Rundbrief 2/98 - Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie eV
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Rundbrief 2/98 - Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie eV
Deutsche Vereinigung gegen politischen Mißbrauch der Psychiatrie (DVpMP) - Walter-von-Baeyer-Gesellschaft e.V. Gemeinnützige Körperschaft 1977 mitbegründet von Walter Ritter von Baeyer (†), ord. Professor für Psychiatrie und Neurologie der Universität Heidelberg (1955 - 1972), Vizepräsident des Weltverbands für Psychiatrie (1966 - 1971) Rundbrief 2/98 Mai 1998 1. Einführung Merkwürdige Verhältnisse herrschen: Über ein Menschenalter hinweg wurde der Psychia trie-Miß brauch des Kommunismus heruntergespielt, gingen westliche Öffentlichkeit wie die „Seelen-Heilkunde“ selbst, so gut es ging, an den Verbrechen vorbei. Vielfältig leistet letztere darüber hinaus dem Zeitgeist Vorschub, beteiligt sich an Drogenverharmlosung und -abgabe, wärmt jetzt die Euthanasie wieder an und nimmt hierfür Humanität und Wissenschaft derart in Anspruch, daß für andere Auffassungen kaum Platz mehr bleibt. Die Verfehlungen im Nazismus sind noch in frischem Gedächtnis. Die heutigen Fehlweisungen schließen sich teilweise nahtlos an die früheren an. Dennoch finden sich selbst unter denen, die gegen das neue Töten, die Drogenabgabe etc. die Stimme erheben, nur wenige, die das Fach hinterfragen. Die Details kommen auf den folgenden Seiten näher zur Sprache, ähnlich, wie es bei der Jahresversammlung Ende April in Mainz geschah. Unabweisbar gehören, so war die Meinung, die „sanften“ „westlichen“ Varianten des Psychiatrie -Miß brauchs zum Aufgabenbereich der Vereinigung. Wer könne sie kompetent und angemessen behandeln, wenn nicht sie, die, glänzend von der Geschichte bestätigt, als einzige im Land über zwanzig Jahre gegen die „alten“ „östlichen“ Miß brauchsformen angekämpft hat? Die großen heilkundlichen Leistungen, die die Psychiatrie vie len Kranken, Leidenden darbringt, stehen außer Frage, verdienen und finden selbstverständlich Anerkennung. Sie sind aber kein Grund, dicht daneben beginnende Fehlläufe, alte und neu heraufziehende Gefahren zu übersehen. in memoriam Dr. phil. Wanda von Baeyer-Katte 22.06.1911 - 20.09.1997 Frau Dr. Wanda von Baeyer-Katte gehörte seit 1991 unserem Vorstand an. Mit unserer Arbeit in Kontakt kam sie durch ihren Mann, unseren langjährigen Ehrenpräsidenten Professor Walter von Baeyer, wie durch eigenes wissenschaftliches und politisches Engagement. Den Wechselwirkungen zwischen Seelenleben und Politik galt immer ihr besonderes Interesse. Es schlug sich in vielen Publikationen, auch mehreren Büchern nieder. Frau Dr. von Baeyer-Katte war Gründerin der „Sektion Politische Psychologie“ im Berufsverband deutscher Psychologen. Über lange Jahre gehörte sie, Leiterin des Evangelischen Arbeitskreises der CDU, dem Heidelberger Stadtrat an. Sie war es, die sich 1991 in der schwierigen Phase unserer Loslösung von GIP für die Fortführung unserer Arbeit auf dem eingeschlagenen Kurs einsetzte, sie durchsetzte. Zu ihr trug sie in der Folge durch wiederholte Schriftbeiträge, nimmermüd dazu in unserem Vorstand durch Rat und Tat bei. Am 19.09. noch erschie n eine Stellungnahme von ihr zum Brandenburgischen Kommissionsbericht im Deutschen Ärzteblatt (K.4.1). Wir werden Frau Dr. von Baeyer-Katte stets ein ehrendes Andenken bewahren. Vorstand: Dr. med. Friedrich Weinberger, Starnberg; Prof. Dr. med. Klemens Dieckhöfer, Bonn; Dipl. Phys. Dr. phil. Dietrich Koch, Mülheim an der Ruhr; Christine Gattinger, München; Dr. med. Steffen Haas, Eltville; Dr. med. Sigrid Schuler, Rümmingen, Dr. med. Dietmar Eckstein, Auerbach/Vogtland Beirat: Dr. Anatolij Korjagin, Pereslawl-Salesskij; Prof. Dr. med. Ernst -Eberhard Weinhold, Nordholz; Dr. med. Juri Sawenko, Moskau Sekretariat: Maximilianstr. 6, 82319 Starnberg, Tel. (08151) 6369, Fax (08151) 78015, e-mail treupsy @ aol.com Konten: Postgiroamt München Nr. 326206-806 sowie Deutsche Apotheker- und Ärztebank München Nr.1655 191, BLZ 700 906 06 Inhalt Seite 1. Einleitung...................................................................................................................................................... 1 2. Summary (s. englische Texte)....................................................................................................................... 2 3. Aktuelle Mißbrauchsfälle............................................................................................................................... 4 4. v. Baeyer-Katte u.a., Ergänzungen zum Kapitel „Psychiatrie-Mißbrauch in der DDR“............................... 4 5. „Bereit, die Verantwortung für jeglichen Psychiatriemißbrauch zu übernehmen“..................................... 7 6. GIP und die Psychiatrie-Reform................................................................................................................... 8 7. Ein Amerikaner in Heidelberg ...................................................................................................................... 9 8. Schuler, Wohin und von welchen Kräften wird die deutsche Drogenpolitik gelenkt?................................... 11 9. Drogen, Sekten, „Seelenkunde“................................................................................................................... 13 10. Sawenko, Moskau, Die Anti-Sekten-Bewegung in der russischen Psychiatrie - eine politische Bewegung. 17 11. Herrschaft der (Pseudo-)Wissenschaft........................................................................................................ 20 12. Psychiatrie und die neue Euthanasie........................................................................................................... 21 13. Planned Change, die sanfte Mißbrauchsvariante?...................................................................................... 22 14. Gesellschaftsänderung - links oder rechts geplant?................................................................................... 25 15. Abhilfen (?) ................................................................................................................................................ 27 16. Aus unserer Stasi-Akte - Worte von V. Bukovsky........................................................................... 30 17. Jahresversammlung 1998, Grußwort, Diskussionen, Positionen................................................................. 31 18. Hoff-Sommers, Washington, Leben wir in einer moralischen Steinzeit?................................................ 33 Redaktionelle Vorbemerkungen: Unser Bestreben ist, allen unseren Lesern, Fachleuten und „Laien“, die anstehenden Pro bleme verständlich zu ma chen. Manche davon bedürfen unvermeidlich fachspezifischer, fachterminologischer Bearbeitung. Die Aufteilung in Groß- und Kleingedrucktes (die Fußnoten) mag das Lesen je nach zur Verfügung stehender Zeit erleichtern. Mit Kursivdruck werden nicht aus unserem Kreis stammende Äußerungen gekennzeichnet. Nur vereinzelt dient Kursivdruck auch zur Hervorhebung. Für Druckfehler, die seit zwanzig Jahren keinen unserer Rundbriefe noch verschont haben, wird vorsorglich um Nachsicht gebeten. Gegenüber dem ausgedruckten, Ende Mai 1998 ausgesandten Text enthält der vorliegende einige kleine Veränderungen, Ergänzungen, Druckfehlerberichtigungen. Wiederkehrende Abkürzungen: APA = American Psychiatric Association, DGPPN = Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, früher (ohne Psychotherapie) DGPN, die offizielle deutsche Psychiater-Fachgesellschaft, DÄ = Deutsches Ärzteblatt, GIP = Geneva Initiative on Psychiatry (als International Association on the Political Use of Psychiatry - IAPUP - von 1980 bis 91 gemeinsamer Dachverband), ICD = International Classification of Diseases, das DiagnoseSchema der WHO (das US-Pendant heißt DSM), IGfM = Internationale Gesellschaft für Menschenrechte; IPA = Independent Psychiatric Association / Unabhängige Psychiatrische Association Rußlands (unser Partner), MHR = Mental Health Reforms, das neue Publikationsorgan der GIP, RGP (engl: RSP) = Russische Gesellschaft für Psychiatrie (die alte, die russische „Staatspsychiatrie“ vertretend), WVP / WPA = Welt verband für Psychiatrie / World Psychiatric Association, WHO = Weltgesundheitsorganisation. Verständnishilfen: K. oder S. + Ziffer in Klammer = Querverweis auf nähere Erläuterung in bezeichnetem/r Kapitel oder Seite, Fn+Ziffer = Querverweis auf Fußnote, RB+Ziffer (K. oder S.) = Querverweis auf früheren Rundbrief (evt. mit Kapitel-/ Seitenhinweis). Frühere Rundbriefe sind bei der DVpMP teilweise noch vorrätig, ggf. bei ihr an zufordern. Alle Arbeit der DVpMP wird ehrenamtlich und nebenberuflich erbracht. Alle namentlich gezeichneten Texte geben im folgenden die persönlichen Auffassungen der Autoren wieder. Alle Fußnoten, Kästen und Hervorhebungen stellen redaktionelle Anfügungen dar. Für Beiträge, die aus fremden Medien entnommen sind, keine Gewähr. Presserechtlich verantwortlich ist Dr. F. Weinberger. 2 3. Aktuelle Mißbrauchsfälle Turkmenistan 1997 - Das Erbe des totalitären Imperiums (aus dem Organ der IGfM Menschenrechte, November/Dezember 97) „Derzeit existiert in Turkmenistan keine einzige registrierte oppositionelle Vereinigung... Trotzdem sind die Namen von elf Personen bekannt, die von internationalen Menschenrechtsorganisationen als politische Häftlinge anerkannt sind..., (u.a.) der Vorsitzende der Partei der demokratischen Entwicklung Turkmenistans, D. Chodzhamuchammedow, der im Februar 1996 verhaftet wurde und zur Zeit in einer psychiatrischen Anstalt festgehalten wird, sowie eine Gruppe, die wegen Demonstrationen gegen die Regierung im Juli 1995 verurteilt wurde. Turkmenistan ist das einzige Land in der GUS, in dem noch Zwangseinweisungen in die Psychiatrie aus politischen Gründen praktiziert werden. Außer D. Chodzhamuchammedow befinden sich noch in der Psychiatrie: sein Stellvertreter W. Kopysow und R. Arabowa. Diese hatten Wiedergutmachung für die Menschen gefordert, die Anfang der 80er Jahre aus politischen Gründen in die Psychiatrie eingewiesen worden waren. Seit dem 27. Juli 1996 beherrscht Präsident Saparmurad Nijasow alle Massenmedien in Turkmenistan; alle Berichte unterliegen der Zensur...“ 4. Weitere Schlußfolgerungen zu den Berichten der „Mißbrauchskommissionen“ Das ganze Kapitel ergänzt die Kapitel 3-10 in RB ‘97. Der zunächst folgende Text Dr. W. von Baeyer-Kattes (K.4.1) stand (leicht gekürzt) bereits als Leserbrief im Deutschen Ärzteblatt vom 19.09.1997 als Replik auf einen Artikel des Brandenburgischen Kommissionsvorsitzenden Dr. Lerch (auszugsweise wiedergegeben in RB’97, K.3). 4.1 Wanda von Baeyer Katte (†) Offenkundiger Widerspruch Vor mir liegt der „Bericht der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit der Psychiatrie im Lande Brandenburg für die Zeit des Bestehens der DDR“. (Er behandelt den) Vorwurf, daß die Stasi „sich einzelner Mitarbeiter der Institutionen der Psychiatrie zu bedienen wußte“. Diese Fragestellung ist richtig formuliert, der Proble mlage angemessen. Es werden Mensche nrechtsverle tzungen als Kriterien genannt, was sicher ebenso richtig ist. Aber dann kommen bei der Ausführung des gestellten Auftrags gleic h einige Merkwürdigkeiten. War etwa der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht, den die Kommission in vielen Fällen feststellte, waren die „systemkonformen“ Gutachtertätigkeiten, welche die Kommission sehr kritisch anmerkte: waren diese beiden zentralen Tatbestände - um nur sie einmal anzusprechen lediglich Einzelfallverletzungen der Menschenrechte? Oder waren sie in die Rechtspraxis der DDR systematisch eingebaut? Hierin kam eben, meine ich, der „s ystematische Einfluß der DDR-Staatsmacht“ zum Ausdruck. Gutachten, die das Recht auf freie, fundamentalkritische Meinungsäuß erungen vertreten hätten, sind der Kommission offenbar nicht bekannt geworden. Trotzdem sagt sie, es hätte „keinen systematischen Mißbrauch der Psychia trie“ gegeben. Liest man aber ihre Befunde genauer, dann enthüllen sie, scheint mir, das Gegenteil. Eine Erklärung für diesen offenkundigen Widerspruch: Der Kommission, ständig konfrontiert mit der DDR-systemspezifischen Praxis, ist der Maßstab der Menschenrechte und des deutschen Rechtsstaates allmählich entglitten. Im Orientierungssystem der DDR war natürlich alles legitim, was in der Zusammenarbeit von MfS und Klinikpersonal geschah. Die Frage ob außer Ärzten auch deren Mitarbeiter von der Stasi benutzt wurden, um „flächendeckend“ zu erfahren, wer wer ist (was er oder sie politisch denkt und sagt ), diese systemspezifische Frage ist überhaupt nicht gestellt worden. Schlußfolgerung: Das Arbeitsgebiet der Kommission ist noch nicht ausreichend erhellt. Es gibt im Kommissionsbericht selbst zahlreiche Hinweise, daß man dies dort auch so sah... Die Gutacherkommission und Dr. Lerch kommen zu dem paradoxen Ergebnis, es habe keine „systematische“ Verletzung der Menschenrechte in der Psyc hiatrie gegeben. Tatsächlich erhärtet der Bericht, daß es systemspezifisch systematische, das heißt überall und jederzeit mögliche Mißbrauchsformen - zum Beispiel die Verletzung der Schweigepflicht und Gutachtertätigkeit mit vorgegebenen politischen Werturteilen - tatsächlich gegeben hat. 3 4.2 (FW) In den Rundbriefen ‘96 und ‘97 legten wir an fünf Einzelfällen dar, daß der systematische Mißbrauch der Psychiatrie (im Brandenburgischen Kommissionsbericht „d e r Mißbrauch...“ gehe ißen RB’97, S. 4) auch in der DDR vorkam, schilderten, wie er aussah. „Systematisch“ ist Psychiatrie -Mißbrauch, wenn Instrumente der „Seelenkunde“1 , vom Inte resse eines politischen Systems geleitet, im Verbund seiner gesellschaftlichen Institutionen, diagnostischtherapeutisch nicht stringent begründet zum Einsatz kommen, dem Betroffenen zum Schaden.2 Solcher Mißbrauch erweist sich im Einzelfall, wird aber um so leichter faßbar, je zahlreicher er in ähnlicher Form auftritt. Vier der fünf genannten Fälle kennen wir detailliert. Von neun (uns nicht bekannten) Mißbrauchsfällen sprach der sächsische Sozialminister Dr. Geisler, ohne nähere Angaben zu machen. Zwei Fälle legte Frau Dr. Süß dar3 . Insgesamt kann jetzt also von etwa 15 gesicherten Mißbrauchsfällen in der DDR ausgegangen werden. gen und nicht des verdrückten Agierens bedurft, wie in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen an den Tag gelegt. 4.3 Wie schwierig und daher mitunter auch fehlerbelastet die fachliche Beurteilung eines Menschen ist, zeigen ge richtspsychiatrische Expertisen, die bald dann vom weiteren realen Leben widerlegt werden. So haben am Herunterspielen der totalitären Unrechtspraxis Interessierte oft auch versucht, politische Mißbräuche der Psychiatrie in allfälligen diagnostischen Schwierigkeiten und damit Irrtums möglichkeiten aufgehen zu lassen. Sie argumentie rten auch, es gäbe Mißbräuche in jeder Gesellschaft. Daß Psychiatrie in jedem System politische Verwendung findet, eine politisch stabilisierende Rolle spielt (in dem sie etwa psychisch kranke Straftäter verwahrt, kranke, mitunter auch nur „schwierige“ Menschen aus Ämtern relegiert etc. K.7.4), ist nie bestritten worden, traf aber, so umstritten auch diese Einsätze sind, doch nie das Problem des Psychiatriemißbrauchs. Die Nonchalance, mit der im Fach selbst wie auch seiner politischen Administration und in der politischen Öffentlichkeit Mißbräuche behandelt werden, ist weiter beunruhigend. Die verhehlende, allenfalls selektive Behandlung dieser Frage steht nicht nur in eklatantem Gegensatz zu sonst im Wissenschaftsbetrieb Üblichen, sondern auch in eklatantem Widerspruch zu den Grundfesten des Rechtsstaates, der auf Offenheit beruht. 4.5 Im 3. Tätigkeitsbericht des „Bundesbeauftragten“ Gauck von 1997 findet sich auf Seite 76 der Absatz: „Politisch mißbraucht? Psychiatrie und Staatssicherheit - Die auf langwierigen Recherchen fußende Studie zeigt, daß es in der DDR - anders als zunächst gemutmaßt wurde - eine systematische Psychiatrisierung politischer Dissidenten wie in der Sowjetunion nicht gegeben hat. Der politische Mißbrauch der Psychiatrie vollzog sich hier ‘lediglich’ auf der Ebene von Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht und in Einzelfällen bei der Behandlung von Untersuchungshäftlingen, die als Patienten in Haftkrankenhäusern eingewiesen waren. Ein besonderes Kapitel der Publikation ist dem MfS-gesteuerten Verhalten der Vertreter der DDRPsychiatrie in ihrem Weltberufsverband gewidmet, die in musterschülerhafter Weise bemüht waren, die inte rnationale Kritik an den Menschenrechtsverletzungen ihrer sowjetischen Kollegen abzuwehren.“ Gewiß waren Mißbräuche des Fachs in der DDR im Vergleich zu denen der Sowjetunion weniger exzessiv. Für die Betroffenen waren sie in jedem Fall schlimm genug. Sie dauerten in der DDR zum Teil Jahre, aber nicht viele Jahre lang wie in der SU. Sie stellten teilweise „mildere“ Alternativen zu Strafmaßnahmen dar, die sonst drohten, hatten teilweise also auch „helfenden“ Charakter4 . Dies war freilich öfters auch bei den Mißbräuchen in der Sowjetunion der Fall. Selbst ein „helfender“ Aspekt hellt den Psychiatrie -Mißbrauch aber nicht auf. Immer ist mit ihm eine Verletzung der sozialen Geltung der Betroffenen, ihrer Mensche nwürde verbunden. Dies das besondere Übel, das an der „Strafpsychia trie“ haftet und den besonderen Widerstand gegen sie begründet. Nachdem geschehen konnte, was - in dem bis jetzt bekannt gewordenen begrenzten Umfang - in der DDR an Psychiatrie -Miß bräuchen geschah, hätte es zur Klärung fairer, offener Untersuchun1 Der Begriff, wörtlich die Übersetzung von Psychologie, wird selten, aber doch von vielen immer wieder benützt. An sich ist er abwegig. Gaukelt er doch eine „wissenschaftliche“ Durchdringung der Seele und damit eine Bemächtigungsmö glichkeit vor, die es gar nicht gibt. Wir gebrauchen den Begriff, weil er auch die Ge samtheit der „Psycho-Wissenschaften“ umreißt. Ähnlich der Gout von „Seelen-Heilkunde.“ 2 Auf diese Definition einigte sich aus gegebenem Anlaß neu unsere Jahresversammlung 1998. 3 Dr. S. Süß (RB ‘97, Fn2) schildert in Eingesperrt und nie mehr frei, Steinkopf, Darmstadt 1996, den Fall des Siegmar F., hier aber auch den Fall des Gerd H., bei dem der (Stasi-) Psychiater offensichtlich keinen „hel fenden“ Zweck mehr verfolgte. 4 Anzuerkennen ist auch (etwa im Fall Dr. Ecksteins), daß Ärzte einer „zweiten“ Instanz seine mißbräuchliche Internierung wieder aufgehoben haben. Vorgehensweisen wie in der UdSSR konnten sich die Machthaber und die Psychiater in der DDR aufgrund der Nähe zum Westen auch schwerer nur erlauben. Die „auf langwierigen Recherchen fußende Studie“ wird, so teilte die Gauck-Behörde inzw ischen mit, im Oktober im Buchhandel erscheinen. Daß die gesicherten (fünf bis fünfzehn) Fälle auch in der jetzigen Kurzmitteilung einfach übergangen werden, verblüfft ebenso5 wie es bei den Kommissionsberichten der Fall 5 Gauck rügt sonst gern die verbreitete Stasi-Mitarbeit im Westen (Gauck: 20.000 IM im Westen, Welt vom 26.03.98). Daß die westdeutschen Psychiater ihre sowjetischen, ob ihrer „Reform“-Avancen bewunderten Sowjet-Kollegen über lange Jahre kaum we niger musterschülerhaft verteidigten und der 4 war. Warten wir ab, wie sie nun besagte Studie einordnen wird. unsere Rundbriefe von den Behörden zwar totgeschwiegen, aber doch sehr aufmerksam gelesen we rden und zwar durchaus an den richtigen Stellen. 4.6 Dr. Koch (Vorinformation in RB’97) nahm Ende November 1997 an einer Tagung in Dresden teil, die der Frage nachging, ob und inwieweit die Justiz bei der Aufarbeitung von DDR-Unrecht versagt hat6 . Er selbst sprach den Psychia triemißbrauch in der Versammlung an und bekam dafür von den Teilnehmern, teils ehemals Verfolgten, auch Beifall. An das Psychia trie-Thema rührte aber, so berichtete Koch, sonst niemand. Möglich sei, daß sich niemand mehr zu outen getraue, nachdem es den Kommissionsberichten zufolge einen systematischen Psychiatriemißbrauch in der DDR „nicht gab.“ Gerät jetzt jeder doch, der sich als Miß brauchsopfer zu erkennen gibt, leicht in den Verdacht, „zurecht“, d.h. als Geisteskranker interniert gewesen zu sein. 4.8 Die Öffnung der Mauer am 09.11.89 führte“, schrieb kürzlich Prof. Dr. med. W. Brandstädter7 , Magdeburg, derzeitiger Vizepräsident der Bundesärztekammer, „zur unmittelbaren Kontaktaufnahme der (ostdeutschen) Ärzte mit westdeutschen Kollegen und Ärztekammern. Interessant war dabei die Beobachtung, daß Vergangenheitsbewä ltigung, wie wir sie betreiben wollten, in der Euphorie der Wiedervereinigung bei unseren westdeutschen Kollegen bisweilen kaum eine Rolle zu spielen schien. Jeder wurde freundlich aufgenommen und beraten. Fast hätte jeder wieder alles machen können, wenn nicht die Wissenden und Betroffenen deutlich reagiert hätten...