelle und versuche den
Udo anzurufen. Aber in Germanien nimmt niemand
den Hörer ab.
Im Serviceheft finde ich die Adresse einer BMW
Niederlassung im 170 km entfernten Elche. Wenn
ich jetzt sofort losfahre, dann könnte ich das noch
bis 17 Uhr schaffen. Oder machen die vielleicht
doch früher Feierabend? Ich gerate in Hektik.
Schnell packe ich ein Tütchen Sand (das
Mautzelchen hat hier mit Bruder und Freunden vor
mehr als 25 Jahren einmal Urlaub gemacht) und
brause wieder in Richtung Autobahn. Ich habe den
Eindruck, als würde die Maschine vorne schon
mindestens 5 cm tiefer liegen und starre
abwechselnd auf den Gabelholm, die Uhr und den
Kilometerzähler. Ich sehe das Motorrad schon mit
ausgebauter Gabel in einem schmutzigen
Hinterhof stehen und mich mit dem Gepäck zu Fuß
nach einem Hotel Ausschau halten...
Nach einer weiteren Stunde Hetze in Richtung
Elche kehrt dann doch die Vernunft zurück. Die
paar Tropfen Öl werden schon nicht so schlimm
sein. Außerdem werde ich frühestens um 17 Uhr in
Elche sein und bis die Werksatt gefunden ist, wird
es mindestens 17:30 sein.
Unterwegs halte ich noch einige Male an, um Udo
zu erreichen. An einer Tankstelle steht das Telefon
im einem Kassenraum in dem das Radio und ein
Außenlautsprecher dermaßen laut quäkt, daß ich
froh bin, hier keine Verbindung nach Deutschland
zu bekommen - ich hätte sowieso kein Wort
verstanden. Übrigens lassen sich öffentliche
spanische Telefone per Knopfdruck auf Tonwahl
umschalten, was für das Telefonieren mit der TCard natürlich sehr praktisch ist.
Tatsächlich erreiche ich Elche ein paar Minuten
nach fünf und fahre auch durch die Stadt, um das
Industriegebiet, in dem die Werkstatt liegt, zu
finden. Nach einer halben Stunde gebe ich die
Suche aber erfolglos auf und brumme weiter
Richtung Norden.
Um halb sieben hebt beim 328sten Anrufversuch
in Eisighofen jemand den Hörer ab. Ich bin
beruhigt, als Udo bestätigt, daß der Verlust einiger
Moped-Tour
Tropfen Gabelöl harmlos ist und mir die
Anweisung „Nicht d’rum kümmern, weiterfahren!“
gibt. Daraufhin bessert sich meine Laune
schlagartig und ich genehmige mir noch ein Eis
und ein paar Kekse, die plötzlich wieder viel besser
schmecken. Und das Moped liegt plötzlich vorne
auch nicht mehr 5 cm tiefer und die
Vorderradfederung ist plötzlich wieder genauso
straff wie seit Jahr und Tag...jaja, - die Fantasie
spielt einem halt doch ab und zu einen Streich...
Bis zum Ziel meiner heutigen Etappe habe ich
noch reichlich Kilometer vor mir. Die Jacke, in der
man hier im eigenen Saft gegart würde, habe ich
längst nicht mehr an, und so brumme ich in der
Abendsonne um Valencia herum. Kurz nach
Einbruch der Dunkelheit erreiche ich mein heutiges
Ziel, den kleinen Ort San Carles de la Rapita,
etwas südlich von Barcelona.
Das Hotel Juanito liegt direkt am Meer und ich
kann vom Balkon aus die Wellen direkt unter mir
plätschern hören. Das Zimmer ist sehr
geschmackvoll eingerichtet und der helle
Kachelboden kühlt sehr angenehm die überhitzen
Füße.
Das Abendessen wird leider im Schnellverfahren
serviert, weil die Küche eigentlich schon
geschlossen hat. Die Fischsuppe und die Platte mit
verschiedenen gegrillten Fischen schmecken aber
trotzdem sehr gut. Den Pulpo lasse ich allerdings
liegen. Als ich Kaffee trinke, deckt der Kellner an
den anderen Tischen bereits das
Frühstücksgeschirr.
Auf dem Balkon trinke ich noch ein Bierchen, dann
schlummere ich herrlich bei Wellengeplätscher ein.
