Mit Peter Brugger, an dessen Leben und Tod vor bald 30 Jahren wir

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Mit Peter Brugger, an dessen Leben und Tod vor bald 30 Jahren wir
Peter Brugger (1920-1986): Volksmann – Widersacher - Visionär
Mit Peter Brugger, an dessen Leben und Tod vor 30 Jahren wir heute
erinnern, betrat um 1950 ein neuer Politiker-Typ die Szene in Südtirol.
Obwohl er in seinen Ämtern und Möglichkeiten vieles erreichte, lag die
eigentliche Bedeutung von Peter Brugger weniger in den Ergebnissen,
sondern in seinem Stil und seiner Art, Politik in Südtirol zu gestalten.
Bereits seine frühen Auftritte machten klar: Hier trat ein anderer Politiker
auf den Plan, der sich von der Vorgängergeneration, aber auch von den
meisten Zeitgenossen klar unterschied: volksnah, charismatisch,
wortmächtig, wirkte er so ganz anders als die zurückhaltenden, oft
grauen Honoratioren, von denen die Parteistuben der fünfziger Jahre
bevölkert waren.
Eine mitreißende Persönlichkeit, rhetorisch gesattelt, durchtränkt von
bäuerlichem Mutterwitz, der seine Herkunft bekundete. Dazu kamen
Intelligenz und ein gerüttelt Maß jener Schlitzohrigkeit, die man
hierzulande Volksvertretern ebenso abverlangt, wie man sie oft verflucht.
Peter Brugger, blieb dem Ort seiner Herkunft, der Ahrntaler Heimat,
zeitlebens ebenso verbunden, wie er für die Prägungen seiner
Altersgruppe einstand. 1920 geboren, war er Teil der
Wehrmachtsgeneration, der zwischen 1915 und 1925 Geborenen, die
von Kriegserfahrung und Wehrdienst bleibend bestimmt blieb.
Heimat und Generation bildeten neben persönlicher Begabung und den
politischen Konstellationen jene vier Eckpunkte, die sein öffentliches
Leben charakterisierten. Bruggers private Existenz blieb gefestigt durch
tiefen Familiensinn, der sich auf seine Herkunftsfamilie im Ahrntal
ebenso richtete wie auf jene Familie, die er selbst mit seiner Frau
begründete. Wie bei Hans Dietl oder Franz Widmann galten ihm der
Rückhalt seiner Frau und die Kinder als grundnotwendige Quelle der
Kraft. Ohne diesen Anker, zumal seiner ebenso hilfsbereiten wie
verständnisvollen Frau Luise Zingerle, wäre sein Erfolg nicht denkbar
gewesen. Umgekehrt blieben das Selbstgefühl und die Berufswege
seiner Angehörigen, zumal der Kinder, aber wohl auch unter der
Enkelgeneration, dem Vor- und Gegenbild des Vaters verpflichtet.
Peter Bruggers Volksnähe war nicht gekünstelt, sondern Mitgift von
Geburt an. Seine Ahrntaler Heimat, das kleine Wollemühle-Anwesen in
St. Jakob, konnte ihm wenig anderes mit auf den Weg geben: Die Eltern
David und Walburga Seeber waren arm, die Familie groß, die politischen
Zeitläufte ebenso mühsam wie das bäuerliche Leben im „Toule“ von
Dürftigkeit geprägt. Aber Arbeitsfleiß, Talent und Großherzigkeit, die das
„Peterle“, wie der jüngste liebevoll genannt wurde, von zu Hause
mitnahm, wogen die fehlende materielle Ausgangsposition mehr als auf.
Die Eltern waren klug genug, seine Begabung zu erkennen und
schickten ihn in das Vinzentinum, mit großherziger finanzieller
Unterstützung durch den Geistlichen Cesare Rossi, einen Spross der
Industriellenfamilie Lanerossi in Vicenza.
Die „Kiste“ wurde Peter Brugger nicht nur zum Bildungsort, sondern zur
Lebensschule. Der gestrenge Lehrkörper, umfassender Lernstoff und
hausinterne Disziplin förderten seine Anlagen, bildeten sein Sprachtalent
und logischen Verstand aus.