“ Wie die Aufarbeitung des Psychiatriemißbrauchs von westlichen Klinikchefs konterkariert wurde, das gab Dr. Haas in seinem Bericht über die erste gesamtdeutsche „Bundesdirektorenkonferenz“8 in RB1/95, S.3 wieder. Selbst das links-alternative Organ „Dr. med. Mabuse“ überkam darüber damals das Grausen (RB 2/91, S.42). Inzwischen haben sich Ost und West auch hier gut angepaßt. Über obengenannte „Nachuntersuchungen“ wurde noch kein ostdeutschärztliches Wörtchen der Verwunderung la ut. Wir aber, Wissende und Betroffene, werden wohl weiter gut daran tun, deutlich zu reagieren. (K.17.2) 4.7 Dr. Eckstein (RB ‘97) bekam von dem ihn einweisenden Kreisarzt zweimal (1986 und 1989) zu hören, wer sich wie er mit dem mächtigen Staat anlege, der könne nicht normal sein. Für eine Strafverfolgung derer, die ihn seinerzeit internie rten, sieht die jetzige Justiz aber „keinen genügenden Anlaß“ , wie Eckstein bei der Jahresversammlung ausführte. Gerichtlich ist er zwar vollständig rehabilitiert, ist das Nicht-Vorliegen einer psychischen Erkrankung bei der seinerzeitigen Zwangseinweisung amtlich festgestellt worden. Die nunmehr agierende Staatsanwaltschaft Dresden setzt sich gleichwohl über die Feststellung hinweg, unterstellt unverdrossen zugunsten des Einweisers wieder das Vorliegen von Krankheit. Einer der Stasi-Ärzte, die die seinerzeitige Einweisung arrangierten, ist heute wieder beim Amtsgericht / Vormundschaftsgericht Auerbach als Gutachter tätig. Das sächsische Justizministerium, bei dem er das monierte, antwortete, über die Einste llung von Gutachtern hätten die Gerichte selbst zu befinden. Beim Verband der Opfer des Stalinismus (VOS) wurde sein Antrag auf Mitglie dschaft abgelehnt, weil er in der Psychiatrie und nicht im Gefängnis war - was zeigt, daß, wie und wo überall Mißbrauchsopfer im Vergleich zu anderen politisch Verfolgten auch nach der Verfolgung weiterhin schlechter gestellt sind. Nach Zugang des Rundbriefes ‘97 im letzten September habe das sächsische Sozialministe rium prompt angefragt, ob er, Eckstein, noch an der Zusendung des (vor her als „vergrif fen“ gemeldeten) Kommissionsberichtes interessiert sei. Dieser sei zwei Tage später auch bei ihm eingetroffen - „auf einmal nicht mehr vergriffen“ -, woran wir wieder einmal merken, daß 7 in: „1947-1997 - Bundesärztekammer im Wandel - Welten trennen uns vom real existierenden Sozialismus“, DÄ 45/97 8 Konferenz der ärztlichen Direktoren psychiatrischer Krankenhäuser in Deutschland. „internationale Widerstand“ gegen die „Menschenrechtsverletzungen“ fachlich in Deutschland allein auf unseren Schultern lag, auch darüber geht der Bundesbeauftragte hinweg. Haben wir uns auch hier auf behördliche Geschichtsklitterei einzustellen? 6 Limitiert ist sie bekanntlich von vornherein durch den Einigungsvertrag. 5 5. „Bereit, die Verantwortung für jegliche Art von Psychiatriemißbrauch zu übernehmen“ Mental Health Reforms (MHR), das neue Organ von GIP, brachte in seinem Heft 4/97 eine Stellungnahme von Dr. Dainius Puras, einem früheren Vorsitzenden der Litauischen Gesellschaft für Psychiatrie (LPA). postsowjetische Psychiatrie“. Wirklich bemerkens werte Offenheit zeigt Puras da und führt sein Verhalten auf seinen „ersten Besuch auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs“ 1990 zurück, bei dem ihn der damalige DGPN-Präsident Dr. MeyerLindenberg9 solches Vorgehen ans Herz gelegt hatte. Nach der Rückkehr aus Deutschland habe er den Entwurf eines Positionspapiers zum Psychiatriemißbrauch dem LPA-Vorstand vorgelegt. Zwei Botschaften enthielt dieser. „1990 zum Präsident der LPA gewählt, unterbreitete ich“, so schreibt Dr. Puras, „meinem Vorstand Vorschläge, was nunmehr die Positionen der Gesellschaft in den vorrangig anstehenden Angelegenheiten sein sollten.“ Als einen der dringendsten Punkte habe er eine Debatte des politischen Psychiatriemißbrauchs gefordert. „Die ersten Reaktionen waren solche des Leugnens. Ich konnte meine älteren, erfahrenen Kollegen sagen hören, daß das Problem überhaupt nicht existierte. Der Widerstand gegen eine offene Debatte der Angelegenheit war sehr stark...“ - mehr oder weniger so, wie es auch in Deutschland der Fall war und ist. „Die erste und wichtigste Botschaft besagte, die LPA erkenne an, daß psychiatrische Dienste als Instrument eines repressiven politischen Regimes genützt worden sind. Die zweite Botschaft war, daß die LPA bereit sei, die Verantwortung für jede Art von Psychiatriemißbrauch in Litauen (vergangen oder zukünftig) zu übernehmen, und daß zur Vorbeugung dieses Phänomens, anstatt einzelne Psychiater bloßzustellen und zu verfolgen, eine komplexe Analyse erfolgen müsse“. Und ebenso kühn weiter: „Wenn wir uns auf Sanktionen gegen einige Sündenböcke konzentrieren, wird das nichts mit Vorbeugung vor Psychiatriemißbrauch zu tun haben“. Hat es eine Aufarbeitung aber je gegeben, ohne daß Täter und das Maß ihrer Untaten zumindest einmal festgestellt worden wären? Fällt mit den letzten Wendungen nicht die ganze vorher aufgelegte „O ffenheit“ in sich zusammen, enthüllt sich als vollmundiges Manöver neuer Verschleierung - wie wir sie vordem auch bei Puras’ Lehrmeister MeyerLindenberg reichlich kennengelernt haben? Trost für die Bürger Litauens: Für alle Mißbräuche des Fachs, gestrige, heutige und zukünftige, übernimmt die psychiatrische Fachgesellschaft ihres Landes von vornherein die Verantwortung! Eine Kommission wurde gebildet. „...Nach gründlicher Analyse von sechs Fällen,“ so Puras weiter, „entschied die Kommission, daß in den meisten der vorgelegten Fälle von Personen, die mit den sowjetischen Autoritäten zusammengestoßen waren und die (dafür) als an psychischer Krankheit leidend befunden wurden, die Diagnose Schizophrenie falsch war... Mitglieder der LPA bekräftigten mehrheitlich die Feststellung, daß politischer Mißbrauch in der Tat in Litauen stattgefunden hat ...“ - eine Ehrlichkeit, auf die man z.B. bei einigen Sozialministern in den neuen Bundeslä ndern bis heute noch wartet. Auch jetzt, so Puras weiter, glaubten viele Kollegen, besonders solche in gehobenen Positionen, daß die meisten derer, die damals das kommunistische Regime angriffen, psychisch krank waren. Er führt den Fall von Romas Kalanta an, der sich 1972 aus Protest gegen die sowjetische Besatzung selbst verbrannte und der danach von einer Kommission renommierter Psychiater als schizophren erklärt worden war. 1989 revidierte eine andere Kommission diese Beurteilung. „Meine persönliche ‘Nachforschung’ förderte zu Tage, daß viele führende Psychiater (Akademiker, Supervisoren, KlinikChefs etc.) auch heute die Entscheidung der ersten Kommission stützen... Sie wissen, daß eine solche Meinung heute in Litauen nicht politisch korrekt ist, und so äußern sie Besagtes auch nicht vor Journalisten oder ihren Studenten“. 9 Meyer-Lindenberg wird von GIP gern herausgestellt. In der Tat hat er in der Zeit seiner DGPN-Präsidentschaft (1988-90) eloquent unsere Position vertreten (RB 2/89). Freilich kam die Positionseinnahme reichlich spät, 1988 nämlich, als die Sowjets selbst den Psychiatriemißbrauch halb schon einräumten. Über die vorausgegangenen zwei Jahrzehnte war ihm die Sache keinen Mucks wert gewesen, sahen wir uns von ihm oft genug im Regen stehengelassen. Seine o.g. Positionseinnahme blieb so für uns die eines Wendehalses, seine Hochhebung durch GIP eine Geschichtsfälschung. Es könnte hier „ein kollektiver Abwehrmechanismus verbunden mit einem Schuldgefühl“ im Spiel sein, wenn nicht eben fortdauernder „Einfluß der totalitären Ideologie auf die sowjetische und 6 6. GIP und die Psychiatrie-Reform 6.1 Im Juli 1997 erklärte GIP-Sprecher Drs. R. van Voren (alias: J. Bax) vor dem britischen Royal College of Psychiatrists 10 : „Vor einigen Monaten erhielt ich einen Brief von einem früheren Dissidenten, der in den 60er und 70er Jahren wesentlich beigetragen hat, die Aufmerksamkeit des Westens auf Angelegenheit des politischen Psychiatriemißbrauchs zu richten. Sein Brief war eine Antwort auf meine Aufforderung, die Arbeit der Geneva Initiative beim Aufbau eines humanen und ethischen Systems der psychischen Gesundheitsversorgung11 in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion zu unterstützen. Seine Antwort war typisch: ‘Ich bin nicht mehr an der Psychiatrie interessiert: Mehr und mehr sieht unsere verrückte Welt nach einem großen Irrenhaus aus, das von seinen Insassen übernommen worden ist. Laßt die Verrückten ihre Probleme doch selbst besorgen’. kam als 17jähriger Schüler zu mir, voll enthusiastischen Schwungs, dem „Evil Empire“ die Macht zu entreißen. Und er war anfangs auch ganz gut 12 . Mit der Zeit aber bemerkte ich unter der Fassade seines Enthusiasmus immer mehr Eigeninteresse. Eine Organisation in Holland, zu deren Aufbau ich ihm geholfen hatte, verwandelte er in ein privates Unternehmen. Er legte sich mit ähnlichen Organisationen in anderen Ländern an, die er als ‘Konkurrenten’ ansah. Er wandte sich gar hinter meinem Rücken an Sponsoren, die ich gefunden hatte, und versuchte, mir den Draht abzuschneiden. In diesem Stadium beendete ich alle meine Beziehungen zu ihm. Ich war ganz überrascht, als er mich kürzlich wegen seiner neuen ‘Initiative’ (GIP) anschrieb. Offensichtlich beurteilen diese Typen andere nach ihrem eigenen Maß...“ Der weitere Text wird noch deutlicher. 6.4 „In einer Nußschale zusammengefaßt“ aber ist in den ersten beiden Absätzen dieses Kapitels um einiges mehr. Sie zeigen ein weiteres Mal, welche Spiegelfechtereien mit der Psychiatrie-Reform getrieben werden (vgl. RB ‘97). Muß ein ehedem Verfolgter, der für seinen Widerstand gegen den Mißbrauch des Fachs bitter bezahlt hat, üble Nachrede seiner früheren „Verbündeten“ gewärtigen, wenn er ihnen bei späteren, reichlich umstrittenen Unternehmungen als Galionsfigur nicht dienen will? Schuldet, wer zwei Jahre lang, Opfer politischen Psychiatriemißbrauchs, zwangs interniert war, oder schulden nicht eher dieses Fach und seine Vertreter Aufmerksamkeit beiden Seiten, den Kranken und den Gesunden? Ist nicht eher ihnen ein Vorwurf zu machen, wenn sie diese Verpflichtung nur einseitig wahrne hmen? 13 6.2 Diese Antwort ist typisch, weil sie das Problem der psychischen Gesundheitsversorgung in Osteuropa und der früheren Sowjetunion in einer Nußschale zusammenfaßt. Die Botschaft ist die, daß Psychiatrie nur von Interesse ist, wenn psychisch gesunde Leute involviert sind, daß es aber ganz unwichtig ist, ob psychiatrische Patientin human und in ethischer Weise versorgt werden oder nicht. Es sind ja nur Verrückte!“ 6.3 Wir schrieben den hier unschwer erkennbaren, in England lebenden Vladimir Bukovsky an, fragten nach den Hintergründen und erhielten die Antwort: „...Die von Herrn Bax zitierten Worte sind gewiß meine, wurden aber von ihm willkürlich mißinterpretiert... Wenn Ihr Haus brennt, ist es kaum vorrangig, den Garten zu gießen. Warum sollte ich selbst kein Psychiater - eine Reform der Psychiatrie, wie notwendig sie auch sein mag, als Priorität ansehen, wenn wir z.B. an die 40000 obdachlose Kinder allein in den Straßen von St. Petersburg haben, eine Million ungefähr im ganzen Land? Wenn für die meisten arbeitenden Menschen in Rußland und die meisten Rentner über sechs Monate Löhne und Renten ausstehen? Wenn das Rechtssystem sich seit den Tagen meiner Inhaftierung nicht um ein Jota änderte. Wenn das ganze Land durch eine Bande von Verbrechern geführt wird, die nur in ihre eigenen Taschen wirtschaften? 12 Nicht von ungefähr arbeiteten auch wir einige Jahre mit Drs. Bax und seiner GIP, seiner, unserer früheren IAPUP, zusammen (RB 91-97). Aufs Podium gebeten wird der Mann jedoch weiter von noblen psychiatrischen Versammlungen. Ihren Human Rights Award verlieh ihm die mächtige APA.Als Reformator der Psychiatrie Zentral- und Osteuropas tritt er auf. 13 „Ein politisches Engagement der DGPN, so hieß es 1972 in ihrer ersten Stellungnahme zum Thema (RB 1/88), „ist nur insoweit möglich, als sie sich um die fachliche Beeinflussung der Gesundheits- und Sozialpolitik mit dem Ziel einer Verbesserung der Hilfe für psychisch Kranke und im Sinn der Förderung von Psychiatrie und Psychohygiene bemüht...“ Herr Bax ist eine rechte Enttäuschung. Er 10 entnommen aus MHR 4/97 die schönsten Prädikate hatten die „Reformer“ immer für sich. 11 7 7. Ein Amerikaner in Heidelberg 7.1 Anfang der 90er Jahre nahm Prof. Otto M. Marx M.D., ein amerikanischer Psychiater deutsch-jüdischer Herkunft, einige Zeit lang die Leitung des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg wahr. Kurz lernten wir ihn vor einigen Jahren anläßlich eines Treffens bei Frau Dr. von Baeyer-Katte kennen. In ihrem vereinsbezogenen Nachlaß stießen wir auf einige Schrif ten von ihm, die zu verschiedenen Aspekten deutscher Psychiatrie Stellung nehmen, alle samt unsere Arbeit berühren und deshalb besprochen werden. Auf Amerikaner hört man hierzulande ja am ehesten. (charakterliche) Integrität ein essentieller Bestandteil von Größe ist, sollte die Reaktion eines Psychiaters auf solches Verlangen unsere Beurteilung seiner Statur doch mit bestimmen.“ - Wie viele Nervenärzte, die bei der Entwertung der Kranken mitgemacht haben, wurden und werden bis heute „groß“ gefeiert - in Kliniken, im Deutschen Ärzteblatt, im Kolle schen Buch, im Nervenarzt, dem „Organ“ der deutschen Psychiater, der Neurologen? Marx führt Beispiele an. Böse Gestalten befanden sich noch vor kurzem in Amt und Wür den (E. Klee, Was sie taten - Was sie wurden, Fischer-Taschenbuch 4364, mit Vorbehalt auch Röder und Kubillus, Die Männer hinter Hitler, Pi-Verlag, 1994). 7.2 In Psychoanalyse im Widerspruch 5/91 beschrieb Marx seine Eindrücke von einer internen Arbeitstagung des Instituts für Psychotherapie und Psychoanalyse Heidelberg-Mannheim, zu der er 1990 eingeladen worden war. Hier wurden aktuelle Menschenrechtsverletzungen angesprochen, vor allem aber die immer noch ungenügende Aufarbeitung des Holocausts. Marx monierte da aufgekommene falsche Zungenschläge etwa, daß „von den Verbrechen des Nationalsozialismus“ anstatt „Verbrechen der Deutschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus“ - trifft das wirklich besser?14 - gesprochen worden war. An einem anderen Vortrag von H.J. Maaz (s. RB 1/95) monierte er „die Anwendung der Psychoanalyse auf alles, was die Menschen betrifft“. Am Ende des 20. Jahrhunderts sei das überholt. „Faszinierende Anachronismen“ machte er in der Gesprächsrunde aus, die 1990 (wie manch andere auch) „immer noch das Heil von den Utopien des 19. Jahrhunderts (sprich Marx und/ oder Freud) erhofft.“ 7.4 Manchen tat Marx aber mit seiner Auflistung doch Unrecht, Bernhard von Gudden etwa, dem seinerzeitigen Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik München, der 1886 den Bayernkönig Ludwig II. für psychisch inkompetent erklä rte und mit ihm zusammen dann im Starnberger See ums Leben kam. „Ist das nicht ein perfektes Beispiel für den Gebrauch und Mißbrauch der Psychiatrie zu politischen Zwecken,“ fragt Marx - zu unrecht, weil rechtmäßiger Gebrauch wie in besagtem Fall selbst unter außergewöhnlichen Umständen als angemessen, u.U. als unerläßlich ausweisbar ist, Mißbrauch dagegen, ebenso ausweisbar, ethisch eben nicht zu rechtfertigen ist. Wie leicht tun sich manche Psychiater immer wieder, Ge- und Mißbrauch, die doch die Sprache schon trennt, für eines zu setzen. 7.5 Weitere Marxsche Ausführungen aber sind einer Rezension wert im Hinblick auf die PsychiatrieReform, die ein aufregendes Thema bis heute ist (K.6.4) Ein Vortragstext unter dem Titel: „Welche Reform der psychiatrischen Institutionen im 19. Jahrhundert in Deutschland?“ beginnt mit Emil Kraepelin, der als Professor für Psychiatrie in Heidelberg 1899 vor der „Versammlung südwestdeutscher Psychiater“ über „Die psychiatrischen Aufgaben des Staates“ sprach. Seit Gründung der ersten „wirklichen Irrenheilanstalt“ neunzig Jahre vordem seien im Land zweihundertsechzig ähnliche Einric htungen entstanden. Die Irren seien schließlich eine Gefahr auch für die Nation. Besser als Behandlung zwar sei Prävention (ein häufig gehörter Ruf auch heutzutage, obwohl es hier Prävention vie lfach gar nicht gibt), aber mehr Behandlungsplätze in Hospitälern seien in jedem Fall weiter zu fordern. 7.3 In einem anderen Beitrag („Great psychiatrists and their biographies“, Current Opinion in Psychiatry, 1990, 3: 653-656) beleuchtete Prof. Marx, ausgehend von Kurt Kolles „Große Nervenärzte“ (Thieme 1956) die medizinische Historiographie in unserem Land, die „Leitfiguren zum Nacheifern“ porträtiere - wie lie benswert etwa im genannten Buch von Henri Ey die Gestalt des Jean E. D. Esquirol gezeichnet -, des öfteren aber idealisierend Mängel unterschlage, die doch an „großen Nervenärzten“ auch vorkommen. Sie, die allzu bereit seien, Widersprüche, Irrationalismen bei ihren Patienten festzustellen, seien „mehr als höflich, wenn die Re ihe an ihren Kollegen ist“. Nur „ab und an wird der Schimmer einer ehrlicheren Berichterstattung sichtbar“. Wenn er sich hier, so Marx, der deutschen Psychiatrie besonders annehme, dann „aus zwei Gründen: 1. Deutsche haben wie eh und je starke Bindungen an ihre Lehrer und beruflichen Anführer; 2. Die jüngere deutsche Geschichte stellte die deutschen Psychiater in puncto Integrität vor die schwerste Prüfung, als sie nämlich aufgefordert waren, diejenigen ihrer Patienten zu töten oder zu deportieren, die sie als ‘lebensunwert’ ansahen. Wenn Vielfach, so Marx, werde davon ausgegangen, daß sich das Interesse der deutschen Psychiater nach Griesinger, dem naturwissenschaftlichen Impetus des Jahrhunderts folgend, vom Kranken weg15 mehr der Krankheit zuwandte und Reform der Krankenversorgung 15 Wilhelm Griesinger (1817-1868, Ordinarius zuletzt in Berlin), hat sich, naturwissenschaftlich orientiert, nachhaltig für eine menschenwürdige („non-restraint“) Behandlung der Kranken eingesetzt, von seinen Fachkollegen weitgehend isoliert und abgelehnt. 14 Neuere Geschichtsschreibung bekräftigt die Position - vgl. Prof. U. Herbert, Der Judenmord war das Kernereignis des Jahrhunderts, Die Welt vom 16.03.98. 8 deshalb für sie kein Thema mehr war. Das Studium einschlägiger Literatur16 zeige jedoch, daß sich die Kollegen durchaus für Reformen interessierten. Die Frage sei nur, für welche Art von Reform, eine Frage, die sich bis heute immer wieder stellt (K.6). Ende des 19. Jahrhunderts war erneut die Forderung aufgekommen, die Leitung psychiatrischer Anstalten nicht grundsätzlich Ärzten vorzubehalten, sondern sie u.U. auch in der Krankenpflege erfahrenen Orden zu überlassen. Dagegen wandte sich 1895 der Reform-Eifer der Psychia ter, die daran erinnerten, daß Kleriker psychische Krankheit von Sünde ableiteten etc. Manche Psychiater setzten sich auch für besser geschultes, besser bezahltes Pflegepersonal ein. Den „Wärtern“ sollte u.U. gar das Heiraten ermöglicht werden - die Erlaubnis des Anstaltsdirektors vorausgesetzt. Für so weitgehende Reformen sahen andere aber keinen Bedarf. Ihre Hauptsorge war, daß ein erheblicher, ja der größte Teil der Kranken bei ihren Familien etc., je denfalls außerhalb ihrer Kontrolle lebte. Und sie sannen darüber nach, wie sie (in Zeiten, in denen es medizinisch wirksame Behandlungen kaum gab) den „psychiatrischen Gedanken“ weiter in der Bevölkerung und unter den übrigen Ärzten verbreiten könnten. Ausmaß und der Gräßlichkeit jener Verbrechen nicht verstehen? 7.8 Im Vorwort zu einer Schrift der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in SachsenAnhalt, die „den unschuldig im Zuchthaus ‘Roter Ochse’ in Halle/Saale ihrer Freiheit beraubten, gequälten, gefolterten, erniedrigten oder zu Tode gebrachten“ Menschen gewidmet ist, wird moniert „die Neigung vieler Vertreter der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur, die Untaten des zweiten totalitären Staates in einem Teil Deutschlands nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, als würde durch deren Anerkennung ... die Anerkennung der Opfer des vorausgegangenen verbrecherisch totalitären Staates in Deutschland geschmälert.“ Bei vielen tritt diese Haltung hervor, auch beim o.g. E. Klee. Dankbar können wir nur unseren jüdischen Kollegen in Rußland sein, Dr. Sawenko, Dr. Vinogradova und anderen, daß sie standhaft mit uns gerade im Wissen um die Schrecken des Nazi-Systems den Psychiatriemißbräuchen Widerstand leisten, den kürzlich stattgehabten wie den erneut sich abzeichnenden. 