Missing in America - INTRO — Das Magazin für Pop, Kultur, Life und

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Missing in America - INTRO — Das Magazin für Pop, Kultur, Life und
M.I.A.
Missing in America
Animal Collective
Broken Social Scene presents: Kevin Drew
Hard-Fi
Gentleman
Talib Kweli
Thomas Harlan
Intro _ Inhalt _ 003
Wort ab
Melt! Klar, was anderes kann hier nicht an erster Stelle stehen. Zu gegenwärtig sind noch die Erinnerungen
an tolle Auftritte, grandioses Wetter und, gerade wegen euch allen: die super Stimmung. Herzlichen Dank an
alle, die ihren Teil dazu beigetragen haben, unser Festival zum Highlight dieses Sommers zu machen. Und
da wir das alles geahnt haben, produzierte Steil die Modestrecke diesmal auf dem Gelände. Arbeitstitel:
»Flatrate saufen«. Aber da die Protagonisten namhafte Autoren des Hauses sind und somit Vorbildcharakter
haben (sollten), sei schnell angemerkt: Bei der Produktion dieser Strecke wurde nur Mineralwasser
verabreicht. Alle Models sind hervorragende Schauspieler. Und Alkohol ist generell eh zu meiden... Ansonsten
hat uns diesmal nach diversen Specials der Alltag eingeholt. Gut, gut, das ist sehr kokett ausgedrückt,
schließlich bringt auch der immer besondere Momente in Pop mit sich. So durfte diesmal Heiko Behr M.I.A. in
Chicago treffen, wo diese erste Konzerte zum neuen Album »Kala« gab. Dieses setzt da an, wo der Vorgänger
aufhörte: Dancehall-Electro, der von der Prägung seiner Protagonistin zwischen Sri Lanka und United
Kingdom zeugt. Und dabei noch ‘ne Spur souveräner und radikaler als das Debüt anmutet.
Liebe Grüße aus Köln,
die Redaktion
Inhalt
004 Monitor
001 Titel 003 Wort ab / Inhalt 004 Aufmacher: Chloé 006 Melt! 008 Monitor: Der Vergnügungspark ganz vorne
010 Impressum
016 Musik
016 Hot Hot Heat 018 You Say Party! We Say Die! 020 Okkervil River 022 Moneybrother 024 Beach House 026
Talib Kweli 028 M.I.A. 032 Der Geist des Kollektivs: Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin
Drew 036 Kunstfreiheit für G-Hot 038 Menomena 040 Hard-Fi 042 The Go! Team 044 Future Dance City Berlin:
Boys Noize / Wahoo / Troy Pierce / Modeselektor 046 Tel Aviv 048 Kochen mit Gentleman
050 Steil
050 Mix mir einen Drink 056 Roxy Jam Biarritz 058 Strandgut Clothing / DeinDesign / Nike / Zehnvierdreisieben
/ Bench / Levi’s / FlyPink / Eastpak 060 Rendez-Vous Hommes Paris 062 Lockengelöt 063 Für dich
065 Und so
065 Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses 066 David Mackenzie / Hallam Foe 068 Thomas Harlan /
Wandersplitter 070 Neue Filme 072 Neue DVDs 074 TV-Serien-Special 076 Neue Bücher 080 Flipperautomaten
082 Sam & Max: Season One 084 Neue Spiele 086 Neue Technik
089 Probefahrt Musik
089 Charts 090 Platten vor Gericht 092 Neue Alben und DVDs 114 Heimspiel
120 Das geht
120 Intro empfiehlt 121 Das geht 122 Festivalguide 124 Da geht’s 128 Das ging 130 Textmarker / All The Next
004 _ Intro _ Monitor _ Chloé
Text: Thomas Venker _ Interview: Thomas Venker & Susanne Pospischil
CHLOÉ.
HOMECOMING-SET
IN BIARRITZ
Intro _ Monitor _ Chloé _ 005
E
s ist nicht leicht, an Chloé heranzukommen an diesem lauen Sommerabend. Nicht, da der Rummel um
die französische DJ mittlerweile so
groß wäre, dass sie sich in einem
Strandstädtchen wie Biarritz nicht mehr ungestört bewegen könnte. Es ist ihre persönliche
Geschichte mit der Stadt, die für eine vertraute Menschenmenge um sie herum sorgt. Ihre
Familie stammt aus Biarritz (ein Onkel lebt
hier immer noch): Hier hat sie parallel zu Paris
ihre ersten DJ-Schritte gemacht (und legt regelmäßig im nahe gelegenen Spanien auf – »da
im spanischen Basken-Hinterland im Gegensatz zu Biarritz eine Technoszene existiert«),
und hier hat sie auch das erste Mal in ihrem Leben gesurft. Eine Leidenschaft, die sie noch immer bei jedem Besuch auslebt. Insofern war es
geradezu ideal, dass sie zum »Roxy Jam« nebst
angeschlossener Longboard-WM der Frauen
gebucht wurde. Überhaupt sieht sie Gemeinsamkeiten der Milieus. Sowohl in der Surfals auch in der DJ-Szene haben Frauen einen
schweren Stand. Es sind von Männern dominierte Szenen. Als sie zu surfen begann, waren
die Jungs noch irritiert: »Klar hatten sie gerne
Mädchen am Strand, aber die Wellen, die sollen
wir ihnen nicht streitig machen.« Eine ignorante Haltung, die sie auch beim Auflegen erlebt hat. Chloé begegnete ihr, indem sie sich ihr
zunächst nicht stellte: Ihr DJ-Coming-out hat-
te sie in der lesbischen Clubszene Paris’ rund
um den Le Pulp Club. Hier legte sie gemeinsam
mit Jennifer Cardini und Ivan Smagghe den
Grundstein für das, was wir heute als die Pariser Technoszene kennen. Mittlerweile haben
sie und ihre Freunde mit Labels wie Karat, Tigersushi und Katapult den Sound und die Botschaft dieser familiären Szene längst in die
Welt getragen – und sich selbst erfolgreich positioniert. Die Clubnacht im Le Pulp hieß übrigens »KillTheDJ«, genauso wie das gemeinsame Label der Clique, auf dem nun auch das
Debütalbum Chloés erscheint. Es dürfte keinen
wundern, dass ihre Art, mit diesem umzugehen, eine sehr emphatische mit feingliedriger
Dramaturgie ist. Ganz wie ihre Freunde vom
Dial-Label – bei unserem Treffen erscheint sie
passend im Hamburger Bohemian-Look mit
Hemd und umgelegtem Pullover, sehr stillvoll,
ja, fast schon glamourös, aber eben auf eine dezente, zurückgenommene Art – will sie mehr
rüberbringen als nur die klare Botschaft der
Bassdrum. Nicht nur, dass sie nicht die Langsamkeit scheut, sich gefühlvoll herantastet,
es ist vor allem eine Offenheit für Experimente, die ... Nein, das greift zu kurz, das hier geht
darüber hinaus, ist Teil einer Schule des Zuhörens, des sich nicht Wegwendens. Natürlich
zieht sie im Verlauf das Tempo an. Natürlich
lässt sie auch hier wie in ihren Sets die Bassdrum sprechen. Und natürlich wollen wir das
genau so haben. Überhaupt. Genau jetzt wollen wir es haben. Und auch die Freunde warten bereits vorm DJ-Pult, neben dem die Sonne den ihr angedachten Untergang bereits halb
performt hat. Die zweite Hälfte wird Chloé mit
knarzigem, Acid-angehauchtem Techno begleiten. Schon heftig für einen Cocktail-Empfang.
Aber auch hier gilt: Die Handschrift prägt den
Sound. Sie bringt so viel Wärme ein, dass alle
nur lächelnd mitwippen und gar nicht mitbekommen, wie energisch das Set eigentlich angelegt ist. Bei ihrem zweiten Set des Tages, gegen Mitternacht in einem Etepetete-Club am
Stadtstrand von Biarritz, sollten wir aber nicht
mit so viel Konsequenz rechnen, warnt sie uns.
Sie habe vorhin schon dem Betreiber ihren
Sound beschreiben müssen. Das sei eben ein
– und dann macht sie eine reibende Handbewegung mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger
– Club, in dem es mehr um das Sehen und Gesehen-Werden gehe und um Geld. Das sei überhaupt das Problem in Frankreich: Man könne
zwar, wenn man es in Paris geschafft hat, überall spielen, »aber in der Regel haben selbst große Städte wie Bordeaux und Nantes nur einen
Laden – und kleine wie Biarritz eigentlich gar
keinen«, wo sie ihren Sound auflegen kann.
Chloé
The Waiting Room
CD // Kill The DJ / Nocturne / VÖ 10.10.
006 _ Intro _ Monitor _ Melt 2007
MELT! #10
Du x 16.000
Totenkopf – Rassel. Schick.
Deichkind
Polarkreis 18
I‘m From Barcelona auf Konfetti
Digitalism links, rechts
: »Wurst« und »Käse« sin
d
das »Love« und »Hate«∑ 200
7? Na dann.
Dendemann
Intro _ Monitor _ Melt 2007 _ 007
Fotos: Arne Sattler
Der dicke Zauberer von Deichkind
»Ich glaube, ich war nach einem Festival I‘m From Barcelona oben
, Jeans Team rechts
noch nie so gut gelaunt, sogar jetzt, drei
Tage danach, bin ich immer noch glücklich. Ab und zu erwische ich mich sogar
Kopfnickend durch die Stadt laufend,
ohne dass ich Musik höre oder ein Lied
in meinem Kopf habe. Meine Lebenseinstellung hat sich irgendwie geändert. Ich
bin total entspannt, nur noch freundlich
zu anderen und das Neueste....ich bin geduldig geworden. Hört sich alles vielleicht
blöd an. Aber das MELT! war einfach nur
das Beste, was ich bis jetzt in meinem
ganzen Leben erlebt habe.........Danke an
alle netten Leute, die dort waren. Genießt
Tocotronic
weiterhin euer Leben. Man sieht sich
dann nächstes Jahr!!!«
saddlecreekfreak 18.07.2007 17:09:59
auf www.intro.de
Kelis
Auf intro.de: Zahllose Melt-Auftritte im
Video-Stream, Video-Interviews mit fast
allen Acts und mucho Vorfreude auf 2008.
www.meltfestival.de
DANKE
Lady Sovereign
Hot Chip. Auftritt: glatte 1. Brillen: 5 – 6.
008 _ Intro _ Monitor
DREI FRAGEN AN
OLIVER USCHMANN
D
u wanderst eine längere Lesetour
von Ende August barfuß. Ist das inspiriert von Kerkeling und Andrack
– oder bist du nur wahnsinnig? Ich mache
quasi die Dreifaltigkeit laufender Humoristen perfekt: Hape pilgerte, Manuel wanderte, und ich wandele. Der Wandeler geht in der
Natur auf, vor allem dadurch, dass er barfuß
läuft. Außerdem geht er gern querfeldein, er
ist Dekonstruktivist, er lässt sich die Kategorie »Weg« nicht vorschreiben. Er ist die kontemplative Version der Parcours-Läufer in den
Städten.
Du hast tatsächlich deine Festanstellung
gekündigt, um dich lieber als (Pop-) Lite-
rat durchzuschlagen. Bist du denn so erfolgreich? Oder stimmt am Ende das Buch »Wir
nennen es Arbeit«, und Festanstellung und
Krankenversicherung sind ein unzeitgemäßer Klotz am Bein? Mein Nachfolger bei Visions sagte einmal so schön: »Ich gehe jetzt nach
Hause, im Büro schafft man ja nichts.« So ist
das, und das macht einen arbeitssüchtigen
Freigeist wahnsinnig. Festanstellung bedeutet
heute, 85 % seiner Zeit in einem Negativ-Flow
aus unsinnigen Mails, überflüssigen Telefonaten, Flurfunk, Plätzchen und Kaffee zu verbringen. Unterbrechung ist die Regel, Konzentration absolute Ausnahme. Das ist überall so, aber
so kann man auf Dauer weder Romane schrei-
»Woher kennt ihr denn alle
den Text? Wir haben doch gar
keine Platten verkauft!«
Philipp von Deichkind zum Melt!-Publikum, als dieses bei »Remmi Demmi« sogar die RapParts mitbrüllen kann. So entfesselt hat man das sonst so düstere Dilemma der rückläufigen
CD-Käufe noch nie auf den Punkt gebracht bekommen.
ben noch sein Leben organisieren.
Du hast mit den Figuren »Hartmut und ich«
jetzt auch das dritte Buch besetzt. Geht es
mit ihnen noch weiter, oder sehnst du dich
jetzt langsam mal nach anderen Charakteren? Ach, Nebenschauplätze habe ich ja genug, hier mal eine Geschichte in »Am Erker«,
da ein Aufsatz im ersten Band der »Kafka-Gesellschaft«. Die hartmuteske Welt bleibt allerdings der rote Faden. Warum sollte sie schon
fertig sein? Fragt ihr auch JJ Abrams, warum
er »Lost« auf acht Staffeln angelegt hat? War
selbst Kafka nicht recht eintönig? Immer wieder diese Betten, Türschwellen, Türen, Flure.
Akt. Buch »Wandelgermanen« (Fischer Verlag)
IN DER ZITATHÖLLE
Mit Venom »Welcome To Hell« und Vegan »Welcome
To Health« (siehe http://vegan-wonderland.de)
Intro _ Monitor _ 009
KATZ UND GOLDT:
WESTPROPAGANDA-CARTOON ENDLICH ÜBERSETZT
Dass sich im Netz ein Intro-Katz-&-Goldt-Beitrag findet, wäre bestimmt kein Erstaunen wert.
Aber so schön in Kyrillisch übersetzt, da guckt man gern zweimal hin. Und hofft natürlich, dass der
freundliche Sinn gut übertragen wurde und die russische Community uns nun als verschmitzte
Aufklärer wahrnimmt. Und nicht etwa als selbstgerechte Verhöhner. Wer’s wieder zurückübersetzen
kann, möge Bescheid geben.
VERZWEIFELT GESUCHT
PHIL DAUB
Karriere-Warm up bei Viva: Phil Daub,
Heike Makatsch und Niels Bokelberg
P
hil Daub, Viva-Moderator der ersten Generation of »Metalla«- und
»WahWah«-Fame. Der schöne Rokker mit den großen verträumten Dackelaugen, der sexy schnurrenden Stimme. War
von 1994 bis 2001 dabei. Nach dem Ausstieg ein kurzes Zwischenspiel im Sakko
als Quizshow-Host bei RTL2s famoser Rate-
show »Multi-Millionär«. Mittlerweile Produzent elektronischer Musik, zwischen
Kaffeehaus-Drum’n’Bass, Goa-Trance und
Enigma. Hat zwei Alben raus, »Troponina 1«
(2005) und »Light Of Darkness« (2006). Und
jetzt? Etwa 40, bezeichnet sich in seinem
Tagworld-Profil (www.tagworld.com/phildaub/) als »Human Being«. Nennt auf seiner MySpace-Seite unter anderem Spirits,
Chi, Love, Heaven, Wind und sich selbst als
Einflüsse. Muss man sich Sorgen machen?
Keineswegs: Bei der dänisch-deutsch-französischen Märchen-TV-Serie »Das hässliche Entlein & ich« hat er die Synchronsprech-Rolle von Ratte Nummer #2 an Land
gezogen. Und mit »Nettwerk Cölln« eine eigene MySpace-Gruppe aus dem Boden gestampft. Letzter Stand: bereits 124 Mitglieder! Kein Wunder bei solch einer Einladung:
»Deshalb lad DU einfach jeden netten Kölner, den DU kennst, in diese Gruppe ein,
und Rubbeldiekatz wird’s nett und kuschelig, und es hagelt nette Kölner, und alle
freuen sich. Ist das nett?« Äh, ja, natürlich.
Till Stoppenhagen
PROMO-ITEM DES MONATS
STAHLHELM
Kollege Felix »ausgemustert« Scharlau behauptet immer noch, in dem Helm wäre vielleicht sein Großonkel gestorben. Andererseits
könnte es sich hier aber auch nur um eine Requisite aus dem Deppen-Film »NVA« von Detlev
Buck handeln. Wie dem auch sei: Der PromoEffekt hat sich eingestellt. Und dafür mussten
die Betreiber des Spiels »Hour Of Victory« nur
50 Euro Porto zahlen und ein Bundeswehr-Depot überfallen. Das ist Einsatz.
INTRO INTIM
@ POPKOMM 2007
21.09. Trentemøller live in concert,
Op:l Bastards, Warren Suicide,
Frozen North Special ft. Jussi Pekka u.a.
Berlin / Maria ... weitere Highlights geplant ...
Update/Info/Ticket: www.intro.de/introducing
010 _ Intro _ Monitor
IMPRESSUM
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Sascha Ziehn
FotografInnen Jean Balke, Monika Bender, Lena Böhm, Barbara
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Sebastian Mayer, Elke Meitzel, Ela Mergels, Monica Menez, Majid
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Christoph Voy, Justin Winz, Henk Wittinghofer, Oskar Ziemba und
Pressefotofreigaben
Coverfoto letzte Ausgabe Claudia Rorarius
Termine für Nr. 154 / Oktober 2007
Redaktionsschluss 24.08.2007
Termin- & Anzeigenschluss 29.08.2007
Druckunterlagenschluss 04.09.2007
Erscheinungstermin 13.09.2007
Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen
Geprüfte Verbreitung
Intro II. Quartal 07
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MEIN PLATTENLADEN
MIT HITSVILLE
W
ann wurde der Laden gegründet? Gegründet unter dem Namen Hitsville wurde der Laden
1986, war praktisch das Nachfolgegeschäft
von Pure Freude. Ich habe Hitsville 1994
übernommen.
Genres – was ist eure Ausrichtung? Eigentlich alles, was rockt – von den 50ern bis
heute, von Gitarre bis Elektronik – alles neu
oder gebraucht.
Best verkaufte fünf Alben ever (gefühlt)?
O.S.T. »Pulp Fiction«, Turbonegro »Apocalypse Dudes«, Social Distortion »White
Light White Heat«, Propellerheads »Decksandrumsandrockandroll«, Kassierer »Heiliger Geist«, Oasis »What The Story ...«
Aktuelle fünf Top-Seller? Tocotronic »Kapitulation«, White Stripes »Icky Thump«, Editors »An End Has A Start«, QOTSA »Era Vulgaris«, Neurosis »Giving To The Rising«
Wie erreicht euch die und wie reagiert
ihr auf die Krise des Tonträgerhandels?
Auch ich höre immer mehr: »Hab ich mir
schon gebrannt oder runtergezogen ...«
Oder Leute, die sich vielleicht eine Scheibe im Monat holen, aber dann das komplette Programm präsentiert haben wollen – so
funktioniert der ganze Apparat halt nicht.
Aber das ist der Zahn der Zeit, totale Reizüberflutung. Was heute in einem Monat an
CD/LPs besprochen wird, gab’s früher in
dreien nicht. Aber da kann man den Leuten
keinen Vorwurf machen, ich versuche, unser Programm zu filtern, mehr Qualität zu
bieten und vorwiegend Tonträger anzubieten, wo ich hinterstehe. Das alles gepaart
mit Freundlichkeit ... Dann klappt’s auch
mit dem Kunden. Hoff’ ich ...
Welche anderen Plattenläden deiner Stadt
kannst du noch empfehlen? Etwas kommerzieller bzw. konservativer ausgerichtet
ist A&O, aber für den Düsseldorfbesucher
als Ergänzung zu empfehlen.
Gibt es eine witzige Anekdote, die du zu
deinem Plattenladen raushauen könntest? Mmh, Antiseen haben im Laden gespielt, danach sah’s aus wie im Männerwohnheim. Und was ich im Nachhinein
auch noch ziemlich witzig fand: Eines Tages kam ein Mädel rein, die bekannt dafür
war, sich öfter Jungs an Land zu ziehen, die
Paul-Weller-Lookalikes sind, und auch diesmal enttäuschte sie nicht, der kam schon
nah ran – dachte ich ... Das erste Mal stutzig wurde ich, als er sich höflich auf Englisch verabschiedete. Kurze Zeit später kam
ein aufgeregter Kunde: »Paul Weller läuft
durch die Stadt!« Sie hatte es tatsächlich
geschafft ...
Genaue Anschrift plus Webseite
Hitsville Records, Wallstraße 21, 40213 Düsseldorf, Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr, www.
hitsville.de, info@hitsville.de
Intro _ Monitor _ 011
» Ich kann mich an nichts erinnern. Einzig und allein an
die Überraschung, mit welcher Geschwindigkeit die
Mittagshitze auf die Morgendämmerung folgt.«
So beginnt Boris Fusts »schönster Melt-Moment«. Seinen und noch viele mehr finden sich auf intro.de
FANG DEN HUMMER
JAPAN
GANZ UNTEN
3 FRAGEN AN
PATRICK WATSON
L
ayer, Layer und dann noch ein Layer –
»Close to Paradise« ist ausgesprochen
verspielt. Wie viele Lichtjahre musstet ihr euch mit score writing befassen? Ursprünglich haben wir uns als Teil eines Kunstprojekts gegründet. Zwischendurch machen
wir zudem Filmmusik. Insofern sind wir geübt in Arbeitsweisen, die eine gewisse Vorausplanung erfordern. Unsere ersten beiden Alben hatten daher ein wenig etwas von einem
Soundtrack.
Wie viel Raum bleibt dabei für Spontaneität?
Inzwischen sind wir ja eine richtige Band, kein
Kunstprojekt mehr. Von daher: Jede Menge.
Wir stecken lediglich vorher eine Begrenzung
ab, um zu entscheiden, zwischen welchen Polen wir uns bewegen wollen. Dazwischen geht
dann aber alles.
Live geht ja auch alles: Mal spielt ihr großartig, mal ziemlich beschissen. Das ist sehr
stark abhängig vom Publikum. Auf Showcases vor Business-Volk fühlen wir uns unwohl
Ja, auch wir lieben diese Greifautomaten, bei
denen man immer nur dann gewinnt, wenn »gerade niemand zugesehen hat«. Aber da geht es
um Plüschtiere oder Fußbälle. Lebende Hummer auf diese Weise zu angeln ist aber mit das
Krankeste, das wir seit langem gesehen haben.
Bitte stechen Sie den vornehmlich japanischen
Aufstellern und Nutzern dieser Automaten bei
Gelegenheit die Reifen platt.
und spielen auch entsprechend. Wenn wir aber
das Gefühl haben, dass man uns zuhört, beflügelt uns das. Und wenn’s dann doch schlecht
läuft, schreien wir uns hinterher an. Jedenfalls
könnten wir nicht auf die Bühne gehen und
einfach unseren Job machen – schon allein deshalb nicht, weil es ein Job mit mieser Bezahlung wäre.
Die Fragen stellte Borussia Fust
Akt. Album: »Close To Paradise« (V2 / Universal)
012 _ Intro _ Monitor
Neu
AUF INTRO.DE
»Ich kann auch fummeln wie ein
Weltmeister. Wo ich hinkomme,
wächst kein Gras mehr.«
Diese zwei Sätze muss man sich extrem spackig intoniert vorstellen. Dann hat man eine kleine Idee von der
Kurzhörspiel-Sammlung »Der Schorf-Opa« mit und von
Heinz Strunk. Es gibt reichlich Jingles und hochpointierte
Comedy. Fanfreundlich und komisch.
Neue Videos und Audiofiles von:
Hot Chip, Hard-Fi, Yeah Yeah Yeahs, Smashing
Pumpkins, Architecture In Helsinki, M.I.A.,
Menomena, Tegan And Sara, Caribou, Róisín
Murphy, Moneybrother, Kevin Drew, dazu
ausgewählte Konzert-Bits von fabchannel.com
Akt. Hörspiel »Der Schorf-Opa« (Tacheles / Indigo)
Interviews mit: Stars, Portugal.The Man, The
Robocop Kraus, José González, Andrew Bird,
Ben Weaver sowie Heftstory-Lang-Versionen.
The Maccabees: Woher haben die ihren
Namen jetzt eigentlich? Aus ihrer Verehrung
eines milliardenschweren Ex-Beatles? Oder
doch durch zufälliges Blättern in der Bibel.
Das und viel mehr über die UK-Hopefuls aus
Brighton in unserer exklusiven Online-Story.
LogIntro-Party: Die Intro-Community feiert.
Am 02.10.07 in der Kölner Kneipe Gottes Grüne
Wiese. Das alljährliche Offline-Treffen – mehr
dazu im Forum und auf intro.de.
Das war das Melt! 2007: Die Retrospektive:
Nachberichte , Bildergalerien und teilweise
komplette Live-Konzerte mit Hot Chip, Jeans
Team, Dendemann, Digitalism, The Rifles
und noch vielen mehr! Dazu tonnenweise
Videointerviews mit den Melt!-Acts und
Eindrücke rund um das Jubiläums-Fest in
Ferropolis. Man möchte weinen vor Glück.
BlogIntro: Listenwesen, Netz-Nerdism und
teilweise recht gelungene Gags, täglich im
Blog. www.intro.de/blog
Usergalerie-Foto
des Monats:
Jean Sieseby
www.intro.de/galerie/
view/1184890943
Intro aus Bulgarien
Hoppla? Können wir die vielleicht verklagen? Oder die
uns? Ach, auf keinen Fall.
Wer diesen Titel trägt, muss
ein gutes Herz haben. Grüße
an alle Intros weltweit.
ZWEI WIE WIR, DIE DÜRFEN SICH
NIE VERLIEREN
Mit Dave Gahan und Heinz Strunk (in den 80ern)
DAS INTRO-SPUTNIK MAGAZIN
Über ein halbes Jahr gibt es unsere Sendung schon, und eine geschätzte Milliarde Podcast-Abonnenten können nicht irren. Da lassen wir doch die Sektkorken mal mit diesen Song-Battles knallen. Aua, mein Auge.
06.09. Ausposaunt – Tocotronic »Let There Be Rock« vs. Europe »The Final Countdown«
13.09. Stars und Sternchen – Stars »The Night Starts Here«
vs. Die Sterne »Was hat dich bloß so ruiniert?«
20.09. Ich! Werd!! Bekloppt!!! Ausrufezeichen!!!!! – The Go! Team »Doing It Right«
vs. You Say Party! We Say Die! »Downtown Mayors«
27.09. Krieg und Frieden – PeterLicht »Wir werden siegen« vs. Tocotronic »Kapitulation«
Das Intro-Sputnik Magazin: jeden Donnerstag und Sonntag 21h bis 22h auf MDR Sputnik. Unter www.intro.de/sputnik auch als Podcast abonnierbar und via Player im Stream zu hören.
014 _ Intro _ Monitor
NEUE PROBLEME
BUNTE BILDER
DISCO AMORE
DIE MÄDCHEN
Band treffen, Interview mit ihnen machen,
Text schreiben. So läuft’s gewöhnlich. Christopher Tauber alias Piwi aus Offenbach zieht
die Sache dagegen ganz anders auf. Er hängt
mit Künstlern rum, bestaunt sie, trinkt einen
mit und zeichnet später Comics drüber. IndieFame erlangte dieses sehr niedlich umgesetzte Prinzip in dem Buch »Inter View« (Ventil,
2002). Jetzt erscheint »Disco Amore«, in dem
Piwi diesmal lediglich und dafür ganz ausführlich die Abenteuer von zwei DJ-Mädchen (Disco-Amore eben) festhält. Beide spielen auch in
der Band Good Heart Boutique, fürs Vorwort
trug Klaus Cornfield von Katze Sorge. Alles
also superputzig. Ein Comic wie ein Welpenstreichelgehege.
Zu beziehen für acht Euro
über www.neue-probleme.de
Akt. Buch »Disco Amore« (Zwerchfell Verlag)
TOP 7
DAS GEHT AUF
KEINE KUHHAUT!
F
anzine – das bedeutet zumeist Situationismus und Ruin. Bei der Nummer zwei von Neue Probleme setzt
man vor allem auf die zweite Komponente,
denn das Ding ist nicht auf Bier
und mit Klebestift hingeschludert, sondern
komplett wertig
gemacht. Wie aufmerksam. Der arty
Gipfel sind doppelseitige Farbdrucke mit bisschen Kunst für
zu Hause. Der 2003 verstorbene Wesley Willis ist mit einem
Panaroma-Bild dabei (das auch
schon seine »Greatest Hits
Vol. 2« schmückte), sowie
Matt Furie
und Jenny Mörtsell. Zudem
viele individuelle Storys, deren Glanz von
der Kunstfertigkeit des jeweiligen Autoren abhängt (u. a. Sebastian Ingenhoff, der
ohne Scheu über seine erste E auf einem
lange vergangenen Introducing berichtet).
Besonders schön auch, wie Amélie, Elisabeth und Katharina im Dialog ihr Interview
mit Erlend Øye rekonstruieren müssen.
Das Skript wurde Letzterer nämlich beim
Spanienurlaub geklaut. Und sie musste voll
weinen. So was steht da. Wie nett!
»Sonnenaufgang am Samstag, Dutzende Versehrter
schleppen sich schweigend Richtung See-Ufer. Ihre schwarzen
Silhouetten ergeben eine Szene aus ›Dawn Of The Dead‹.
Highlights: Bester Tocotronic-Auftritt seit Jahren!«
Noch mehr Melt-Momente. Dieser von Felix »Romero« Scharlau. Siehe: www.intro.de
01 You Say Party! We Say Die!
myspace.com/yousaypartywesaydie
02 I Love You But I’ve Chosen Darkness
myspace.com/chosendarkness
03 And You Will Know Us By The
Trail Of Dead
myspace.com/trailofdead
04 Casiotone For The Painfully Alone
www.myspace.com/cftpa
05 Suburban Kids With Biblical Names
myspace.com/suburbankidswithbiblicalnames
06 Someone Still Loves You Boris Yeltsin
myspace.com/boris
07 The Presidents Of The United States
Of America
myspace.com/thepresidentsoftheunitedstatesofamerica
Kurz und knapp und immer auf Braut-, äh,
Freundesschau: www.myspace.com/intromagazin
37
Backissues unter www.intro.de/heftarchiv
INTRO VOR 11 JAHREN
Ausgabe #37: September 1996
Titel: Rockers Hi-Fi
Interviews mit: Funki Porcini, Gert Wilden, Sebadoh, Ween,
Murphy’s Law, The Dirty Three
Erster bei Platten vor Gericht:
Dimitri From Paris »Sacrebleu«
Letzter bei Platten vor Gericht:
Hayden »Everything I Long For
You«
Zitat: »Wir hier im Labor dieses
Magazins gehen wie folgt vor:
Wir legen die Disc von Caspar
Brötzmann und Page Hamilton in
einen Player. Nach dem leichten
Druck auf den Wiedergabeknopf
vernehmen Sie nun eine ohrenbetäubende Kakophonie. Nun neh-
men wir zusätzlich einen handelsüblichen Fön in Betrieb und
horchen mal, ob sich der Klangeindruck entscheidend verändert.«
Zu lesen in der Brötzmann-Kritik.
Spektakel: Whirlpool Productions »Dense Music«, Nas »It Was
Written«, Tuesday Weld »Tombola
Illustrata«, C.O.C. »Wiseblood«
Aus den Redaktionscharts: Rockers Hi-Fi »Mish Mash«, Zion
Train »Grow Together«, Ween »12
Golden Country Greats«
Besondere Vorkommnisse: Zu
der Zeit existiert eine Band mit
dem Namen Sick For Toys, die begeistert beworben wird mit einer
Anzeige folgenden Textes: »End-
lich!!! Das Sick-For-Toys-DebütAlbum mit Sänger Tommy – bekannt als deutsche Stimme von
Beavis & Butthead, den MTV-Chaoten.« Stimmt, »die MTV-Chaoten« scheiterten ja mal kurzzeitig
in einer entsetzlichen SynchroVersion. Verrückte Zeit. Auch im
Heft: Boris Fust über Type O Negative. Seine ungeschönten Worte zu den beliebten Vollpfosten
zogen großen Streit mit der damaligen Plattenfirma nach sich. Der
Artikel endet übrigens mit: »Das
Album zeugt von ausgewachsener
Muckerlangeweile. Das ist zwar
nicht gerade psychopathisch,
aber wenigstens autistisch.«
ROCK
DICH
LEER!
»Good, you’re up! I have a special
anniversary surprise for you. Your favourite song,
sung by America’s sweetheart: Whitney Houston.«
Whitney: »Come on daddy. I need a fix!«
Dad: »First you sing then you get your precious cocaine.«
Whitney: [singt] »No matter what they say, they can’t take
away my dignity!«
Dad [zu seiner Frau]:
In der Serie »American Dad« entspinnt sich dieser Dialog, nachdem der bei der CIA
arbeitende Vater den eigenen Hochzeitstag vergessen hat und zur Beschwichtigung
seiner Frau eine komplett derangierte Whitney Houston anschleppt. So behandelt
Cartoon-Hollywood mittlerweile seine Helden ...
Akt. DVD: »American Dad – Staffel 1« (2000 Century Fox)
T-Mobile begleitet Dich durch
den Festivalsommer 2007.
01.–03. Juni
Nürburgring
Rock am Ring,
rnberg
Nü
,
rk
Pa
Rock im
22.–24. Juni
POPDIS
HAVE A LITTLE HELP
OF THE PROFIS
I
m letztmonatigen »Mein Label und
ich«-Spot kam beim Halbsatzkürzen ja
ein ziemlicher Schnitzer raus, selbstverständlich dissen die Jungs vom Sonar
Kollektiv nicht ihr eigenes Projekt Popdis.
Wieso auch?
Aber wenn wir schon mal dabei sind:
Popdis, was ist das überhaupt?
Thomas Berres: Popdis macht etwas, was
wir Labelhosting nennen. Das heißt, wir
bieten Labelheads die Möglichkeit, ihr
Label mittels einer sehr schlanken Personalstruktur zu führen, sodass sie sich
komplett auf die künstlerische Seite konzentrieren können – während Popdis sich
auf die technisch/administrativen Aspekte konzentriert. Denn aus unserer Erfah-
rung wissen wir, dass Indie-Labelbesitzer
eher aus dem künstlerischen Umfeld kommen und sich mit diesen Aspekten oft sehr
schwer tun. Popdis-Mitarbeiter sind dagegen Spezialisten auf genau diesen Gebieten
und können gewährleisten, dass gute Ideen
und Projekte auch zeitnah umgesetzt werden können. Popdis übernimmt solche Aufgaben und geht dabei auch voll ins Risiko
– da wir uns aus einer Umsatzbeteiligung finanzieren. Unser Service umfasst also derzeit Teile des Label- und Salesmanagement,
Koordination der internationalen Promotion und des Marketings sowie Promotion für Deutschland. More to come. Kunden
sind zurzeit Sonar Kollektiv und Tomlab.
Kontakt: Thomas.Berres@popdis.com
eßel
Hurricane, Sche
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So
13.–15. Juli
Melt, Gräfenhain
ichen
17.–19. August
e
Highfield, Stause
furt
Er
i
be
n
Hohenfelde
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www.t-mobile.de/festivals
016 _ Intro _ Musik _ Hot Hot Heat
Text: Peter Flore
Hot Hot Heat. Groß, mächtig und dekadent
Als wir von der letzten Tour zurückkamen, habe ich mich von
einem nicht kleinen Teil meines
persönlichen Besitzes getrennt
und bin in ein schäbiges Apartment gezogen. Ein ziemliches Loch, in das ich
mich zurückgezogen habe, um ein wenig Inspiration zu finden.« Was geschrieben ein bisschen prätentiös anmutet, klingt aus dem
Munde des Hot-Hot-Heat-Sängers und Gitarristen Steve Bays wie ein ganz normaler Prozess. Das Glück, so möchte man fast in Anlehnung an den Albumtitel »Happiness Ltd.«
sagen, tritt also erst dann ein, wenn man sich
(fast) alles Weltlichen entledigt.
Das dritte Album der Kanadier wurde zu
fast zwei Dritteln bereits während der Tour
zum erfolgreichen letzten Album »Elevator«
geschrieben. Zu Hause sei man eh nur abgelenkt vom Alltag, da schreibe es sich besser
unterwegs, aus dem Koffer gewissermaßen.
So weit, so gut, nur klingt »Happiness Ltd.«
nach allem anderen als nach einem direkten,
unverfälschten und spontanen Album, trotz
seiner Entstehungsgeschichte. Im Gegenteil,
der klassische Hot-Hot-Heat-Sound wurde
vor allem in die Breite erweitert: »Wir hatten
immer einen recht schlanken Sound: Gitarre, Bass, Schlagzeug, ein, zwei Overdubs. Bei
diesem Album wählten wir von vornherein
einen epischeren Ansatz. Die Songs sollten
groß, mächtig und dekadent sein. Beim Track
Harmonicas And Tambourines haben wir
vier Schlagzeuge übereinandergelegt, diverse Keyboardspuren eingespielt, und den Bass
habe ich auch noch mal gedoppelt. Das Ergebnis klingt schon sehr gewaltig, nicht? The big
thing we wanted to go for.«
In der Tat: Hot Hot Heat klingen versierter
und ausgereifter als je zuvor, der Song »Outta Here« besticht durch Bays’ neuerlichen Falsett-Gesang, der vor einem weiblichen Backgroundchor und dem Summen des Theremins
Kapriolen schlägt. Man habe mit ungefähr
15 Produzenten gearbeitet und selbst ca. 90
% des Materials koproduziert, erzählt Bays,
wohl wissend, dass viele Köche einen Brei
nicht zwingend schmackhafter machen. »Es
ist in dieser Hinsicht fast ein HipHop-Album«,
lacht er. »Nach dem Motto: neuer Track, neuer
Produzent.« Dass es dabei eben doch wie aus
einem Guss klingt, mag an der Klasse des verpflichteten Personals gelegen haben: GreenDay-Produzent Rob Cavallo oder Tim Palmer,
der auch schon Bowie oder U2 betreute, hatten unter anderem ihre Finger mit im Spiel.
Große Namen für den großen Sound, der aber
gottlob meilenweit von etwaigen StadionrockPlattitüden entfernt ist.
Und noch etwas hat sich seit dem letzten
Album geändert: Der neue Gitarrist Luke Paquin ersetzte den 2005 aufgrund musikalischer Differenzen ausgestiegenen Dante DeCaro. Man sei jetzt wieder eine Gang, erzählt
Bays stolz. Und betont noch einmal, dass eine
Band eben mehr sein sollte als eine bloße Ansammlung von Musikern.
intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Let Me In«
Aktuelles Album:
Hot Hot Heat
Happiness Ltd.
CD // Warner / VÖ 07.09.
018 _ Intro _ Musik _ You Say Party! We Say Die!
Text: Christine Käppeler _ Foto: Markus Feger
You Say Party! We Say Die!. Wer kennt wen?
V
or dem Lido in Kreuzberg hält
ein Taxi. Zwei schlanke Typen
mit sorgfältig fixierten Slackerfrisuren und eine Frau
in einem getupften Cocktailkleid steigen aus. Die bewusst gestylte Gruppe
lässt sich unschwer als Band identifizieren.
So weit, so richtig geraten. Die gesuchten Interviewpartner sind sie allerdings nicht, sondern Teil und Anhang der Vorband Humanzi, die aus Dublin kommt. Nun ist es nicht so,
dass sie You Say Party! We Say Die! zum Verwechseln ähnlich wären, doch es existieren so
viele unterschiedliche Bilder von dieser Band,
dass es schwer fällt zu sagen, wie sie definitiv nicht aussieht. Es gibt Fotos, die zeigen
Sängerin Becky Ninkovic als veritables PostPunk-Girl in schwarzen Leggings und Streifenshirt, auf einem Promofoto ihres kanadischen Labels Paperbag Records sieht sie mit
geglätteten Haaren, Teetasse und einem Silberkettchen sehr sophisticated aus, und das
Video zur aktuellen Single lässt sie mit rotem Seidenumhang und bleichem Teint wie
die jüngere, unschuldige Schwester von Dita
von Teese daherkommen. »Ich verkleide mich
gerne«, meint Becky schlicht. »Meistens ist
es die Idee der Fotografen. Der Rest der Band
steht allerdings nicht so drauf.« Sie sitzt mit
Gitarrist Derek Adam und Krista Loewen, die
Keyboards spielt, im Backstageraum, ab und
an kommt Drummer Devon Clifford auf eine
Handvoll Erdnussflips vorbei. Die Band sieht
heute eher nach einem gemütlichen Mittag
im Skatepark aus und nicht wie Hipster, denen der Boden unter den Füßen brennt. Man
mag ihr zweites Album als ein weiteres Hybrid aus Punkrock, Disco und Sozialkritik verstehen, doch schon die offensive Wiederholung der Zeile »This is a test« am Anfang des
ersten Songs ist nicht nach außen gerichtet,
sondern verweist auf die bandinterne Situation und die Herausforderungen des permanenten Unterwegs-Seins. Ursprünglich kommen
sie alle aus Abbotsford, und wenn Derek von
dieser wohlhabenden, religiösen Gemeinde
in der Nähe von Vancouver erzählt, dann wird
schnell klar, dass Kanada sich keinesfalls so
sehr von den USA unterscheidet, wie Michael
Moore in seinen Filmen gerne glauben macht.
»Jeder besitzt dort ein Auto«, erzählt Becky.
»Wenn du nachts alleine rumläufst, denken
sie, du wärst eine Prostituierte, und werfen
mit Flaschen nach dir.« Junge Skater wurden
in Abbotsford Mitte der 90er häufig von tumben Sportlertypen verkloppt. Als Gegenbewegung entstand der »PCP«, eine 50-köpfige
Gang aus angehenden Pro-Skatern und Künstlertypen, die in zwei besetzten Häusern Konzerte veranstaltete. »Da liegen die Wurzeln
unserer Band«, erzählt Becky und grinst. Gerade breitet sich Ferienlagerstimmung aus,
da werden sie zum Soundcheck auf die Bühne
gerufen. Auf der Treppe dreht sich Becky um:
»Wir kennen uns, oder?« – »Dachte ich eben
auch«, ergänzt Derek. Obwohl ich mir sicher
bin, dass ich niemals in British Columbia gewesen bin, bleibe ich etwas irritiert zurück.
intro.de: Verlosung & Video-Live-Clip
Aktuelles Album:
You Say Party! We Say Die!
Lose All Time
CD // Pias / Rough Trade
020 _ Intro _ Musik _ Okkervil River
Text: Martin Büsser _ Foto: Jonathan Forsythe
Okkervil River. Traurig ist vorbei
A
ufgewachsen in einem kleinen Nest im Bundesstaat
New Hampshire, hat Will
Sheff eine ähnliche Entwicklung hinter sich wie Conor
Oberst. Einerseits ganz im Trend, allerdings
auch fast schon zum Klischee geworden, galten Okkervil River lange Zeit als Inbegriff des
melancholischen Indie-Folk. Das Image des lebensmüden, verzärtelten Indie-Boys begann
Will ebenso zu nerven wie Conor Oberst. Für
die Arbeit am neuen Album zog er nach New
York und kehrt nun mit einer opulent arrangierten Platte zurück, die alle StimmungsRegister zieht und Americana wie ein großes Medley klingen lässt. »Ich glaube, dass
die Umstände, unter denen du deine Stücke
schreibst, einen großen Einfluss auf die Musik haben«, erzählt er. »Die Songs zu ›Black
Sheep Boy‹ habe ich in einem stickigen Haus
auf dem Land geschrieben, während draußen Schnee lag. Die Stücke für das neue Album entstanden in einem hellen Apartment
in Brooklyn, ich war gut gelaunt, bin viel ausgegangen. Deshalb ist ›The Stage Names‹ un-
sere bislang fröhlichste Platte geworden. Sie
spiegelt auch am ehesten meine Person wider, denn eigentlich bin ich ein sehr optimistischer Mensch.« Auch an die Jugendjahre auf
dem Land hat Will nur gute Erinnerungen:
»Ich lese gerade die Briefe von Van Gogh, aus
denen hervorgeht, wie er aus der Isolation heraus einen eigenen Stil ausgebildet hat. Dann
kam er nach Paris und sah zum ersten Mal die
Bilder der Impressionisten. Das hat sich dann
mit seinem Stil vermischt und wiederum etwas total Eigenes ergeben. So ähnlich sehe
ich auch meine Entwicklung. Anfangs habe
ich ganz aus mir selbst heraus geschöpft, bis
mich auch andere Musiker beeinflusst haben. Dieser Weg ist wahrscheinlich besser, als
wenn du von Anfang an in einer vorgefertigten Welt aufwächst und gar nicht die Möglichkeit hast, etwas Eigenes auszubilden.«
Will arbeitet auch als Musik- und Filmkritiker, kennt also ebenfalls die andere Seite, die
über Musik reflektiert und sich darüber bewusst ist, dass das Künstlergenie ein Mythos
ist. Der Text zum ersten Song der neuen Platte, »Our Life Is Not A Movie Or Maybe«, ist im
Stil einer Filmkritik verfasst. Möglicherweise hat Wills intensive Beschäftigung mit dem
Kino dazu beigetragen, dass »The Stage Names« geradezu melodramatische Züge trägt.
»Filmische Vorlieben schlagen sich in der Musik nieder. Ich bin ein großer Fan von Stummfilmen, vor allem von Murnau. Wenn man sich
seine Filme heute ansieht, haben sie etwas
total Irreales, entführen einen in magische
Traumwelten. Obwohl das damals wahrscheinlich gar nicht so intendiert war. Mit diesem
Effekt spielt auch Guy Maddin, einer meiner
Lieblingsregisseure. Er arbeitet das Surreale
heraus, das den damaligen Regisseuren noch
gar nicht bewusst war. Ich wollte Guy Maddin schon immer dazu gewinnen, ein Video
für uns zu drehen. habe mich allerdings noch
nicht getraut zu fragen.«
Auf intro.de: Verlosung
Aktuelles Album:
Okkervil River
The Stage Names
CD // Jagjaguwar / Cargo
022 _ Intro _ Musik _ Moneybrother
Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann
Moneybrother. Fucking Yellow Submarine!
N
achdem er mit herzzerreißenden Liebeskummer-Hits
die Herzen im Sturm erobern
konnte, widmet sich Anders
Wendin mit »Mount Pleasure« nun den Freuden des Lebens. So dreht sich
vieles um gelungene Trinkgelage mit Freunden oder einfach dieses besondere Sommerfeeling. Aber Wendin wäre nicht Moneybrother, wenn nicht auch gute Zeiten bei ihm
eher ein melancholisches Gefühl erzeugen
würden. Er kann eben nicht aus seiner Haut.
Dafür reist er viel in Autos.
Im Gegensatz zu »To Die Alone«, das mit seinen Streichersätzen stark Richtung Soul
ging, funktioniert »Mount Pleasure« wie
ein klassisches Rockalbum. Das ist mein rockigstes Album. Die früheren Sachen beruhten stark auf Sessions. Diesmal wollte ich es
anders machen und übte die Stücke mit den
Musikern über einen langen Zeitraum ein. Sie
sollten die Stücke total verinnerlichen. Dadurch entstand ein völlig anderer Sound.
Der ist ja ziemlich episch und ornamen-
tal. Es gibt erstaunlich viele Soli, vor allem
vom Saxofon. Ja, wir haben es zunächst anders konzipiert, aber Musiker wollen eben im
Grunde nur eins: spielen. Und dieses Mal hatte ich mir ja extra Musiker ausgesucht, von denen ich erwarten konnte, dass sie den Songs
etwas Eigenes geben würden.
Ist das der Grund, warum du die Aufnahmen
in Los Angeles abgebrochen hast? Die Musiker in Los Angeles waren großartig. Aber sie
waren zu professionell. Ich mag zwar einen
cleanen Sound, aber man muss in der Lage
sein, den Dreck durchscheinen zu lassen.
Für diese Platte hast du dich angeblich vom
West-Coast-Rock beeinflussen lassen. Ich
habe ein halbes Jahr in L.A. gelebt. Manchmal fuhr ich mit ein paar Bieren intus durch
die Gegend. Und da hörte ich plötzlich »Take It
Easy« von den Eagles im Radio. Ich hatte diesen Song schon 1000 Mal vorher gehört und
mochte ihn nicht mal. Aber in dieser Situation
verliebte ich mich in ihn.
Eine angetrunkene Autofahrt hat dich zu
deinem neuen Album beeinflusst? Die Sache ist in Wirklichkeit so: Ich war in Mexiko
und fuhr oft mit einem Auto rum. Dabei fand
ich einen Sender, der mexikanische Songs aus
den 50ern spielte, diese Conjunto- und Tijuana-Musik. Ich hörte zwei Tage nur diesen Sender, und auf einmal spielten sie ganz unvermittelt »Our House« von Madness. Der Anfang
von diesem Stück haute mich einfach um. Das
war der exakte Moment, in dem ich wusste,
wie mein neues Album klingen sollte.
Conjunto beinhaltet vornehmlich schmerzhafte Gefühle, dein neues Album spiegelt
aber angeblich die glücklichen Momente deines Lebens wider. Es klingt allerdings doch
wieder sehr melancholisch. Man muss das im
Verhältnis sehen. Für viele andere Künstler
wäre »Mount Pleasure« das dunkle, tragische
Album, aber für eine Moneybrother-Platte ist
es fucking Yellow Submarine, Mann.
intro.de: Verlosung, Videoclip & ganzes Interv.
Aktuelles Album:
Moneybrother
Mount Pleasure
CD // Columbia Deutschland / SonyBMG
024 _ Intro _ Musik _ Beach House
Text: Sandra Grether _ Foto: Sibylle Fendt
Beach House. Der Spuk im Strandhaus
H
uhu, was wird denn hier alles
geboten an Atmosphäre? Was
ein verwegener Sound, den
uns Victoria Legrand und Alex
Scally, die zwei »No Genre, please«-Individualisten aus Baltimore, bescheren. Sie nennen sich Beach House, was nicht
gerade ein besonders eigensinniger Name ist –
das kommt davon, wenn man alle Genres kategorisch ablehnt. Aber nun gut, so müssen sie
ihren Namen halt selbst füllen. Beach House
haben auf ihrer Webseite eine Bilder-Staffel
erschaffen, um zu zeigen, wie sie sich selbst
definieren: »ein Geldstück in einer Tasse mit
öligem Wasser«, »Visionen aus einem Raum
der Taubheit«, »A diamond’s best girlfriend«
oder auch »Twin camels taking a luscious nap
in the sahara«. »Wir wollten mit dem Bandnamen einen Ort benennen, an dem unsere
Musik existieren kann«, sagt die in Amerika
geborene, in Frankreich aufgewachsene Sängerin und Keyboarderin Victoria. Sie spielte
zunächst in Paris »experimentelles Theater«,
bis sie 2004 nach Baltimore zog, wo sie ihren
Mitmusiker Alex kennenlernte. »Es war eine
Lebensentscheidung, mich voll auf die Musik
zu konzentrieren. Als Schauspieler ist man
ein Medium, ich aber wollte selbst den Inhalt
vorgeben.« Folgerichtig also, dass die meisten Songs und Texte von ihr sind – Alex arrangiert und spielt Gitarre. Man legt Wert darauf,
dass die Beats nicht aus dem Computer kommen, sondern »handgeschlagen« oder Xylofon-veredelt sind. »Manchmal verwenden wir
auch einfach einen Beat aus der Orgel«, so Victoria. Oder, um im beseelten Band-Jargon zu
sprechen: »Wir nehmen den Puls des Herzens
der Orgel.« Victoria: »Der Beat muss nicht eindeutig festgelegt werden, er ist eher wie ein
Schatten der Songs.« Schön. Wer sich so viel
Mühe gibt, seine angeblich nicht kategorisierbare Musik selbst in Worte zu fassen, der fertigt natürlich auch besonders detailverliebte
Songs an. Gitarren, die mit dem Wind heulen, eine Stimme, die mit dunklem Timbre entschieden und gar nicht ätherisch Weisheiten
und Wunderliches vorträgt, dicht komponierte Songs voller Ruhe und Zuversicht. Narkotisierend. Fehler im Spiel empfinden sie als
Bereicherung, ebenso wie ihren Lo-Fi-Sound.
Und das passt zu einer Band, die sich in nichts
gerne festlegen lassen möchte. Auch was Fotos betrifft, natürlich. Lieber sich selbst malen, oder malen lassen: Victoria im elegantelegischen Kleid, das genauso türkisfarben
ist wie die Gitarre, die Alex um den Hals trägt.
»Tokyo Witch«, mein Lieblingslied des selbstbetitelten Debütalbums, ist voll von Gespenstern und Dämonen, hat eine fast psychedelische Aura. Hätte man sich schon denken
können, dass es auch spukt im Beach House.
»Ein mysteriöses Lied, voll merkwürdiger Visionen«, pflichtet Victoria bei. Will dann aber
mehr nicht verraten. »Der Song spricht für
sich.« Das wundert mich nun natürlich wenig
bei einer Band, die ihre Songs mit »dem hartnäckigsten und schmerzhaftesten Weisheitszahn im Mund« vergleicht.
Auf intro.de: Verlosung
Aktuelles Album:
Beach House
Beach House
CD // Bella Union / Coop Music / Universal
026 _ Intro _ Musik _ Talib Kweli
Text: Martin Riemann _ Foto: Joachim Zimmermann
Talib Kweli. Das schwarze Microsoft
T
alib Kweli gestaltet sich die Promo-Arbeit so angenehm wie möglich. Wenn er schon seine Zeit mit
Interviews verplempern muss,
dann wenigstens im nobelsten
Hotel am Potsdamer Platz. Kwelis offensichtliche Abneigung gegenüber ausgedehnten
Pressegesprächen, die dazu führt, dass verschiedene Journalisten sich die Gesprächszeit teilen müssen, sorgt für Unbill in der
Interview-Suite des Ritz Carlton. Ein TV-Moderator sieht einen eklatanten Widerspruch
zwischen Kwelis mangelndem Schoßhundverhalten gegenüber der Presse und seinem
angeblichen Image als Conscious-Rapper,
also als Rapper, der sich nicht ausschließlich
für Waffen, Sex und Geld interessiert – denn
ein solcher hat gefälligst lieb zu sein!
Als der Künstler dann die Suite betritt,
riecht seine makellose Kleidung angenehm
nach frischem Gras. Hungrig greift er zum Telefon: »Ich hätte gerne den Salat mit Croutons
und Parmesan, aber ohne das gegrillte Gemüse. Nein, keinen Cesars Salad, die Salatherzen.
Und könnte ich noch die Käseauswahl haben?
Und den Früchteteller? Ach, und könnten Sie
mir noch einen Hummer zum Salat servieren?
Und noch einen Eimer mit Eiswürfeln, bitte!
Danke, Sir.« Lustig, wie er den Hummer so nebenbei nachschiebt. Vielleicht spürt er, dass
es hierzulande Conscious-Rappern streng verboten ist, lebende Tiere in kochendes Wasser schmeißen zu lassen. Dabei macht Kweli
auch auf dem neuen Album »Ear Drum« deutlich, dass er mit aufoktroyierten Vehikeln wie
Consciousness genauso wenig am Hut hat wie
mit Gangstarap. Sein Ansatz ist eher eigennützig, eher poetischer als politischer Natur.