Die Ausnahmestellung, die das Vinzentinum in der Epoche des
Faschismus als eine der wenigen muttersprachlichen Schulen einnahm,
schärften das Bewusstsein des jungen Brugger, einer Minderheit
anzugehören, bestärkten aber auch den Wunsch, der Enge und den
Schikanen des Regimes entgegen zu treten. Im Vinzentinum erwarb
Brugger neben der Matura und einem umfassenden Bildungskorpus
auch Kontakte mit Gleichaltrigen aus dem ganzen Land, die als
Freundschaften lebenslangen Bestand hatten.
Hier schärfte sich auch sein nationales Bewusstsein, bis hin zu einem
markanten Deutschnationalismus. Durchaus verständlich für einen
jungen Mann seiner Generation, die Sympathien öffneten aber auch
Breschen für völkisches Denken und eine gewisse Härte, die sich erst in
späteren Jahren zur Konzilianz abschliff, als er sich mit Giulio Andreotti
und Francesco Cossiga ebenso freundschaftlich verbunden wusste wie
mit manchem kommunistischen Spitzenmann.
Der Option für Deutschland folgte die rasche Einberufung zur Luftwaffe
am 9. April 1940, kurz vor seinem 20. Geburtstag; anschließend nahezu
viereinhalb Jahre Krieg, vielfach an der Luftabwehr, der Flak, über den
sich Brugger weitgehend ausschwieg, bis auf die lapidare Erklärung
„dass in dieser Zeit keine Mutter ihren Sohn durch meine Schuld verloren
hat noch ein Kind seinen Vater.“
Die Gefangennahme durch die Sowjets am 31. August 1944 bedeutete
eine bleibende Zäsur für den 24-jährigen, erst recht die anschließende
Kommissarschule in Moskau, in die Brugger eintrat, um als
antifaschistischer Kader in einem nach dem Krieg, in naher Zukunft
befreiten Österreich zu wirken. Da die kommunistische Indoktrination
nicht verfing, wurde Brugger zur Zwangsarbeit in einen Steinbruch
verbracht, wo er - stets am Rande der Entkräftung - bis Anfang 1947,
dem Zeitpunkt der Entlassung verblieb. In Wien angelangt, reiste
Brugger nach Innsbruck weiter, wo er zu bleiben gedachte, bis ihm
autoritative Gesprächspartner, darunter Viktoria Stadlmayer, die
Rückkehr in die Heimat nahe legten. Von der Moskauer Erfahrung blieb
lebenslange Abneigung gegen den Kommunismus, den er als
inkompatibel mit dem abendländischen Humanismus und dem
christlichen Weltbild erachtete, aber auch profunde Kenntnis des
dialektischen Materialismus, zudem eine argumentative Schulung, die
ihn als eloquentem Debattenredner auch künftig zugute kam.
Nach dem drastischen Erfahrungsschub der Jugendjahre fiel es dem 27jährigen nicht schwer, Arbeit zu finden: Der Bauernbund übernahm den
dynamischen Heimkehrer, der zugleich ein Jusstudium absolvierte, sich
in die SVP einschrieb und als neues Mitglied rasch aufstieg.
Denn so schwierig die Zeiten auch waren, so sehr bedurfte die Südtiroler
Minderheit in dieser Phase einer neuen Führungsgruppe, eines
politischen und administrativen Kaders im mittleren Management, der
nach dem weitgehenden Kahlschlag der Zwischenkriegszeit dringend
aufzubauen war.
Neben den gesetzten Herren der Kontinuität, den um 1895 geborenen
Amonn, Raffeiner, Tinzl, Guggenberg, waren die Impulse einer jüngeren
Generation dringend gefragt – die große Chance für die Benedikter,
Brandstätter, Brugger, Dalsass, Dietl, Ebner, Magnago, Volgger,
Widmann, Zelger e tutti quanti, die – alle zwischen 1914 und 1920
geboren - trotz ihrer Jugendlichkeit mit einem gewichtigen
Erfahrungskapital aufwarten konnten.