7.6 In der Diskussion von Kraepelins anfangs genanntem Vortrag tauchte - immer nach O. Marx - die Forderung nach der vollständigen „Verstaatlichung der Irrenfürsorge“ auf, die mit der Psychiatrie-Reform (dem Enquete-Bericht der Bundesregierung von 1975) auch in unserer Zeit nachhaltig wieder laut wurde und die ewig „ideologische (ideologisch überfrachtete) Natur des psychiatrischen Unternehmens“ aufzeigt 17 . Die Reformbemühungen der Psychiater zielten damals, so Marx, in erster Linie auf eine Festigung und Erweiterung ihrer beruflichen Position als respektvolle „Diener des Staats, dessen Kostgänger in Anstalten wie Universitätskliniken sie waren... Ihre Reformvorstellungen gingen über das Konzept ihrer Regierungen nicht hinaus... Für die psychisch Kranken in den Institutionen waren sie irrelevant. Diese wurden während des Ersten Weltkrieges systematisch ausgehungert und zwanzig Jahre später von deutschen Psychiatern ermordet“18 . 7.7 Das Thema des Psychiatriemißbrauchs, des eben geschehenen, fast noch aktuellen, beeindruckte Prof. Marx bei o.g. Treffen wenig. Daß wir von der Diskussion des Themas nicht abließen - wir waren extra dazu ja nach Heidelberg gekommen (s.o.) - schien ihn fast zu ärgern. Wenn aber allein die Naziverbrechen seinen ethischen Nerv zu berühren vermochten, wie sollten wir’s bei seiner Vorgeschichte und bei dem 16 besonders der „Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie und gerichtliche Medizin“ 17 Penetrant kamen die Verstaatlichungstendenzen im Enquete-Bericht der Bundesregierung von 1975 „Zur Lage der Psychiatrie...“ zum Ausdruck. Nutzen für die Kranken ist den jetzigen Reformen teilweise aber nicht abzusprechen. 18 wobei einige Kleriker sie störten, voran der unsterbliche Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen. 9 8. Dr. med. S. Schuler Wohin und von welchen Kräften wird die deutsche Drogenpolitik gelenkt? Wird alles getan, um Schaden abzuwenden? Oder werden der Permissivität und dem politischen Mißbrauch der Psychiatrie Tür und Tor geöffnet? 8.1 1967/68 begann der Rauschdroge nmißbrauch, von den USA kommend, auf Europa überzugreifen. Nährboden waren gesellschaftliche Veränderungen und Ideologien der 68er Bewegung. Hierzu gehörte die Ablehnung der bürgerlichen Tugenden. Eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Lebensweise wurde verächtlich gemacht. Laisser- faire wurde gefordert und „high sein, frei sein“ zur Devise. Zur Durchsetzung einer „spirituellen“ Revolution wurden drogeninduzierte Ekstase und mystische Erfahrungen propagiert. Rauschdrogen schienen geeignet, das „falsche Bewußtsein der spätkapitalistischen Gesellschaft“ zu sprengen. Die Flower-Power-Bewegung wollte mittels chemischer Selbstmanipulation gegen den sich ausbreitenden Materialismus opponieren. Etwa ab 1992 begann der SPD-Politiker Neskovic in seiner Position als Richter für ein „Recht auf Rausch“ einzutreten; auch hielt er das Haschischverbot für verfassungswidrig. Diese Auffassung teilte das Bundesverfassungsgericht bei seinem Urteilsspruch 1994 nicht. Gleichwohl wurde die gesetzliche Schranke ge genüber Haschisch „aufgeweicht“. Die Drogenliberalisierungsdebatten, die im Zusammenhang mit dem „Haschischurteil“ in Gang gesetzt worden waren, erhielten neuen Auftrieb, als die schleswig-holsteinische Gesund heitsministerin Heide Moser (SPD) den Verkauf von Haschisch in Apotheken ermöglichen wollte, obwohl das Gericht die Gefährlichkeit der Droge bestätigt hatte. Drogenliberalisierungsdebatten sind das Gegenteil von Motivation zum Drogenverzicht. Für Sachkundige ist daher nicht verwunderlich, daß die Zahl der Neueinsteiger in den Drogenabusus in der Bundesrepublik Deutschland ständig steigt, verbunden mit den entsprechenden negativen Folgen für Individuum und Gesellschaft (s. hierzu Tab. 1 in: Schuler, S.: Drug Abuse in Youth. Neurology, Psychiatry and Brain Research 1997, 5/2:97-106). In den rauschgeförderten revolutionären Ideen ging allerdings die Verantwortung für die persönliche Gesunderhaltung unter wie auch die Fähigkeit zur Selbstentwicklung und aktiven Auseina ndersetzung mit den Alltagsanforderungen. Für unzählige Drogenabusanten endete - und endet auch heute noch - die chemische Selbstmanipulation in dauerhafter Hilfs- und Versorgungsbedürftigkeit. Rund 1-2 Prozent sterben alljährlich an einem zweifelhaften Freizeitvergnügen. 8.4 Die Schließung der offenen Drogenszene in Zürich-Letten, die auf Druck der Bürger am 14.02. 1994 erfolgte, wurde in der Schweiz zur Einführung von Heroinversuchen genutzt. Prof. A. Uchtenhagen (SP) zeichnete psychiatrisch verantwortlich. Wohlwollende Unterstützung gab die zuständige Bundesrätin Dreifuss (SP). Obwohl sich in einer dreijährigen Versuchszeit nur 7% der Teilnehmer für eine abstinenzorientierte Be handlung entschieden, wobei der Erfolg dieser Gruppe nicht bekannt ist, es in Verbindung mit der Drogenapplikation zu Notfällen kam und die jährliche Todesrate bei 1% angegeben wurde, bezeichneten die Durchführenden ihre Versuche als Erfolg. Diese Selbsteinschätzung beruht darauf, daß nur einige Sekundäreffekte des Drogenabusus betrachtet wurden, wie Spritzenabszesse und Beschaffungsdelinquenz. Die Ursache dieser Effekte, die Sucht, besteht jedoch bei der Mehrzahl fort mit allen Risiken und Gefahren bis hin zur sozialen Ansteckung. Das Selbstlob bestärkte jedoch zahlreiche Politiker in Deutschland, nun ebenfalls solche Versuche zu starten. Offenbar erwarten sie, daß hierdurch Ruhe und Ordnung in die durch Dea- 8.2 In der Bundesrepublik Deutschland wurde mit Hilfe von „Therapieketten“ lange Zeit der Ausstieg aus der selbstzerstörerischen Lebensweise erleichtert. Diese umfaßt Entgiftung, Entwöhnung und Rückfallprophylaxe. Bis Mitte der 80er Jahre konnte so ein deutlicher Rückgang der jährlichen Todesopfer erzielt werden. Die Motivation zum Drogenverzicht wurde durch eine Gesundheitspolitik und Gesetzgebung getragen, die eindeutig in Richtung Drogenfreiheit orientierten. 8.3 Trotz objektiver Fortschritte und zahlreicher Warnungen kompetenter Psychiater wurden 1987/ 88 in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen die methadon-gestützte Betreuung nach dem Zürcher Muster eingeführt. Was bislang in der Bundesrepublik Deutschland als ärztlicher Kunstfehler galt, wurde nun als neue Heilslehre angepriesen. Bewährtes therapeutisches Vorgehen wurde konkurrenziert. Gegenüber einer täglichen ärztlichen Drogenversorgung wurden Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen unattraktiv. 10 ler und Drogenkonsumenten geplagten Städte einkehren. Auch der Chor der Gesundheitsminister ruft nach Heroinabgabe und Fixerstuben („Die Welt“ 22.11.97). Ihr Amtseid, nach dem sie sich verpflichtet haben, Schaden vom deut schen Volk abzuwenden, bereitet ihnen ansche inend keine Skrupel. Daß Heroin und andere Opiate Hauptursache akuter Drogennot- und Todesfälle sind, ist allgemein bekannt. Drogenabgabe, Fixerstuben und Kontaktläden stabi- abusus aufgeboten hat, wie Schließung der offenen Drogenszene Tausnusanlagen mit ihrer fatalen Sogwirkung auf Drogeninteressenten, Neueinsteiger und Dealer, bezieht sie in ihre Überlegungen nicht ein. Wesentlich beteiligt am Rückgang der Todesopfer ist vermutlich auch die höhere Polizeipräsenz und die elektronische Überwachung sensibler Bereiche. Besonders erschreckend ist, daß sogar ein christlicher Verband, die Caritas, Fixerstuben durchsetzen will mit Kirchliche Schützenhilfe für Rot-Grün: dem Argument, man wolle dadurch Caritas spricht sich für Fixerstuben aus der Verelendung der DrogenkonDie Befürworter zur Einrichtung von Fixerstuben in München haben eine ebenso sumenten entgegenwirken und Toseriöse wie auch prominente Unterstützung bekommen. So hat jetzt der Deutsche desfälle verhindern. Das aber ist Caritasverband (DCV) mit Sitz in Freiburg Bundesgesundheitsminister Seehofer erreichbar durch eher gegenteilige (CSU) in einem Schreiben aufgefordert, er solle möglichst rasch die gesetzlichen Maßnahmen, durch Motivation und Voraussetzungen für sogenannte Fixerstuben schaffen... Hilfe zum Drogenverzicht, eine Aus „Informationen aus Kirche und Welt“, herausgegeben vom Aufgabe, die Be ratungsstellen und Initiativkreis katholischer Laien und Priester Therapieeinric htungen auch der Caritas ursprünglich übernommen lisieren bzw. fördern die Suchtkrankheit mit allen haben und für die sie finanzielle Mittel erhalten. negativen Folgen auch für Dritte. Die DauSollten die Verantwortlichen der Caritas vergessen erversorgung Süchtiger, anstelle wirksamer Hilfe haben, daß gerade das Heroin einen hohen Anteil an zum Drogenverzicht, belastet das Gesundheits- und der Frühsterblichkeit von Drogenabusanten hat und Sozialwesen mit unübersehbaren Folgekosten. der regelmäßige Mißbrauch der Droge besonders Nach vierjähriger Heroinabgabezeit und rasch zum psychischen und sozialen Abbau führt (s. großzügiger Methadonvergabe ist in der Schweiz hierzu „Gesetzesrahmen für Fixerstuben gefordert“, das Drogenproblem nicht entscheidend eingedämmt DÄ 1997, 94/23, S. C-1142)? worden. Daß die Zahl der Drogentoten wieder auf 8.6 Aus langjähriger suchtfachklinischer Erfa hdas Niveau von 1989 zurückgeführt werden konnte, rung wissen wir, daß Entgiftung und Entwöhnung geht eher auf die Schließung offener Drogenszenen jedem akut Heroinabhängigen zuge mutet werden zurück. Seit 01.08.98 läuft in Bern jetzt eine gezie lte kann. Nach 36 Stunden ist der Höhepunkt der körPolizeiaktion, wobei „mit allen zur Verfügung steperlichen Entzugsbeschwerden i.d.R. erreicht und es henden Mitteln“, wie die Medien meldeten, ge gen geht den Patienten stündlich besser. Je früher die Drogendealer vorgega ngen wird. Die Attraktivität adäquate Behandlung einsetzt, desto besser für die der Stadt soll für Händler und Drogenkonsumenten Zukunftsprognose der in eine Abhängigkeit Gerategesenkt werden. Die Aktion soll erst dann eingestellt nen. Die Initiative müssen allerdings die Gesunden werden, wenn deutliche Erfolge zu erkennen sind ergreifen (Eltern, Ärzte, Berater usw.), da den Süch(Neue Zürcher Zeitung vom 09.01.98, Schweizerzeit tigen, aufgrund ihrer drogeninduzierten Persönlichvom 23.01. 1998). keitsänderung, die notwendige Entschlossenheit und 8.5 Forderungen in Richtung Drogenpermis sider Durchhaltewillen fehlt. Ihre Defizite müssen vität beschränken sich neuerdings nicht auf Politiker „substituiert“ werden, bis Therapieerfolge eingetredes linken Spektrums. Auch Funktionäre und Funkten sind, nicht die Substanz, welche ihnen die innere tionärinnen der F.D.P finden das Abhängigsein von Freiheit und Gesundheit und das Leben raubt. Suchtstoffen unterstützungswürdig. Auch sie fo rdern 8.7 Ärztliche Aufgabe ist, die Öffentlichkeit über Haschischfreigabe, staatliche Heroinabgabe und die Gefahren der verschiedenen Rauschdrogen aufEröffnung von Fixerstuben. Selbst die Oberbürgerzuklären und den bereits Abhängigen den Weg in meisterin von Frankfurt/Main (CDU) billigt die Be idie Drogenfreiheit zu ebnen. An dieser Aufklähilfe zum intravenösen Drogenmißbrauch. Der rungsarbeit sollten sich auch die Medien beteiligen. Rückgang der Todesopfer in dieser Stadt, meint sie, Die politisch Verantwortlichen sollten sich nicht von beruhe auf der Tatsache, daß es in Frankfurt bereits Kreisen beeinflussen lassen, die persönliche InteresFixerstuben gibt. Das Gesamtmaßnahmenbündel, sen verfolgen. Mit ärztlicher Ethik ist Beihilfe zum welches die Stadt zur Eindämmung des Drogen11 Betäubungsmittelmißbrauch unvereinbar. Dem Zustand der Abhängigkeit Vorschub zu leisten, ist menschenunwürdig. Süchtige durch Verabreichung von Betäubungsmitteln soziabel zu machen, stellt politischen Mißbrauch der Psychiatrie dar. tiz, Politik u.s.w. orientieren, läßt sich der Rauschdrogenmißbrauch mit seinen negativen Folgen für Individuum und Gesellschaft durchaus eindämmen. Der Beweis ist das Vorgehen in Deutschland von 1979 (damals der erste Gipfel tödlicher Opfer) bis 1986, worauf mit stetiger Aufweichung der gesetzlichen Schranken die drogenpolitische Wende einsetzte. Ein weiteres positives Beispiel bietet die Drogenpolitik Schwedens (s. hierzu Tab. 1 in Schuler, S.: Drug Abuse in Youth, Neurology, Psychiatry and Brain Research 1997, 5/2: 97-106 und Abb. 1 in Schuler, S.: Drogenmißbrauch bei Jugendlichen, Kasten sowie Drogenpolitik, Schwedische Erfahrungen, Staatl. Institut für Volksgesundheit, 1994). Nach Art. 2, Abs. 2 des Grundgesetze s der Bundesrepublik Deutschland hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Mit einem in sich schlüssigen Präventionskonzept, an dem sich alle Beteiligten aus dem Gesundheitswesen, der JusZur Vertiefung in die Problematik: Dr. Sigrid Schuler Drogenmißbrauch bei Jugendlichen Frühdiagnose und Prävention in der ärztlichen Sprechstunde Deutscher Ärzte-Verlag 1997, 200 Seiten, DM 48.- 9. 9.1 In der Schweiz, laut Psycho 3/98 „europäischem Spitzenreiter im Suchtmittelkonsum“, ging Ende September ‘97 eine Volksabstimmung über das Konzept „Jugend ohne Drogen“ verloren. Nur 30 Prozent der Schweizer Wähler sprachen sich für die Gesetzesvorlage und gegen die Fortsetzung staatlicher Abgabe von Heroin und anderen Suchtmitteln an Süchtige aus. Für diese hatten die meisten politischen Parteien, die Presse, voran die liberale NZZ, sowie große Teile des Psychia triebetriebs agiert. Wie konnte die Abstimmung da anders ausgehen? Unter dem Motto „keine Kapitulation vor der Sucht“ (Die Welt, 04. 03.98) kapitulierte kürzlich auch die Bundesärztekammer. Auf den Rat eines Fachmanns aus der Schweiz (FAZ vom 12. 03.98) befürwortet auch sie jetzt plötzlich die staatliche Heroinabgabe, darüber hinaus allgemeine (jegliche?) „Originalsuchtstoffvergabe“ (DÄ 12/8). Drogen, Sekten, „Seelenkunde“ (Fn1) Bundesgesundheitsministerium. Wohl kommen Mißbrauch und Sucht in jeder Gesellschaft vor. Besonders ausgeprägte „Bestandteile“ der unsrigen aber ist die neue, die Drogensucht erst seit der „Kultur revolution“ der „68er“20 . Ausdrücklich forderten diese Rauschgift, um die überkommenen Werthaltungen zu zerschlagen21 . Darüber hinweggehend, dienen uns wie die Ministervertreterin seit langem jedoch unverdächtige Instanzen, viele Medien, Ärzte 22 und andere „Experten“ Drogen und nebenher auch die übrigen „Werte“ des Neo-Marxismus als integrale Bestandteile westlicher Gesellschaften an. Die Forderung, auf solche Werte einzulenken, ist ungeschminkt schon in der Union laut geworden23 . Daß 20 z.B. Stekel R., Bewußseinserweiternde Drogen, Voltaire, Berlin 1969 21 Dreist, aber verbreitet ist’s, dem Drogenproblem mit Helfermiene zu begegnen, ohne das politisch Gewollte an ihm und die Plätze der Willensäußerung auch nur zu erwähnen. 22 „Wann werden wir uns mit unserem Vorurteil gegenüber der staatlich regulierten Ausgabe von Heroin oder Polamidon (Methadon) konfrontieren? Fast alle nachteiligen Konsequenzen, die man gewöhnlich den Opiaten in die Schuhe schiebt, stammen in Wirklichkeit von den Rauschgiftgesetzen...“. Der Ausspruch einer amerikanischen „Drogenexpertin“ steht als Zitat unkommentiert in „Zur Therapie der Drogensucht“ von W. Zander und H.Waldmann, dem Leiter einer Münchner Drogenklinik des CSU-geführten Bezirks Oberbayern. Das Zitat wirbelte auf dem Gesundheitspolitischen Kongreß der Partei 1979 Staub auf und begründete damals schon Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drogenpolitik auch hochragender Unionspolitiker. Waldmann ist in der Folge anerkennenswerterweise mehrfach gegen Methadonprogramme und Codeinabgabe aufgetreten. 23 In „Die Wiederkehr der Geschichte“ schreibt Prof. G. Rohrmoser: „ Am Ende dieses langen Prozesses der Kapitulation konnte dann der Bundestagsabgeordnete der CDU, Friedbert Pflüger, auf die Frage nach der Zukunft der CDU sa gen, sie müßte sich die Kulturrevolution und ihre Ergebnisse zu eigen 9.2 Gestreift haben wir das Drogenthema schon öfters. Daß Frau Dr. Schuler, ehem. ärztliche Direktorin einer Fachklinik für junge Drogenabhängige in Parsberg, nunmehr Ge schäftsführende Leiterin des „Arbeitskreises Suchtpsychiatrie“,19 ihre Kompetenz in unseren Kreis mit einbringt, gibt uns die Möglichkeit, verstärkt auch diesen Themenkreis zu behandeln. Klar ist bei der hippokratischen Grundposition unserer Vereinigung, daß es sich um einen Mißbrauch der Psychiatrie handelt, wenn Psychiater, psychia trische Gesellschaften, psychia trische Institutionen auf politische Veranlassung hin, 68er Intentionen umsetzend, an der Rauschgiftverbreitung, Rauschgiftabgabe mitwir ken. 9.3 „Mißbrauch und Sucht sind Bestandteil jeder freiheitlichen Gesellschaft“, fand laut DÄ vom 21.11.97 kürzlich Frau Dr. Bergmann-Pohl, Staatssekretärin im 19 eines Kreises von wissenschaftlich mit der Thematik befaßter Psychiater unter renommierter Mitwirkung (Prof. Benos, Prof. G. Gross, Prof. G. Huber, Prof. W. Keup u.a.). 12 gar das wahre Element der Freiheitlichkeit in neo-marxistischen Vorgaben liegt, dies aktueller Auffassung des CSU-geführten Bundesgesundheitsministeriums entspricht, braucht somit niemanden zu überraschen. Die „Vorgeber“ haben eben auf ihrem Marsch durch die Institutionen offensichtlich auch die höheren Etagen christlich firmierender Gremien erreicht. Die vor-neomarxistische Phase ihrer Parteigeschichte sehen einige Unionsvertreter nunmehr anscheinend als „nicht-freiheitlich“ an. Konrad Adenauer gilt ihnen jetzt wohl als „christlicher Fundamentalist“. 24 9.6 Einer der wenigen im Land, der Karl Marx aus der Idealisierung holte 27 und die Elogen in Erinnerung rief, mit denen ihm über die Zeiten viele, auch konservative Geistesgrößen aufwarteten, ist der Bayreuther Politologe Prof. Konrad Löw, er verständlicherweise darob nicht bei allen beliebt. In seinem 1993 veröffentlichten Büchlein „Von ‘Hexen’ und Hexenjägern“ beleuchtet er die grundgesetzliche Garantie der Freiheit von Gla uben und Gewissen (§ 4 GG), ihre Gefährdungen sowie vie lfältig bereits unternommenen Einschränkungsversuche. Ausgangspunkt sind die Umstände, unter denen er selbst mit der kommunismuskritischen „Vereinigungskirche“ des Koreaners Sun Myung Moon28 in Berührung kam. Er schildert, welche Berührungsängste ihm, einem treuen Katholiken, darauf begegneten, welch üble Angriffe, Ehrabschneidungen ihn trafen (u.a. vom Deutschen Ärzteblatt, Fn 25). 9.4 Urheberin der genannten Schweizer Initiative war Christine Weiß, Mutter eines Kindes, das von einem Drogensüchtigen mit einer HIV-kontaminierten Spritze gestochen worden war. Unterstützt wurde sie von der Schweizer Volkspartei und mehreren Verein igungen, u.a. vom „Verein für psychologische Menschenkenntnis (VPM)“. Schneidendstes „Argument“ gegen die Initiative wurde dessen Abqualifikation als „(Psycho-)Sekte“. Hiermit machten auch die großen bürgerlichen Zeitungen unseres Landes die Initiative nieder, so die FAZ vom 23.09., die Süddeutsche Zeitung vom 27.09.1997. Das Deutsche Ärzteblatt war in der Verleumdung des Vereins vorausgegangen25 . 9.7 Sekten sind seit geraumer Zeit das „unendliche“, schaudererregende Thema mancher Politiker/innen wie auch der deutschen Medien. Einige Sekten haben dafür Grund gegeben. Außer ihnen wird Sektiererisches aber offensichtlich mit Vorliebe heute solchen Gruppen und Persönlichke iten angehängt, die es tatsächlich immer noch wagen, Rauschgift und andere Versatzstücke des obwaltenden (Neo-) Marxismus zurückzuweisen. 9.5 Gegen die vielfältigen, oft „therapeutisch“ auffrisierten Drogenverbreitungen kämpfen seit über zwanzig Jahren von ganz anderen, eher linken Positionen aus die Anhänger des Amerikaners LaRouche und ihrer „Anti-Drogen-Koalition“, auch sie vielfach mit dem Titel „Sektierer“ belegt. Teilweise vertreten sie Positionen, die tatsächlich schwer eingängig sind, manchmal freilich auch höchst „ein gängige“: Das Huxleysche Konzept der Schönen neuen Welt als Herzstück und Motor der „Werteänderung“26 ist, so weit zu sehen, bislang überhaupt nur von den LaRoucheanern öffentlich angeprangert worden. 9.8 Zur „Sekten-Abwehr“ hat das russische Parlament im Juni 1997 ein neues Religionsgesetz verabschiedet, das die Glaubensfreiheit zugunsten der Orthodoxie einschränkt. Im Westen gab es laute Proteste nicht nur vom Papst, der hier für seine Schäfchen erneute Drangsal heraufziehen sieht. Prompt und publikumswirksam verweigerte Jelzin die Unterzeichnung des Gesetzes. Inhaltlich fast unverändert verabschiedete es im September 97 die Staatsduma erneut29 . In der Zwischenzeit war ja im Westen das Interesse an dem Gesetz wieder eingeschla fen. Dafür legen sich hierzulande Teile der katholischen, der evangelischen Kirche erst recht, voran ihre „Sektenbeauftragten“, ins Zeug, manche wohl mehr von Marx und Freud als von Christus erfüllt, vor den „neuen Jugendreligionen“ und ihren üblen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zu warnen. Der russischen Gesetzesvorlage widersprach mit Nachdruck die IPA (RB ‘96 und ‘97 sowie K. 10). Die russische „Main stream“-(Staats-) Fachgesellschaft SRP, Erbin der berüchtigten „Allunionsgesellschaft“, bestätigte dagegen tolle Gesundheitsgefährdungen durch Sekten. Eifrig bot sie ihre Dienste zur Durchsetzung des Gesetzes auf. Die IPA sprach darauf von einer „neuen Form machen und sich an die Spitze dieses kulturrevolutionären Prozesses stellen.