7. Tag: Donnerstag, 22.Mai,
S.Carles de la Rapita - Llavorsi
(Pyrenäen)
Der Tisch vom Vorabend ist schon für das üppige
Frühstück vorbereitet: 4 kleine Scheiben
zwiebackähnlicher Toast, Butter, Marmelade und
eine riesige Tasse caffe con leche. Ich komme mit
einem älteren Ehepaar am Nebentisch ins
Gespräch. Die beiden kommen aus Eppstein im
Taunus, sind Ornithologen und studieren die
Vogelwelt im nahen Ebrodelta.
Nach dem Frühstück mache ich noch einen
kleinen Spaziergang um das Hotel und fotografiere
„meinen“ Balkon auch von unten. Dann packe ich
das Moped und starte die nächste Etappe, über
deren Ziel ich mir noch nicht ganz im Klaren bin.
Durch weite Reisfelder im Ebrodelta und
anschließend um Barcelona herum, erreiche ich
gegen Mittag die Costa Brava. Mehrmals überholt
mich unterwegs eine LT mit Hamburger
Kennzeichen. Die beiden winken und scheinen es
eilig zu haben - nach einigen
11
Verfolgungskilometern mit 150 km/h falle ich aber
wieder in meinen alten Reisetrott zurück. Bei der
nächsten Zahlstelle hole ich die beiden zwar
wieder ein, sehe aber dann nur noch im Spiegel,
daß sie an einer Raststätte halten.
Beim nächsten Tankstopp in der Nähe von Llorret
de mar unterhalte ich mich mit einem Guzzi-Fahrer
aus „AA-“ der hier die nächsten beiden Wochen
verbringen will. Er berichtet, gestern im
strömenden Regen durch Frankreich hierher
gekommen zu sein und mir fällt erst jetzt auf, daß
ich seit Nordportugal keinen einzigen
Regentropfen mehr abbekommen habe.
Ich drehe eine Runde durch die engen Gäßchen
von Tossa und mache oberhalb des Ortes eine
längere Pause. Die Passanten beäugen neugierig
das Moped und von rheinländisch über schwäbisch
bis thüringisch und sächsisch sind alle deutschen
Dialekte vertreten...
Die Küstenstraße in Richtung Norden ist ein
Motorradfahrertraum. Ich fahre noch bis nach
Palafrugell, um vom Ortsschild unseres
Urlaubszieles von 1986 ein Bild zu machen. Dann
verlasse ich die Küste um über Gerona und Olot in
die Pyrenäen zu gelangen. Je weiter ich in die
Berge komme, um so dunkler wird aber leider auch
der Himmel und vor Olot bleibt mir dann nichts
übrig, als mein luftiges Outfit durch Jacke und
Regenkombi zu ergänzen. Und erst als ich vor
dem Schaufenster eines leerstehenden
Möbelhauses die Jacke anziehe, bemerke ich den
furchtbaren Sonnenbrand auf den Unterarmen. Die
fühlen sich an, als hätte jemand heißes Öl
darübergegossen. Mmmh - wer unvernünftig ist,
muß eben leiden...
Zwei Kilometer später tröpfelt es dann auch ein
bißchen von oben, aber der richtige Guß, der mir
zur Kühlung der Arme gar nicht unrecht gewesen
wäre, bleibt aus.
Ich studiere noch einmal den Reiseführer und finde
eine Hotelempfehlung in Llavorsi. Eigentlich wollte
ich mir nur Andorra ansehen und dann wieder zur
Küste, aber das Hotel ist so nett beschrieben und
der Besitzer spricht angeblich sogar Deutsch, daß
ich mich entschließe dorthin zu fahren, obwohl ich
um nach Andorra zu kommen, dann morgen
wieder 50 Kilometer auf der gleichen Straße
zurückfahren muß.
Vor La Seu d’Urgell lasse ich die Straße nach
Andorra rechts liegen und über den sehr schönen
neu ausgebauten Paß nach Sort geht es weiter bis
Llavorsi. Auf der Paßhöhe stehen 6 Polizisten mit
Motorrädern und Jeeps bei einem abendlichen
Schwätzchen zusammen und winken mir
freundlich zu. Etwas später erreiche ich über eine
gut ausgebaute Straße im Tal Llavorsi. Der Ort
könnte auch im österreichischen Ötztal liegen und
12
ist ein Mekka der Rafting Freunde. Überall sieht
man Angebote für Rafing Touren und „Canyoning“.