Die sog. „Wehrmachtsgeneration“, die nicht nur auf Landes-, sondern
auch auf Gemeindeebene tiefe Spuren hinterließ, war direkt oder indirekt
sozialisiert durch den Druck der Regimes, sie stand autoritären Denkund Handlungsmustern ebenso nahe wie kultur- bis deutschnationalen
Grundauffassungen, neigte zu gewisser Härte gegen sich selbst und
andere. Getrieben von Dynamik, besaß sie doch die Fähigkeit, in langen
Zeiträumen zu denken und zu handeln.
Klar war auch ihre Geschlechterhierarchie, ihre zeittypische Mentalität,
die Frauen in die Sphäre der Familie verwies und ihnen Aufgaben
emotional-atmosphärischer Aufhellung zuerkannte, ihnen die Würde und
Bürde der Stabilisierung in den Stürmen des Lebens auferlegte, mit zu
großer Selbstverständlichkeit und wenig Wahlmöglichkeit für die Frauen,
denen aber überragender Anteil am Erfolg ihrer Männer zukam.
Vor dem Lebenshorizont dieser Generation lagen nach 1948 weit mehr
als 30 Jahre prägender Einflussmacht, bis sie nach 1980 von der Bühne
der Protagonisten allmählich in die zweite Reihe abging. So hoch ihr
individuelles Talent auch zu veranschlagen ist, so sehr kam ihre
Alterskohorte ihrem Aufstieg entgegen, Hypotheken und Lasten des
Krieges wurden – bildlich gesprochen – getilgt durch eine lange
Friedens-Dividende, die sich zum Erfolg akkumulierte. Nicht umsonst
bewies Peter Brugger zeitlebens großes Interesse an historischen
Biografien, in die er sich gerne vertiefte, da ihn wohl die Frage umtrieb,
was denn eigenes Talent und Verdienst, aber auch Glück und gelungene
Konstellation im Leben bedeutender Männer ausmachten.
Peter Brugger nahm die Chancen seiner Generation in vollen Zügen
wahr, zunächst als Angestellter und Aktivist des im Aufbau stehenden
Bauernbunds, zu dessen Festigung der eben 30-jährige grundlegend
beitrug. Als Bauernbund-Zonenleiter im Pustertal trieb er Aktivitäten und
Mitgliederzahlen nach oben und sicherte dem Bund eine starke
Vertretungsmacht. Seinen Brotberuf aber fand er vorerst bei der Region
Trentino-Tiroler Etschland, wo er als einer der ersten, deutsch
sprachigen Beamter einstand. Erstaunlich rasch öffnete sich ihm auch
der Weg in die politische Karriere, als er bereits im November 1952,
eben 32 Jahre alt, für den Regionalrat kandidierte.
Das gute Wahlergebnis im Mittelfeld der SVP-Riege, verdankte sich
auch dem Wohlwollen der “Dolomiten“ und ihres Schriftleiters, Kanonikus
Michael Gamper, der große Stücke auf den aufstrebenden youngster
hielt; das Resultat trug Brugger sofort in das Amt eines
Landwirtschaftsassessors für die Provinz Bozen. Obwohl längst nicht mit
jener Fülle von Agenden und Haushaltsmitteln wie heute ausgestattet,
diente das Ressort doch als wichtiger Brückenkopf auf dem Weg zu
nachhaltiger politischer Verankerung. 15 Jahre lang, von 1952 bis 1967,
blieb Brugger Landwirtschaftsassessor und sorgte trotz eingeschränkter
Zuständigkeiten im Schatten der Region und eines meist mageren Etats
für grundlegende Reformen dieses Südtiroler Kernbereichs.
Denn er wusste: Die Landwirtschaft war nicht nur ein tragender Pfeiler
der Südtiroler Wirtschaft, sondern auch ein Herzstück Südtiroler Identität,
die sich mehr als in anderen Regionen am „Bauernstand“ definierte und
aufrichtete.
In der ausgedehnten Amtszeit gelang es ihm und einem sorgsam
ausgesuchten Mitarbeiterstab, neue Grundlagen zu schaffen, die das
Überleben der Berglandwirtschaft ebenso sicherten wie die
Marktfähigkeit der Milch-, Obst und Weinverarbeitung, die aber auch die
Abwanderung aus ländlichen Räumen in sanften Bahnen verlaufen ließ.