“ 24 „Wir waren“, so Eugen Gerstenmaier einst, „entschlossen, an den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates festzuhalten, richtiger: sie wieder auf den Leuchter zu stellen“ (aus Fikentscher, Heitmann, Isensee, Kriele, Lobkowicz und Scholz Wertewandel - Rechtswandel, Resch 1997). 25 „VPM - Die Gelehrten-Sekte, Abhängigk eit vom rechten Psycho-Kult“, DÄ vom 16.06.95. Andere bekamen bei der Gelegenheit gleich mit „Fett ab“, u.a. die IGfM, die, selbst oft von links angegriffen, den VPM hier mit angriff. 26 Auf das Huxleysche Konzept machte Anfang der 70er Jahre Ref. in einem beiläufigen Gespräch ein Kollege, Chef einer psychiatrischen Privatklinik, aufmerksam. Damals mit den heute behandelten Fragen gerade erst in Berührung gekommen, mußte er den Huxleyschen „Roman“ und das zugehörige, noch offenere, noch brutalere „30 Jahre danach“ erst nachlesen. Er fragte sich dann, warum nimmt der Kollege, nehmen die Vielen, die die Vorlagen kennen, die Ungeheuerlichkeiten, die da ausgebreitet sind und die, offensichtlich zusammenhängend, jetzt ganz real auf uns zuko mmen, stillschweigend hin? 27 z.B. „Der Mythos Marx und seine Macher“, Langen Müller, München, 1996. 28 Als Seltsamkeit erinnert man öfters abgehaltene Massenhochzeiten - Grund für derartige Anfein dungen? 29 Gegen „kirchliche Sektenführer“ und „religiöse Extremisten“ (Gorbatschow) richtete sich freilich schon zu Sowjetze iten genügend staatliche Repression. 13 des Psychiatrie -Mißbrauchs .“ Von einer kürzlich herausgekomme nen päpstlichen „Instruktion“ und solchen, denen sie (wie den Initiativkreisangehörigen) wichtig ist, hieß es in einem Starnberger Pfarrhaus, sie sei ein „Schreiben von Trotteln für Trottel“ (Starnberger Merkur vom 30.11.97). Ihren evangelikalen Pendants geht es nicht besser. Rund heraus werden sie von „moderneren“ Glaubens genossen bereits zu „nicht selten psychisch Kranken“ gestempelt (RB 1/96, S. 27) 33 . Mitunter werden die evangelische und katholische Kirche freilich auch in toto als „die beiden größten Sekten Deutschlands“ deklariert (Akut 2/98, Studentenblatt in Bonn). Tatsächlich laufen Belegungen mit den Titeln „Sekte“, „Fundamentalismus“ etc. ähnlich wie „Psychiatrisierungen“ auf eine Diffamierung Andersdenkender hinaus. Klare Einschüchterungsversuche sind es, darauf gerichtet, Unliebsame und deren The men von ernsthafter Diskussion auszuschließen. 9.9 Nach besagten Vorgaben sind Sekten jetzt auch hierzulande Thema psychiatrischer Kongresse30 . In deutschsprachigen Lehrbüchern füllen sie bereits ganze Kapitel. In Psychiatrie von V. Faust (Gustav Fischer, 1995) schreibt Prof. Müller-Küppers, Emeritus für Kinderpsychiatrie in Heidelberg: „..Unter Indoktrination versteht man die Ausrottung einer alten und das Einpflanzen einer neuen Gesinnung...“. Usus sei es bei den „sogenannten neuen Jugendreligionen“. Es resultierten „Phänomene“ der „Entrükkung“, „Trance“, der „Reise“, eine veränderte Erlebnisqualität, „Erlebnisgewißheit, Gefühle der Ergriffenheit“ etc. Von „Bewußtseinserweiterung“ und „Selbsterfahrung“ werde gesprochen, was Müller-Küppers treffend als „Täuschung“ charakterisiert, allerdings kein Wort darüber verliert, ob und inwie weit die in psychotherapeutischen Cur ricula abverlangten „Selbsterfahrungen“ anderes vermitteln. Die aufgezählten „Symptome“ sind teilweise als Drogenwirkungen bekannt. Tatsächlich kommt auch M.-K. schließlich auf sie zu sprechen, freilich ohne ein Wort dazu zu verlieren, wie locker Rauschgift von Anfang an oft von der etablierten Psychia trie genommen wurde.31 Hier aber: „So wie das Gift von außen kommt und es ohne Drogenhändler keine Drogensucht gibt, so ist es auch mit den Verkündern von Heilslehren und deren Anhängern. Aus psychiatrisch-gesellschaftskritischer Sicht muß beiden Fehlformen eine bedenkliche pathogene Wirkung zugesprochen werden.“ 9.11 Daß es sekten-kritische Instanzen gibt, ist gut und recht - nach den grausigen Ereignissen bei Aum Shinri Kyo, Heaven’s Gate, den Volkstemplern, Sonnentemplern, nach dem Beinahe-Massen-Suicid, zu dem es kürzlich im Kreis der promovierten Psychologin Fittkau-Garthe kam. Glaubens überzeugungen können den einzelnen wie ganze Völker aufrichten oder zugrunde richten. 34 Bei Kirchen und in der Presse ist (solange unterschiedliche Meinungen hier noch Ausdruck finden) besagte Kritik im Prinzip wohl auch am besten aufgehoben. Denn es ist klar, daß Stellungnahmen gegen weltanschauliche, (pseudo-) religiöse, pseudowissenschaftlich operierende Gruppen erstens selbst einen weltanschaulichen (ggf. auch neo-marxistischen) Standpunkt voraussetzen und zweitens besagte Plazierung im Fall notwendig werdender Auseinandersetzung vor Gericht am ehesten „gleiche Spießlänge“ gewährleistet, andernfalls der Verleumdung Tür und Tor geöffnet wären. 9.10 Mit „Sekten“ und ähnlichen Begriffen werden pauschal psychische Absonderlichkeiten assoziiert, Mangel an kritischer Denkfähigkeit, aber auch bestimmte Praktiken, Indoktrination eben oder gar „Hirnwäsche“. Auch solche aber werfen mit der Bezeic hnung um sich, die wie die papsttreuen Initiativkreise katholischer Laien und Priester innerhalb der Amtskirche selbst in eine rechte Minderheitsposition und damit in den „Ruf“ von „Sektie rern“, „Funda mentalisten“ etc. geraten sind. Solches widerfährt ihnen offensichtlich, weil sie u.a. Widerstand gegen Fixerstuben leisten32 (S.12, Kasten). 30 Beim Staat und in der Medizin, der Psychiatrie aber hat der Kampf gegen Sekten nichts verloren, bei letzterer zumindest nicht, solange sie wirkliche Psychopathologie nicht feststellen kann, sie, wie eben dargelegt (K.9.9), nur mit Dampfplaudereien pseudowissenschaftlich zu allgemeiner Stimmungsmache beizutragen vermag. Der Staat aber ist zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Mit jeder Aktivität gegen diese so beim kommenden DGPPN-Kongreß in Essen (K.12). 31 Aus einem Beitrag von Barth, Boettcher, Bschor, Coper, Hippius, Klaue, Mattheis und Oehmke in „Perspektiven der heutigen Psychiatrie“, Seite 180-182, herausgegeben von der DGPN 1972, erhellt, wie es große Teile der Psychiatrie mit dem Drogenproblem und einschlägigen Therapiebemühungen hielten: Therapeutische Gruppen sollten „offen, insgesamt durchaus liberal und in gewissem Umfang bewußt permissiv geführt“ werden... „Strikte Forderungen nach Abstinenz (müssen) zurücktreten. Insgesamt ist es das Ziel, die Gruppe oder Teile der Gruppe zu Kristallisationspunkten für Selbshilfegruppen zu entwickeln. Ob das gelingen wird, ist fraglich...“ 32 Um „traditionelle Werte“ madig zu machen, bringen manche Medien den Begriff Fundamentalismus mitunter gar mit kommu nistischen Werten in Verbindung, Die Welt vom 29.11.97 etwa mit denen der alten Ho-Tschi-Minh-Garde Vietnams . 33 Daß politisch Andersdenkende sich wechselseitig, wenn nicht als dieses oder jenes Tier, dann eben als irgendwie Geistesgestörte deklarieren, ist zu verbreitet, als daß wir darum viel Wirbel machten. Wenn solches aber erkennbar systematisch angelegt und praktiziert wird (K.4.2), dann ist Aktion geboten. 34 Auf Goebbels’ Sportpalast-Frage „Wollt ihr den totalen Krieg?“ kam bekanntlich ein lautes „Ja“. Verständlich, daß man in der Psychiatrie bald nach Vorbeugemöglichkeiten Ausschau hielt. Die „Umerziehung“ und schließlich die 68er Revolte entsprangen daraus. 14 oder jene religiös oder weltanschaulich geprägte Gruppe verletzt er diese Pflicht. Weil sie gegen dieses Gebot so gröblich verstießen - anscheinend treibt auch sie die heute dominierende (pseudo-)wissenschaftliche Weltanschauung des Neomarxismus -, haben sich einige unserer „Großköpfe“ aus Politik und Publizistik kürzlich in Amerika deftige Ohrfeigen geholt 35 . An der Zeit ist’s, daß auch einige Psychiater hier wieder in ihre Grenzen gewiesen werden. 9.12 Gegen Kriminelles gibt es, wo immer es aufkommt, staatlicherseits Polizei und Justiz. Wenn Kirchenleute sich auf pauschale Abwertungen Andersdenkender einlassen, sie an der Geißel mitflechten, die dann auch sie trifft, sie gar bevorzugt, können wir sie nicht hindern. Ihnen kommt, wie gesagt, solches irgendwie zu. Wenn aber die Psychiatrie krumme Touren geht und politisch-systematischer Ausgrenzung ein „wis senschaftliches“ Mäntelchen umhängt, dann sind wir von der satzungs gemäßen Zielsetzung der Verein igung her auf den Plan gerufen. Solche Praktiken könnten tatsächlich das Problem werden, um das auch wir uns fortan vorrangig zu kümmern haben (K.10). 9.13 Für wie viele rechtschaffene Menschen welt weit sind Glaubensgemeinschaften, große wie auch kleine, die Welt ihrer Lebenserfüllung? Wie viel verdanken unsere Gemeinwesen ihnen zu ihrem leidlichen NochFunktionie ren? Manche der Sekten vergrößern wohl das Chaos, das der (pseudo-)wissenschaftliche, vordem bio logisch-nazistische, heute psychologisch-neomarxistische Zeitgeist ge schaffen hat. Andere ste llen gegen ihn und seinen Dominanzanspruch noch die stärksten Bollwerke dar. Daß in unserer Zeit manch verderbliche Kulte aufgekommen sind und weiten Zulauf finden, ist es erstaunlich nach all den Verrissen, denen das Christentum, die überkommene wertverpflichtete Religion in unseren Breiten, weithin ausgesetzt ist? 35 Unter besonderem Beschuß steht die Scientology Church. Die „Dianetik “ des Ron Hubbard ist auch besonders abstrus, aber welcher Glaube erscheint Außenstehenden nicht als abstrus? Ungutes über Scientology-Praxis bekam Ref. einmal von einer Patientin aus persönlicher Erfahrung berichtet. Ge gen die Organistation ist die DGPPN aber beim Bundesinnenminister vorstellig geworden (vgl. RB 1/95, Fn 53 u. 54), augenscheinlich weil ihr einige Wahrheiten im ScientologyBuch von Röder und Kubillus „Die Männer hinter Hitler“ (K.7.3) unangenehm sind. Scientology „hinterfragt“ das Fach massiv (K.1), leider aber (indem es z.B. die Psychopharmaka en bloc verreißt) so, daß jegliche Kritik damit in Gefahr kommt, nicht mehr ernst genommen zu werden. Immerhin: Bezüglich der Na zi-Psychiatrie kann man zwar auch bei anderen nachlesen (K.7.3), nirgends sonst aber so klar wie bei Röder und Kubillus über die Verbindungen von damals nach heute. Ein Vertreter der Scientology war übrigens anfänglich an der sächsischen Mißbrauchskommission beteiligt (RB ‘97, Fn 4), was gewiß nützlich war: Hat er vor seiner eigenen Enttarnung und dem folgenden Rausschmiß doch dafür gesorgt, daß auch der Salzburger Nazi-Euthanasie-Beteiligte Prof. Harrer aus der Kommission flog. 15 10. Dr. med. Juri Sawenko Die Anti-Sektenbewegung in der Psychiatrie - eine politische Bewegung Die folgenden (gekürzt wiedergegebenen) Ausführungen Dr. Sawenkos sind kürzlich im IPA-Journal (4/97) erschie nen. Sie führen die in vorstehenden Kapiteln angesprochenen Themen weiter. Sie zeigen Parallelen in einem anderen Land, was zur Beurteilung der hiesigen Situation immer nützlich ist. Obwohl teilweise mit unseren Ausführungen im Widerspruch, kommen sie letztlich zu ähnlichen Folgerungen. Gestrichen wurden Teile, die in Sawenkos (englischem) Text unklar geblieben sind bzw. deren Unklarheit er trotz Ersuchens bislang nicht ausgeräumt hat. Was wir nachdrucken, ist aber schon gewic htig genug. Kommt damit doch vieles zur Sprache, was in unserem Land und in der deutschen Psychiatrie absolut tabuisiert, was uns wie die Positionen des Neomarxismus oft genug einfach als nicht hinterfragbare Selbstverständlichkeit untergemischt wird. Daß unsere russischen Kollegen streckenweise andere Deutungen geben, kann fürs eigene Nachdenken nur förderlich sein. FW 10.1 Sozialhistorischer Hintergrund Seit den 60ern hat sich in Europa eine explosive Mischung neomarxistischer, neofreudianischer, existenzialistischer Ideen und solcher der Frankfurter Soziologieschule entwickelt. Sie alle wurden zur Ideologie der „Neuen Linken“. Ihren klarsten und radikalsten Ausdruck fand diese in dem bekannten Buch Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“ (1964, russ. Übersetzung 1994). Der Autor richtete seine soziologisch und politologisch einseitigen Ideen von einer „Massengesellschaft“ und „geistigen Manipulation“ als Sozialkritik an die Adresse des Staats. Die Bestrebungen der westlichen Zivilisation, darauf gerichtet, die Natur zu versklaven, richteten sich so gegen den Menschen selbst als Teil dieser Natur. Von allem Anfang des Sozialisationsprozesses werde in der industriellen Gesellschaft mit Hilfe der „Erziehungsindustrie“, der „Meinungsbildungsindustrie“, des Systems des Paternalismus etc. die Ane rkennung des existierenden Systems und seiner Institutionen, ja mehr noch: die Identifizierung des einzelnen mit dieser Gesellschaft durchgesetzt. Die Mentalität werde eindimensional gemacht. Die Menschen übernähmen die ihnen eingeflößten Gedanken und Verhaltensweisen als eigene und werden zur Masse, zu manipulierten Individuen. Der wesentliche Zug dieser Manipulation sei ihre verborgene, unspürbare und anonyme Natur. Dieser sanfte, „humane“ Zwang werde vollendet durch die sozialökonomische Struk tur der Gesellschaft, d.h. in all ihren Einrichtungen würden negativ auf Bewußtsein, Sprache, Kunst und Wissenschaft wirkende Kräfte ausgeschaltet. So arbeite die wissenschaftliche Rationalität als eine Form sozialer Kontrolle und Herrschaft. Die Rolle zwischen Psychologie und Politik werde aufgehoben. Die Sphäre des Unbewuß ten werde politisch, Objekt der Manipulation. Der eindimensionale Cha rakter der Geisteshaltung von Mensch und Gesellschaft ist nach Marcuse Totalitarismus 36 . Aus dem oben gesagten folgt offensichtlich, zu welch krasser Übertreibung der Begriff Manipulation des Massenbewußtseins in Marcuses Gehirn gediehen ist37 ... Offensichtlich projiziert er seine eigene frühere Praxis in der Psychologischen Kriegführung auf alle gesellschaftliche n Prozesse. Er politisiert sie und findet so überall eine verdeckte Manipulation des Massenbewußtseins... Die Verkehrtheit der Idee, Menschen durch Massenbewußtsein zu vereinen - die moderne Vokabel einer romantischpessimistischen Version einer Sozialphilosophie -, ist auch unter Beweis gestellt worden. Die Soziologen haben die Übertreibung der Rolle der Massenmedien38 vor Augen geführt: In aller Regel wirkt Information nicht direkt, sondern durch die Vermittlung von Führern kleiner Gruppen und ein System vorbestehender Meinungen. Wenn das Bild, das Marcuse zeichnete, richtig wäre, gäbe es keine Widersprüche zu sozialpolitischen Systemen, nicht ihre vielseitigen Differenzierungen, gäbe es keine Bewegung der „Neuen Linken“ und 36 Erfolgreich praktizierte der Mann immer wieder die Methode „Haltet den Dieb“. Wenn es eine Manipulation des (Massen)Bewußtseins gibt, dann ist sie vor allem aus den von ihm mitentwickelten Psycho-Techniken möglich geworden, die Gefahr eines neuen Totalitarismus dazu. 37 Das Manipulationswittern Marcuses haben hierzulande trotz aufdringlichster Übertreibungen weite „intellektuelle“ Kreise bis in die Union hinein ehrfurchtsvoll akzeptiert, während sie Manipulation da, wo sie offenkundig ist, teilweise gar von den Veranstaltern offen ein geräumt wird (K.13.5, 17.2), gern zum Hirngespinst erklären. 38 Die Massenmedien allein machen auch bei Marcuse die Bewußtseinsmanipulation nicht aus. Leicht aber kommt sie in Verbindung mit ihnen durch die (heute fast überall präsenten) „Psycho-Techniken“ zustande, durch „Vermittlung der Führer kleiner Gruppen“ etc. (K.13-14). Den Medien kommt eher eine rahmengebende Rolle zu (K.17.2 - Kasten). schon gar keinen „Marcusenismus“. 39 Die äußerst scharfe, emotional geführte Kritik der Be wußtseinsmanipulation, die mit großer Umtriebigkeit Formen sozialer Kontrolle an unerwartetsten Plätzen aufzeigte, während sie gleichzeitig Kulturrevolution predigte und Ho ffnungen für Rand gruppen (rassische und religiöse Minderheiten, ve rschiedene Lager der Studenten, der Arbeitslosen, Kranken und Behinderten) weckte, hat die große Popula rität Marcuses ergeben. Die aufständische Studentenjugend der späten 60er marschierte unter den Symbolen der drei M’s: Marx, Mao, Marcuse. In weiter Auslegung dienten seine Ideen als Basis der antipsychiatrischen Bewegung40 . Psychiatrie deklarierte sie als politisch-administratives Unternehmen des Staates, Psychiater als seine perfekten Agenten und die Psychose als nichts Medizinisches, sondern ein soziales Phä nomen oder gar als eine Erfindung. Solche Anklage des Manipulierens richtete sich gegen den Staat ebenso wie die „helfenden“ Berufe, Psychiater, Psychotherapeuten, Ärzte allgemein, aber auch Sozialarbeiter und Priester. USA, wo sie aufgekommen war, schon wieder im Abebben und ihrer Anführerin, Dr. Margaret Singer, wurde es auf Anregung der American Psychological Association durch den Obersten Gerichtshof verwehrt, bei Antisektenprozessen auszusagen. Das „Hirnwäsche“-Konzept wurde als journalistischer Bluff erkannt. In Rußland setzte vor drei Jahren eine ähnliche Welle ein, völlig unberührt von dem negativen Experiment in Amerika. Das Moskauer Patria rchat 41 richtete ein Zentrum für den Kampf gegen die Häresie und das Zentrum des heiligen Irenaeus von Lyon ein, dem Autor der bekanntesten Arbeit in dieser Angelegenheit 42 . Herr A. A. Dvorkin, Vorsteher des Zentrums, zeichnete in einer Broschüre ein schreckliches Bild von der unspürbar sich einschleichenden geistigen Versklavung der Gläubigen durch die Sekten, der Übernahme ihres Eigentums, der Schädigung ihrer Gesundheit, von Vergewaltigungen und Tötungen der Abtrünnigen. 10.2 Pseudowissenschaftliche Argumente bezüglich des durch Sekten und neue religiöse Organisationen der psychischen Gesundheit angetanen Schadens Ein paralleles System von Ideen entwickelte sich in den USA, beginnend mit dem Journalisten Edward Hunter (Making Brains in Red China, 1951), dem Psychiater Robert Lifton (Thought Reform and the Psychology of Totalitarism, 1961), dem Wohltäter (unabgeschlossener Schulbildung) Ted Patric, Gründer des „Deprogramming“ und einer der ersten Antisekten-Organisationen, der „Foundation of Civil Freedom“ (1974). T. Patric wurde Jahr für Jahr gerichtlich belangt wegen seiner Methoden forcierten „Hirnwaschens rückwärts“, wegen Kidnapping und Desinformation. 1984 schrieb Lee Callman, daß der Beweis für eine „Manipulation des Bewußtseins“ nie erbracht, ein schlechter Einfluß auf die geistige Gesundhe it, wie ihn die Antisektenliteratur ständig behauptet, nie nachgewiesen worden sei. Die Soziologen Antony und Robbins unterstrichen, daß solche Theorien mit politischer Zielsetzung benützt würden, und daß die Beiholung der Psychiatrie zur Druckausübung auf alternative Re ligionen eine ernsthafte Bedrohung der geistigen Freiheit darstellte. Anfang der 90er war die Welle der Antisektenanklagen in den Schädigung der psychischen Gesundheit und Persönlichkeitsdeformationen durch „totalitäre Sekten“ wurden in Rußland erstmals am 24.04.94 von Prof. P.43 in einem Papier behauptet, das sich auf elf Briefe von Eltern und direkte Prüfung einer einzigen psychisch kranken Frau stützt. Dabei hatte in ihrem Fall das Moskauer Psychiatrische Krankenhaus Nr. 4 offiziell mitgeteilt, daß die Krankheit nicht in Verbindung mit ihrem Kontakt zu der religiösen Organisation stünde. Dies zeigt die Te ndenz, die in der Sache... steckt. Drei Monate später fand sie Niederschlag im Ergebnispapier einer mit Prof. P. siebenköpfigen Kommission..., die auf 56 Briefen von Eltern und der psychiatrischen Untersuchung von 11 Patienten aus fünf verschiedenen religiösen Organisationen basierte. Die entscheidenden Schlußfolgerungen wurden aus verschiedenen vor Gericht 41 Nochmals (s. K.9.11): Den Kirchen steht es gewiß zu, ihren Glauben zu bekennen, für ihn zu werben und andere abzuwehren. 42 Sein dem 2. Jahrhundert entstammendes fünfbändiges Hauptwerk gegen die Irrlehren ist bis heute erhalten. 43 Prof. P. und der weiter genannte Prof. K. sollen hier vorerst anonym bleiben, weil ihre Namen uns sonst noch nicht viel sagen und vielleicht auch, weil ihre Verfehlungen noch nicht so horrend erscheinen, wie etwa die der seinerzeitig wirkenden Professoren Morosow, Sneschnewski etc. 39 Dagegen ist einzuwenden, daß die Bewußtseinsmanipulation auch der psychologischen Kriegsführung nie die Gleichschaltung aller Menschen, sondern „lediglich“ die Schaffung eines Mehrheitsbewußtseins intendierte. Das war und ist politisch immer lohnend genug. 