Das Hotel Lamoga liegt gleich links am
Ortseingang und ist ganz neu renoviert. Die grauen
Natursteinplatten im Eingangsbereich werden zur
Zeit gerade neu verlegt, aber ansonsten erstrahlt
alles in neuem Glanz. Die älteren Wirtsleute
begrüßen mich sehr freundlich auf Deutsch und ich
bekomme ein kleines, aber vollkommen neues
Zimmer. Als ich ihnen den Reiseführer zeige,
können sie sich sogar noch an Josef Seitz erinnern
und schreiben sich auch gleich den Titel und die
ISBN-Nr. des Buches auf. Ich bin der einzige Gast
beim Abendessen und bekomme Nudelsuppe aus
der großen Terrine. Danach gibt’s Kassler mit
Pommes und eine bayrische Creme auf
pyrenäische Art. Ich sitze noch eine Weile
zusammen mit dem Wirtsehepaar vor dem
Fernseher um den Wetterbericht für morgen zu
sehen. Es soll noch heißer werden und die
Niederschläge sollen in Richtung Südfrankreich
nachlassen. Damit bin ich natürlich sehr zufrieden
und nach einem Anruf bei Rainer verabschiede ich
mich von meinen sehr sympathischen Gastgebern
und gehe zu Bett.
8. Tag: Freitag, 23.Mai,
Llavorsi - Gorges du Verdun
Frühstück um 8, es gibt den üblichen Toast und
Marmelade. Leider kann ich nicht mit der
Kreditkarte zahlen, aber direkt nebenan ist ein
Geldautomat der auch mit deutschen EC-Karten
Bares herausrückt. Ich zahle 5800 Pts für
Abendessen und Übernachtung und als ich mich
wieder auf den Weg mache, sind die Arbeiter
schon dabei, die restlichen Platten auf der Veranda
zu verlegen.
Über den Paß von gestern geht es wieder zurück
bis zum Abzweig nach Andorra. Bei einem
Fotostop auf einem einsamen Bergparkplatz
funktioniert irgendwann einmal die Sprechanlage
nicht mehr. Erst als ich eine halbe Stunde mit dem
Schraubenzieher herumhantiert und die halbe
Verkleidung abmontiert habe, fällt mir auf, daß die
Zündung gar nicht eingeschaltet war... - Trottel.
Die Andorraner kontrollieren bei der Einreise
stichprobenartig die Pässe, mich lassen sie
unbehelligt. Der ganze Zwergstaat besteht aus
einem einzigen Tal, in dem es jede Menge
Einkaufsmöglichkeiten gibt. Das Benzin ist um die
Hälfte billiger als in Spanien und ich entdecke auch
jede Menge Geschäfte mit Motorradzubehör. Da
ich im Moment aber keinen Bedarf für
papageienbunte Off-Road Klamotten habe, sehe
ich mir die Geschäfte nur von aussen an. Beim
Verlassen der Stadt verfahre ich mich dann kräftig
und bemerke erst als die Straße auf dem Parkplatz
vor einem Berggasthof endet, daß ich hier wohl
Moped-Tour
nicht nach Frankreich komme. Eine Stunde später
bin ich dann aber doch kurz hinter der Paßhöhe
des 2401 Meter hohen Puerto de Envalira wieder
in Frankreich - auch hier ohne Kontrolle. Da ich
wieder zur Küste zurück möchte, folge ich den
Wegweisern Richtung Perpignan. Die Straße führt
stetig bergab zur Küste und bei einem Fotostop
fahren hupend die beiden Hamburger von gestern
mit der LT vorbei. Ein paar Minuten weiter steht die
HH-BY 24 rechts am Fahrbahnrand und ich halte
zum Klönen natürlich gerne an.
Die beiden sind mit dem Autoreisezug bis
Narbonne und dann per Moped bis Gibraltar
gefahren und haben jetzt ihren Urlaub hinter sich.
Nachdem wir eine halbe Stunde geplaudert und die
e-mail Adressen ausgetauscht haben mache ich
noch ein Foto und verabschiede mich. Wir fahren
noch eine ganze Weile hintereinander her, kurz vor
Narbonne ist der Scheinwerfer im Rückspiegel
dann verschwunden.