Vielleicht beginnt sein neues Album deshalb
mit den achselzuckenden Worten: »You can’t
please everybody!« »Die Natur eines Künstlers
ist zunächst der Wunsch, allen zu gefallen«,
antwortet Kweli, während er in seinem Tee
rührt, »aber ab einem gewissen Stadium muss
man sich von dieser Haltung trennen. Sonst
sollte man besser Politiker werden und kein
Künstler. Du darfst deinem Publikum niemals
erlauben, dir zu diktieren, was du als Nächstes machst.«
Kweli ist sein Publikum allerdings nicht
egal. Deutlichstes Zeichen: Zuletzt veröffentlichte er »Liberation«, seine gelungene Zusammenarbeit mit Madlib, gratis über das Internet: »Je mehr das Internet ein Teil unseres
Lebens wird, umso besser für mich. Was die
traditionellen Mechanismen der Musikindustrie angeht – diese Leute agieren wie Hühner, denen man den Kopf abgeschnitten hat.
Und das ist gut für mich. In dem Maße, wie es
durch die Verbreitung des Internets mit dem
Musikbiz abwärts geht, geht es mit meiner
Karriere aufwärts.«
Zum Schluss noch etwas conscious-gespeiste Politik. Ob er denn HipHop noch immer als
das einst von Chuck D ausgerufene Black CNN
begreife? »HipHop ist längst mehr als das. Er
ist eher ... Black Microsoft!« Und Jean Grae,
seine Ko-Rapperin für den Auftritt am Abend
in der Maria, fügt grinsend hinzu: »Yeah,
Blackrosoft!«
Aktuelles Album:
Talib Kweli
Ear Drum
CD // Warner
AKTION
STAGE FEVER CONTEST 2007
YAHOO! MUSIK UND INTRO
SUCHEN DIE STARS VON MORGEN
Träume nicht weiter vom großen Gig – hol ihn dir! Pünktlich zur
weltweit größten Musikmesse Popkomm starten Yahoo! Musik
(www.yahoo.de/musik; offizieller Online-Partner der Popkomm,
19.-21.09.2007) und Intro den ersten »Stage Fever Contest 2007«
für den musikalischen Nachwuchs in Deutschland.
ewcomer haben dabei die
Chance, einen exklusiven
Live-Gig im Rahmen der
Popkomm in Berlin zu
gewinnen und sich dort
beim »Intro Intim« am 21.
September vor den Größen der Branche
und begeisterten Musik-Fans zu präsentieren. Mitmachen ist ganz einfach:
Unter www.yahoo.de/popkomm gibt es
die Möglichkeit, sich mit einem eigenen
Musikvideo zu bewerben. Im Anschluss
daran wird der Gewinner des Wettbewerbs über ein zweistufiges Verfahren
ermittelt.
Zunächst trifft eine hochkarätige Jury
aus Branchenkennern von Yahoo!
Musik, der Popkomm und der Intro
eine Vorauswahl. Die acht besten
Acts dürfen sich und ihre Sounds vor
knapp einer Million Internetnutzern auf
www.yahoo.de/musik präsentieren. Den
finalen Sieger des ersten »Stage Fever«Wettbewerbs küren jedoch basisdemo-
kratisch und wie es sich gehört die
Musikfans selbst. Sie stimmen
online für ihre Lieblingskünstler
und legen damit vielleicht
ja sogar den Grundstein
zu einer neuen, großen
Karriere.
Der Gewinner des OnlineVotings darf am 21. September im Berliner Club
»Maria & Josef« (ehemals Maria am Ufer)
seine Live-Qualitäten im Rahmen
des »Intro Intim«
vor vielen Profis aus
der Musikbranche unter
Beweis stellen. Für den
angemessenen »VIP-Status« ist dabei
ebenfalls gesorgt: Neben der Hotelunterbringung stellt Yahoo! Musik der
Gewinner-Band eine luxuriöse Stretchlimousine als exklusiven »Stage Fever«Star-Shuttle zum Gig zur Verfügung.
028 _ Intro _ Musik _ M.I.A.
M.I.A.
Missing
in America
Text + Fotos: Heiko Behr
Intro _ Musik _ M.I.A. _ 029
Als die kleine Maya mit ihrer Mutter aus Sri Lanka floh, sehnte sie sich
nach nichts mehr als einem sicheren Zuhause. Doch auch in der neuen
Wahlheimat London fühlte sie sich nicht willkommen. Nach ihrem besonders
in den USA erfolgreichen Debüt »Arular« konzentrierte sie nicht zuletzt deshalb
ihre Hoffnungen auf New York – ob es hingehauen hat oder nicht, das sagt
uns nun Heiko Behr.
»Wer ist eigentlich M.I.A.?« stöhnt der bullige Stiernacken
und inhaliert einen tiefen Schluck seines Plastikbiers. »Europäischer HipHop, oder so«, antwortet ihm gähnend der
Crewcut und rückt seine verspiegelte Ray-Ban-Sonnenbrille zurecht. Danach einigen sie sich auf ein klares »Whatever« und beginnen eine tief greifende Diskussion über den
Vorteil vom Bongrauchen gegenüber dem Komasaufen.
Wir befinden uns in Chicago. Genauer gesagt auf dem
Gelände des Lollapalooza-Festivals. Mit derlei Reaktionen
muss Maya Arulpragasam, die hier heute am späten Nachmittag einen Auftritt ihrer aktuellen Amerikatour durchziehen muss, in diesem Kontext leider rechnen. Hier wartet
niemand auf den progressiven Hype aus UK, der sein zweites, so viel sei gleich mal gesagt: großartiges Album, »Kala«
betitelt, promoten will – hier wird stattdessen gerade Ben
Harper gottgleich abgefeiert.
Die 30-Jährige müht sich später auf der fußballfeldgroßen Bühne dennoch ab, stürmt zwischendurch ins Publikum, animiert zum Mitsingen. Kurzum: Sie gibt alles. Und
auch ihre Begleit-Tänzerin schwitzt nicht von irgendwoher;
lediglich der DJ schaut etwas verloren ins Rund – und erntet
indirekt für seine fehlende Professionalität Kritik von der
Chefin: »Manchmal wünsch ich mir in solchen Situationen
dann doch eine Band«, gibt eine verkaterte und trotzdem
(oder gerade deswegen) grinsende Maya am nächsten Tag
beim Interview im Hard Rock Cafe zu Protokoll. Überhaupt
hat sie ausgeprägte Lust zu reden. Also hören wir doch einfach mal zu:
Ich hoffe nicht. Aber sie haben mich gebeten, ihnen einige
Crewcut
Presse-Artikel zuzuschicken, so wollten sie sich über mich Amerikanischer Slang, steht für
informieren. Eine ziemlich faule Art für eine staatliche Or- einen mächtig blöde aussehenden Kerl mit Bürstenhaarschnitt.
ganisation. Und das kam dann bei ihnen so an: »M.I.A.!
Tochter eines militanten Terroristen! Kommt in die USA!«
Tja, und schon war ich auf der Watchlist.
Hast du nie gedacht: »Okay, wenn ihr mich nicht wollt,
Lollapalooza
will ich euch auch nicht!«? Genau mit dieser Einstellung
1991 gründete Perry Farrell, Exhab ich »Kala« gemacht. Wenn ich nicht in die USA reinJane’s-Addiction und -Porno-Forkomm, geh ich in jedes einzelne Anti-USA-Land auf diesem Pyros, dieses Festival als rokkenPlaneten und mach da jedes Mal einen Anti-USA-Song! Da
den Wanderzirkus – man tourte
durch die USA, um den Leuten
bin ich innerhalb von kurzer Zeit bei acht Alben! Und hey,
auch abseits der Großstädte
das wär okay gewesen. Dann verkauf ich sie halt in China.
ein bisschen Popkultur nahezuDann wäre ich eine noch größere Bedrohung.
bringen. Mit der Zeit wurden die
Aber irgendwie bist du ja drangeblieben an diesem Visum. Bands zwar größer, die Preise allerdings auch höher und die
Was fasziniert dich so sehr an den USA? So viele liberale Gedanken kommen doch aus Amerika, progressive, revo- Sponsoren-Präsenz erdrückender
– es kam zum Crash. Nach kurlutionäre Gedanken. Das muss man respektieren. Und ich
zer Pause findet das Lolla nun gewürde gern meinen Teil dazu beitragen, Informationen ins sundgeschrumpft jährlich in ChiLand hineinzutragen. Ich glaube, die Amerikaner brauchen cago statt.
mehr Außenperspektive! Niemand hat in den USA Zeit, sich
mal mit einem Thema zu beschäftigen. Schau dir die Nachrichten hier an. Es ist also dringend nötig, dass jemand den
Freedom of Speech
Amis etwas kulturell Subversives injiziert: Erinnert euch
Eigentlich garantiert dieses
an Afrika! Kennt ihr eigentlich China?
Grundprinzip liberaler DemokraDu hast ja bekanntermaßen den Sri-Lanka-Background,
tien die freie Meinungsäußerung
hast dann in London gelebt und die letzte Zeit so ziemlich in jedweder Form, in jedem Meüberall und nirgends. Quasi aus dem Koffer. Fühlst du
dium. Eigentlich. Zusehends wird
dich kulturell zerrissen? Hast du Heimweh? Nein. Ich flie- das Konzept allerdings auf dem
Altar grassierender, hilfloser Terge ja manchmal rüber, um ein bisschen zu helfen. Aber ich
Ist es nicht schon ein Erfolg, dass du überhaupt in den
rorpanik geopfert. Jedes Land
könnte dort nicht leben. Letztes Jahr ist meine Großmutter hat seinen Schäuble.
USA auftrittst momentan? Ich hörte, du hättest Visuman meinem Geburtstag gestorben. Da hatte ich gerade das
Probleme gehabt. Puh. Ich weiß gar nicht, ob ich darüber
»Bird Flu«-Video abgedreht. Auf ihrer Beerdigung habe ich
reden darf. Mein aktuelles Visum ist nämlich nur auf ein
zum ersten Mal seit langer Zeit so eine Art spirituelle VerJahr beschränkt. Also, wenn ich hier Scheiße erzähle, können sie mir das Visum auch schnell wieder wegnehmen. Ich bindung mit dem Land gespürt. Aber in den wenigen Tagen,
die ich damals da war, wurden plötzlich alle Schulen gedenke mal, das ist ein Mittel, um Leute unter Kontrolle zu
schlossen, alle Kinder nach Hause geschickt. Die Regierung
halten.
Empfindest du das jetzt als ständige Bedrohung? Eigent- verbreitete Gerüchte, dass die Tamil Tigers damit gedroht
hätten, Bomben zu zünden. Die Tigers hingegen sagten,
lich nicht. Trotzdem bin ich bei dieser Sache sehr vorsichtig. Und es bestärkt mich noch: Im Grunde muss man in den das sei ein Wahlkampftrick der Regierung vor den Wahlen,
USA leben, um hier auch Kritik üben zu können. Wenn man sie hätten dergleichen niemals angedroht. Stell dir das mal
vor. Das ist so ein unreifer Scheißdreck, der da abläuft. Dadas von außerhalb tut, nimmt das niemand wahr. Das hat
mit will ich einfach im Moment nichts zu tun haben. Dieser
hier überhaupt keine Relevanz. Ich teste also gerade noch,
Konflikt im Land ist so tief greifend! Wenn ich mich damit
wie weit Freedom of Speech hier überhaupt reicht ...
beschäftigen würde, müsste ich meine komplette Zeit inGlaubst du, deine Texte haben mit deinen Problemen zu
vestieren! Aber dann wäre ich eine von ihnen – und das will
tun gehabt? Du hast ja ziemlich radikal von Selbstmordattentätern erzählt, hast die PLO als Referenz gedroppt ... ich nicht.
030 _ Intro _ Musik _ M.I.A.
Sri Lanka
In Mayas Geburtsland geht der
an- und abschwellende Bürgerkrieg bald ins 25. Jahr. Die Tamil
Tigers, denen ihr Vater zugerechnet wird, kämpfen als Organisation einer religiösen Minderheit
gegen die Regierung und fordern
einen separaten Tamilen-Staat
im Norden des Landes. Momentan werden sie daher von insgesamt 32 Staaten als Terror-Organisation geführt. Darunter auch von
den USA ...
Der MySpace-Killer
Im englischen Ipswich, Suffolk
begann im Dezember des letzten Jahres die Suche nach dem
Mörder von insgesamt fünf Prostituierten. Die Medien sprangen
schnell auf den Zug auf, unausweichlich wurden sofort Parallelen zu »Jack the Ripper« gezogen.
Einer der Verdächtigten hatte,
nun ja, eine MySpace-Seite ...
Leute, die viel reisen, die ständig unterwegs sind, klagen ja oft über Identitätsprobleme. Weil sie das Gefühl
für das »Zuhause« verlieren, auch wenn das nur ein geistiger Ort sein kann. Du bist ja nun ständig unterwegs gewesen, auch weil du in deine bereits gekaufte Wohnung
in Brooklyn wegen der Einreiseprobleme nicht einziehen
konntest. Wie empfindest du das? Meine Familie ist meine Heimat. Wenn ich es also schaffe, alle an einem Ort zusammenzubringen – dann fühlt sich das nach einem Zuhause an. Als ich damals Sri Lanka verließ, wusste ich, dass das
niemals wieder passieren würde. Niemals. Mein Zuhause
würde nie, nie, nie, nie wieder so sein, wie es mal war: Meine Schule existiert nicht mehr, meine Straße ist zerstört, alles ist mit Landminen gepflastert. Die Leben dort sind kaputt, die Hoffnungen sind kaputt. Ich weiß genau, selbst
wenn ich nach Sri Lanka ziehe und mithelfe, eine Straße, ein Haus wieder aufzubauen, wird es trotzdem anders
sein. Also ist es für mich wichtig, einen Platz zu finden, der
meinen Irrsinn unterdrückt, der mich ausbalanciert. Ich
muss in meinem Leben etwas finden, das mir eine Ruhe
verschafft. Zu der Zeit, als ich diese Visum-Probleme hatte,
dachten ja alle Leute, ich hätte es geschafft: 200.000 Platten in den USA verkauft, schöne Wohnung in Brooklyn, ich
kann überall hinreisen, wohin ich will. Aber ganz so einfach war es dann eben doch nicht. Ich hatte einfach kein Zuhause. Meine Idee war dann, alles so klein zu halten, dass
ich mein Zuhause überall mit hinnehmen konnte. Ob das
jetzt ein Buch ist oder eine Teetasse, ein Paar Schuhe oder
ein Handy. So kann man dann ein bisschen Ruhe finden, in
die man sich zurückziehen kann.
Inwieweit wird dieser Zustand der Heimatlosigkeit in deinem Album widergespiegelt? Du bist noch hysterischer
in einigen Songs als auf »Arular«, noch entgrenzter ... Oh
ja, ich bin hysterisch auf der Platte, total. Wenn das also der
schlimmste Part von mir ist, dann ist das eben so.
War das das Ziel? Die schlechtesten Seiten aus dir rauszuholen? Ich geb dir ein Beispiel. Einen Tag, bevor ich »Bamboo Banga« schrieb, traf ich einen sehr seltsamen Künstler,
der hat mir echt Angst gemacht. Ich lernte ihn mit ein paar
Freunden kennen, er wollte uns ein bisschen von seiner Arbeit zeigen. Bei ihm zu Hause versuchte er uns dann plötzlich in einen Keller zu schubsen. Er fühlte sich von Geistern verfolgt und dachte, ich sei auf ihn angesetzt worden.
Als Killer. Als wir dann Richtung Haustür flüchteten, hielt
er mich am Fuß fest. Wir kämpften miteinander. Erst als
wir später sicher im Auto saßen, habe ich so richtig Angst
bekommen. Das war nämlich am gleichen Tag, als in England dieser MySpace-Killer zuschlug, der innerhalb von einer Woche fünf Prostituierte ermordete ... Am nächsten Tag
nahmen wir dann »Bamboo Banga« in einem Take auf, ich
höre mich wirklich absolut spooky an auf den Aufnahmen.
Da ist meine ganze Panik vom Tag davor in den Track geflossen. Mein Gott, mein Leben ist so bizarr!
Intro empfiehlt:
Einschub. Gleiche Stadt.
Andere Bühne
M.I.A.
Kala
CD // XL Recordings /
Beggars Group / Indigo
Erwartungsgemäß macht diese dräuende Hysterie am
nächsten Tag im lokalen House of Blues, der von Dan Aykroyd mitgegründeten Location-Kette, deutlich mehr
Sinn als am Vortag auf dem Lollapalooza. Besonders das
eben angesprochene Stück, »Bamboo Banga«, steigert
sich an diesem Tag live in einen irrlichternden monotonen Soundirrsinn, kreiert eine körperliche, niemals nachlassende Anspannung – wie sie eben nur auf dunklen, kleineren Bühnen spürbar wird. Man merkt sofort, dass sich
Maya hier wohler fühlt. Die Fremdartigkeit der schrägen
Samples, die Autosirenen, die flatternden Hühner, die intensiven Tribalbeats, hier werden sie vom Publikum begeistert als neue Erfahrung aufgenommen. So weit draußen
kann überwältigende Tanzmusik also heute klingen. Wie
ein Trip durch die weißen Flecken der USA-Europa-zentrierten Weltwahrnehmung.
Blende zurück. Hard Rock Cafe
Eigentlich sollte ja Timbaland dein Album mitproduzieren, der sich auch gern mal quer durch Indien samplet. Letztlich ist es nur ein Song geworden – und der wird
auch nur als Bonustrack in den USA erscheinen. Deine
Plattenfirma läuft sicher Amok ... Wenn ich diese VisumProbleme nicht gehabt hätte, wär ich ihm einfach ein Jahr
quer durch die USA immer hinterhergereist, nur um mit
ihm aufzunehmen. Als ich ihn dann in Virginia Beach traf
für ein paar kurze Recording-Sessions, merkte ich plötzlich: Eine Zusammenarbeit mit ihm würde einfach ganz
weit weg klingen vom Rest des Albums, völlig inkonsistent. Das war mir plötzlich klar, noch bevor die Aufnahmen
begannen.
Angeblich haut der ja auch mal acht Songs am Tag raus.
Klingt nach dem absoluten Gegenteil von deiner Arbeitsweise ... Ich denke, es gibt zwei Arten von Künstlern. Der
eine hat diese Sache, die er gern macht, die er immer machen will. Und deswegen ordnet er sein ganzes Leben, alle
Leute um sich herum dieser Sache unter. So macht Timbaland das. Wenn er müde ist, schläft er. Dann wacht er auf
und ist in einer ganz anderen Stimmung. Er schläft auch,
um extra in eine andere Stimmung zu kommen, um Vibes für Songs zu ändern! Es geht also nur um diesen einen
Moment im ganzen Leben. Ich hingegen bin das genaue
Gegenteil. Ich erschaffe aus dem Chaos heraus, ich muss
aber auch mitten im Leben stehen: Hunde kommen ins Studio und zerbeißen meine Mikros, ich verfolge sie die Straße runter, ich stoße mit jemandem zusammen, der sich
prügeln will. Dazu sorge ich mich darum, dass meine Mutter aus ihrer Wohnung rausgeschmissen wird. Ich muss
mir um alles Sorgen machen, ständig Ärger haben. Bis ich
dann irgendwann brülle: »Warum lassen mich nicht einfach alle in Ruhe?« Und dann setze ich mich hin und schreibe einen Song. So und nicht anders können Platten von mir
entstehen!
Ein letzter, schier endloser Hustenanfall beendet das Interview. In den nächsten Wochen werden garantiert noch
weitere folgen, unterbrochen von endlosen Fotoshootings
und weiteren Konzerten. M.I.A. steht die Erschöpfung angesichts dieser Zukunftsaussichten ins Gesicht geschrieben.
Wahrscheinlich freut sie sich schon jetzt auf ihr Appartment in Brooklyn, in dem sie die nächsten Tage etwas Normalität vortäuschen kann. Viel Zeit für ihr neues Zuhause
hat sie allerdings nicht. Denn wenn ihr das Heft in Händen
haltet, hat ihre Europatour inklusive Deutschlandbesuch
schon begonnen. Wir sehen uns.
Auf intro.de: Videoclips zu »Boyz« und »Bird Flu«
032 _ Intro _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew
Der Geist
des Kollektivs
Zweimal Animal Collective, kein Kevin Drew
Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew.
Text: Martin Büsser _ Foto: Lena Böhm
Intro _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 033
Der Kollektiv-Gedanke erfährt in der Musik seit einigen Jahren eine
Renaissance. Alternative Netzwerke als Basis für einen ästhetischen,
politischen und musikalischen Gegentrend zum sonstigen Konsens in der
Musikindustrie. Martin Büsser befragte Animal Collective und Kevin Drew
von Broken Social Scene anlässlich der neuen Alben für Intro zu ihrem
Verhältnis zum Kollektiv.
D
er Begriff des Kollektivs ist unmittelbar mit
1968 und dessen Folgen verbunden – mit
Kommune 1, freier Liebe und dem gemeinsamen Kühlschrank für alle. Mit sozialen Experimenten also, die gemeinhin als gescheitert betrachtet werden. So etwas eignet sich höchstens
noch als Stoff für Retro-Filme zum Ablachen oder Kopfschütteln. Wer in der Bachelor-Generation aufwächst und
alleine schon aufgrund immenser Semestergebühren dazu
gezwungen ist, das Studium innerhalb von zwei Jahren zu
beenden, wird schwer nachvollziehen können, dass es einmal eine Generation von Studenten gab, der die Suche nach
alternativen Lebenskonzepten wichtiger war, als Scheine
zu sammeln. Glaubt man den heutigen Medien und UschiObermayer-Filmchen, war das Kommunarden-Gebaren von
einst vor allem eines: unglaublich naiv, pubertär, ja geradezu hysterisch. Am Ende siegte daher fast immer die Vernunft in Form der bürgerlichen Ehe.
Abgesehen davon, dass viele Kollektiv-Ansätze tatsächlich daran gescheitert sind, dass sich doch jemand – in den
meisten Fällen waren das Männer – als Oberhaupt aufspielen musste, scheint der heutige Reflex des Lächerlich-Machens Methode zu haben: Damit die rigiden, in den meisten
Bundesländern bereits durchgesetzten Studienbedingungen nicht für einen kollektiven Aufruhr sorgen, muss die
Idee der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelkämpfertum
permanent diskreditiert werden. Stereotype Witze über
endlose »Ey du«-Diskussionen unter filzigen Sozialarbeiter-Typen tragen ihren Teil dazu bei, dem Kollektiv ein uncooles Image zu verpassen.
Umso interessanter, dass der Kollektiv-Gedanke in der
Musik seit einigen Jahren eine Renaissance erfahren hat.
Von Weird-Folk-Gruppen wie The No-Neck Blues Band über
Label-Zusammenhänge wie Constellation sind alternative
Netzwerke entstanden, die der Musikindustrie ästhetisch
wie musikalisch zu trotzen versuchen. Geben solche Kollektive einen Leitfaden für die politische Praxis in die Hand?
Werden hier auf dem ästhetischen Feld neue Protestformen
ausprobiert, oder entpuppen sich solche Kollektive letzt-
lich doch nur als Hippie-Nostalgie und Flucht in die Wälder? Antworten hierauf geben bzw. verweigern Animal Collective (vertreten durch Panda Bear [PB], Avey Tare [AT] und
Geologist [G]) und Broken Social Scene (vertreten durch Kevin Drew [KD]), die beide mit einem Kollektiv-Ansatz auftreten oder doch zumindest damit assoziiert werden. Zudem
handelt es sich bei beiden Gruppen um einen losen Verbund
aus Freunden, der Solo-Aktivitäten und Seitenprojekte
nicht ausschließt. Der Einzelne soll sich hier nicht dem Kollektiv unterordnen – kein halbwegs vernünftiger Mensch
trauert schließlich Pol-Pot-Strategien oder der Mühl-Kommune nach –, sondern es als Individualist bereichern.
1. Kollektiv
Bedeutet der kollektive Ansatz, dass es bei euch keine
Hierarchien gibt, keine Stars und keinen Bandleader?
AT: Unser Konzept ist nicht total frei. Wir haben sehr
wohl verteilte Rollen: Der eine arbeitet mehr am Songwriting, der andere mehr am Sound. Aber Animal Collective
weisen keine konventionelle Bandstruktur auf, es ist eher
ein Freundeskreis, dessen Besetzung ständig wechselt. Im
Moment sind wir gerade drei Leute, für die kommende Platte können es dann auch schon wieder fünf sein.
PB: Nun, es gibt verteilte Aufgaben, aber keine personelle Hierarchie. Niemand von uns besteht auf die Urheberschaft einer bestimmten Melodie oder Textzeile. Im Gegenteil, das Starke an dem kollektiven Konzept ist ja, dass sich
alles ständig verändert.
KD: Broken Social Scene werden immer wieder mit diesem Kollektiv-Gedanken in Verbindung gebracht. Aber wir
sind kein Kollektiv und waren es auch nie. Eine Gruppe von
zwanzig Leuten braucht auch so etwas wie einen Anführer, der Ordnung in die Sache bringt. Du brauchst jemanden, der sich um die Finanzen kümmert, um Plattenverträge und Konzertauftritte. Zeitweise hat sogar mein Vater
solche Aufgaben übernommen. Wir sind nicht einmal musikalisch ein Kollektiv. Ein Großteil des Songwritings steuern Brendan und ich bei. Es gibt also gewisse Hierarchien,
Hippie-Waldschrat-Bands
Zahlreiche Bands haben in den
letzten Jahren die freie Improvisation des Free Jazz auf Folk
übertragen. Die Presse hat ihre
Musik mit den Etiketten »Weird
Folk« und »Free Folk« versehen.
Zu diesen Bands, die vor allem
in den USA und in Finnland wie
psychedelische Pilze aus dem Boden sprießen, zählen unter anderem Sunburned Hand Of The
Man, The No-Neck Blues Band, Six
Organs Of Admittance und Daveport. Sie musizieren bevorzugt
unter freiem Himmel, im Wald
und rund ums Lagerfeuer. Wallende Kleider und Bärte sind der
neue Dresscode. Das musikalische Experiment wird oft von esoterischen Weltbildern begleitet,
die Kollektive weisen bisweilen
sektenhafte Strukturen auf.
034 _ Intro _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew
Terrestial Tones
Seitenprojekt von Avey Tare und
Eric Copeland (Black Dice). Sie
haben bislang zwei Platten veröffentlicht, zuletzt »Dead Drunk«
(Paw Tracks, 2006). Die Stücke
wurden im gemeinsamen Apartment in Paris aufgenommen und
basieren vorwiegend auf Samples. Hierfür wurden jede Menge Flohmarkt-Platten bis zur Unkenntlichkeit gesampelt und
durch Effektgeräte gejagt. Die
Musik schwankt zwischen Ambient, Lo-Fi-Pop und IndustrialNoise.
Projekt mit Kria Brekkan
Zusammen mit der ehemaligen Múm-Musikerin Kria Brekkan (Anna Valtysdottir) entstand
2007 die höchst obskure Platte
»Pullhair Rubbeye« (Paw Tracks),
für die ein Großteil der Aufnahmen rückwärts abgespielt wurde. Satanische Botschaften sind
zwar keine zu entnehmen, dafür
aber jede Menge bewusstseinserweiternde Klänge, die zusätzlich dadurch verfremdet und verzerrt wurden, dass das Album
auf einem billigen Zweispurgerät
(Flohmarktpreis: ein Dollar) abgemischt wurde.
Spirit If ...
... ist der erste Teil einer Reihe mit
dem Titel »Broken Social Scene
Presents«, auf der einzelne BSSMusiker ihre Soloarbeiten vorstellen, eingespielt mit BSS-Mitgliedern. Brendan Canning will sein
Soloalbum 2008 rausbringen.
Es bleibt abzuwarten, ob weitere Platten in der Reihe folgen
oder ob sich das »Presents« nur
auf die beiden »Köpfe« der Band
beschränkt. Aus BSS sind bereits
zahlreiche Seitenprojekte wie
Apostle Of Hustle hervorgegangen, ohne dass diese unter »BSS
Presents« liefen.
Intro empfiehlt:
Animal Collective
Strawberry Jam
CD // Domino / Rough Trade /
VÖ 07.09.
Broken Social Scene
presents Kevin Drew
Spirit If ...
CD // City Slang / Universal /
VÖ 14.09.
die notwendig sind, um überhaupt halbwegs hörbare Musik zu machen.
Inwiefern haben euch die Kollektiv-Ideen der 1960er-Jahre inspiriert, Gruppen wie Amon Düül oder Free Jazz?
G: Musikalisch ist das unglaublich wichtig für uns. Aber
wir leben anders als zum Beispiel Amon Düül. Wir leben
nicht in Kommunen. Animal Collective ist eher ein musikalisches, kein soziales Experiment.
AT: Trotzdem soll unsere Musik den Leuten etwas davon
vermitteln, wo wir politisch stehen. Dazu benötigen wir keine politischen Texte oder Statements. Allein unsere Sounds
und die improvisierte Herangehensweise an Musik sind ein
Bekenntnis zur Freiheit und ein Aufruf, mit Konventionen
zu brechen.
PB: Wir wollen allerdings eine Verklärung der 1960erJahre vermeiden. Wir gehören definitiv nicht zu diesen
gerade so angesagten Hippie-Waldschrat-Bands. In die
Vergangenheit zu blicken und etwas von früher zu glorifizieren ist nicht unser Ding. Es gibt zwar diese »Tier«-Seite
in AC, dieses archaische Element, zugleich ist unsere Musik aber auch sehr urban und futuristisch. Die Bands, die
uns beeinflusst haben, waren zu ihrer Blütezeit ebenfalls
alles andere als nostalgisch: Can, Pink Floyd, Beach Boys –
die blickten alle in die Zukunft!
AT: Wir wollen mit unseren Sounds keine Wertungen abgeben. Wenn wir afrikanische Rhythmen benutzen oder archaisch anmutende Klänge, dann ist das keine Aufforderung, zurück in die Wälder zu gehen.
G: Unsere Musik klingt wahrscheinlich deswegen so frei
und ungewohnt, weil sie nur wenige Anbindungen an Rockmusik hat. Keiner von uns ist ein großer Fan von Rockmusik. Also haben wir von Anfang an mit Rhythmen und Klängen improvisiert, die für Rock völlig untypisch sind. Field
Recordings aus Afrika waren für uns sehr wichtig, denn dort
hörst du zum Teil Sounds, die du gar keinem Instrument zuordnen kannst. Dieses Prinzip haben wir für unsere Musik
übernommen – Klangquellen zu verwischen. Gitarren hören
sich bei uns manchmal wie Samples, wie Loops an.
KD: Wir haben gar keinen Bezug zu Kollektiven aus den
1960ern. Die Vergangenheit interessiert uns nicht.
obwohl alle Stücke von mir stammen. Das liegt daran, dass
ich es langweilig finde, nur einen ganz bestimmten Sound
zu haben oder mit meiner Musik nur eine ganz bestimmte Stimmung auszudrücken. Als Mensch ändert sich meine
Stimmung ja auch stündlich. Entsprechend spontan ist die
Entstehung vieler Stücke. Die Texte habe ich oft in einem
Rutsch geschrieben, ohne dass ich mir groß Gedanken darüber gemacht habe. Ich habe nicht lange rumgefeilt, sondern sie so genommen, wie sie rausgerutscht sind. Ein Kind
veränderst du ja auch nicht nachträglich, nur weil dir seine
Augen- oder Haarfarbe nicht passen.
3. Kapital
Wie lassen sich Kollektiv-Gedanke, experimentelle Musik und das schnöde Überleben im Kapitalismus zusammenbringen?
G: Mit experimenteller Musik kannst du heute nicht
mehr so bekannt werden, wie das in den 1970ern vielleicht
noch bei Can möglich war. Zum einen, weil sich die sozialen
Rahmenbedingungen geändert haben und Experimente gesellschaftlich nicht mehr angesagt sind. Zum anderen, weil
die Leute heute nicht mehr bereit sind, Geld für Platten auszugeben. Deshalb musst du ständig auf Tour gehen. Die wenigen Menschen, die noch Platten von Bands wie uns kaufen – und das ist fast ausschließlich ein Vinyl-Publikum –,
kannst du an einer Hand abzählen.
AT: Aber wir haben diesen Weg ja freiwillig gewählt. Dadurch werden wir vielleicht nicht berühmt, aber wir können überleben. Sogar eine Band wie Wolf Eyes, deren Musik
noch viel sperriger ist als unsere, lebt dank ständigem Touren – insofern will ich jetzt gar nicht jammern. Wir wollen
unseren Hörern etwas davon vermitteln, dass Selbstbestimmung wichtiger ist als Geld und Erfolg. Zumindest bringt
es ein erfülltes Leben.
PB: DIY bedeutet für uns, volle Kontrolle über unsere Arbeit zu haben. Es ist schon schlimm genug, dass eine Band
wie AC inzwischen erste Kompromisse eingehen muss.
G: Genau, es geht nämlich schon los. Obwohl wir auf einem Indie-Level arbeiten, bekommst du den sanften, aber
bestimmten Hinweis vom Tour-Management, in dieser
oder jener Stadt zu spielen, ganz egal, ob du darauf Lust
2. Individuum
hast oder nicht. Oder sie vermitteln dir Interviews mit Zeitschriften, die du ideologisch gar nicht toll findest. Was haSind Bandkollektiv und Soloprojekte nicht ein Widerben AC in einem Lifestyle-Magazin zu suchen? Na ja, wir respruch?
agieren meist mit Gelassenheit.
AT: Überhaupt nicht. Die Soloarbeiten sind für uns eher
KD: Wichtiger als die Idee des Bandkollektivs sind Verein Experimentierfeld. Dort können wir Sachen ausprobienetzungen unter Bands und Labels. Heutzutage musst
ren, die wir später eventuell für AC nutzen. Es ist eine Bedu dich vernetzen, um überhaupt noch wahrgenommen
reicherung, neben AC auch mit anderen Musikern zu spiezu werden. Nur so hat es die kanadische Indie-Szene gelen, die dem Ganzen neue Facetten hinzufügen. Meine
schafft, in den letzten Jahren weltweit wahrgenommen zu
Arbeit mit Terrestial Tones hat zum Beispiel zu unglaublichen Soundexperimenten geführt, die ich in dem Maße bei werden. Natürlich gab es auch schon vorher jede Menge InAC nicht hätte ausleben können. Dasselbe gilt für mein Pro- die-Bands aus Kanada, aber sie haben isoliert gearbeitet.
jekt mit Kria Brekkan von Múm.
Dank all der Indie-Netzwerke, die in den letzten Jahren entKD: Der Unterschied zwischen den Soloprojekten und
standen sind, machen die Majors nur noch einen winzigen
BSS ist erst einmal nur der, dass die Solomusik entschlack- Teil vom Kuchen aus. Sie stehen draußen und kratzen an
ter klingt. Auf »Spirit If ...« sind gerade einmal sechs Musi- der Tür. Langsam merken sie nämlich, dass ihre Superstarker zu hören. Ansonsten unterscheidet es sich gar nicht so
Strategie nicht aufgegangen ist. Während die Industrie gesehr. Die Musik von BSS klingt oft wie ein Mixtape, weil so schlafen hat, haben die Indies gelernt, gemeinsame Wege
viele verschiedene Charaktere an den Aufnahmen beteiligt zu gehen und das Internet zu ihrer Plattform zu machen.
sind, die alle ganz individuelle Einflüsse einbringen. Aber
auch »Spirit If ...« ist am Ende wie ein Mixtape geworden,
Auf intro.de: Videoclip zu »Fireworks« und eine Verlosung.
Intro _ Musik _ Animal Collective / Broken Social Scene presents: Kevin Drew _ 035
1
2
3
1950er/1960er
Sun Ra Arkestra (1)
Trotz Sun Ras Engagement in der
lektiv, dem die Musik des Free Jazz
gen wie Electro-Minimalismus und
sikalischen Prozess miteinbeziehen
Die Mutter aller Kollektive: Der 1914
geborene Herman Blount a.k.a. Sun
Ra, der vorgab, vom Planeten Sa-
»Black Power«-Bewegung wurde im-
zu hierarchisch und determiniert
Post-Industrial, unter anderem auf
wollte und versuchte, traditionel-
mer wieder kritisiert, dass er das Arkestra autoritär geführt habe und
war. Während ihrer spontanen,
ohne Vorabsprachen aufgeführ-
Jim O’Rourke und das Mille-Plateaux-Label.
le musikalische Urheberschaft zu
überwinden. Konsequenterweise
turn zu stammen, benötigte eine
der Schritt vom Kollektiv zur Aus-
ten Konzerte wurde jegliche kon-
ganze Bigband, um seinen opulenten Science-Fiction-Jazz umset-
beutung nicht weit gewesen sei.
ventionelle musikalische Struktur
negiert, das Geräusch trat in den
Scratch Orchestra (3)
1986 vom Stockhausen-Schüler Cor-
hinterlassen. Cardew musste allerdings ernüchtert feststellen, dass er
zen zu können. Die Musikerfamilie
AMM (2)
Mittelpunkt. Die von John Cage
nelius Cardew gegründetes Kollek-
mit diesen befreiten Klängen kein
lebte unter einem Dach, teilte sich
Essen und die meist karge Gage.
Von Lou Gare, Eddie Prevost und
Keith Rowe 1965 gegründetes Kol-
beeinflusste Gruppe hatte großen
Einfluss auf spätere »Pop«-Strömun-
tiv, das im Sinne der Lehren Mao
Tse-tungs das Publikum in den mu-
Arbeiterklassen-Publikum erreichen konnte.
Magma
Französisches, 1969 von Schlagzeu-
einem Wohnkollektiv hervor und
4
5
wurden keine offiziellen Tonträger
6
1960er/1970er
David Peel & The Lower East Side
Der Anarcho-Sänger trat ab Mitte
unter Einfluss von Acid. Auf den
detes Musiker- und Label-Kollektiv
der 1960er auf den Straßen und in
den Parks von New York auf, sang
gegen den Vietnamkrieg und für
»Essener Songtagen« kam es 1968
zum Eklat, weil viele Besucher
nicht verstanden, was diese verkifften Sounds auf einem politischen
aus L.A., das an den experimentellen Rändern von freier Improvisation, Klang-Collage, Dada-Pop und
Noise arbeitete.
die Legalisierung von Marihuana. Seinem Gefolge, der Lower East
Side, konnte sich jeder anschlie-
Festival zu suchen hatten. Wegen
musikalischer Differenzen kam es
zur Abspaltung von Amon Düül II.
Henry Cow (5)
Henry Cow waren ein 1968 gegrün-
ßen, der nur wollte. Zu den prominentesten im Backing-Chor zählten
John Lennon und Yoko Ono.
Amon Düül (4)
1967 aus einer Münchener Künstlerkommune hervorgegangen. Die
von Velvet Underground beeinflusste Gruppe, der anfangs auch
Uschi Obermaier angehörte, spielte lange instrumentale Freak-outs
7
ger Christian Vander gegründetes
Bandkollektiv, das in der eigenen
Kunstsprache Kobaïanisch sang
und vorgab, vom Planeten Kobaïa
zu stammen, dessen Ziel es sei, die
Erde zu vernichten.
detes Rock-Kollektiv auf ImprovisaEmbryo
1969 in München gegründetes
tionsbasis, dem u.a. Fred Frith und
Chris Cutler angehörten. Sie ver-
Ton Steine Scherben
Die Gruppe, von der der Song »Al-
Kollektiv zwischen Prog Rock und
Weltmusik. Ihre Hippie-Reisen im
VW-Bus nach Indien wurden 1981
auf der Doppel-LP »Embryos Reise«
dokumentiert.
banden Rock mit Elementen der
Neuen Musik, verarbeiteten Arbeiterkampflieder sowie die Musik
von Brecht/Weill und Hanns Eisler.
Teil des politischen Konzeptes war,
Grenzen der Tonalität zu sprengen
und mit musikalischen Hierarchien zu brechen.
lein machen sie dich ein« stammt,
hatte einen Kollektiv-Ansatz, zumindest jenseits der Bühne. In der
Berliner Wohnung stand der Kühlschrank für alle offen.
Los Angeles Free Music Society
In den frühen Siebzigern gegrün-
8
Crass
Die Band ging Ende der 1970er aus
weigerte sich, mit der Musikindustrie zu kooperieren. Ihr AnarchoPunk richtete sich gegen Sexismus,
Tierversuche und die Politik von
Margaret Thatcher.
The Ex (6)
1979 aus der Amsterdamer Hausbesetzer-Szene hervorgegangenes
Anarcho-Punk-Kollektiv mit musikalisch stets offenem Ansatz. Statt
konventionellen Hau-drauf-Punk
zu liefern, experimentierte die
Band mit freier Improvisation und
interpretierte politische Lieder vom
britischen Bergarbeiterstreik bis
zum spanischen Bürgerkrieg.
9
2000er
Polyphonic Spree (7)
Mehr als 20-köpfige, in wallenden
Gewändern auftretende Band,
die nach außen hin wie eine Sekte wirkt und lebensfroh der musikalischen Tradition von Musicals
wie »Hair« und »Jesus Christ Superstar« frönt.
Sunburned Hand Of The Man
1997 in Massachusetts gegründetes Free-Folk-Kollektiv, das
stellvertretend für viele jüngere
Psych-Kollektive dieser Art nahe-
zu alle internen Regeln des Genres beherrscht. Darunter: 1) Benutze einen langen Bandnamen! 2)
Veröffentliche mindestens drei Tonträger pro Quartal! 3) Nimm pro
Tonträger mindestens ein Stück
von über 20 Minuten Länge auf!
ses wohl einzige aus der Anti-FolkSzene hervorgegangene Kollektiv klingt wie eine Mischung aus
Monty Python und den Mothers Of
Inventions, liebt Dreadlocks, fusselige Bärte und sackähnliche Klamotten.
Dufus
Aus dem experimentellen Straßentheater hervorgegangenes Kollektiv, das mal in einer Besetzung von
zwei und mal in einer Besetzung
von über 20 Leuten auftritt. Die-
Danielson Famile (8)
Als sich die Gruppe 1995 gründete, war das jüngste Bandmitglied
gerade mal elf Jahre alt. Die einheitlich in hellblauen Pflegeruniformen auftretende »Familie« aus
South Jersey vertraut auf die frohe
Botschaft von schräger Popmusik –
ihre christlichen Texte sind durchaus ernst gemeint. Für Kirchentage und Zeltmissionen ungeeignet,
spaltet die Famile die Popwelt: Vielen Christen sind sie musikalisch
zu »weird«, vielen Indie-Hörern zu
missionarisch.
Godspeed You! Black
Emperor (9)
Aus der soziokulturellen Künstlerund Hausbesetzerszene von Mon-
treal hervorgegangene Band mit
wechselnder Besetzung, deren Musiker auch in anderen Projekten
wie Thee Silver Mt. Zion und Set
Fire To Flames spielen. Dreh- und
Angelpunkt der Community ist
das hauseigene Constellation-Label, ein Label mit dezidiert politischem DIY-Anspruch. Die Musiker
von Godspeed geben keine Interviews und vertrauen ganz darauf,
dass der politische Anspruch bereits durch die Community und
Vertriebsstrukturen deutlich wird.
036 _ Intro _ Musik _ G-Hot
Kunstfreiheit
für. G-Hot
Gökhan Sensan (a.k.a. G-Hot) setzt das Tabubruch-Prinzip von Aggro Berlin konsequent um.
Der von den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006« gekürte HipHopper hasst mit
seinem Stück »Keine Toleranz« auf Schwule ab – und entfaltet damit eine öffentliche Debatte
über Meinungsfreiheit im HipHop. Jetzt will sein ehemaliges Label nichts mehr von ihm wissen.
Intro _ Musik _ G-Hot _ 037
Text: Hannes Loh
R
ap ist ein hartes Geschäft. Und Rapper sind
raue Gesellen, die unbarmherzig auf ihre
Gegner eindreschen. Specter – einer der drei
Betreiber des Berliner Labels Aggro Berlin
– kann das besonders gut erklären. Er sagt
dann Dinge wie »HipHop ist Kampfkultur« oder »HipHop
ist Männerauffanglager«. Kunst und Gesellschaft sind
Specters Lieblingswörter, die immer dann fallen, wenn Aggro Berlin wieder einmal zu verkaufsfördernden Tabubrüchen Stellung nimmt. Die Rapper Sido und Fler etwa werden gegen Vorwürfe des Sexismus und der Deutschtümelei
so in Schutz genommen: »In ihren Texten schildern sie unter Zuhilfenahme von künstlerischen Stilmitteln in einem
HipHop-typischen Kontext die Realität, in der sie aufgewachsen sind. Man darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln: Die Gesellschaft hat diese Personen und die
Welt, in der sie leben, geschaffen. Nicht umgekehrt.«
Wer sich damit nicht zufrieden gibt, den erinnert das Label an die »Meinungsfreiheit« und daran, dass man sich
»dieses Recht nicht nehmen« lasse. Denn: »Bemühungen,
der Kunst Vorschriften zu machen, sie zu instrumentalisieren oder gar zu verbieten, [sind] immer der erste Schritt in
Richtung Diktatur und Faschismus.«
Erst vor wenigen Wochen musste Aggro Berlin die Meinungsfreiheit wieder gegen Wegbereiter von Diktatur und
Faschismus verteidigen: Brothers Keepers e. V., ein Zusammenschluss von primär afrodeutschen Künstlern und Produzenten, kritisierte in einer Petition unter anderem den
Titel des aktuellen Albums von Aggro-Rapper B-Tight (»Neger, Neger«) und Zeilen aus dessen Songs (»Wer rammt immer noch seinen Penis in dein Loch, sag mir, wer ist immer
straff? Der Neger, der Neger!«). Auch hier fühlt sich Aggro
Berlin zu Unrecht angegriffen. Denn was kann B-Tight dafür? Steckt nicht hinter allem die Gesellschaft? Und muss
man sich nicht fragen, »warum ein einzelner Künstler am
Pranger stehen soll für eine Debatte, bei der es doch um einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs gehen soll?« Aggro
Berlin fordert deshalb in einer Stellungnahme zur Brothers-Keepers-Petition: »Kunstfreiheit für B-Tight.«
Auch die bei Aggro Berlin beschäftigten Rapper haben
inzwischen gelernt, wie man sich als Opfer darstellt. Jetzt
heißt es trotzig: »Nicht wir versauen die Jugend, wir sind
die versaute Jugend!« Oder: »Ihr habt damals eure Kinder
vernachlässigt. Das habt ihr jetzt davon!« Mit der stolzen
Haltung eines Rebellen reagiert auch B-Tight auf die Vorwürfe von Brothers Keepers: »Ich hab mir noch nie etwas
gefallen lassen. Schon gar nicht von solchen Heuchlern.«
PR-Sprecher Specter, der seinen Künstlern »professionelle Hilfestellung bei ihrer Selbstreflexion« leistet, gießt das
rassistische Stammtisch-Stereotyp »Den Negern geht’s
hier doch eh viel zu gut« in eine appetitliche Form: »Er [BThight] analysiert in seinen Songs seine schwarze Seite
in einer weißen Gesellschaft und kommt zu dem Schluss:
Schwarz sein hat ihm auch sehr geholfen.«
Einen bedeutenden Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leistet aus dieser Perspektive wohl auch G-Hot, von
den Lesern des Juice-Magazins zum »Newcomer 2006«
gekürt, wenn er in seinem Song »Keine Toleranz« einen
Einblick gibt, wie man im prekären Männerbund auf der
Straße über Schwule denkt: dass Aids eine Schwuchtel-Epidemie sei, dass Gott Homosexualität verbiete und schwule Liebe überhaupt das Unnatürlichste und Ekelhafteste
sei, was man sich vorstellen könne. Mit dieser »Message
from the Streets« dürften G-Hot und sein Freund Boss A,
mit dem er den Song aufgenommen hat, das Stimmungsbild eines Großteils (nicht nur) der Berliner Rapszene akkurat wiedergegeben haben. Denn wo Frauenfeindlichkeit
und Fremdenhass in ihrer Ausgrenzungsdynamik im HipHop-Kosmos zumindest ambivalent sind (Heilige vs. Hure,
böser Kanake vs. guter Ausländer), ist man sich doch darüber einig, dass Männer sich nicht küssen sollten. Frauenversteher, Antifa und Multikulti – all das geht. Ein schwuler
Rapper? Unmöglich!
G-Hots Schwulenhass ist in diesem Sinne ehrlicher und
konsequenter als der Sexismus eines B-Tight oder der Nationalismus eines Fler. G-Hot spricht aus, wie man in seinem Umfeld über Homosexuelle denkt und was man von
sich gibt; seine Homophobie mündet in der Aufforderung,
Schwule zu verfolgen, zu quälen, zu töten. Dass er keine Außenseitermeinung vertritt, zeigt die unverblümte Zustimmung, die sein Song in vielen Kommentaren auf unterschiedlichen Foren im Internet erhält.
In diesem Fall fordert Aggro Berlin keineswegs Kunstfreiheit für G-Hot, das Label geht auf Distanz. G-Hot sei
nicht mehr Teil »unserer Crew«, jede weitere Zusammenarbeit schließe man aus, und »Mitarbeiter und Künstler
distanzieren sich entschieden von den [...] geäußerten Ansichten«. Kein Diskurs über Kunst, Gesellschaft oder Meinungsfreiheit. Mit einem Ankommen im Mainstream,
einer Domestizierung des beispiellos erfolgreichen RapLabels durch das große Geschäft hat das nichts zu tun. Aggro Berlin opfert vielmehr seinen ehrlichsten Rapper, um
auch in Zukunft Sexismus, Nationalismus und Homophobie seiner Künstler rechtfertigen zu können. G-Hot hat das
Tabubruch-Prinzip des Labels ernst genommen – und versäumt, Raum für Interpretationen und Rechtfertigungen
zu lassen.
Den Rummel um das Bauernopfer G-Hot nutzt Aggro
Berlin derweil professionell als PR-Kampagne für seine
verbliebenen Rapper – und geriert sich dabei als Opfer einer
Verschwörung. Aggro Berlin sei »das einzige Sprachrohr einer sozialen Realität, die große Teile der Gesellschaft nicht
wahrhaben wollen«; nicht sexistische und rassistische Klischees würden in Songs wie »In den Mund!!« oder »Neger
bums mich« transportiert, sondern »Probleme der Straße
(...) reflektiert«, erzählte Specter dem Spiegel. Homosexualität sei zudem kein ghettorelevantes Thema.
Specter weiß natürlich sehr gut, dass Schwulenhass im
Milieu, das seine Rapper verherrlichen, eine gängige und
akzeptierte Haltung ist. Er weiß auch: Mit Klischees und
Vorurteilen kann man viel Geld verdienen. Dass er Störfälle im Betriebsablauf seines Unternehmens im Jargon eines Vattenfall-Sprechers schönredet, kann man ihm kaum
zum Vorwurf machen. Die direkte Folge der Skandale um BTight und G-Hot zeigt indes deutlicher als sonst, mit welchem Kalkül man bei Aggro Berlin die Öffentlichkeit manipuliert. Im Gegensatz zu Vattenfall ist das Label damit
allerdings sehr erfolgreich.
»Irgendwie alles nicht so
gemeint« – homophobe
Lyrics im Deutschrap,
eine Auswahl:
»Eure Outfits sind lächerlich, eure
Bewegungen schwuchtelig.«
(Samy Deluxe, 1999)
»Vergase Rapper mit Lippglous
wie Hitler deine ganze
Sippschaft.« (Der Klan, 1999)
»Mein Style ist wie Aids und trifft
als Allererstes Schwule.« (Kool
Savas, 2000)
»Kein Respekt für Raptucken,
denn ihr seid Nutten, Nutten,
Nutten.« (Spezializtz & Hausmarke,
2000)
»Du bist anders als wir, du bist
schwul, kapiert?« (Die Sekte, 2002)
»Es ist Frank Wild, Sonny Black
und du bist ‘ne Schwuchtel.«
(Aggro Ansage Nr. 1, 2002)
»Keiner von euch Homos ist was
wert.« (Aggro Ansage Nr. 3, 2004)
»Du bist ein schwuler Rapper,
der jetzt seine Stimme verliert.«
(Bushido, 2005)
»Ihr Tunten werdet vergast.«
(Bushido, 2006)
»Keine Toleranz, wir dulden keine
Schwuchteln [...] Nie wieder frei
laufende Gays [...] Knechten
und schlagen! Nie wieder
Regenbogenfarben! [...] Wenn du
einen von ihnen siehst, dann box
ihn!« (G-Hot und Boss A, 2007)
»Dass sich das so eingebürgert
hat, ist natürlich nicht cool.
Wenn Araber jetzt plötzlich ein
Schimpfwort wäre, würde ich
auch sagen: Ey Leute! Ihr benutzt
Araber als Schimpfwort, ich bin
Araber. Wenn die Schwulen
sagen: Ich bin schwul, du benutzt
schwul unter einem negativen
Aspekt, muss ich aber auch
sagen: Tut mir leid, ihr müsst
akzeptieren, dass es in unserer
Szene und auch generell so
im Sprachgebrauch verankert
wurde.» (Bushido im Interview mit
der Netzzeitung)
038 _ Intro _ Musik _ Menomena
Menomena.
Let there be Widersprüche
Intro _ Musik _ Menomena _ 039
Text: Christine Käppeler _ Foto: Sibylle Fendt
Diese Band klingt wie eine Mischung aus The Mercury Rev und Flaming Lips.
Sagt Christine Käppeler. Und was meint die Band? Brent Knopf: »Wenn wir erst
mal anfangen, Drogen zu nehmen ... Wer weiß, vielleicht irgendwann.« Ihre
Songs sind anspruchsvoll komponiert und gleichzeitig ziemlich plemplem.
Wer sind diese drei Typen, und wo kommen die Widersprüche her?
A
ls die Lehrerin wissen möchte, wie sich
ihre Klasse den Himmel vorstellt, hat der
junge Craig Thompson die Vision von einem Ort, an dem er bis in alle Ewigkeit
zeichnen kann. Die Szene stammt aus
seinem Buch »Blankets«, einem atemberaubend schönen
und melancholischen Coming-of-Age-Comicbuch, das die
Geschichte einer Jugend und von den Nöten eines Außenseiters im mittleren Westen erzählt. Liest man die Episode als autobiografische Notiz, dann kann man sagen, dass
Thompson jetzt, mit Anfang dreißig, dem Paradies ein ganzes Stück näher gekommen ist. Das Artwork, das er für Menomenas zweites Album gezeichnet hat, ist als eine endlose
Bildergeschichte angelegt.
Brent Knopf, Danny Seim und Justin Harris leben in Portland, Oregon. Eine Stadt, die eben groß genug ist, dass es
die jungen kreativen Leute nicht zwingend in die Ferne
zieht, und doch so überschaubar, dass man sich innerhalb
der Musik- und Kunstszene kennt. Craig Thompson sei ein
alter Surfkumpel von Justin, erzählt Brent Knopf, der das
Interview alleine führt. Ich stelle mir vor, wie der schmale,
blasse Außenseiter aus dem Comic, den die Sportlertypen
in der Highschool »Schwuchtel« oder »Mädchen« nennen,
mit dem Surfbrett unterm Arm zwischen Bikinigirls und
aufgepumpten Machos an der Pazifikküste steht, und wundere mich ein wenig. Auch Justin Harris, der für den fulminanten Showdown im zweiten Teil der Single »Rotten Hell«
und für die wuchtigen Arrangements von »The Pelican« verantwortlich ist, hätte man nicht unbedingt als Anhänger
Beach-Boys’esker Leichtigkeit im Verdacht.