40 Hätte nicht allein das der westlichen Psychiatrie Anlaß sein können, sich mit dem Neomarxismus näher kritisch zu befassen? Statt dessen übernahm sie ihn leise und wandelte sich selbst schrittweise zu seinem „perfekten Agenten“. 17 erhobenen Klagen bezüglich der Organisationen schlicht kopiert. Berufsfremden dar. „Unter dem Vorwand von Riten und Predigten“, so führt er aus, „werden latente Suggestionen ausgeübt, die zu krankhaften Veränderungen des Geistes führen. Sie sind unter F 60.7 in der ICD codiert“. In Wirklichkeit ist das aber eine Kennziffer für Psychopathie, die für einen angeborenen, durch keinerlei Übungen ve ränderbaren Charakterzug steht... Psychopathie ist per definitionem eine wesentliche und konstante Abweichung der inneren Erfahrung und des Verha ltens vom kulturellen Muster vom Teenage-Alter an. Sie ist also weder eine Krankheit noch etwas durch äußere Faktoren Veränderbares. Dieser grundsätzliche Tatbestand wurde außer Acht gela ssen. So beruhen all die vor Gericht vorgebrachten Klagen nicht auf überprüften Tatsachen und nicht auf wissenschaftlicher Forschung, sondern auf ähnlichen Vorbringungen der Eltern der jungen, aber doch volljährigen Leute, die sich den religiösen Organisationen angeschlossen hatten. Keiner anderen Seite wurde die Möglichkeit eingeräumt, ihre Auffassungen darzulegen. Nie mand etwa hatte Interesse, z.B. bei den Eltern nachzuprüfen, wie begründet ihre Kla gen waren. Eigentlich können so ihre Informationen nur als Grundlage einer speziellen Untersuchung dienen. Sie stellen aber nicht selbst bereits eine Untersuchung dar. Wie die „abhängige Persönlichkeit“ ins Manipulationskonzept der Anti-Kult-Aktivisten gerät, wird deutlich. Prof. K. hat die Beschreibung aller sechs Be ispiele von abhängigen Persönlichkeiten in seinem letzten Bericht im Russischen Journal für Psychiatrie 2/97, Seite 25-29) abgekupfert. Auf der Grund lage eines einseitigen Exzepts aus amerikanischer Antikult-Literatur der 60er bis 80er Jahre und seinen „eigenen (aber nirgends ausgewiesenen) Erfahrungen“ stellt K. das Mitglied einer Kultorganisation als eine Art Marionette dar, als psychische Deformation, die unter dem Einfluß spezieller KultPsycho technologien44 entstanden sei. Der Verlust der eigenen Willensäußerung wiege so, sagt Prof. K., daß er „das Individuum des Rechts auf Glaubensfreiheit beraubt.“ Dies ist eine entscheidende Definition. Sie öffnet den Weg zu Zwangsmaßnahmen... Um die Frage zu beantworten, ob die neuen religiösen Organisationen der psychischen Gesundheit schaden, muß man a) herausfinden, wie groß der Teil psychisch Kranker in diesen Organisationen ist. Zu diesem Zweck ist es notwendig eine repräsentative Zahl von Gruppenmitgliedern auszuwählen, eine nach statistischen Regeln genügende Zahl... b) Wenn sich herausstellte, daß der Anteil psychisch Kranker in der ausgewählten Gruppe höher ist als es dem Bevölkerungsdurchschnitt entspricht, zeigt dies lediglich, daß eine Beziehung solcher Leute zu den Grup pen besteht - was vielfältige Gründe haben kann. c) Um herauszufinden, ob es eine ursächliche Beziehung zwischen der Bindung an die Organisation und der Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes gibt, ist es notwendig in der Auswahlgruppe die Umstände aufzudecken, aus denen solche Wirkung resultierte und sie in jedem einzelnen Fall darzulegen. d) Solche Untersuchungen könnten noch informativer und noch korrekter sein, wenn die Ergebnisse nicht nur mit denen der Bevölkerung allgemein, sondern z.B. mit den Verhältnissen unter orthodoxen Mönchen verglichen würden. Schließlich widerspricht der angegebene (abhängige - FW) Persönlichkeitstyp grob dem traditionellen Bild eines Sektierers, also einer Person, die große Glaubenskraft in ihre Lehre legt und, zu überwertigen Ideen neigend, jedermann ihrer Umgebung zu diesem Glauben zu bekehren sucht (Neophytismus, Proselytismus), mit anderen Worten: Sektierer sind nach traditioneller Auffassung eher ins Paranoische gehende Personen mit entsprechend überentwickeltem Geltungsdrang und nicht unterentwickeltem, wie es für abhängige Persönlichkeiten Die folgenreichen Feststellungen von Prof. P., die das Vorliegen einer ursächlichen Beziehung (zwischen Sektenkontakt und psychischer Beschädigung - FW) bejahten, kontrastieren grob gegen o.g. sehr unzulängliche Grundlage. Deshalb wurden die Schlußfolgerungen auch von zwei gesamtrussischen Fachorganisationen, in denen Prof. P. selbst wissenschaftlicher Generalsekretär ist, als wissenschaftlich unzulänglich zurückgewiesen... Die Methode, die er bei vielen Verfahren gegen neue religiöse Organisationen anwandte, stellt eine wahre Irreführung von 44 Hier das Stichwort, das uns noch mehrfach beschäftigen wird. Wenn es, wie Sawenko meint, besondere „Psychotechniken“ (Indoktrination etc.) nicht gibt, sie deshalb bei den „Sekten“ nicht wirksam und diese deshalb unbedenklich sind, dann wären sie wohl auch in der Psychotherapie unwirksam. Immer geht es doch um die gleichen oder ähnlichen Techniken. Dann wäre alles in Deutschland für die Psychotherapie ausgegebene Geld, viele Milllionen, glatt zum Fenster hinausgeworfen. Ist an den Techniken aber, die in der Psychotherapie doch entwickelt wurden, Wirksames, dann besteht Grund hier wie da auf ihre Wirkungen achtzugeben. 18 charakteristisch ist. Die Nichtübereinstimmung des charakterlichen Kernbestandes von diesen zwei entgegengesetzten Typen scheint die Antikult-Herrschaften aber überhaupt nicht zu stören... Das Ausmaß ihrer Diskrepanzen, ihrer Nichtbeachtung und ihres Jonglierens mit den Fakten ist so immens, daß solches „Predigen“ (ein anderes Wort paßt hier nicht) sie aus dem Bereich der Wissenschaft exkludiert. Dennoch gab gerade diese „Antikultisten-Predigt“ die Grundlage der Order N-642-RM vom 19.08.97 ab, die, unterzeichnet vom Moskauer Bürgermeister, zur Gründung und Finanzierung der „Dienste medizinischer und psychologischer Hilfeleistung für Opfer pseudoreligiöser Organisationen“ auf dem Gelände des Psychiatrischen Solowiew-Krankenhauses und der Moskauer Zentralen Psychotherapeutischen Poliklinik führte... Die „Antikult-Ideologen“ behandeln die Menschen wie dumme Kinder, für die zu sorgen ist und die an die Hand genommen gehören. Wie Prof. K. schreibt, sind im „russischen Volk hintergründig eine Integrationsschwäche, Ich-Schwäche, eine Empfänglichkeit für fremde Einflüsse, ein geistiger Infantilismus“. Diese hoffnungslos obsolete, spekulative Ansicht wurde niemals wissenschaftlich geprüft. Der Versuch, die Menschen zu führen statt ihnen zu dienen, ist eine Spezialität totalitärer und theokratischer Staaten. Der Ersatz konkreter empirischer Forschung mit einer durchgehend wissenschaftlichen Argumentation durch tendenziöse Situationsberichte, durch Jonglieren mit Fakten, kaum verborgene Fälschungen und andere skrupellose Kampfmethoden zeigt, daß die „Anti-Kult-Bewegung“ in der Psychiatrie einen politischen Charakter hat. Leicht ist es in schwierigen Zeiten, in üble Gesellschaft zu geraten und sich an sie zu gewöhnen; das kann in gefährlicher Weise spirituelles Wachstum und den geistigen Horizont begrenzen. Viel gefährlicher aber ist es, anderer Menschen Le ben zu kontrollieren - besonders wenn es unter dem Vorwand geschieht, sie von „fremden“ Ideen und Glaubensüberzeugungen zu heilen. Um es kurz zu sagen: Es ist nicht das Geschäft eines Psychiaters, zu heilen - von der Liebe, von einem schuldbeladenen Gewissen oder der Verehrung von Idolen irgendeiner Sphäre . 10.3 Verborgene politische Motive ... Kulte sind nichts Religionsspezifisches. Es gibt viele alltägliche Kulte, etwa die den Stars des Sports, der Massenkultur oder der Politik dargebrachten. Das zeigt die Künstlichkeit der bösartigen Attacken auf die neuen religiösen Organisationen. Es ist wahr, daß dort Tricks und Täuschungen vo rkommen. Das aber kann mit dem Strafgesetz reguliert werden ohne Diskrimination und ohne Protektion für irgend jemanden. 11. Herrschaft der (Pseudo-)Wissenschaft Sozialismus ist nach Dostojewski - Rohrmoser erinnert daran 45 - „Herrschaft der Wis senschaft über die Gesellschaft“. Der Links-Touch der sich ausweitenden, zunehmend alle Lebensäußerungen erfassenden „Reform-“ oder „Sozial-Psychiatrie“ 46 kommt danach nicht von ungefähr. An der Definition Dostojewskis mag Überzogenes sein. Die Orthodoxie, seine Alternative, ist ja auch nicht jedermanns Sache. Problematisch ist die „Herrschaft der Wissenschaft“ in jedem Fall. Gäbe es sie im Psychischen, gäbe es keine Freiheit. Mit Wissenschaft, die um ihre Grenzen weiß, halten es aber auch wir. Nur begegnen uns gerade im Psychischen Unmengen von Pseudowissenschaft, das nämlich, was einige gewaltige „Prediger“, falsche Propheten wie Marx, Freud 47 und andere von dem kleinen Kern realer wissenschaftlicher Befunde an Weltanschauung abgeleitet und irrtümlich oder betrügerisch als Wissenschaft ausgegeben haben. Von den Frühsozialisten des letzten Jahrhunderts, Proudhon u.a., wurde nach Rohrmoser die Art eingeführt. So viele ihnen weiter nachschwätzen: Weil die Herrschaft der (Pseudo-)Wissenschaft schon in die schlimmsten Verbrechen geführt hat und weil sie im Psychischen mitsamt jeglicher Art von Psych iatriemißbrauch durchwegs auf Schwindel beruht, deshalb unser Widerstand. 45 Prof. G. Rohrmoser, Der Ernstfall, Ullstein, Berlin „Reform-Psychiatrie (K.7.3) versteht sich gern als „Aufbau eines humanen und ethischen Systems der psychischen Gesundheitsversorgung“ (K.6.1). Verfolgt werden darunter de facto weltweit die Ausdehung der Psychiatrie auf jedermann (K.13.3) und die Ausdehnung staatlichen Einflusses in ihr. Unionspolitiker, die sie nach Kräften fördern, leugnen den Links-Touch natürlich. 47 Freud meinte, er hänge keiner Weltanschauung an, allenfalls der „wissenschaftlichen“. Mit der aber hielt es auch Dr. Mengele. 46 19 12. Psychiatrie und Euthanasie 12.1 Der kommende Kongreß der DGPPN in Essen vom 17. bis 20.06.1998 steht unter dem Motto „Ethisches Handeln in der Psychiatrie.“ „Erstmalig auf diesem Kongreß“, schreibt Prof. Gastpar, derzeitiger Präsident der Gesellschaft, „möchten wir eine neue Tradition beginnen und haben zwei Gastländer eingeladen. Wir haben“, setzt er fort, „ dänische und holländische Kollegen gebeten, aktiv zusammen mit der DGPPN ein Symposium vorzubereiten. Zu ethischen Fragen in der Psychiatrie sind unsere Nachbarländer Dänemark und Holland zum Teil weiter als wir.“ „Weiter“ sind insbesondere die Niederla nde und ihre Fachgesellschaft in der Liberalisierung des Tötens und des Rauschgifts48 . Fuchs und Lauter, der selbstgewählte Tod schon als „wichtigster und bevorzugter Weg des Todes der Zukunft“ gehandelt 53 . 12.3 Zwar endet ihr Artikel in Ablehnung eines ärztlichen Mitwirkens am Töten. Die Autoren warten aber, wie es „Weichmacherdiskussionen“ in der Regel tun, da und dort doch mit „Verständnis“, ja gar mit Tips auf, wie sich solches Mitwirken einbürgern könnte, etwa dadurch, daß sich „in der Propagierung des assistierten Suicids eine günstige Möglichkeit (böte), die Forderung nach selbstbestimmter Wahl des eigenen Todes durchzusetzen.“ Der „assistierte Suicid“ stelle schlie ßlich gegenüber dem vielleicht „aufrichtigeren Verfahren“ der „ärztlich vollzogenen Tötung“ das “’sanftere’ Mittel“ bei der Lösung des „virulenten Problems der Sterbehilfe“ dar. Die Frage, was denn Ärzte zwinge, sich zum Töten herzugeben, und wie der Sterbewunsch eines Menschen einem anderen, dem Arzt eben, Anlaß sein kann, seinen Heilungsauftrag preiszugeben und sich zum Töter zu erniedrigen, wurde mit keinem Wort erwähnt. 12.2 Seit den 70ern ist in Deutschland erneut eine Stimmungsmache fürs Töten zu beobachten. Die DGPPN hat sich verständlicherweise bis lang hier zurückgehalten. Mit voller Wucht aber stieg sie jüngst in die „Diskus sion“ ein. In ihrem Organ „Nervenarzt“ 11/97 erschie nen gleich drei große Artikel, das Thema anwärmend49 . Ausgangspunkt des einleitenden Beitrags von Dr. T. Fuchs und Prof. H. Lauter war jetzt „Der Fall Chabot“ 50 . Wir haben ihn nach seinem Bekanntwerden 1994 schon aufgegriffen (RB 2/94, S.15). Das Unerhörte an ihm, der Meilenstein im Fortschreiten der „Todeskultur“, war ja unübersehbar. Das Oberste Gericht der Niederlande hatte gegen Chabots Tun nichts einzuwenden. Es mahnte die Ärzte bei der Beurteilung solcher Fällen nur zu „außerordentlicher Sorgfalt“51 . Die Fachgesellschaft hatte Beihilfe zum Suicid bei psychischen und anderen nicht-terminalen Leidenszuständen bereits vordem für legitim erklärt. Teilweise werde in Holland 52 , so 12.4 Wieder (K.7.6) werden die Psychiater von Spitzenvertretern ihres Fachs54 - zwei weitere Beiträge zum Thema walzten in besagter Nervenarzt-Nummer den eröffneten Weg weiter aus55 - mit wissenschaftlichem Anspruch aufs Töten eingestimmt. Mehrfach wurde ihre Mithilfe bereits politisch angefordert - beim „Death Dignity Act“ 1994 in Oregon oder bei der 1995 „legalisierten (inzwischen wieder kassierten) Suicidbeihilfe“ im australischen Northern Territory (RB ‘96, K.10.6). DGPPN-Präsident Prof. Gastpar, ein Schweizer, stellt uns die holländischen Verhältnisse als Vorbild hin. Auf erleichtertes Töten zielt auch die bei der Bundesärztekammer jetzt beratene Überholung ih rer „Richtlinie zur Sterbebegle itung“.56 Ist jemandem noch unklar, wohin die Reise geht? 48 Prof. Gastpar ist selbst einer der psychiatrischen Promo toren der Rauschgift substitution und -abgabe in Deutschland. Daß jetzt „ganz Holland in Therapie muß“ („Trimbos-Studie“, Die Welt vom 15.12.97), könnte ihm natürlich besonders gefallen. 49 wie es vordem anderenorts schon „aufbereitet“ worden ist, mit der Figur des Prof. Hackethal etwa in der Springer-Presse. 50 Zur Erinnerung: Dr. Chabot hatte sich bei der holländischen Euthanasiegesellschaft selbst „zur psychiatrischen Betreuung suicidaler Patienten angeboten“ und war über sie 1991 mit einer 50jährigen Frau Kontakt gekommen, die nach schweren Schicksalsschlägen lebensüberdrüssig war. Er führte über einen Monat hinweg mit ihr einige „intensive“ Gespräche, versuchte bei ihr „eine Trauerarbeit in Gang zu bringen“. Was immer das ist (im Grunde ein psychoanalytisches Konstrukt), angeblich mißlang es. Chabot sah sich nunmehr berechtigt, der Frau eine tödliche Medikamentendosis zu geben, die sie in seinem Beisein einnahm. 51 „... daß nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“, hieß es ähnlich schön in Hitlers Euthanasie-Ermächtigung vom 1. September 1939. 52 Nie zu vergessen die historisch bahnbrechende Rolle der Niederlande in der Entwicklung demokratischer Grundrechte vgl. Fikentscher et al. in Wertewandel - Rechtswandel, Resch 1997 - Fn 24. 53 zitiert aus einem Beitrag von Diekstra RFW (1996) Sterben in Würde: Über das Für und Wider der Beihilfe zum Suicid. In: Anschütz F., Wedler H-L (Hrsg.) Suicidprävention und Sterbehilfe, Ullstein Mosby. 54 Zur Ehre psychiatrischer Ordinarien: Einige von ihnen (Mit glieder der DVpMP) bestärken uns hier im Widerstand. 55 A. Frei u.a. Begleiteter Suicid nach Entlassung aus der psychiatrischen Klinik“ sowie A. Karger u.a., Sterbehilfe bei Demenz. 56 Bundesärztekammer will Richtlinie nachbessern, DÄ 5/98. 20 13. „Geplante Änderung“: Die sanfte Mißbrauchsvariante vokative ‘Moralisierung’ im Sinn der Weigerung“61 (gegen die hip pokratisch-jüdisch-christliche Ethik, gegen das Leben) auch dort eingedrungen und gerade dadurch so erdrückend geworden. 13.1 Mit der am 28.01.98 bekannt ge geben „eindringlichen Bitte“ des Papstes an die deutschen Bischöfe in Sachen Schwangerschaftskonfliktberatung ist beinah „Abgelegtes“ wieder in die Diskus sion gekommen. Abtreibung, die erste und vielleicht schwierigste unter den Herausforderungen der hip pokratischen Ethik, ist das Thema vieler (auch ärztlicher) „Lebenschützer“. Es war dem unsrigen immer benachbart, war und ist aber doch nicht unseres. Wenn wir es jetzt aufgreifen, dann weil die Bedeutung des Tötens am Lebensanfang für das Fortschreiten der „Todeskultur“, der Korruption allgemein 57 inzwischen unübersehbar geworden ist, die Rolle der „Seelenkunde“58 dazu. Daß wir auf die Kirchen vermehrt zu sprechen kommen, liegt sicher auch daran, daß wir in der Psychiatrie ähnlich rangieren wie einige „Glaubensminderheiten“ dort. 13.3 Freie Abtreibung ist konstituierender Teil der 68er Bewegung. Diese aber geht auf die geplante (Gesellschafts-)Änderung62 zurück, die wie der von der Psychological Warfare der Anglo-Amerikaner in den 40er Jahren, den daraus erwachsenden National Training Laboratories (NTL) und ihren weiteren psychologischen „Think -tanks“ ihren Anfang nahm. Ihre Geschichte ist hinlänglich ausgebreitet worden63 . Bekannt sind die Namen der Begründer, der Mitwir kenden, der Financiers. Das Mittel der „geplanten (Gesellschafts-)Änderung“ ist wesentlich Psychotherapie, die „auf das Gebiet der psychisch-nervösen Zustände (letztlich also auf jedermann) erweiterte Psychiatrie“.64 Grund genug, uns der Probleme anzunehmen. 13.2 Gegen den „moralischen“ Druck, den die „Fristenregler“ aller Parteien auf die katholische Kirche ausüben59 , macht diese nun Anstalten (???), sich aus der „Beratungsfalle“ zu be freien. Sie mit in die Verantwortung fürs Töten zu ziehen und die Maßstäbe damit weiter zu verziehen, scheint nicht mehr gelingen zu wollen. Das könnte längerfristig auch die Verharmloser des Psychia rie-Mißbrauchs, die Fürsprecher der Drogen, die Besorger der Euthanasie, die Umwerter der Tugenden zu „Sekundär-Tugenden“60 bremsen. Lange sah es ja so aus, als habe der „Marsch durch die Institutionen“ nicht nur „christliche“ Parteien, sondern tatsächlich auch große Teile der Kirchen und ihre sozialen Einrichtungen erreicht, als sei die „Umformung des soziologischen und politischen Vokabulars“, seine „methodische und pro- 13.4 Psychotherapie soll seelisch bedingte Krankheiten, Störungen kurieren. In zwei Hauptrichtungen wird sie heute dargeboten, in der („dynamisch orientierten“) Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie. Daß sie besagte Heilungen leistet, wird weithin propagiert, auf konservativer Seite besonders von der Kinderpsychotherapeutin Christa Meves. Die Dürre vieler „Selbstverwirklichungen“ aufze igend, weiß sie dabei die Natur ihrer „Selbstverwirklichungswissenschaft“ (Behnke, RB1/95, K.3.3) stets gut zu kaschieren. Außergewöhnliche Unterstützung wurde der heilkundlichen Sparte politisch wie publizistisch über die Jahre zuteil. Vereinzelt aber meldeten sich auch kritische Stimmen. Prof. Helmchen, psychiatrischer Ordinarius in Berlin, meinte kürzlich,65 schon psychopharmakologische Therapien hätten mitunter „erhebliche Auswirkungen auf das Le- 57 Wenn sich unter Ärzten Abrechnungsbetrügereien und andere Vorteilsnahmen ausbreiteten (nach dem Berliner Ka mmerpräsidenten Huber bei 20% der Mediziner, nach einem Wuppertaler Staatsanwalt „bei ganzen Fachgruppen“, ÄrzteZeitung 17.02. 98), wäre es verwunderlich, nachdem ihnen von den Regierenden das Töten schon als Selbstverständlichkeit abverlangt wird? 58 Bei der vormals gültigen Indikationslösung waren es Psychiater, die die „Indikation“ zum Töten bestätigten, bestätigen “mußten“. Für den Berufsstand ist die Abschaffung der Indikationslösung fraglos eine Entla stung. Schrittmacher waren Psychiater-Psychotherapeuten beim liberalen Töten am Le bensbeginn auch mit der überwe rtigen Idee des „Wunschkindes“, das quasi allein eine Glückschance und damit Lebensrecht hätte (z.B. Bräutigam W., Die „Schutzwürdigkeit“ des Lebens in der Diskussion um die Fristenregelung, DÄ 17, 1974, S. 1260 ff). Zu der gesetzlichen Regelung kam es 1995 entscheidend auf das Drängen der Mediziner hin, vorgetragen bei den Deutschen Ärztetagen 1991 und 1995. 59 Hörten wir nicht von allen Parteien, von fast allen Journalisten aus fast allen Medien die Lüge, es drohe ein „Ausstieg der Kirche aus der Beratung“, wo ein solcher gar nicht zur Diskussion stand, es nie um etwas anderes als die (Nicht-mehr-) Ausstellung von „Beratungsscheinen“ ging? 60 als solche von Oskar Lafontaine angeführt „Fleiß, Anstand, Ehre, Treue“. Mit ihnen sei „auch ein KZ“ zu führen. 61 „Die Kategorie der Obszönität“ sollte „als Einleitung dienen“. „Das soziologische und politische Vokabular“ müsse dann, so Marcuse in „Versuch über die Befreiung“, „umgeformt.., methodisch und provokativ im Sinn der Weigerung ‘mo ralisiert’ werden“. (Änliches empfahl das ZK der KPdSU). Weithin hat die Inanspruchnahme der Freiheit bei Verweigerung der Verantwortung eine „Kopfstand-Moral“ ergeben. Sie beläßt von Freiheit hauptsächlich die zur (Selbst)Zerstörung. Manch Positives war an der 68er Bewegung gewiß auch. 62 „The Dynamics of Planned Change“ von Ronald Lippitt, einem der Mitarbeiter Lewins (K.13.5), und Mitgründer der NTLs. 63 Citizens for LaRouche, Stamp out the Aquarian Conspiracy, 1980; Schrenck-Notzing C. v., Charakterwäsche, 1981. 