Da ich heute noch bis in die Nähe des Gorge du
Verdun möchte, brumme ich auf die Autobahn und
im Schnellzugtempo über Montpellier bis nach Aixen-Procence. Unterwegs kaufe ich noch eine
Straßenkarte von Südfrankreich, denn die habe ich
natürlich zu Hause liegen lassen. Es ist schon
später Nachmittag, als ich nördlich von Aix die
Autobahn verlasse und über kleine Landsträßchen
auf die in der Ferne schon sichtbare Bergkette mit
der angeblich sehenswerten Schlucht zufahre. Die
Straße schlängelt sich dann auch nach einigen
Ortsdurchfahrten hoch über einem türkisfarbenen
See am Hang entlang und bald kann man in die
mehrere Hundert Meter tiefe Schlucht
hinunterstaunen. Alles sieht natürlich ganz anders
aus, als ich es mir vorgestellt habe, aber die steilen
Felswände und der tief unten dahinbrausende Fluß
sind ein beeindruckender Anblick. Die Schlucht
wird aber nach einem Kilometer wieder breiter und
ich bin, vielleicht auch wegen der Müdigkeit und
der vielen Kilometer auf dem Moped, doch etwas
enttäuscht - meine Erwartungen an den Grand
Canyon von Verdun waren wohl doch etwas zu
hoch.
Da ich am Sonntag, also übermorgen, wieder zu
Hause sein möchte, könnte ich mir heute abend ja
eigentlich einmal ein etwas teureres Hotel gönnen.
Der Hinweis auf ein Logis de France mit 3
Kaminen kommt mir dann auch gerade recht. Als
ich allerdings vor der jungen Dame an der
Rezeption stehe und mein „pardon, je ne parlez
pas francais“ aufsage, erwidert sie nur „ce’est mal,
je ne parlez pas alleman“... und schaut mich mit
dem „Ääääätsch, reingefallen!“-Gesichtsausdruch
an.
Mmmh. Gleich wieder gehen - oder schlucken und
hierbleiben. Es ist 20:30, keine Sonne mehr, gleich
ist’s dunkel. - Na gut, ich frage auf Englisch nach
dem Preis. 390 FF für ein Zimmer mit Balkon und
Moped-Tour
Blick auf den Gorsch, 260 FF für eines ohne Blick.
Die Entscheidung fällt nicht schwer, aber das
günstigere Zimmer ist dann eine ausgebaute
Dachkammer mit einer Duschkabine in der Ecke
und die junge Dame bittet mich höflich, doch das
Motorrad von dem Plattenweg im Eingang zurück
auf den Parkplatz zu stellen. Ich diskutiere nicht
weiter mit ihr, daß für Mopeds auf Ständern ein
Schotteruntergrund nicht gerade ideal ist und lasse
das Moped auf den Parkplatz rollen. Auf ihren
heiligen hellen Steinplatten sind dann auch
deutliche Reifenspuren zu sehen - ääääätsch!
Das Abendessen ist allerdings sehr gut, auch
wenn ich wieder mal der letzte Gast bin und alles
ein bißchen schneller geht. Ich esse eine
Gemüsecremesuppe und Entrecote de poivre, zum
Nachtisch gibt’s supersüße Profiterolles.
Ich zahle gleich nach dem Abendessen und
erwarte nicht, morgen um 6 ein Frühstück zu
bekommen. So erhalte ich dann auch die geheime
Geheimnummer („123456“), um die Hintertür und
die Schranke des Parkplatzes zu öffnen. Es ist
zwar herrlich ruhig in dieser Nacht, aber irgendwie
bin ich doch sauer, nicht noch ein anderes Hotel
gesucht zu haben und wehmütig denke ich an
Antonios Hostal und das Hotel Rebeco zurück.
9. Tag: Samstag, 24.Mai,
Gorge du Verdun - Thann (Elsaß)
Morgens um kurz nach 5, die Sonne wird gleich
aufgehen, stehle ich mich durch die Hintertür aus
dem Haus. Das Rolltor am Parkplatz öffnet sich
tatsächlich nach Drücken der Geheimnummer und
ich bin froh, wieder auf der Straße zu sein. Als ich
die kleine Anhöhe vom Hotel herunterrolle, geht
rechts am Horizont die Sonne auf und ich mache
noch 2 Kitsch-Fotos.