Der Humor der Band ist eher hintergründig, bisweilen
absurd. Das zeigt sich auch im amateurhaften Video zum
Song »Wet & Rusting«, den ein Freund der Band, der sich
im Vorspann als Lance Bangs vorstellt – und der, wenn man
Brent Knopf denn Glauben schenkt, tatsächlich so heißt –,
gedreht hat. Offensichtlich von Sonic Youth und Beck inspiriert, lässt er die Band in bester Low-Budget-Manier
im Proberaum spielen, als der Sensenmann an die Türe
klopft und nach ihren letzten Wünschen fragt: Eine Albumproduktion mit KanYe West steht auf Justins Wunschzettel, Danny sehnt sich nach einer Abschiedstour im Zeppelin, und Brent hat ein Perpetuum mobile skizziert, mit dem
sich jede Energiekrise lösen lässt. Am Ende entsteht aus
Brents spießiger Idee eine Art Trampolin auf Rädern, mit
dem die Band durch die Vorgärten hüpft und rollt. Ähnlich
verhält es sich mit vielen Dingen im Kosmos der Band: Hinter den komplexen Arrangements versteckt sich meist eine
gesunde Portion Quatsch. Und hinter dem Quatsch steckt
wiederum oft System, wie etwa der Titel ihrer ersten Platte »I’m The Fun Blame Monster« zeigt, der ein Anagramm
von »Menomena’s First Album« ist. Wenn Brent Knopf über Ein Anagramm
Menomena spricht, dann fällt auf, dass er selten Worte
... ist ein Buchstabenspiel, im
Deutschen wird es manchmal
wie »wir« oder »uns« verwendet. »The Pelican« ist Justins
auch Letterwechsel genannt. Die
Song; in Sachen Website müsse ich mich an Danny weneinzelnen Buchstaben eines Worden, »denn das ist sein Ding«. Obwohl sie seit sieben Jahtes oder Satzes werden dabei so
verdreht, dass ein neuer Satz oder
ren Freunde und Bandkollegen sind, arbeiten sie sehr unein neues Wort entstehen. Das beterschiedlich und meistens autark. So entsteht dann ein
kannteste ist in der deutschen
Song wie »Rotten Hell«, der halb von Danny, halb von JusPopmusik sicherlich der Name
tin stammt. »Danny und Justin haben unabhängig voneinAnna, ein Anagramm muss jedoch nicht unbedingt »von hinander an dem Song gearbeitet. Beide hatten eine großartiten wie von vorne« lesbar sein.
ge fertige Songidee. Für die endgültige Version haben wir
dann Dannys abrupten Anfang und Justins langsam anschwellenden Schluss kombiniert.« Diese Arbeitsweise
wurde ihnen nicht zuletzt durch das Budget diktiert. Eine
gemeinsame Studioarbeit war einfach nicht drin. 800 Dol- Grandaddy
... war eine der einflussreichsten
lar hat die Platte alles in allem gekostet: 700 Dollar das
amerikanischen Indie-Bands in
Mastering, 100 Dollar die eigene Produktion.
Sachen Lo-Fi-Gitarrenrock. Mit der
Seit ihrer ersten Platte arbeiten sie mit einer von Brent
Single »Summer Here Kids« geentwickelten Audiosoftware, die er »The Deeler« nennt und lang der Band aus Modesto, Kalifornien 1997 eine Nummer-einsdie, so hat er eben erfahren, einer Software namens AblePlatzierung in den NME-Charts.
ton, die in Berlin hergestellt wird, vergleichbar ist. »Deeler« 2006 veröffentlichte die Band
ist ein Audiotool, das auf Loops basiert, auch bei der Entste- um Jason Lytle ihr letztes Album
hung von »Friend And Foe« war die Software bereits im Vor- »Just Like The Fambly Cat« und
feld der Aufnahmen essenziell. »Sie hilft uns, neue Ideen zu gab kurz darauf ihre Auflösung
bekannt.
finden«, so Brent. Er scheint der Technik-Freak in der Band
zu sein, doch wenn man ihn nach seinen Interessen fragt,
schwärmt er von Wanderausflügen in die Natur. Auch privat gehen sie oft getrennte Wege: »Wir haben alle unsere eigenen Interessen und Skills.« Justin geht gerne surfen und
ist handwerklich sehr begabt, Danny ist eher der soziale
Typ, der gerne unter vielen Menschen ist und in seiner Freizeit meistens mit Musikern abhängt. Neben Menomena betreibt er ein Soloprojekt, und er ist der Drummer der Singer/
Songwriter-Band All Smiles des ehemaligen Grandaddy-Gitarristen Jim Fairchild. Ob es dennoch etwas gäbe, das für
Menomena typisch ist? »Wir haben wenig Respekt vor Leuten, die versuchen, komplizierte Dinge immer auf einen einfachen Nenner herunterzubrechen. Das macht für uns keinen Sinn. Das Leben ist widersprüchlich. Wir versuchen
nicht zu lügen und lassen Widersprüche stehen.«
Wenn man die illustrierte CD in ihrer perforierten Hülle
dreht, dann ergibt sich zu jedem Song ein neues Bild. Craig
Thompson hat »Friend And Foe« als ein hyperaktives Mons- Intro empfiehlt:
teralbum gestaltet. Durch die Körperöffnungen von großen
Monstern wuseln kleine Monster, und jedes Mal, wenn man
die Platte aus ihrer Hülle nimmt, entdeckt man ein neues
merkwürdiges kleines Vieh. Diesem durchgeknallten Biest
Menomena
von einer Platte wird er damit absolut gerecht.
Friend And Foe
Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Rotten Hell«
CD // City Slang / Universal
040 _ Intro _ Musik _ Hard-Fi
Hard-Fi. Proll-Styler bei der Arbeit
Intro _ Musik _ Hard-Fi _ 041
Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Joachim Zimmermann
Hard-Fi veröffentlichen mit »Once Upon A Time In The West« ihr zweites
Album. Und legen kräftig im Stil ihres Debüts »Stars On CCTV« nach. Hymnen
der ungebremsten Ladkultur. Immer mit Seele. Unser Autor Till Stoppenhagen
sieht in ihm nicht weniger als die schlichte Eleganz des Northern Soul
aufschimmern. Was er sonst noch so denkt über die Band – hier steht es.
E
s hätte keinen besseren Ort für diese AlbumPremiere geben können: Endlose Schlammwüsten, Horden Lagerbierbecher schwenkender
junger Männer, dank Vollsuff und Stiff-upperlip-Mentalität auch nach tagelangem Dauerregen noch bei bester Laune: Glastonbury, dieses süße OpenAir-Inferno, dieser Himmel, für den man durch die Hölle
geht. Die Inkarnation britischer Party-Kultur, die selbst
in ihren rustikaleren bis prolligeren Auswüchsen immer
noch ein Maß an Würde und Stil bewahrt, das man sich in
Deutschland so niemals vorstellen könnte. Einer Kultur, die
kaum jemand so perfekt auf den Punkt bringt wie Hard-Fi.
In diesem Jahr spielten sie zum ersten Mal auf dem legendären Festival. Um ihr neues, zweites Album »Once Upon A
Time In The West« erstmals der Weltöffentlichkeit zu Füßen zu legen. Schrängelnde Clash-Gitarren, schwere, klotzige Grooves, schrille Bläser – ein massiver Tanzflächenfüller,
der bei aller Bodenständigkeit immer die schlichte Eleganz
des Northern Soul bewahrt. Proletarischer Glamour.
Aus den tristen Tiefen des Londoner Westens – aus Staines, um genau zu sein – kommen Hard-Fi in die Suite des
edlen Berliner Concord-Hotels nahe dem Kurfürstendamm
gestapft. Drummer Steven Kemp, Bürstenschnitt, ein hartes Burschengesicht, ist »die hard« Working-Class. Sänger
Richard Archer, weich geschnittene Züge, der Einzige in der
Band, der Musik studiert hat, kommt aus einer Akademikerfamilie, hat sich in dem grundsoliden Umfeld aber gut
assimiliert. Vorstadt-Jungs und stolz darauf. Können sie
auch sein mit einem Album wie »Once Upon A Time In The
West«. Einem Album, das ohne diesen Background wohl
nicht möglich gewesen wäre.
Richard: Es ist wieder alles in Staines entstanden, wie unser erstes Album auch. Wir kommen von da, das ist sehr
wichtig für uns, und wir sind auch irgendwie stolz darauf.
Aber es hat nichts mit dem Ort selbst zu tun. Wir könnten
auch aus jedem anderen Ort kommen.
Steven: Wir wohnen immer noch gerne da.
Trotz des frenetisch bejubelten Glasto-Gigs, trotz fünf aufeinanderfolgenden Konzerten in der Brixton Academy (was
nur wenige Bands jemals geschafft haben), trotz doppelter
Platin-Auszeichnung in Großbritannien für das Debütalbum »Stars On CCTV« sind Steven, Richard und ihre beiden
Kollegen natürlich schön auf dem Teppich geblieben. Staines hilft dabei.
Und wie ist es da jetzt als Celebrity auf der Straße?
Steven: Es ist ein kleiner Ort. Jeder kennt uns da schon seit
Ewigkeiten. Ab und zu werden wir mal angesprochen, vor
allem abends im Pub, wenn die Leute besoffen sind, so:
»Dieser Track, Cash Machine, der ist verdammt gut. Aber –
versteh mich nicht falsch – da hättet ihr noch mehr draus
machen können.« Aber ansonsten sind wir da immer noch
dieselben Typen, die wir immer waren.
Glastonbury
Die Mutter aller britischen Open
Airs. Eigentlich sollten Hard-Fi
dort schon 2005 spielen, mussten
aber absagen, da Richards Mutter tödlich erkrankt war. Diesmal
Dieses gern zur Schau gestellte Working-Class-Ding – man spielten sie einen sogenannten
mag es für Show halten oder nicht – ist nicht nur der Motor Geheim-Gig auf der Leftfield Stage, der erwartungsgemäß gnafür den rotzig kaltschnäuzigen Scheiß-drauf-Hedonismus
denlos überrannt wurde. Richard
von Songs wie der neuen Single »Suburban Knights« (»Yeah- widmete den Auftritt seiner Mutter, die diesen Erfolg nie erleyeah-yeah-yeeeah, ohohohooo ...!« johlen die vier herrlich
ben durfte.
prollig im Refrain – und schon sieht man im Geiste wieder
die lagerseligen Massen im englischen Schlamm), sondern
auch für das unbeirrbare Durchhaltevermögen selbst an
einem endlosen Interview-Marathon-Tag wie diesem hier.
Staines
Die beiden wirken fremd in der stylishen Designer-UmgeIn der extrem unaufregenden
bung, scheinen sich darüber zu amüsieren, völlig immun
Vorstadt im Londoner Westen hadagegen, sich von dem Glamour vereinnahmen zu lassen.
ben Hard-Fi ihr Cherry Lips StuWie die Musikindustrie funktioniert, wissen sie gut gedio. Hier wurde der größte Teil ihnug: Hier muss alles hart verdient werden, geschenkt gibt’s res Debütalbums eingespielt.
nichts – auch keinen Zweiseiter im Intro. Es ist zwar schon Gemixt wurde aber auch mal mit
dem Laptop auf der Bettkante, in
später Nachmittag und das siebte oder achte oder zehnte
der Küche. Mangels vernünftiger
– so genau weiß es keiner mehr – Gespräch seit heute morStudioboxen wurde jeder Mix auf
gen, doch Steven und Richard, beide schon sichtlich leerge- CD gebrannt und im BMW-Autoquatscht und müde, liefern immer noch eisern ab. Muss ja. radio des Managers gehört, zuRichard: In Japan haben wir zwölf Stunden Interviews am
Tag gegeben, das war hart. Vor allem, weil du immer einen
Dolmetscher dabeihast. Und du sitzt da, während er übersetzt, und er hört überhaupt nicht auf zu lachen, und du
fragst dich, was du jetzt so Witziges gesagt hast.
Steven: Wir wollen ‘ne große Band sein, und das passiert
nun mal nicht über Nacht. Dafür musst du was tun.
Richard: Im Endeffekt ist es halt Showbusiness. Wenn du
eine massive Präsenz in den Medien hast, ist das ein guter Vorsprung. Den hatten wir nicht, als wir das erste Mal
nach Japan und nach Amerika kamen. In Großbritannien
hatten wir schon eine Fanbasis. Dort mussten wir noch mal
ganz von vorne angefangen. Aber ich mag das, es ist organisch, es hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Wir haben
die Ochsentour gemacht, waren fast ein ganzes Jahr ununterbrochen auf Tour, haben jeden Abend in einem Club gespielt. Mit Jetlag, manchmal sechs Wochen ohne einen Dayoff. Das ist es, worauf es ankommt. Da stehen vielleicht nur
500 Leute, aber die haben bezahlt, um dich zu sehen. Mit
einer Fernsehshow erreichst du vielleicht 500.000 Menschen, weshalb die Labels dich da auch unbedingt unterbringen wollen, aber von denen nimmt dich kaum einer bewusst wahr und kann sich nachher noch an dich erinnern.
Auf intro.de: Verlosung, Videoclip zu »Suburban Knights«
sammen mit Gwen-Stefani- oder
Madonna-Songs als Vergleich.
Dieses Mal ging es etwas professioneller, aber genauso hemdsärmelig zur Sache.
Aktuelles Album:
Hard-Fi
Once Upon A Time
In The West
CD // Warner
042 _ Intro _ Musik _ The Go! Team
The Go! Team.
Heidi in rosa Latex
Intro _ Musik _ The Go! Team _ 043
Text: Sandra Grether _ Foto: Arne Sattler
The Go! Team zu hören ist, wie in den späten 80er-Jahren eine John-PeelSendung anzuschalten und sich zu freuen – das alles gibt es also: OldschoolHipHop, summigen Bienchen-Pop, Cheerleader-Fanfaren, Agitprop-Shouting,
70s-Funk, Actionfilm-Samples nebst Heidi-auf-der-Alm-HarmonikaHarmonien, gute Laune und die gehörige Portion verzerrten Gitarrennoise.
U
nd während man sich noch wundert, dass
man das alles damals als wunderbar empfand, geradezu als Ausbruch aus einer spießbürgerlichen Dörflichkeit, fühlt man sich
heute irgendwie dörflich berührt. Ob angenehm oder unangenehm ist fast Geschmackssache, wenn
The Go! Team aus Brighton und London vier Songs und
drei Genres in ein Lied packen. Und sich wenig dafür interessieren, wie sozial codiert ein Musikstil ist oder einmal
war. »Es geht um den Sound«, sagt Go!-Team-Rapperin Ninja schlicht. Warum also nicht gleich nur mit (Film-) Samples arbeiten, sich die Musiker (einzeln, nie zwei oder mehr
zugleich) ins Studio kommen lassen, die man braucht? Je
mehr man das Konzept von Ian Parton, dem Go!-Team-Visionär, akzeptiert und goutiert, desto angezogener kann man
sich davon fühlen, selbst dann, wenn es nicht gleich knallt
beim Hören. (Was vielleicht schlicht am teilweise gewollt
anachronistischen Oldschool-HipHop-Sound liegt.) Denn
alles bei The Go! Team sagt: »Warum nicht?« Ja, warum also
nicht? Noch ein Bollywood-Sample, noch ein Western-Movie-Motiv – und bitte mit frischer Breakdance-Energie, yeah.
Ian Parton war Dokumentar-Filmer, bevor er 2000 die
Band gründete, zunächst als Solo-Projekt für einen Soundtrack. Bald aber war The Go! Team auf ein Kollektiv aus
sechs Musikern angewachsen, das live mit zwei Schlagzeugen und bunt-aggressiver Energy-Show einen wilden Kontrast zur eher introvertierten Arbeitsweise Partons bildete. 2005 wurden sie für den Mercury Prize nominiert, und
ihr verblüffend vielstilsicheres, reichlich experimentelles
Debütalbum »Thunder, Lightning, Strike« war zur allgemeinen Überraschung recht erfolgreich. Und man liebt die
Engländer dafür, dass sie die Go!-Team-Songs in die Charts
kauften. Zumal die mit ihren fröhlich-appelativen Mädchen-Gesängen, den rhythmisch-verschrobenen Spielereien und sloganhaften Refrains stellenweise wie eine HipHopVersion der britischen Wiiija-Riot-(Girl-)Bands der frühen
und mittleren Neunziger klangen.
Ian Parton und Ninja, die Rapperin, bilden Kern sowie
größten Kontrast innerhalb einer Band, die auf Fotos genauso großartig kindisch und chaotisch deplatziert wirkt
wie ihre Musik. Zum Beispiel, wenn jedes der sechs Mitglieder einen Buchstaben aus »Go Team« auf dem T-Shirt trägt.
Nur für das Ausrufezeichen und das »The« fehlen noch ein
paar Körper. Aber das Ausrufezeichen ist bei The Go! Team
ein Computer. Und das »The« eine Formalität, denn von der
sich konsequent an EINEM Stil, Sound oder Stadtstreich
abarbeitenden »The-Band« sind sie Welten entfernt. Ninja,
die live besonders viel Energie rauspowert, setzt den ohnehin schon variantenreichen Sample-Songs dann live noch
ein neues Krönchen auf. Sie singt nicht die Texte der StudioVersionen, sondern komplett neue Lyrics: »Ian arbeitet ja
mit diversen Gesängen und Stimm-Samples. Chuck D rappt
zum Beispiel bei einem Song mit. Ich selbst singe nur zwei,
drei Songs auf dem neuen Album. Aber ich bin nun mal ein
Rapper. Ich bin ich! Und ein Rapper singt seine eigenen Texte. Unsere neue Single Grip Like A Vice z. B. basiert vor allem auf Achtziger-Einflüssen. Deshalb gibt’s live von mir einen Text, wo es um Breakdance geht. Breakdance steht für
mich vor allem für einen bestimmen Sound. Und für Kindheitserinnerungen. Darauf spielt auch der Titel unseres
neuen Albums Proof Of Youth an.«
Ihr seid ja nie alle zugleich im Studio. Wie empfindest du
diese Arbeitsweise von Ian Parton, euch nie zeitgleich im
Studio einspielen zu lassen, mit dem wohl gewünschten Effekt, dass jedes Bandmitglied nur ein Teil des Puzzles ist
und gar nicht weiß, wie das Ganze am Ende klingt, frage ich
etwas zaghaft und umständlich. Denn bei aller Sympathie
für die Band – man hört ihr dieses Vorgehen natürlich an,
und das nicht nur zu ihrem Vorteil. Wenn zu viele Sounds
und Spuren übereinandergeschichtet sind, klingen Songteile schon mal etwas zu gebastelt und unkonturiert. Parton hat aber vermutlich genau das beabsichtigt. Und wenn
man bedenkt, wie viel Absprache und Inszenierung bei vermeintlich konventionell strukturierten Rockbands am
Start ist, dann hat das zappelige Go!-Team-Konzept wiederum auch etwas unvermittelt Naives, was man gemeinhin
ja dem »Authentischen« unterstellt usw. In diese Richtung
geht auch Ninjas Antwort, wenn sie sagt, dass man ohnehin beim Einsingen oder Einspielen eines Albums noch
nicht ganz genau wisse, wie das Stück am Ende dann klingen wird -»Unser neues Album klingt lebendiger, aggressiver und weniger anachronistisch. Es gab ja echt Leute, die
Thunder, Lightning, Strike zurück in den Laden brachten,
weil sie dachten, die Platte wäre eine Fehlpressung.«
The Go! Team verdanken ihren Erfolg also auch ihrer
wahnwitzigen Ausrichtung auf DIE geile Live-Show, die
sie mit derselben Leidenschaft betreiben wie ihr »Mastermind« die einsame Studio-Bastelei. So stellt sich ein super
Ausgleich her, und die Songs gehören wieder allen. Selbstverständlich auch den Leuten vor der Bühne. »Wir wollen
unser Publikum wirklich involvieren. Sie sollen Spaß haben
und glücklich sein«, erzählt Ninja und wirkt selbst ganz
glücklich, während sie das sagt. Schön. Und natürlich wird
alles aufgefahren, was auf eine Bühne passt: zwei Schlagzeuge, Harmonika, Spielzeugtiere, ein Style aus rosa Latex-Hosen usw. Das alles mit einer Aggression, die nicht
wütend ist, sondern vergnügt Energie ablässt und mitunter schlicht und gefährlich funkelt. »No, you will never stop
me« (zweimal wiederholt). »Nobody’s ever gonna« (achtmal
wiederholt). Und so weiter.
John Peel
Der Beitrag des britischen RadioModerators und DJs John Peel
(1939-2004) zur modernen Musik
und zur Musikkultur gilt als »unermesslich«. Seine einflussreichen,
visionären, extremen, avantgardistischen Radiosendungen wurden in vielen Ländern ausgestrahlt, in Deutschland war er via
des britischen Soldatensenders
BFBS 30 Jahre lang, vor allem im
norddeutschen Raum und in Berlin, zu hören. Seine Programmauswahl bot von Metal, Folklore, Riot
Girl, Punk bis hin zu Techno, HipHop usw. eine seltene Vielfalt.
Chuck D
... ist Gründer, Texter und LeadRapper von Public Enemy, politischer Aktivist und Radio-Moderator. Public Enemy wurden Ende
der Achtziger bekannt. Für viele sind sie DIE Rap-Band aller Zeiten. Ihr Hardcore-Rap und ihre
radikalen revolutionären Botschaften, vor allem die schwarze Community betreffend, revolutionierten das Genre HipHop
– das Chuck D mal als »CNN für
Schwarze« bezeichnete – nachhaltig und bis heute.
Intro empfiehlt:
The Go! Team
Proof Of Youth
CD // Memphis Industries /
intro.de: Verlosung, Audiostream zu »Grip Like A Vice«
Cooperative Music / Universal
044 _ Intro _ Musik _ Tel Aviv
Tel Aviv.
Meschugge
Dance
Party
Was ist dran am Nachtleben von Tel Aviv? 24 Stunden Party auf dem Vulkan, wie es die
Medien gern vermelden? Nachdem der vom Libanon-Konflikt 2006 arg gebeutelte IsraelTourismus jüngst mit leichtbekleideten Ex-Soldatinnen vom Stern bis zur Knesset wieder
punkten konnte, hat man nun in den zuständigen Ministerien Populär-Musik als Asset
entdeckt – den »Sound of Tel Aviv«.
Intro _ Musik _ Tel Aviv _ 045
Text & Foto: Stefan Rambow
W
as macht ein DJ in »der Stadt, die niemals schläft«? »Er hat zwei oder drei
andere Tages-Jobs ...«, meint Amir
Egozy, der unlängst die Red-BullMusic-Academy-Compilation über
den Electro-Underground von Tel Aviv mit Acts wie Kutiman, Kalbata oder Radio Trip zusammengestellt hat. Egozy
und sein Partner Nadav Ravid vom Botanika-DJ-Kollektiv
freuen sich nach einem ersten Berlin-Trip zum popdeurope-Festival über die aufkeimende Aufmerksamkeit in Europa und übernehmen netterweise die Kaffee-Rechnung, obwohl der Shekel bei ihnen nicht übermäßig rollt: Ein fieser
Umtauschkurs zum Pfund hat Vinylkäufe in England heftig verteuert, und die Mieten der In-Viertel wie Neve Zedek
haben Münchner Niveau – ohne Gelegenheitsjobs bei Zeitungen oder im Radio geht’s nicht. Nadav, der seine Militärzeit beim Army-Sender GLZ (Galei Tzahal) absolviert hat,
springt dort hin und wieder ein. »Auf dieser Welle geht inhaltlich mehr als bei den Privatradios, da herrscht nur formatierte Langeweile ...« Außerhalb Tel Avivs können die Botaniker höchstens im nördlich gelegenen Haifa oder auf
der funktionierenden Achse mit Jerusalem auflegen. In die
nur eine knappe Auto-Stunde entfernte, in letzter Zeit ein
eigenes Nachtleben entwickelnde Hauptstadt fahren manche Partygänger zum Afterhour-Chill-out, in Szene-Treffs
wie das Uganda oder in die Bars der Nahalot-Area. Das arabische Umland schließt sich locationwise für die Israelis
aus, obwohl Amir und Nadav auch von der sich entwickelnden Beiruter Szene gehört haben. In Europa kriegt man
auch so leicht kein Bein auf den Boden: »Zu viele DJs, alle
dichter dran als wir. Die Flüge von Israel aus sind einfach
zu teuer.«
Ein guter Freund der beiden hat diese Sorgen nicht mehr.
Guy Gerber ist, seit er von Sven Väth unter dessen CocoonFittiche genommen wurde, innerhalb eines Jahres zum international gefragten Tech-House-DJ avanciert. Ein NewOrder-Remix, sein aktuelles Debütalbum »Late Bloomers«
und internationale Auftritte von Sonar bis Greenfield bestimmen neuerdings seinen Terminplan. Aber Guys Ton ist
der gleiche wie der seiner Freunde zu Hause: »DJ nur im Nebenjob war für mich nie ‘ne Option, obwohl das in Tel Aviv
nicht gerade leicht ist. Lokale DJs bekommen meist kein
Geld, oft genug nicht mal gutes Equipment. Ich trete da im
Moment kaum mehr auf, obwohl mich viele Clubbesitzer
jetzt beknien, dass ich ihnen den Laden voll mache.« Ob es
einen »Sound of Tel Aviv« gibt: »Das ist so ein Klischee. Die
Szene ist überschaubar: ein paar gute Produzenten mit Labels, die die Fahne hochhalten, eine gute Crowd, die alles
mitmacht, die hübschesten Frauen und nette Läden wie Fetish oder Shesek, in denen es wirklich um die Musik geht.
Der Sound definiert sich – wie meine Musik – weniger über
Stile, sondern über die Leute. Manchmal kocht auch alles
etwas im eigenen Saft, aber du kannst alles an Inspirationen aus London, Berlin oder New York ausprobieren, bis es
sich gut anfühlt.«
Tagsüber am Gordon Beach gibt das Klackern der Matkot-Beach-Tennis-Holzschläger den Takt an. Man kann
von Glück sagen, wenn man am Shabbat im Leibermeer
nicht einem der Squashball-Geschosse oder einer entfesselt klampfenden Stampede von Israel-Fahnen schwingenden National-Kibbuzniks zum Opfer fällt. Wer kein Hebräisch kann und die potenziell lebensrettenden Kommandos
der örtlichen Baywatch-Sheriffs überhört, ist ähnlich verloren wie im Schilderwald der City, wo das hebräische Silbenalphabet regiert.
Im geschäftigen Ballungsraum Tel Aviv drängen sich weniger Araber und orthodoxe Juden, dagegen mehr säkulare Israelis als anderswo im Land. Hier leben und arbeiten
mehr als eine Million Menschen recht friedlich beieinander, sitzen auf den Basaren der Altstadt Jaffa beim Karaoke,
essen beim libyschen Grill-Imbiss oder shoppen auf Hipster-Meilen wie der Sheinkin Street. Viel sauberer und farbiger ist die Stadt geworden. Im Viertel Neve Zedek blühen
Boutiquen, Agenturen, Ateliers und Cafés – die letzten Anschläge liegen Jahre zurück. Und am Hafen, der mit seinen
Piers zu einem großen Vergnügungsviertel ausgebaut wird,
sieht man nicht einmal die sonst gängigen Sicherheitssperren. Dort räkelt sich Nightlife-Impresario Homer Gershon
in einem Korbstuhl mit Strandblick: »Es gibt – wegen der
Intifada behördlich gewollt – weniger große Diskotheken,
die werden in die Vororte gedrängt. Dafür machen buchstäblich jeden Tag neue Bars auf. Es wird persönlicher. Ich
möchte nirgendwo anders leben. In die Luft fliegen kannst
du schließlich auch auf Bali oder in Berlin. Aber wenn es
mich doch treffen sollte, dann habe ich hier wirklich gelebt.
Nirgends geht es so ab wie in Tel Aviv, egal, welche Uhrzeit.
Die Leute lassen Dampf ab, schnurz, ob sie am Morgen arbeiten müssen oder nicht.« Homer hat sich sichtlich in seiner Seifenblase Tel Aviv eingerichtet, er verlässt die Stadt
nur, um ins Ausland zu fliegen.
»Tel Aviv ist der einzige progressive Ort in Israel, nur
hier stellen die Leute auch mal – anders als die Orthodoxen – die Regierung in Frage oder äußern sich künstlerisch
zur Gesellschaft und Krieg«, erzählt Yuval »Tuby« Zolotov
von der Surf-Polka-Band Boom Pam, die in der Bandszene
der Stadt gerade sehr beliebt ist. Die Band hat – trotz dieser
Worte – ebenso wie der bekannte liberale Singer/Songwriter Dudi Levy (»A New Gaza«) ohne zu zögern während des
im Ausland als israelischer Angriffskrieg gebrandmarkten
Libanon-Kriegs auch in Trainingslagern der Armee gespielt.
Dafür wurden sie natürlich kritisiert. Wie auch der mit Abstand erfolgreichste Rapper des Landes Subliminal (a.k.a.
Kobi Shimoni), der es mit seinen zum Teil nationalistisch
angehauchten Pro-Army-Parolen in der Underground-Szene zum »guy everyone loves to hate« gebracht hat. »Mit dem
identifizieren wir uns nicht«, merkt Zolotov an und fügt zur
Verteidigung hinzu, dass, »es einfach eine breite Front der
Unterstützung gegen diesen Raketenterror gab, egal, ob du
religiös, national oder ganz normal unterwegs bist.«
Wenn sie nicht gerade im Camp »unterstützen«, spielen
Boom Pam oft auf Hochzeiten – so auch heute und als Rahmenprogramm für einen DJ namens Lustigmakher (!), der
eine »Meschugge Party« ausgerufen hat, und den Bräutigam, der ein eigens für die Braut geschriebenes Stück zum
Besten gibt. Nun ja, diese auch bei säkularen Israelis in der
Regel auf Hebräisch und mit Rabbi abgehaltenen Feiern
sind eben eine veritable Einnahmequelle.
Später nachts landen wir wieder bei Botanika, im Kellerklub Levontin 7, der sich innerhalb kurzer Zeit als der genreübergreifende Veranstaltungsort Tel Avivs etabliert hat.
Eine gute Wahl, denn unter Mithilfe der DJ-Kollegen Yogo
und Walter Einstein Frog zeigt Amir & Nadavs »Electro
Bass-ment Bounce«, wie man hier bis fünf Uhr morgens in
rhythmischer Bewegung bleibt, zum »Sound of Tel Aviv«.
Bandszene Tel Aviv
Beispielhaft für viele andere: die
aus Jerusalem zugereisten FunkHipHopper Hadag Nachash, die
Bigband Funk’n’Stein, die Psychedelic-Bastler Izabo und der Balkan-Beat-Box-Sänger Tomer Yosef
(der israelische Manu Chao). Viele von ihnen berufen sich auf israelische Pop-Wurzeln wie den
tragisch abgetretenen »King« der
mediterranen Mizrahi-Musik, Zohar Argov, oder den griechischstämmigen 60s-Gitarren-Helden
Aris San. Bindeglied zu Electronica-Acts wie Botanika, Kalbata
oder Guy Gerber ist Ofer Tal, Mastermind von Radio Trip und den
Apples. Tal arbeitet tagsüber im ...
Plattenläden
... Black Box, kleiner Secondhand-Eckladen in der Bar Kochva Street. Schräg gegenüber das
mehrstöckige The Third Ear, 48
King George Street, www.thirdear.com. Der etablierte MailorderShop Krembo Records liegt direkt auf der Sheinkin Street, Nr. 18,
www.kremboshop.com. The Third
Ear ist der Arbeitsplatz des Mittzwanzigers Noam, einer der Helden von ...
Beirut
Auf intro.de findet sich der im
Jahresrückblick 2006 gebrachte Beitrag von Thomas Burkhalter zur Musikszene Beiruts nach
dem Krieg.
The Bubble
IL 2006
R: Eytan Fox; Panorama Berlinale
und diverse Gay-Festivals
Das in Tel Avivs Sheinkin-StreetArea gedrehte sehenswerte Drama um ein israelisch-palästinensisches schwules Paar läuft
ab dem 6. September regulär
im deutschen Kino. »The Bubble« (bzw. »Ha-Buah«) bezeichnet in
der hebräischen Alltagssprache
und im restlichen Israel generell
das Leben in Tel Aviv. www.profun.de/the-bubble/ & www.imdb.
com/title/tt0476643/
046 _ Intro _ Musik _ Future Dance City. Berlin
Boys Noize
Texte: Arno Raffeiner _ Fotos: Gerrit Hahn
Wahoo
Troy Pierce
Boys Noize. Hooligan-Rave
D
as Keyser Soze, ein Café in Berlin-Mitte. Alex Ridha bestellt Latte Macchiato, stilles Wasser und
kommt schnell auf Dinge wie seine Talkbox oder analoge Kompressoren zu
sprechen. Denn was den smarten jungen
Mann hinter den Projekten Kid Alex und Boys
Noize am Musikmachen am meisten interessiert, ist der eher nerdige Produktionsaspekt.
Feiern geht er eigentlich nur, wenn er selbst
hinter den Plattenspielern steht. Angesichts
der Partysaumucke von Boys Noize möchte
man das kaum glauben: So brachial, Testosteron-geschwängert und schweißtreibend war
elektronische Musik schon lange nicht mehr.
Zumindest nicht, bis neben Alex auch Typen
wie Ed Banger oder Digitalism aufgetaucht
sind. Und gerade zu seinen Pariser Freunden
Justice passt Boys Noize wie eine Faust in die
Magengrube.
Der Titel deines Album »Oi Oi Oi« klingt wie
ein Hooligan-Schlachtruf. Beziehst du dich
damit auf die alten Oi-Punks und Skins? Ich
verknüpfe das mit der Art, wie ich mein Label
führe und wie ich bisher Musik gemacht habe.
Ich ziehe das einfach so durch, wie ich will. Es
geht einerseits um diese Haltung, und auf der
anderen Seite passt das auch gut zur Musik.
Ich habe alle möglichen Plattendeals abgesagt
und mache alles selbst. Das ist eben so ein bisschen diese Scheiß-drauf!-Haltung.
Warum bist du aus deiner Heimatstadt Hamburg nach Berlin gezogen? Es gibt auf der
Welt ja durchaus andere Orte, wo der BoysNoize-Sound besser hinpassen würde. Ich
bin meiner Freundin wegen hierher gezogen.
Es stimmt schon, hier ist diese Szene nicht so
groß. Wenn ich in Deutschland spiele, sagen
mir die Leute immer wieder, dass sie solche
Musik noch nie gehört haben, was mich total
überrascht, denn ich erfinde das Rad ja nicht
neu. Aber die finden das super und drehen total
durch, als hätten sie noch nie gehört oder vergessen, dass es auch eine andere Art von Techno gibt.
Trotzdem: Wie viel Berlin steckt in deiner
Musik? Schon so 7 bis 9 %, würde ich sagen.
Vor allem das Dreckige, das Harte.
Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe generell
ungern aus und bin ungern zwischen vielen
verdrogten Leuten. Das Nachtleben in Berlin
interessiert mich wirklich gar nicht, und ich
kenne die ganzen Clubs hier auch nicht.
Berlin ist ... ... verdrogte Arbeitslosen-Lebenskünstler-Touristen-Afterhour-Party-City.
Aktuelles Album:
Boys Noize
Oi Oi Oi
CD // Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.
Wahoo. Exoten im Radio
E
in so schlichter wie großzügiger
Konferenzraum im Headquarter von
Four Music. Steffen Berkhahn (DJ
Dixon), mit seinen Innervision-Partys die House-Institution in der Stadt, und
Georg Levin, der als elektronischer Songwriter und einfühlsamer Sänger auf dem Sonar
Kollektiv zu hören war, machen sich Gedanken über ihren Status als Exoten im Berliner
Clubland. Wer weiß, vielleicht ändert sich dieser Status gerade durch das Debütalbum ihres Projekts Wahoo, und zwar nicht nur in
der Hauptstadt, denn Angst vor einem möglichen Mainstream-Erfolg ist bestimmt die
letzte Sorge der beiden. Im Gegenteil: Mit unverschämtem Popfaktor, Schunkel-Soul und
Party-HipHouse wird direkt in Richtung Radioplay gezielt. Aller Vielfältigkeit zum Trotz
lässt sich das Wahoo-Album dennoch leicht
auf einen Nenner bringen: Ohrwurm.
Georg, du hast lange in London gelebt. Warum bist du nach Berlin gekommen?
G: Weil ich das Gefühl hatte, hier etwas bewegen zu können. Man ist Teil einer Generation, die eine Stadt mitformt. Berlin ist eine besondere Stadt, die es so eigentlich gar nicht
geben dürfte, die aber wegen geschichtlicher
und wirtschaftlicher Konstellationen eben so
ist, wie sie ist: ein angenehmer Moloch.
Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?
G: Beim ersten Hinhören nicht besonders
viel. Wir machen die Musik, die wir vermissen.
D: Wir lassen bei dem Projekt außen vor,
dass ich Dixon bin, der House macht, und dass
Georg mal ein langsames Soul-Album gemacht
hat. Bei Wahoo machen wir völlig frei von jeglicher Vergangenheit das, worauf wir Lust haben. Das ist ein Punkt, den wir uns hier in Berlin eben leisten können. Man riskiert Sachen.
Wie findet ihr das Nachtleben hier? D: Ich bin
nicht mit aller Musik einverstanden, aber ich
finde, es ist das progressivste Nachtleben der
Welt, weil es in den Händen von Musikenthusiasten ist und nicht von Business-Typen. Meine
Lieblingsclubs sind das Weekend und die Panorama Bar, weil sie zwei gegensätzliche Seiten
widerspiegeln.
Was hasst oder vermisst ihr an Berlin?
D: Eigentlich vermisse ich hier nichts, einen
großen Flughafen höchstens.
G: Das Meer!
Berlin ist ...
D: ... Future-Dance-City. Was heute hier die
Clubs dominiert, findet man ein Jahr später
überall.
Aktuelles Album:
Wahoo (DJ Dixon Project)
Take It Personal
CD // Fine / Rough Trade / VÖ 07.09.
Intro _ Musik _ Future Dance City. Berlin _ 047
Modeselektor
FUTURE DANCE
CITY. BERLIN
Troy Pierce. Geister-Techno
Z
u Hause in Troy Pierces Maisonette
am Prenzlauer Berg. Der Hausherr
räumt ein paar Platten aus dem Weg,
macht CNN aus. Das sympathische
Chaos und die eher spärliche Einrichtung der
Wohnung zeigen, dass der amerikanische DJ
und Produzent wohl ziemlich selten zu Hause
ist. Und so hat er tatsächlich alle Tracks auf
seiner Doppel-EP »Gone Astray« on the Road
produziert. Die AkteurInnen im globalisierten Techno-Zirkus sind zwar jedes Wochenende woanders, aber irgendwie trotzdem immer
zu Hause, speziell, wenn sie wie Troy eingebunden sind in die Minimal-Vorzeigefamilie
um Richie Hawtin und dessen Label M_nus.
Das Gefühl, dass man dazwischen immer wieder mal verloren gehen kann – und sei es nur
in der Musik –, bleibt allerdings, und Troy hat
genau dieses Gefühl in der geisterhaften Atmosphäre seiner Sounds eingefangen.
Du arbeitest in deinen Tracks viel mit Noise und Reverb. Würdest du sagen, dass das
die wichtigsten Elemente deiner Musik sind?
Mir geht es weniger um einzelne Elemente als
darum, wie am Ende alles zusammenpasst.
So eine Art gespenstischer oder unheimlicher
Vibe ist mir wichtig, und der entsteht eben
manchmal aus weißem Rauschen, aus Reverb
und verrückten Soundeffekten oder aus einer
Kombination von all diesen Elementen.
Warum bist du von New York nach Berlin gezogen? Ich dachte mir: Lass mich nach Berlin
gehen, mehr aufs Musikmachen fokussieren
und einfach schauen, was passiert! Ich habe in
New York zwar an Tracks gearbeitet, aber man
wird so leicht abgelenkt, von der Stadt und den
vielen Freunden, die immer ausgehen wollen ...
Und in Berlin ist das nicht schwierig? Nicht
für mich! Als ich hergezogen bin, hatte ich
noch nicht so viele Gigs und habe die ganze
Zeit nur an Musik gearbeitet. Ich bin auf jeden
Fall nicht in die Berliner Rund-um-die-Uhrausgehen-Falle getappt.
Dein liebster Club in Berlin? Ich gehe ja fast
nie aus hier. Mein liebster Club zum Auflegen
ist das Watergate, da war es immer super.
Was hasst du an Berlin? Es gibt nur schlechte Zustelldienste! Das war in NYC viel besser.
Und die Wohnungen haben keine Klimaanlagen.
Berlin ist ... ... überwältigend, und zwar auf
eine positive Art. Es gibt so viele Clubs, so viele Möglichkeiten. Du kannst die Dinge einfach nirgends so machen, wie du sie in Berlin
machst.
Aktuelles Album:
Troy Pierce
Gone Astray
CD // Min_s / Al!ve / MDM
Modeselektor. Auffanglager-Step
E
in traditionsreiches Gasthaus am
Prenzlauer Berg. Sebastian Szary
und Gernot Bronsert stärken sich
hier gerne mit üppigen Fleischrationen und referieren über ihre ModeselektorVersion von »Sausage Music«. Deftige Kost
mochten die beiden Berliner Originale ja
schon immer, und so servieren sie auch auf
ihrem zweiten Album die ganze Palette von
Rave-Fanfaren über IDM-Geknurpsel bis
zu Dubstep-Grummeln, soundtechnisch
extrem verfeinert und garniert mit einer
extrafetten Gästeliste von Maximo Park
bis zu Thom Yorke. Doch ihr Sausage-Sound
kommt hoffentlich nicht nur bei grölenden
Biertrinkern an, sondern auch bei Kleinkindern. Denn schließlich ist »Happy Birthday«
das perfekte Geschenk für den Nachwuchs,
den Szary und Bronsert diesen Herbst fast
zeitgleich erwarten.
Wie viel Berlin steckt in eurer Musik?
B: 115 %, glaub ich. Würden wir in San Francisco leben, würde Modeselektor total nach HiFi-HipHop klingen.
S: Viele Sachen sind kleine Mitbringsel von
unterwegs, die man dann in den Songs verarbeitet: von HipHop bis schottischem Techno ...
B: ... Londoner Dubstep oder Neuköllner Rap.
Liebster Club in Berlin?
B: Ich mag Off-Locations gerne, wo du kein
Stammpublikum und keine Touristen hast und
alles ein bisschen Ghetto-mäßiger abläuft. Ey,
was meinst du, wie z. B. der Hackesche Markt
vor zehn Jahren ausgesehen hat? Das hättest du
nicht geglaubt!
S: Das war ein Parkplatz.
Was hasst ihr an Berlin?
S: Die Münchifizierung.
B: Die Münchifizierung, das Zerstören von
Subkultur durch Immobilienhandel und durch
Konsum generell.
S: Und dass der Flughafen Tegel schon
abends um zehn Uhr zumacht.
Minimal Techno, Dubstep oder Old Rave?
B: Das alles zusammen, schön durchgeshaket. Ein bisschen mehr Dubstep und mehr Rave
vielleicht und ein bisschen weniger Minimal.
Obwohl, es gibt echt gute Minimal-Platten! Dan
Bell oder Robert Hood haben ja nichts anderes
gemacht. Eigentlich hat sich nichts verändert,
nur dass jetzt alle ihre Haarschnitte zeigen.
Berlin ist ...
B: ... wie ‘n extrem großes Uffanglager. Wofür, kann man sich aussuchen, das ist das Schöne an diesem Auffanglager.
Aktuelles Album:
Modeselektor
Happy Birthday!
CD // BPitch Control / Rough Trade
048 _ Intro _ Musik _ Kochen mit Gentleman
Text: Linus Volkmann _ Interview: Thomas Venker + Linus Volkmann _ Fotos: Rainer Holz
Essen mit. Gentleman
Wicleff
Das zielt auf die Wicleff Straße in
Berlin. Dort unterhielt der Großvater eine Bar, die mitunter durch illegale Swingpartys auffiel und in
der während der Nazizeit auch
Verfolgte Unterschlupf fanden. Zu
Ehren des Opas, der vor kurzem
97-jährig verstarb, nannte Christoph sein Lokal daher Wicleff.
Rezept
Pfifferlinge auf Semmelknödeln:
4 alte Brötchen zerbröseln und
mit warmer Milch vermischen.
Zwiebel in Würfel schneiden, anbraten und unterheben. Wenn
die Masse abgekühlt ist, 2 Eier
dazu, mit Salz, Pfeffer und Muskat
würzen. Daraus Knödel formen
und so lange kochen, bis sie an
die Oberfläche kommen. Dann
noch 15 Min. bei schwacher Hitze ziehen lassen. Die Pfifferlinge
mit Zwiebeln in Olivenöl anbraten. Mit Sherry ablöschen, Sahne dazu. Am Ende abschmecken
und mit Schnittlauch garnieren.
(Rezept von Csaba Hajdu, Küchenchef des Wicleff)
K
öln hat ja nicht gerade weltberühmte No-GoAreas. Zu harmlos, zu fröhlich, zu provinziell
ist man hier für solch brisantes Ornament.
Keine marodierenden Clans in Köln-Nippes, keine aufgegebenen Vorstädte bar jeglichen Rechts, die anmuten wie die Kulisse von »Mad Max 4«.
Nein, Köln ist sicher. Und dennoch gibt es auch in diesem
putzigen rheinischen Puppenhaus ein Ranking der Stadtteile. Neu-Ehrenfeld zum Beispiel, heißt es immer, sei das
Letzte. Und wer wären wir, solch halbgares SecondhandWeltwissen zu hinterfragen? Kolumbus? Voltaire? Nö. Kein
Fußbreit nach Neu-Ehrenfeld, so handhaben wir das seit
Jahren.
Bis heute. Denn wir wollen Gentleman treffen. Diesen
bärtigen, kumpeligen Toaster, der im ausgehenden letzten Jahrtausend zum Boom von Deutsch-HipHop von Plattenfirmen den Rat erhielt, doch bitte auch in Muttersprache abzuliefern. Gentleman unterließ das – und mit dieser
konkreten Standhaf- sowie einer allgemeinen Nachhaltigkeit ist er mittlerweile einer der erfolgreichsten deutschen
Künstler im Ausland. Gerade auch in Ländern, in denen
keiner je von Grönemeyer, ja noch nicht mal von Rammstein gehört hat. Globales Reisen als Grundmotiv für Gentlemans Karriere. Warum sollten wir für ihn also nicht wenigstens Neu-Ehrenfeld aufsuchen? Ein Kollege gibt uns
noch den Hinweis mit, an roten Ampeln immer vor- und zurückzufahren – dann hätten es Gauner schwerer, die Radkappen zu klauen.
Neu-Ehrenfeld Lenaplatz. Wenn das ein sozialer Brennpunkt sein soll, dann ist Monaco die Bronx. Ist ja voll
hübsch hier! Und an einer der Ecken des Platzes kann man
auch schon das Wicleff entdecken. Das ist das Restaurant
von Christoph, dem älteren Bruder Gentlemans. Gutbürgerliche Karte mit einigen Spitzen ins Mediterrane, sogar
Mexikanische. Ist das schon Fusion-Food? Nee, einfach nur
eine undogmatische Küche. Hübscher Hometurf für Mitglieder der Dynastie Gentleman, die Schwester zeichnet
hier zum Beispiel für Gemaltes verantwortlich. In diesem
Familienverbund heißt Gentleman übrigens auch noch so,
wie er getauft wurde, also Tilmann. Und, Frage an den Bruder, hat Tilmann hier eigentlich schon mal kellnern müssen? »Nee, aber wenn er mit der Band in der Stadt ist, treffen sich alle immer hier. Das sind schon oft rauschende
Nächte gewesen.«
Klingt plausibel. Aber wo ist eigentlich jetzt dieser Gentleman? Die Überfahrt ins unbekannte Stadtviertel hat uns
hungrig gemacht. Na also, da kommt er. Schnell mal abgleichen mit dem etwas grotesken Bild, das mir immer in
den Sinn kommt, wenn es um Gentleman geht: nämlich
das einer pulsierenden Regenrinnen-dicken Halsschlagader, die in die Sprechmuschel eines Oldschool-Telefons
singt. Bisschen wie die Musical-Version des Colin-FarrellFilms »Bitte nicht auflegen« – wenn man mir so viel Assoziation verzeihen mag. Profis wissen, mir ist sein Video zu
»Superior« von der letzten Platte »Confidence« noch in Erinnerung. In echt sieht Gentleman relaxter aus, der mittlerweile sehr dichte Bart verdeckt dabei ein wenig eine gewisse Erschöpftheit. Kein Wunder: »Another Intensity kommt
jetzt in 16 Ländern gleichzeitig raus, also bei Confidence
waren es noch drei. Da ist allein schon der Promoaufwand
Intro _ Musik _ Kochen mit Gentleman _ 049
immens. Also jetzt nur für Deutschland allein, meine ich.
Und wegen Konzerten: Früher konnte man abends manchmal sogar noch heimfahren. Mittlerweile ist es ja nicht nur
so, dass man in einem anderen Land wäre, es ist jetzt schon
richtiges Kontinenthopping, was abgeht. Weißt du, dann
sind wir mit der Band in Surinam, danach Bermuda, über
Jamaika dann Gambia und danach Amsterdam. Dann haste mal ein paar Tage Pause, und dann geht’s nach Schweden
und Portugal.«
Gar nicht so einfach alles. Gentleman hat immerhin Familie: »Und ich habe halt auch keinen Bock, so ein Vater zu
sein, der seinem Sohn immer sagt: Ja, ich muss halt jetzt
weg, musst du verstehen. Das kenne ich selbst, und das ist
nicht schön.«
Gentleman bestellt sich einen Salatteller mit Putenstreifen, ich Semmelknödel mit Pfifferlingen in Cognac-Soße,
geil, was? Kollege Venker nimmt dasselbe und noch als
Deko eine Zucchinisuppe, die er aber stehen lassen wird
wie eine unliebsam gewordene Urlaubsflamme.
Und wie hält man das nun alles aus, Gentleman? »Das
werde ich zuletzt immer öfter gefragt. Aber diese Reisen beinhalten ja nicht nur Stress, sondern die Begeisterung der
Leute gibt dir auch so viel Kraft. Wenn 15.000 Surinamesen deine Songs mitsingen können, obwohl du da noch nie
vorher aufgetreten bist, die Platte eigentlich nicht zu kaufen ist, dann wiegt das viel von den Momenten auf, wo du
denkst: Ich kann jetzt nicht mehr.»
Und Letztere gab es tatsächlich. Gentleman erzählt beneidenswert uneitel auch davon. Wie schwer es zum Beispiel fiel, mit Texten für das neue Album auf Kurs zu
kommen. »Ich war da echt durch nach der Zweieinhalb-Jahre-Tour. Aber dann habe ich einfach das benutzt: Ich bin
leer. Aha, der Song heißt »Emptiness∑«! Ja, das klingt blöd.
Aber das war der erste Song, der hat es dann auch nicht aufs
Album geschafft, aber so kam ich erst mal wieder an den
Punkt. Zum Schluss lief es ganz locker.«
Gentleman isst nicht auf, besteht aber darauf, sich den
Rest einpacken zu lassen, und trinkt dazu Bionade. Und wir
bestehen natürlich noch auf dem Bekenntnis eines so internationalen Reggae-Artists gegen die im Genre weit verbreitete Homophobie. »Also, auf meinen Platten werden
Minderheiten unterstützt und nicht gedisst. Und ich kenne
viele Jamaikaner, die es auch nervt, wenn es auf deren Festivals immer heißt Put da hands in the air, if you don’t like
chichi-man. Aber da hast du wenig Einflussmöglichkeiten,
da ist dieses Alttestamentarische der Kultur, da sind auch
Frust und Aggression, und die entladen sich an Minderheiten. Und ein Artist, der keine Kreativität hat, der bringt
dann Zeilen gegen Schwule. Da haben viele keinen Bock
drauf, aber sie kommen irgendwie nicht davon weg – und es
traut sich auch keiner.«
Auch Gentleman selbst schreibt sich das Brechen des
Dancehall-Homophobie-Konsens’ nicht offen auf seine Fahnen, wirbt aber in seinen Stücken für Toleranz. Mehr sei,
realistisch betrachtet, nicht drin, erfahren wir. Wie frustrierend. Die ästhetische wie ideologische Marktlücke
»schwuler Dancehall« füllen – das wär’s doch! Wäre mein
Venker bloß nur nicht so unrhythmisch und latent hetero.
Aber das alles soll Gentlemans Sorge nicht sein. Der isst zu
Hause auf und fliegt durch die Welt. Viel Spaß dabei.
Keine Toleranz für
Schwule
Das Thema Homophobie in Rap
und Dancehall entzündete sich
an dem aktuellen Fall von GHot. Der elende Song des Aggro«Künstlers« »Keine Toleranz für
Schwule« tauchte im Netz auf.
Daraufhin verstieß ihn sein Label, und er wurde wegen Aufruf
zur Gewalt angezeigt. Die Karriere von einem Arsch ist so immerhin im Eimer.
... und es traut sich
auch keiner
Schwierig eben auch, wenn die
einflussreichsten Acts wie Buju
Banton, Beenie Man oder Sizzla
in ihren Texten Schwulenhass voll
ausleben.
Aktuelles Album:
Gentleman
Another Intensity
CD // Four Music / SonyBMG
051 _ Intro _ Steil _ Mode
Fotos: Christoph Voy _ Produktion: Christoph Voy, Linus Volkmann, Susanne Pospischil
*
* Feeling B »Mix mir einen Drink«
Ines _ T-Shirt: H&M _ Hose: Miss Sixty _ _ Sandra _ Rock: adidas _ Schuhe: Nike _ T-Shirt: typotheque.com _ Kapuzenjacke: H&M _ Sonnenbrille: Stüssy _ _ Benjamin _ Jacke: ADD _ T-Shirt: DURKL _ Jeans: Cheap Monday
052 _ Intro _ Steil _ Mode
*
* Jello Biafra & Mojo Nixon »Drinkin with Jesus«
Arne _ Hemd: Humana _ Jacke: Vintage _ Jeans: Diesel
053 _ Intro _ Steil _ Mode
*
* Dinosaur Jr. »Freak Scene«
Sebastian _ Jacke: American Apparel _ Tuch: Cheap Monday _ _ Linus _ Brille: Tom Ford _ T-Shirt: Early Man
054 _ Intro _ Steil _ Mode
*
* King Rocko Schamoni »Sex, Musik und Prügeleien«
Felix _ T-Shirt: 25 Years Touch & Go Records _ Jeans: H&M _ _ Benni _ Schuhe: Gravis _ Jeans: H&M _ Gürtel und
Hemd: Levi’s _ Strickjacke und Polohemd: Fred Perry _ Hut: Stüssy _ Uhr: Nixon
Brille: Camden Market _ Schal & Hemd: RAdAR h _ T-Shirt: American Apparel _ Hose: Ksubi _ Hut: Camden Market
055 _ Intro _ Steil _ Mode
*
**
* Lemonheads »Ride with me«
** Boxhamsters »Beende deine Jugend«
_ Jacke:
_ T-Shirt:
Roland
American
Apparel
Delphi
Hemd
& T-Shirt:
Surface
to Air, Hose:
Ksubi, Schuhe:
RAdAR
h _ Hose: Carharrt _ Schuhe: Nike _ Uhr: Swatch
056 _ Intro _ Steil _ Roxy Jam
Text: Susanne Pospischil _ Interview: Thomas Venker, Susanne Pospischil
Roxy Jam. Elegant auf der Welle
Es war Kaiserin Eugénie, die das verschlafene Fischerdörfchen Biarritz entdeckt hat – dieser lauschige Fleck eignete sich ideal für
ihre Sommerresidenz. Und auch Quiksilver und Roxy erlagen den Reizen der Region und siedelten ihr Firmenimperium ganz in der
Nähe von Biarritz an. Und so sind sie wohl bis heute nicht ganz unschuldig am Hype um die Biskaya-Welle. Roxy richtete im Juli
zum zweiten Mal die Longboard-Weltmeisterschaft für Frauen in der mittlerweile mondänen Surfhochburg aus. Nicht nur die Stars
unter den Surferinnen waren geladen, auch die weibliche französische Independent-Szene glänzte durch Anwesenheit und setzte
Zeichen im sonst so Männer-dominierten Business. DJ Chloé eröffnete mit einem packenden Set zum Sonnenuntergang den Roxy
Jam, und am nächsten Abend wirbelten Pravda und CSS krachend über die Bühne am Strand. Zwischendurch haben wir einige
Surf-Talente und -Koryphäen mit langen Brettern in der Hand zum Interview gebeten:
057 _ Intro _ Steil _ Roxy Jam
Candice
O’Donnell (GB)
Wie ist heute das Meer?