Das Brugger’sche Dreisäulenmodell für Südtirols Landwirtschaft setzte
auf zentrale Aspekte: Stärkung bäuerlichen Eigentums, Bildung für die
Bauernschaft und kommende Generation, gerechte Steuerung und
Verteilung der Fördermittel. Die drei Grundausrichtungen blieben einem
allgemeinen Leitprinzip zugeordnet - der Freiheit der Bauern, dem
Bestreben, ihre Autonomie der Entscheidung und Handlung zu sichern
und dem einzelnen anheim zu stellen.
Bei der Stärkung des bäuerlichen Eigentums gelangte Brugger fast
augenblicklich zu einem ersten, großen Erfolg, da auf sein maßgebliches
Betreiben hin der Regionalrat das Höfegesetz verabschiedete, das am 1.
April 1954 in Kraft trat. Das Rechtsinstitut des “Geschlossenen Hofes“,
das bereits seit Maria Theresia die Unteilbarkeit des bäuerlichen
Grundeinheit sicherte, war 1929 aufgehoben worden. Seine Bedeutung
lag darin, die Lebensfähigkeit des einzelnen Hofes in der kargen
Produktionslandschaft des Alpenraumes gegen freie Teilbarkeit und
Zersplitterung abzusichern, einem Haupterben die Eigentumsrechte zu
garantieren, zum Nachstand der weichenden Erben, denen aber wichtige
Abfertigungsrechte gesichert blieben.
Der „Geschlossene Hof“ bildet bis heute nicht nur ein Bauprinzip der
bäuerlichen Landwirtschaft unter den erschwerten Bedingungen alpiner
Subsistenzökonomie. Er verkörpert auch ein Gemeinschaftsprinzip der
Südtiroler Gesellschaft, in der Individualrechte zugunsten langfristiger
Ziele und kommunitärer Bauprinzipien zurücktreten. Nicht ohne Härten
zu Lasten der Weichenden, aber grundsätzlich einer Perspektive des
Gemeinwohls zugeordnet, der Stabilisierung nicht nur des jeweiligen
Einzelhofs, sondern auch der Festigung der Ortsgemeinschaft, letztlich
des „Geschlossenen Hofes“ Südtirol. Durchaus auch ethnisch eingefärbt,
sind doch dem Rechtsinstitut der Vorrang deutschrechtlicher
Grundprinzipien über das römische Recht freien Eigentums
eingeschrieben.
Dass Bruggers Initiative dem seit 1949 eingebrachten Gesetzesentwurf
zum Erfolg verhalf, war ein wichtiger Durchbruch für den neu gekürten,
eben 34-jährigen Assessor. Dass wenige Jahre später auch die
Regelung der bäuerlichen Nutzungsrechte folgte, lag auf derselben Linie
und charakterisiert sein analytisches Rechtsempfinden ebenso wie seine
Fähigkeit zu praktischen Lösungen hoch komplexer Materien.
Wenn Brugger neben der eigentumsrechtlichen Sicherung auch auf
Hebung der land- und hauswirtschaftlichen Berufsausbildung abzielte, so
war dieses Bemühen gewiss auch eigenen Bildungserfahrungen
geschuldet, vor allem aber der aktuellen sozialen Lage im ländlichen
Raum Südtirols Mitte der Fünfziger Jahre. In einer Situation massiver
Abwanderung aus den Hochtälern, eines erschreckenden human drains
seit Beginn der Fünfziger Jahre, einer dramatischen Erosion der
bäuerlichen Wirtschaftsgrundlagen musste die beruflichen Grundlagen
der Bauernfamilien deutlich gehoben werden, um ihre Lebens- und
Existenzchancen auf brüchigem Grund zu festigen.
Der Aufbau von Kursen zu bäuerlicher Berufsertüchtigung, vor allem
eines Netzes von Landwirtschaftsschulen über das bestehende
Dietenheim bis hin zur zunächst ungeliebten Laimburg oder der
Fürstenburg war von Bruggers Bewusstsein getragen, dass in der
besseren Ausbildung der kommenden Generationen der Hauptschlüssel
zur Zukunft lag: Beim absehbaren Bedeutungsverlust der Landwirtschaft
und des Rückgangs der Beschäftigten war die Qualifikation der
Verbleibenden deutlich zu steigern, um durch Qualität von Arbeit und
Produktion Märkte oder zumindest Nischen zu sichern.