Im nächsten Ort entdecke ich ein 2-Kamine Logis
de france mit drei Mopeds davor und ärgere mich
schwarz, gestern abend so vorschnell das Zimmer
genommen zu haben.
Um Viertel nach sieben versuche ich einige Male
erfolglos in Ungarn anzurufen. Rainer hatte mir die
Telefonnummer gegeben und gesagt, daß ich das
Mautzelchen dort zwischen Viertel nach sieben
und halb acht erreichen könne. Aber es ist zum
Verzweifeln: Die Ungarin am anderen Ende der
Leitung versteht kein Wort Deutsch und schleudert
mir nur einen Redeschwall mit vielen Zischlauten
entgegen, dann legt sie auf. Nachdem sich das 3
Mal im Abstand von 10 Minuten wiederholt, gebe
ich entnervt auf.
Ich fahre weiter Richtung Norden, und erst jetzt
wird mir bewußt, daß ich ja schon in den Alpen bin.
Auf der Karte entdecke ich die Namen einiger aus
den Verkehrsnachrichten berühmter Pässe und bin
schon bald ganz oben auf dem Col de Cayolle und
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etwas später auch auf dem Col d’Izoard, der
immerhin 2440 Meter hoch ist. Etwas Schnee liegt
auf beiden noch, aber die Fahrbahn ist schneefrei.
Ich muß zwar wegen der frostigen Temperaturen
meine Goretex-Innenjacke wieder einknöpfen,
aber das Panorama ist herrlich und ich sehe nicht
nur während der Pausen, sondern sogar beim
Fahren jede Menge Murmeltiere.
Als ich gerade überlege, ob vielleicht auch schon
der 2770 Meter hohe Col d’Iseran nach Val d’Isere
geöffnet ist, fällt mir auf, das auf der neu gekauften
Straßenkarte ja nur Südfrankreich zu sehen ist. Ich
war ständig der Meinung, wenn ich den oberen
Rand der Karte erreicht habe, auch in NordFrankreich zu sein, was ein großer Irrtum war. Vor
mir liegt noch die ganze Schweiz und jede Menge
dunkle Wolken! Ich beschließe, die Wolken rechts
zu umgehen und irgendwie über Norditalien, den
San Bernadino und den Bodensee Richtung
Heimat zu kommen. Ich bin überrascht, wie schnell
man aus den Alpen wieder heraus ist, als ich kurz
vor Turin doch wieder einiges meiner
Gebirgspaßkleidung ausziehe, weil ich in der
drückend schwülen Luft im eigenen Saft gegart
werde. Die Italiener akzeptieren keine Kreditkarten
und ich rechne besser nicht nach, zu welchem
Kurs der sonnenbebrillte Gigolo in dem
Zahlhäuschen meine 50 Franc umgetauscht hat.
Über Mailand geht’s dann im D-Zug Tempo weiter
auf den San Bernardino, wo mich noch einmal ein
kräftiger Schauer erwischt, und auf der anderen
Seite hinunter nach Chiasso in die Schweiz.
„Chaben Sie ainä Autobahnwienjettä?“ - Gute
Frage - aber ich habe tatsächlich keine. Die Dame
akzeptiert lächelnd eine 50 Em-Schein und gibt mir
ein Fränkli zurück. Daß sie die Vignette auf die
toten Mücken auf der Scheibe klebt, kann ich
gerade noch verhindern.
Ich bleibe dann auch auf der Autobahn, bestaune
den herrlichen Comer See und das Tessin und
mache auf einem schönen Rastplatz in einer
Regenpause noch ein Minipicknick. Der Rest des
französischen Baguettes von heute vormittag ist
zwar schon etwas trocken, schmeckt aber mit
Schinken belegt doch noch bestens. Das
Mißgeschick mit der Tomate, die beim
Hineinbeißen am falschen Ende aufplatzt und
unschöne Spuren auf dem Regenkombi hinterläßt,
verschweige ich besser...
Das ich, um nach Deutschland zu kommen ja noch
ein Stück durch Österreich muß, und dort seit
einiger Zeit auch Autobahnmaut verlangt wird, wird
mir erst bewußt, als ich vor dem grauberockten
Grenzpolizisten stehe. - Gottseidank, er winkt mich
durch. Das Gleiche tut sein Kollege bei der
Einreise nach Deutschland (im Regen) und auch
der Bundesgrenzschutz hat kein Interesse an mir.