Wunderbar, gute Bedingungen für Longboarder, schöne
kräftige Wellen und Bilderbuchwetter.
Wo ist dein Homespot? Ich bin in Südafrika geboren, lebe aber seit Langem im Südwesten Englands, in Cornwall.
Ist das auch dein liebster Ort zum Surfen? Nein,
der ist tatsächlich hier in Biarritz, das ist nicht
allzu weit, und ich mag die Lebensart und das
gute Essen hier.
Bist du viel auf Reisen? Ja klar, ich bin oft in Irland, Schottland, Wales, Spanien, Portugal, Südafrika und Australien und ...
Wann hast du angefangen zu surfen? Eigentlich
schon, als ich ganz klein war, damals habe ich mit
dem Bodyboard angefangen und bin dann irgendwann aufs Longboard gekommen.
Wie ist die Szene im Vergleich zu den Männern einzuordnen? Das kann man überhaupt
nicht vergleichen, das sind unterschiedliche Level. Männer surfen doch sehr hart und progressiv,
Frauen dagegen viel eleganter und stylisher in
fließenden Bewegungen.
Und wie wirkt sich das auf die gesamte Industrie und die Strukturen im Surfsport aus? Die
ist bislang sehr Männer-dominiert. Ich komme
also gerade zur richtigen Zeit an im Wettkampf,
zukünftig wird sich das hoffentlich ändern.
Wie alt bist du? 23 Jahre.
Welche Platte hörst du im Moment? Schwer zu
sagen, doch immer wieder gerne The Cure.
Schuyler McFerran (USA)
Woher kommst du? Aus San
Diego in Kalifornien.
Wann hast du angefangen
zu surfen, und wer hat dich
darauf gebracht? Mit zehn
Jahren. Meine Eltern surfen beide, irgendwie bin
ich schon in den Wellen aufgewachsen und ihnen
auch treu geblieben.
Letztes Jahr hast du den Contest gewonnen, ich
gehe mal davon aus, du surfst professionell? Ja,
das kann ich zum Glück schon seit ich 16 Jahre alt
bin, mittlerweile bin ich 20.
Warum surfst du Longboard? Zum Spaß surfe
ich auch Shortboard, aber mein Herz gehört den
langen Brettern, das ist einfach ein sehr anmutiger Sport.
Wo betreibst du den am liebsten? Meine Heimatstrände und Australien sind unschlagbar.
Wie reagieren deine Freunde und die Jungs aus
der Szene auf diesen Wettbewerb? Die sind begeistert und interessieren sich sehr dafür, mehr
Aufmerksamkeit für Surferinnen bringt den gesamten Sport weiter.
Aber es ist noch ein langer Weg, um die gleiche
Aufmerksamkeit und Akzeptanz zu bekommen
wie Männer? Ehrlich gesagt haben wir die besseren Sponsoren-Verträge, soweit ich weiß. Mit einem Label wie Roxy im Rücken, das den Sport mit
dieser Weltmeisterschaft enorm pusht, sind wir
gut aufgestellt.
Welche Musik hörst du gerne? Kings Of Convenience und The Weepies.
Crystal Dzigas
(USA)
Seit wann kannst du nicht
mehr vom Surfen lassen?
Mit 14 Jahren habe ich angefangen, in Waikiki auf Hawaii, seit drei Jahren kann
ich ganz gut davon leben, jetzt bin ich 24.
Wie fing das alles an, wie wurdest du entdeckt?
Ich surfe am North Shore Beach, und da haben
mich irgendwann immer mehr Fotografen registriert und für Zeitschriften fotografiert oder Videos gedreht. So kam das ganz von selbst.
Vergleiche mal das Meer von Biarritz mit den
Wellen vor deiner Haustür. Auf Hawaii sind die
Wellen viel kraftvoller und unkalkulierbarer und
dadurch auch schwieriger zu surfen. Hier ist es
einfacher, macht aber auch Spaß.
Kann ich mir die Szene als große Surfer-Familie
vorstellen, die um den Globus zieht, oder ist es
oft doch recht einsam? Auf Hawaii haben wir ein
sehr enges Netzwerk, jeder kennt jeden, und alle
sind irgendwie verwandt oder befreundet, sonst
habe ich ein paar Leute an den verschiedenen
Spots, die ich immer mal wieder treffe.
Ist es nicht irre anstrengend, so lange unterwegs zu sein? Ja, z. B., wenn dein Koffer mal wieder nicht angekommen ist. Am meisten vermisse ich ein gutes, gekochtes Essen, und natürlich
schlafe ich auch im eigenen Bett am besten.
Wie sieht deine Planung aus: Was glaubst du,
wie lange du noch professionell surfen wirst? So
lange es geht, das ist nämlich doch eine wirklich
angenehme Art zu leben. Natürlich geht es gerade bei den Frauen aber nicht nur um Erfolge bei
Wettkämpfen, sonder auch darum, wie du aussiehst und wie lange du ins Konzept passt.
Welche Musik hörst du am liebsten? Bloc Party,
The (International) Noise Conspiracy und Dashboard Confessional.
Coline
Menard (F)
Wo bist du zu Hause? Auf La
Réunion, ganz in der Nähe
von Madagaskar.
Das klingt, als hättest du
schon mit drei angefangen zu surfen? Ich war acht Jahre alt, mein Vater
ist auch ein Longboarder und hat es mir und meinem Bruder beigebracht.
Wie unterschiedlich sind jeweils die Voraussetzungen fürs Surfen? Wie sind die Bedingungen
im Indischen Ozean? Ganz anders, etwas extremer, weil ich dort an einem Riff surfe und es z. B.
auch Haie gibt.
Dann ist das hier ein Kindergeburtstag für
dich? Nein, kann man so nicht sagen, hier
muss ich mich auf die neuen Bedingungen erst
einstellen.
Kannst und willst du vom Surfen leben? Ich studiere Biologie, aber ich bin eben doch schon sehr
oft unterwegs, weil mir das Surfen im Moment
sehr wichtig ist.
Welcher Spot hat dich bislang am meisten beeindruckt? Die Wellen in Australien sind ganz besonders toll.
Und deine Lieblingsband? Tracy Chapman und
Jack Johnson.
058 _ Intro _ Steil _ Paris
Text & Fotos: Silke Bücker
Paris. Unterwegs auf der Rendez-Vous Hommes
Mindestens vier Mal im Jahr ist Paris Nabel der Modewelt, immer dann, wenn die Messe – jeweils separiert nach Männer- und
Frauenmode – ihre Tore, Showrooms, Schatzkammern und Laufstege dem begierigen Publikum öffnet. Auch ich bin dabei
(dienstreisend als Journalistin und Einkäuferin für den eigenen Laden), immer auf der Suche nach beeindruckenden DesignerInnen
und ihren Kollektionen.
Donnerstag, 28.06.07
Die Zeit in Paris beginnt anstrengend mit der obligatorischen
Stunde Warten aufs Taxi am Gare du Nord – ganz gemäß dem landestypischen Laisser-faire. So verpasse ich die erste Show von Attachment, einem vielversprechenden Label aus Japan. Nicht ärgern und
gleich weiter, jetzt aber mit der Metro, rein in den Showroom von
A.P.C., der Lieblingsmarke scheinbar aller Franzosen. Dort präsentiert mir ein schmucker junger Mann die Kreationen für das kommende Frühjahr. Drei Stunden und zahlreiche petits Cafés später ist
eine kleine, aber feine Selektion getroffen, für Mädchen und Jungs.
19 Uhr, kein Termin mehr für heute, deshalb ist noch ein kurzer
Abstecher in das vielleicht schlimmste Kaufhaus drin, die Galeries
Lafayette. Was verheißungsvoll klingt und auf den ersten Blick auch
so aussieht, ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein Bau von beeindruckender Größe, in dem der Konsumterror bizarre Blüten treibt. Die
kleinen Shops bekannter Luxuslabels reihen sich wie Glieder einer
Kette im Rund der Etagen aneinander. Auf Chanel folgt Marc Jacobs,
dann Prada, dazwischen lieblose Wühltische mit Billigware. Hier zeigen die schönen und begehrenswerten Must-Haves der Mode ein anderes Gesicht, das, was von ihrem Glanz übrig bleibt, wenn sie auf das
runterreduziert sind, was sie sind: Produkte, die am Ende der Saison
zu Dumpingpreisen einfach nur an die Frau oder den Mann müssen.
Freitag, 29.06.07
19 Uhr, die Präsentation von Stephan Schneider, einem meiner
Lieblingsdesigner aus Antwerpen, beginnt. Vielmehr eine Installation aus Fleisch und Blut. Extrem junge Kerle, die meisten deutlich
unter der Volljährigkeit, lümmeln sich betont lässig in den Schneider-Kreationen auf coolen 90er-Jahre-Barhockern, schlürfen
Drinks und rauchen. Drinks gibt’s auch für die geladenen Gäste,
ein hochprozentig gelungener Start in die Freitagnacht also. Nach
einigen Gläsern Schampus geht es leicht beschwipst zur nächsten
Station, der Show von Ute Ploier. Auch hier ist der Andrang groß.
Der Hype um die Österreicherin ist extrem. Ihre minimalistische
Show ernüchtert allerdings. Das sind Momente, in denen ein Fragezeichen stehen bleibt: Was soll toll daran sein, wenn streichholzdürre Jungs im Stechschritt ihre Runde in einem kargen Raum drehen, dazu ein Gesicht ziehen, als hätte ihnen grade jemand fies auf
den Fuß getreten, und uninspirierte Kleidung tragen?
Samstag, 30.06.07
Gleich am nächsten Morgen geht die Sonne wieder auf, die Show
von Veronique Branquinho steht auf dem Programm. Eine tolle Frau, diese belgische Designerin, deren Entwürfen immer ein
Hauch Nostalgie anhaftet. Im prunkvollen Saal der Tranoï (einer
der Pariser Modemessen in der altehrwürdigen Börse) verheißen
bereits die beim Einlass aufgebauten Instrumente, dass eine Band
geladen ist, um das Defilee musikalisch zu begleiten. Ganz persönlich gesprochen: Der Erfolg einer Fashion-Show steht und fällt mit
der Musikauswahl, damit, wie der Sound die Kollektion trägt und
welches Grundgefühl beim Publikum erzeugt wird. Die geladene
Band heißt Monky Pussy, alte Kumpels von Mrs Branquinho, die in
Kürze ihr erstes Album veröffentlichen. Auch wenn sie mich musikalisch nur mäßig überzeugen, gelingt es ihnen, dem Rundlauf der
Models seine archetypische Strenge zu nehmen. Bei der Kollektion fehlt dann aber der rote Faden, die Stringenz, die ihren Look ansonsten auszeichnet. Die Kombinationen sind zum Teil ziemlich
abenteuerlich zusammengewürfelt. More Random, less Style, von
einer Vision ganz zu schweigen. Pyjamahose zu glänzender Collegejacke mit asiatischer Stickerei am Ärmel? Hinzu kommt, dass
die Jungs allesamt Flip-Flops tragen. Das geht, wenn überhaupt,
nur am Strand. Nein, bei Jungs geht das eigentlich gar nicht. Außer,
sie gehen am Sonntagmorgen mal kurz zum Kiosk, Zeitung, Kaffee
und Kippen kaufen.
www.rendez-vous-paris.com
060 _ Intro _ Steil _ Short Cuts
Texte: Andreas Grüter
Strandgut Clothing.
Einmal die Welt
DeinDesign.
Computerkleider
Nike. Mehr Schuh
weniger Müll
Zehnvierdreisieben. Die
Kunst des Sitzenbleibens
Surfer sind Getriebene, dazu verdammt, den
Wellen zu folgen und ihr Leben dem steten
Rhythmus von Gezeiten, Winden, Mondphasen
und Luftdruckgebieten zu unterwerfen. Strandgut Clothing, 1999 vom Kölner Thorsten Kegler gegründet, ist das Resultat eines solchen
endlosen Trips durch alle Facetten des Surferlebens. Mal kopfüber und glücklich in den Brechern des Atlantik oder im Line-up irgendeines
Secret Spots mitten im Pazifik, mal gestrandet
und ohne Geld auf dem trockenen Festland, fungierte das Label anfangs vor allem als trickreiche Teilzeitalternative zum drögen Nine-to-fiveArbeitstrott, um sich über die Jahre zum festen
Bestandteil der aktiven internationalen Surfcommunity zu entwickeln. Neben jeder Menge
long- und shortsleeved Shirtdesigns, Sweatern
und Hoodies werden im hauseigenen OnlineStore aktuell auch verschiedene Underwear-Styles sowie Kaffeebecher und Schlüsselanhänger
angeboten. Enjoy the real thing.
www.strandgutclothing.com
Hart im Niemandsland zwischen Kunstapproach und Trashgrenze bewegen sich die Klebefolien von DeinDesign. Während Cellphone-Pimp-ups definitiv in Kategorie zwei fallen,
fungieren die unikaten Modifizierungselemente für Plattenspieler, Laptops, Spielekonsolen und Organizer richtig kombiniert als
durchaus stilvolle Hilfsmotoren auf der Suche
nach der vollindividualisierten Produktwelt.
Neben verschiedenen Camouflagemustern, Fashionprints und einer erstaunlich breiten Auswahl gelungener grafischer Exkurse in Streetart- und Mangagefilde können zudem eigene
Entwürfe eingesandt werden. Die passgenau
zugeschnittenen Vinylhüllen schützen dabei
nicht nur vor Kratzern und Abrieb, sondern
lassen sich aufgrund der speziellen Wabenstruktur auch problemlos und ohne Rückstände entfernen.
www.dein-design.com
Umweltbewusstsein und gutes Gewissen sell.
Auch die Großen der Branche rücken sukzessive
von den Prinzipien des reinen MassenkonsumModus ab und setzen mit ausgesuchten Kollektionen auf ökologische Nachhaltigkeit. Jüngstes
Beispiel dafür ist Nikes outdoorbeseelte Considered-Footwear-Linie, die bereits 2005 in ersten Kleinserien auf den Markt geworfen wurde
und mittlerweile mit einer klug durchdachten
Kombination aus technischer Raffinesse, recycelten Gummierungen und extrem minimiertem
Produktionsausschuss zur festen Größe im Unternehmensportfolio herangewachsen ist. Die
leichten, schnell trocknenden und extrem atmungsaktiven Hybridstyles kommen mal als
Sandale oder futuristischer Überzieher, mal im
klassischen Sneakerlook und überzeugen nicht
zuletzt durch hohen Designapproach und jede
Menge ausgeklügelte Funktionaldetails.
www.nike.com
Der Berliner Industriedesigner Mathias Muchenberger ist ein Mann der behutsamen gestalterischen Metamorphosen. Nachdem er sich in
den vergangenen Jahren mit dem Projekt SurfLounger ganz der kontextuellen Neueditierung
des traditionellen Custom-made Surfboardbaus
vom Sportgerät zum Sitzobjekt verschrieben
hatte, steht aktuell mit der b.bank ein weiteres
Möbelstück mit Geschichte auf dem Modifizierungsplan. In Form und Format an die klassische DDR-Gartenbank angelehnt, wurde Plaste und Elaste durch robuste handlaminierte und
glasfaserverstärkte GFK-Kunststoffqualitäten
ersetzt und mit behutsamen Dekorentwürfen
veredelt. Der absolut witterungsbeständige und
deshalb sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich geeignete Zweisitzer kann je nach
Kundenwunsch individuell gestaltet werden.
Anfragen unter www.zehnvierdreisieben.de.
061 _ Intro _ Steil _ Shortcuts
Texte: Susanne Pospischil, Heiko Behr (Fly Pink)
Bench.
Central Station Design
Levi’s.
The original Must-Have
Eastpak.
Rückenbekenntnisse
FlyPink.
Über den rosa Wolken
Die Brüder Matt und Pat Carroll sind zusammen mit Karen Jackson Central Station. In Manchester (er)lebten sie das Glück der Frühgeborenen und waren schon Ende der 1980er-Jahre
prägender Teil der Madchester-Szene. Ihr Cousin Shaun Ryder war gerade dabei, einen Plattenvertrag mit Factory Records für seine Band Happy Mondays auszuhandeln, während die drei sich
im Bereich Artwork und Cover-Design hohe Ziele steckten: »Wir wollten, dass die Leute fähig
sind, eine Mondays-Platte aus 250 Schritten Entfernung inmitten von 500 anderen auf den ersten Blick zu erkennen.« Matt hat nun seine erste nicht-musikalische Arbeit als Hommage an
berüchtigte Rave-Zeiten für Bench produziert.
Sieben Styles (T-Shirts, Sweatshirts und Trainingsjacken) für Frauen und acht für Männer
gibt es diesen Sommer ab sofort und exklusiv bei
www.frontlineshop.com/bench.
Prada hat es auf High-Fashion-Level vorgemacht, jetzt setzt Levi’s als erstes Jeans-Label
im Bereich Spitzentechnologie steile Direktiven. Und legt mit einem Handy los. Das robuste Edelstahlgehäuse des neuen Levi’s Mobile
Phone ist in alter Tradition mit Nieten besetzt,
um noch besser auszusehen. Unser allerliebstes Accessoire kommt mit einer abnehmbaren
Kette, die an passender Hose oder Tasche überzeugend funktional angebracht werden kann.
MP3-Player, 2-Mega-Pixel-Kamera und ein integriertes Modem gehören zum hohen Standard, die Ausführungen Chrom, Schwarz und
Bronze zum guten Geschmack. Bleibt die Frage, warum vorher noch kein Hersteller auf die
Idee gekommen ist, den Screen (wie bei der Edition »Silver Shiny« und »Gold Shiny«) gleichzeitig als Spiegel benutzbar zu machen? eu.levi.
com/mobile
Stell dir vor, du bist berühmt und/oder begabt
und kannst dir deinen eigenen Rucksack entwerfen. The Hives, The Prodigy und Kaiser Chiefs
hatten die Ehre bzw. Aufgabe und meisterten sie
bravourös. Im Auftrag von Eastpak und der gemeinnützigen Organisation Whatever It Takes
gestalteten sie ganz persönliche Rucksäcke, die
ab September 2007 in einer Auflage von 3000
Stück in ausgewählten Läden zu ergattern sein
werden. Die stylishen Schweden Hives finden ihren Bandnamen Zierde genug, während Liam
Howlett & Co., also Prodigy, in New-Rave-Manier
unzählige Krabbeltierchen loslassen. Die Leedser Kaiser Chiefs sind ebenfalls tierlieb, stehen
aber eher auf lustige Gattungen. Jeder einzelne
dieser Eastpak-Klassiker (Padded Pak’r) ist nummeriert und mit signiertem Bandlabel versehen,
10 % des Verkaufspreises (49,99 Euro) kommen
einer von den Künstlern ausgewählten wohltätigen Vereinigung zugute. www.e-eastpak.com /
www.whateverittakes.org
»Oje, ist das öde hier in Liverpool, aber bloß nicht
nach London, diese ganzen Posh-Clones da. Lass
uns doch nach Paris fliegen. Kurz noch eine kostenlose Maniküre am Gate, dann pinken Champagner trinken, in einem pinken Flugzeug!« So
in etwa muss sich das Adam Charles, der Gründer der britischen Fluglinie FlyPink, vorgestellt haben. Er nennt den obskuren Geistesblitz
»a boutique airline designed especially for women«. Ab sofort soll vom Liverpooler John Lennon Airport zweimal wöchentlich eine Maschine
Richtung Frankreich abheben und später auch
die Ziele New York und Mailand anfliegen. Aber
kann man Kundinnen tatsächlich allein durch
die Farbgestaltung ansprechen? Und was für
ein verkürztes, schräges Frauenbild steckt eigentlich hinter dieser Idee? Susi Weaser, Redakteurin der Website Shiny Shiny, erkennt einen
Trend: Zunehmend werden pinke Versionen von
technischen Geräten angeboten, diese Produkte sorgen bestenfalls für Spaß, nicht aber unbedingt für eine gesteigerte Glaubwürdigkeit.«
062 _ Intro _ Steil _ Lockengelöt
Text: Susanne Pospischil
Lockengelöt. Gebrauchtwaren-Neuerfinder
Vor drei Jahren war eine Idee nicht mehr aufzuhalten: Dennis Schneling, Carsten Jägering und Carsten Trill beschlossen, ihre Jobs
als Industrieelektroniker, Feingerätemechaniker und Grafiker an den Nagel zu hängen, um zukünftig lieber stilvoll zu recyceln. In
ihrer Kombination aus Werkstatt und Ladenlokal in Hamburg St. Pauli befreien sie seitdem Toploader-Waschmaschinen aus deren
klammem Dasein, leisten Aufbauarbeit für frustrierte Staubsauger und lassen zerkratztes Vinyl bestimmt nicht hängen.
»Wir versuchen mit Rohstoffen überraschend umzugehen, Sachen anders zu sehen und der
Wegwerfgesellschaft geistreich zu begegnen«, erklärt Carsten Trill. So zaubern sie Lampen,
Schalen, Schränke, Toilettenpapierhalter und viele andere Besonderheiten und Nützlichkeiten
hervor und schenken Ölfässern, Wäschetrommeln oder Trockenhauben ein zweites glamouröses Leben. Sonderanfertigungen und besondere Herausforderungen sind immer erwünscht; wer
sich also unmöglich von seinem alten Freund, dem Mac-Monitor, trennen mag, kann ihn hier
z. B. zu einer Lampe umbauen lassen – Lötkolben und Schweißbrenner werden die Herausforderung lieben.
www.lockengeloet.org _ www.therickykings.com _ www.frauhedi.de
Und weil ein besonderes Geschäft auch nach außergewöhnlicher Kundschaft verlangt, laden Dennis
und Carsten (der dritte Mitbegründer widmet sich inzwischen wieder anderen Aufgaben) regelmäßig
zu besonderen Veranstaltungen. So startet das Clubschiff Frau Hedi am 20. September zur Lockengelöt-Bingo-Butter-Ocean-Explosion-Fahrt. Jeder Kassenbon ist als Einladung zu verstehen und mit entsprechenden Bingozahlen bedruckt, die dann auf rasanter Elbfahrt zum Einsatz kommen. Zur guten
Unterhaltung spielen die Lockengelöt-Betreiber dort auch auf als Teil der Tanzkapelle The Ricky Kings.
Klingt nach ganzheitlichem Konzept mit persönlicher Rund-um-die-Uhr-Einbindung ohne Kompromisse. Kein Wunder also, dass sie sich schon lange keine bessere Berufung mehr vorstellen können.
0 63 _ Intro _ Steil _ Für Dich
Für Dich.
Du willst gewinnen? Dann Postkarte mit Gewinnwunsch und Album-Top-10 an: Intro, »Für dich«, PF 19 02 43, 50499 Köln. Oder per E-Mail
an verlosung@intro.de. Alle Preise findest du auch noch mal unter intro.de/gewinne. Viel Glück.
Mit Axe und Durex zum Tauchen
nach Hurghada
Axe geht mit dem bekannten Kondom-Hersteller Durex ein Stück gemeinsamen Wegs: Ab diesen Monat sind nämlich 1,3 Millionen AxeBodysprays mit jeweils einem Durex-Kondom als Gratiszugabe im
Handel erhältlich. Das bedeutet Axe Effect und Safer Sex in einem.
Zum Beispiel mit dem gerippten und genoppten Kondom namens
»Perlentaucher«. Wir verlosen eine Tauchreise nach Ägypten für zwei
Personen. Weitere Infos finden sich unter www.axe-durex.de.
Cooldudes Shirts
28 Weeks Later Fanpakete
Wir verlosen Shirts des brandneuen Hamburger Labels »cooldudes«. Genauer gesagt 2x das »Psychedelic Sally«-Top für die Dame
und 2x »Oh Freedom« für den Herrn. www.sandsbay.com
Zum Kinostart von Danny Boyles Zombie-Sequel (30.08., Fox) verlosen wir drei Sets aus Poster, dem Atari-PC-Game »Obscure 2« und
einem Nuclear-Blast-T-Shirt.
Smokin’ Aces Fanpakete
CDS, GAMES, SCHUHE UND SO.
Zwei Sets für Fans des cleveren Thrillers inkl. DVD (Universal Pictures), Poster und Soundtrack (Universal Music) mit u.a. The Stooges und Motörhead.
Zehn Meter Feldweg: Wir verlosen 3 x das im Juli erschienene Album »Phantom Power« von Zehn Meter Feldweg in einer schicken
Kachel-Box (Kurbad St. Pauli / Motor).
The Darkness: Zum jüngst erschienenen Adventure-Shooter »The
Darkness« verlosen wir ein Hoodie (L), ein Longsleeve (L), ein TShirt (M) und ein signiertes und somit limitiertes Bild im Rahmen.
Bitte Item angeben! (Take 2)
Trauma Center – Second Opinion: Wir verlosen 3 x den zweiten
Teil der Chirurgen-Simulation für Wii. (Nintendo)
K-Swiss: Das Sneakerlabel unterstützt in diesem Sommer das Badeschiff an der Arena Berlin. Wir verlosen 1 Paket aus je einem
Paar Damen- und Herren-Sneaker der Deckschuh-Kollektion, zwei
Liegestühlen und zwei Tageskarten für das Schiff.
Sony Ericsson W200i
Abenteuer-DVDs im Steelbook
Mit dem neuen Xtra-Nonstop-Tarif von T-Mobile telefoniert man
rund um die Uhr ab der zweiten Gesprächsminute für null Cent.
Passend dazu gibt es derzeit das Prepaid-Package »Fun Edition«,
das auch das Walkman-Handy Sony Ericsson W200i enthält (www.
t-mobile.de/xtrafriends). Wir verlosen zwei W200i-Handys.
Abenteuer zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Wir verlosen je ein
Mal die Steelbook Special Edition von »Eragon«, »Master & Commander« und »Königreich der Himmel« (Fox), dazu zwei GamerHeadsets »Medusa 5.1 ProGamer Edition – SL-8793« von www.
speedlink.de.
WeSC Headphones »Street«
Magic: The Gathering Einstiegs-Packs
Die im High-Tech-Look designten »Street«-Headphones von WeSC
bieten die perfekte Mischung aus Passform & Komfort. DJ Steve
Aoki ist Namensgeber des WeSC DJ Pro Headphone. Wir verlosen 3
Stk. in Weiß.
»Magic: The Gathering« begeistert als erstes strategisches Sammelkartenspiel bereits in der zehnten Edition. Die neuen Einstiegs-Packs erleichtern die ersten Runden. Wir verlosen fünf Mal
zwei Sets (www.playmagic.com).
Text: Lars Brinkmann
Intro _ und so _ Kunst _ Urbi Et Orbi – Zur Kunst des Plakatabrisses _ 065
Und so 09.2007
Urbi Et Orbi –
Zur Kunst des Plakatabrisses.
Vandalismus mit Überbau
E
ine beliebige Straßenecke irgendwo in einer
Metropole unserer Welt. Um dich herum ein
Wald aus Plakaten, überall buhlen sie um Aufmerksamkeit. Vorsichtig geschätzt hat jeder
Städter täglich ein paar tausend ungewollte
Werbe-Kontakte; in den 90ern sprach man noch von 2.000
bis 5.000, inzwischen dürfte sich diese Zahl vervielfacht
haben. Früher oder später stellt sich unweigerlich ein Gefühl von Ohnmacht ein. Und das ist genau der richtige Moment, zurückzuschlagen. Nein, nicht in die Werbung gehen, bloß nicht! Davon ist jedem Menschen nur abzuraten.
Lieber an den alten, wahlweise von John Cage, Picassos
Mätresse oder Attila dem Hunnenkönig geprägten Wahlspruch denken: You have to destroy to create.
Und wer sich weder von den Staatsmächten noch vom
Leben für seine Kreation der Zerstörung bestrafen lassen möchte, lese vor dem Schritt zur Tat »Urbi Et Orbi«,
denn diese Sammlung von Vernissagen-, Katalog- und Zeitschriftenbeiträgen, die der umtriebige Künstler Jacques
Villeglé zwischen 1965 und 1996 geschrieben hat, legitimiert nicht nur, wie es der Klappentext so schön formuliert, »das Werk der Affichisten vor der Kunstgeschichte«
(Affiche: frz. für Plakat). Darüber hinaus zeigt das Buch
mit dem Untertitel »Zur Kunst des Plakatabrisses« sowohl
Streetart-Aktivisten als auch überzeugten Vandalen, wie
man seinem Treiben einen zünftigen geistigen Überbau
zimmert. Villeglé führt die Ende der 40er von ihm erfundene Form der Decollage auch gern mal auf eine 40.000 Jahre fortwährende Tradition zurück. An anderer Stelle zeigt
er die Parallelen zur surrealistischen Technik der écriture
automatique, die er als verwandte »spontane Methode des
irrationalen Erkennens«, als »Ankämpfen gegen den kontrollierten Ausdruck« versteht.
»Urbi Et Orbi« kann als exemplarisches Lehrbuch gelesen werden, aber auch als Kampfbibel oder als ein Stück
äußerst gelehrte Kunstgeschichte. Es ist eine Freude, dem
1926 geborenen Villeglé bei seinen hemmungslos ausufernden Re- und Dekontextualisierungen zu folgen. Wer
sein Wissen über die Kunst des Plakatabrisses vertiefen
möchte und praktische Beispiele braucht, hat noch bis
zum 27. Januar 2008 im Hannoveraner Museum Kestner
Pro Arte die Gelegenheit, eine umfangreiche Werkschau
mit über vierzig Arbeiten von Villeglé zu sehen. Die Stadt,
egal welche, wird danach nie mehr dasselbe sein.
Jacques Villeglé
Urbi Et Orbi – Zur Kunst
des Plakatabrisses
Edition Nautilus, 256 S., EUR 24
Ausstellung
07. Juli 2007 bis
27. Januar 2008
Hannover, Museum Kestner
Pro Arte
066 _ Intro _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe
David Mackenzie /
Hallam Foe.
Glücklich wie ein
Korkenzieher
David Mackenzie debütierte 2002
mit »The Last Great Wilderness«. Der
Durchbruch als Regisseur gelang
ihm kurz darauf mit »Young Adam«
und einer Wasserleiche. Wasser
taucht auch in seinem neuen Film
»Hallam Foe« auf. Hallam, der
andere Menschen beobachtet,
weil deren Wirklichkeit ihm
fremd erscheint, wird gespielt
von Jamie Bell (»Billy Elliot«). Er
trauert um seine Mutter, mit deren
Doppelgängerin er in Edinburgh
eine reale Affäre beginnt. Was
lauert unter der Oberfläche? Ein
Gespräch mit David Mackenzie
über die Geister, die ihn rufen.
Text: Wolfgang Frömberg / Foto: Elke Meitzel
Intro _ und so _ Film _ David Mackenzie / Hallam Foe _ 067
W
oher kommt eigentlich deine Obsession für Flüsse und Seen und die
Rätsel, die unter ihrer Oberfläche
verborgen liegen? Da spielst du nicht
nur auf »Hallam Foe«, sondern auch
auf »Young Adam« an, wo es einiges unter der Oberfläche
zu entdecken gibt und die Metapher sehr stark ausgeprägt
ist. In der Tat scheinen Gewässer in meinem Werk ein Eigenleben zu entwickeln. Aber das ist bloß Zufall. Keine Ahnung, warum ich mich in diesen Projekten wiederfinde, in
denen Wasser und Dinge, die daraus auftauchen oder darin
untergehen, wichtig sind. Ich bin nicht gerade ein besonders guter Schwimmer, vielleicht ist das ein Grund ... Andererseits: Mein Vater war in der Navy, also hatte ich gewissermaßen eine ganze Zeit meines Lebens Wasser um mich
herum. Ich habe keine Angst davor, möchte aber auch nicht
gerade aufs offene Meer hinaus schwimmen. Nun ja, wir
kommen alle daher – Wasser ist ein starkes Bild. Aber ich
bin nicht darauf aus, in der Art von John Boorman die Wasserthematik zu entfalten.
Wann hast du mit der Arbeit an »Hallam Foe« begonnen?
Vor drei oder vier Jahren. Das Buch wurde von Peter Jinks geschrieben. Peter ist ein Freund von mir. Mit der Geschichte bin ich bestens vertraut. Die kannte ich schon, bevor sie aufgeschrieben wurde. Und ich war von Anfang an
sehr interessiert daran.
Ich wollte schon fragen, wie du an die Romane gerätst,
die du dann verfilmst. »Young Adam« fußte auf der Vorlage des schottischen Beat-Autors Alexander Trocchi. Ja, in
diesem Fall war es einfach. Normalerweise ist es schwierig,
einen passenden Roman zu finden. Es scheint so, dass die
Rechte für alle guten Bücher bei Hollywood-Studios liegen.
Was hat dich an Peter Jinks’ Romanvorlage interessiert?
Vor allem die Hauptfigur. Ich mochte die Vorstellung eines
leidgeplagten 17-Jährigen, der sich durch einen Haufen Probleme kämpft. Ich wollte eine Story, die ihn quasi rehabilitiert.
Der Soundtrack ist ja gespickt mit Songs von DominoBands, vielleicht kam mir deshalb ein Song von Smog in
den Sinn ... Ah! Leider durfte ich die amerikanischen Domino-Bands nicht einsetzen. Da gibt es eine Menge weiterer Acts, die auch im Soundtrack auftauchen könnten, hätte ich diesbezüglich freie Hand gehabt. Trotzdem bin ich
sehr glücklich mit der jetzigen Auswahl, auch wenn Bonnie
»Prince« Billy oder auch Smog sich ebenfalls gut im Film
gemacht hätten ...
Es gibt eine hintergründige Zeile von Smog, die lautet: »I
want to be of use / Like a horseshoe / Like a corkscrew.«
So scheint sich Hallam zu Beginn des Films zu fühlen.
Doch er entscheidet sich zunächst, ein Nichtsnutz zu
bleiben. Er möchte weiter zu Hause wohnen, um seinen
Vater und seine Stiefmutter zu quälen, die er für den Tod
seiner leiblichen Mutter verantwortlich macht... Hallams
Perspektive auf die »böse Stiefmutter« ist märchenhaft. Sie
selbst sieht das ganz anders, möchte Vater und Sohn über
deren Trauer hinweghelfen. Hallam verteidigt das Andenken seiner Mutter. Das ist sein Kampf. Er möchte der Toten
die Treue halten. Ich sehe es so, dass der Film vor allem davon handelt, sich von dieser Umklammerung zu lösen.
Für »Young Adam« komponierte David Byrne den Score.
Diesmal setzt du die Songs ein wie auf einem Mixtape.
Ich musste an Sofia Coppolas »Marie Antoinette« denken,
wo der Soundtrack aus dem Mädchenzimmer die Vorstellung vom Leben als Prinzessin illustriert und dem Genre des Historienfilms eine neue Dimension hinzufügt.
Da Hallam im gesamten Film fast nie beim Musikhören zu
sehen ist, habe ich mir immer vorgestellt, dass der Soundtrack aus den Songs besteht, die er hören würde. »Marie
Antoinette« habe ich leider noch gar nicht gesehen ...
Dein Film hat einen exzellent inszenierten TurningPoint. Anfangs sitzt die Familie beim Abendessen.
Hallam bezeichnet seine Stiefmutter durch die Blume
als Prostituierte. Diese Bemerkung fällt auf besonders
irrwitzige Weise auf ihn zurück, als Hallam von seiner
Stiefmutter verführt wird. Danach wirft sie ihn eiskalt
raus. Später gibt es eine Szene, wo Kate, in die er sich in
Edinburgh verliebt, ein Kleid seiner Mutter trägt. Hallam
fällt ihr weinend in die Arme. Zwei Fälle von Therapie im
Handumdrehen ... Die Sex-Szene zwischen Hallam und seiner Stiefmutter funktioniert so: Die beiden machen nicht
Liebe miteinander, sie treiben stattdessen ihren Hass auf
John Boorman
den Höhepunkt. Hallam muss das Nest verlassen, und er
... wurde 1933 geboren. Der britische Regisseur, Drehbuchautor
hätte es nie im Leben freiwillig getan ...
und Produzent zeichnet nicht nur
Hallam geht nach Edinburgh und nimmt einen Job an in
für den enttäuschenden »Excordem Hotel, in dem auch seine »Mutter« – in Gestalt von
cist II« verantwortlich, sondern ist
berühmt für Klassiker wie »Point
Kate, die ihr sehr ähnlich sieht – arbeitet. An seinem ArBlank« und »Hell In The Pacific«.
beitsplatz versucht er sich dem Milieu anzupassen, um
Nachdem sein Plan scheiterte,
die Doppelgängerin nicht zu enttäuschen. Das ist eine
Tolkiens »Lord Of The Rings« zu
ziemlich komische Wendung. Überhaupt gibt es im Geverfilmen, machte er sich 1981 an
die Artus-Legende ran. Preisfrage:
gensatz zum düsteren »Young Adam« mehr lustige Momente ... Eigentlich ist »Hallam Foe« eine düstere Geschich- Wo wird das magische Schwert
»Excalibur« (so auch der Filmtitel)
te. Es gibt ein romantisches und ein erlösendes Element
versenkt?
darin, außerdem geht es um einen 17-Jährigen. Und wenn
du es mit einem 17-Jährigen zu tun hast, kommen die Extreme zum Vorschein – große Freude, tiefe Depression, mächtige Wut. In dem Alter besitzt man noch nicht das emotionale Werkzeug, um all diese Gefühle zu kontrollieren. Du
probierst erst mal jeden Weg aus, den du gehen kannst, und
das führt natürlich zu sehr komischen Situationen. »Young
Adam« plätscherte eher dahin, nahm einen ruhigeren Verlauf, bis es mit der Hauptfigur bergab ging. Auch Hallam
scheint am Ende verloren, doch immerhin geht er leichtfüßig ins Ungewisse ...
Edinburgh wirkt auf der Leinwand beeindruckend. Wie
ist dein Bezug zur Stadt? Ich bin mit 17 Jahren in Edinburgh angekommen und habe im selben Hotel wie Hallam
Foe gearbeitet. Man könnte das einen weiteren Zufall nennen ... Jedenfalls liebe ich Edinburgh, das ist ein großartiger Ort. Für dieses leicht realistisch angehauchte Märchen
war es die perfekte Kulisse, nicht nur wegen der gotischen
Bauten. Die Luft in Edinburgh schmeckt nach Melancholie,
die Stadt hat eine gespenstische Aura. Das ist so ein Ort, an
dem Geister und Doppelgänger herumschleichen. Hallam
kann ein Lied davon singen. Seine Mutter erscheint ihm als
eine Art Geist in Kate. Als ich in Edinburgh lebte, verfolgte ich selbst dort meinen Doppelgänger. Nicht zu vergessen: Dr. Jekyll und Mr. Hyde wurden dort erfunden. Der Spirit von Edinburgh passt außerordentlich gut zu mir – und
zu Hallam Foe.
Hallam Foe This is my story
GB 2007
R: David Mackenzie
Preview »Hallam Foe – This is my story« am 27.08.
im Cinenova, Köln. www.intro.de/previews
D: Jamie Bell, Sophia Myles,
Claire Forlani; 30.08.
068 _ Intro _ und so _ Film _ Thomas Harlan / Wandersplitter
Text: Olaf Möller
Thomas Harlan – Wandersplitter.
Ein anderes deutsches Leben
Gespräche mit Thomas Harlan im Kino und als Buch. Dazu neue Erzählungen
des Filmemachers, Schriftstellers und Nazijägers, dessen Vater den
Propagandafilm »Jud Süß« verbrochen hat. Eine Würdigung von Olaf Möller.
I
m September erscheint endlich Thomas Harlans Erzählungenzyklus »Die Stadt Ys«, flankiert von JeanPierre Stephans durch Dokumente, Bilder sowie Archivschätze geweitetem Gesprächsband »Thomas
der nationalsozialistischen IdeoHarlan – Das Gesicht deines Feindes. Ein deutsches
logie zu diskreditieren. Veit Harlan arbeitete nach dem Krieg
Leben«. Derweil startet im Kino Christoph Hübners und
weiter als Regisseur. Sein Sohn
Gabriele Voss’ »Thomas Harlan – Wandersplitter«; die DVDThomas Harlan dazu: »Wenn du
Fassung – halb »Director’s Cut de luxe«, halb interaktives
das weißt, dass du einen HamExperiment – soll parallel dazu in den Handel kommen.
mer gemacht hast, mit dem man
andere totgeschlagen hat, kannst
In den meisten Darstellungen, quer durch alle Medien,
du nicht mehr ein Hammermaist Thomas Harlan vorrangig der Sohn von Hilde Körber
cher sein.« »Jud Süß« darf heute
und Veit Harlan, einem der entscheidenden deutschen Filin D-Land nur mit begleitendem
memacher der 30er- bis 50er-Jahre. »Jud Süß«, Veit Harlans
Kommentar aufgeführt werden.
historisch notorischstes Werk, machte ihn zu einem Verfemten des Kinos. Weshalb Thomas Harlans Lebenswerk,
all sein Schaffen und Suchen und Werden, meist psychologisch gedeutet wird. Dann gelten seine frühen Stücke aus
den 50ern, kulminierend in »Ich selbst und kein Engel –
Chronik aus dem Warschauer Ghetto«, seine Jagd auf NaziVerbrecher in den 60er-Jahren, sein schmales, aber reiches
Thomas Harlan –
filmisches Schaffen in den 70ern und 80ern mit »WundkaWandersplitter
nal. Hinrichtung für vier Stimmen«, seine Triumphe als RoD 2006
mancier in den Nullerjahren des dritten Millenniums mit
R: Christoph Hübner; 30.08.
»Rosa« und »Heldenfriedhof« vor allem als Reaktion auf
die moralischen Versäumnisse, Vergehen, Verbrechen des
Thomas Harlan
Vaters. Das stimmt vielleicht sogar und ist ja auch nicht
Die Stadt Ys
schlimm. Wichtiger aber wäre es, Harlans Arbeit als KonEichborn, 280 S., EUR 19,95
sequenz von Lern- und Erkenntnisprozessen zu verstehen.
Da hat einer sein Unrecht, wie abstrakt es sein bzw. wirken
Jean-Pierre Stephan
mag, erkannt. Nun versucht er, andere Wege zu begehen.
Thomas Harlan
Das Gesicht deines Fein- Einige davon müssen erst durch Dickichte gehackt werden.
des. Ein deutsches Leben Andere sind unter Sträuchern verborgen, allein die Erinnerung legt sie wieder frei.
Eichborn, 280 S., EUR 22,95
Jud Süß
... entstand 1940 unter der Regie
von Veit Harlan als Propagandafilm, um das Judentum im Sinne
Im Zentrum von Harlans Werk steht die Frage, wie das
Leben durch die Biografien vieler anderer zum eigenen
wird. »Thomas Harlan – Wandersplitter« ist angelegt als
Anti-Biografie und beginnt mit einer Erzählung »ohne ich«,
in der es um Zeugenschaft geht. Harlan bezeugt das Leben
eines Sowjet-Bürgers, den er zwar nicht kennt, der ihn aber
eines Tages in seine Wohnung mitnahm, um ihm alte Zeitungen zu zeigen, die beweisen, dass er in einem entscheidenden Jahr in Deutschland gewesen war. Es geht um historische Solidarität. »Wundkanal. Hinrichtung für vier
Stimmen« erzählt davon, wie – Schatten des bewaffneten
Kampfes in der Bundesrepublik – ein Nazi so lange drastisch bearbeitet wird, bis er seine Taten wider die Menschlichkeit gesteht. Zwischen der Zeugenschaft und dem Geständnis liegen immer Akten und Beweise. Das Gewebe aus
Erzählungen, Perspektiven, Ebenen, Zeiten, Stilen und Brüchen, das Harlans Roman »Heldenfriedhof« ist, wird von Fotos diverser Haupt- und Nebencharaktere der Geschichte
geklammert. Das Gefühl des Augenblicks darin ist brutal,
übrig bleibt das Dokument.
Thomas Harlan wäre es lieber, die Menschen würden einfach die Wahrheit sagen und sich der Gnade ergeben, die in
allen Menschen lebt. Im schlimmsten Fall wären dann die
Verbrecher geächtet und deshalb allein unter sich. In der
Geschichte waren sie immer unter uns. So muss es zwar
nicht weitergehen. Aber kann Veränderung ein Ereignis
werden zu einer Zeit in einem Land, das einem Versager am
Leben wie Günther Grass nicht das Wirken eines Heinz von
Cramer oder eben eines Thomas Harlan entgegenhält? Gerade dann.
070 _ Intro _ und so _ neue Filme im Kino
Neue Filme im Kino 09.2007
Beim ersten Mal
Ostpunk
Yella
Der US-amerikanische Komödienregisseur Judd
Apatow ließ in »Jungfrau (40), männlich sucht ...« die
Hauptfigur ein halbes Leben lang warten, ehe die
Triebkräfte durchbrechen konnten. In »Knocked Up
– Beim ersten Mal« hadern die Protagonisten nach der
unproblematischen Triebabfuhr eher mit der Arterhaltung. So schnell sich Ben und Alison (Seth Rogen
und Katherine Heigl) nach einem Abend gemeinsam
im Bett wiederfinden, so schnell offenbart der Morgen danach die Unterschiede. Hier der sorglos in den
Tag hinein lebende Twentysomething, dort die ambitionierte Medienfrau. Doch ein Schwangerschaftstest macht deutlich, dass die Nacht Folgen hat. Und die
One-Night-Standler nutzen trotz der Warnungen aus
ihren Bekanntenkreisen das knappe Zeitfenster bis
zum Ablaufen der biologischen Uhr. Ob vielleicht zusammenwächst, was nicht zusammengehört? Klingt
nach dem perfekten Ausgangspunkt für den filmischen Entwicklungsroman über einen Nerd, der sich
dem Ernst des Lebens stellt und darüber erwachsen
wird. In so feste Tücher will Apatow seine Geschichte jedoch nicht wickeln. Schon in seinem Debüt gewann die Jungfräulichkeit in einer oversexsten und
hochkomplexe Geschlechterverhältnisse ausbildenden Gesellschaft zunehmend an Attraktivität. Folgerichtig hat auch der Lifestyle Bens einiges für sich.
Wenn Erfolg bedeutet, wie Jessica Simpson zu sein, es
zu Beförderungen Diätkurse als Geschenk gibt und
der Weg zum Kind über unzählige Gynäkologen-Besuche und Regale von Fachliteratur führt, dann stoßen
berufliche und private Underachiever durchaus auf
Verständnis. So hält der Regisseur zu seinem Antihelden, zieht ihn eher verstohlen aus seiner Chaos-WG ab
und verschafft ihm einen Schreibtisch-Job – sorgsam
darauf bedacht, keinen Vorwand für einen Spießigkeitsdiskurs zu liefern. Dem heutzutage gängigsten
Familienplanungsmodell des »Projekt-gebundenen
Kindes« entspricht der Nerd-Nachwuchs dann ja auch
nicht gerade. Ähnlich wie den Filmen der Farrellys und
vielen anderen besseren US-Komödien liegt »Beim
ersten Mal« ein tiefer Humanismus zugrunde. Dessen
Quellen sind allerdings weniger philosophischer, vielmehr ganz profaner Natur: Judd Apatow gehörte zu
den Jungen, die beim Sport immer zuletzt in ein Team
gewählt wurden. Die Popkultur-bildende Kraft dieser
Erfahrung ist nicht zu unterschätzen.
Es ist nicht gerade schwer, die Meinung zu vertreten, Punk sei immer und überall gleich. Und zwar:
verkürzter Rock, der von seiner Attitüde lebt und sich
durch einen gewissen Verweigerungsstyle erkennbar
macht. Punkt. Gähn. So ist es. Die ästhetische Starrheit, die bierige und hundige Vereinsmeierei tun ein
Übriges. Man muss denken, Punk habe als hedonistischer Nihilismus komplett abgewirtschaftet. Das
mag schon so sein, aber es gibt immer noch was zu
entdecken. Hey, zum Beispiel Ostpunk. Musikalisch
sind die Differenzen zum West-Pendant nicht der
Rede wert – viel Geboller, bisschen Avantgarde. Aber
durch die Agonie der DDR in den 80ern erfüllte Punk
eine ganz andere gesellschaftliche Rolle, war hochgradig dissident und bescherte einer ganzen Generation von Protagonisten ernste Schwierigkeiten. Und
solche vereinen auch ausnahmslos die Veteranen des
Films »Ostpunk«. Knastaufenthalte für alle. Von so
viel Brisanz konnte der harmlose Dorfpunk West nur
(schlecht) träumen. Die Regisseure Fiebeler und Boehlke besuchen sechs Charaktere der Zeit mit der Kamera. Sammeln dabei krasse Anekdoten, zeigen alte
Wunden, genutzte und verpasste Chancen. Der selbstständige Bauunternehmer, der Reihenhausharmonie genau wie eine Feierabend-Hardcore-Punkband
lebt, die alleinerziehende Mutter, die noch an der Vehemenz der damaligen Zeit knabbert, oder Cornelia
Schleime, die mittlerweile als etablierte Künstlerin
in Paris, Amsterdam und New York ausstellt. Den Geschichten zu folgen ist erwartungsgemäß kurzweilig, und wie gesagt: neben Nostalgie werden auch Erkenntnisgewinne ausgeschüttet. Gerade auch im globalen Zusammenhang mit dem vor kurzem erschienenen Film über Punks in China, »Bejing Bubbles«, der
Punk ebenfalls im Kontext von ungleich konsequenterer Lebensführung darstellt. Befremdlich nur, dass
die Filmemacher dem Genre Doku nicht wirklich trauen und immer wieder mit technischen Stilmitteln nerven. Formalistischer Quatsch, der wohl als Auflockerung des seriösen Formats zu verstehen ist. Tja, Punk
kann man eben leicht missverstehen. In diesem Fall
als Aufforderung, eine unkonventionellere, brüchige Bildersprache zu schaffen. Das soll hier aber nur
am Rande erwähnt werden, der Power des Films tut es
letztlich keinen Abbruch (erwähnenswert auch das dazugehörige Buch, erschienen im Verbrecher Verlag).
Der Berliner Filmemacher Christian Petzold ist den
meisten VertreterInnen des deutschen zeitgenössischen Kinos gleich mehrere Schritte voraus: Bei
ihm sind Film-Genres keine leeren Zitate, sondern
glaubhaft belebte Erzählformen. Sujets des Kriminalfilms, des Familienmelodrams oder gar des MysteryThrillers verpflanzt Petzold in eine deutsche Realität, die spezifisch ist und sich nicht an großen generellen Themen, dafür an genauen Figuren und wirklichen Räumen versucht. Auf diese Weise entstand eine
der wenigen Autoren-Handschriften, deren Schwung
man in diesem Land noch gerne folgt – und das jetzt
schon über sieben Filme hinweg, zu denen die kleinen
Geniestreiche »Die innere Sicherheit« (2001) und »Gespenster« (2005) gehören. Petzolds Arbeiten sind geprägt von reduzierter Ruhe und einem reflektierten
Realismus, der Magie in den getriebenen Figuren der
neodeutschen Republik sucht, wenn sie probieren, ihren Platz in zerbröckelnden Gesellschaftsgefügen zu
finden. Frauenfiguren gehören zu seinen stärksten
Charakteren – so ist es auch bei der Ostdeutschen Yella, die von einer der großen Petzold-Schauspielerinnen, Nina Hoss, gespielt wird.
Yella will weg – aus dem Neverland-Dorf Wittenberge, von ihrem anhänglichen Ex-Mann Ben und ihrem
hemdsärmelig-liebevollen Vater. Im Westen erhofft
sie sich Unabhängigkeit. Doch der Ballast ihres bisherigen Lebens verfolgt sie. Die Firma in Hannover, bei
der sie als Buchhalterin auf Probezeit arbeiten soll,
ist schon insolvent, als sie ankommt. Glücklicherweise trifft sie Philipp (Devid Striesow), einen Investment-Typen, der um Anteile von Firmen feilscht. Kurz
werden die beiden ein Paar, eine Art Bonnie und Clyde
des Neoliberalismus. Virtuos ziehen sie bei Meetings
die Geschäftspartner über den Tisch. Solche kleinen
Thrills kicken Yella und überzeugen sie von dem pragmatischen Philipp. Aber funktioniert das neue, bessere Leben so einfach? Macht es glücklich? Natürlich
nicht. Petzold schafft es, dem neuen Markt der immateriellen Anteile konkrete Bilder – und seiner Heldin
eine faszinierende Innenwelt darin aufzubauen. Aber
wie unangenehme Echos der Vergangenheit Yellas
Lebensentwurf bedrohen und schließlich versenken,
wie der Traum zerplatzt, lässt sich zwischen unwirklicher Mystery und postrealistischer Erzählung kaum
genauer beschreiben.
Jan Pehrke
Linus Volkmann
Tim Stüttgen
Beim ersten Mal
USA 2007
Ostpunk – Too Much Future
D 2007
Yella
D 2007
R: Judd Apatow; D: Seth Rogen,
R: Carsten Fiebeler, Michael Boehlke;
R: Christian Petzold; D: Nina Hoss, Devid Striesow,
Katherine Heigl; 23.08.
D: Daniel Kaiser, Colonel, Mita Schamal; 23.08.
Hinnerk Schönemann; 13.09.
Intro _ und so _ neue Filme im Kino _ 071
28 Weeks Later
GB 2007
R: Juan Carlos Fresnadillo;
D: Robert Carlyle, Rose Byrne,
Jeremy Renner; 30.08.