Dabei führte Brugger 10 Jahre lang einen harten Kampf um mehr
Haushaltsmittel, die so mager waren, dass sich die heute wieder arg
geschröpfte Landwirtschaft wie ein Krösus ausnimmt. Aus dem
Flaschenhals der Region gelangten nur wenige Liremillionen direkt nach
Südtirol, sodass alle Hebel in Bewegung zu setzen waren, die Kanäle
der Region über Umwege anzuzapfen.
Die Verdienste Bruggers im Bereich der bäuerlichen Landwirtschaft
waren ohne Frage herausragend: Dank der erzielten Erfolge, seiner
Fähigkeit, die Krise des ländlichen Raums zu mildern, dank der
rechtlichen und strukturellen Voraussetzungen, die er mit seinen
Mitarbeitern in diesem Bereich schuf.
Brugger hatte ein gutes Händchen für fähige Mitarbeiter, die er mit
Bedacht auswählte und die dank seiner Mentorenschaft
Selbstbewusstsein und Autonomie gewannen. Talentierter Nachwuchs
wie Burkhard Pohl, Hermann Mantinger, Ernst Watschinger, Norbert
Deutsch, Maria Trampusch, formten sich unter Bruggers fördernder Hand,
erst recht Peter Gasser, seine rechte Hand in Rom, ganz zu schweigen
vom hier anwesenden LH a. D. Ein unkonventioneller,
kameradschaftlicher Führungsstil, ein Gegenbild auch zur reservierten,
oft zugeknöpften Leadership eines Silvius Magnago.
Vor allem aber besaß der „Dr. Brugger“ das rückhaltlose Vertrauen der
Bauern, die stets Zugang zu ihm fanden und die er mit dem rechten Ton
zu nehmen, zu ermuntern und zu fördern wusste. Seine Volksnähe
erwuchs eigener Herkunft und Erfahrung; sie wirkte stilprägend; in der
Fähigkeit, eingehend zuzuhören, das passende Wort zu finden und nach
Lösungen zu suchen. Eine zuweilen dröhnende Stentorstimme und
ermunterndes Lachen, ein Markenzeichen des Dr. Brugger, schufen eine
Atmosphäre von Vertrauen, Zuversicht und fallweiser Ausgelassenheit,
die die sorgenvolle, oft verbissene Atmosphäre der Zeit auflockerten.
Das über 15 Jahre, zwischen 1952 und 1967, getragene Amt eines
Landesassessors für Landwirtschaft verdient deshalb besondere
Würdigung, da Brugger in diesem Arbeitsfeld jene Kraft schöpfte, die es
ihm ermöglichte, politische Auseinandersetzungen, Kämpfe und Härten
zu meistern. Die Sacharbeit glich jene Rückschläge aus, an denen es
auf dem Feld der Partei- und Autonomiepolitik wahrlich nicht mangelte.
Sie war der Jungbrunnen, der politischen Einsatz lohnend machte,
abgesehen vom Reservoir an Zustimmung und Wählerstimmen, die das
Ressort Landwirtschaft unweigerlich generierte.
Denn neben diesem Rückgrat an Wertschätzung und Identität, die das
Ressort Landwirtschaft bildete, war das Feld der Landes- und
Autonomiepolitik, wo Peter Brugger als maßgeblicher Akteur auftrat, ein
Minenfeld, in dem er sich ab 1955 mit ebenso großer Entschiedenheit
wie Umsicht zu bewegen hatte.
Die Erste Autonomie erwies sich spätestens ab 1955 als Chimäre, als
magere Frucht des schwächlichen Pariser Abkommens, das sich sehr
viel später erst als Ausgangspunkt einer gestärkten Autonomieregelung
bewährte. Der Weg des Abkommens, das damals noch keine Magna
Charta unseres Landes, sondern vor allem des Trentino war, zum
Brückenkopf tragfähiger Regelungen und der zweiten Autonomie war
noch weit, wie wir heute, 70 Jahre später, in aller Deutlichkeit wissen.