So erreiche ich also nach 9 Tagen und knapp 7500
Kilometern durch Frankreich, Spanien, Portugal,
14
Moped-Tour
Andorra, Italien, die Schweiz und Österreich wieder
deutschen Boden, ohne ein einziges Mal an der
Grenze meinen Ausweis vorgezeigt zu haben.
Europa ist also tatsächlich grenzenlos - einmal
abgesehen davon, daß ich im Topcase ungefähr 2
Kilogramm Münzgeld in 5 verschiedenen
Währungen transportiere, das keine Bank
zurücktauschen wird.
Als ich am Abend zuhause den Zündschlüssel
nach links umdrehe und der leise brummelnde
Motor zum letzten Mal auf dieser Tour verstummt,
stehen genau 7994 Kilometer mehr als bei der
Abfahrt auf dem Kilometerzähler - und in meinem
Kopf stecken mindestens genauso viele
unvergeßliche Eindrücke.
In Baden-Württemberg möchte ich nicht
übernachten und fahre deshalb noch am
Bodensee entlang, durch den schwarzen Wald und
über Freiburg bis ins Elsaß.
Impressum:
Es ist schon nach 22 Uhr, als ich in Thann in dem
Hotel, daß uns vor 2 Jahren schon einmal
beherbergt hat, zum letzten Mal das Moped
entlade. Zum Abendessen gibt es
Spargelcremesuppe und eine wohlschmeckende
Forelle blau aus dem nahen Teich.
Redaktion :
Moped-Tour erscheint in unregelmäßigen Abständen im
Oberen Schoß14 in 65399 Kiedrich/Rheingau.
Anneliese und Stephan Meinl, Tel.: 06123/1250
e-mail: MeinlS@aol.com
Bisher erschienen:
•
1: BMW-Tour 1994 (Spessart, Rhön, Harz)
•
2: Okt..’94: Sauerland, Lahn
10. Tag: Sonntag, 25.Mai,
Thann - Kiedrich
•
3: Mai ‘95: Wien, Elbsandsteingebirge
•
4: Juli ‘95: Norwegen
Der Sonntag beginnt mit einem üppigen Frühstück:
Toast, Marmelade und Cafe au lait. Ich packe
gegen 9:30 Uhr das Moped für die letzte Etappe
und bin kurz darauf schon hoch oben auf der
Route de cretes. Das Wetter ist herrlich und die
Aussicht über die Vogesen und den
gegenüberliegenden Schwarzwald ist phantastisch.
Ich genieße den schönen Sonntagvormittag
solange, bis der Ausflugsverkehr immer stärker
wird. Am Col de la Schlucht sitzen dann mittags
die Sonnenhungrigen schon dicht gedrängt und ich
fahre auf einem kleinen Sträßchen wieder hinunter
zur Route du vin und weiter nach Norden. Am
frühen Nachmittag, nach vielen Pausen, ist
Straßburg erreicht und in der Abendsonne sitze ich
schon an einem Picknicktisch der Raststätte
„Pfälzer Weinstraße“ nördlich von Landau. Ich
mampfe ein Sandwich, trinke Fanta dazu und
grabe in der Erinnerung an die vergangenen 10
Tage. Schade, jetzt ist er leider fast zu Ende, der
große Traum vom südlichsten Zipfel Europas. Ich
bin zufrieden und auch ein bißchen traurig, daß die
schöne Tour nun bald zu Ende ist. Wie gerne
würde ich einfach noch einmal losfahren und noch
eine Woche am Fuß der Picos de Europa oder in
der Gluthitze Andalusiens, oder nur einen Abend
bei Antonio verbringen - aber die sind jetzt alle
schon wieder 2500 Kilometer entfernt....
•
5: Nov.’95: Besuch aus München
•
6: August ‘96: BGS Tour nach Bamberg
•
7: April ‘97: Mit Umschadens durch Waldhessen
Das Abschiedsbild schießt der Selbstauslöser:
zufriedener Mopedfahrer in der Abendsonne. Auf den Parkplatz fährt noch eine ältere RT. Die
Sozia geht zur Tankstelle, er sitzt auf der Bank
neben seinem Moped und winkt mir zu, als ich
weiterfahre. Wenn der wüßte, wo ich gerade
herkomme...
• 8: Mai ’97: Tour d’Europe