Aus Danny Boyles »28 Days Later« kennen wir die wutentbrannten Zombies
schon. Auf der Jagd nach dem nächsten
Biss wollen sie nicht bloß ihren Hunger stillen. Sie werden getrieben von einem hirnlosen Impuls – von reiner Gier,
die keine Sättigung kennt. In Boyles
Version waren noch die Insignien einer Kritik der Kosum- und Kontrollgesellschaft angelegt; im zweiten, postapokalyptischen Teil »28 Weeks Later« scheint der zivilisatorische Restbestand vollends auf zerrüttete Familien und ein dysfunktional-militärisches Kontrollregime zusammengeschrumpft zu sein. Das von Juan Carlos Fresnadillo (»Intacto«) inszenierte Sequel setzt ein, als alle Infizierten
verhungert sind. Kleinbritannien soll
mit einigen Tausend Überlebenden unter der Leitung einer amerikanischen
NATO-Einheit im Londoner Distrikt Isle
of Dogs wiederaufgebaut werden. Dort
empfängt Don Harris (Robert Carlyle)
seine zurückkehrenden Kinder Andy
(Mackintosh Muggleton) und Tammy (Imogen Poots). Fortan sollen sie in
dem sterilen Hochsicherheitstrakt leben. Aber die Kinder stehlen sich an allen Kontrollen und Barrikaden vorbei,
um zumindest ein Erinnerungsfoto ihrer geliebten Mutter Alice (Catherine
McCormack) zu besorgen. Diese wurde
von Don während einer Zombieattacke
im Stich gelassen und gilt als tot. Sie
lebt aber zu Hause, zwar immun gegen
die Krankheit, doch Trägerin des wütenden Virus’. So wird Alice zu Untersuchungszwecken in die Sicherheitszone
geführt. Von Schuldgefühlen geplagt,
ignoriert nun auch Don alle Vorschriften und gibt seiner Frau einen Kuss mit
fatalen Folgen. Die Sicherheitszone verwandelt sich binnen Sekunden in ein
Vernichtungslager. Auch hier scheitert
das allzu menschliche Kontrollregime.
Peter Scheiffele
Hippie Masala
CH 2006
konstruktion ihrer Heimat. Wunderbar
grotesk, dem Schweizer Hanspeter dabei zuzusehen, wie er so bekifft wie ungeschickt an seinem Bergbauernidyll
samt protzigem Eigenheim und verbotenen Jagdausflügen baut – und wie seine indische Frau umgekehrt von ihrem
Lebenstraum erzählt: weit weg von hier
allein sein.
Sakuran –
Wilde Kirschblüte
J 2006
fortgeschrittenen Alters und dem Ekel
während der medizinischen Inspektion durch den Besitzer. Wem die japanischen Verhältnisse vertraut sind, mag
an die vagabundierenden Mädchen in
Tokios jetzigem Vergnügungsviertel
Shibuya denken – daran, wie sie sich mit
Beauty-One-Night-Stand-Ausstattung
auf dem Rücken im Kentucky Fried
Chicken vor einem ihrer »kompensierten Dates« für eine Gucci-Tasche neben Burger und Coke die Locken nachdrehen. Fürwahr, die zeitgenössischen
Goldfischbecken sind größer geworden.
R: Mika Ninagawa;
Birgit Binder
Arno Raffeiner
R: Ulrich Grossenbacher,
Damaris Lüthi; 30.08.
Indische Bauern vermuteten eine
Dürre im Westen als Ursache für die
Einwanderung von Millionen junger
Menschen in ihr Land in den 60er- und
70er-Jahren. Vielleicht hatten sie damit
gar nicht so unrecht, zumindest in mentaler oder spiritueller Hinsicht. Von einem inneren Ausgetrocknet-Sein, vom
Hunger nach Erfahrung und Freiheit
künden zumindest die Leben jener Personen, die im Dokumentarfilm »Hippie
Masala« von einem ebenso zärtlichen
wie humorvollen Kamerablick begleitet
werden. Etwa der gekrümmte und wie
verdörrt wirkende Körper des Asketen
Cesare, der sein Herkunftsland Italien
in der Hippieära verließ und dann eher
zufällig einfach in Indien geblieben ist.
Beinahe alle ProtagonistInnen erzählen identische Geschichten von einer
wilden Jugend, von Problemen mit Autoritäten, die deshalb abhandengekommenen sind – illegale Migration mal andersrum. Sie erzählen die Geschichte einer Flucht, die wohl auch im Dschungel,
in ärmlichen Dörfern und in einer malerischen Landschaft nur oberflächlich
besehen ein Ende findet. Denn dass sie
im Land ihrer Träume niemals wirklich
ankommen können, ist allen bewusst.
Und so ziehen sie sich in ihre jeweiligen
Reservate zurück: in Kunst und Kleinfamilie, in die Askese oder auch in die Re-
D: Anna Tsuchiya,
Masanobu Ando; 30.08.
Carassius auratus, goldene Fische.
Bei Mika Ninagawa tanzen sie im 15Minuten-Takt zu J-Pop im hochpreisigen Kurtisanenmilieu der Edo-Zeit vor
den Augen des Publikums. Das Kinodebüt der international renommierten Fotografin provoziert den Vergleich
zwischen den leibeigenen Sexarbeiterinnen des Vergnügungsghettos Yoshiwara und der beliebten Karpfenart
im Glas. Aber wer mag den androzentrischen Gemeinplatz der sexualisierten Asiatin in der spärlichen Geschichte um die Prostituierte Tomeki monieren, wenn J-Punkstar Anna Tsuchiya als
Geisha Kiyoha ihre Kolleginnen verprügelt? Die Adaption des Mangas »Sakuran« würde wohl kaum in Ninagawas
Polaroidstil funktionieren, porträtierte
sie das Leben eines der wesentlich zahlreicheren, eher unbezahlten »Teemädchen« des 17. Jahrhunderts. Das Dilemma der als Kind verkauften Kiyoha, die
auf die Kirschblüte wartet, weil sie damit die Befreiung aus ihrem Gefängnis
assoziiert, ist aber durchaus kurzweilig – zwischen bitterbösen Kommentaren über einschläfernde Stammkunden
Intro verlost je 2 x 20 Karten für Previews
in Berlin (28.08.) und Köln (05.09.). www.
intro.de/previews
Video Kings
D 2007
R: Daniel Acht, Ali Eckert;
D: Fabian Busch, Wotan Wilke
Möhring, Monica Nancy Wick; 06.09.
»Video Kings« ist so ein Film, den man
eigentlich auf Anhieb scheiße finden
möchte: Da wollen wohl welche zwanghaft auf Kult machen. Und wie immer,
wenn man es mit einem voll geil dreckigen und selbst gemachten deutschen
Film zu tun hat, ist Til Schweiger in einer Nebenrolle mit dabei. Und Bela B.
auch. Klaro. Und der voll auf die Zwölfe
gehende Soundtrack kommt von, ähem,
Sympathieträgern wie den Beatsteaks,
Muff Potter und Elke.
Aber für eine deutsche Screwball-Komödie ist »Video Kings« gar nicht mal
so übel. Daniel Acht und Ali Eckert inszenieren eine dünne, aber akzeptable
Story als Plattform für allerhand Schabernack. Wer also weiß, worauf er sich
einlässt, wird hier gut bedient.
Oliver Minck
072 _ Intro _ und so _ neue Filme auf DVD
Neue Filme auf DVD 09.2007
The Fountain
Michael Haneke Box
Der letzte König
Als »The Fountain« Anfang dieses Jahres ins Kino
kam, galt der Film als großes, kaum zu entschlüsselndes Rätsel. Das rief, oberflächlich betrachtet, Parallelen zum anderen großen Rätselfilm des Jahres,
David Lynchs »Inland Empire«, auf den Plan. Doch anders als Lynchs Digicam-Kryptogramm, das allerorten – zu Recht – als große Kunst gefeiert wurde, hinterließ Aronofskys Meditation über Leben und Tod eher
ratlose, vor allem aber enttäuschte Gesichter. Teilweise verständlich. Irgendwie hatten sich die Zuschauer
von Lynchs zirkularem Zeitbegriff ja nichts anderes
erhofft als ein nicht betretbares Labyrinth; bei Aronofsky war die Erwartungshaltung eine andere. Sowohl »Pi« als auch »Requiem For A Dream«, beide mittlerweile Klassiker des Independent-Kinos der 90erJahre, waren ebenfalls kryptische, bildgewaltige Rätsel, die sich aber selbst genügten und den Zuschauer
nicht vor universalen philosophischen Fragestellungen kapitulieren ließen. Dennoch muss man, gerade
auch mit der Möglichkeit, diesen Film jetzt auf DVD
zu genießen, konstatieren, dass die negative Rezeption nicht ganz fair war.
Aronofsky erzählt drei Geschichten, die den Zeitraum von 1000 Jahren umspannen. Eine spielt in der
Vergangenheit, wo ein Mitglied des Stamms der Maya
nach dem Baum des Lebens sucht, um seine gefangene Königin zu befreien. In der Gegenwart sucht ein
Mediziner anhand von Baumextrakten eine Medizin
für seine sterbende Frau. In der Zukunft schließlich
versucht ein Astronaut, der mit einem Baum in einer
Kapsel reist, sich einem sterbenden Stern zu nähern,
um die ewige Liebe zu finden. Nacheinander erzählt,
würde hier vielleicht wenigstens noch der »Solaris«Effekt eintreten, doch Aronofsky überlagert seine Geschichten und lässt die Figuren auch noch von den
gleichen Schauspielern spielen. Dies deutet dem Zuschauer die Richtung: die Negation linearer Zeit, ja,
die Negation von Geschichte als konstituierendem
Element und die Bestätigung eines zirkularen Systems, das von zwei Pfeilern getragen wird: Liebe und
Leben. Manchmal ist die Suche von Erfolg gekrönt,
manchmal nicht, aber es ist eine ewige Suche, die natürlich an Kurt Vonneguts Tralfamadorianer und deren zirkulares Zeitkonzept denken lässt. Und an Borges. Und an Kafka. Ein Film, der dringend neu bewertet werden muss.
Die Handschrift des österreichischen Filmemachers Michael Haneke ist unverkennbar. Als Seziertechnik eines Pathologen, der in entfremdete Verhältnisse eingreift, um sie offenzulegen, modellhaft zu
verdichten und den Zuschauer zu konfrontieren, ist
die Signatur in fast allen seinen Filmen präsent – die
vorliegende Box bestätigt dies. In »Code unbekannt«
und »Wolfszeit« modelliert Haneke gesellschaftliche Szenarien des Scheiterns der Kommunikation
und des fast beiläufigen Einbruchs von Gewalt, dramaturgisch unversöhnlich und mit je unterschiedlichen Konsequenzen für die Protagonisten: Abschiebung oder Verhaftung, Demütigung oder Traumatisierung. Haneke verwendet Mittel, die den psychologischen Realismus des Mainstream stets zu umgehen
versuchen. Dem Zuschauer wird keine Möglichkeit
gelassen, sich in der Pathologisierung des Einzelfalls
aus der Verantwortung zu stehlen. Die Verfilmung von
Franz Kafkas »Schloss«-Fragment mag auf den ersten Blick aus der Reihe tanzen: Hölzern wirkt die Erzählstimme aus dem Off, fast theatralisch die Szenerie. Jedoch erkennt man ein Leitmotiv, das Hanekes
Werk durchzieht: das Fremdsein in der Welt. Der entfremdende bürokratische Verwaltungsakt, die dezentrale Macht der Agentenschaft erscheinen vollständig in die sozialen Verhältnisse eingelassen, leiten sie
an und sind der Rückbindung auf Verantwortlichkeiten entzogen. Doch die Strenge und Klarheit, mit der
Haneke die emotionale Vereisung in seinen Filmen
herausarbeitet, wird nicht in die Rezipienten hineinverlängert. Indem Haneke konsequent die gewohnten filmischen Techniken der emotionalen Bindung
und Identifikation verweigert, eröffnet er auf Seiten
der Zuschauer einen Reflexionsraum und löst bisweilen eine Bewegung aus, Ähnlichkeiten mit dem Vorgeführten im eigenen Leben zu suchen. Denn eine Antwort auf die Frage, wer das auf der Leinwand ist und
was er mit dem persönlichen Alltag gemein hat, liefert
bei Haneke niemals der Film selbst, sondern obliegt
stets der Verantwortung der Zuschauer. Wer von der
kritischen Haltung Hanekes und von seinem selbstreflexiven Umgang mit den Medien noch mehr erfahren
will, als dieser selbst eh schon in seinen Filmen durchblicken lässt, der sei auf das ebenfalls im Paket enthaltene Porträt »24 Wirklichkeiten in der Sekunde« von
Nina Kusturica und Eva Testor verwiesen.
Wie filmt man Afrika? Wie soll man sich ein adäquates Bild machen von einem derart differenzierten und doch in der Außenwahrnehmung immer wieder zwangshomogenisierten Kontinent? Einen möglichen Weg beschreitet der Dokumentarfilmer Kevin
MacDonald mit seinem Spielfilmdebüt »Der letzte König von Schottland«. Der narrative Kniff zum Einstieg
ist fast so alt ist wie das Filmemachen selbst: MacDonald schickt einen Protagonisten, der dem Zuschauer vertraut scheint – den übermütigen, abenteuerlustigen schottischen Arzt Nicholas Garrigan –, in eine
für ihn fremde Umgebung. Das Publikum nähert sich
dem neuen Terrain im Tempo der Filmfigur an. Nur
dass der Zuschauer hier dem Jungmediziner einen
entscheidenden Schritt voraus ist: Er weiß schon, als
welches Scheusal sich der gerne mal als »Kannibale«
titulierte ugandische Diktator Idi Amin (Forest Whitaker) entpuppen wird, bevor Garrigans und Amins
Wege sich kreuzen. MacDonald schließt den afrikanischen Kampf gegen die Kolonialmächte und das
schottische Ringen um Unabhängigkeit kurz – jeweiliger Feind ist das Commonwealth. Außerdem lässt er
einen kindlich-naiven Lebensretter auf einen psychotisch-kindlichen Gewaltmenschen prallen. Zwischen
den beiden entfaltet sich eine seltsame Ebene voller
schulbubenhafter Zoten und feixender Scherze – Arzt
und Diktator kommen sich auch menschlich näher.
MacDonalds Thriller zeichnet zwei verschiedene Abstiege in ungeahnte Untiefen nach, ohne je eindimensional oder platt zu wirken. Idi Amin werden viele widersprüchliche Facetten zugestanden – am Ende wird
sein Wahn doch entlarvt. Forest Whitaker verkörpert
eindrucksvoll die Neigung hin zur Paranoia. Garrigan, hervorragend dargestellt von »Shameless«-Star
James McAvoy, bewegt sich weg von der kognitiven
Dissonanz, hin zur Erkenntnis. Als Höhepunkt dient
dem Film Amins legendärer Auftritt auf der Bühne der
Weltpolitik: die Flugzeugentführung von Entebbe.
Ein Ereignis am Scheideweg. Amin profiliert sich ein
letztes Mal, für Garrigan ergibt sich ein Fluchtpunkt
im wahrsten Sinne des Wortes. Afrika bleibt zurück.
Wie man es in einem Spielfilm mit nicht unproblematischem Thema filmen könnte, zeigt Kevin MacDonald teils eindrucksvoll. Und er offenbart, dass dabei
nicht das einheitliche Bild entstehen muss, das viele
Europäer erwarten.
Sascha Seiler
Peter Scheiffele
Hias Wrba
The Fountain
USA 2006
R: Darren Aronofsky; D: Hugh Jackman, Rachel
Weisz; Kinowelt
Michael Haneke Box
Wolfzeit / Das Schloss / Code
unbekannt / 24 Wirklichkeiten in
der Sekunde; Absolut Medien
Der letzte König von Schottland
GB/D 2006
R: Kevin MacDonald; D: Forest Whitaker,
James McAvoy; Fox Home Entertainment
Intro _ und so _ neue Filme auf DVD _ 073
Indianapolis
USA 1969
R: James Goldstone; D: Paul
Newman, Joanne Woodward,
Robert Wagner; Koch Media
Im amerikanischen Original trägt dieser Rennwagen-Film einfach den Titel
»Winning«, und genau darum geht es
auch. Ein noch relativ junger Paul Newman spielt einen aufstrebenden Rennfahrer, dessen großer Traum es ist, einmal die 500 Meilen von Indianapolis
zu gewinnen – das prestigeträchtigste
Rennen der Welt. Während sein größter Rivale ihm die Ehefrau ausspannen
will. James Goldstones Film gelang ein
Klassiker im Genre der Rennfahrerfilme, die in den 70er-Jahren äußerst beliebt waren.
Sascha Seiler
Kippenberger –
Der Film
D 2006
R: Jörg Kobel; Absolut Medien
Wer war Martin Kippenberger? Auch
der Dokumentarfilm von Jörg Kobel
gibt darauf keine endgültige Antwort.
Zum Glück. Die Verweigerungsstrategie war zentraler Bestandteil von Kippenbergers Leben und Arbeit. Für die
Neuen Wilden war er zu konzeptuell,
für die Concept Art zu ungestüm, für
den Kunstbetrieb zu frech, für Punk zu
gut angezogen. Kippenberger sei darin
erfolgreich gewesen, nicht zu gefallen,
heißt es im Verlauf des Films über einen
Künstler, der wie kaum ein anderer Widersprüche produktiv gemacht hat und
aufgrund einer fundamentalen Skep-
sis (nennen wir sie ruhig Punk-Haltung,
da sie für den frühen Punk konstitutiv
war) jegliche Berechenbarkeit scheute.
Wie kein anderer Künstler nach Andy
Warhol hat Kippenberger permanent
produziert, unentwegt Bücher und Flyer auf den Markt geworfen und so eine
eigene kleine Kippenberger-Industrie
am Leben erhalten. Ein Privatleben im
herkömmlichen Sinne gab es nicht,
selbst noch die einsamen Nächte im Hotel verbrachte er damit, das in den Zimmern ausliegende Briefpapier vollzuzeichnen. Die nächtlichen Saufgelage, so sein Assistent, waren ebenfalls
nie privat, sondern dienten dazu, neue
Themen für die Arbeit zu finden. Kobels
Porträt reduziert Kippenberger nicht
auf seine Kalauer und Trinkgelage, sondern zeigt auch einen ernsten Menschen, der sich identitären Zuweisungen verweigerte und nirgends dazugehören konnte. »Er brauchte einen Pegel,
um die Leute zu ertragen«, kommentiert seine Schwester. Der Film liefert
einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Kippenbergers Arbeit, die seit
geraumer Zeit der Gefahr ausgesetzt
ist, isoliert vom unbequemen »Gesamtkunstwerk« rezipiert zu werden.
Martin Büsser
Die neun Pforten
F 1999
R: Roman Polanski; D: Johnny
Depp, Frank Langella, Lena Olin;
Kinowelt
Bücher, die nicht mehr aufgelegt werden, sind schwer zu beschaffen. Vor allem, wenn der Teufel persönlich der Au-
tor ist. Dementsprechend auf eine Odyssee begibt sich der leicht schmierige
Buchhändler Dean Corso (Johnny Depp)
in Roman Polanskis »Die neun Pforten«.
Das erinnert an »Angel Heart« und »Necronomicon«. Mysteriöse Auftraggeber,
Intrigen und eine Lektüre, die es wert
ist, das eine oder andere Menschenleben für sie zu opfern. Klischierte Rahmenbedingungen, aus denen Polanski
einen soliden Thriller bastelt.
und Takuya, deren klein gehaltene Welt
ein Gruppengeheimnis um Mitschülerin Sayuri zusammenhält. Verlust und
geschütteltes Urvertrauen – gekauft.
Aber wenn die »böseböse Welt« hereinkommt und den Heldinnen aufgeht,
dass ihre Verbündeten keine hehren Absichten haben, werden wohl nur noch
Aficionados am Bildschirm kleben. Und
eine eigene Erinnerungsleinwand aufspannen, sortieren und archivieren.
Hias Wrba
Birgit Binder
The Place Promised
In Our Early Days
J 2004
Wie ich zum ersten Mal
Selbstmord beging
USA 1997
R: Makoto Shinkai;
R: Stephen T. Kay; D: Thomas Jane,
Rapid Eye Movies
Claire Forlani, Keanu Reeves,
Der eigenen Überzeugung zufolge hat
der Regisseur Makoto Shinkai mit
seinem ersten abendfüllenden Anime »The Place Promised In Our Early Days« ein filmzeichnerisches Werk
mit Realkino-Ambiente geschaffen,
das die kurze Phase der Adoleszenz abbildet. Folgerichtig wühlte er im utopischen Genre der alternate History. Warum nur lässt der anachronistische Blick
des Regisseurs aber Brüche und Faltenwürfe während der Übergangsphase seiner Dreierheldinnenbande im Pathos absaufen? So zwingend die Kombination von Pathos – als eines der drei
Überzeugungsmittel der (rhetorischen)
Rede – und Jugend auch scheinen mag,
der Film verschenkt es jovial mit abgeschmackten Monologen, die das erklärte Thema beleidigen. Dies gelingt durch
einen hermetischen, aseptischen und
asexuellen Blick auf die Schüler Hiroki
Gretchen Mol; Kinowelt
Für große Sehnsüchte waren die Literatur und der Film stets Projektionsfläche, Ursprung und Ausdrucksmittel zugleich. Wer Holden Caulfield zu
seinem Bekanntenkreis zählt und auch
der geografisch grenzenlosen Freiheitsliebe in der Hobo-Beatnik-Romantik Jack Kerouacs oder der Poesie Allen
Ginsbergs nicht abgeneigt ist, dem sei
»Wie ich zum ersten Mal Selbstmord beging – The Last Time I Committed Suicide« schon aus Nostalgiegründen zu
empfehlen. Der Film schildert, basierend auf einem Brief Neal Cassadys an
Jack Kerouac, einige Episoden aus dem
Leben Cassadys, der seinem Studienfreund Kerouac seinerseits u. a. als Vorbild für die Figur des Dean Moriarty in
seinem wohl bekanntesten Werk »On
The Road« diente.
Cay Clasen
Tribute: John Waters
S
eien wir doch mal ehrlich und nennen ihn – einen großen Meister. Schmeißen wir selbstbewusst mit einem Superlativ um uns, der gewöhnlich für ein gelungenes Verhältnis von
Form und Inhalt, Handwerk und Anspruch steht. Dass
man bei dem mittlerweile 60-jährigen John Waters an
solchem Lob oft gespart hat, liegt an seinem spezifischen künstlerischen Schaffen. John Waters macht
Camp – für manche Kritiker unzumutbar.
Camp ist queere Handwerkskritik und Zerstörung
des guten Geschmacks. Es bedeutet Zerstückelung der
ästhetischen Totalität und Zerrüttung von Kategorien wie »Geschlossenheit« und »Objektivität«. Camp
bezeichnet die schwul genossene Fetischisierung von
Nebensachen. Wer will schon falsche Hauptsachen?
Das provoziert Zuschreibungen wie »Trash« oder »LoFi«. Es führt zu genervten Zensurbehörden, angeekelten Zuschauern – und ein paar Tausend Kultfans.
Kult war John Waters schon immer. Kult war die
grandios fettleibige Dragqueen Divine als Hauptdarstellerin seiner Frühwerke »Pink Flamingos«, »Female Trouble« und »Polyester«. Kult war auch die albernkonsequente Verballhornung des amerikanischen
Spießeralltags. Kult ist Waters noch heute, nicht nur
wegen seines letzten Films »A Dirty Shame«, in dem
David Hasselhoff eine Gastrolle für einen Klobesuch
hat und ein ganzes Dorf an einer Sexsucht zugrunde
geht. Schön, dass in der nun veröffentlichten DVD-Kollektion »Very Crudely Yours, John Waters« (Warner)
auch dieses Spätwerk nicht fehlt, wo es schon im vertriebsbehinderten Deutschland keinen Kinostart hatte. Es steht hier in einer Reihe mit »Polyester« und dem
80er-Klassiker »Hairspray«. Dass Camp kein Kitsch
und Drag kein Karneval ist, hat Adam Shankmann, der
für das bald in die Lichtspielhäuser kommende Feelgood-Musical-Remake von »Hairspray« (Start: 06.09.)
verantwortlich ist, offensichtlich nicht kapiert. Mit einer Handvoll prominenter DarstellerInnen wie John
Travolta, Queen Latifah, Christopher Walken und Michelle Pfeiffer reduziert er Waters’ Meisterwerk auf
eine heftig entqueerte Hab-dich-lieb-Integrationshymne mit Regenbogenfarben und schmierigen Musikeinwürfen. Immer noch okay scheinen kleine dicke
Mädchen als Heldinnen zu sein. Vielleicht läuft dieser
Film ja irgendwann mal im Nachmittagsprogramm an
Heiligabend und ich schaue ihn mir an. Doch für das
ästhetisch-inhaltliche Projekt von Waters ist er – eine
Zumutung.
Tim Stüttgen
074 _ Intro _ und so _ TV-Serien auf DVD
C1
TV-Serien-Special
MY NAME
IS EARL
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VERONICA MARS
Der kesse »Teen Detective« Veronica erspie
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sich, trotz kontinuierlich sinkender Quote
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von Anfang an eine treue Fangemeinde.
Den
Mix aus Highschool-Setting, Film-noir-St
ilmitteln, Staffel-umfassenden Murder-My
sterys und episodisch angelegten Fällen
, garniert mit schlagfertigen Dialogen und
reichhaltigen Pop-Referenzen, ereilte im Mai
nach
drei Staffeln das endgültige Aus. Bei uns
verheizt das ZDF diesen Geheimtipp mit miese
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Synchro und mutlosen Sendeplätzen. RM
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USA: SEASON 3
AB 27.09. (NBC)
D: OHNE TERMIN
, RECHTE BEI RTL
USA: SEASON 2
AB 25.09. (FOX)
D: OHNE TERMIN
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13.08. (SHOWTIME)
USA: SEASON 3 SEIT
H (PROSIEBEN)
D: SEASON 2, MI 23:10
H OHNE TERMIN
USA: SEASON 3 NOC
8. (SONY)
D: SEASON 2 SEIT 09.0
DR. PSYCHO
B1
USA: EINGESTELLT
D: SEASON 1, FR 00:55 H (ZDF)
USA: SEASON 3 AB 23.10. (WARNER)
D: OHNE TERMIN
DEXTER
Der Tag des Serientäters hat 24 Folgen
Ein Serienmörder zum Knutschen: Dexte
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Morgan (Michael C. Hall, »Six Feet Unde
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ist Forensiker der Miami Police und Blut-E
xperte. Kein Wunder. Der charmante Junggeselle verbirgt einen Killerinstinkt, den
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aber nur an jenen auslebt, die es auch verdienen. Klingt auf dem Papier wie ein
»CSI«Aufguss-with-a-Twist, ist aber der beste
und
unterhaltsamste Serienstart 2006. Eine
bonbonbunte Film-noir-Variante, basie
rend
auf der Buchtrilogie von Jeff Lindsay. RM
– und jedes Morgengrauen ist ein
Cliffhanger. Über 50 TV-Serien-DVDBoxen erscheinen in den nächsten
Monaten. Hier die aktuellen VÖs –
und ein Blick über den großen Teich:
USA: SEASON 2 AB 30.09. (SHOWTIME)
D: OHNE TERMIN, RECHTE BEI TMG
(RTL II, TELE 5, ATV)
USA: SEASON 1 AB 21.08. (PARAMOUNT)
D: OHNE TERMIN
Was kommt noch auf uns zu? Die
gute Nachricht: Es hört nicht auf. Das
»Mein neuer Freund« war brillant. Nun
wurschtelt sich Christian Ulmen aber nicht
mehr durchs Halbdokumentarische, in der
Rolle des Dr. Max Munzl wagt er den Sprung
in einen ganz und gar fiktionalen Stoff. In
den besseren Momenten besticht die Serie
durch Ulmen-typische Verschrobenheiten,
in den schlechteren verliert sie sich in wirren
Plots. Vergönnt war ihr leider bisher nur eine
Staffel, dann schaute der Quotensensenmann vorbei. Zukunft ungewiss. HW
USA: -D: STAFFEL 1 LIEF AUF PROSIEBEN
USA: -D: STAFFEL 1 AB 24.08. (SONYBMG)
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AB 23.09. (FOX)
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USA: SEASON 6
H (SAT.1 COMEDY
CA. 3X TÄGLIC
D: SEASON 3+4
AB 18.09. (FOX)
USA: SEASON 5
10.09. (FOX)
D: SEASON 3 AB
David Milchs hochgelobt
es Western-Epos
gilt als erste Fernsehserie,
die den Wilden
Westen abseits aller Gutmen
schen-Klischees anders zeigte: rau,
erbarmungslos
und vor allem bevölkert von
pausenlos fluchenden Gestalten. »Deadw
ood« erzählt
über drei Staffeln die Ges
chichte einer Siedlung und steht als Allegori
e für die Besiedlung Amerikas als Ganzes.
Kein versöhnliches Bild: Es zeigt die häs
sliche Fratze des
täglichen Kampfs ums Übe
rleben. SaS
USA: EINGESTELLT
D: SEASON 3 AB 24.08. (PREM
IERE SERIE)
USA: SEASON 3 SEIT JUNI
(HBO HOME)
D: SEASON 3 SEIT 16.08.
(PARAMOUNT)
PRIMEVAL – DIE RÜCKKEHR
DER URZEITMONSTER
Wenn sich das nicht anhört wie feinster
Trash: Dinosaurierjäger auf Dinosaurierjagd!
Doch die britische Herkunft macht den vermeintlichen Müll, was Cast und Plotlines betrifft, erstaunlich stilsicher – wenn auch nicht
in Hinsicht auf alle Effekte. Typisch für die
ITV, dass die erste Staffel nur magere sechs
Episoden zu bieten hat. Die Story um den Evolutionsbiologen Cutter und sein furchtloses
Team ist jedoch inzwischen selbst zum unheimlichen Phänomen geworden. HW
USA: 1964-1966
(ABC)
D: REGELMÄSS
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WISCHEN PRE
MIERE
USA: SEASON 3
AB 11.09. (FOX)
D: SEASON 2 SEI
T 13.08. (FOX)
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GB: SEASON 2 AB 2008 (ITV)
D: SEASON 1 LIEF AUF PROSIEBEN
GB: SEASON 1 SEIT MÄRZ (2 ENTERTAIN)
D: SEASON 1 AB 24.08. (POLYBAND)
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Autorenangabe: RM: Robert Meissner / HW: Hias Wrba / SaS: Sascha Seiler / PF: Paula Fuchs
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4400 – DIE RÜCKKEHRER
THE KING OF QUEENS
Ob Ingmar Bergman sich das heimlich
angeschaut hat? Was auf den ersten Blick wirkt
wie eine generische Sitcom, entpuppt
sich
bei genauerem Hinsehen als Diskurs über
den Sinn halbwegs bürgerlicher Exist
enzen.
Wie schon in den vorangegangenen siebe
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Staffeln zeigen Doug und Carrie und die
übrigen Schrullen nichts anderes als Szene
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einer Ehe. Für Unterhaltung sorgen nicht
zuletzt die, u. a. mit Jim-Goad-Intimus Patto
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Oswalt, besetzten Nebenrollen. HW
hr»4400« steht für 4400 von Aliens entfü
te Menschen, die zurückkehren und fortan
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übersinnlich bewandert sind. In der dritte
ngsStaffel wird zunehmend der Verschwöru
zusetheorie-Plot verfolgt. Die Serie gewinnt
zu ahhends an Reiz, denn niemand scheint
den
nen, was die seltsame Gesellschaft um
verschollenen Jordan Collier von den 4400
telnwill. Der Zuschauer tappt wie die ermit
Puzzden Agenten im Dunkeln und muss das
le langsam zusammenfügen. SaS
The Sun always shines on TV?
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ach dem Erfolg von »24«, »Lost« und anderen »Serials« – also Serien mit Staffelumspannendem Handlungsbogen – buhlten im US-Serienherbst 2006 gleich mehUSA: SEASON 4 LÄUFT GERADE
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viel für die quotenrelevante Masse der Konsumenten,
USA: SEASON 4 OHNE TERMIN
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12.07.
D: SEASON 3 SEIT
die ohnehin ein gesundes Misstrauen gegenüber Sendern entwickelt haben, die bei ausbleibendem Erfolg
USA: EINGESTELLT
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D: MO-FR, 12:15 & 18:15 H (KABEL EINS)
schneller den Stecker ziehen, als man, sic!, gucken
USA: SEASON 9 AB 25.09. (SONY)
kann. So verschwanden eine Menge spannender, gut
D: SEASON 8 AB 24.08. (KOCH)
umgesetzter Ideen auf halber Strecke im TV-Nirwana
– ohne befriedigendes Ende, versteht sich.
Darunter z. B. »The Nine« (ABC), das im Stil von
Spike Lees »Inside Man« einen Banküberfall über
eine Staffel retrospektiv aufrollen wollte, »Day Break«
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(ABC), eine Art »Und täglich grüßt das Murmeltier«
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die eigentlich als 10-teilige Miniserie
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Das gleiche Schicksal ereilte trotz massiver Promotipiert war, wegen des großen Erfolges aber
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die zweite Runde ging. »Rom« glänzt mit
on auch »Drive« (Fox): Nach vier Episoden war Schluss
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(Paramount; 06.09.)
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(Turbine; 30.07.)
(6.2, Universum; 03.09.)
um eine nach massiven Atonum
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(Universal; 23.08.)
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lierte Gemeinde scheint einen
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(Buena Vista; 11.09.)
reicht und zudem mit dumpPointierte S-Opera um eine Ranch in den
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australischen Outbacks, die von den Schwes(Kinowelt; 03.08.)
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STAFFEL 4
tern Claire und Tess nach dem Ableben ihnervt. Wie die kommerzielDie wilden 70er
Komplettboxen & Best Ofs:
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(Sunfilm; 17.08
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(Koch; 03.08.)
Dass Rudi Carrell, jüngst verstorbene Fernse(Turbine; 20.08.)
der Frustrationsgrenze des
wirtschaftende Frauenbande gibt es auch
Peanuts – Complete
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hikone, nicht nur ein Star der Samstagabend(Al!ve; 30.08.)
Zuschauers beschreiten wolein paar hohle Typen, die sich mehr oder we16.08.)
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Unterhaltung war, sondern sich auch um das
niger nachdenklich, romantisch durchtrielen, bleibt abzuwarten. Der
einst sehr beliebte Genre der Fernsehsketche
ben geben. Seife muss ordentlich in den AuUS-Serienherbst 07 sieht konverdient gemacht hat, beweist diese CompiPF
echt.
nicht
sie
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sonst
gen brennen,
zeptionell deutlich konservativer aus. Derweil brillielation mit dem Besten aus Rudis Archiv. Die
AUS: SEASON 7 (NINE)
Sendung lief Anfang der 90er und dokumenren die Kabel- und Pay-TV-Sender FX, Showtime und
D: SEASON 5, MO-FR 15:00 H (VOX)
tierte mehrere Jahrzehnte deutscher TV-HuAUS: SEASON 6 (SONY)
HBO mit hervorragenden Produktionen wie »Dexter«
D: SEASON 4.1/4.2 SEIT 03.08. (KOCH)
morgeschichte. Nun sind die besten Sketche
(siehe links), »John From Cincinnati« oder »Eureka«.
zusammengefasst. Nicht nur Nostalgiker
Dazu dann mehr, ihr ahnt es, im nächsten Heft. RM
werden ihren Spaß damit haben.
SaS
USA: -D: ZURZEIT NICHT IM TV
USA: -D: DAS WITZIGSTE AB 29.08. (STUDIO HAMBURG)
TO BE CONTINUED
076 _ Intro _ und so _ Literatur _ Courtney Loves Tagebücher
Text: Kerstin Grether
Courtney Loves Tagebücher.
Studien in Anti-Dämonisierung
Subversion, wie sie im Buche steht: romantisch, rebellisch, von der
Wirklichkeit erleuchtet. Kerstin Grether hat Courtney Loves Notizen »Dirty
Blonde« gelesen und erklärt, warum Courtney keine Pop-Heilige wurde.
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Courtney Love
Dirty Blonde.
Die Tagebücher
Kiepenheuer & Witsch
432 S., EUR 14,95
n seinem Artikel über den Simpsons-Film hat Diedrich Diederichsen neulich überzeugend dargelegt,
inwiefern die großen Werte der US-amerikanischen
1960er-Jahre – »umfassende Gesellschaftskritik«
und »Emanzipation des Körpers« – heute meist zu
»asozialem Hedonismus« und »leerem Moralismus« verkommen sind. Den Simpsons attestierte er eine bewundernswerte »skeptizistische Selbstreflexivität«, die nicht
zu verwechseln sei mit »Kritik« oder »Subversion«. Von
Letzterer findet man hingegen jede Menge in Courtney
Loves Tagebüchern »Dirty Blonde«, die u. a. noch mal belegen, wie bittersüß Mainstream-unfreundlich der öffentliche Auftritt dieser beiden anderen Gelben, Kurt
und Courtney, wirklich war – zumal in der heißen Simpsons-Grunge-Change-Phase der 90er-Jahre. Was mit dem
Selbstmord Kurt Cobains endete, konnte natürlich nicht
die Emanzipation des Körpers sein, geschweige denn eine
hoffnungsfrohe Gesellschaftskritik begleiten. Sonst wäre
Courtney Love längst eine Pop-Heilige wie z. B. Patti Smith.
Nichtsdestotrotz: Courtney war asozial hedonistisch
und, mit dem ganzen herzhaften Trotz der Hippie-Töchter,
Heimkinder und weiblichen Genies ausgestattet, um originelle Aufklärung bemüht! Das dokumentiert z. B. der eigenwillige Gestus der Tagebücher, dieser poetisch-burroughseske, Songtext-vernarrte, romantisch-rebellische Stil ihrer
Notizen. So wirklichkeitserleuchtet und vom eigenen Beispiel getrieben, dass man sofort den 98er-Hole-Hit »Celebrity Skin« versteht – Cobains Witwe bezeichnet sich darin sarkastisch als »wandelnde Studie in Dämonologie«.
Ihre Tagebücher – in der US-Ausgabe so bunt und special,
dass es einer großen Leistung gleichkommt, wie gleichsam
spannend die toll übersetzte deutschsprachige s/w-Ausgabe in eigenständiger und doch unverfälschter Anordnung
zusammenkomponiert wurde – sind eine Studie in Anti-Dämonisierung: bezaubernd, nachdenklich, klug. Und das in
originalhandschriftlichen Dokumenten, die bei aller Privatheit nicht zu intim wirken. Auch weil die Botschaften
und Bilder eine sehr seltene Mischung aus Exhibitionismus und Künstlichkeit ausstrahlen, den Flair des Geworden-Seins im Zustand größter Verzweiflung: Bildchen von
kaputten Puppen, genialische Songtextzettel, gut informierte Lieblingslisten, die beweisen, dass Courtney schon
früh und in Eigenregie die Ästhetik von Hole kreierte. Darüber hinaus dekonstruiert und korrigiert sie stets ihr eigenes Image – lustig, dass dennoch immer alle besser zu wissen glauben, wer sie ist – und das ihrer Helden gleich mit.
Sie sieht die größeren Zusammenhänge.
Die Drogen, den Exzess, ihre Bad-Girls-Rolle, die Schönheits-OPs und Oscar-Nominierungen, den sarkastischen
Verstand – ja, selbst den Selbstmord des Ehemanns hätten
sie der stets selbstreflexiven, dauertherapierbaren, humorbereiten Courtney vermutlich längst verziehen. Nur eins
nicht: dass sie ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Erfolgs ihres suizidalen Ehemanns ein vergleichsweise ähnlich großartiges Album gemacht hat.
Kate Moss und Pete Doherty mögen noch so viele Hotelzimmer zerlegen, doofe Bilder von sich knipsen lassen und
Rausch als letzte souveräne Rock’n’Roll-moralische Geste
gegen und für das Zur-Marke-Werden aufführen: Courtney
und Kurt hatten ihre eigene Bilderwelt, hungrig nach dem
perfekten Rock-Song, der einzig und allein noch »Kritik
und Wahrheit« verkraftete, in einer Phase, in der skeptizistische Selbstreflexivität das Höchste aller Familien-Fernsehseriengefühle war. Es würde jetzt darum gehen, aus der
spleenig-klaren Wahrheit von Courtney oder Kurts Tagebüchern das Vitale neu zu schöpfen.
078 _ Intro _ und so _ Literatur
Kopftuch und Liposuktion
N
icht nur in Sofia Coppolas Amerika, auch
im osttürkischen Kars nehmen sich junge Mädchen das Leben. Orhan Pamuk erzählt in seinem Roman »Schnee« (Carl
Hanser Verlag, 512 S., EUR 25,90) von Frauen, die eher
Hand an sich legen, als auf ihr Kopftuch zu verzichten.
Als man der Anführerin der rebellischen Turbanmädchen vorschlägt, im Namen aller muslimischen Feministinnen an eine westliche Zeitung zu schreiben, antwortet sie eisig: »Ich möchte niemanden repräsentieren. (...) Ich möchte nur mit meiner eigenen Geschichte, allein, mit allen meinen Sünden und Fehlern den
Europäern gegenübertreten.«
In Silke Scheuermanns »Stunde zwischen Hund
und Wolf« (Schöffling & Co., 172 S., EUR 17,90) trifft
eine Frankfurter Journalistin ihre beneidete schöne
Schwester wieder. Erinnerungen an die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper unterbinden die Wiedersehensfreude: »Ich war gerade sechzehn Jahre alt geworden. Ich hatte gelesen, alle Teenager in Amerika
tun es, und am liebsten hätte ich gleich alles gemacht,
hätte am liebsten alle unter dem Fachbegriff Liposuktion aufgezählten Gliedmaßen behandeln lassen,
Oberschenkel, Taille, Oberarme.«
Pamuks und Scheuermanns literarische Varianten
des Weiblichen haben auf den ersten Blick nicht das
Geringste gemein. Während sich die eloquente türkische Kopftuchträgerin selbstbewusst gegen die Autorität des laizistischen Staates stellt und über Fragen feministischer Identitätspolitik reflektiert, fühlt
sich die Frankfurterin wie »die x-fache Spiegelung eines vor Jahren beendeten Lebens«. Die eine versteckt
ihr Haar, die andere pusht ihr Selbstbewusstsein mit
kurzen erbsengrünen Röcken. Es hieße, die Möglichkeiten der Literatur überzustrapazieren, fasste man
die beiden Romanfiguren als realistische Repräsentantinnen ihrer Herkunftsländer auf – und doch bildet
sich in den Frauen die türkische respektive die deutsche Geschlechterordnung ab.
In Deutschland fungiert das Kopftuch als leerer Signifikant, der wahlweise mit Unbildung, der Unterdrückung der Frau, islamischer Fortschrittsfeindlichkeit und Terrorismus gleichgesetzt werden kann.
Die Kulturwissenschaftlerinnen Christina von Braun
und Bettina Mathes warnen in »Verschleierte Wirk-
lichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen« (Aufbau Verlag, 476 S., EUR 24,95) vor Kurzschlüssen: Eine
unter die Burka gezwängte und aus dem Klassenzimmer vertriebene Afghanin ist anders zu bewerten als
eine iranische Studentin, die sich einer feministischen Grassroots-Bewegung anschließt. Eine ukrainische Zwangsprostituierte ist nicht unbedingt freier
als eine verschleierte muslimische Politikerin. Akribisch zeigen die Autorinnen, dass das westliche Bedürfnis nach Entschleierung von »Orientalinnen« in
schwülen kolonialistischen Haremsfantasien wurzelt und eine Ordnung des Blicks reproduziert, die den
Mann zum Betrachter, die Frau aber zum Objekt der
Betrachtung stempelt. Auch das feministische Engagement gegen den Schleier hat seine Tücken: »Indem die westliche Frau in der Orientalin die kulturell
andere erblickt und sich dieser anderen im Gestus
der Überlegenheit zuwendet, wird es ihr (...) möglich,
die Position des universellen Subjekts zu besetzen.«
Mithin lässt die Bemitleidung der Verschleierten die
westliche Gleichberechtigung vollkommener erscheinen, als sie ist. Seitdem Delacroix die Französische
Revolution als barbusige Barrikadenkämpferin dargestellt hat, fasst man weibliche Nacktheit in Europa als Zeichen der Befreiung auf. Kopftuch und Suizid
mögen im Kampf für Geschlechtergleichheit keine
probaten Mittel sein, der Bikini ist es auch nicht – Bulimie und Liposuktion dämpfen den Glanz, in dem die
Freiheit des Westens erstrahlt.
Kerstin Cornils
Töpferkurs und Häkeldecke
D
ie Absage des als Sensation angekündigten Starkochs Ferran Adrià, Wasserschäden in den Aue-Pavillons und ein brachliegendes Reisfeld – die documenta 12 ist vor
allem wegen ihrer Pannen in die Schlagzeilen geraten.
Das erfreut die »gesunde Volksseele«, der im Zusammenhang mit zeitgenössischer Kunst bloß »Steuergelder« in den Sinn kommen. Allein diese Häme wäre ein
Grund, das Kuratorenteam Roger Buergel und Ruth
Noack in Schutz zu nehmen – wären nicht das Konzept und die Auswahl der Exponate dieser documenta die eigentliche Panne. Schlagwörter wie »Migration der Form«, »Korrespondenzen« und »ästhetische
Querverbindungen« entpuppen sich schnell als esoterisches Blendwerk, das vom Betrachter nicht Analyse,
sondern reines Einfühlen und ehrfurchtsvolles Staunen verlangen möchte. Dementsprechend sind kaum
Installationen zu sehen. Dafür wird wieder gehäkelt,
gestrickt, gestickt, beherzt bunt gemalt und mit Ton
modelliert. Die Keramiken von Maria Bartuszova, die
Seidentücher von Hu Xiaoyuan und die sich in Seilen
windenden Ausdruckstänzer in der Arbeit von Trisha
Brown erinnern frappant an das Kunstverständnis
von Waldorfschulen, anderes wiederum an Wandbehänge aus dem Eine-Welt-Laden oder an das Ergebnis
eines Sparkassen-Malwettbewerbs.
Das Naive, Volkstümliche und Kunsthandwerkliche kann einen subversiven Gehalt haben, wie Martin Kippenberger bewies. Doch die hier gezeigten Tendenzen des Naiven lassen weder Bruch noch Ironie
erkennen, sondern sind im handwerklich schlechten
Sinne Gebasteltes und Geklebtes, das als schön wahrgenommen werden möchte. Dass viele solcher Arbeiten von Frauen aus sogenannten Dritte-Welt-Ländern stammen, macht sie nicht weniger angreifbar.
Damit wird vielmehr ein ebenso essenzialistisches
wie rückschrittliches Bild von weiblicher wie auch
nicht-westlicher Kunst vermittelt. Frauen, kehrt an
den Webstuhl zurück! Die feministische Arbeit »Love
Songs« der US-amerikanischen Künstlerin Mary Kelley nimmt sich wie ein Fremdkörper aus – einer der wenigen Beiträge, denen man anmerkt, dass die seit den
1960er-Jahren geführten Diskurse in Kunst und Gesellschaft angekommen sind. Gender, Medien, Pop,
Subkultur, Urbanismus – all die Fragen, die im Mittel-
punkt von Katherine Davids documenta X standen –
sind 2007 zugunsten einer fast nur noch auf Sinnlichkeit und Autonomie der Form setzenden Ausstellung
ausgeklammert worden. Wo Okuwi Enwzor auf Fragen der Globalisierung mit einer kritischen Kunst aus
Afrika und Lateinamerika reagierte, sucht diese documenta die Antworten im Exotismus sowie dem Konstrukt von Volks- und Glaubensgemeinschaften.
Identität und Authentizität bilden das reaktionäre
Zwiegespann einer Kunstschau, die in der Politik von
Israel und den USA das Hauptübel unserer Zeit ausgemacht hat. Der australische Künstler Juan Davila präsentiert die USA-Flagge mit Hakenkreuz, die palästinensische Fotografin Ahlam Shibli sprach gegenüber
der Zeitschrift Monopol davon, dass Israel ein Land
sei, dessen »Legitimität sie anzweifelt«. Und dann ist
noch die Giraffe namens Brownie, das Maskottchen
dieser documenta, an Herzversagen gestorben nach
dem Einmarsch israelischer Truppen im Westjordanland. So plakativ hat Kunst sich schon lange nicht
mehr als Propaganda zu erkennen gegeben. Solche
auf einfache Antworten zielenden Arbeiten korrespondieren mit dem nebulösen Geraune der Katalogtexte, die Banales mittels Heidegger-Slang aufzuwerten versuchen und neoromantischen Kitsch als »Wiederverzauberung der Welt« verkaufen. Tröstlich ist
da nur, dass diese documenta keinen repräsentativen
Querschnitt heutiger Kunst bietet, sondern lediglich
eine individuelle Entgleisung.
Martin Büsser
080 _ Intro _ und so _ Spiele _ Flipper
Reparatur eines Flippers Linus Volkmann hat einen Multiball
Text + Fotos: Felix Scharlau
Vlnr.: NBA Fastbreak (2x), Scared Stiff, Junk Yard
Flipper.
Alle Credits verspielt
Der Flipper
Eigentlich bezeichnet das Wort
»Flipper« nur die beiden beweglichen Arme, die nach Gottliebs
Pinball-Automaten »Humpty Dumpty« (1947) zum Standard wurden.
Zuvor hatte es in der Regel keinerlei Einfluss auf die Bewegung
des abgeschossenen Balles gegeben – Flippern war noch reines
Glücks-, kein Geschicklichkeitsspiel. Der im Englischen noch gebräuchliche Begriff »Pinball« ist
übrigens auf die heutige Zeit bezogen ähnlich unzutreffend. Er referiert auf ebenjene Zeit, als es
noch keine Flipper und praktisch
keine interessanten Tisch-Aufbauten jenseits von Löchern und Nägeln (engl.: Pins) gab. Ursprünglich lässt sich der Flipper auf die
Zeit von Ludwig XIV. zurückverfolgen, als der klassische BillardTisch hin zum Spiel »Bagatelle«
verändert wurde. Neben den erwähnten Flipperarmen setzten
sich mit der Zeit folgende Standards bei den Tischen durch:
Tilt-Mechanismus: ca. 1932
Bumper: 1936
Freispiel: ca. 1945
Multiball: 1956
Extra Ball: 1969
Sprechender Flipper: 1979
Extraball
Deutsches Flippermuseum
Hermannstr. 9
56564 Neuwied
Öffnungszeiten: Sa + So 14-18
Uhr und nach Vereinbarung
Zurzeit befinden sich im Museum
ca. 70 bespielbare Tische.
www.flippermuseum.eu
195 neue Flippertische wurden 2006 nach einer Studie des Ifo-Instituts
für Wirtschaftsforschung in Deutschland verkauft. 1979 waren es 40.000
– Flipper sind vom Aussterben bedroht. Ein sentimentaler Text über die
bewegte Geschichte der vielleicht schönsten Spielgeräte der Welt. Über
Nachlassverwalter, Filmemacher, leuchtende Augen und darüber, dass es
Hoffnung im Privaten gibt.
D
ie Geschichte des Flippertischs ist lang und
ruhmreich – leider aber auch äußerst tragisch. Seit den 1930ern, seit sich allmählich
die heutige Form des Flippers herausschälte, feierte das Spiel viele Erfolge, Tiefschläge, Endzeitstimmungen und Revivals. So waren die 1970er
zum Beispiel das Flipper-Jahrzehnt schlechthin, die 1980er
so gut wie tot, und die 1990er erlebten, zumindest für die
Dauer von wenigen Jahren, ein Revival, das unter anderem den mit über 20.000 gebauten Geräten erfolgreichsten
Flipper aller Zeiten hervorbrachte: »The Addams Family«.
Kein Problem, wird bestimmt schon wieder, könnte man
meinen. Leider nicht. 2007 sieht es so aus, als habe die Tradition definitiv einen Point of no Return erreicht. Mit Stern
gibt es (abgesehen von der australischen Firma The Pinball
Factory, die alte Modelle nachbaut) nur noch einen kommerziellen Flipper-Hersteller weltweit. Der baut in Illinois,
seit den 1930ern die amerikanische Flipperwiege, immer
weniger neue Modelle pro Jahr in immer geringerer Stückzahl – zuletzt einen »Family Guy«- und einen »Spiderman«Flipper. Der Grund für die Misere: An Orten, wo man vor
einigen Jahren noch reihenweise Automaten fand – in Spielhallen, Eckkneipen, Jugendzentren und Discos –, steht heute ein Geldspielautomat, eine Plastikpalme oder nicht selten: gar nichts. Die Gründe dafür sind vielfältig.
»Früher wurden Flipper in Spielhallen als Raumfül-
ler aufgenommen: Die Lizenz galt immer nur für eine bestimmte Anzahl von Geldspielgeräten, und der Rest musste
irgendwie ausgefüllt werden. Durch Billard-Tische, durch
Flipper, was weiß ich«, so Harald Fleischhauer vom Flippermuseum »Extraball« in Neuwied. »Dabei nimmt ein Flipper
von seiner Standfläche her doppelt so viel Platz ein wie ein
Geldspiel- oder Videospielautomat. Und die bringen viel,
viel Geld ein, während ein Flipper praktisch keine Einnahmen bedeutet.« Das hat leider seine Gründe: Flipper waren
und sind in der Anschaffung teuer und bedürfen einer starken Wartung. Schon beim kleinsten Fehler im Flipperarm
verliert der Tisch seinen Reiz, wird nicht mehr gespielt. Ein
Handwerker des Aufstellers muss kommen. Eine mühsame
und teure Angelegenheit – aber das war schon immer so.
Eine besondere Dynamik nach unten brachte erst das
letzte Vierteljahrhundert mit sich: Flipper waren vor dem
Boom der Videospiele lange Zeit unangefochtene Zukunftstechnik. Die gefeierte Avantgarde des Freizeitspiels sozusagen. Das Herz der Geräte war zunächst rein mechanisch,
dann elektro-mechanisch und mit dem Aufkommen der
Mikroprozessoren seit den 1970ern elektronisch (die sogenannte Solid-State-Ära). Zu dieser Zeit entstanden einige der schönsten und aufwendigsten Geräte – spätestens
seit jetzt gerieten Flipper aber zugleich zu einem Atavismus der Technikgeschichte. Denn während Heim-Videospiele langsam kommerziell zu boomen begannen und mit-
Intro _ und so _ Spiele _ Flipper _ 081
Harald Fleischhauer + Axel Hillenbrand im Museum
Designer Steve Kordek mit dem letzten Williams-Flipper
Szene aus »Tilt«
tels Voll-Digitalisierung und -Virtualisierung die Zukunft
der Freizeitkultur definierten, war der Flipper nach wie vor
der launische Zwitter, der halb aus Mechanik und halb aus
Computerchips bestand. Ein aus der Mode gekommener
Held vergangener Epochen, der irgendwo zwischen der realen und virtuellen, der mechanischen und digitalen Welt
festhing und anfälliger war als alle Videospielsysteme.
Harald Fleischhauer und Axel Hillenbrand vom Flippermuseum »Extraball« erleben heute eine entsprechende
Wahrnehmungsverschiebung bei den Jugendlichen, wenn
jene auf den mittlerweile über 70 sauber restaurierten Exponaten spielen – was in diesem Museum übrigens ausdrücklich erwünscht ist. »Gerade junge Spieler sehen Flipper fälschlicherweise oft in der Tradition der Videospiele.
Da sagt das Kind zur Mutter schon mal so was wie: Nein, wir
können noch nicht gehen, ich hab noch zwei Leben. Leben
anstatt Bällen oder Kugeln, wie man früher sagte. Das ist
schon sehr auffällig«, so Hillenbrand, der mit Fleischhauer
Ende letzten Jahres das Museum eröffnet hat. Ihre Einrichtung, die aus einer Sammelleidenschaft heraus entstand,
die irgendwann auf Öffentlichkeit drang, bildet mit Geräten
aus 80 Jahren fast die komplette Geschichte des Genres ab.