64 wie Prof. R. Sommer, Gründer der Allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie, 1929 feststellte. 65 Helmchen H., Ethische Implikationen von Psychotherapie, Nervenarzt, 1998.69:78-80. Was die „Mainstream-Verfahren betrifft, ist H. kritischer. Was die „Humanistischen Therapien“ angeht, meinte er aber reichlich unkritisch, sie gälten „implizit als ethisch einwandfrei.“ Dabei sind sie eher der Therapien fragwürdigste. 21 bensgefüge des Patienten... Aber wieviel eingehender ist dies bei Psychotherapien zu bedenken, vor allem bei denen, die wie die dynamisch orientierte66 ... auf das symptomproduzierende Persönlichkeitsgefüge selbst zielen?... Eine grundlegende Frage dabei ist, wie weit die Festlegung von Therapiezielen - nicht nur in psychodynamischen, sondern auch in anderen Psychotherapien wie z.B. in dekonditionierenden (gelegentlich auch manipulativen) Techniken der Ve rhaltenstherapie - vom Menschenbild des Therapeuten beeinflußt wird....“ Zur Debatte gestellt sind hier die mainstream- oder Richtlinien-Therapien, die gesetzlich sanktionie rten. fare“ kommend, erklärte 1946 der alliierte PsychiaterGeneral G.B. Chisholm, 1956-57 Präsident der World Federation of Mental Health , „Ziel aller effektiven Psychotherapie“ sei „die Umwertung und letztlich Auslöschung des Konzepts von Richtig und Falsch ... Wenn die Rasse von ihrer sie verkrüppelnden Last von Gut und Böse befreit werden soll, müssen es Psychiater sein, die hierfür die Verantwortung auf sich nehmen ...“ (RB ’96, K.10.5) 71 . Und der emigrierte Berliner Gestalt psychologe Kurt Lewin 72 , Kopf besagter „warfare“ und der daraus hervorgegangenen Psycho-Welle, verdeutlichte nochmals, wofür besagte Therapien gedacht sind - „Änderung der Werte“. Für sie sei vor allem „Gruppenarbeit“ gut, mit der nicht nur breite, sondern auch „tiefere Ve ränderungen“ des Wertbewußtseins zu erzie len seien. Beim „Umerziehungsvorgang“ dürfe zur „Täuschung“ eine freie Atmosphäre arrangiert werden. Die „neuen Werte“ seien in Wirklichkeit aber jedem „einzelnen von außen aufzuzwingen.“ Sie gingen schlie ßlich nur ein und hafteten nur, wenn sie vermeintlich „freiwillig “ angenommen würden. 13.5 Dank seines Menschenbilds empfahl der Verhaltenstherapie -Pionier Skinner67 , „den überlebenden Menschen als bloßes Tier zu behandeln“. Freud betrachtete seine Patienten als „Pöbel“68 , der gut sei, zum Lebensunterhalt des Analytikers und zu seinen Theoriebildungen beizutragen69, 70 . Aus der „psychological war66 Zu ihr gehören auch die „gruppendynamischen“ Therapien, Gestalttherapie, systemische Therapie etc. 67 Skinner B.F., Jen seits von Freiheit und Würde. 68 The Clinical Diary of Sandor Ferenczi, S. 92-93, ed. J. Dupont, Harvard University Press, 1988, zitiert nach Webster R., Why Freud was Wrong, Basic Books, New York, 1995. Wenn manches an der umfänglichen Freud-Kritik auch angreifbar ist, so hat die Kritik an ihr, etwa Th. Köhlers Abwege der Psychoanalyse-Kritik (Fischer, 1989), die Kernpunkte doch nie aufgehoben. 69 Freud nahm Cocain ab Mai 1884 und empfahl es gleichze itig seinem morphiumabhängigen Freund v. Fleischl-Marxow. Mitte Juni 1884 schloß er eine Arbeit über Cocain ab, die im Juli bereits im Centralblatt für die gesamte Therapie erschien, Cocain als Antidot gegen Morphium empfeh lend. Der Patient hätte, so Freud, „nach zehn Tagen“ kein Cocain mehr gebraucht. Belegt ist jedoch, daß Fleischl-Marxow im April 85 enorme Mengen des Gifts brauchte. Im Juni 85 beschied Freud seine Braut Martha, die Gesundheit des Freunds habe unter dem Mittel stark gelitten. Im März 85 trug er vor der Wiener Psychiatrischen Gesellschaft gleichwohl einen Fall von „raschem Entzug von Morphium unter Cocain“ vor, offensichtlich den von F-M. Freud behauptete hier, die Sucht sei innerhalb von 20 Tagen geheilt worden und „keine C ocainGe wöhnung“ habe eingesetzt. Er sagte auch, er würde nicht zö gern, Co cain subcutan zu injizieren. Daran hielt er fest, während er (Juni 85) Martha angesichts besagten Ve rfalls vor dem Zeug warnte. Freuds Bericht einer „Heilung“ von der Morphium-Sucht erschien Anfang August 1885 im Medicinisch-Chirurgisches Centralblatt. In seiner Traumdeutung berichtete er später (1899), Fleischl-Marxow habe „sich selbst mit Cocain vergiftet“. Er habe ihm ledig lich eine orale Einnahme angeraten. Dieser aber habe sich den Stoff gleich in jiziert. Er, so Freud, habe „nie eine Injektion des Mittels in Erwägung gezogen“. Das heutige Rauschgift-Substituieren, Flunkern haben eine „noble“ Vo rgeschichte. Sie ist weithin bekannt, hier nach Webster (Fn 68) referiert (Freuds „Zitate“ also rückübersetzt). 70 Wie Freud mit abfallenden Schülern umging, reicht an eine Psychiatrisierung Andersdenkender. Seinem abgefallenen „ach so verwahrlosten“ Schüler Stekel hängte er „mo ral insanity“ an. Ferenczi wurde mit einer Paranoia belegt. Gegen Alfred Adler begab Freud sich gar ins Antisemi tische. Schon Gab Lewin „Täuschung“ aber noch als Mit tel der Umerzie hung zur Demokratie an, so wurden in seiner Umgebung von Chis holm bis Huxley offen Demoralisierung und / oder Diktatur als Ziel genannt und dies in tendenzieller Übereinstimmung mit den Leitfiguren der „mainstream-Therapien“ (s.o.). Die Hilfeversprechen, die speziell die Freudsche Methode beinha ltet, waren übrigens nie wirklich ausgewiesen. Sie waren und sind anscheinend immer vor allem Lockmittel, Mittel der Täuschung. 13.6 Die Verlockung ist offensichtlich groß, so daß viele „studierte“ Menschen auf die Theorien ein schwenken und sich dann während ihres ganzen Berufslebens als Psychotherpeuten in jedem ein zelnen Behandlungs fall auf ihre Glaubenstreue in ihnen testen lassen, vornehmlich in der „Konflikttheorie“. An sie, das abs truse Dogma des Neo-Marxismus 73 glauben ja viele. Ein in der Urform seiner Glaubensgemeinschaft war In toleranz gegen Abweichler, war Psychiatrie -Mißbrauch gängig. 71 Chisholm G., The Responsibility of Psychiatry, in The William Alanson White Memorial Lectures, Psychiatry, Journal of Biology and the Pathology of Interpersonal Relations, Vol.9, No.1, 2/1946., zitiert von Röder u. Kubillus (K.7.3). 72 Lewin K., Die Lösung sozialer Konflikte, Christian, Bad Nauheim, 1975. 73 Marx lehrte den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, Freud den zwischen „Es“, „Ich“ und „Über-Ich“. Ihre Jünger behaupten nun, aus diesen (manchmal variierten) Konflikten entstünden „die psychischen Krankheiten“ (Faber F. & R. Haarstrick, Kommentar - Psychotherapie-Richtlinien, 4. Aufl., Jungjo hann,1996). Jeder, der für solche „Therapie“ von den Krankenkassen bezahlt werden will, muß nun nach diesen Richtlinien in je dem einzelnen Be handlungsfall einen „Konflikt“ in seinen Patienten (er-) finden und ihn einem Gutachter „nachweisen“. Die „Inszenierung von Konflikten“ ist (nach 22 großer Teil unserer politischen, publizistischen und ärztlichen „Elite“, Administratoren der Psychiatrie, selbst manche Kleriker scheinen glühend an sie zu glauben. Gegen das Gutachterverfahren, das die konflikttheoretische Glaubensfestigkeit der „Therapeuten“ prüft und weiter einschleift, begehren diese ob der damit verbundenen Arbeit manchmal auf. Mit den „Richtlinien“ sind sie jedoch den Richtliniengebern und -hütern, den Gutachtern - „Monster“ von ihnen mitunter geheißen (nda 1/98) - hoffnungslos ausgeliefert. geber die neue „Seelsorge“ durch die Einbe zie hung der Psychologen in die „kassenärztliche Versorgung“ nochmals befestigt. Zur „geplanten Gesellschaftsänderung“ waren freilich von Anfang an ein umfassendes Betreuungssystem vorgesehen, als „Change Agents“ von vornherein viele Berufszweige, über Psychiater hinaus Psychologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Erziehungsberater, Eheberater, auch umgepolte Theologen usf.77 Handelt es sich hier um einen neuen, sanfteren Mißbrauch von „Seelen-Heilkunde“ zu politischen Zwecken, so gleichzeitig doch um einen wesentlich umfänglicheren, als er in „alter“, strenger Form jetzt z.B. aus Turkmenistan berichtet wird (K.3). 13.7 Eine den Menschen achtende Psychotherapie bleibt gewiß unverzichtbar. Wie bei der Psychiatrie-Reform kommt es hier auf die Art (K.7.5), das Menschenbild und die verfolgten Ziele an. In der Medizin gab es immer weltanschauliche Spaltungen, teils ins Auge springende wie die zwischen Allo pathie und Homöopathie, teils subtile, gibt es demzufolge so erbitterte Gegnerschaften, daß Überbrückungsversuche oft gar nicht mehr unternommen werden. Damit kann die Heilkunde in der Regel auch le ben. Den Spaltungen unter den Therapeuten entsprechen ja meist solche in der Klientele. So findet, wer darauf aus ist, Homöopathie und Bach-Blüten-Therapie und vieles weitere mehr. Daß in der „Seelenheilkunde“ manche praktizieren, was andere für schlichten Humbug halten, was jene wieder als Indiz für deren Ignoranz ausgeben, wäre also nichts Besonderes. Nur hat die Ärztevertretung in Deutschland sonst zumindest auf Unschädlichkeit der Heilmit tel geachtet. Daß sie im Psychotherapeutischen auf gar nichts achtete, sie die eindringlichsten Warnungen beiseite schob74 , sie plumpe Ideologie zum ärztlichen Fachgebiet e rhob und nach Neomarxisten-Manier darüber gar „den Diskurs verweigerte“, wie ist es anders als mit polit ischem Druck zu erklären? 75 13.9 Unbotmäßige mit tels „Seelenkunde“, etwa durch Abschie bung in geschlossene psychiatrische Abteilungen, zumindest aber ins psychisch „Fragwürdige“ ausschalten zu können, Unbotmäßigkeit erst gar nicht aufkommen zu lassen durch Abfütterung mit Brot und Spielen, dazu heute besonders durch Rauschgiftabgabe und staatlich regulierte, heilkundlich verbrämte Bewußtseinsbearbeitung, daran sind anscheinend die Machthaber weit hin und nach Huxley grundsätzlich in teressiert. Das könnte der Grund sein, warum das Thema des Psychiatrie -Mißbrauchs über die Jahre so strikt und generell tabuisiert wird. 13.8 Daß nunmehr im Organ der DGPPN (Fn 65) Zweifel an der sanktionierten Psychotherapie laut wurden, geschah offensichtlich, weil jetzt die “managed care“ in den USA stärker auf die Effizienz der Verfahren sieht und einige Spitzenvertreter des Fachs sich schnell noch absichern wollen. 76 Die Kritik kommt wieder spät (Fn 9). Im vergangenen März hat der GesetzW. Brezinka, Die Pädagogik der neuen Linken) eine Hauptstrategie des Neo-Marxis mus. Beliebig können daraus Forderungen nach weiterer Ge sellschaftsänderung abgeleitet werden. Die Bundesärztekammer, letztlich das (ärztliche) „Establishment“ decken den Schwin del. Zugute ist ihnen zu halten, daß sie damit angesichts verbreiteter ärztlicher Arbeitslosigkeit doch viele Kollegen zu einer Beschäftigung bringen. 74 Karl Jaspers etwa hat sein ganzes wissenschaftliches Leben hindurch die Psychoanalyse klarsichtiger Kritik unterzogen. 75 Kürzlich wurde in Rußland die Psychoanalyse, die in den 20ern unter Trotzki zum Aufbau des Kommunismus schon kräftig beigetragen hatte (RB 1/96, K.10.3), von Jelzin „per Dekret“ wieder eingeführt. 76 nachdem „der US-Staat New Hampshire 1995 den Entwurf eines ‘Truth and Responsibility in Mental Practice Act’ vorgelegt und damit den gegen „Wahrheit und Verantwortung“ handelnden Psychotherapeuten erstmals Grenzen aufgezeigt hat. 77 Was die Regierung gleichzeitig vorsah, den staatlichen Lauschangriff unter Einbeziehung aller ärztlichen und nichtärztlichen Therapie -Einrichtungen, er zumindest ist auf der Strecke geblieben. 23 14. Gesellschaftsänderung - links oder rechts geplant? in den Gestalten des „Helmholtz Watson“ und des „Sigmund Marx“ porträtiert hat. Ärzte, vor allem ihre „Spitzenvertreter“ (nicht alle, aber doch genügend viele) machen, wie seit Hitlers Zeiten bekannt, überall mit, wo ihnen lukrative Posten win ken81 . Das Fußvolk aber hält still. Es haben halt nicht nur „Deutsche... starke Bin dungen an ihre Lehrer und beruflichen Führer“ (K.7.3). 14.1 Unter der Überschrift Pervertierung der Natur schrieb das Deutsche Ärzteblatt 4/98 angesichts aktueller Vorsätze, Menschen zu klonen: „‘Wir entkorken unsere Keimlinge als vergesellschaftete Menschen, als Alphas oder Epsilons, als künftige Kanalreiniger oder künftige Brutdirektoren.’ Die auf diese Weise in Aldous Huxleys Roman beschriebene Herstellung von Menschen war in ‘Schöne neue Welt’ noch grausige Fiktion. Doch vielleicht wird das Klonen von Menschen schon in naher Zukunft Realität sein. Der US-amerikanische Physiker Richard Seed j edenfalls will der erste Wissenschaftler sein, der Menschen klont...“ 14.4 Auch die ärztlichen „Lebensschützer“ haben sich merkwürdigerweise um die Psycho-Thematik wie auch das Huxleysche Konzept nie sonderlich gekümmert. Zeichnet für die Änderung der Ethik nicht mitverantwortlich, wer sich nur über ihre Folgen entrüstet, die Tatsache und Umstände ihrer Planung aber ignoriert oder gar verschleiert? So nahe etwa die „Europäische Ärzteaktion“ „unserer“ Proble matik des öfteren kam (RB ‘97, Fn 9), ging sie ihr doch immer wieder aus dem Weg, ging sie wie manch andere WertKonservative in der „Psycho-Thematik“ überhaupt seltsame Wege82 . Ihnen gilt hier weithin Christa Meves als Richtschnur. Zur seelischen Entwicklung hat sie viel Einfühlsames publiziert, immer dabei für die Psychotherapie geworben, nie aber die hier vorherrschenden Zie lsetzungen und nie den Psychiatrie miß brauch berührt (K.13. 5-6). Das weckte öfters schon den Verdacht, es könnte sich auch bei einigen Konservativen um Age nten des Wertewandels handeln, die ihre Klientele mit Halbwahrheiten einlullen, um sie von den eigentlichen Konfliktfeldern abzule nken. 14.2 Leider ist auf die Ablehnung auch grausigster Entwicklungen durch ärztliche Organe kein Verlaß. Heute äußern sie Empörung. Morgen aber schon entdecken sie für sie bedenkenswerte Gründe, wie wir’s gerade bei der Euthanasiedebatte erleben.78 Und übermorgen legen sie sich, wie bei der Fristenregelung, der Rauschgiftabgabe, den „Psychotechniken“79 zu sehen, für sie ins Zeug und diffamie ren Kritiker der ärztlichen Beiträge zur „Schönen, neuen Welt“ als „Fundamentalisten“, „Sektierer“ usf. Daß das Blatt aber den Plan, in dem sich all die genannten Entwicklungen bewegen, überhaupt erwähnt, ist ihm zugute zu halten. Er kommt sonst selten zur Sprache. Wir aber stellen ihn nicht „ge sinnungsethischer“ Prin zipien wegen heraus, sondern weil die „Schöne neue Welt (-Ordnung)“ und die ärztlichen Beiträge dazu schon von den 68er Sprachregelungen her, in Stadien jedenfalls lange vor der jetzt möglich gewordenen Gen-Manipula tion, auf eine Erniedrigung und Verelendung des Menschen, zudem eine Diktatur hinausgehen, die Psychia trie-Miß brauch einschließt. Huxley erklärte es rund heraus. 14.5 Nun gibt es einen Zusammenschluß wert-konservativer Gruppen aus europäischen, vor allem deutschsprachigen, aber auch aus anderen, auch außereuropäischen Ländern - im Herbst veranstaltet er seit Jahren den großen Kongreß „Mut zur Ethik “ -, in dem außer besagten Lebenschützern maßgeblich eine Gruppierung wirkt, die einem weiten Kreis gegenwärtigen kulturellen Lebens und hierbei den Vorgängen auf dem Psycho-Gebiet große, auch kritische Aufmerksamkeit widmet,83 der 14.3 Dabei sind die planenden wie planung-umsetzenden Wissenschaftler, Ärzte, Psychologen, Biologen etc. bei all den genannten Entwicklungen wohl nur die Lakaien ihrer politischen Herren, so wie sie Huxley80 81 Ein Hauen und Stechen ist unter den Ärzten immer und heute besonders um das liebe Geld. Da dieses im Ge sundheitswesen knapp geworden ist, fehlen auch die Nervenärzte, Neurologen und Psychiater im Getümmel nicht. Rauschgiftabgabe, Euthanasie, Psychiatrie-Miß brauch etc. haben dagegen kaum einen von ihnen oder gar ihren Berufsverband je in Aufruhr versetzt. 82 Niemand braucht in den Chor derer einzufallen, die etwa Homosexualität zur höchsten aller Lebensarten hochjubeln. Aber sie zur Krankheit zu erklären, wie es, weil’s ins Konzept paßt, besagte Ärzteaktion macht, dafür ist die Sache doch zu ungesichert. Gegen eine „Psychiatrisierung“ Andersdenkender, auch Andersfühlender steht die DVpMP nun einmal. Gegen jeden Psychiatrie -Mißbrauch steht sie. 83 Bei einem Vortrag vor dem VPM in Zürich im Februar 1997 gewann Ref. von den Versammlungsteilnehmern einen hervorragenden Eindruck. Wohl sind sie, Anhänger einer psychotherapeutischen Schule, seines Erachtens einem bestimmten Denksystem verhaftet, dies aber nicht mehr, als es Anhänger sonstiger Psychotherapie-Schulen auch sind, mit 78 Schon stellte R. Flöhl in der FAZ vom 18.02.98 die Frage: „Klonieren bald gesellschaftsfähig?“ 79 Sie kommen auch oder gar besonders in den „RichtlinienPsychotherapien“ zum Tragen. Ihnen entstammen sie ja. 80 Die Namen von Huxleys Protagonisten s ind jeweils von (zwei) bekannten geschichtlichen Gestalten abgeleitet. In „Sigmund Marx“ ist der „dynamische“ Freud-Marxismus personifiziert. H. Helmholtz (1821-1894) war Pio nier u.a. der Sinnesphysiologie, der Amerikaner J. Watson (1878-1958), skandalumwittert, aber Medienliebling, ein Pionier der Ve rhaltenstherapie, die er klar als Mittel „sozia ler Kontrolle“ bestimmte. Mittels deren Techniken erbot er sich, aus Klein kindern nach Wunsch Advokaten, Künstler oder Landstreicher und Diebe zu machen. 24 schon erwähnte Verein zur Förderung psychologischer Menschenkenntnis (VPM) in Zürich (K. 9.4). ksradikaler Studenten steht - der wurde offensichtlich nur zur Init ialzündung gebraucht. Selbst psychotherapeutisch engagiert, stellt er unter anderem heraus, wie mit den „Psychotechniken“ weithin gar die Kirchen aufgerollt worden sind. „Priester tanzen das ‘Vaterunser’ um den Altar herum ... (solche), die sich den neuen Trends ... widersetzen, (werden) beurlaubt oder sogar an den Psychiater überwiesen... (Wir) haben es nicht mehr mit einem normalen kulturellen Wandel zu tun, sondern mit einem künstlichen und verordneten.“84 International und parteiübergreifend sind die 68er Kulturrevolution und ihre Werte offe nsichtlich vielmehr Sache des politischen „Establishments“, der Macht- und (großen) Geldhaber, für die Menschenverachtung, so scheint es, selbstverständlich und eine Schöne Neue Welt-Ordnung obendrein höchst komfortabel ist 86 . Darüber reden sie verständlicherweise wenig. Die Sache grenzt schließlich an Hochverrat. Am liebsten lassen sie das Platzgreifen der 68er „Werte“, die nicht von ungefähr ihren schön-neu-weltlichen „Werten“ entsprechen, durch ihre Medien als „Volkes Wille“ erscheinen. Unter die „Psychotechniken“ rechnet der VPM allerdings nur oder vor allem die systemische und Gestalttherapie sowie das Psychodrama, die, beim ärztlichen und politischen Establishment hoch im Kurs, wahrlich „therapeutische“ Sumpf blüten sind, keineswegs freilich die einzigen auf dem „Psycho-Markt“. Treffend analysiert der VPM den Neomarxismus, sagt aber nur wenig darüber, daß und in welc hem Umfang dieser und besagte Psychotechniken insgesamt die Kreation hoch „anerkannter“ „Seelenkundler“ (sowie reicher Geld geber) sind. Daß die (Un-)Werte des Neo-Marxismus weithin zu „westlichen Werten“ und diese in vielen Ländern fast schon zur „Staatsräson“ gediehen sind, liegt ge wiß weniger an seinen Vorstellungen vom Besitz als vie lmehr daran, daß er die Menschen für eine „sanfte“, ethisch gleichwohl skrupe llose Diktatur nach Art der Schönen, neuen Welt „konditioniert“. Um sie scheint es den Machthabern in erster Linie zu gehen (Prantl, RB ‘97, K.19). Manche der genannten Konservativen geben gute, wichtige Informationen. Wir fragen uns andererseits, warum sie das noch fehlende Stück Erkenntnis nicht schaffen, die ganze Wirklichkeit des Freud-Marxismus nicht wahrnehmen wollen, von der her der „seelen-heilkundlich“ verbrämte Spuk der „WerteÄnderung“ um uns herum doch mit einem Mal in sich zusammenfällt. Unser Urteil bleibt manchen Weggefährten gegenüber unsicher. 14.6 Spitzenvertreter „methodischer und provokativer“ Irreführung (K.13.2) finden sich in vielen Bereichen, in denen der „Seelenkunde“ aber um so mehr, als ihnen offensichtlich hohe politische Instanzen weltweit und anhaltend Unterstützung gewähren. Längst ist ja klar geworden, daß hin ter der 68er „Kopfstandmoral“ (Fn 61) wie Drogenverharmlosung, Abtreibung, Euthanasie einschließlich der Fabrikation einer neuen, sie stützenden Religion 85 nicht ein wilder Haufen lindem kleinen Unterschied eben, daß die anderen neo-marxistisch-liberalen Kurs segeln (vgl. K.7.2), der VPM aber eher nicht. Weil Psychotherapie weithin ihr Vehikel war und ist, deshalb wohl ist den rot-grünen Seelenspezialisten und ihren Beschützern in der Politik (und in der Presse einschließlich des Deutschen Ärzteblatts) der VPM als „schwarzes Schaf“ so verhaßt (Fn25). 