Bugger war 1952 mit seinen Generationsgenossen stark gewählt
worden, um der lahmenden Landesautonomie auf die Sprünge zu helfen.
Mit Alfons Benedikter, Joachim Dalsass und Hans Dietl bildete er jenes
Quartett der Harten, der „Duri“, das bis um 1970 als Stachel im Fleisch
der SVP und der Landespolitik wirkte.
Das Quartett der BBDD war eine ebenso notwendige wie lästige
innerparteiliche Provokation, aber auch Herausforderung der
Landespolitik, das zunächst die Gründergeneration entmachtete und
dann den anfänglichen Bundesgenossen Silvius Magnago und sein
Lager zu äußersten Anstrengungen der Verhandlung und Vermittlung
zwang. Die internen Spannungslagen der SVP waren allemal belastend,
bildeten aber einen Spannungsbogen der Dialektik und der
Herausforderung, die vorab der Partei, aber auch dem Land wahrlich
nicht schadeten.
Wenn die SVP lebte und sich in Krisen immer wieder erneuerte, so vor
allem dank dieses internen Schlagabtauschs Ebenbürtiger, die sich
einließen auf ein programmatisches und personelles Ringen von Rang,
von dem – gestatten Sie mir diese Bewertung – heute nur mehr ein
Schattenriss verblieben ist. Die vielen Auseinandersetzungen, in denen
man sich nichts schenkte, waren gewiss begleitet von unentwegten
Ränkespielen, unterfüttert vom Kalkül auf Karrieren und tiefen
Verletzungen, ihr inhaltliche Tiefe und die in ihnen aufkochende
Leidenschaft brachten aber Südtirol zweifellos voran.
Peter Brugger hatte sein eigenes Profil innerhalb der BBDD, der Gruppe
der Harten, die keineswegs kompakt agierte. Er war der Populärste unter
den Vieren, mehr als der hoch charismatische, misstrauischverschlossene Analytiker und Einzelgänger Dietl, mehr als der
bienenfleißige, juristisch und administrativ hyperkompetente, aber zu
ambitionierte Alfons Benedikter, mehr als der zurückhaltende Joachim
Dalsass. Ihm flogen Sympathien zu, die sich mit wachsendem Alter
verstärkten, während Dietl und Benedikter ungeachtet ihrer Meriten an
Integrationskraft verloren, teilweise in Isolation abglitten.
Brugger war also populär und blieb - bei aller demonstrativen Härte –
geneigt zu Kompromissen, im Grunde eher vorsichtig, sichtlich darum
bemüht, sich selbst nicht auszugrenzen. Seine Mittlerrolle machte ihn
ebenso stark wie auch verdächtig, etwa bei Dietl, der Bruggers
Zuverlässigkeit im politischen Härte- und Ernstfall anzweifelte, mitunter
gewiss nicht ohne Grund.
Dreimal trat die Schlüsselrolle Bruggers mit Nachdruck in den
Vordergrund: Einmal 1957 beim innerparteilichen Köpferollen und dem
Strategiewechsel rund um Sigmundskron, dann in der langen Phase der
Paketdebatte, die zwar 1969 im Meraner Kursaal kulminierte, aber von
langen Vorgefechten und Ausläufern begleitet war, schließlich in der
Stabilisierungsphase ab 1971, als der Senator und elder statesman
volkstumspolitische Rückzugsgefechte mit weltanschaulichen
Grundakkorden verband.