Was ihnen unter anderem noch fehlt, ist ein Gerät der sogenannten »Pinball 2000«-Serie der Firma Williams aus den
1990er-Jahren. Die 1990er – das war das letzte verheißungsvolle, im Ergebnis aber rabenschwarze Jahrzehnt der Flipper-Geschichte, über das es sogar einen Dokumentarfilm
mit dem bezeichnenden Titel »Tilt« gibt. Jener beleuchtet
aus der Retrospektive den verzweifelten Kampf der Ingenieure und Programmierer von Williams, in Zeiten sinkender
Verkäufe die Zukunftsvision eines Flippers zu entwickeln,
um ihre Jobs zu retten. Das gelang mit Hilfe eines integrierten Monitors, der von oben abstrahlte und so virtuelle Figuren auf den Tisch projizierte. Eine technische Meisterleistung. Geholfen hat jene nicht – nach »Revenge From Mars«
und »Star Wars – Episode 1« wurde die Division aufgelöst.
Der einst so gefeierte Flipperproduzent Williams baut heute zynischerweise nur noch Geldspielautomaten.
Greg Maletic, Regisseur des Films, hat die Tragik des Moments und womöglich auch die letzte Niederlage der kommerziellen Flipper-Geschichte eingefangen. Er interviewte weinende Ex-Mitarbeiter des Unternehmens, die zum
Teil bis heute nicht verstehen können, warum die Konzernführung trotz gefeierter Technik und passabler Verkäufe
so agierte, wie sie es tat. »Mein Plan war ursprünglich, eiDie Top7-Flipper
nen Film über Technik-Design und über die Tragik zu dreder Intro-Redaktion
hen, wenn technisch hochkomplexe Geräte entworfen und
von einem Tag auf den anderen obsolet werden. Pinball
Indiana Jones (Williams, 1993)
2000 war dafür ein Paradebeispiel«, sagt er im Intro-Inter- Scared Stiff (Bally, 1996)
Junk Yard (Williams, 1996)
view. Für die USA konstatiert er, dass Flipper zunehmend
Star Wars (Data East, 1987)
nur noch in öffentlich gemachten Sammlungen und ausge- White Water (Williams, 1993)
Medieval Madness (Will. 1997)
wählten Arcades für die Nachwelt überleben werden.
The Getaway: High Speed II
Ein Zustand, der auch in Deutschland Realität werden
(Williams, 1992)
dürfte. Denn obwohl es einen großen Privatmarkt für gebrauchte Flipper, Messen, Flipperturniere und sogar eiLinks:
nen Ligabetrieb gibt – der Flipper befindet sich massiv auf
www.flippern.de:
dem Rückzug ins Private, hin zu einem eingeschworenen
tolle Metasuchmaschine für
Fachpublikum. Es bildet sich einerseits eine treue Checker- Flipperstandorte in Deutschland
www.ipdb.org: wichtigste
Nichtöffentlichkeit, andererseits bekommt der potenzielInternet-Datenbank für Flipper
le Nachwuchs immer weniger Chancen, die Begeisterung
www.pingamejournal.com:
an Orten seiner Jugend zu teilen. »Derzeit gehe ich davon
wichtigstes Flipper-Printmagazin
aus, dass Flipper im öffentlichen Bild aussterben werden«, www.sternpinball.com: Stern –
so Hillenbrand. »Die Kernfrage ist: Inwieweit kann die Nos- der letzte Flipper-Produzent
www.gelsen-flipper.de:
talgie unserer Generation die Flipper in die nächste GeneDeutsche Pinball-Convention
ration rüberretten?« Und Greg Maletic meint für die USA:
»Ein Pinball-Revival ist nicht ausgeschlossen. Aber ich würde sagen, es ist unwahrscheinlich.«
Bleibt nur die Bitte: Füttern Sie Flippertische, wo Sie nur
können. Und so lange Sie noch können. Es handelt sich um
eine vom Aussterben bedrohte Art.
Tilt – The Movie
USA 2006
Im Blog auf intro.de: Nachlese – Die Intro-Redakteure
Volkmann und Scharlau machen eine Sauf-Radtour durch
miese Schlagerkneipen – anhand ihrer Recherche-Ergebnisse bei flippern.de.
R: Greg Maletic
Die DVD mit zahlreichen
Extras gibt es hier zu bestellen:
www.tilt-movie.com
082 _ Intro _ und so _ Spiele _ Sam & Max: Season One
Text: Marc Seebode
Sam & Max: Season One.
Zeit der Abenteuer
Ein kaffeesüchtiger Hase namens Sam und ein Hund namens Max feiern
mit dem Spezialgebiet »unnötige Gewaltanwendung« ihr Revival in 3-D. Und
haben gleich das Revival des ganzen Adventure-Genres mit im Schlepptau.
Sam & Max: Hit The Road
... war 1993 das erste Point&ClickAdventure von LucasArts, dessen
Bedienkonzept erstmals auf die
bewährten Aktionsverben verzichtete und den kompletten Bildschirm für die Spielegrafik nutzte.
Sandra Schwittau
Bekanntheit hat Sandra Schwittau vor allem durch die Synchronisation der Figur Bart Simpson
(»The Simpsons«) erlangt. Zudem
ist sie die deutsche Stimme von
Hilary Swank, Milla Jovovich, Helena Bonham Carter, Eva Mendes
und Renée Zellweger.
Auf intro.de
Das komplette Interview mit dem
Entwickler Telltale
Sam & Max:
Season One
Telltale Games / CDV
Software Entertainment
PC
Genre: Adventure
W
ir erinnern uns: Nach dem großen Erfolg von »Sam & Max: Hit The Road«
(1993) gab LucasArts Ende 2002 die
Entwicklung eines Nachfolgers bekannt. Doch nachdem auf diversen
Spielemessen bereits Grafiken und Trailer gezeigt worden
waren, wurde das Projekt Anfang 2004 auf Eis gelegt, da
LucasArts keinen Markt mehr für Adventures sah. Die bis
dato mit der Entwicklung des Spiels betrauten Entwickler
Dan Connors und Kevin Bruner glaubten jedoch weiterhin
an das Projekt und gründeten die Firma Telltale Games, deren innovatives Geschäftsmodell es vorsieht, Spiele in Episodenform zu veröffentlichen. Nachdem im Mai 2005 LucasArts die Rechte an der Nutzung von »Sam & Max« verlor,
begann Telltale Games wenig später zusammen mit Steve Purcell (der geistige Vater von »Sam & Max«), an einem
neuen, vom ursprünglichen Projekt unabhängigen Nachfolger zu arbeiten. Der effizienteste, kostengünstigste und im
Endeffekt schnellste Veröffentlichungsweg war, die Folgen
online zu verkaufen. Deswegen vertrieben Telltale Games
seit Herbst 2006 nach und nach die produzierten Episoden
ausschließlich als Download. Für die deutsche Version aller sechs Teile, die regulär in die Läden kommt, wurde jetzt
wie zuvor Sandra Schwittau als deutsche Stimme von Max
engagiert, und auch Hans-Gerd Kilbinger konnte wieder für
die Synchronisation von Sam gewonnen werden.
Das Hauptaugenmerk von »Sam & Max: Season One«
liegt auf den zu lösenden Rätseln und beansprucht gleichermaßen das Zwerchfell des Spielers. Die Dialoge stecken
voll satirischer Bemerkungen, wunderbarem Irrsinn und
subtilen Andeutungen. Auch außerhalb der Wortgefechte gibt es genügend zu lachen: In der zweiten Episode holen die Schreiber beispielsweise zum Rundumschlag gegen
die gesamte Fernsehwelt aus: Neben Koch- und Quizsendungen bekommen auch Casting-Shows und der Todfeind
der gelungenen Unterhaltung, die Nachmittags-Talkshow,
ihr Fett weg. Mit den liebevollen Charakteren, der dem Comic-Stil angepassten 3-D-Grafik und dem Point&Click-Gameplay könnte »Sam & Max: Season One«, das Ende August
als Komplettpaket auf DVD in den Handel kommt, zum spaßigsten PC-Spiel des Jahres werden. Dies hat seine Gründe.
»Klassische Games sind wie Spielfilme. Sie erzählen eine
lange Geschichte, und um sie gut zu erzählen, bedarf es einer Menge Zeit und Geld. Spiele in Episodenform funktionieren eher wie TV-Serien«, so der Entwickler Telltale im
Interview. »Wir verwenden auch viel Mühe darauf, eine
gute Geschichte zu erzählen, aber wir können fokussierter
und effizienter arbeiten. Außerdem ist es möglich, das Gamer-Feedback auf einzelne Episoden in kommende Episoden einfließen zu lassen.« Alle sechs Episoden stehen so im
Ergebnis für sich alleine, sind aber zusätzlich durch eine
übergreifende Geschichte verbunden.
Der kommerzielle Erfolg von »Sam & Max« bereits in der
Download-Variante scheint eines von vielen Indizien für
ein Comeback des ganzen Adventure-Genres zu sein. Fakt
ist, dass derzeit wieder vermehrt Adventures auf neuen
Plattformen (wie zum Beispiel dem Nintendo DS) veröffentlicht werden und beispielsweise das Line-up der diesjährigen Games Convention mit etlichen neuen Adventures aufwartete. Telltale Games setzt zumindest weiterhin auf das
Genre und veröffentlichte neben »Sam & Max« unter anderem auch »Bone« oder »Ankh«. Der Erfolg gibt ihnen recht.
Deswegen will Telltale Games auch bei der indirekt bestätigten zweiten Staffel von »Sam & Max« dem episodischen
Veröffentlichungskonzept treu bleiben. Man darf gespannt
sein.
084 _ Intro _ und so _ Neue Spiele
Neue Spiele 09.2007
Die Siedler DS
Big Brain Academy Wii
PaRappa The Rapper
Story: Alles beginnt im Hauptquartier. Das alleine
klingt als Spielanreiz nicht gerade prickelnd, aber es
liegt in der Natur der Sache, dass Aufbau-Simulationen am Anfang immer merkwürdig karg wirken. Also
muss man dem Schicksal Beine machen und erst einmal dafür sorgen, dass der Magen gefüllt wird. Fisch,
Brot und Fleisch fallen noch nicht einmal in der Bibel
vom Himmel, und auch die entsprechenden Häuser
müssen erst einmal von Steinmetz und Holzfäller mit
Baustoffen errichtet werden. Zuvor hat man aber die
Wahl zwischen vier verschiedenen Völkern in der politisch korrekten Mischung aus Wikingern, Römern,
Nubiern und Asiaten. Zu den 30 spielbaren Berufsgruppen gesellen sich noch sechs Soldatentypen, die
ihrem Gewerbe entsprechend dafür sorgen, dass mühsam erbautes Hab und Gut auch wieder sorgsam vernichtet wird.
Handling: Abseits eines anfangs mühsamen Spielverlaufs leiden Aufbau-Simulationen später schnell
an einem unübersichtlichen Chaos von Charakteren
und Statusmeldungen, die auf den ersten Blick nur
von studierten Statistikern verwaltet werden können.
Auf dem eher beschränkten Bildschirmplatz des Nintendo DS erleichtert die Stylus-Steuerung der einzelnen Symbole via Touchscreen enorm die Spielbarkeit.
Zwei Zoomstufen und Zeitraffer zollen den technischen Gegebenheiten Tribut, was nach kurzer Eingewöhnungszeit dann auch gut funktioniert. Und wer
keine Lust darauf hat, allzu zielstrebig zu spielen,
kann auch den »Freies Spiel«-Modus wählen.
Was bleibt: Diese Siedlervariante basiert auf einem nun schon gut zehn Jahre alten Titel, mit dem das
deutsche Entwicklerstudio Blue Byte einen Klassiker
des Genres schuf. Das Grundprinzip hat sich bewährt,
und eine Portierung auf eine mobile und auch spielerisch reizvolle Plattform war längst fällig, auch wenn
man bei der Optik seine Ansprüche tiefer ansiedeln
muss. Etwas technischer Feinschliff hätte dem DS-Titel ebenfalls gutgetan, denn ein Mehrspieler-Modus
fehlt komplett, und es kommt relativ oft noch zu heftigen Rucklern, was beim Konkurrenzspiel »Anno 1701«
auf der gleichen Spielplattform besser gelöst war.
Glanzlicht: Ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen, einen Kredit platzen lassen oder einen Krieg führen? Es ist einfach zu verlockend, auf so bequeme Weise dem Schicksal einen Schubs geben zu können.
Story: Gesellt sich zum nicht abreißenden Schönheitswahn in Medien und Gesellschaft eine Neo-Sexiness des Geistes? Wie hoch soll der Druck auf das Individuum denn noch werden? Wer solche Fragen heute
stellt, lebt bekanntlich hinterm Mond. Denn dank IQSpiele-Wahn und der Verwissenschaftlichung des Videospiel-Gameplays ist es bekanntlich längst schon
so weit. Überall hagelt es Statistiken über die erworbene Geisteskraft beziehungsweise – viel schlimmer
– über deren Verfall seit dem letzten Spiel. »Dr. Kawashima« (dessen Sequel auf der nächsten Seite vorgestellt wird) sei Dank. »Big Brain Academy« ist nun keine ganz neue Variante dieses Booms, immerhin erschien die DS-Version bereits letztes Jahr. Aber erst
für Wii macht das Ganze so richtig was her.
Handling: Das Menü zeigt das eigene Mii im Gang
einer Highschool. Klassenzimmer führen zu den
Testdisziplinen aus den Bereichen »Vision«, »Piktura«, »Algebra«, »Memoria« und »Analyse«, wobei
die Grenzen recht fließend sind und auch gemischte
Tests möglich sind. Die Aufgaben aus diesen Segmenten müssen unter höchstem Zeitdruck durch Zielen
auf den Bildschirm gelöst werden. Das Ergebnis wird
am Ende in prognostizierter Gehirnmasse verkündet
– übrigens ein demütigendes Schauspiel, z. B., wenn
das eigene Gehirn nur unter 700 Gramm wiegt. Im
Mehrspieler-Modus gibt es dank Splitscreen Aufgaben gegen einander und die Uhr. Das wird gerade bei
Fragestellungen, die Orientierung und dreidimensionales Verständnis erfordern, zur absoluten Qual.
Was bleibt: Nach einer Stunde ein seltsam angeregtes Gefühl im Oberstübchen. Bin ich klüger? Oder
ist mir nur schwindelig? Wahrscheinlich beides.
Denn der Stress, der den Reiz und die Spannung dieses Spiels bedingt, ist nicht zu unterschätzen. Spielt
man gegeneinander, wird die Konzentration durch die
enervierende Musik, den Spielsound des Gegners und
das Ticken der Uhr gestört. Und als sei das noch nicht
genug, kommentiert eine piepsige Stimme aus dem
Lautsprecher der Fernbedienung das eigene Spiel.
»Schneller!« »Du bist gleich da!« »Noch ein kleines
Stück!« Ein Spiel, hervorragend geeignet zur Abhärtung von Unfallchirurgen und Fluglotsen.
Glanzlicht: Die Aufgabe mit den Vogelkäfigen
– Bauernfängern besser bekannt als »Das Hütchenspiel«. Darin war ich nämlich ziemlich gut.
Story: Was macht man nicht alles, um cool zu sein: Der
junge PaRappa hat sich in Sunny Funny verguckt, und
um die starke Dame zu beeindrucken, will er als Rapper Eindruck schinden. Wir schreiben das Jahr 1996,
und lange, bevor das eigene Genre der Musik- und
Rhythmusspiele überhaupt erfunden war, brachte
der japanische Entwickler NanaOn-Shi mit »PaRappa
The Rapper« ein Spiel, das zunächst als Unikat auffiel.
Die bunten zweidimensionalen Figuren von Rodney
Greenblat und die schreiend banale Geschichte waren
so schlecht, dass es einfach Spaß machen musste.
Handling: Eigentlich ist der Begriff des Musikspiels eher irritierend, denn der Spieler an sich macht
keine eigene Musik. Die Mischung aus zeitnaher Reaktion und ansteigender Komplexität ist eher ein
klassisches Geschicklichkeitsspiel, das, mit Musik kombiniert, auch bis heute in Titeln wie »Guitar
Hero« Verwendung findet. Immer, wenn PaRappa die
verschiedenen Rap-Texte einstudiert oder vorträgt,
leuchten auf der oberen Bildhälfte die Tastatursymbole der PSP in unterschiedlichen Kombinationen
auf. Je nach Treffergenauigkeit und eigenem Timing
wird die Leistung mit vier Einstufungen bewertet. Das
reicht dann von »cool« bis »awful«, wobei auf Eindeutschung verzichtet wurde und nur die Untertiteltexte
der jeweiligen Landesprache angepasst wurden.
Was bleibt: Man mag sich schnell fragen, warum
Sony so lange gebraucht hat, um diesen Klassiker auf
die PSP zu bringen. Dazu verwundert ebenfalls, warum lediglich einige neue Instrumentalstücke als
Download die einzige wirkliche Neuerung sind, das
Spiel aber trotzdem 35 Euro kostet. Ähnliche alte Spiele im gleichen Genre wie zum Beispiel »ToeJam & Earl«
von Sega gibt es bei den Wii-Channels schon für acht
Euro als Download. Auch die Ad-hoc- sowie die GameSharing-Funktion sind auf der PSP nicht wirklich ein
Mehrwert, da man nicht parallel spielen kann.
Glanzlicht: In seinen besten Momenten erinnert
das Spiel mit dem unschuldigen Rapper und dessen
großer orangenen Skimütze an die Zeit des ersten DeLa-Soul-Albums. Statt mit Gangster-Rappern in düsteren Hinterhofszenen rappt man hier zusammen
mit einem zwiebelköpfigen (!!) asiatischen Rapmeister namens Chop-Chop in einer bunten und leicht verstrahlten Jim-Avignon-Welt. Und in welchem Spiel
heißt der Endgegner schon MC King Kong Mushi?
Gregor Wildermann
Felix Scharlau
Gregor Wildermann
Die Siedler
Ubisoft
Big Brain Academy
Nintendo
PaRappa The Rapper
Sony
Nintendo DS
Wii
PSP
Genre: Aufbau-Simulation
Genre: Gehirntrainer
Genre: Musik-Rhythmusspiel
Intro _ und so _ Neue Spiele _ 085
Rote Augen mit Scharlau
S
teigen wir gleich mit einem Eklat ein: Intro bespricht erst im September, also deutlich nach
der Tour de France, den »Radsport Manager
Pro 2007« (Crimson Cow; PC)? Seid ihr von Sinnen? Das kann natürlich nur von jemandem kommen,
dessen kürzlich generiertes Tour-Feeling noch bis Juli
2008 vorhalten wird. Und das dürfte, Hand aufs Herz,
so gut wie niemandem so gehen. Also rauf auf die virtuellen Drahtesel, immerhin stehen 60 Teams und
200 verschiedene Rennen zur Auswahl. Die Dopingmittel der Saison sind ein neuer Prozessor sowie der
Epo-Ersatz »Hersteller-Patch« – die PC-Kaufversion
ist nämlich mit Bugs leider nur so übersät.
Übersät, allerdings mit Blut, sind etliche Level von
»Vampire Rain« (AQ Interactive; Xbox 360). Der Hor-
ror-Splinter-Cell-Klon bietet streckenweise spannende, aber stark repetitive Schleich-Unterhaltung und
weiß auf voller Länge nicht wirklich zu überzeugen.
Immerhin ist er als Kompensation für mangelndes
Gameplay streckenweise so brutal, dass bei uns die Jugendfreigabe verweigert wurde. Möglicherweise wird
das Spiel für seine Klientel ja dadurch interessanter.
Mit solchen Problemen hat »G1 Jockey« (Koei; Nintendo Wii) nicht zu kämpfen. Per Fernbedienung und
Nunchuk wird gepeitscht und die Sporen gegeben, bis
die Mähre vor der Ziellinie fast zusammenbricht. Die
gute Nachricht: Im Menü der in der Vergangenheit bereits für PS2 erschienenen Pferderenn-Simulation
stehen noch Hunderte anderer Pferde zur Auswahl.
Durchdacht kommen die erstaunlich komplexen Steuerungsmechanismen und der Story-Modus daher. Unverständlich ist allerdings, dass nur die Anleitung auf
Deutsch, das Spiel jedoch in Englisch gehalten ist.
»Call Of Juarez« (Ubisoft; Xbox 360) ist ebenfalls
nicht neu, gibt es jetzt aber endlich auch für die Videokonsole. Der Western-Action-Shooter stellt auch in
dieser Form eine Ausnahmeerscheinung dar: Perfekte
Grafik, eine komplexe Story und stimmungsvolle Musik lassen eine manchmal etwas unausgereifte Steuerung schnell vergessen. Highlight: Man spielt abwechselnd zwei Figuren, darunter Ray, einen ehemaligen Revolverhelden, der dann Prediger wurde. Als Teil
seiner Rückbesinnung (Stichwort: Rache üben) knallt
er Bösewichte ab und liest zwischendrin plötzlich wie
von Sinnen Passagen aus dem Alten Testament vor,
während rechts und links neben ihm die Schüsse einschlagen. Auch für den Spieler der Figur eine unheimliche Psychonabelschau. Beklemmend und absolut
empfehlenswert.
Die – hier allerdings gottlose – Macht des Geistes
müssen auch die Gegner in »Harry Potter und der Orden des Phönix« schmecken (EA; diverse Systeme).
Ein schönes Spiel. Besonders hervorzuheben: die WiiFassung, bei der der Stab mit der Hand geschwungen
und die Zaubersprüche sogar gerufen (!) werden müssen, um zu wirken. Schade nur, dass Harry am Ende
nach einer komplizierten Schlüsselbein-Fraktur im
Krankenhaus an einer nosokomialen Infektion stirbt.
Oder etwa doch nicht?
Vor menschlichen Gebrechen sind die Transformers, die derzeit mal wieder über die Kinoleinwände
rumpeln, bekanntlich gefeit. Davor und vor so ziemlich allem anderen. »Transformers – The Game« (Activision; PC und alle Konsolen) bietet das erwartbare Actionszenario, bei dem jeder sichtbare Spielgegenstand – Haus, Auto, Baum – zerstört werden kann.
Sinnlose Gewalt, eingebettet in Missionen. Beeindruckend: Bei PC und Next-Gen-Konsolen sehen die eigentlichen Spielszenen grafisch bisweilen besser aus
als die Zwischensequenzen.
»Dr. Kawashima – Mehr Gehirnjogging« (Nintendo; DS) war selbstredend nur eine Frage der Zeit. Als
neue Modi müssen unter anderem Musikstücke nachgespielt und »Schnick Schnack Schnuck« zelebriert
werden.
E3 2007 – Die schlanke Linie …
E
s ist schon bemerkenswert, wenn im Land der
Superlative plötzlich tiefer gestapelt wird.
Über Jahre war die Electronic Entertainment Expo (E3) als weltweit wichtigste Videospielmesse in Ausstellerzahl und Flächenquadratmeter gestiegen. Was als Fachmesse gedacht war,
wurde jedoch zum bunten Rummelplatz, und wirklich wichtige Titel zeigte man dann doch oft lieber »behind closed Doors«. Also sah man in Los Angeles das
»Downsizing« als rettende Lösung – vom großen Convention Center in Downtown zog man in einen kleinen
Flugzeughangar sowie in umliegende Hotels in Santa
Monica. Bei den Pressekonferenzen blieb man dafür
den gewohnten Verhältnissen treu, was in einer Medienwelt von YouTube & Co. für die Berichterstattung
wohl auch so bleiben wird. Vielleicht passt die MiniE3 auch besser zur Neuigkeitenlage, denn wirkliche
Überraschungen hatte man im Vorfeld nicht erwartet.
Bei den großen drei Konsolenherstellern stand eine
Bestandsanalyse auf dem Plan. Dabei konnte sich
Nintendo besonders entspannt zurücklehnen. Ihre
Wii-Konsole geht wie fangfrischer Thunfisch über die
Ladentheke, und beim Nachschlag wird konsequent
in die gleiche Kerbe geschlagen: Dank einem begehbaren und berührungsempfindlichen Balance Board
in Kombination mit »Wii-Fit« verwandelt man selbst
eine verrauchte Nerdbude in einen Fitnesstempel. Für
den eher klassischen Gamer zeigte Nintendo endlich
das finale Design ihres Wii-Zapper, mit dem Shooterspiele endlich auch auf der Wii anständig spielbar
werden.
Auch die Vorstellungen bei Sony zeigten, dass die
Firmen jetzt endlich eine gute Balance zwischen Freizeitspielern und den Dauerdaddlern suchen. Das Supergrafik-Macho-Shooterspiel »Killzone 2« gesellt
sich da direkt neben das kindlich verspielte »Little
Big Planet«, mit dem Mann und Frau ihre Spielwelten im Baukastenprinzip plus Tim-Burton-Ästhetik selbst basteln können. Die lange eher stiefmütterlich behandelte PSP wurde von Sony auf einige
ihrer Schwachpunkte hin verbessert. Das Ergebnis
kann sich weniger sehen als fühlen lassen: Der Akku
hält länger, die UMD-Discs werden dank größerem
Arbeitsspeicher schneller gelesen, und passend zur
schlanken Linie wurde das Gesamtgewicht der mobi-
len Konsole um rund 30 Prozent verringert. Der Schatten aller alten PlayStation3-Rückschläge war auf der
E3 dagegen kaum noch sichtbar, und es scheint nun
eher eine konkrete Preisfrage, wie oft das Gerät ins
Wohnzimmer einzieht.
Auch bei Microsoft konzentrierte man sich abseits
der mit HDMI-Anschluss hochgerüsteten Xbox360Elite, einem neuen Controller für Casualgames, und
der sehr praktischen, weil direkt ansteckbaren Konsolentastatur Chatpad ganz auf die Software. Während
es bei den diesjährigen Blockbustern wie »Halo3«
oder den exklusiven Inhalten zu »Grand Theft Auto
IV« kaum Neuigkeiten gab, zeigte ein Trailer zu »Project Gotham Racing 4« spektakuläre Motorradsequenzen und Wettereffekte, die selbst im kleinsten
Quicktime-Fenster beeindruckend aussehen. Bei den
Drittherstellern bekam ElectronicArts für das neue
»Simpsons«-Spiel den wohl größten Applaus. Denn
bei diesem Titel wirkt es tatsächlich so, als könne man
jede Folge nun interaktiv noch mal erleben.
Ein Name wurde in Los Angeles in Verbindung mit
dem Neuanfang der E3 ebenfalls immer wieder genannt: Leipzig. Längst keine »German Kleinigkeit«
mehr, hat sich die Stadt mit ihrer Games Convention
(23. – 26.08.) fest bei den Herstellern etabliert. Auch
wenn sich dieses Jahr nochmals beweisen dürfte, dass
die Messe an ihrem bisherigen Standort in puncto Kapazitäten an ihre Grenzen angelangt ist. Umzug oder
Verkleinerung? Leipzig wird hoffentlich eine bessere
Antwort als Los Angeles einfallen. Gregor Wildermann
086 _ Intro _ und so _ Neue Technik
Neue Technik 09.2007
Live 6 LE
Zoom Ex-Z77
Gadget des Monats
Wer Nutzer ist und weiß, dass zuletzt mit großer Regelmäßigkeit für den Herbst des jeweiligen Jahres
eine neue Version von Abletons Musikproduktionssoftware »Live« angekündigt wurde, wird 2007 möglicherweise traurig sein – alle Rookies dürfen sich allerdings freuen. Denn »Live 6 LE« ist die letztjährige Fassung – aber in einer »Light Edition«. Das heißt:
Mehr Verständlichkeit und Übersichtlichkeit für Neueinsteiger, aber nicht viel weniger Funktionen. Aufgenommen wird in bester Qualität (bis zu 32 Bit / 192
kHz) auf maximal 64 Audio- und unbegrenzt vielen
MIDI-Spuren. Bearbeitet werden die Spuren anschließend mit über 20 Effekten, wobei bereits vorhandene
VST- oder AU-Effekte beziehungsweise –Instrumente unter »Live« eingebunden werden können. Auch die
Möglichkeiten des Mixings und Dejayings in Echtzeit unterliegen kaum Einschränkungen im Vergleich
zur Vollversion. Hervorzuheben sind die enthaltenen
Software-Instrumente Simpler (für Sample-basierte Synthese) und Impulse (für eine bessere Beat-Produktion). Und wem die Software dann irgendwann zu
wenig ist, der kann problemlos und voraussichtlich
günstig zur Vollversion upgraden. Bettina Gutsohn
Im Prinzip ist die neue Casio-Kamera mit dem nicht
gerade schmuckvollen Namen »Exilim Zoom ExZ77« eine ganz normale Kamera, bei der zunächst
die ganz normalen Eigenschaften einer Digitalkamera ins Auge fallen: 7,2 Megapixel, 6,6-cm- bzw. 2,6Inch-Display, optimale Schärfe durch Gesichtserkennung und Motion-Analyse, elektronischer Verwackelungsschutz und – besonders schön, weil selten bei Kameras dieser Preisklasse – Serienbildaufnahme für
bis zu fünf Bilder pro Sekunde. So weit, so normal. Dabei liegt das Besondere hier absurderweise jenseits
der fotografischen Eigenschaften. Im Fokus der Entwicklung stand nämlich die sonst meist stiefmütterlich behandelte Videoaufnahme: Ex-Z77 filmt direkt
in einem für YouTube optimierten Bildformat unter
Verwendung des hocheffizienten Videokompressionsstandards H.264. Dank mitgelieferter Software bedeutet das: vom Set zu YouTube in genau zwei Schritten. Nicht schlecht. Denn außer, es hagelt bei YouTube demnächst umfassende Klagen wegen der zahlreichen Urheberrechtsverletzungen, wird uns die Plattform als Phänomen noch eine ganze Weile erhalten
bleiben.
Jakob Schramma
Spätestens der Flipper-Artikel auf Seite 80 macht
deutlich: Wenn der Prophet nicht zur Spielhalle
kommt, muss eben doch die Spielhalle zum Propheten gehen – oder so ähnlich. Und vor allem: Sie kann!
Apex nennt sich der Arcade-Automat, der fortan unsere Wohnzimmer zieren könnte und den Schwund
der Geräte in der Öffentlichkeit halbwegs erträglich
macht. Zwar sind 3500 Euro quasi unbezahlbar, aber
dafür gibt es auch eine Menge. Nämlich nicht nur den
Automaten (90 kg Gewicht, Höhe: 175 cm, Breite: 56
cm, Tiefe: 65 cm) inklusive Joystick und den gängigen Aktionstasten für zwei Spieler, sondern auch jede
Menge vorinstallierte Game-Software. Über 140 klassische Arcade-Spiele der Firmen Midway, Taito, Capcom, Namco und natürlich Atari umfasst die Sammlung nämlich. Und sollten der verbaute 19-Zoll-TFTMonitor und der 3-GHz-Rechner mit 160-GB-Festplatte nicht begeistern – spätestens diese wohligen Schatten der Vergangenheit werden es tun: Defender, Joust,
Bubble Bobble, Great Swordsman, Jungle Hunt, OperationWolf, Rainbow Islands, Space Invaders, ZooKeeper, Streetfighter, Gunsmoke, 1942, 1943, Pac Man, Asteroids, Battlezone, Pong ...
Felix Scharlau
Live 6 LE
Musikproduktionssoftware
Apex
Spielautomat
Ableton / ca. EUR 129 (Download bei Ableton)
Exilim Zoom Ex-Z77
Digitalkamera,
optimiert für YouTube
bzw. EUR 169 (Handel)
Casio / ca. EUR 229
ca. EUR 3.520
z. B. www.gremlinsolutions.co.uk
Klangexplosion
Live 6 ist da, die neueste Version des von Produzenten, Komponisten, Live-Musikern
und DJs gleichermaßen geschätzten Software-Studios. Die neue Library bietet eine
umfassende Palette an sofort einsetzbaren Instrumenten und Sounds. Alle wichtigen
Klangeigenschaften sind mit einem Griff verfügbar. Nicht nur am Bildschirm, sondern
auch vorkonfiguriert für viele gängige Controller-Keyboards. Dabei fehlt es nicht an
Tiefe: Lives intuitive Oberfläche macht es leicht, alle Klänge bis ins kleinste Detail zu
verstehen, zu bearbeiten oder neu zusammenzusetzen.
Mehr Infos, Videos, Artist Stories
auf www.ableton.com
PROMOTION
SEQUEL. GET LIVE!
Wie oft hat man sie nicht schon gehört, die alte Leier vom bloß einmal auf »Play« drückenden Laptop-Performer! Dass
dem natürlich längst nicht so sein muss, wissen alle, die bei einem spannenden Live-Set eben auch mal von vorne auf den
Monitor geguckt haben. Denn da geht so einiges, von exzessivem Effekteinsatz über das Verbiegen einzelner Sounds bis
zur Kunst des Live-Remixens. Auch in Steinbergs Sequel wird auf Live-Kompatibilität großen Wert gelegt, und so hält die
Software mit Arranger Parts, Live Pads und Chain Play Mode einige effektive und zugleich sehr intuitive Werkzeuge für den
Bühneneinsatz bereit. Die zu Hause ausgetüftelten Songs oder Skizzen lassen sich damit im Club komplett umgestalten, wie
die dritte und letzte Folge unseres Sequel-Tutorials hiermit kurz demonstrieren wird.
Das Wichtigste und
Grundlegendste für das Arbeiten mit Sequel im
Live-Einsatz ist erst
mal, dass die Arranger-Spur ganz
oben über den einzelnen Audio- und
MIDI-Tracks angezeigt wird. Dafür oben im Menü
einfach auf das Symbol mit den vier kleinen Quadraten klicken. Bei gedrückter
Alt- bzw. Option-Taste lassen sich nun mit der Maus in dieser Spur einzelne,
beliebig lange Teile des Songs markieren. Die dadurch erzeugten einzelnen Arranger Parts können dann intuitiv von den sogenannten automatisch zugeordneten Live Pads angesteuert werden. Damit wird der Song im Handumdrehen
komplett neu arrangiert und quasi live geremixt.
Sequel bietet für
die Live-Performance zwei unterschiedliche Modi,
zwischen denen
man links oben in
der Multi Zone umschalten kann. Im
»Live Mode« werden
die einzelnen Pads
praktisch unmittelbar abgespielt und
loopen so lange, bis die nächste Eingabe erfolgt. Das Pad des jeweils aktiven
Parts leuchtet bei der Wiedergabe auf, während der nächste sich mit Blinken
ankündigt. Der »Chain Play Mode« hingegen erlaubt etwas genaueres Vorausplanen: Hier kann die Reihenfolge der einzelnen Parts über Maus oder Keyboard
eingegeben und auch abgespeichert werden. Startet man die Wiedergabe,
werden die Parts in der zuvor festgelegten Abfolge in voller Länge abgespielt.
Auch unten in der
Multi Zone des Sequel-Fensters erscheinen nach einem Klick auf die
vier Quadrate die
charakteristischen
Live Pads. Die Anzahl gleichzeitig benutzbarer Pads ist
auf 16 begrenzt –
man will ja nicht
komplett den Überblick verlieren. Allerdings kann ein Song in bis zu 26 einzelne Arranger Parts zerlegt werden, so viele, wie das Alphabet an Kennbuchstaben zur Verfügung stellt. Über den entsprechenden Buchstaben auf dem Keyboard oder natürlich auch mit einem Mausklick auf das Pad werden die Parts
direkt abgefeuert. Der Übersicht halber können sie nach einem Alt-Klick auch
genauer benannt werden (Intro, Strophe, Refrain, Bridge etc.).
Eine wichtige Feineinstellung im »Live
Mode« betrifft natürlich die Frage, wann genau der
nächste angewählte
Part gestartet werden soll. Hier gibt es
sechs mögliche Optionen (von »Now«
über »4 Bars / 2 Bars
/ 1 Bar« bis zu »1
Beat« oder »End«), die sich nach kurzem Ausprobieren von selbst erklären, aber
auf das Resultat großen Einfluss haben. Schon in Verbindung mit Sequels einfachsten Mixerfunktionen wie Stumm- oder Soloschalten (ebenfalls ganz leicht
über die Tastatur steuerbar) kriegt man mit den Arranger Parts und den Live Pads
schnell aufregende Performances hin. Ganz egal, ob der Superstar-DJ also wieder mal abgesagt hat, mit Sequel ist die nächste Party auf jeden Fall gerettet!
SEQUEL STEINBERG
www.sequel-music.net / Euro 99
Intro Abo
+ Nur 25 Euro für 11 mal Intro plus Festivalguide-Magazin
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+ 1 Prämie für jeden Abonnenten (siehe Auswahl unten)
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Die Prämien
Melt! Vol.3
M.I.A.
Compilation
2CD
Kala
CD
The Fountain
Dirty Soundsystem
presents
DVD
Dirty Space Disco
CD
Broken Social Scene
presents: Kevin Drew
The Go! Team
O.S.T.
Proof of Youth
CD
Hallam Foe
CD
Junior Senior
Patrick Watson
Pinback
Hey Hey My My Yo Yo
CD
Close To Paradise
CD
Autumn Of The Seraphs
CD
Spirit If ...
CD
Das Kleingedruckte
Es steht ein begrenztes Kontingent an Prämien zur Verfügung. Wir garantieren nicht die Lieferung der Wunschprämie. Der Versand der Prämie erfolgt erst nach dem Veröffentlichungstermin des jeweiligen
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Intro _ Probefahrt _ 089
Probefahrt 09.2007
ANIMAL
COLLECT
IVEAGAI
NSTME!D
IRTYSOU
NDSYSTE
MFUNNY
VAN DAN
NENHAR
D-FIPINB
ACKSUPE
RMAYER
Intros liebste neue Platten
01 M.I.A. Kala
02 Hard Fi Once Upon A Time In The West
03 Animal Collective Strawberry Jam
04 Chloe The Waiting Room
05 Talib Kweli Eardrum
06 The Go!Team Proof OF Youth
07 Maccabees Colour It On
08 Hot Hot Heat Happiness Ltd.
09 Broken Social Scene presents Kevin Drew
10 Moneybrother Mount Pleasure
11 The Enemy We’ll Live And Die In These Towns
12 You Say Party! We Say Die! Loose All Time
13 Against Me! New Wave
14 O.S.T. Hallam Foe Domino
15 Swayzak Some Other Country
16 Menomena Friend Or Foe
17 Pinback Autumn For The Seraphs
18 Dirty Soundsystem presents Dirty Space Disco
19 Rilo Kiley Under The Blacklight
20 Nick Drake The Family Tree
Ermittelt aus Stimmabgaben von Redakteuren
und Autoren.
Des Lesers liebste Platten
01 Tocotronic Kapitulation
02 Editors An End Has a Start
03 Justice Cross
04 Interpol Our Love to Admire
05 Diverse MELT! Compilation Vol. 3
06 Queens Of The Stone Age Era Vulgaris
07 The White Stripes Icky Thump
08 Maximo Park Our Earthly Pleasures
09 Feist The Reminder
10 Bloc Party A Weekend In The City
11 Digitalism Idealism
12 Simian Mobile Disco Attack Decay Sustain …
13 Arctic Monkeys Favourite Worst Nightmare
14 Die Fantastischen Vier Fornika
15 The Chemical Brothers We Are the Night
16 Shout Out Louds Our Ill Wills
17 UNKLE War Stories
18 Art Brut It’s a Bit Complicated
19 Turbostaat Vormann Leiss
20 Wir Sind Helden Soundso
Sendet eure Top 10 per Postkarte an Intro, PF 19 02 43,
50499 Köln oder Mail an charts@intro.de.
Alle Einsendungen nehmen an den Verlosungen teil.
Bitte kommen!
Supermayer Save The World
Beirut The Flying Club
Múm Go Go Smear My Poison Ivy
Róisín Murphy Overpowered
The Robocop Kraus Blunders And Mistakes
Alben für Oktober. Heute schon gehört.
Demnächst mehr.
090 _ Intro _ Probefahrt
PVG 09.07
Platten vor Gericht
Tocotronic
Digitalism
Malajube
Shout Out Louds
Jan Müller
Isi und Jence
Adam und Carl
Ø 8,41
Ø 4,00
Julien Mineau, Thomas
Augustin und Mathieu
Cournoyer Ø 6,00
»Man muss dem bornierten Ernst
in der Musik das Genie der Heiterkeit entgegenstellen.« (9)
Ist uns zu ruhig und zu soft und
so. (2)
J: He’s a good friend of ours. Ten!
T: Ten. M: I love it. Nice guy. I’m
a fan! (10)
C: We played with them! A: I like it
more on record than live.
»Musik ersetzt die Religion.« (9)
Bisschen psychedelisch. (3)
T: They rip us off. Sounds good. M:
I think I will like it once I listen to it
more often. (8)
A: I like this damaged kind of music. Sounds like the singer of TV On
The Radio. (7)
»Musik ist die Zuflucht der vom
Glück angewiderten Seelen.« (10)
Ivan Smagghe hat jetzt einen
Moustache, genau wie Metallicas James Hetfield. Schöner Harley-Sound. Aber mehr Harleys mit
Elektro-Motor. (7)
J: Okay if you’re on lots of cocaine. A French band with an English name? That’s bad. T: I don’t feel
anything. Rob Zombie in boring.
M: Clubby. (0)
A: I like his voice, very dark – but a
little bit too dramatic. (5)
»Music is the healing force of the
universe.« (9)
Ist nix für Mutti. Hat was von Booty Techno. (5)
J: I don’t like it. Too minimal for me.
T: Very disturbing cover. The first
song is a rip-off from an ad for a moving company in Québec. Song #16
sounds like a goth song. But it’s
good. M: Great cover! (5)
C: Feels kind of fresh, I like it a lot.
A: The song with Thom Yorke is
very beautiful. (6)
»Ohne Musik wäre das Leben ein
Irrtum.« (9)
Ist nicht so ganz unser Fall. (2)
J: Great drum sound! T: Sounds
like a mixture between Sting & Arcade Fire. It’s for the big stage. M:
The singer sounds like Robert
Smith. (6)
C: I like the production. A: This is
good, it’s quite intimate. (7)
»Im Verhältnis zur Musik ist
alle Mitteilung durch Worte von
schamloser Art.« (9)
Gut fürs Auto zum Durchhören.
60s-angehaucht. (4)
J: It’s okay music. It seems to be
good, like Sunny Day Real Estate. T:
Weird. It sounds like a fairy tale. (7)
A: They have beautiful harmonies,
I like that. One of the best bands
from Denmark.
»Die guten Musiker sind alle Einsiedler und außer der Zeit.« (9)
Schöner Garagen-Rock’n’Roll! (5)
J: He’s too old to play punk rock! Too
fat and too bald! But it’s the best
so far. T: Weird song title: »Tight
Black Rubber«! M: His new old
name doesn’t make it better. (7)
C: It’s Frank Black! A: I don’t listen much to rock music, but I
would love it, when I’m really, really drunk. (6)
»Wer tanzen will, muss zu der Musik tanzen, die geboten wird.« (9)
Wow, hier müssen die Verzerrer 24
Stunden lang in Betrieb gewesen
sein. »This is the first Boys Noize
album brought to you by Boys Noize Records.« Club ahoy! (7)
J: That is better electronic music
than Modeselektor. T: It’s good. I
wanna keep that one. M: Must be
great when you’re on drugs. It gets
on my nerves. (8)
A: I’ve listened to a few of their remixes – they are very good. But this
is the kind of music you have to listen to closer, so I can’t grade it. (-)
»Gerade die Musik leidet und fordert unter allen Künsten am meisten Wiederholung.« (9)
Oh, mal was auf Deutsch! Na, das
könnte doch was für Fans von den
Toten Hosen sein. (3)
J: He’s mad at the world! Sounds
better than Rammstein. T: They
start by singing »Guten Tag!«
That’s enthusiastic! M: The voice
is annoying. At least they sing in
German. (3)
A: The German Hives! Probably
nice to see live, but it’s not really my
cup of tea. It’s hard to grade, because of the language. (-)
Genau so stellen wir uns ein Chillout auf einem Festivalgelände mittags in der Sonne vor. (4)
Gold Standard Laboratories / Cargo
»In der Musik nämlich lassen sich
die Menschen gehen, weil sie wähnen, es sei niemand da, der sie selber unter ihrer Musik zu sehen vermöge.« (9)
M: Sounds like a Mars Volta album.
J: Yeah, that’s a way to maximize
profits. T: Sounds like »Gumma
Gumma« from Pink Floyd, but the
sax is killing it. (8)
A: Woodstock! [lacht] I like it because you don’t get this kind of music
often. Very psychedelic. But I cannot decide: It could be real good, it
could be real bad. (-)
The Cribs
Men’s Needs, Women’s …
»Musik bedarf weniger der Neuheit, ja vielmehr, je älter sie ist, je
gewohnter man sie ist, desto mehr
wirkt sie.« (9)
Mischmasch zwischen The Kooks
und Franz Ferdinand. Wobei The
Cribs schon vorher da waren. (4)
J: Like Hot Hot Heat. M: Sounds like
a million bands. But the British
love that sound. (-)
C: Very energetic. Feels very British. A: Good melodies, but a lot of
British bands sound like this today. And I don’t like the sound, they
should experiment more. (5)
Langweiler. (1)
Zum Weghören! (2)
T: Great autotune! [lacht] M: Punk
rock for 35-year-olds. (4)
C: We know a few of these guys,
sounds like a good continuing album. A: They are very big in Sweden. Very soulful! (7)
Paul McCartney Ram
Weakerthans Reconstruction Site
Propagandhi Less Talk, More Rock
Piebald When Life Hands You
Lemons
Herbie Hancock Chamaeleon
Beach Boys Pet Sounds
Yo La Tengo alles
Dave Brubeck Take Five
Destroyer Thief
Håkan Hellström Ett Kolikbarns
Bekännelser
Patrick Watson
Close To Paradise
Ø 6,14
V2 / Universal
Menomena
Friend And Foe
City Slang / Universal
Black Strobe
Burn Your Own Church
Playloud / Beggars Group / Indigo
Modeselektor
Happy Birthday!
BPitch Control / Rough Trade
Okkervil River
The Stage Names
Jagjaguwar / Cargo / VÖ 07.09.
Figurines
When The Deer Wore Blue
Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade
Black Francis
Bluefinger
Cooking Vinyl / Indigo
Boys Noize
Oi Oi Oi
Boys Noize / Rough Trade / VÖ 14.09.
Turbostaat
Vormann Leiss
Same Same But Different / Warner
Omar Rodriguez Lopez
Se Dice Bisonte, No Bufalo
Warner
Moneybrother
Mount Pleasure
SonyBMG
All Time Faves
Yanka Dyagileva Ne Polezheno
Ingrid Caven Der Abendstern
Abwärts Ich seh die Schiffe den
Fluss herunterfahren
Franz Josef Degenhardt Wenn …
Cotzbrocken Jedem das seine
_
Intro _ Probefahrt _ 091
Aereogramme
Alter Ego
Proton Team
Intro
Campbell McNeil (Bass)
und Martin Scott (Drums)
Ø 4,59
Jörn Elling Wuttke,
Roman Flügel
Ø 4,00
Henning, Jens und
Thomas
Ø 7,23
Peter Flore
Durchschnitt
M: After hearing two songs I think
everybody who is interested in that
kind of music should invest lots of
time in that album. (9)
Postrock mit Folkwurzeln auf den
Spuren der Beach Boys. Sehr sympathisch! (9)
H: Schöne Sonntagnachmittagsmusik. (8)
Dachte erst, das sei Antony Hegarty, weil Timbre und Phrasierung
schon übereinstimmend geklaut
wurden. Diebstahl hat mich aber
noch nie von Lob abgehalten. Schöner Songwriter-Folk. (8)
7,86
M: If I hear any more overachieving
American disc – drunk and in charge of an explosive suicide, I’m gonna fucking scream. The songs are
nice but under quality. (5,5)
In den schlimmsten Augenblicken
treffen hier die Beach Boys auf Genesis. Zu den besten Momenten
gießt man sich noch schnell einen
Erdbeertee ein. (4)
H: Teilweise etwas anstrengend,
auch die Stimme ist nicht jedermanns Sache, live aber sicherlich
der absolute Kracher. (7) J: FestPlatte fürs Feuilleton. (8) T: Nass &
rostend. (10) – (~8,3)
Mannomann! »I love you all too
much«, schreit das kleine Männchen auf dem Cover. Das borge ich
mir als Quintessenz dieses tollen
Albums: zu viel Liebe für bestimmt
viel zu wenige HörerInnen. (9)
6,73
M: This guy sounds like he knows
what to do in bed. Could be a fabulous lover. The production is pretty sexy, a little bit of Depeche Mode,
some dub pieces. We give that fucker a: (9)
Nicht verarbeitete Jugendtraumata einer schon lange anvisierten Rockerkarriere werden hier
zwar zeitversetzt, aber offensichtlich endlich ad acta gelegt. Leider
zu oberflächlich. (5)
H: Heißer Scheiß. T: Rufus Wainwright steht durchgestrichen auf
dem Rohling. (10)
Düstere Dancefloor-Tracks der beiden Pariser EBM-Wiederentdecker
mit einer Stromgitarren-Schlagseite. Damals im Sauerland gab es
immer nur Dark-Disco, was mich
aber nie nachhaltig prägte. (6)
6,50
S: Seems to be a cool guy. And it’s
a dead cool album for his circumstances. (4)
Bei so viel Gästen wird auch der
eine oder andere Hit für Spiegel online dabei sein. Tolle Platte, weil so
viel mehr passiert als bei anderen
und Humor nicht zu kurz kommt.
Modeselektor bleiben cool. (7)
H: Nicht mein Ding. (0) J: Mir reicht
die TTC-Koop alleine schon. Gebongt. (10) T: Hier ist fast alles drin.
In der Kaufversion dann alles.
(10) – (~6,7)
Schon wieder Berlin – mit vielen
Gästen, die den Brei aber nicht verderben. Extrapunkte gibt es für die
Scooter-Adaption, ansonsten lege
ich das dann mal beim RedaktionsDJ-Contest auf. (8)
6,34
S: Nice production, good tunes. Vocals sound like Jonathan Richman
from The Modern Lovers. (7,5)
Immer schwierig, wenn einem der
Sänger schon nicht gefällt. Das
große Drama der Rockmusik im 21.
Jahrhundert bleibt ihre Austauschbarkeit. (3)
H: Super Band, super Platte. Die
werden noch mal ganz groß. (10) J:
Puschen pushen! (10) T: Down by
... (9) – (~9,7)
Erst wollte ich schimpfen, dann
ist doch wieder einiges hängen geblieben, was man bei mehrmaligem Durchhören ruhig mal mögen
kann. Schmeiße ich beim nächsten
Vater-Sohn-Abend drauf. (6)
6,28
M: Bands from Denmark have to
get over the band Mew to realize
that there are more kinds of music.
This is the 4th band from Denmark
I've heard this year which sounds
like Mew. Please, diversify! (4)
Schon wieder so ein tiefer Griff ins
tiefe Klo der Popmusikgeschichte.
Natürlich nicht ungekonnt, aber so
gekonnt unspannend. (4)
H: Nice Indiepop. (8)
Die Dänen machen wieder fast alles richtig, schöner Indie-Pop,
phasenweise voller Beach-BoysSeligkeit. Da ich ein Harmonie-bedürftiger Mensch bin, soll mich
das durch den Herbst bringen. (7)
6,14
Ø 6,42
MODE- & FOTOREDAKTION/
VOLONTARIAT
PRAKTIKUM VERLAG
Ab 01. Oktober 2007
Schwarzer Finger, schwarzer
Sonntag, Fäulnis allenthalben.
Tschüssikovsky! (1)
H: Alte Qualität leuchtet zu selten
auf. (5) J: Wanna be in Los Angeles.
Nostalgiewellen surfende: (10) T:
Vorsicht beim Schließen der Türen. (9) – (8)
Soll ja angeblich wieder nach Pixies klingen, tut es aber nur bedingt. Rumpelt aber schön. Dazwischen: Engelschöre und ein
hyperventilierender Glatzkopf immer noch schlecht gelaunt. (8)
6,00
M: It’s just nothing for me, the Berlin kids probably listen to that
while they go fucking crazy and
shave their head. Let’s give it a ten.
S: Are you weird? One point. (5,5)
Electroclash ohne Gesang im Kielwasser von Justice und Erol Alkan.
Splendid! (7)
H: ??? J: Krass freche KopierschutzPunchline im 30-Sekunden-Takt.
Dafür glatte: (0) T: Nicht hörbar. (0)
Mmh, dieser Electro-Proll-Haufen
kann mich nicht auf seine Seite holen. Allen Berlinerinnen und Berlinern wünsche ich aber beizeiten
viel Spaß! (2)
5,50
M: We’ve got problems, we don’t understand German. It could be the
same as with Blumfeld. Everybody told us it’s all about the lyrics,
otherwise the music is meaningless. So we are undecided. (-)
Deutschpunk. Leider zehn Jahre zu
spät. Hätte sich damals auch nicht
gelohnt ... Auf den Spuren der Boxhamsters. (0)
H: Trotz Vorurteilen als gut empfunden. (8) J: Turboomakommandodackel! Superdanke. (9) T: Haubentaucherwelpen. (8) – (~8,3)
Schön, klappt also auch beim Major: Auch wenn man höchstens die
Hälfte der Texte (akustisch wie inhaltlich) versteht. Hier ist über allen Wipfeln Unruh, und das tut
dann eben auch mal wieder gut. (7)
5,05
S: Omar can’t fuck off far enough.
He should rehire his old rhythmsection. (0)
Stonerrocker, die einen Trip zu viel
genommen haben. Die Santana-Gitarre nervt. (1)
H: Hippies Hate Water. (3) J: Soundtrack für den Pilzfreunde e. V. bzw.
das danach. ‘ne durchdrehende:
(8) T: Albert Hofmann ist heuer 101
Jahre alt geworden. (10)
Die Mars-Volta-Hälfte kommt
hier fast ohne Gesang aus, was es
freilich nicht unbedingt leichter
macht. Bräuchte man mal eine Woche Urlaub für. Und dann danach
am besten noch eine. (5)
4,86
M: The kids are going to love it but I
think it sounds piss. (2)
Herrje! College-Rabauken. Und
jetzt noch schnell eine Stiege Miller Bier (aber bitte Rauchverbot beachten). (2)
H: Hab ich schon mal gehört, die
Band hieß aber anders. (2) J: Leider
die »New Fellas«-Schnoddrigkeit
im Hi-Fi-Land versoffen. Im Andenken (5) Halbe bitte. T: Kann mal als
Freunde haben. (8) – (5)
Die Gebrüder Cribs konnten mich
merkwürdigerweise noch nie begeistern. Daran ändern auch das
Alex-Kapranos-Namedropping
und die deutlichen Strokes-Anleihen nichts. (4)
4,43
H: Erstaunlich frisch! Würde ich
mir kaufen. (8) J: Kann mich einfach nicht wehren. Schwelgende
(10) Punkte. T: Ane Brune ist dabei. (5) – (~7,7)
Richtig Englisch kann er immer
noch nicht, trotz L.A.-Aufenthalt.