84 Weber M. M. in Nr.1/98 des VPM-Organs „Zeit-Fragen“. Ausführlicher breitet der Autor die Entwicklung aus in Psychotechniken - Die neuen Verführer, Chistiana, Stein am Rhein, 1997. Daß sich die Führung der „Lehmann-Kirche“ Zeit läßt, der Papstbitte nachzukommen, erstaunt nach den Darlegungen Webers kaum mehr. 85 Wie Erich Fromm, 68er Altmeister, in Psychoanalyse und Religion schon in den 70ern ausführte, gibt es für den Aufbau „weitgefaßter und geläuterter Religion(en)“ (soweit er den Freud-Marxismus nicht selbst als solche konzipierte) großzü- gige Sponsoren, z.B. die Dwight Harrington Terry Foundation. Wer Herrn Bax, seine GIP und „Psychiatrie-Reform“ aushält (K.6), dazu brachten wir in RB’97, K.16 schon einen Auszug. 86 Manchmal wie etwa bei der Abtreibung sieht es aus, als liefen die Fäden bei den Vereinten Nationen zusammen. Für die Psychiatrie ist die zentralisierte politische Steuerung evident (RB ’97, K.17). Der jetzige WVP-Präsident Prof. N. Sartorius kommt unmittelbar aus der Regierungsbehörde WHO. 25 15. Abhilfen (?) „Oberlehrer“90 bei vielen Gelegenheiten an, während sie selbst - sie halten ihre „zu beschützenden“ Wähler offensichtlich für arg „dumme Kinder“ (K. 10.3) - eine „Richtlinien-Psychotherapie“ (K.13. 6) weiter festzurren, die als „staatliche Bewußtseinspfle ge“ freud-marxistisch autoritärer kaum sein kann. Daß der „Psycho-Markt“, bis ins Esoterische hinein aus der Substanz der „RichtlinienTherapien“ 91 hervorgegangen, von fließenden Übergängen ihrer Lehren, ihrer Vorstellungen und Begriffe bestückt ist, das unterschla gen sie. Selbst noch im Irrlicht „bewußtseinserweiternder“ Drogen (Fn 20) schwirrt Freuds (falsches) Versprechen „Wo Es war, soll Ich werden“. Nur aus der Dominanz des Freud-Marxismus und seines „wissenschaftlichen“ Herrschaftsanspruches ist die neue Ve rfolgung anderer Weltanschauungen und Religionen erklärlich. 15.1 Am 22.12.97 ist ein Bericht der UN-Menschenrechtskommission (E/CN.4/1998/6/Add.2) über die Visitation einer Delegation in Deutschland im September 1997 herausgekommen. Ihr gegenüber kamen Abgeordnete, Präsident/inn/en von Bundestag, Länderparlamenten, Vertreter der (Bundestags-) Enquete -Kommission ‘sogenannte Sekten und Psycho-Gruppen’ nicht mit der Arroganz davon, mit der sie sonst unbequeme Fragesteller abwimmeln. Dem Special Rapporteur der UNDelegation A. Amor hatten sie Rede und Antwort zu stehen. Allein was sie ihm zu einigen angeschwärzten Gruppen mitteilten und was der Bericht davon wiedergibt, ist aufschlußreich. Ihre Herabwürdigungen z.B. der „Vereinigungskirche“ begründeten die Politiker ihm gegenüber tatsächlich damit, daß diese nach dem Hörensagen „politisch“ sei (K.9.6)! Den Vergleich der Scientology (Fn35), die die Bundesrepublik mit Nazi-Deutschland gleichgesetzt hat, wies die UN-Delegation mit Bestimmtheit zurück. Aber sie meldete auch am Umgang der Behörden mit dieser und anderen Gruppen ihre Zweifel an, wenn sie zum Beispiel feststellte: „Die Innenministerkonferenz meinte, daß es bezüglich Scientology Beweise gäbe87 ... Den Behörden zufolge gewinnt (diese) durch unmoralische und illegale Techniken der psychologischen Manipulation und Repression Macht nicht nur über ihre Mitglieder, sondern auch über den Staat und die Gesellschaft....“88 . Besorgt vermerkte der Special Rapporteur, daß aus den ständigen, kaum je substanziierten Anfeindungen gegen diese und jene Gruppe hierzula nde „ein Klima der Verdächtigungen und... Intoleranz“ entstanden ist. Und er gab Empfehlungen, wie dagegen92 vie lleicht aufzukommen wäre. Er forderte, daß „Zweck, letzte Ziele und Funktion des Enquete-Kommission des Bundestags weiter geklärt werden sollten.“93 Und empfahl, „Verständnis bei den Medien zu entwickeln, die die Angelegenhe iten von Religion und Glauben allzu oft grotesk, um nicht zu sagen gänzlich verfälschend darstellen, Schaden 15.2 Hier erkennen Bundes- und Landesinnenminister etc. also Techniken psychologischer Manipulation als real und wirksam, ungut wirksam und unmoralisch an (Fn44) - bei (religiösen oder „Psycho“-) Gruppen, auf die sie selbst kaum Einfluß haben. Wo sie die Anwendung der Techniken (von der Konditionierung bis zur Gruppenarbeit) bestimmen wie bei besagter Psychotherapie, da stützen und alimentieren sie sie nach Kräften. Bei der genannten UN-Visitation stellten einige Anti-Sekten-Streiter eine „Notwendigkeit, den Psychotherapie-Markt zu regulieren“, heraus, wobei die Abgeordneten auch noch den „Verbraucher-Schutz“ bemühten89 . „Autoritäre Strukturen“ der Sekten prangern die under a religious label.... According to officials and members of the Bundestag Study Commission, similar regulatory provisions ought to be adopted with regard to psychotherapists and psycho-groups as part of consumer protection. 90 so I. Stahmer, Berlin, Senatorin für Schule, Jugend und Sport, in der Broschüre ???Sekten??? - Risiken und Nebenwirkungen, 1997. 91 Was uns hier weiter erwartet, dafür steht Freud. Von Jugend an identifizierte er sich mit Hannibal, Roms historischem Widersacher. Er verkörperte für ihn „den Gegensatz zwischen der Zähigkeit des Judentums und der Organisation der katholischen Kirche“. „Ausdauer und Ausschließlichkeit des Puniers“ im Kampf gegen Rom gingen gar in seine Traumdeutung ein. Mehrfach kehrte er wie jener auf seinen Italienfahrten vor der Stadt um, bis er sich „den Lebenswunsch Hannibals, in Rom einzuziehen,“ erfüllte. Noch gegen Ende seines Lebens antwortete er einem Besucher, der ihn vor dem Einzug der Nazis in Wien warnte: „Helfen Sie mir lieber, meinen wahren Feind zu bekämpfen - die römisch-katholische Kirche.“ Tilmann Mosers Pamphlet „Gottesvergiftung“ setzt dem wenig mehr hinzu. 92 ...there is total confusion in which all groups and communities in the field of religion and belief are generally considered to be dangerous and using religion for other ends, whether financial or criminal. The confusion generates a climate of suspicion or even manifest or latent intolerance within society. 93 The purpose, ultimate goal and function of the Bundestag Study Commission should be further clarified. 87 Gibt es offensichtlich nicht. Sonst hätten die Behörden bei der jahrelangen Kampagne Beweise längst vorgelegt. 88 The Conference of Ministers and Senators of the Interior of the Länder considered that there was real evidence about Scientology... according to the authorities, Scientology gets a hold not just over its members, through immoral techniques of psychological manipulation and repression, but also over the State and society... Associations of victims... stressed that Scientology was... a psycho-group, i.e. an agency for managing people’s lives, whose abuses (financial exploitation of members through methods of psychical and psychological dependence) should be combatted. 89 Mention was also made of the need to regulate the psychotherapy market, where financial motives were often concealed 26 anrichtend ...“94 Öfters schon hatten wir gegen UNVorgaben Vorbehalte anzumelden. In der Drogenpolitik aber sind es die Vereinten Nationen, die verdienstvoll den Widerstand gegen die allgemeine Drogenüberschwemmung noch aufrechterhalten (Fn86). Auch bei dem eben Zitierten können wir nur beipflichten, vie lleicht noch ergänzen: Bezüglich des gesamten Seelenkomplexes ein schließlich des Psychiatrie-Mißbrauchs war und ist das Informationsgebaren der Medien landauf, landab von besagter Art (vgl. K.4.8).95 Auch von der genannter „Belobigung“ ließen sie „natürlich“ kein Wort verlauten. der regierenden Kaste mitsamt ihren „trainie rten“ Publizisten, „Psycho- und Sozial-Ingenieuren“ gegen die Bevölkerung ist. Die aber scheint es großenteils nicht mehr zu bemerken, weil sie weitge hend „psychotechnisch“ bereits „umtrainiert“, um-„konditioniert“ ist (Huxley, Watson, Fn 80). 70 Prozent der Schweizer Wähler erklärten sich bei o.g. Abstimmung für weitere staatliche Rauschgiftabgabe (K.9.8), 85 Prozent der Deutschen stehen einer Meldung der Welt vom 06.02.98 zufolge in Sachen Schwangerschaftsberatung gegen den Papst. Sie wie auch einige deutsche Kleriker scheinen tatsächlich zu glauben, die Kirche könnte beim Abtreibungsgeschehen (und natürlich bei der Rauschgiftausgabe etc.) ruhig weiter mitmischen. Zwei Drittel der Amerikaner, feixte Die Welt vom 11.03.98, stört nicht, wenn ihr Präsident in Sachen seiner Amouren gar einen Meineid geleistet hätte. Mit 60:40 Prozent hat sich die Wählerschaft von Oregon nunmehr für die Euthanasie erklärt (K.12. 4). Den Macht- und Geldhabern fiel es international offensichtlich leicht, von den 68ern an Vertreter ihrer Interessen und ihrer „Moral“ (K.6) mit der bewußtseins formenden Ausrüstung an die gesellschaftlich relevanten Plätze zu stellen. Andererseits ist an den UN-empfohlenen „Trainingsveranstaltungen für Medienvertreter zur Entwicklung ihres Bewußtseins für die No twendigkeit einer Informationsverbreitung, die die Prinzipien der Toleranz und Nicht-Diskriminierung stärkt“ 96 auch nichts Behagliches. Daß unsere Zeitungen, Medien weithin so uniform berichten, liegt es daran, daß sie ständig „zentral“ „trainiert“ werden? Pressefreiheit - eine Farce? 15.3 Insgesamt stellt sich jetzt die Kultur revolution der 68er als neuer Kultur kampf dar, in dem die Fronten deshalb mit ten durch die Gesellschaft, die Kirchen und natürlich längst - oder gar zuvörderst - mitten durch die „Seelen-Heilkunde“ ge hen, weil es ein Kulturkampf 15.4 Nochmals: Den Psychiatrie -Mißbrauch als Instrument der Macht gibt es in den Hauptformen streng und sanft, zwischen diesen Polen aber in abgestuften Varianten. Dort werden Mißliebige, wenn nicht durch Internierung, dann durch Ehrabschneidung, Abdrängung ins psychisch Fragwürdige, „Se ktiererische“ erledigt. Hier aber - die „sanfte“ Form dürfte noch gängiger sein - wird „Richtlinien-Bewußtsein“ (K.13. 5-6) geschaffen. Was sie den Sekten vorwerfen, praktizieren die Machthaber über ihre „trainierten“ Psychiatrie -Psychotherapie -Apparate offensichtlich selbst und zwar in unvergleichlich größerem Umfang, „flächendeckend“. Und tun es unter ärztlicher Mitwirkung eher noch unmoralischer, indem sie etwas, was de facto Hirnwäsche ist, als Heilkunde ve rkaufen. 94 The Special Rapporteur also recommends a campaign to develop awareness among the media, and in particular the popular press, which all too often portrays matters relating to religion and belief in a grotesque, not to say totally distorted and harmful light. The recommandations... should therefore be implemented, in particular training workshops for media representatives to develop their awareness of the need to publish information that respects the principles of tolerance and non-discrimination. These measures would also make it possible to educate and shape public opinion... Die Osterausgabe der Süddeutschen Zeitung (11.-13.04.98) in „Die Zöglinge des Zölibats“: „Dem Versprechen, gehorsam, arm und keusch zu leben, hängt nicht mehr der Weihrauchduft des Heiligen an, sondern der brenzlige Geruch des Hirnverbrannten“. 95 Vom „Ansehen der deutschen Presse“ faselt selbstbeweihräuchernd das Deutsche Ärzteblatt 13/98, den gütigen „Deutschen Presserat“ lobend („Nicht Richter, sondern kollegialer Ratgeber“). Weithin wurden die Verbrechen des Psychiatrie miß brauchs, insbesondere die Haltung der westlichen Psychiater dazu von den Medien abgedeckt! Der einzige Journalist im Land, der in den 80ern öfters daran rührte, der FAZ-Korrespondent Langen, versuchte dafür intern um so intensiver die Diskussion der „neuen“, „sanften“ Mißbrauchsvarianten abzuwürgen, die DVpMP insgesamt auf GIP-Kurs zu bringen. Über die Jahre hat die FAZ die Psychiatrie-Reform forciert (Fn46), die Pseudowissenschaft der Psychoanalyse dazu. Und kein Protest aus ihrem Leserkreis (z.B. der von Dr. W. Behr, FAZ vom 28.06.92) vermochte sie zu ernüchtern. Vom Kinsey-Report an hat die Presse fragwürdigtste „Seelenkunde“ gepusht. 96 Wenn die Massenmedien zur Manipulation des Massenbewußtseins nicht ausschlaggebend waren (Fn 38), so waren und sind sie hierbei gleichwohl von erheblicher Bedeutung. Alle Schicksalsschläge, Unsicherheiten und Schwächen, die den Menschen zwischen Wiege und Bahre befallen, nützen sie, ihn in ihre Seelenmühlen zu locken, nunmehr selbst die Opfer kommunistischer Diktatur 97 . Gebe sich nie mand Illusionen hin: Was es an „anerkannten“, staatlichen oder staatlich geförderten „psychosozialen“ Beratern, Beratungsstellen, Therapie97 Opfern des Psychiatriemißbrauchs kann’s passieren oder passiert es gar häufig, daß sie jetzt „seelenkundigen“ Therapeuten zuempfohlen werden, die seinerzeit an der Praxis des Mißbrauchs von Psychiatrie und Psycholgie nicht das geringste auszusetzen hatten. Schrecklich überlastet seien sie durch solche Hilfesuchenden, klagen solche Therapeuten jetzt, etwa N. Gurris vom (u.a. staatlich üppig geförderten) Berliner „Zentrum für Folteropfer“. Dringend mehr solcher Zentren bräuchte es. Dringend mehr Geld bräuchten sie (4. Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt). 27 einrichtungen gibt, ist von der Ausbildung und den lebenslänglich vielfältig fortgesetzten („Qualitäts“-) Kontrollen der „The rapeuten“, „Trainer“ oder Berater her bis in viele Einrichtungen der Caritas hinein (K.8.5) freudmarxistisch ausgelegt. zustande gekommen, wäre sie nicht zwanzig Jahre durchzuhalten gewesen. Niemand braucht sich von „Seelenkundigen“ einschüchtern, ein lullen zu lassen. Bekennende Christen aber sollten Acht geben, daß die neuen Hexenjagden unserer Staatsverwaltungen auf verschiedene Glaubensgemeinschaften nicht wieder ihren Kirchen ans Bein gebunden werden. In genanntem UN-Bericht klingt das schon an! „Haltet den Dieb“ (Fn 36) ist verbreitete Methode. Nachdem glaubens treue Protestanten, Katholiken heute mitunter schon einigen „zeit geistbewegten“ Bischöfen mit Vorbehalt begegnen, werden sie doch ein kritisches Auge für die „laizistischen Seelsorger“ aufzubringen in der Lage sein, jene ewigen „Kostgänger des Staates“ (K.7.6), und wo nicht, „stark an ihre Lehrer und beruflichen Anführer“98 gebunden (7.3). Der Mut des Bischofs von Münster (Fn 18) könnte manchen auch heute Vorbild sein, der politisch weithin korrumpierten „Seelenkunde“ (Fn 1) Schranken zu setzen. 15.5 Mit ihren armseligen Inhalten (KonfliktTheorie etc.) konnten die Freud-Marxsche Ideologie als neue „Staatsreligion“ etabliert, mit den Einrichtungen der „Reform-Psychiatrie“ (K. 6 und 7.5) dazu die entsprechende „Seelsorge“ samt einer über sie wachenden „Staatskirche“ und Monster-Hierarchie (K.13.6) eingerichtet werden. Diese Unsäglichkeiten aber passierten, ohne daß davon im Land breiter Notiz genommen worden wäre. Selbst in den Reihen bekennender Christen beunruhigte es niemanden. 15.6 Die Machthaber haben natürlich Argumente. Wie es Brave-New-World impliziert, haben sie eine Frie densordnung geschaffen, haben zumin dest zu dem Frieden beigetragen, dessen wir uns seit über 50 Jahren erfreuen. Auch ist die Welt in manchen Bereichen humaner geworden. Selbst eine gewisse Freiheit besteht trotz „political correctness“ immer noch. Freilich sind diese Errungenschaften nicht, wie die Regierenden gern glauben machen, ihr alleiniges Verdienst. Vorrangig liegt es immer noch bei der Rechtsstaatlichkeit, die nicht sie erfunden haben. Weil die Verfassungen und Institutionen der Demokratie immer noch stark sind, können einige Herrschaften, die offensichtlich eher auf eine schön-neu-weltliche Diktatur zusteuern, sich noch mit demokratischen Emblemen schmüc ken. Anhänger totalitärer Systeme hat der Rechtsstaat immer und oft gar in hervorgehobenen Positio nen ertragen. Sie, die mit Psycho-Techniken regierende Kaste ist zwar die Gesellschaft, ist das Volk mehr als es Regie rende je waren. Sie ist es aber aufgrund des Betrugs, der an der Manipulation haftet, doch nicht. 15.7 Noch ist nicht aller Tage Abend. Vor allem in Amerika gibt es offensichtlich viele wache Bürger, die sich, auf festem ethischen Boden stehend, gegen das Umkippen ihrer Gesellschaften in Manipulation und Destruktion wehren. Nachdem jetzt schon die Mit tel und Methoden offenliegen, mit denen selbst die Kirchen verfremdet werden (13.5), könnten und werden sie doch die Machart der Veränderungen zur Kenntnis nehmen, besagte Psychotechniken und die Realität ihrer Praxis. Wobei sie gewiß nicht zu kurz greifen, nicht mehr mit halben Wahrheiten vorlieb nehmen, sich von keinen „wissenschaftlichen“ Bluffs mehr ins Bockshorn jagen lassen werden. Die „Psycho-Angele genheiten“ sind gründlich zu prüfen. Was an ih nen politisch relevant ist, ist zum Glück mit gesundem Menschenverstand erfaßbar. Nicht von ungefähr waren an der Arbeit der DVpMP immer auch „Laien“ beteiligt, die wohl verstanden, daß es hier nicht nur um „Fachliches“, sondern letztlich um Freiheit, Rechtssicherheit und Menschenwürde aller geht. Ohne sie wäre die Arbeit gar nicht 98 Ihnen, fachlich vielfach respektiert, „fach-politisch“ immer wieder entgegentreten zu müssen, ist auch den Psychiatern in der DVpMP kein Vergnügen. 28 16. Aus unserer Stasi-Akte - und Worte von V. Bukovsky .1 Von den Akten, die die Stasi über uns geführt hat, haben wir in RB ‘96 und ‘97 Ausschnitte schon publiziert. „IM Jutta“, alias Prof. Dr. Gisela Otto, zuletzt als Gynäkologin praktizierend in Elmshorn, - Dr. Korjagin hatte gegen sie Strafantrag gestellt -, ist, wie der Generalbundesanwalt inzwischen mitteilte, 1994 verstorben. Immer wieder aber finden sich bei der Gauck-Behörde neue Akten (vo n ihr der Stempelaufdruck BStU), die unsere seinerzeitigen Aktivitäten aus gegnerischer Sicht kommentieren. Ein kleiner Ausschnitt aus einem der vielen (oft inhaltlich sich wiederholenden) Berichte über uns im folgenden. „Am Anfang“ stehen wir jetzt zum Glück nicht mehr, haben inzwischen doch etwas Routine und guten Überblick gewo nnen. _______________________________________________________________________________________ Hauptabteilung XX/1 Berlin, 24. März 1980 Sachstandbericht zur feindlichen Organisation Deutsche Vereinigung gegen politischen Mißbrauch der Psychiatrie e.V. (DVpMP) ......... Die bisher erarbeiteten Informationen zur DVpMP beweisen in erster Linie das feindliche Engagement , die Rolle und einzelne Aktivitäteen ihres Vorsit zenden , Dr. WEINBERGER, und geben noch nicht genügend Aufschluß über die DVpMP als Ganzes, ihre Hintermänner und politische Resonanz. So sind auch die persönlichen Darstellungen des Dr. WEINBERGER zur Wirksamkeit der DVpMP relativ zu betrachten. Er vertritt die Auffassung, daß sich die Vereinigung „erst am Anfang“ ihrer Tätigkeit befinde, daß aber die zahlreichen Entlassungen von „Inhaftierten“ und „Verfolgten“ in der Sowjetunion in die Freiheit als Erfolg ihrer Organisationen in verschiedenen Ländern und damit auch der DVpMP zu betrachten sei. Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, daß alle bereits vorliegenden und dargestellten Fakten zur DVpMP die Notwendigkeit einer weiteren zielgerichteten operativen Aufklärung und Bearbeitung dieser Feindorganisation und besonders ihres Vorsitzenden begründen. (auf der vom Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen überlassenen Original-Kopie befindet sich der Stempelaufdruck: Kopie BStU) _____________________________________________________________________________________ .2 „... Man hat immer zu uns Dissidenten gesagt: ‘Ihr seid zu wenige, was könnt ihr schon bewirken?’ Wir bestätigten stets: ‘ja, wenige’... Unsere Gesellschaft, unser Land waren eben so, daß sich nicht mehr fanden. Wenn ich von einem Altersgenossen gefragt werde, füge ich hinzu: ‘Nun, wenn Sie sich uns angeschlossen hätten, wäre es einer mehr gewesen’. Sie finden aber wichtige Gründe, mit denen sie überzeugend nachweisen, warum das absolut nicht ging. Wir antworten, daß es nicht auf die Anzahl ankam und auch nicht so sehr auf die praktischen Ergebnisse, sondern im Prinzip auf die innere Freiheit und die moralische Verant wortung des Menschen... Unser Einfluß auf das Regime (war jedoch) bedeutender, als wir selbst vermuteten... Der KGB berichtete dem ZK buchstäblich alles, jede Kleinigkeit über unsere Bewegung, und über jede Kleinigkeit mußten das ZK oder das Politbüro einen Beschluß fassen... Es war der effektivste Weg, die Obrigkeit zum Nachdenken zu zwingen... Selbst (aber) in der Periode der Gorbatschowschen Freilassungen... waren am 15. Januar 1987 in den Gefängnissen und Lagern noch 233, in der Verbannung 55..., auf Grund der ‘antireligiösen’ Gesetze in Haft zehn und in den psychiatrischen Kliniken 96 Personen verblieben... Trotz ihrer scheinbaren Begeisterung über unseren ‘Mut’ haßte uns die westliche Elite zutiefst. Unsere bloße Existenz war für die einen eine Bedrohung ihrer Illusionen, für die anderen ein Vorwurf an ihr verbarrikadiertes Gewissen...