 Der Machtwechsel in der SVP Ende Mai 1957, als die
Gründergeneration ob ihrer Nachgiebigkeit und Altersmilde, im
Handstreich vom Tapet gefegt wurde, war zweifellos der Regie von
Dietl und Franz Widmann zu verdanken. Sie hoben Silvius
Magnago als Obmann auf den Schild und besetzten den
Parteiausschuss mit Männern ihres Vertrauens, mit wesentlicher
Zuarbeit von Brugger und seinem Pustertal. Der politische
Richtungswechsel wurde ein halbes Jahr später spektakulär
gefestigt durch die Kundgebung von Sigmundskron, die mit dem
„Los von Trient!“ die konziliante Haltung gegenüber Trient und
Rom beendete und in der Forderung nach Regionalautonomie für
Südtirol allein gipfelte. Der von Dietl bereits 1955 gesetzte Schnitt
durch seinen Rücktritt als Regionalassessor wurde bis Anfang
Jänner 1959 vertieft, als die SVP geschlossen aus der
Regionalregierung austrat. In dieser Phase der Verschärfung war
die Mittlerrolle Bruggers grundlegend, da er einen völligen Bruch
gegenüber Rom und Trient ebenso ausschloss, wie er aber auch
andererseits stete Zuspitzung einforderte. Mitwisserschaft und
Kenntnis der Attentatsvorbereitungen waren punktuell vorhanden,
wenn auch längst nicht in dem Ausmaß wie bei Hans Dietl, auch
Kontakte mit Siegfried Steger sind belegt. Aber dass Brugger nach
anfänglicher Sympathie seine Ablehnung politischer Gewalt
unmissverständlich kundtat, ist gleichfalls gesichert. Ebenso war er
einer der ersten, die nach der Verhaftung von Attentätern trotz
allgemeiner Leisetreterei staatliche Repression und Folter im Juli
1961 im Regionalrat inkriminierte.
 Den Weg hin zur ersten Ausformulierung des Pakets seit der
Neunzehnerkommission 1964 begleitete Brugger mit wachsender
Skepsis, da er ungeachtet aller Fortschritte die internationale
Absicherung ebenso vermisste wie er das Durchgriffsrecht des
Staates weiter als weitaus zu präsent ansah. Gegen den
Verhandlungsstil Magagnos, der ab 1966 in zahllosen
Einzelgesprächen mit Ministerpräsident Moro den Weg zu den 137
Paketbestimmungen beschritt, brachten Brugger und Konsorten
bereits 1967 einen überschaubaren Forderungskatalog in Stellung,
der auf zentrale Schwächen verwies: Fehlende internationale
Verankerung, Unterrepräsentation der Minderheit in zentralen
Kommissionen, Einspruchsrechte beim Haushalt („Bilanzgarantie“),
dürftige Schulautonomie waren Kritikpunkte, mit denen die sich
formierenden Paketgegner das juristische Dickicht des
Paketdschungels zu erhellen und auf Bürgerniveau herunter zu
brechen suchten. Es war ein großes Verdienst der Paketgegner,
dass sie Transparenz und Öffentlichkeit einmahnten, von denen
die diplomatischen Alleingänge Magnagos weit entfernt waren.
Dass Politik in wesentlichen Stücken Kommunikation und
Vermittlung ist, war eine wesentliche Brugger-Lektion. Eine
Lektion, die er sich aber auch selbst anzueignen hatte, wobei ihm
die drängende Nachfrage, die wachsende Diskussionslust seiner
heranwachsenden Kinder gewiss auch wesentliche Lernprozesse
vermittelte. So sehr die Paket-Gegner unter Regie Bruggers, der
zugleich SVP-Vize-Obmann war, gegen den nahenden Abschluss
ankämpften, so sehr bangte ihnen auch vor einem allfälligen Sieg
ihrer Position. Denn welcher Weg blieb nach einer Ablehnung,
welche Alternativen standen offen, wie hätten Wien und Rom
reagiert? Peter Brugger stand daher die Erleichterung ins Gesicht
geschrieben, als seine Position nach der Paketschlacht am 22.
November 1969 knapp unterlag und Magnagos Pro-Paket Haltung
mit 52,9% obsiegte. Der Handschlag Brugger-Magnago war
historisch, da er die Geschlossenheit der Partei ebenso besiegelte,
wie er die interne Dialektik fortschrieb. Der Handshake der
Kontrahenten war aber auch ein später Reflex jenes Keils, den die
Option genau 30 Jahre zuvor durch Südtirol getrieben hatte. Das
Prinzip Einheit im Pluralismus hatte obsiegt. Magnago hingegen
nutzte den starken internen Dissens, um Rom gegenüber mit
Nachdruck auf innere Widerstände zu verweisen, mit der die
anvisierte Lösung nach wie vor zu rechnen hatte.