Und er klingt immer noch wie Bruce Springsteen. Alles wie gehabt
bei Anders Wendin. Zum Beispiel
auch: schöne Songs. (7)
4,21
Nirvana Nevermind
The Cure Boys Don’t Cry
Duran Duran Duran Duran
The Buggles The Age Of Plastic
Sonic Youth 1981-2007
R.E.M. Automatic For The People
Blumfeld Old Nobody
Tocotronic Tocotronic
Björk Debut
Helloween Keeper Of The Seven
Keys Pt. 2
Mark Eitzel Songs Of Love
Kate Bush Hounds Of Love
David Bowie Low
Guns N’ Roses Appetite For
Destruction
Tom Waits Rain Dogs
Wie die Libertines ohne Pete Doherty. Gut abgehangener Pubrock
auf den Spuren von The Clash. (5)
_
Du arbeitest beim IntroAboservice mit und übernimmst
abteilungsübergreifende Aufgaben.
PRAKTIKUM PR & TV
Ab 15. Oktober 2007
S: It can not be low apart Rocket
From The Crypt than like that vocal. The music could be okay but I
don’t like his singing. (4)
M: That’s really bad. Nothing that
makes me want to talk about it unless somebody is holding a tape
recorder to my mouth. Nobody likes that. (0)
Ab 01. November 2007
Du arbeitest in der Intro- Redaktion
und bist eigenverantwortlich für die
Steil-Strecke und die Fotoredaktion
zuständig.
Du unterstützt die PR- Arbeit zu allen
Verlagstiteln und Events. Zudem
schneidest du Videos für die OnlineVerwendung.
PRAKTIKUM REDAKTION
BOLZEN
Ab 01. Oktober 2007
Zu deinen Aufgaben gehört u.a. die
Mithilfe in der Bolzen- Redaktion und
bei Turnieren.
DETAILS FINDEST DU UNTER
INTRO.DE/JOBS.
Deine aussagekräftigen
Bewerbungsunterlagen schickst du
bitte an:
jobs@intro.de
oder:
Intro Verlag GmbH & Co. KG
Personalabteilung
Herwarthstr. 12
50672 Köln
092 _ Intro _ Probefahrt
Probefahrt 09.2007
3 Normal Beatles
We Name It Justice
Buback / Indigo
Sie spielen auf der Straße und an Orten, wo sie ein Publikum erreichen,
das nicht zur herkömmlichen Indie-Peergroup gehört. Die »normalen Beatles«, das sind Klaus Ramcke,
Thorsten Seif und Ted Gaier. Wer aufgrund dieser Biografien Agitprop erwartet, liegt nicht mal ganz falsch: Zwischen den Stücken wird gerne lange mit
dem Publikum diskutiert (was auch seinen Platz auf die Platte fand), da gibt es
Pamphlete und Parabeln, Sinnbilder
und Parolen in bester Brecht-Tradition zu hören. Zu der Musik will das auf
den ersten Blick gar nicht passen, denn
die besteht vorwiegend aus Mittsechziger-Coverversionen – Songs wie »Painterman«, »My Generation« und »Set Me
Free«, also Perlen der Mod-, Beat- und
Soul-Ära. Das Repertoire der 3 Normal
Beatles soll inzwischen mehr als 90
Stücke umfassen, ein knappes Viertel
davon hat nun den Weg auf Vinyl gefunden. Das Trio bemüht sich dabei weder
um möglichst originalgetreue Wiedergabe noch um spieltechnische Finessen. Es kommt ruppig daher, dem rauen Stil der Straßenmusik angemessen,
wo nichts allzu ausgetüftelt sein darf,
da man das Publikum sofort packen
muss. Eine Spur Nostalgie ist nicht von
der Hand zu weisen: Der Furor, mit dem
diese Stücke eingespielt wurden, lässt
keinen Zweifel daran aufkommen, dass
hier Fans am Werk sind. Fans, die womöglich auch der gesellschaftlichen
Wirkung nachtrauern, welche Pop und
Style in den Sechzigern einmal hatten.
Allen an diesem Projekt Beteiligten
dürfte allerdings klar sein, dass Popkultur längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Weil der Bürgermeister von Hamburg – frei nach den
Goldenen Zitronen – inzwischen Tocotronic hört und der Kampf um linken
Vorsprung durch Style erst einmal verloren ist, wird bei den Normal Beatles
nicht der Rebell rausgehängt, sondern
der Streetworker. Rock’n’Roll als Erziehungsmaßnahme.
Nur eine Frage noch zum Thema, um
über alles reden zu können. Beatles
oder Kinks?
Ted Gaier: Beatles oder Kinks? Keine Ahnung, wir machen diese Musik
nicht aus Fantum und jugendkultureller Abgrenzung. (Hängen geblieben sein auf Jugendkulturweltbildern
mit 42? – Schlimme Vorstellung!) Nein,
es geht um Hysterie und eine egalitäre Direktheit – und das Kommunikationsmittel dafür ist diese Musik, die auf
archaische Weise funktioniert. Nämlich darüber, dass sie kollektives Wissen oder besser Empfinden antriggert
und unmittelbar in die Körper geht. Ge-
rade beim Spielen auf der Straße haben
wir gemerkt, dass diese Musik auch bei
Leuten, die die Songs nicht kennen und
sich vielleicht sogar gar nicht wirklich
bewusst mit Musik auseinandersetzen,
ein familiäres Gefühl herstellt. Zum
Klang, zum Rhythmus, der Haltung.
Und das gilt für Leute, die mit Elvis und
dem Starclub groß geworden sind, gleichermaßen wie für Punk-Sozialisierte
und Mojo-Club- oder WMF-Gänger. Und
alle, die seit den 50er-Jahren mit irgendwie rebellischer Popkultur in Kontakt
kamen, können darin ein Stück eigener
Erinnerung wiederfinden. Denn es ist
tatsächlich so, dass der Kram trotz des
rohen Sounds auch auf bürgerlichen
Hochzeiten generationsübergreifend
funktioniert. Die Songs sind also pures
Rohmaterial für diese Art von Verknüpfung. Welche das dann im Einzelnen
sind, ist fast schon egal.
Martin Büsser
Aesop Rock
None Shall Pass
Definitive Jux / Rough Trade
Spricht in HipHopland eigentlich
noch irgendjemand vom next Level,
das doch bitteschön dringend erreicht
werden müsse? Oder geht es nur noch
um das ewige Ausdehnen in die Breite einerseits, die immer tiefere Versenkung ins eigene Material andererseits?
Auch wenn Labelboss El-P die Messlatte mit seinem diesjährigen Album hoch
gelegt hat, Aesop Rock scheint sich
nicht recht von der Stelle zu bewegen.
Auch auf seinem fünften regulären Studioalbum ist sein Wordplay exzellent,
die komplexen Doppelreime sitzen, der
Fremdwörterduden ruht wohl immer
noch auf seinen Knien. Noch immer
bleibt er den Klischee-Codes fern, er ist
idiosynkratisch und ganz höchstpersönlich. Ja, er hat seinen Modus Operandi gefunden. Dieser Ansatz war allerdings auch immer sein Problem: Sein
stählerner, stoischer Flow bleibt auf die
Dauer allzu einseitig – sogar das Tempo
bleibt ähnlich ausgependelt. Kein Hass,
keine Wut, kein Enthusiasmus, nur wenig Dynamik. Nirgends. Die Kunst ist es
doch, auch den banalsten Quatsch mit
einer derartigen Selbstsicherheit vorzutragen, dass sich niemand entziehen
kann. So bleibt Aesop Rock ein gewaltiger Hirnfuck. Allein das träge Fleisch
bleibt unberührt.
Heiko Behr
Beatallica
Sgt. Hetfield’s
Motorbreath Pub Band
Oglio / Cargo
Lars Ulrich schickt ja schon mal seine
Anwälte los. Unlängst dem Vernehmen
nach sogar ausnahmsweise mal nicht,
um die eigenen Fans in den Kerker wer-
fen zu lassen, sondern im Dienste einer
guten Sache: Die Quatschcombo Beatallica aus Milwaukee war in Streit mit
den Inhabern der Rechte an den BeatlesSongs geraten: Die fanden es ungehörig, dass Beatallica Beatles-Songs
mit denen von Metallica verschneiden
und »Hey Jude« in »Hey Dude« überführen. Dass das gar nicht verklagenswert, sondern enorm lustig ist, zeigen
bereits Songtitel wie »Blackenend The
U.S.S.R.«, »Leper Madonna« und »... And
Justice For All My Loving«. Im humororientierten Teil des Internets kursierten die Songs schon länger, jetzt durften sie auf CD erscheinen. Jaymz Lennfield, Grg Hammetson, Kliff McBurtney
und Ringo Larz gehören natürlich trotzdem verklagt – und zwar von Hetfield
wegen übler Nachsingerei. Denn dessen
musikalisches Wirken nimmt durch
punktgenaue Parodie von Phrasierung
und Vokalfärbung ernsten Schaden: Zukünftig wird man sich nicht nur bei Beatallica schrottlachen, sondern auch jedes Mal, wenn man das Original hört.
Obwohl, wenn das tatsächlich der Effekt wäre, ist wirklich eine Klage fällig.
Boris Fust
Blood Red Shoes
I’ll Be Your Eyes
V2 / Universal
England hat eine neue, überaus verlässliche Geschmackspolizei. Die
heißt weder NME noch Artrocker Magazine. Sie geht noch zur Schule, treibt
sich sonntagnachmittags in den angesagtesten Clubs herum, ist zwischen
zehn und achtzehn Jahre alt und nennt
sich selbst »Underage«. Die aktuellen
Darlings der Szene heißen Blood Red
Shoes, kommen aus Brighton und liefern den passenden Soundtrack zu
Teenage Angst und Kleinstadtenge.
»It’s Getting Boring By The Sea«, singen Steven Ansell und Laura-Mary Carter im Opener und beschwören den adoleszenten Ausbruch aus den Kurorten
dieser Welt. Von ähnlich essenzieller
Roughness sind auch »You Bring Me
Down« und »Try Harder«. Insgesamt
gibt uns das Duo auf seiner EP »I’ll Be
Your Eyes« die britische Version der
White Stripes, nur eben mit vertauschten Rollen, viel viel tighter und in der
Tat eben auch ein bisschen authentischer. Und genau das gehört, wie das by
the Way formidable Artwork von Sängerin Laura-Mary Carter, zum Gesamtkonzept von Blood Red Shoes. »We don’t
want to come off like rock stars or some
amazing otherworldly beings – we’re
just two people making music and the
whole fan and band divide is boring
and old now. We’re all part of the same
thing«, finden Steven und Laura-Mary.
Da kann es schon mal vorkommen, dass
die Band nach einem Gig mit ihren eige-
nen Fans verwechselt wird. Ein Türsteher beobachtete Sängerin Laura-Mary
beim Weintrinken, hielt sie für »underage« und verfrachtete sie kurzerhand sehr unsanft vor die Tür. Der Legende nach sollen die Kumpels von den
Rumble Strips rechtzeitig eingeschritten sein. Well done, kids!
Christine Franz
Broken Social Scene
presents Kevin Drew
Spirit If ...
Arts & Crafts / City Slang /
Universal
Okay, ich gebe zu, ich habe das Konzept
nicht verstanden: Da nimmt BrokenSocial-Scene-Chef Kevin Drew ein Soloalbum auf und lädt dazu als Musiker,
genau, Broken Social Scene ein. Und so
klingt das Album dann eben auch wie
ein Album seiner Band. Egal. Ist ja doch
sehr gut so. Denn meinetwegen könnten BSS jedes Jahr ein Album raushauen. Dieser Überschwang, die Melodien,
der Krach, das Sentiment, der Witz, die
Arrangements mit Pauken und Trompeten – ein Traum. Aber das weiß ja hoffentlich eh jeder schon. Noch nicht?
Dann rufe ich es allen zu, auch wenn
es einige die-Buttons-an-ihrer-Cordjacke-polierenden Jünglinge verstört:
Nein, das ist kein Indierock. Das ist Popmusik. POPMUSIK. Oder besser noch:
Das ist Musik – eingespielt mit ein paar
Freunden. (Und mit dem Songtitel des
Jahres: »You’re Too Beautiful To Fuck«.)
Gemeinsam ist man eben doch weniger allein.
Tobias Mull
Caribou
Andorra
City Slang / Universal
Vorspiel war gestern. Hier geht es
gleich richtig zur Sache. Keine zwei
Sekunden dauert es, da hat Dan Snaith
schon voll aufgedreht und saugt einen
in einer knallbunten Spirale ekstatischer 60s-Psychedelik ein. Treibende
Garagen-Drums, wildes Schellenrasseln, ein verzerrter Bass, Hippie-Querflöten, sich förmlich überschlagende Twang-Gitarren und ein völlig abgedrehter Gesang lösen bereits beim
Opener »Melody Day« das ein, was der
Snaith-Freund Kieran Hebden (Four Tet)
mit seinem letzten Albumtitel meinte:
»Everything Ecstatic«. Im Info verrät
der gebürtige Kanadier, der Anfang des
Jahrtausends die Welt noch als Manitoba mit richtungsweisender Folk-Electronica beglückte, dass er sich seine
Kicks nach dem Abschluss seiner Mathe-Promotion nun beim TrampolinSpringen und musikalisch u. a. bei den
Zombies und cineastisch bei Werner
Herzogs 60er-Jahre-Dokumentarfilmen
holt. Ein Jahr auf Tour und ein weiteres
Intro _ Probefahrt _ 093
Animal Collective
Strawberry Jam
Domino / Rough Trade
in Isolation hat Dan Snaith Zeit gehabt
für dieses Album. Dafür sprüht »Andorra« nun nur so vor grandiosen Einfällen,
abenteuerlichen Sounds und großartig
abgehobenen Melodien. Vom einstigen
Elektronik-Gefrickel ist nur noch wenig zu hören, und obwohl Snaith alle Instrumente selbst einspielt, strotzen die
Songs nur so vor unmittelbarer Live-Energie. »She’s The One«, eine Kollaboration mit Jeremy Greenspan von den Junior Boys, klingt z. B. so, als hätte Timbaland auf LSD die Beats produziert und
dann Brian Wilson die Melodie und das
Streicherarrangement überlassen. Bei
»Irene« eiern die Synths, dass einem
schwindelig wird, und Songs wie »Sandy« oder »Eli« sind sowieso hörbar beeinflusst von Kraut und Psychedelik,
und bei »Sundialing« fragt man sich,
wie so ein eigenbrötlerisches Vorgehen solch explosive Musik hervorbringen kann. »Andorra« ist ein echtes EinMann-Wunder, bei dem man nach neun
Stücken irgendwann wieder verdutzt
im Diesseits landet und sich fragt, warum Dan Snaith nicht schon längst von
irgendjemandem zum größten Freak
auf Erden gewählt worden ist.
Bestimmt gab es einmal eine Zeit, in der Musik mehr war
als Dudelfunk im Kaufhaus, Dauerbeschallung und omnipräsente Tapete in Aufzügen und U-Bahnhöfen oder Emotionsverstärker in Fußballstadien. In der Musik nicht als
ein Produkt unter vielen der puren Reproduktion des ewig
Gleichen und Erhaltung des Status quo diente und, um es im
Jargon zu sagen, nicht »Thema« war, sondern »Erfahrung«
meinte, vielleicht sogar eine kollektiv erlebte. Daran erinnern Animal Collective im Zeitalter der Entmaterialisierung
der Musik. Sie erzählen die Geschichte einer Band, die sich
live selbst und mitsamt dem Publikum wegtragen lässt, die
das klassische Nächstes-Stück-Applaus-Zugaben-Medley
aufzulösen scheint, und dabei geschieht etwas, was bei manchen schon mal in epiphanische Zustände münden kann.
Die Alben stellen den Versuch dar, den Reifeprozess des Materials abzuschließen, um zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon längst wieder zu neuen Ufern aufgebrochen zu
sein. »Neuerfindung« ist das Wort, dabei entwickeln sie sich
nur asynchron zum Zirkus und gemäß ihrer eigenen Parameter. Bislang jedenfalls. »Strawberry Jam« speist sich verstärkt aus elektronischen Klangquellen, der Gesang ist weniger verfremdet, weiter nach vorne gemischt, die Produktion
deutlich komprimierter und glatter, das Ganze aber detailgespickter und, wie immer: freak-out. Panda Bears Soloalbum
»Person Pitch« scheint noch recht nah, der AC-Vorgänger
»Feels« auf rein klanglicher Ebene nicht mal mehr in Reichweite. Die Essenz dessen, was diese Band ausmacht, bleibt
trotz veränderter Mittel spürbar. Was live Spannungsbögen
auf viel ausgedehntere und verspieltere Weise aufbaut, fin-
det sich hier konzentriert auf ganze 26 Sekunden wieder, ehe
sich die verschwurbelten Rhythmen im Opener »Peacebone«
zu einem dichten Strang gebündelt haben. Bei »Reverend
Green« oder dem großartigen »Fireworks« entfaltet die rhythmisch-perkussive Vielfalt (der Mittelteil!) eine treibende Sogwirkung, und der bisweilen hymnische Charakter scheint seine Auflösung stets schon mitzutragen. Avey Tares Gesang,
Lead- und Backing-Vocals atemlos zusammenpressend und
lautmalerisch mit Worten spielend, ist derart demaskiert
ein Spiegelbild der Entwicklungsstufe, den die Band erreicht
hat: »Strawberry Jam« legt, von »Peacebone« und »Winter
Wonder Land« mal abgesehen, all das Wissen um Gitarrenmusik ohne die gängigen Strukturen – auf den letzten Alben
mit Gitarren umgesetzt – nun quasi auf elektronischem Weg
rückübersetzend frei. Das kommt zunächst in leicht entrückter Popgestalt daher, um mit besagtem »Reverend Green« einen neuen Anlauf in epischere Gefilde zu nehmen und gegen
Ende mit dem verstörenden »Cuckoo Cuckoo« und dem besänftigenden »Derek« den Wegbegleiter mit einer Masse an
gehörten Eindrücken zurückzulassen.
Mit dem mittlerweile achten Album hätten sie es sich bequem machen und das Spielchen einfach mitspielen können.
Sinnigerweise findet sich die Auseinandersetzung mit Alternativen in einem Kommentar zu einem Livemitschnitt auf
YouTube wieder: »I’m thinking of quitting my job and seeing
them in N. Mexico. WTF is money anyway, how long can this
go on?« Wer kann das schon wissen? Ihnen noch einen schönen Abend und eine geruhsame Nacht.
Joachim Henn
Christoph Büscher
Cepia
Natura Morta
Ghostly International /
Rough Trade
Süße Maschinenmusik, sanfte Melodie-Matrix oder doch sonnig-melancholisches Mysterium? »SMM« lautete
das geheimnisvolle Kürzel, mit dem das
US-Label Ghostly International vor einiger Zeit auf einer Compilation einen
neuen Genrebegriff lanciert hatte. Was
genau sich dahinter verbirgt, war nicht
so ganz klar, doch zu den verträumten
Electronica-Stücken von Huntley Miller
alias Cepia, die auf jenem Label-Sampler vertreten waren, schienen diese drei
Buchstaben perfekt zu passen. Mit dem
ersten Cepia-Album gelingt Miller nun
ein weiteres Mal das paradoxe Kunststück, die Uneindeutigkeit von SMM genau auf den Punkt zu bringen. Bei »Natura Morta« geht es grob gesprochen
um Atmosphärenmusik, die sich aufgrund ihrer Ruhe und ihrer gleichzeitigen Freude am Melodischen auch mit
dem Schlagwort Pop-Ambient fassen
ließe. Knistern, Wabern und Dröhnen
werden von harmonischer Watte und
Weichzeichner-Beats in die zuckersüße Popwelt eingemeindet. Dabei wirken
die Texturen von Millers instrumentalen Tracks tatsächlich so, als wären sie
in Sepia getaucht worden. Diese Computermusik klingt wie vergilbt und hat in
den endlosen digitalen Kreisläufen eine
dicke Schicht Patina angesetzt, an die
es sich behaglich anschmiegen lässt.
Arno Raffeiner
Chrome Hoof
Pre-Emptive False
Rapture
Southern / Soulfood
Im Zentrum der britischen Spektakelband Chrome Hoof stehen die Brüder
Leo und Milo Smee. Der eine spielt nebenbei bei den Doom-Metallern Cathedral, der andere ist Mitbegründer des
Tanzrockprojektes 5 Mic Cluster, das
auf dem legendären Output-Label von
Trevor Jackson mal ein paar Stücke veröffentlicht hat. Doom Metal vs. HipsterDiscopunk also. Die Mission ist eindeutig. Der psychedelische Funkjazz von
Sun Ra oder Parliament soll auf ziemlich rockistische Weise fortgeführt
bzw. neu interpretiert werden. Teilweise klingt das dann, als würde bei !!! oder
Battles ein waschechter muskelbepackter Achtzigerjahre-Metal-Schlagzeuger mit immenser Wut auf die Trommeln dreschen. Weiter vorne auf der
Bühne dürfen sich die beiden gebuchten Soulsängerinnen dazu austoben
und den Stücken den nötigen Groove
einhauchen. Zu den Fans der Band zählen bereits die Klaxons, Sun O)) und Jarvis Cocker, von dem man ja auch nicht
gedacht hätte, dass dieser zartbesaitete Schmalhüftler solch viriles Geballer goutiert. Schlussendlich bietet diese Platte nämlich weniger Disco, als der
Promozettel noch großspurig versprochen hat. Dafür aber sehr viel Rock. Teilweise klingt das einfach wie Cathedral
mit etwas weniger Gitarre, aber drei-
mal so viel Schlagzeug. Also um einiges
breitbeiniger als beispielsweise der fluffige Funkpunk einer Band wie !!!. Für
mich persönlich ist das nichts. Heißt
aber nichts. Denn ich habe auch nie
wirklich verstanden, warum man Bands
wie die Melvins oder die Queens Of The
Stone Age interessant finden muss.
Demnach ist hier also für viele viel drin.
gen Album voller Jingle-Jangle-Sounds
sollten The Clientele auch ohne Namedropping ein paar Ohren öffnen können.
Sebastian Ingenhoff
Wenn Bands von Neuanfängen erzählen, versuchen sie meist, ihre Fans und
nicht zuletzt sich selbst davon zu überzeugen, dass das letzte Album doch
nicht alles gewesen sein kann, dass da
noch mehr geht. Auch Coral-Frontmann
James Skelly, gerade zarte 26 Jahre alt,
bilanziert melodramatisch: »When you
almost lose everything, you don’t take
it for granted any more.« Er meint es offensichtlich ernst, er meint den Ausund Einstieg von Gitarrist Bill, Drogenprobleme und den Ausverkauf der eigenen Supersingle »In The Morning«. Für
»Roots & Echoes« haben sich die sechs
Westengländer wieder zusammengerauft und ihren Graskonsum reduziert:
Leichter und zielgerichteter klingen
die Aufnahmen, die zum größten Teil
in Noel Gallaghers Studio entstanden
sind. Wie immer schwingen die 60s, die
Doors, die Isley Brothers. Auf einigen
Stücken bricht dazu der Northern Soul
sehr angenehm durch. »Zeitlos« möchte die Band klingen. Tut sie auch, im besten und unpeinlichsten Sinne. Auch
textlich hat Skelly mittlerweile einen
guten Mix gefunden, orientiert am rich-
The Clientele
God Save The Clientele
Track And Field /
Rough Trade / VÖ 14.09.
Auch schon wieder das vierte Album
der Band aus London. Im UK so lala,
in den USA doch recht erfolgreich und
bei uns weiterhin eine »Ferner liefen«Band, was sich vielleicht ändern könnte, wenn der Link zu Lambchop und Bonnie »Prince« Billy gelingt, und zwar über
den Produzenten Mark Nevers. Dabei
musste er das Rad nicht neu erfinden,
denn der traumwandlerisch ins Ohr säuselnde 60s-Pop der vier war auch schon
vorher gute Ware, hier aber nun etwas
fröhlicher und fokussierter. Abwechslungsreiche, harmlos-schöne Songs mit
verehrenden Handzeichen in Richtung
The Monkees, Felt, Galaxie 500 und
Kings Of Convenience. Die entspannte
Grundstimmung und der massive Einsatz von Slide-Gitarren-Akzenten sind
musikalisch letztlich die einzige Verbindung zu Kurt Wagner und Bonnie
»Prince« Billy, aber mit diesem stimmi-
Klaas Tigchelaar
The Coral
Roots & Echoes
Deltasonic / Red Ink /
Rough Trade
094 _ Intro _ Probefahrt
Against Me!
New Wave
nicht besser als mit einem ihrer Songtitel zu beschreiben ist: »Hey, September,
I’m Glad To See You Again.«
Sire / Warner
Lutz Happel
»New Wave« wurde bereits heiß diskutiert, bevor auch nur
einer der Songs das Licht der Welt erblickt hatte. Echt!
Denn schließlich handelt es sich dabei, nach drei ziemlich erfolgreichen Indie-Alben, um das Major-Debüt von Against
Me!. Denjenigen, die bereits beim Wechsel zu Fat Wreck
Chords skeptisch die Brauen hochgezogen hatten, wird dieser Schritt noch weniger geschmeckt haben. Mit der Verpflichtung von Star-Produzent Butch Vig (Garbage) dürften
dann wohl einige Hardliner des Genres endgültig die ohnehin gerümpfte Nase voll gehabt haben. Trotzdem scheinen
Against Me! keine Band der schnellen Entschlüsse zu sein.
Das alles wirkte gut überlegt. Wie als Beweis liest sich da die
Zeile »Take some time to think figure out what’s important
to you« aus »Stop«. Außerdem sei gesagt, dass trotz MajorLabel die ideologischen Texte nicht zu kurz kommen. Keine
sichtbaren Einbußen in der Haltung. Aber ja, die Skeptiker
haben recht: »New Wave« ist das bisher poppigste Album von
tigen Leben: Er singt über Beziehungen,
Einsamkeit und seine Großmutter.
Christian Wessels
Crescent
Little Waves
Pias / Fat Cat / Rough Trade
Nach vier Jahren Abstinenz kommen
die momentan sechs Künstler aus
Bristol mit ihrem fünften Longplayer
um die Ecke. Die aus der äußerst fruchtbaren Bristol-Postrock-Dynastie der
Against Me!. Allerdings ist diese Entwicklung doch mehr als
nachvollziehbar: Schon auf »Searching For A Former Clarity«
war zu erkennen, dass der reine Folk-Punk der ersten Platten
diese Band nur einschränkt. »New Wave« setzt genau dort an,
wo der Vorgänger aufhörte: Trotz vermehrtem Pop-Appeal,
Discobeats hier und da und mit »Borne On The FM Waves Of
The Heart« einer Ballade, die diesmal kein Akustik-Song ist,
geht die Punk-Seele auch auf »New Wave« nicht verloren.
Beim Titeltrack und »Up The Cuts«, ach was, bei nahezu allen Songs möchte man sich das Shirt runterreißen, die Bierflasche oder Aktentasche hochreißen und lauthals mitgrölen. Nach wie vor besitzen Against Me! nämlich diese einzigartige Energie. Dass sie diese auch in dem einen oder anderen
musikalischen Experiment umsetzen können und wollen,
macht »New Wave« umso besser. Major-Debatte oder nicht, es
dürfte schwer werden, in diesem Jahr eine bessere Punk-Platte zu veröffentlichen.
David Winter
frühen 90er um Flying Saucer Attack,
Movietone, Foehn oder Third Eye Foundation stammenden Crescent verfolgen
konsequent den schon auf dem Vorgänger »By The Roads And The Fields« eingeschlagenen Weg der Reduktion, der
Drosselung konsequent weiter. Es wird
immer ruhiger und trauriger, bleibt jedoch angenehm ungeschliffen. Über
dem weitestgehend akustischen Songwriting liegen allerlei seltsame Samplefetzen, Fehler; rhythmische Unstim-
migkeiten wurden extra beibehalten,
die Aufnahmen stammen nicht nur von
zu Hause, sondern auch aus englischen
Kinos und Wäldern. Die Tendenz geht
zu mehr wankelmütigen Saxofonen,
Trompeten und jeder Menge OutdoorRecordings, kurz: hin zur Verschrobenheit. Dem gegenüber stehen die mitunter recht verlebte Stimme Matt Jones’,
ein paar Referenzen ganz alter Grammofon-Platten und der Psych- und Folk
der 60er. Insgesamt eine Platte, die
NEW
PORNOGRAPHERS
ELVIS PERKINS
>> challengers
>> ash wednesday
The New Pornographers
feat. Carl Newman, Dan Bejar, Neko Case
„Ash Wednesday“ ist das bewegende Debüt eines
Menschen, den Schicksalsschläge nicht zugrunde
gerichtet, sondern zu einem Künstler gemacht haben.”
Laut.de
“Das Konzept der New Pornographers ist einfach wie
auch effektiv: Sie repräsentieren die für kanadische
Indie-Bands so typische Gelassenheit und treten aktuelle
Populär-Konzepte mit Füßen. Dass dabei trotz alledem
eine Platte entstanden ist, die vor großen Pop-Hymnen
nur so sprudelt, ist eine Tatsache, die wir aus der
Vergangenheit nur allzu gut kennen.“
“Ash Wednesday ist ein ausgezeichnetes Singer/
Songwriter-Album, das trotz seiner Tragik auch Platz für
erleuchtende Momente zu bieten hat und auch gerade
deshalb so wunderbar ehrlich und lebendig klingt.”
CD Starts
>> Live: 02.10. Berlin
www.beggarsgroup.de
The Cribs
Men’s Needs, Women’s
Needs, Whatever
Warner
Euphorie und Knarz bleiben die
Hauptzutaten einer Cribs-Platte. Nur
muss man diesmal noch einen Schuss
Namedropping addieren. Immerhin
stand hier nicht nur Ferdinand Franzens Alex Kapranos als Produzent an
den Reglern, sondern auch Lee Ranaldo von Sonic Youth am Mikro. Der raunt
bei »Be Safe« ein herrlich mies gelauntes Gedicht vor sich hin, während die
Cribs Gitarre und Bass bearbeiten und
den gegrölten Refrain beisteuern. Dieser Track ist ihr Meisterwerk, und vielleicht ist es bezeichnend, dass ein außen stehender Künstler den Hauptanteil daran für sich beanspruchen kann.
Nicht, dass man die Drillinge aus Wakefield, West Yorkeshire als unoriginell abwatschen sollte. Ihr angetrunkener, zynischer Punkpop ist passgenau
geschneidert und reißt einen bei Tanzlaune gleich vom Pub-Hocker. Dennoch
verlaufen die Songs zu oft nach Schema Cribs. Schlagzeugpoltern, Gitarrenknarz in tanzbare Melodien gehackt
und der Refrain zum Unter-die-ArmeGreifen. Das haben sie drauf, das wis-
Neues Album „Kala“
ab 24.08. im Handel
www.myspace.com/beggarsgermany
Intro _ Probefahrt _ 095
sen wir bei Album Nummer drei. Aber es
sind gerade die stilistischen Ausbrüche
wie besagtes »Be Safe« oder die Ballade »Shoot The Poets«, die schmerzhaft
zeigen: Verdammt, die könnten ja sogar
noch mehr! Anyway, ihr Major-Debüt
dürfte den Durchbruch klarmachen,
und dann heißt’s: Rückgrat zeigen.
einiges darüber lernen, wie man erstklassige Musik macht. Das Ganze wird
von Musikvideo-Regisseur Jason Goldwatch schnell, unterhaltsam und mit
dem gewissen Sinn für unfreiwillige
Komik in Szene gesetzt, und das Schöne ist: Diesen ständig breiten Typen
wünscht man den Erfolg wirklich von
ganzem Herzen. Auf der DVD sind u. a.
noch alle Videos der Band, und eine vorwiegend mit Remixen bestückte BonusCD ist auch im Package. Das ist doch
mal was Reelles!
Daniel Koch
Dilated Peoples
The Release Party
DVD+CD / ABB / Groove Attack
Die Dilated Peoples gehören
mit Sicherheit zu den verdientesten
HipHop-Acts dieses Jahrzehnts, und
deshalb macht es durchaus Sinn, ihnen eine abendfüllende Doku zu widmen. Die Back-to-the-Basics-Helden
lernen die Tücken der Musikindustrie
kennen, ziehen sich am eigenen Schopf
aus Knebelverträgen, erzielen in Eigenregie erste Erfolge, werden erneut vom
Major geködert und feiern nach Beendigung ihres 5-Record-Deals mit Capitol endlich die namensgebende Befreiungsparty. Gnadenlos gut gekickt haben sie sowieso immer, und hier gewähren sie glücklicherweise einen interessanten Einblick in ihre Zunft. Von niedlichen Aufnahmen des 7-jährigen Babu
beim DJing (!) über Evidences Arbeit am
Sampler bis zu der Wahl des richtigen
Mics und der Zusammenarbeit mit Giganten wie Eric Sermon, B-Real, KanYe
West, Guru und DJ Premier kann man
Helmar Becker
Diverse
Goldkante. Das Lolila
Familienalbum
&
Martin Riemann
Kombinat Feinripp
Probantenstadt
Diverse
OST – Freigespielt
Beide Lolila / Broken Silence
Stereo Deluxe / Edel
Ach, wie gern haben wir auf den Rängen gesungen: »Mehmet Scholl ist heterosexuell, heterosexuell, heterosexuell!« Und noch viel lieber sahen wir
das bayerische Supertalent mit dem
türkischen Vornamen spielen. Oft verletzt, gern mal mit Auszeiten auf dem
Feld, aber letztlich doch ein richtiger
Knaller. Schade, schade, dass er sich
jetzt vom aktiven Sport verabschiedet
hat. Na, dann bleibt immerhin mehr
Zeit für sein zweites Steckenpferd:
»sexy aussehen« und sein drittes: Musik. Nach der Compilation auf Blickpunkt Pop vor Jahren nun eine weitere
Zusammenstellung nach Gusto des Indie-Kickers. Es gibt bajuwarisch Patriotisches wie Fertig Los!, »Ein Geheim-
J
JETZTD!
nis«, und wie schon auf seiner ersten
Nummer die Sporties (mit »Dem Fritz
sein Wetter«), aber auch Internationales wie Beirut, Peter Bjorn And John und
CocoRosie oder Klassisches wie Velevet
Underground (»Sunday Morning«) und
»Für mich soll’s rote Rosen regnen« von
Hildegard Knef.
O
H
N
N
Wohlklingende Namen wie Bout
D’Chou, Kiesgroup oder Pawnshop Orchestra, die allesamt auf dem fein alliterierenden und seit nun schon zehn Jahren prosperierenden »lovely little label«
(lolila) erscheinen, waren mir bisher Synonyme für anstrengende Abenteuer in
Lo-Fi, die meine nicht sein sollten. Derart verschlossen hielt ich mich für leise Töne weiterhin an jene Bands, die so
dicht aneinander niedergeschrieben
an ein Bild aus den Händen eines Dreijährigen erinnern: Busch und Wolke.
Zumindest Letztere linken jedoch ein
Stück in die Welt des liebenswerten Lilas: Als labelfremde Freunde besuchen
sie das »Familienalbum« mit ihrem Klavier-Smasher »Drei Worte«, der sich prima in diesen Querschnitt des gar nicht
Y
D
E
P
so leisen Clever-Pop einreiht. Entdecker
wie ich staunen über den schönen Titel
»Urlaub in der Nachbarstadt« oder das
absolut unmathematische Gefrickel
von Graph und erwerben die Zusammenstellung zum Nichtpreis von vier
Euro. Fortgeschrittene schielen auf die
Limited Edition, die mit Blattgold, äh
..., Goldprägedruck daherkommt. Zu all
dem Glitzerglitzer gibt es zur Feier der
Dekade noch Aufkleber, Buttons und
so. Was man halt braucht als Fan des lolila-Komplex’. Denn ein solcher wird
man mitunter recht flott.
Bei mir zündete nach Vorarbeit des
Samplers das Ein-Mann-Kombinat
Feinripp mit »Probantenstadt«. Wie
geil es ist, wenn hier Blumfeld-, Lennonund gar Tracy-Chapman-Verweise die
hochmelodiösen, bei tatsächlich jedem
Durchgang wachsenden, meist nur behutsam von einem Piano begleiteten Gitarrenstücke dekorieren. Dazu Zeilen
wie »Ich liebe dein Gespür für Chatchiness«. Ich, lieber Zloty Vazquez, deines
für dieses Album und ganz besonders
für »Last Waltz«. Eine gewaltige Platte.
Glückwunsch auch dazu.
Peter Wittkamp
Diverse
OST – Hallam Foe
Domino / Rough Trade
Den beeindruckenden Film von David
Mackenzie konnte man via Intro ja gerade als Preview sehen. Genau so lohns-
P
DIE N EUN PFORTE N
V
AUF D
SPECIAL
S
P E C I AL E
EDITION
DITION
E
EDLES
DLES 2
2er
er LEDERMEDIABOOK
LEDERM
MEDIABO OK MIT
MIT
UMFANGREICHEM BOOKLET
 RANDVOLL MIT BONUSMATERIAL 
Kinowelt Home Entertainment GmbH
mbH – Ein Unternehmen der Kinowelt Gruppe
www.kinowelt.de
096 _ Intro _ Probefahrt
Dirty Soundsystem presents
Dirty Space Disco
EA80
Reise
Musikzimmer
Tigersushi / Al!ve
Freiheit macht arm. Als Musik-Act, der veröffentlicht wird,
kann man sich gut und gern auch mal völlig eingeknastet fühlen. Man kann nur Alben rausbringen, muss also stets einen
Entwurf mit zehn, zwölf Tracks fertig stellen. Und am besten
auch noch eine Hitsingle. Und sich sklavisch an Vö-Daten halten und immer nur auf Tour, wenn gerade was in den Läden
steht. Ziemlich tightes Schedule, wenn man bedenkt, wie wenig ein Album nur noch über das Szenario Plattenladen verkauft. Dirty Soundsystem haben sich von Anfang an (und das
meint Anfang dieses Jahrtausends) gegen diese Railroad ge-
wert in Bezug auf Schauspielskills, Detailfreude, Breitwand-Emo und Weirdness präsentiert sich der Soundtrack.
Statt eiskalter abgegriffener Klassiker
wird hier fein säuberlich der musikalische Background des Films ausgeleuchtet. Und das fördert richtige Schätze zu
Tage. U.a. von King Creosote, Hood, Future Pilot Aka, Franz Ferdinand, Clinic,
Orange Juice, Junior Boys. Eine dominolastige Zusammenstellung plus X. Damit kann man doch was anfangen.
Kai Klintworth
Diverse
Nu Juwish Music
V2 / Universal / VÖ 07.09.
Was unterscheidet »jüdische Musik«
von »Musik von Juden«? Folgt man die-
wehrt. Hauten Songs, wenn sie fertig waren, schon (weit vor
dem MySpace-Boom) einfach auf ihre Webseite, organisierten lieber Partys statt Touren und sammelten Freunde und
ähnliche Styler für eigene Compilations ein. Ein solches Disco-Gulasch haben sie nun auch für Tigersushi zusammengestellt. Auf Genre-Schranken ist gekotzt und trotzdem klingt
alles wie aus einem Guss. Das muss man erstmal hinkriegen.
Heiß, kalt, Fast Forward oder Stop And Go. Alles ist möglich
und alles ist auch nötig, wenn man nicht in der Gefälligkeit
versumpfen will. Großartiger Entwurf.
Helmar Becker
sem Sampler, auf dem weder Yo La Tengo noch die Beastie Boys vertreten sind,
ist es der Klezmer-Faktor, der jedenfalls
nicht unbedeutend ist. Dabei stehen
am Anfang und am Ende einer durchaus eklektischen Reise durch Musik,
deren Jiddischkeit keineswegs selbstverständlich ist, einfach nur bezaubernde, traumhafte und doch grundverschiedene Songs – zu Beginn ein Track
vom kanadischen HipHop-Bastler SoCalled, der in dieser Form auch von den
Roots mit Unterstützung durch Erykah Badu hätte kommen können, und
mit Yael Naims (auf Hebräisch gesungenem) »Paris« eine zerbrechliche FolkSong-Miniatur am Ende. Was dazwischen zu hören ist, zeigt, dass der Begriff »Klezmer« nicht zwingend allein
eine bestimmte Musik-Form bezeichnet, sondern auch eine Einstellung zur
Musik, einen Fundus, aus dem diese
Musik schöpft. Da bietet diese »Nu Juwish Music« einiges von dem, was auch
unbedarfte HörerInnen bei dem Etikett »jüdisch« vielleicht erwarten (Klarinetten und traurige Geigen), und anderes, das eher überrascht. Gerade die
vielen orientalischen Klänge zeigen,
dass hier eine Kulturvielfalt regiert, die
weit entfernt ist von einer MultikultiBeliebigkeit – die Frage, ob auch NichtJuden (Goyim) Klezmer spielen dürfen,
wird zwar gestellt, bis auf Weiteres aber
auch bejaht. Denn die Mischung, zu der
natürlich auch Goyim etwas beitragen
können, macht’s noch immer.
Mark Swatek-Evenstein
Es gibt Bands, die fungieren als Katalysatoren der Negativität. Angst, Wut,
Trauer rein, Power raus. EA80 gehören nicht dazu. Denn diese vier Musiker
sind nicht dazu da, uns zu dienen und
Erleichterung zu verschaffen. Dazu ist
ihre ästhetische, geschäftliche und stilistische Verweigerungshaltung viel
zu ausgeprägt. Katharsis-Dealer ebenso wenig wie Befindlichkeits-Masturbatoren, beschreibt die seit über 25 Jahren aktive Punkrock-Macht aus Mönchengladbach das Dasein so poetisch
wie nüchtern. EA80 evozieren in ihrer
Musik auch heute noch Bilder von Tristesse und Schönheit und geben dem Gefühl, im nachmittäglichen Dauerregen
in der Bauwagensiedlung zu sitzen und
sich zugleich als Beobachter und Verstoßener zu fühlen, eine Stimme. Sie durchdringen, beschwören und fordern auf,
versprechen aber nicht, dass alles gut
wird, solange die Kids nur ordnungsgemäß united sind und die Regeln einer
Szene befolgen, die »Freiheit« sagt und
zu weiten Teilen »Lifestyle« meint. Keine Furcht vorm Denken, Pathos zum
Kumpel, Trübsal als Motor und die Kraft
des Nonkonformismus, der Autonomie
– nach wie vor beseelen sie die Songs dieser einzigartigen Band. Zum Verkauf
aber steht hier rein gar nichts. Schon
gar nicht die Erlösung.
Ulf Imwiehe
Intro _ Probefahrt _ 097
The Enemy
We’ll Live And Die
In These Towns
Warner
Figurines
When The Deer
Wore Blue
Pop-U-Loud / Pias / Rough Trade
»Entweder du hängst den ganzen Tag
in Pubs rum, oder du gründest eine
Band.« Tom Clarke, Sänger und Gitarrist von The Enemy, hat sich für Letzteres entschieden. »Wir wollen gar
nicht wie Billy Bragg werden oder politische Statements ablassen, wir wollen die Leute einfach nur aufwecken.«
Das scheint zu klappen: Mit zwei Freunden kämpft Clarke seit gut anderthalb
Jahren erfolgreich gegen die Langeweile. Die Milchbubis aus Coventry veröffentlichten eine erste Single auf dem
wiederbelebten Stiff-Label (The Damned, Elvis Costello), landeten mit »Away
From Here« einen Top-Ten-Hit, und zum
guten Schluss stieg ihr Debütalbum
Mitte Juli an der Spitze der UK-Charts
ein. Warum die ganze Aufregung? Nun
... das Trio powerpoppt zwischen Ash,
Clash und Maximo Park – ein paar griffige Slogans, überzeugende Hooks, catchy Melodien. Hier und da ein Gitarrenbrett, dazu mitunter die gereckte Faust.
Klar, ein bisschen arrogant und größenwahnsinnig ist man auch. Behauptet jedenfalls die Plattenfirma. »Respekt, Jungs«, könnte man das unter
dem Strich wohl nennen und sich nicht
weiter darum kümmern. Aber man ist ja
kein Engländer ...
Dass Skandinavier gute Cowboys abgeben, konnte in den letzten Jahren ja erstaunlicherweise immer wieder bewiesen werden. Bisher nicht unbedingt bekannt waren allerdings ihre Qualitäten
im Bereich der Surf-Musik. Und doch:
Die amerikanische Westcoast ist ab jetzt
in Dänemark zu finden, denn was die Figurines auf ihrem dritten Album zelebrieren, würde Brian Wilson vor Neid erblassen lassen. Wie einst die Beach Boys
in ihren besten Tagen stehen hier wunderbare Harmoniegesänge neben träumerischen Melodien und ausufernden
Arrangements. Klar, zwischendurch ertönt die eine oder andere Indierock-Gitarre – die Band will ihre Herkunft ja
auch nicht negieren –, doch ansonsten
herrscht Westcoast-Surf-Atmosphäre,
die neben den Beach Boys auch an die
Zombies oder Love erinnert, allerdings
ohne jemals so richtig Retro zu sein, was
dem Ganzen einen angenehm unaufdringlichen Aktualitätsnachweis verleiht. Eine Entdeckungsreise, nicht nur
für Liebhaber der großen Wellen.
Christian Wessels
Glaubt man der Promotion, so han-
Sascha Seiler
Fog
Ditherer
Lex / Rough Trade
delt es sich bei Fog um die künstlerisch wertvollste Rettung der elektrischen Gitarre seit mindestens Radiohead. Aber in der Pop-Verwertungskette sind Manowar ja auch eine authentische Band und Linkin Park radikale
Innovateure. Im Falle von Fog aus Minneapolis, USA haben wir es angeblich
mit Avantgarde-Rock’n’Roll zu tun.
Dabei ist das Trio weder das eine noch
das andere. Was hier mit der Worthülse »avantgardistisch« bemüht E-musikalische Weihen erhalten soll, haben
Dutzende ähnlich agierende Künstler
bereits wesentlich spannender inszeniert. Und so richtig die Rawk-Sau lassen Fog auch nie raus. Dennoch ist ihre
Mixtur aus versponnenem Prog, folkigen Grübeleien und zuckerschnutigem
Indie-Pop, abgeschmeckt mit mal knispeligen, mal altbackenen ElectronicaEinsprengseln, durchaus gefällig. Gelegentlich gibt man sich zwar betont verstiegen und stellt den gedankenschweren Dichter aus, macht aber nix, solange die Musik so schlau und dabei unauffällig perlt. Schließlich will man ja niemandem wehtun.
Ulf Imwiehe
se-Papst Guido Lucas. Und so finden
sich auch bei dieser Kooperation von
Krawalleros aus dem Dunstkreis der
Kieler Rock-Bestien Smoke Blow und
dem bärtigen Maestro die typisch wavigen Cure’esken Flanger, wehmütigen Gesangslinien und traurig-trotzigen Riffs. So weit, so desensibilisierend
gewöhnlich. Genepool geben sich aber
nicht mit schnödem Krachgerocke alter
Schule ab. Der Knüppel, den sie der auch
nicht mehr ganz so drahtigen Mähre
Noiserock zwischen die Hufe schmeißen, ist vom Disco-Baum gebrochen
und dürfte Tausende Ärsche auf dem
Dancefloor zum Wackeln bringen. Da
bounct die Bassdrum, da zirpen die Synthesizer, und alles ballert so ziseliert
wie hoolig rockend nach vorne, dass
sich die Band, käme sie aus England,
wohl in kürzester Zeit als das nächste
ganz große Wild im Blätterwald wiederfinden könnte. Die perfekte Mischung
aus düster-melancholischer Gitarrenwucht und nacktem Hedonismus.
Ulf Imwiehe
Gentleman
Another Intensity
Four Music / SonyBMG
Genepool
Sendung/Signale
Noise-o-lution / Indigo
Das nennt man wohl Sound-Signatur:
Ein Akkord, eine Melodie – und sofort
erkennt man die Handschrift von Noi-
Reggae ist in erster Linie eine Haltung.
Das zeigt auch Gentleman wieder
deutlich auf – mit »Another Intensity«
legt er nun bereits sein viertes Album
vor. Und obwohl er unzählige Konzerte
auf allen fünf Kontinenten erfolgreich
098 _ Intro _ Probefahrt
absolviert hat, bleiben auch die neuen
Songs unverwässert wie an seinem ersten Auftrittstag. Hier wird kein künstliches World-Music-Gebräu destilliert,
kein affektiertes Bad-Boy-Image getestet oder werden Riddims vom Computer
geknechtet. Wo Gentleman draufsteht,
ist auch immer der originäre Gentleman drin: straighter Reggae, mit richtigen Instrumenten in seine klassisch
skankende oder steppende Bewegung
versetzt, ohne sich als bloßer Roots-Copycat anzubiedern. Gastauftritte gibt’s
von Jack Radics & Rings, aber auch Reggae-Maniac Sizzla und der Soulsängerin Diana King. Dabei lohnt sich umso
mehr, auf jedes Detail zu achten: Reggae Music war lange nicht mehr so bunt
wie hier, ohne sich von den drei Farben
der Jah-Truppe zu entfernen.
Uwe Buschmann
Guy Gerber
Late Bloomers
Cocoon / Intergroove
dgd
15. BIS 22.
DEZEMBER 2007
1Woche
inkl. 6 Tage
Skipass,
Apartment &
Konzert
ab €
222,–*
Spätzünder? Das kann man Guy Gerbers Neo-Trance-Pop-Techno eigentlich nicht schimpfen. Denn auch wenn
der Produzent aus Tel Aviv die Höhepunkt-Dramaturgie, den DancefloorGesetzen entsprechend, in die Länge
zieht und immer schön weiter hinauszögert, so leuchten und glitzern seine
Tracks aufgrund ihrer klaren, fetten
und eben auch ziemlich edlen Soundästhetik schon vom ersten Moment an.
Das funktioniert sogar noch bei Downtempo-Nummern, die verschämt der
Space Disco Gute Nacht sagen, oder bei
dezentem Acid-House-Gezwitscher.
Gerber holt Einflüsse von Samba bis
Kraftwerk auf seine Aussichtsplattform und schenkt dort kollektiv gute
Laune aus. »Late Bloomers« ist Sekt auf
Eis im Musikformat. Genau so muss Balearica eben zu Hype-Zeiten von Minimal Techno klingen.
Arno Raffeiner
Giardini Di Mirò
Dividing Opinions
Homesleep Music / Cargo
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info@boarderweek.de
Wenn Postrock Musik ohne Worte bedeutet, sind Giardini Di Mirò in ihre
Post-Postrock-Phase getreten. Die italienische Band hat die Sprache (wieder)
gefunden und lässt so viel singen wie
selten zuvor. Nur einer der neun Titel
auf dem neuen, dritten Album ist instrumental. »July’s Stripes« ist zugleich
einer der Höhepunkte: Aus melancholischem Anfangs-Gitarrengezupfe steigt
schweres monolithisches Gedröhne
auf, das sich zu einem spacigen Outro
weiterspannt – Motorpsycho hätten es
kaum besser hingekriegt. Doch auch
in den gesungenen Titeln sind GDM
Meister der Dynamik und Dramatik,
nur eben songintegrierter. Als Gastsänger holten sie sich Jonathan Glancy
(Settlefish) und Glen Johnson (Piano
Magic). Besonders betörend jedoch:
Kaye Brewster in der Leise-Nummer
»Clairvoyance«.
Frank Schuster
Richard Hawley
Lady’s Bridge
Mute / Emi
Ich will zurück auf die Straße? Freundchen, gar nicht so leicht in England,
wenn du ungeilen und lauten Mist gebaut und einen Platzverweis erhalten
hast. Mit dem ASBO (Anti-Social Behaviour Order) fegen Staat und Kommunen die Städte sauber und die Probleme unter den Teppich. »Tonight The
Streets Are Ours«, hält eine große, rostige, milde Stimme dagegen, atemberaubend schön umkränzt von Streichern,
säuselnden Sirenen und edelstahlglitzernden Gitarrenakkorden. Richard
Hawleys Musik klingt immer, als sei er
der Welt und der Zeit abhandengekommen. Hingerissen, fortgeschwemmt
von einem süßen, dunklen Fluss, entsprungen in der Prä-Beatles-Ära. Doch
von den Möglichkeiten, mit ästhetisch überholten Spielweisen umzugehen, wählt der bodenständige Sheffielder Sentimentalist instinktiv eine, die
mehr Bedeutung stiftet als Retro-Späßchen oder klangliche Dekonstruktionstricks. Was schon auf »Coles Corner«
so altsamten daherkam, spinnt sich
in großkalibrigen Metaphern und vor
noch breiterer Leinwand um den seit Elvis und Roy umkreisten Kern: die ambivalente Rhythmik und emotionale
Komplexität des von sozialem Auf- und
Ausbruchsverlangen aufgewühlten Lebens, das gleichzeitig Familie und Herkunft treu ist. Hier die Hobo-Existenz,
die auf staubiger »Long Dark Road«
zwischen Johnny Cash und Lee Marvin marschiert, dort die Intimität Liebender, natürlich im Dunkeln, in »Our
Darkness«. Dazwischen zarte Flirts mit
Rockabilly, Ortsgeschichte als Blaupause universeller Erfahrung, herzergreifend erzählt in einem Idiom, das im
Brill Building und in den Sun-Studios
zu Hause ist. Erzähl doch mal mehr,
Richard:
»Lady’s Bridge« ist nach der ältesten
Brücke in Sheffield benannt. Kommt
ganz schön romantisch rüber.
Ist es. Mehr noch hat es für mich
Symbolgehalt als Kreuzungspunkt im
Leben, an dem du von einer Seite auf
die andere wechselst. Ich musste einiges zurücklassen, das ich nicht wollte.
Es geht ums Weitermachen und Veränderung.
Während der Aufnahmen zu »Lady’s
Bridge« starb dein Vater, selbst Musiker und dein erster Gitarrenlehrer.
Wir wollten beide, dass sich das nicht
auf die Platte auswirkt. Natürlich tat es
das. Mein Vater hat mich in meinem Leben positiv beeinflusst. Und daran denke ich, an alles, was er mir gab.
»Roll River Roll« erinnert an die Opfer der Flut von 1864 in Sheffield. Kurz
nachdem du den Titel aufnahmst,
stand erst Sheffield und dann halb England unter Wasser. Was zum Teufel ...?
Oh, ich fühlte mich sehr seltsam. Ich
hätte den Song ja irgendwann in den
letzten 20 Jahren schreiben können,
doch jetzt war das alles schon sehr bi-
Intro _ Probefahrt _ 099
zarr, als die Flutwellen kamen. Fast, als
ob ich es herbeigewünscht hätte. Ist totaler Quatsch, aber da soll man nicht
nachdenklich werden?
Wolfgang A. Müller
Heavy Trash
Going Way Out With
Heavy Trash
Nervosität und bluesigen Brachialität
aufwarten. Und so kracht, groovt und
rifft es hier wie Elvis auf Meskalin. Das
schafft Kurzweil, ohne Zweifel. Spannend geht aber anders.
Life« ist eine gelungene Hommage an
das genreübergreifende, vielleicht sogar weltumspannende Medium Musik.
Wer auch immer diese Platte hört, wird
Freude finden.