“ Aus Vladimir Bukovsky (K.6): „Abrechnung mit Moskau“, Gustav Lübbe-Verlag, 1996. 29 17. Jahresversammlung in Mainz am 25.04.1998 17.1 Grußwort Die Unabhängige Psychiatrische Vereinigung Rußlands entbietet den Teilnehmern der Versammlung der Deutschen Vereinigung gegen politischen Mißbrauch der Psychiatrie ihre Grüße. Wir schätzen Ihre Aktivitäten, die zum Verständnis der fundamentalen Be deutung hoher mo ralischer Ansprüche und der natürlichen Mensche nrechte für die Psychiatrie beitragen. Die Geschichte der deutschen wie der russischen Psychiatrie zeigen auf das Dramatischste, welche Ergebnisse die Mißachtung dieser fundamentalen Prinzipien zeitigt, Euthanasie und Einsatz der Psychiatrie zu politischen Zwecken. Zur Zeit werden wir Zeugen wiederkehrender Versuche, die Grundwerte der Medizin erneut infrage zu stellen, wie sie - Garantie der Humanität unseres Berufes - insbesondere bezüglich der Heiligkeit menschlichen Le bens im Hippokratischen Eid niedergelegt sind. Ihre Sorge, Ihre Versuche, all die engen biologistischen Konzepte in uns erem Fach, die Passivität ge genüber der Rauschgiftabgabe wie auch den Einsatz des Faches zur Unterdrückung religiöser Dissidenten zu überwinden, veranlassen uns, Ihnen unsere Solidarität auszudrücken. Wir bewundern Ihren Mut, wünschen Ihnen bei Ihren Bemühungen Erfolg und Ihrer Vereinigung weitere Unterstützung. für den Vorstand der IPA Dr. Juri Sawenko, Vorsitzender Moskau, 17. April 1998 17.2 Diskussionen, eingenommene Positionen 17.2.1 Auf der Tagungsordnung der Jahresversammlung standen die in vorstehenden Texten behandelten Themen. Wie immer gab es angeregte und anregende Diskussionen. Breit erörtertes Thema waren die merkwürdigen Widerstände gegen eine Behandlung kommunistischen Unrechts durch (fast) die gesamte Führungsschicht unseres Landes, in dessen Kontext fraglos die ministerielle Leugnung des Psychiatriemißbrauchs in der DDR steht. 17.2.2 Nach der erlebten Art behördlicher „Aufarbeitung“ (RB’97) ist mit der Gewinnung eines umfassenden Bildes vom Mißbrauchsgeschehen in der DDR kaum mehr zu rechnen. Nachdem wir von einem dringenden verdächtigen Fall in Torgau wissen (RB’97, Fn3), versuchten wir, um wenigstens hier ein Stück Klarheit mehr zu gewinnen, nebenstehende Annonce in die örtlichen Blätter zu setzen. Weder das Neue Torgauer Kreisblatt noch die Torgauer Allgemeine nahmen die Anzeige an: auf zweimaliges Anschreiben (und nochmaligen Anruf, Bitte um Rechnungslegung etc.) keine Re aktion. Nachdem staatlicherseits verkündet ist, daß es „keinen (systematischen) Psychiatriemißbrauch in der DDR“ gab, ist es jetzt offensichtlich kaum mehr möglich, an Miß brauchs opfer, die es, wie aufgezeigt, nun einmal gibt, weiter heranzutreten. Die Systematischer Mißbrauch bedeutete immer systembezogener Mißbrauch (K.4.2). In das Wort Nach dem Flop der behördlichen „Nachuntersuchungen“: Opfer des Psychiatrie-Mißbrauchs in der DDR, vereinigt Euch! Deutsche Vereinigung gegen politischen Mißbrauch der Psychiatrie e.V., Josef-Wirth-Weg 16, 80939 München Wir nutzen die manipulative Kraft der Medien systematisch legten die Minister jetzt den Sinn von massenhaft, der in den langen Jahren des Kampfes gegen den systematischen (= politischen) Psychiatrie-Mißbrauch nie gemeint war. Massenhaft war dieser auch in der seinerzeitigen UdSSR nicht. Auch hier war er eher die „letzte“ (und perfideste) der zur Anwendung kommenden Unterdrückungsmethoden. Wie können sich deutsche Minister und zwar solche der „linken“ wie der „rechten“ großen „Volkspartei“ zu so plumpen semantischen Tricks hergeben? Wie können sie nur annehmen, so billig die Geschichte umschreiben zu können? Warum nur versuchen sie, die Geschichte umzuschreiben? Ernst Leuenberger, Alt-68er, Schweizerischer Nationalratspräsident (SP) in COOP-Zeitung vom 08.04.98 Affäre u.a. wohl ein weiteres Beispiel für die herrschende „Presse- und Informationsfreiheit“ in unserem Land (K.15.2). Dr. Gnauck, der ehemalige, langjährige Vorsitzende der IGfM, führte dazu noch aus, daß ihr Vorstand ganz ähnliche Erfahrungen mit der Presse wie den elektronischen Medien gemacht hat. 30 Immerhin: neurodate (nda), eine liberale, vielen Nervenärzten im Land kostenlos zugehe nde, ob vieler praktischer Hinweise bei ihnen beliebte Fachzeitschrift hat kür zlich den Fall Gebhardt (aus unserem Rund brief ‘97, K.4) nachgedruckt unter Hinweis darauf, daß mehrere solche Fälle hier vorgestellt worden sind. Keiner der nda-Leser hat für sie so weit Interesse entwickelt, daß er den Rundbrief nachbestellt hätte 100 . Immerhin wurde mit dem Nachdruck erstmals auch in einer Fachzeitschrift empfo hlen, dem sächsischen (vom sächs ischen Land tag inzwischen beifällig angenommenen) Kommissions bericht „mit Vorsicht zu begegnen“. land durchführt. Es heißt da in MHR 2/98 u.a.: „Das letzte und eigentliche Ziel ist, die Haltung und das Verhalten der Bevölkerung allgemein gegenüber dem Gebrauch psychoaktiver Substanzen zu ändern“101 (s. auch Kasten). Ungenierter ist kaum noch ausgesprochen worden, was „Reform-Psychiatrie“ will: Ände rung des (Mehrheits-) Bewußtseins zu welchen Zielen und Zwecken auch immer, übelste inbegriffen (K. 15.2). Entsprechend schnellt jetzt auch in Osteuropa die Zahl der „Sub stanzsüchtigen“, HIV-Infizierten etc. in die Höhe. Von immer hochkarätigeren Fachleuten, von der niederländ ischen Regierung, der WHO u.a. werden das Jellinek-Institut und GIP dabei gestützt. 17.2.3 Während sonst hierzulande die Angelegenheiten des Psychiatrie17.2.5 Das SektenprobMißbrauchs, des „strenlem, so wurde erläutert, gen“ wie insbesondere des berührt uns dreifach, ein„sanften“, totgeschwiegen mal wegen der grundsätzwerden, finden viele unse- Ganzseitig steht das Bild in MHR 2/98, eingebettet in den Arti- lich diskriminierenden, rer Mitteilungen, durch die kel „New Approaches to Substance Use 99 Program in Belarus“. einer „Psychiatrisierung“ Abgebildete Haltung und Verhaltensweisen sind es offensicht- nahekommenden WirIPA ins Russische überlich, die hochgestellte „Reformer“ verbreiten möchten. setzt, zwischen Ostsee und kung des „Sekten-VerPazifik doch große Verbreitung und Widerhall. Verdikts“, zum anderen wegen der Beteiligung der Psybindungen bestehen auch ins westliche Ausland. chiatrie an ihm (K.9.9 sowie 10.2) und schließlich wegen der seltsam zwiespältigen Bewertung der 17.2.4 Einige Angelegenheiten wurden bei der VerPsycho-Techniken durch Staats- und Fach-Adsammlung hinterfragt, so die verbreitet doppelbödiministration, dort (bei „Psycho-Gruppen“ etc.) ihge staatlich-ärztliche Rauschgiftpolitik (K.8 und 9). rem bösem Verriß, hier (in der Richtlinien-PsychoDie jüngste Nummer der Mental Health Reforms therapie) ihrer penetranten Unterstützung. Daß diegibt dazu weiteren Anschungsunterricht (K2., 5. und se und andere „neue“ Themen zum Aufgabenbe6.). Sie stellt das aufwendige Förderungsprogramm reich der DVpMP gehören, sie zumindest zur weitevor, das das Jellinek-Institut, Amsterdam, die ren, breiteren Diskussion zu stellen sind - kaum je„größte Abhängigkeitsbehandlungs- und Vorbeumand sonst im Land tut es -, war gemeinsame Übergungsorganisation der Niederlande“ in Weißrußzeugung. Zur Sprache kam in dem Zusammenhang das Amtsent hebungsverfahren, das die SPD gegen den ehemals langjährig verfolgten sächsischen Lan- 99 „Substanz“ ist ein neuer Verschleierungsbegriff für das, was früher einmal mit „Rauschgift“ klar bezeichnet wa r. 100 Bei anderen kommunistischen Medizin-Skandalen war die Bereitschaft zur Aufarbeitung freilich auch nicht viel größer. Daß DDR-Ärzte Doping von Spitzensportlern betrieben, wurde, wie wir jetzt erfahren, von der bundesdeutschen NOKZentrale lange gedeckt. Hierüber immerhin berichtete Der Spiegel vom 04.05.97 101 „The ultimate objective is to change the attitude and behaviour of the population in general regarding the use of psychoactive substances...“ 31 desbeauftragten für die Stasi- Unterlagen Siegmar Faust kürzlich betrieb, weil dieser vor dem VPM (K.9.4, 14.5 sowie 15.1-2) gesprochen hat (Fn 83). Der Sächsische Landtag wies im April den Antrag ab. Fast ist es so weit, daß die Partei und ihr publizistischer Anhang bestimmen, mit wem wir reden dürfen und mit wem nicht, ganz so weit aber noch nicht. DGPPN Ende Juni in Essen (K.12.1), am Weltkongreß für Psychiatrie (WPA-Kongreß) in Hamburg 1999. Einwände wurden laut, daß diese Tagungen, für den psychiatrischen Praktiker meist wenig ergiebig, Bühnen eher für den aufstrebenden (Professoren-)Nachwuchs, gerne zwar unsere Eintrittsgelder kassieren (und keine geringen), uns jedoch kaum je adaequate Artikulationsmöglichkeiten geben (RB’96, K.3.6). 17.2.6 Zur Sprache kamen noch überzogene Slogans, auf die wir wie in der Allgemeinheit, so in der Psychiatrie stoßen, z.B. auf „Manage or Perish“, wie ein WPA- gesponserter Kongreß in Genf (Oktober ‘98) betitelt ist. Managed Care ist in den USA en vogue, eine Form breiterer Krankenversicherung, Krankenkostenübernahme und damit Mitspracherecht von Dritten in der Krankenversorgung, vielleicht eine Notwendigkeit, vielleicht auch wieder eine neue Entmündigung des Einzelnen. Sozialstaat ist manchen anscheinend deshalb ein so großes Anliegen, weil er mehr „Richtlinien- und Kontrollstaat“ ist. Daß es ohne „Managing“ nur „Untergang“ gäbe, ist die Art falscher Alternativen, mit denen uns die Gesellschaftsänderer nicht selten ihre Projekte aufzudrücken versuchen. Wirksamer könnten unsere Publikationen sein, etwa rechtzeitig auslaufende Rundbriefe, die ja doch einige Verbreitung haben, u.a. an alle psychiatrischen Einrichtungen des Landes gehen, auch an viele mit der Psychiatrie befaßte Politiker, und hier vielleicht doch den einen oder anderen zum Nachdenken bewegen. Gänzlich „verbarrikadiert “ ist ja auch ihr Gewissen wahrscheinlich nicht (K.16.2). 17.2.8 Zum Vorstand kooptiert wurden nach § 8, Abs.8 der Satzung - Frau Dr. med. Sigrid Schuler, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Rümmingen (bei Lö rrach) - Herr Dr. med. Dietmar Eckstein, Facharzt für innere Krankheiten in Auerbach/Vogtland (K.4.7). 17.2.7 Besprochen wurden evt. Teilnahmen an bevorstehenden Fachkongressen, so an der (jährlichen) „Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und Psychiater“ in Baden-Baden Anfang Juni (K.7. 5), am (zweijährlich tagenden) Kongreß der DGPPN Ende Juni in Essen (K.12.1), Zur Entlastung von Frau Gattinger wurde das Sekretariat der Vereinigung nach Starnberg verlegt - s. Seite 1. 18. Dr. Christina Hoff Sommers, Washington D.C. Leben wir in einer moralischen Steinzeit? Dr. Hoff Sommers ist Professor für Philosophie an der Clark University. Der mit Erlaubnis der Autorin (gekürzt) wiedergegebene Beitrag ist erschienen in Imprimis 3/98, einem Periodicum des Hillsdale College, Hillsdale MI. Wir hören heute viel davon, daß Johnny nicht lesen, nicht schreiben kann102 und warum es ihm schwer fällt, Frankreich auf der Landkarte zu finden Es ist auch wahr, daß Johnny sich schwer tut, Richtig von Falsch zu unterscheiden. 103 Zusammen mit der Schreib- und Rechenschwäche müssen wir eine tiefe moralische Verwirrung auf die Liste der Erziehungsprobleme set zen. Junge Leute wissen heute zunehmend weniger oder gar nichts über westliche moralische Traditionen... Wenn Sie so viele Gespräche mit jungen Leuten hatten wie ich, gehen Sie einerseits erfreut, andererseits niedergeschlagen von dannen. Noch gibt es hier viel Gutwilligkeit, instinktiven Gerechtigkeitssinn und spontane Großherzigkeit. Die meisten Studenten, denen ich begegne, sind rechtschaffene Leute. Sie gehen wunderbare Freundschaften ein. Sie sind umsichtig und dankbar ihren Eltern gegenüber - mehr als es die vorausgegangene Generation der„baby boomers“ (etwa der 50er Jahrgänge) war. In vielerlei Hinsicht sind sie besser zu leiden als die „baby boomers“. Sie sind weniger selbsteingenommen und eher geneigt, über ihre Fehler zu lachen. Eine erstaunlich große Zahl (70 Prozent der College-Studenten) verrichtet wohl- 102 Wie die Psychiatrie -Reform haben halt auch vielfältige Schul-Reformen gemischte Ergebnisse gezeitigt. 103 Die Jungendkriminalität hat sich entsprechend entwickelt nicht nur in den USA. 32 tätige Arbeit. In Rekordzahlen spenden sie Blut für das Rote Kreuz und fahren Mahlzeiten an hausgebundene Alte aus. Sie verwenden ihre Sommerferien für die Arbeit mit tauben Kindern... Es ist eine Generation von jungen Leuten, die trotz wenig moralischer oder religiöser Anleitung Mitgefühl in die Praxis umsetzt. einen Artikel im Chronicle of Higher Education, was es heute heißt, Shirley Jacksons bekannte Kurzgeschichte „Die Lotterie“ im Unterricht zu behandeln. Es ist die Erzählung von einer kleinen ländlichen Gemeinde, die in jeder Hinsicht ganz normal wirkt. Ihre Bewohner sind arbeitsam und freundlich. Im weiteren Handlungsverlauf aber erfährt der Leser, daß diese Gemeinde alle Jahre eine Lotterie veranstaltet, als deren Ergebnis der Verlierer zu Tod gesteinigt wird. Konzeptionell und kulturell jedoch leben die jungen Leute von heute in einem moralischen Dunst. Fragen Sie einen von ihnen, ob es so etwas wie „Richtig“ und „Falsch“ gibt. Plötzlich stehen Sie da vor einem verwirrten, nervösen, unsicheren Individuum mit einer verknoteten Zunge. Die gleiche Person, die an Wochenenden für „Essen auf Rädern“, einen suicid-wehrenden Telephondienst oder in einem vor ehelicher Gewalt Schutz gewährendem Haus arbeitet, sagt Ihnen: „So etwas wie richtig und falsch, gibt es nicht. Es zählt lediglich, was einem Menschen am besten taugt. Jeder muß das für sich selbst herausfinden“ ... Es ist eine schockierende Lehre über primitive Rituale in einer modernen amerikanischen Umgebung. Früher haben die Schüler „Die Lotterie“ immer als Warnung vor den Gefahren unüberlegter Konformität verstanden. Jetzt aber denken sie nur, das sei „klasse“oder auch „cool“. Heute wird sich keiner der gegenwärtigen Schüler exponieren und gegen Menschenopfer protestieren. Es war so nicht immer. Als Thomas Jefferson niederschrieb, daß alle Menschen das Recht auf „Leben, Freiheit und die Verfolgung des Glücks“ besitzen, sagte er nicht: „Zumindest ist das meine Meinung.“ Er erklärte es als eine objektive Wahrheit. Als Elizabeth C. Stanton die Unabhängigkeitserklärung durch Änderung des Ausdrucks „all men“ in „all men and women“ fortschrieb, gab sie nicht eine Meinung zum Besten, sondern bestand darauf, daß Frauen mit gleichen Rechten wie Männer ausgestattet sind. Die Behauptungen von Jefferson wie Stanton wurden in dem gleichen Geist geäußert - als sich selbst-erweisende Wahrheiten, nicht als persönliche Auffassung.... Ich begegne oft Studenten, die unfähig sind, auch nur ein einziges überzeugtes moralisches Urteil abzugeben... Mehrere meiner Studenten kehrten sich kürzlich gegen die „Prinzipien der Hu manität“ Immanuel Kants, gegen die Doktrin, die die einzigartige Würde und den Wert jedes menschlichen Lebens feststellt. Sie sagten mir, daß sie, vor die Wahl gestellt, ihr liebes Haustier oder ein Menschenleben zu retten, ersteres wählen würden. Wir sind zurückgeworfen in eine moralische Steinzeit. Viele junge Menschen sind gänzlich unberührt von Jahrtausenden moralischer Erfahrung, moralischen Fort schritts104 . Der Begriff objektiver moralischer Wahrheit ist in Mißkredit gekommen. Und dieses Mißtrauen gegen Objektivität hat begonnen sich auf andere Wissensbereiche auszubreiten.105 Das Konzept objektiver Wahrheit ist bezüglich Wissenschaft und Geschichte heute ebenfalls in Frage gestellt. Zu viele junge Leute sind heute moralisch konfus, schlecht informiert und verirrt. Und die Verwirrung wird während ihres College-Besuches eher schlimmer. Wenn sie eine Elite-Schule besuchen, haben sie gute Chancen ihren gesunden Menschenverstand zu verlieren und gewandte, glatte Intellektuelle im schlimmsten Sinn des Wortes zu werden. Von George Orwell ist das Wort überliefert: „Manche Ideen sind so absurd, daß nur ein Intellektueller sie zu glauben vermag.“ Die Studenten dieser Intellektuellen sitzen im gleichen Boot. Orwell wußte noch nichts von den bestallten Radikalen der 90er. Aber er nahm im voraus wahr, daß sie auf dem Wege sind. Eine junge Studentin... berichtete, ihre Klassenkameraden, denen gelehrt worden war, daß „alles Wissen ein soziales Konstrukt“ ist, bezweifelten, daß es den Holocaust wirklich gegeben hat...106 Eine Lehrerin am Pasadena Stadt-College schrieb 104 Der Neomarxismus hebt Auschwitz als Gegenargument hervor - als Begründung unstimmig durch und durch. 105 Mit der Relativierung objektiver wissenschaflicher Wahrheit geht die Hemmungslosigkeit der Freud-Marxisten einher, jegliche ihnen genehme Schwindellehre als Wissenschaft auszugeben. 106 vgl. dazu Schilderungen der deutschen Jugend z.B. von M. Horx, Die wilden Achtziger Das Problem liegt nicht darin, daß die jungen Leute unwissend, mißtrauisch, grausam oder tückisch wären. Und es ist auch nicht so, daß sie moralische Skeptiker wären. Sie reden nur so107 . 107 33 wie es Marcuse und Co. ihnen eingeflüstert haben. Kurz und klar: Sie sind konzeptionell ahnungslos. Das Problem, über das ich spreche, ist ein kognitives. Unsere Schüler und Studenten leiden an „kognitiver moralischer Verwirrung“. ans Große Wiederlernen machen, das heute so nottut, werden wir finden, daß das Leben unserer moralisch aufgeklärten Kinder gesünder, sicherer, menschlicher und menschenwürdiger sein wird.“ Was dagegen tun? Wie können wir ihre Kenntnisse und ihr Verständnis der ethischen Geschichte verbessern? Wie können wir ihr Zutrauen zu den großen moralischen Idealen wieder herstellen? Wie können wir ihnen helfen, moralisch wieder sprachfähig, moral-kundig und moralisch selbstvertrauend zu werden? Nachwort: Wie sollte „Johnny“ „richtig“ und „falsch“ zu unterschieden gelernt haben, nachdem die Sachwalter seiner psychisch- geistigen Entwicklung, Anführer der amerikanischen Psychiater, Psychologe n - Widerspruch gegen Chisholm, Lewin und Co. (K. 13.5) ist bislang unter ihnen nicht bekannt geworden -, seit langem die Meinung vertreten, daß das Konzept von Richtig und Falsch ausgelöscht gehört? In den USA stoßen die Anmaßungen des Neomarxismus allgemein auf wesentlich breiteren und schärferen Widerstand als bei uns. So kann es nicht ausbleiben (vielleicht hat es gar schon bego nnen), daß die entscheidende Frage nach der Rolle der „Seelenkunde“ im weltweit laufenden Kulturkampf auch dort gestellt, in breitem Umfang diskutiert und die Auseinandersetzung damit entschieden werden wird (FW). In den späten 60ern beschloß eine Gruppe von Hippies im Stadtteil Haight-Ashbury 108 von San Francisco, daß Hygiene ein Komplex der Mittelklasse sei und daß sie besser ohne sie auskämen... Der Essayist Tom Wolfe, von ihnen fasziniert, sagte, sie suchten „nichts weniger, als alle Regeln und Einschränkungen der Vergangenheit wegzuwischen und bei Null wiederzubeginnen.“ Nicht lange und die Hippie-Aversion gegen moderne Hygiene zeigte Konsequenzen... Wolfe beschreibt sie: „In der Haight-Ashbury-Free Clinic hatten die Ärzte Krankheiten zu behandeln, die... so lange nicht mehr gesehen worden waren, daß es für sie kaum lateinische Namen gab, Räude, Jucken, Zwacken, Skrofel, Mundfäule, Fäulnis“ etc. Das Jucken und die Räude begannen die Hippies zuletzt so zu piesacken, daß sie Hilfe in den lokalen Free Clinics suchten. Schritt für Schritt mußten sie für sich die Reste moderner Hygiene wiederentdecken. Wolfe beschreibt das als das „Große Wiederlernen“. Das Große Wiederlernen ist es, was stattfinden muß, wann immer ernstliche Reformer zu viel vernichtet haben... Meiner Meinung nach sind wir heute jenen verwirrten, räudigen Hippies der späten 60er nicht unähnlich, die an die Türen der Free Clinics in Haight-Ashbury pochten, um ihre Dosis traditioneller Medizin entgegenzunehmen. Ich hoffe, wir haben genügend Verstand, hier ihrem Beispiel zu folgen. Aktiv müssen wir Position beziehen gegen das Nichtlernenwollen, das die Integrität unserer Gesellschaft korrumpiert... Wir müssen unsere jungen Leute lehren, die Institutionen zu verstehen, zu respektieren und zu beschützen, die uns schützen und unsere freundliche, freie und demokratische Gesellschaft erhalten (K.2). Das können wir tun. Und wenn wir uns 108 Haight-Ashbury war die erste richtige Drogenszene, das erste große Experimentier- und Exerzierfeld der „Change Agents“ (K.13.8). 34