 Brugger blieb auch in den Folgejahren Meister des konstruktiven
Dissenses, freilich in einer Gratwanderung, die ihn von bewährten
Kampfgefährten tief entfremdete. Bei der parlamentarischen
Abstimmung zum Paket 1971, an der er im römischen Senat
teilnahm, enthielt er sich der Stimme, während Hans Dietl dagegen
stimmte, damit bekundete Brugger eine Form gemilderter
Ablehnung, die seine parteiinterne Position nachhaltig festigte,
freilich auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Brugger hielt um 1971 an
einem Karrierezenit, der nicht mehr weiter nach oben führte: Seit
1968 in den Senat gewählt, war seine Rolle fortan die des zweiten
Mannes, der im Machtkampf zwar aufgetrumpft hatte, aber letztlich
unterlegen war. Angesehen, respektiert, aber letztlich berechenbar,
in Sichtweite des Gipfels von Partei und Land, aber ohne ihn zu
erreichen. Dies zeigte sich auch 1971, als er Magnago bei der
Wahl zum Obmann nochmals herausforderte, mit einem starken
Ergebnis, das aber zugleich auch seine Grenzen auswies. Brugger
sah sich Mitte der Siebziger Jahre In einer zwar autoritativen, aber
auch ein wenig tragischen Position für einen Mann, der letztlich
doch wohl mehr gewollt hatte. Brugger fehlte – dies sei mit
Sympathie konstatiert - der absolute Killerinstinkt, jener Wille zum
Machterhalt, der in der Politik ganz nach oben trägt, wie uns einer
seiner Schüler, der heute im Saale sitzt, in 25 Jahren sattsam
gezeigt hat. Aber die Rolle des starken Zweiten ist kaum minder
wichtig als jene der Nummer Eins, des Primaten, da sie integrativ
wirkt, für Gemeinsamkeit sorgt - in der Gewissheit, dass früher
oder später die Stunde des Rückzugs in die zweite, dritte, die letzte
Reihe ohnedies unerlässlich ist.
Die letzten 15 Jahre in der Politik des Mannes aus dem Ahrntal waren
geprägt von der Rolle als Garant und Mentor, im Bewusstsein, zwar
noch an vielen Entscheidungen und legislativen Weichenstellungen
mitzuwirken, aber grundlegende Ziele nicht mehr zu erreichen. Als
parteiinterner Widersacher auch, der aber berechenbar war, der auch
attraktive Perspektiven wie ein Mandat in Europa zugunsten der
Parteiräson zurück stellte. Dafür gab er in der Nachdenklichkeit eines
gereiften Politikers manchen Anstoß, der seine Wirkung nicht verfehlte.
Wohl erinnerlich ist meiner Generation, wie Brugger angesichts des
kommunistischen Aufstiegs ab 1974 und des drohenden „sorpasso“ der
DC im August 1975 genüsslich versetzte: „Falls Italien kommunistisch
würde, könne Südtirol das Selbstbestimmungsrecht in Anspruch
nehmen.“ Ein süffiger Satz , der wohl platziert Volkstumspolitik und
Weltanschauung zur Deckung brachte und europaweit für Aufsehen
sorgte, publizistisch dann sekundiert durch seinen jugendlichambitionierten Freund Hans Benedikter, der die These zum Buch
ausformulierte.
Auf Bruggers politische Vita passt vorzüglich der Satz, mit dem HansDietrich Genscher, der am 31. März verstorbene deutsche
Außenminister, die wichtigste Lektion seines Lebens resümierte: Im Blick
auf die Ereignisse von Herbst 1989, als er in Prag die Öffnung des
Eisernen Vorhangs mit bewirkte, bemerkte Genscher, dass „schwierigste
Fragen zu lösen sind, wenn man sich intensiv bemüht Konfrontationen
abzubauen.“
Ein schöner Satz, der die Notwendigkeit der Zuspitzung nicht
ausschließt, aber zugleich auf den Abbau von Dauerkonfrontation setzt.
Brugger verstand es meisterlich zu polarisieren, er wusste zu drohen mit
Grollen und Augenrollen, im Grunde aber blieb er dem Ausgleich geneigt
und diente damit einem Grundanliegen Südtirols – dem Frieden und
friedlichen Lösungen auch in härtesten Zeiten.
Hans Heiss