Ulf Imwiehe
Hendrik Kröz
A.J. Holmes
The King Of The
New Electric Hi-Life
Crunchy Frog / Cargo
Es ist, als wolle Jon Spencer alles, was
er früher genüsslich zertrümmert
hat, wiedergutmachen. Denn so vehement, wie der ewige Griffbrett-Hipster
dereinst mit seiner Band Pussy Galore
populärmusikalische Konventionen zu
Klump gehauen hat, so akribisch und
liebevoll ergeht er sich seit der Auflösung jenes Krawall-Kunstwerks in der
Pflege und Wartung des alten Schnauferl-Rock’n’Roll. Spencer und sein Partner Matt Verta-Ray lassen auf ihrem
jüngsten Glaubensbekenntnis den
Geist alter pomadiger Crooning-Rebellen wiederauferstehen und versehen alles mit einer diffus diabolischen Aura.
Dabei hat das Duo seinen Voodoo-Knarz
mit drei verschiedenen Bands in drei
verschiedenen Studios in drei verschiedenen Städten aufgenommen. Diese
Dreifaltigkeit macht das Resultat nicht
revolutionärer, sorgt aber, bei aller dezidierten Simplizität, immerhin für Abwechslung. Jon Spencer wäre nicht er
selbst, würde dieses Album nicht auch
mit der für ihn typischen flirrenden
Pingipung / Kompakt
Perfektes Timing! Genau an dem Tag,
an dem sich das verpeilte Wetter an seine sommerlichen Pflichten erinnert,
landet so eine, nein, genau diese tolle
Platte im Briefkasten. Soso, es gibt nun
also einen »King of the new electric hilife«, sein Name ist A.J. Holmes a.k.a.
Vanishing Breed. Und er hat das Zepter
mit Recht in der Hand: An Mother Africa andockend (»Hi-Life« ist dieser fliegende Gitarrenpicking-Stil aus dem
Westen des Kontinents: Denken wir an
Afrika, ist der Sound sofort im Ohr), begibt sich A.J. Holmes nicht plündernd in
die Weltmusik, sondern bleibt auf ganzer Linie Gentleman. Zusammen mit
Gästen aus dem Pingipung/Blankrecords-Umfeld und den Ko-Produzenten
Anne Laplantine und Sculpture hat der
Londoner eine echte Perle eingespielt
– eine liebevolle Kollektion internationaler Folk-Popsongs. Selten wurde die
schwierige Balance aus Handmade und
Elektronik so aus dem Ärmel geschüttelt: »The King Of The New Electric Hi-
BMX MINIRAMP & WAKEBOARD CABLE CONTEST
THE HIVES
OHRBOOTEN
MORE ACTS TO
BE ANNOUNCED
25.-26.08.07 HAMBURG
PINNEBERG, WASSERSKI-ARENA
INFOS UND TICKETS UNTER WWW.T-MOBILE-PLAYGROUNDS.DE
VVK-STELLEN, WWW.KARTENHAUS.DE ODER 01805-570000(0,14/MIN.)
Hot Hot Heat
Happiness Ltd.
Sire / Warner / 07.09.
Den sympathischen Hysterikern aus
Kanada drohte mit ihrem Vorgängeralbum der Abstieg in die Liga der austauschbaren Clubhit-Ablieferer: Auf
»Elevator« dominierte Refrain-zentrierte Powerpop-Alltagsware, und
gleichzeitig fehlte der trotzige Ansatz des Debüts. Aber schon beim Einsteiger und Namensgeber von »Happiness Ltd.« gibt es die erste Überraschung: Die Band lässt sich Zeit. Der
Beat kommt nur auf jede vierte Zählzeit, dazu brummt stimmig ein zurückgelehntes Bassriff, am Ende gibt es sogar ein Fade-out. Wann hat man so was
zuletzt gehört? Und ähnliche unerwartete Gimmicks finden sich auch später: Immer mehr Songs drängen weg
vom fröhlichen Gepolter der Anfangstage hin zu ..., ja, wohin eigentlich? Wahrscheinlich in die großen Hallen. Dafür
sprechen die um allerlei Soundeffekte
erweiterte Instrumentierung ebenso
wie die Auswahl von Produzent Rob Cavallo (u. a. Green Day, Goo Goo Dolls, My
Chemical Romance). Breitwandsound,
hooray! Doch »Happiness Ltd.« biedert sich trotz seiner ausgefeilten Produktion nicht an. Zwar werden bei Hot
Hot Heat nun auch große Gefühle zugelassen, aber ohne dass es dabei cheesy zu muffeln beginnen würde wie bei
den oben genannten US-Kollegen. Positiv zu verzeichnen ist auch der wesentlich abwechslungsreichere Gesang, der
beim stärksten Song, der SpätsommerHymne »Outta Heart«, gar gecroont und
mit viel Kopfstimmen-Einsatz daherkommt. Überhaupt hatte Steve Bays offensichtlich die ewigen Robert-SmithVergleiche satt. So klingt das Album reflektierter als die Vorgänger. Nach wie
vor gibt es das eine oder andere Zugeständnis an den mittlerweile von sich
selbst gelangweilten Neo-New-WaveHype, diese Stücke sind dann allerdings
auch die Schwachstellen des Albums.
Die Veränderungen bei Hot Hot Heat
mögen zwar nicht fundamental sein,
aber deutlich spürbar – und sie tun ihrem Sound ziemlich gut.
Philipp Jedicke
Inferno
Pioneering Work
Destiny / SPV
Man muss nicht das Deutsch-PunkSuperhirn Jan »Tocotronic« Müller
sein, um Inferno zu kennen. In den
Achtzigern und bisschen drüber hinaus
prügelte man sich durch die Klischees
des Genres und landete in den besten
BMX STREET/VERT
& SKATEBOARD STREET/VERT CONTEST
LIVE MUSIC
ACTS
12.-13.10.07 BERLIN
VELODROM
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Momente sogar daneben und war dann
richtig gut. Gut, dieses Attribut lässt
sich beim besten Willen nicht jedem
der hier befindlichen 56 Songs verleihen, und in der erschlagenden Gesamtheit ist das auch mit Vorsicht zu genießen. Aber es ist definitiv auch zu genießen. Immerhin brachten Inferno Hardcore in Deutschpunk. »Tod und Zerstörung«, »Birne muss Kanzler bleiben«
oder »Linke Sau« wirken immer noch
respektabel und sind nicht bloß Sicherheitsnadel-Nostalgie pur. Ach, und für
unsere jüngeren Zuschauer: Bei Inferno spielte Archi McMotherfucker of
später Terrorgruppen-Fame.
Bernd Seidel
Jingo De Lunch
The Independent Years
Rookie / Cargo
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Von Jingo De Lunch zu berichten ist,
als würde Opa von seinen Kriegsabenteuern schwärmen. Da ging damals
was ab in Berlin, Anfang der 90er. Da
knallten ein paar wilde Kerle HardcoreEinflüsse mit ordentlich Rock’n’Roll,
Blues, Metal und poppigem Punk zusammen, und ihre charismatische Sängerin Yvonne Ducksworth dirigierte
dazu die nach Bier und frischen Sounds
gierenden Massen. Somit gehörten Jingo De Lunch hierzulande zur Speerspitze des Crossovers, der bald als Alternative-Rock half, tonnenweise Lifestyle
zu verkaufen. Auch die Jingos sollten
damals mit aller Macht gebreakt werden, schafften es aber trotz massiver
Medienpräsenz nie nach ganz oben.
Nun steht die Tour zum 20. Jubiläum an,
und die ganzen ollen Hits sind in einem
handlichen, von der Band höchstselbst
kompilierten, klanglich für die Gegenwart fitgespritzten Best-of-Package abzugreifen. Das kracht, das macht Spaß,
und trotzdem ändert es nichts daran,
dass Yvonne Ducksworth zwar eine fantastische Stimme hat, aber oft dermaßen schrecklich neben der Spur singt,
bis sich Blutblasen auf den Trommelfellen bilden. Doch genau dies machte
Jingo De Lunch ja so einzigartig. Ungeachtet einiger verpupter Dad-Rock-Momente und grauenvoller Soli: ganz gut
gealtert, der Scheiß!
Ulf Imwiehe
Kula Shaker
Strangefolk
Essential Music / Indigo
Seit acht Jahren gab es kein neues Album von Kula Shaker. Die Band hatte
sich aufgelöst, Sänger/Gitarrist Crispian Mills den Nachfolger The Jeevas gegründet, nachdem die Erfolgskurve
nach unten wies. Dabei hatten die Britpopper 1997 mit ihrem Debüt »K« einen fulminanten Start hingelegt. In einer Zeit, als Oasis und Blur um das Erbe
der Beatles und Kinks stritten, traten
Kula Shaker in die Fußstapfen der frühen Pink Floyd. Sie hauchten dem Britpop Psychedelia und RäucherstäbchenSpiritualismus ein. Davon ist auf dem
Comeback wenig übrig, es setzt eher
den Kurs des 1999er-Albums »Peasants,
Pigs & Astronauts« fort: kerniger Rock
samt bratzelnder Gitarren und pluckernder Hammond-B3-Orgel – gleichwohl komplex arrangiert. Eine gelungene Symbiose aus Cool-Britannia-Pop
und Heavy-Prog-Rock. Mal ausnahmsweise kein unnötiges Comeback.
Frank Schuster
Talib Kweli
Ear Drum
Blacksmith
»HipHop’s not dead, it was on vacation«, ist das Credo dieses ungewöhnlich
kompakten und dritten Kweli-Albums.
Findet das Genre jetzt wieder zu sich
selbst? Wenn man »Ear Drum« und das
kommende Common-Album »Finding
Forever« in Betracht zieht, scheint jedenfalls eine bemerkenswerte Reduzierung auf die Tugenden Dynamik, pointiert freigelegte Beats und anschubsender Rap zu beobachten zu sein. Dazu
passt auch, dass die Singleauskopplung
»Listen« vom ehemaligen Stevie-Wonder-Protegé und HipHop-Wunderkind
Kwamé produziert wurde und viele Hits
mit rein sampleorientierten Producern
wie Pete Rock (der mit »Holy Moly« direkt in Richtung Magengrube geht),
Madlib und dem erstaunlichen KanYe
West angefertigt wurden. Kweli stellt
sich hier mit seinen eloquenten Raps
ganz in den Dienst des Bewegungsapparates und kommt auf der Suche nach
dem perfekten Beat auch mit Giganten wie KRS-One klar. Ob es nun stimmt
oder nicht, dass er für den »real HipHop« steht, er behauptet es jedenfalls
mit einiger Überzeugungskraft.
Martin Riemann
Liars
Liars
Mute / Emi
Gute Neuigkeiten für Freunde des
Abseitigen: Die Liars machen jetzt
wieder Songs! Ja, echt. Offensichtlich ist ihnen ihr letzter monumentaler Schrotthaufen »Drums Not Dead«
nach eineinhalbmaligem Hören selbst
auf den Wecker gefallen. Im Übrigen
habe ich noch nie jemanden getroffen,
der die 36 Filmchen, die dieser IrrsinnsProduktion angeheftet waren, alle oder
gar zu Ende gesehen hat. Schwamm
drüber, mit ihrem vierten Album schaffen sie es, dass man sie wieder lieb hat.
Und auch wenn das in ihren Sphären
vielleicht beleidigend klingt – »Liars«
ist ein richtig hittiges Album geworden. Es gibt richtigen Gesang, Melodien, die man sich merken kann, heilbar
gebrochene Rhythmen, Wall-of-SoundZeug und alles, was sonst noch so dazugehört. Äußerst ungewöhnlich für
diese lärmigen Leute. Natürlich finden
sich trotzdem genug Flashbacks aus
der Zeit, als das Trio noch in irgendeinem Evil-Dead-Häuschen im Wald
hockte und über den Hexensabbat sinnierte; »Leather Prowler« ist z. B. so ein
Stück, das einem den Angstschweiß auf
die Stirn zaubern kann. Dafür klingen
Intro _ Probefahrt _ 101
sie dann bei »Sailing To Byzantium«
wie Klaxons auf Valium. Sogar wunderschöne Surfgitarren haben diese nervenzerfetzenden E-Rock-Styler in ihr
bestes Album eingebaut. Klasse. Die aktuelle Platte zum Abkrachen.
Martin Riemann
ist eines der smartesten Debüts des Jahres aus dem für hitzige Kickstarts bekannten britischen Indiezirkel.
Christine Franz
Maps
We Can Create
Mute / Emi
Nesola / Four / SonyBMG / 07.09.
In der Ruhe liegt die Kraft, in der Simplizität der Reiz und in der Reduktion die Fülle. Daran hat sich auch auf
dem zweiten, wieder mal sehr intimen
Werk von Laura Lopez Castro nichts geändert. Wunderschöne, fast schon rudimentär runtergestrippte AkustikSongs voller Wärme und Melancholie.
Dass das zuerst mal wie ein schales Urlaubsklischee spanischer TouristenMusik klingt, liegt wohl eher an unserer für gewöhnlich wieder viel zu skeptischen Slacker-Wahrnehmung als an
der sehr gelassenen, souveränen Umsetzung der Künstlerin und ihres hochmusikalischen Mitstreiters. Muss wohl
einfach mal gesagt bzw. geschrieben
werden. Und somit ist auch dieses kleine, stille Songwriter-Meisterwerk erneut ganz schlicht über alle peniblen
Vergrößerungsglas-Zweifel erhaben.
Zeitlos betörendes Originalmaterial sowie einige ausgewählte Coverversionen für den Schaukelstuhl und natürlich den Strand – man merkt den Unterschied gar nicht. Augen zu und wohlfühlen. Glücklich sein und gleichzeitig
schwer ums Herz werden, das geht. Ein
kleines Glück ist’s fürwahr und deswegen irgendwie ganz groß.
Georg Boskamp
The Maccabees
Colour It In
Universal
Was für ein Einstieg. Im Land von New
Rave und Mainstream-Indie punkteten The Maccabees mit ihrem Debüt
»Colour It In« nicht nur auf dem legendären Glastonbury Festival, sondern
auch bei ihren Musikerkollegen. So
setzte ihnen das Projekt LDN Is A Victim
gleich ein musikalisches Denkmal: »At
the moment The Klaxons are kinda the
shit but I think they are a bit gay I prefer The Maccabees but my mates can’t
get enough of it.« Und New Rave sind
The Maccabees tatsächlich nicht, eher
das, was man im Mutterland des Pop in
der Plattenladenrubrik »Artschool« zusammenfasst: Fünf ehemalige Kunststudenten spielen Brit-typische Gitarrenriffs, gepaart mit feingetuneten Alltagsbeobachtungen. Da geht es mal um
Küssen nach dem Zähneputzen, mal darum, wie man dem Date mit der Zigarette fast das Kleid abfackelt, und um das
örtliche Hallenbad. »No bombing and no
heavy petting. Stay in your lanes. Came
out of the changing room and absolutely
nothing had changed. Latchmere’s got a
wave machine.« Tanzen geht gut, zuhören aber fast noch besser. »Colour It In«
Das Erstlingswerk von James Chapman ist ein Album voller typischer
Nachtmusik. Dabei klingen die 16Spur-Schlafzimmer-Aufnahmen des
Engländers keineswegs düster. Doch
die Mischung aus elektronischer und
psychedelischer Popmusik hat etwas
Schwereloses, sehr Schwelgerisches
und klingt auf eine besondere Art und
Weise entrückt. Denn Chapman schichtet Synthie-Streicher und Gitarren mit
elektronischen Klängen zu einem Gesamtsound, der an die besten Momente
klassischer Shoegazer-Bands wie Slowdive, Ride oder Lush erinnert – My Bloody Valentine und Spiritualized nicht
zu vergessen, die sogar im Info explizit
Erwähnung finden. Anders als bei Caribou, dem zweiten großen Psychedelik-Freak dieser Tage, leben Songs wie
»Lost My Soul« oder »Don’t Fear« nicht
unbedingt von ihrer ungewöhnlichen
Instrumentierung, stattdessen begeistern diese Nummern durch eingängige
Melodien und ihren Breitwand-Sound.
Ein tolles Debüt voller Musik, die hoch
aus den Wolken kommt.
Christoph Büscher
Meat Puppets
Rise To Your Knees
Side Che / Cargo
Mensch, waren die mal gut. Anfang
der Achtziger hatten die Meat Puppets
Punk und Country auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, ohne dabei je in
albernen Cow-Punk abzudriften. Für einen kurzen Augenblick waren sie neben
Minutemen eine der besten Bands auf
SST, was für Frühachtziger-Verhältnisse bedeutete: eine der besten Bands der
Welt. So viel Stilsicherheit und gleichzeitige Energie ließ sich natürlich nicht
lange halten. Doch im Gegensatz zu Kollegen wie den Replacements, die nach
einem glühenden Punk-Debüt ganz
schnell den Blinker in Richtung Middle
of the Road gesetzt hatten, spielten die
Meat Puppets noch für einige Jahre soliden, ja, anspruchsvollen und unpeinlichen SST-Rock-Standard ein. Mit solchem melden sie sich nun wieder zurück
– unaufgeregt und ohne den Anspruch,
die Mauern von Jericho oder irgendwelche Hörgewohnheiten zu Fall zu bringen. Öde Balladen wie »On The Rise«
hätten sie sich zwar ebenso sparen können wie die oft allzu schaumigen Gitarren und eine ausufernde GriffbrettAkrobatik, doch bei mindestens jedem
zweiten Song schimmert noch die große SST-Schule durch, die Hardcorepunk
einmal aus der Knüppel-Sackgasse geholt hatte. Wer nun behauptet, die Meat
Puppets würden inzwischen bloß noch
Adult orientated Rock spielen, sollte
sich vor Augen halten, dass 80 Prozent
©2007 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and RomeSM are service marks of Home Box Office, Inc.
Laura Lopez Castro
Y Don Phillipe Inventan
El Ser Feliz
102 _ Intro _ Probefahrt
Funny Van Dannen
Trotzdem danke
Für & Wider
JKP / Warner
Funny Van Dannen erweist sich auf seinem neuen Tonträger »Trotzdem danke« erneut als feinsinniger Alltags-Beobachter, der mit simplen Mitteln Hintergründiges offensichtlich werden lässt. Wäre eine schöne Einleitung. Ist leider gelogen, denn FVD ist endlich irgendwo angekommen: im
Schoß der berufsverwuschelten Toten-Hosen-Familie. Sein
zehntes Album erscheint beim Hosen-Label JKP, und damit
wächst zusammen, was zusammengehört. »Bayern« hieß
die Stammtisch-Hymne, bei der die im Laufe der Jahre textlich immer unsinniger werdenden »Ex-Punks« erstmals auf
den Berliner Klampfenträger zurückgriffen. Auf ähnlichem
Niveau rhabarbert »Trotzdem danke« endlos erscheinende 24 Stücke lang vor sich hin. Die Liebste ist mit einem Chinesen durchgebrannt (»Scheiß Globalisierung«, haha), man
hat ja schließlich »Kohl und Cholera« überstanden (Scheiß
CDU, na logisch!), und einst wird man – Zwinker! Zwinker! –
Bayern-Fan, sich – Öchel! Öchel! – »irgendwann integrieren«
und »das Hirn absaugen« lassen. Halt der ganze Quatsch,
über den sich der gemeine Zukurzgekommene so seine Gedanken macht und dabei mit Händen und Füßen an den Status des »Outlaws« klammert, obwohl er so simpel mehrheitsfähige Ansichten und Anekdoten dampfplaudert, dass man
aus dem Schulterzucken gar nicht mehr rauskommt. Aber er
singt nicht nur so, er meint es ernst: »Alleine aus politischen
Vernunftgründen sollte man doch einsehen, dass die Hosen
einen wichtigen Bereich abdecken. Denn wenn ich sehe, dass
die Böhsen Onkelz mit einer Single auf Platz zwei kommen
können, kann ich nicht verstehen, dass diese Leute etwas gegen die Toten Hosen haben«, gab er einst dem Interviewer der
– natürlich – Toten-Hosen-Homepage mit auf den Weg.
»Trotzdem danke«? Nein, nein und nochmals nein.
Marco Fuchs
Was ist denn hier los? Kaum dreht man den »Kollegen« mal
kurz den Rücken, werden alle langfristigen Verträge des
Wohlwollens aufgekündigt? Ist schon wieder Hitler-StalinPakt, oder was? Und wer soll es ausbaden laut Hauptmann
Fuchs? Funny Van Dannen? Dieser wunderbare Mann, was
hat der schon viele tolle Hits geschrieben. Nicht nur so halbtolle, sondern großartige. Gerade so ein androgyner Typ wie
Marco Fuchs musste doch sicher in der Schulzeit und in der
Arbeitswelt viel von MännerMännern einstecken. Und wie
könnte ihn dann ein Song wie »Anita war ein Junge« kalt gelassen haben? Gut, das Stück stammt vom Album »Melody
Star«, und das hat schon diverse Jahre auf dem Rücken (aber
übrigens auch den Funny-Konsens-Hit »Lobdefizit« drauf).
Aber auch seitdem ging noch einiges – vor allem auch die respektable wie unterhaltsame Buchkarriere. Und selbst wenn
man meinen wollte, die neue Platte könne den eigenen Kosmos nicht mehr groß erweitern, sondern variiere die bekannten Motive des schön religiösen Familienvaters. Aber wenn
das schon ein Grund ist, solche Abnabelungsmails, äh, -rezis
zu verschicken, dann läuft bei den ältlichen Indie-Jugendlichen doch was falsch. Und dass Funny den Hosen immer mal
zugearbeitet hat und die jetzt seine Platte pressen, ist doch
nur konsequent und wäre höchstens noch ein Affront für
Hardliner-Zines wie Zap oder Plot. Die gibt’s aber längst nicht
mehr. Und daher auch keinen Grund, Funny hier runterlaufen
zu lassen. Glaubt nicht Ciao Marco Ciao, sondern mir. »Trotzdem danke« ist eine sehr hübsche Platte. Martina Hergenröther
dessen, was SST in der zweiten Hälfte
der Achtziger veröffentlicht hat, nichts
anderes als Adult orientated Rock war.
Darin bestand ja der Trick: Dinge wieder
hoffähig und bestenfalls sogar cool zu
machen, die Punk einst niedergerissen
hatte. Heute mag sich das nicht mehr
zwingend im Sinne einer pophistorischen Weichenstellung anhören, doch
ein Song wie »Tiny Kingdom« ist immer
noch klasse und entschädigt für den bisweilen allzu starken Dire-Straits-Faktor.
Dass sich »Tiny Kingdom« fast wie eine
Coverversion von Tocotronic anhört,
dürfte allerdings Zufall sein.
Martin Büsser
Menomena
Friend And Foe
City Slang / Universal
In den USA sind Menomena die Entdeckung der Stunde. Dabei klingt das Debüt des Trios aus Portland zunächst etwas sperrig. Der Sound ist ungewöhnlich: Wuchtige Drums – leicht übersteuert – und der Gesang stehen beim
Opener »Muscle’n Flo« weit im Vordergrund des Mixes, während Orgeln, Piano und diverse Gitarren sparsame, psychedelisch angehauchte Akzente setzen, bevor das Stück zu einer echten
Hymne mutiert. Während die Vocals
bei »Air Aid« ein wenig an den frühen
Peter Gabriel g(die Genesis-Phase) erinnern und etwas Zeit brauchen, ihre
Größe voll zu entfalten, entwickeln sich
Intro _ Probefahrt _ 103
andere Stücke – etwa das stärker durch
Loops strukturierte »My My« – trotz ihrer gebrochenen Struktur schnell zu
brillanten Popsongs. Veredelt durch
das Cover-Artwork des Comic-Künstlers Craig Thompson, ist das Album ein
Muss für alle Jäger und Sammler. Krautig, kantig und einfach genial. Das unfassbare Zusammentreffen der unterschiedlichsten Einflüsse lässt »Friend
And Foe« musikalisch leuchten. Menomena sind mit diesem Album zu Recht
schon echte Giganten.
verenden. »Volksmusik« im einzig wahren Sinn des Wortes, alles voll Soul.
Soul, Alter! Mehr als 70 Minuten Kreativ-Antipausen, schief und schön. Die
Autoren? Nie gehört. Will never either.
Aber für eine Platte die Schätze heben,
die da draußen glänzen. Jenseits von irgendwelchen Jugendzentren, Plattenindustrie-Mechanismen, Schindlers
Gästeliste. Eine bezaubernde Gegenwelt, so gänzlich unaufgesetzt und – ja,
es muss gesagt und auch so gemeint
werden – ehrlich.
Christoph Büscher
Marco Fuchs
Carsten »Erobique«
Meyer / Jacques
Palminger
Songs For Joy
Nobistor / Indigo
Ein öffentliches Studio im Foyer der
Studiobühne des Berliner Maxim Gorki Theaters. Ein Radiojingle und ein
paar Zeitungsanzeigen: »Lieben Sie
Musik? Singen Sie gerne? Schreiben Sie
Gedichte? Schicken Sie uns Ihre Texte!« Was daraus entstand, ist die beste Zeit, die man mit Musik nur haben
kann. Das sagen Carsten Meyer und
Jacques Palminger, die zusammen mit
Christoph Dietermann die Stücke arrangierten und einspielten, die ihnen
diese wunderbaren Amateure um die
Ohren schmissen. Voller Inbrunst die
schlafenden Hunde wecken, die ansonsten als Schattenriss in Studierzimmern
MF Doom
Mm.. Food
sen wird, erhöhen den Unterhaltungswert immens und sind so geschickt in
dieses Meisterwerk eingewoben, dass
die Skits auch nach dem 50. Hören nie
nerven. Wie groß Dooms Geschicklichkeit ist, abstrakte Assoziationsketten
in seinen unwiderstehlichen Flow unterzubringen (wie der Titel schon sagt,
dreht es sich hier hauptsächlich um Lebensmittel), zeigt die beigelegte DVD,
auf der man den Meister auf seiner USTournee für dieses Album begleiten
kann. Seine unheimliche Maske zieht er
dabei übrigens nie aus, der Bösewicht.
Und jetzt bitte, bitte noch »Operation
Doomsday« nachlegen, Leute!
Mob
Polygon
jeder der vier Songs hilft eifrig mit beim
Bau einer glühenden Distortion-Wand.
Stein auf Stein. Durch die Wechsel in
Dynamik und Harmonien entstehen
Sounds voll bleischwerer Nebelschwaden, aus denen Wortfetzen dringen.
Einzelne luftige Zwischenspiele wirken wie Schmetterlinge, die plötzlich
von einem 10-Tonner mitgerissen werden. Das kennen und lieben wir auch
bei Mogwai, bei der Intensität von Motorpsycho oder frühen Helmet-Platten,
wenn alle Instrumente in dieselbe Richtung drücken. Sänger und Gitarrist
Morten Haaber reibt sich am Refrain
von »Wait For Me« auf, wiederholt die
Zeile herzzerreißend oft und unterzieht
seine Stimmbänder einer Zerreißprobe.
Am Ende verglühen die Feedbackorgien
im Off. Zurück bleiben offene Münder.
Quartermain / Broken Silence
Henrik Drüner
Martin Riemann
Rhymesayers / Rough Trade
Mit der Wiederveröffentlichung von
MF Dooms 2004er-Coup »Mm.. Food«
erfüllt sich mal ein echter Fall von Angebot und Nachfrage, denn es dürfte
nicht wenige gegeben haben, die sauer
waren, sich die Preise für die Originalveröffentlichung nicht leisten zu können. Das ist vor allem für diejenigen von
Vorteil, denen MF Doom erst durch sein
Dangerdoom-Projekt ans Herz gewachsen ist, denn »Mm.. Food« ist die perfekte Ergänzung zu der erfolgreichen Kollaboration mit DJ Dangermouse. Allerdings sind hier sogar noch raffiniertere
Happen drauf. Exzessiv gebrauchte uralte Serials und »Fantastic Four«-Hörspiele, in denen ständig die Niederträchtigkeit des Erzfeindes Dr. Doom geprie-
Da sind sie wieder, die zwei Charakteristika des dänischen Fünfers Mob:
Sie glauben an die Schönheit von Krach
und an das moralische Dilemma, das
das Streben nach Veränderung bei
gleichzeitigem Bedürfnis von Stetigkeit mit sich bringt. Drei Alben haben
die Kopenhagener seit 1999 veröffentlicht, zuletzt vor zwei Jahren »We All Repeat The Past«, und unnachahmlich erkunden sie die feinen Unterschiede zwischen musikalischen Stimmungen, erleuchten die Grauzonen von Atmosphäre und Emotionen. »Polygon« ist nur
eine EP, vier Stücke, 20 Minuten. Doch
Moneybrother
Mount Pleasure
SonyBMG
Intro-Logbucheintrag, Sternzeit August 07: »Hey, wie geil findet ihr eigentlich die neue Moneybrother-Single?«
Die Antwort ist doch wohl klar, also fange ich headbangend an zu singen: »Another summer, it’s just another summer,
another lover, it’s just another lover!« Ja,
toppt das mal. Aber was ist denn hier los?
Nur hängende Mundwinkel und allgemein abweisende Fressen. Ich solle vom
Schreibtisch runtergehen und die Pa-
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104 _ Intro _ Probefahrt
Hard-Fi
Once Upon A Time In The West
Warner
Wenn ich einen Verriss schreiben wollte, würde ich so starten: Der siebte Track auf Hard-Fis zweitem Album »Can’t Get
Along« klingt wie eine Coverversion der furchtbar dummen
Smash Mouth. Dann aber würde ich nicht weiter wissen und,
um ehrlich zu sein: Ich habe ihnen diesen kleinen Ausrutscher längst verziehen. Weil sie mich davor schon nach Hause gebracht haben, weil allein die ersten drei Tracks mich
dazu veranlasst haben, wildfremde Menschen zu küssen und
zu merken, dass ich das Jubeln noch nicht verlernt habe. Das
geht nämlich so: Selten hat mich das Zweitwerk einer hoff-
nungsvoll gestarteten Band so überzeugt. Die erste Single
»Suburban Knights« tritt die Tür ein, und nach dem hymnischen Loblied »I Shall Overcome« oder dem Pop-Postulat »We
Need Love« habe ich aus dem Fenster gerufen: »Ja! Genau!«
Natürlich sind die The-Clash- und Dub-Referenzen auch auf
»Once Upon A Time In The West« immer noch allgegenwärtig,
aber eingebettet in dieses schillernde Pop-Universum sind es
nur zwei von Millionen von Sternen. Konnte man das erwarten? Vielleicht. Aber dankbar bin ich trotzdem. Was für ein
schönes Album!
Peter Flore
gen Pop mit ihren Bah-Bah-Bahs genau
das Richtige beisteuern. Die beatlastige
Rhythmusgitarre, bei der die Bezeichnung noch Sinn macht, klopft davon
und überlässt die Melodieführung ganz
den Sängern, den Streichern (Owen Pallett [Final Fantasy, Arcade Fire]) und
kleinen orgeligen Dingen, die immer
»bing!« machen. Dabei entsteht ein Indiepop-Charme, den gerade die frühen
New Pornographers gerne pflegten. Erfrischend überdurchschnittlich.
Anne Westphal
Northern State
Can I Keep This Pen?
Ipecac / Soulfood
piere aufheben, die ich vor Begeisterung
runtergetreten habe. Und, nee, die neue
Moneybrother fände man echt nicht so
toll. Ey, mit wem arbeite ich denn hier
beim Intro? Mit meinen Eltern? Wenn
doch nur die beiden größten Moneybrother-Künderinnen noch auf Sendung
wären. Namentlich Karl-Otto Roche und
Sandra Kuttner. Die hätten mich verstanden. Die neue Moneybrother-Platte
ist mehr Boogie und Rock’n’Roll als früher – und das, ohne dass man extra Elvis
mögen muss. Und das kann ich getrost
sagen, denn ich mag Elvis nicht. »Mount
Pleasure« läuft gut und variantenreich
durch, und die Single ist einfach der Hit
des Jahres. Wer etwas anderes behauptet, lügt mal wieder oder ist bescheuert.
Linus Volkmann
The New
Pornographers
Challengers
Matador / Beggars / Rough Trade
&
Immaculate Machines
Fables
Mint / Broken Silence
Der überdurchschnittliche kanadische Musiker hat nicht eine Band, sondern mindestens zwei musikalische
Projekte sowie Soloambitionen. Dass
daher bezaubernd beharrliche Gruppen
wie die seit 1997 musizierenden New
Pornographers in der Vielzahl absonderlich guten Outputs unterzugehen
scheinen, ist skandalös. Doch das vierte
Album »Challengers« überrascht als Synergienbündel der Nebenprojekte der
Bandmember. Die folkigen Balladen
von Neko Case (»Challengers«), die von
Dan Bejar im Sinne seiner Band Destroyer eingespielten rumpeligen Popperlen (»Myriad Harbours«) und den geliebten geistreichen Powerpop der Band
gibt es nun alles auf einmal. Sicherlich
das abwechslungsreichste, eingängigste und daher wohl auch beste New-Pornographers-Album bisher.
Während die Mutterband endlich
ihre Trümpfe ausspielt, bringt Keyboarderin Kathryn Calder mit der Side-Band
Immaculate Machine »Fables« heraus.
Mit bemerkenswertem Understatement werden da schon im ersten Track
Alexander Kapranos und The Cribs als
nur Backgroundsänger angeheuert,
wobei die Gaststars in all dem wirbeli-
Als Hesta Prynn, Spero und Sprout
einst spaßeshalber auf einer Party beschlossen, eine Rap-Group zu gründen,
ahnten sie nicht, dass sie auch noch
sieben Jahre später als New Yorks favourite All-White-HipHop-Girl-Band
jene Lücke ausfüllen sollten, die Luscious Jackson hinterlassen haben. Mit
ihrem dritten Album haben sich Northern State von den Major-Fesseln von
Columbia/Sony befreit und erweitern
nunmehr das eher männlich-«sicke«
Repertoire von Mike Pattons Label Ipecac, indem sie – unterstützt von Chuck
Brody von Shitake Monkey und Beastie
Boys’ Adam Horowitz – sehr lässig zwischen Oldschool-HipHop, Electro und
College-geschulten Rockgitarren pendeln. B-Girl-Feminism, you go! Vina Yun
Intro _ Probefahrt _ 105
Pechsaftha
Dick in Frisco
Tumbleweed / Broken Silence
Pechsaftha sind diese Clique aus grafzahl, Junge von EA80 und Martin Büsser, dem Adorno-sicheren Weinkönig
der Filterlosen of Zap-Fame. Immer
wieder treffen sie sich in einem Häuschen, ich glaube, es liegt im Grenzgebiet
zu Holland, kann aber auch wo ganz anders sein. Also, da treffen sie sich und
machen Musik. Das Häuschen bzw.
dessen Einrichtung sieht man in den
Videos (drei davon gibt es hier als Bonus), und die entsetzlich leblose Kleinfamilien-Reihenhaus-Aura des Ortes
konterkariert jede Vorstellung, hier
handele es sich um ein hippieeskes Happening-Projekt. Nein, der Ort, an dem
diese Musik entsteht, ist Selbstbestrafung und damit eine gute Basis für die
paranoid düstere Grundstimmung der
Songs. Und ich weiß nicht, ob es daran
liegt, dass ich mich mittlerweile an den
regional eingefärbten Sprechgesang
von Martin gewöhnt habe, oder ob die
Band sich tatsächlich so entwickelt hat,
aber mir kommt »Dick in Frisco« weit
besser vor als der Vorgänger. Sound und
Musik besitzen eine hörbare DIY-Attitüde, es wird mit Rhythmik bis hin zur
Kuhglocke experimentiert, aber die
Songstrukturen sind dennoch nachvollziehbarer und die Stücke immer auf den
Punkt. Textlich ist natürlich viel drin,
wäre natürlich auch ein Skandal, wenn
nicht. Aber man muss es Büsser und seinen Freunden hoch anrechnen, dass sie
sich nicht in Formalismus, Verweigerung oder Abstraktion verschwenden.
In »Für immer in Pop« wird erzählt von
der Omnipräsenz des coolen Styles, der
damit einhergehenden Ökonomie und
– da wird es dann richtig ätzend – dem
Faustschlag gegen all die kollaborierenden Jammerer, dass, wenn es anders
wäre, »wärst du nicht dabei«. Genau.
Und ätzend im Sinn von Säure natürlich
und nicht im Sinn von schlecht. (Worauf bezieht sich das grammatikalisch?)
Selbstkritik und überhaupt das Sichtbar-Machen, dass es in all dem schicken Konsens noch Kritik geben kann,
das ist die große Leistung von Martins
Texten. Da stört es auch nicht, wenn die
Freundin beim Hören der Platte Folgendes zu Protokoll gibt: »Klingt wie das
Wort zum Sonntag.« Denn selbst wenn
– warum nicht? Sang nicht schon Tilman Rossmy auf einer sehr alten Platte:
»Hab gehört, du bist jetzt so ’ne Art Prediger / Find ich ganz normal«?
Linus Volkmann
Phlatline Club
Movement
Splash!
The Mixtape 2007
Phlatline / Groove Attack
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus und auch hintendran. Das
HipHop-Festival Splash! beispielswei-
se. »Splash! The Mixtape 2007«, die CD
zum HipHop-Event, ist eine ungebrochene Ode an phatte Beats & slicke Reime, ist eins a Before- and Afterhour-Material für echte HipHop-Fans. Perfekter Block-Party-Soundtrack – egal, ob
als Car-Speaker-Futter auf dem Anreiseweg oder als Ausklangkonserve, um
langsam den Kopfnickerkrampf zu lösen. Absolute US-Rap-Stars wie Snoop
Dogg, KanYe West, Redman, Swizz Beatz, Dr. Dre, Talib Kweli und The Roots
werden gekonnt ineinandergefadet mit
einheimischen Mikrofonhelden wie
Kool Savas, Nico Suave, Prinz Pi, GBZ
oder Olli Banyo. Ein pulsierendes Andenken an den HipHop-Sommer 2007,
wenn ich schon mal so weit vorausargumentieren darf.
Uwe Buschmann
Planetakis
Out Of The Club Into
The Night
Peng Musik / Cargo
»Klingt wie Nena on Crack.« Was eine
gewagte Selbstbeschreibung, die mit
maximalem Nerv-Potenzial kokettiert.
Und in diese Nähe reichen die Kölner
Planetakis auf Albumlänge dann auch
fast heran. In spärlicheren Dosen sind
die zwölf Electro-Rock-Bastarde dagegen verträglicher, jedoch nie zwingend, zu oft streiten sich Mutter Dancefloor und Vater Indie um das Sorgerecht. So etwas verstört die Kinder, das
weiß man doch von ZDF-Reihen wie »37
Grad«! Und dass ein ähnliches musikalisches Konzept bereits deutlich pointierter und mit zwingenderen Texten
auf dem Spillsbury-Debüt »Raus« perfektioniert worden ist, lässt mir das Album leider mitunter reichlich entbehrlich erscheinen. Untergehen aber werden Jenny Fey und Robert Drakogiannakis (ehemals Angelika Express) dank
MySpace wohl kaum. Or can 15.000 Planetakis fans be wrong?
Peter Wittkamp
The Polyphonic Spree
The Fragile Army
Institute Recordings / Indigo
Jetzt also Uniformen. Die wallenden
weißen Gewänder, derentwegen man
die mehr als 20-köpfige Band The Polyphonic Spree in den USA schon für
eine Hippie-Sekte hielt, sind weg. Dafür tragen die Mitglieder nun schwarze Jacken und Hosen. Die Rocksymphoniker um Sänger/Songschreiber Tim
DeLaughter marschieren jedoch zum
Glück nicht Richtung rechts-martialisch; die im CD-Titel benannte »zerbrechliche Armee« trägt Friedens-Embleme wie ein Herz und ein rotes Kreuz
an Hüfte und (linker) Brust. Der OutfitWandel spiegelt zugleich den musikalischen Kurswechsel wider. Zwar dröhnt
der Sound immer noch bombastisch
prog-rockig, die Songs sind jedoch insgesamt nicht mehr so verspielt, labyrin-
Hop mit Buschmann + DJ Explizit
M
r. J Medeiros »Of Gods And Girls«
(Rawkus) – UB: Das US-Label Rawkus
war ja mal für fünf Minuten der Mittelpunkt der HipHop-Welt. Doch seine
Lyricist-Lounge ist schnell zum Club der toten Dichter mutiert. Diese Platte ist aber echt wieder gut, finde ich. DJ Explizit (Main Concept / 58beats): Das war
noch die Zeit, in der man mit Bemusterungen überhäuft wurde, speziell mit Veröffentlichungen dieses
Labels. Ich kann wirklich behaupten, fast die komplette Rawkus-Sammlung zu besitzen. Da waren auf jeden
Fall ‘ne Menge gute Dinge dabei, wie z. B. Pharoahe
Monchs erste Solo-Platte oder auch Big Ls Vermächtnis. Auch Eminem hat auf Rawkus ein paar seiner
früheren Sachen rausgebracht. Alles immer sehr DJfreundlich mit Instrumentalplatten und so. Hat mir
damals gut gefallen. Ich wusste gar nicht, das Rawkus
überhaupt noch als Plattform für amerikanischen Indie-Rap existiert. Diese Platte ist auf jeden Fall im typischen Stil gehalten. Track Nr. 5 find ich ganz fresh.
Da macht auch Rez von den Procussions mit, deren
zwei letzten Alben einige Perlen zu bieten hatten und
sich von der Produktionsweise mit dieser Neuveröffentlichung durchaus vergleichen lassen.
Diverse »Essential Dub« (Roir Cat / Cargo) – UB:
Gibt es wirklich eine Verwandtschaft zwischen Reggae und HipHop? Und warum gibt es eigentlich keine
Dub-Mixe von HipHop-Songs? DJ: Da Kool DJ Herc als
Jamaikaner einer der HipHop-Pioniere ist, kann man
sicherlich kulturell wie auch technisch (siehe DJ/Selekta-Team) eine Verwandtschaft nicht wegleugnen.
Jetzt, wo du’s sagst, fällt mir auf, dass meistens eher
versucht wurde, Rap über Reggae zu stülpen (z. B. Mad
Lion produziert von KRS-One oder sog. HipHop-Remixe von Bounty Killer oder Red Fox), als andersherum. Mir fallen jetzt auf Anhieb nur die Dub-Mixe von
Roots Manuva ein. Zur Compilation: Die gedubbte Version von »Witness Tha Fitness« gefällt mir sogar besser als das Original. Mein absoluter Liebling in Dub ist
immer noch Mad Professor, gleich gefolgt von Umberto Echo aus München, der über Enja 19rec. sein Debüt
»Dubtrain« veröffentlicht hat. Unbedingt reinhören,
es lohnt sich!
Psycho Les, Al Tariq & Problemz a.k.a. Big City
»The City Never Sleeps« (Nature Sounds) – UB: Fast so
etwas wie eine Supergroup. Dass die es einzeln nicht
zum ganz großen Stardom gebracht haben, ist schon
fast tragisch. DJ: Die Einzigen aus diesem Dunstkreis,
die es ein wenig geschafft haben, rauszukommen, waren die Beatnuts als Rap-Crew oder Produzenten (vor
allem Psycho Les). Al Tariq hatte sich bei den Nuts ja
nur als Gast-MC die Ehre gegeben. Nach seinem Soloalbum, das ihn 1995 sogar bis nach München, auf unsere Livin’Large-HipHop-Jam, brachte, hab ich MCs
wie Black Attack oder Problemz für mich entdeckt.
Unter Missin’ Linx (produziert damals von DJ Honda)
haben die Jungs, noch vor Dr. Dre, David Axelrods »The
Edge« gesampelt. Unsere erste 58beats-Veröffentlichung war 1998 ein Collabo-Track mit Problemz, und
ich kann mich erinnern, dass wir alle eine gute Zeit
im Studio hatten. Nicer Typ, auf jeden. Ob diese neue
Platte ihnen zu mehr Ruhm verhelfen wird, speziell in
Deutschland, bleibt dahingestellt. Zu wünschen wäre
es ihnen. Track Nr. 3 »Stickem Up« ist auf jeden Fall
mein Favorit, nicht zuletzt wegen dem Host des Jahrtausends, Greg Nice, und die Tracks Nr. 6 und Nr. 8 gehen auch gut rein.
Galactic »From The Corner To The Block« (Anti- /
SPV) – UB: Diese HipHop-Fusion-Bands funktionieren
ja ganz selten. Hier scheint es aber irgendwie aufzugehen. Die Gitarre ist wunderbar in den 70er-Jahren stekken geblieben. DJ: Schön funky und gute Raps dazu,
bin ich immer für zu haben. Da ich selbst auch ein kleiner Hobby-Drummer bin, steh ich auf solche DrumPatterns. Ohne Raps würde das Ganze aber auch ganz
gut funktionieren. Das sollte so ‘ne Platte auch ausmachen – sprich, die Musik und Atmosphäre sollten
im Vordergrund sein, und wenn die gefeaturten Rapper noch ihr Bestes dazugeben, um das Ganze dann
gebührend zu garnieren, auch gut ...
Echorausch »Kennst du des« (Piranha / SonyBMG)
– UB: Die kommen aus München. Das ist also dein Terrain. Freund oder Feind – das ist hier wohl eine der Fragen? DJ: Definitiv Freund. Man ist sich früher ab und
an gegenseitig auf die Füße gestiegen, das ließ sich
damals nicht vermeiden. Rap ist ja bekannterweise
Competition. Die Situation hat sich aber geändert. Ich
hab mich persönlich mit den Jungs zusammengerauft
und das Kriegsbeil begraben. Man sieht sich ab und
an in meinem Resident-Club Erste Liga und trinkt gemeinsam – in aller Freundschaft. Die Jungs meinen,
das hier sei ihr letztes Album, aber das glaube ich noch
nicht ganz. Vielleicht ergibt sich ja mal das eine oder
andere Feature. Time will tell ...
thisch angelegt, sondern stringenter, zugleich härter.
Statt Polyphonie mehr Unisono. Das tut dem Ganzen
keinen Abbruch. Doch beim nächsten Mal bitte wieder
mehr Debussy als Wagner.
Frank Schuster
Primal Scream
Live From London
DVD / Rough Trade
Es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise. Und es gibt Bands, die implodieren unerwarteterweise nicht. Wie Primal Scream. 25 Jahre haben Bobby Gillespie und die anderen mittlerweile allen Ernstes auf dem Buckel. 25 Jahre »echter«, »dreckiger«, »wahrer« Rock’n’Roll. Was auch immer ihr für
Assoziationen habt, sie stimmen und werden sicherlich noch locker getoppt von diesen Profi-Drogenfressern. Auf dieser DVD wird das Jubiläum entsprechend
abgefeiert: ein sattes Best-of-Programm einer Show in
London (»Jailbird«, »Accelerator«, »Rocks«, »Swastika
Eyes« und pipapo). Die ganz großen Brüche im Sound,
die sie ja seit Jahren auf ihren Platten pflegen, werden
in der Live-Situation allerdings nicht abgeliefert. Das
klingt dann oft auch mal nach Boogie-Woogie-Südstaatenrock. Hat hier jemand die Black Crowes ins
Spiel gebracht? Gemeinheit. Dankbarerweise illustrieren die zwölf Videos dann doch die unwahrscheinliche Flexibilität, die Primal Scream immer ausgezeichnet hat. Schmankerl: das für mich absolut unübersetzbare Herumalbern von Mani und Bobby im Backstagebereich. Dieser Akzent öffnet Poren.
Heiko Behr
Rhythm King And Her Friends
The Front Of Luxury
Kitty-Yo
Wer ist denn bei Intro ausgeschieden, dass ich
über RKAHF schreiben darf? Mir soll’s recht
sein, handelt es sich bei dem Duo Linda und Pauline um einen der hiesigen wie konkurrenzfähigen
Electronica’n’Gender-Acts. Kennt komischerweise immer noch nicht jeder, aber wer sich für feministisch geprägte Acts wie Erase Errata, Robots In Disguise oder auch Le Tigre interessiert, weiß natürlich
so was von Bescheid. »The Front Of Luxury« ist für
Kitty-Yo als Veröffentlichung dabei so wichtig, dass
man davon Abstand nimmt, sie nur digital rauszuhauen. Inkonsequent, aber toll. Denn dem neuen Entwurf
sollen keine Schranken, sondern offene Münder blühen. So unrockig muss man elektronischen Rock erst
mal inszenieren. Pappige Beats, sexy aufgeladene
Nicht-Härte – ohne dass Songs wie »No Picture Of The
Hero« dann nicht doch knallen würden. Subtilität als
Power, danke King Kong, äh, Rhythm King. Ein schönes Referenz-Erleben ist übrigens auch, dass man an
die Pop Tarts denken kann. An die Stücke, bei denen
die damals die Gitarren im Schrank ließen. So was wie
»Kindheit Jugend Sex«. Alles auch hier drinnen. Nur
eben nicht fröhlich dilettantisch, sondern checkermäßig und mit vollster Absicht. Wer sich da noch die
Zeit mit Jungsbefindlichkeitsrock totschlägt, dem ist
auch nicht mehr zu helfen.
Linus Volkmann
Rilo Kiley
Under The Blacklight
Warner
Auf ihrem vierten Album haben die Kalifornier mittlerweile das letzte bisschen Saddle-Creek-Verschrobenheit aufgegeben. Rilo Kiley sind zu einem
gefälligen, eingängigen und dabei gar nicht belanglosen Pop-Act geworden. Die meisten der neuen Songs
stehen der Band und besonders Sängerin Jenny Lewis sogar sehr gut. Das subtilere und dabei buntere
Soundgewand lässt deutlich mehr Platz für die außer-
ordentlichen Texte der Ex-Schauspielerin. Das stilistische Spektrum wurde dabei neben den bekannten
Rock-, Folk- und Country-Anleihen um Funk und Disco, z. B. in »Breakin’ Up«, erweitert. Außerdem steht
Lewis mit ihrem Gesang noch präsenter im Mittelpunkt der Platte als zuvor schon. Manche Tracks lassen sogar die Vermutung zu, dass sie als eine Art rothaarige Madonna aufgebaut werden soll. »Under The
Blacklight« zeigt wie schon das extravagante Video
zur ersten Single »The Moneymaker« zumindest fürs
Erste, dass sie dazu durchaus in der Lage ist.
Christian Steinbrink
Schneller Autos Organisation
Noch mehr Hoffung für noch
mehr Menschen
Dian / Broken Silence
Die aktuelle Turbostaat gefällt mir gut. Und – mit
Verlaub – von Nagel von Muff Potter habe ich dieses Jahr einen Kuss auf den Mund bekommen – und
deren »Steady Fremdkörper« ist doch auch ein Highlight. Halten Sie mich für zurechnungsfähig und diese beiden Aussagen für nachvollziehbar? Na, dann
kann’s ja weitergehen. Also so nach dem Motto »Leute, die folgende Platte gekauft bzw. Musiker gestalkt
haben, haben auch Folgendes bestellt«. Nieder mit der
regulären Kritik, hoch lebe die Relation. Oder ist das
schon die Rückkehr der Mengenlehre – mit dem Claim
»Schnittmengen finden«? Na, egal. Schneller Autos
Organisation kommen jedenfalls aus Hamburg und
haben vor Jahren schon mal ein schönes Vinyl-onlyAlbum rausgebracht. Nun geht’s weiter. Sogar auf
CD. Musikalisch fällt dabei erst mal auf, dass sich immer noch alles um Punk und Verzweiflung dreht – allerdings haben sich die ästhetischen Ausdrucksmittel verschoben. Die Musik ist nicht mehr so Dackelblut-mäßig verzerrt, aber dafür wirken die Songs in
dem entblätterten Modus viel dringlicher, viel aufreibender. Mir fällt der – ja, immer leicht blasphemische
– Vergleich mit den frühen Blumfeld ein, gerade beim
Opener »Ohne mich (aber auch ohne dich)«. Aber so
unangemessen, wie es immer ist, so Mittelstandsmucker wie Schrottgrenze mit dem jungen Distelmeyer
in Relation zu bringen, so gut passt es hier. Also als ein
Aspekt unter vielen. Ein anderer: Das Gefühl, dass die
Musik so aufwühlend rüberkommt, obwohl sie eigentlich ja recht hermetisch und stehend ist, kennt man
sonst so nur von The Sea And Cake. Und irgendwie
Emo ist das alles auch. Toller Gestus, wenn wieder und
wieder wiederholt wird »Armer Junge, armer Punk«
– halb verächtlich, halb rührend. Man weiß nicht genau, woran man bei Band und den Texten ist, aber das
macht die Spannung aus. Mal nachfragen:
Was gleich bei der neuen Platte auffällt, ist, dass die
Songs nicht mehr ganz so gitarrenpunkig umgesetzt
sind, aber dennoch oder gerade deshalb viel drastischer klingen. Würdet ihr das auch so sehen, wie hat
sich das ergeben? Wie immer hat es in den vergangenen Jahren Veränderungen gegeben. Wie bei allen, so
auch bei uns. Die Aufnahmen dokumentieren diese
Entwicklung, die von Geschmacksveränderungen,
persönlichen und personellen Umbrüchen und neuen Erkenntnissen begleitet wurde; es handelt sich um
Lieder, die in genau jenem Zeitraum entstanden sind.
Dazu kommen Zufall, Tagesform und unbeabsichtigte
Nebeneffekte. Natürlich ist nämlich nichts so geworden, wie man es sich vorher vorgestellt hat, und deshalb ist es in Wirklichkeit banal: Wir machen Musik,
und wenn uns gemeinsam etwas gefällt, haben wir ein
neues Lied.
Textlich ist man mitunter angenehm ratlos. Spendet ihr Trost für den »armen Punk« und Co. oder doch
eher ein wenig fatalistische Verächtlichkeit für ihn
und sein Hamsterrad? Beides bzw. weder noch.
Was für die Musik gilt, gilt zunächst einmal auch
für die Texte. Sie handeln – weiterhin
– von Abschluss und Anfang, von Trennung und Zusammenschluss und von
Stillstand und Bewegung, von Prozessen also, die je nach Geschmack und
Sichtweise von Autor und Zuhörer sogenannte private oder sogenannte politische Dimensionen haben, traurig stimmen und gleichzeitig aber auch – der Titel der Platte ist ja nicht als bloßer Zufall zu verstehen – das Prinzip Hoffnung
herbeizitieren. Das ist unser Resümee
der letzten fünf Jahre. Kerngedanke:
Die Dinge fliegen durcheinander, die
Begriffe verlieren ihre Bedeutung, die
Lage ist unbeschreiblich, aber die Menschen hören deshalb ja noch lange nicht
auf, Antworten zu suchen und zu finden. Punk, Pop, Demonstration, Liebesbeziehung: Die Ergebnisse sind falsch,
die Wirklichkeit ist traurig und der Ton
schroff. Und das Schöne ist: Wir sind
selbst davon betroffen. Das hilft, nach
noch besseren Antworten zu suchen ...
Eure erste Platte stammt noch aus
2003 – seht ihr Schneller Autos Organisation eher als Hobbyband, oder versucht ihr euch jetzt auch als Band zu
professionalisieren?
Nein.
Aber das war quasi eine EntwederOder-Frage und die Antwort soll »Nein«
sein?
Wir haben die Frage verstanden und
die Antwort so gemeint. Es ist eine gute
Frage und eine gute Antwort.
Linus Volkmann
Setsubun Bean Unit
Setsubun Bean Unit
Accidental / Pias / Rough Trade
Bohnen gegen das Böse: Die kulturellen Gebräuche des fernen Ostens machen es allen westlichen Weltverbesserern scheinbar wieder mal extra
einfach. Setsubun bezeichnet im Japanischen den Wechsel der Jahreszeiten und wird speziell Anfang Februar
als großes Winteraustreibungsfest begangen. Bei dem Ritual spielen Sojabohnen, die alle Schlechtheit des vorangegangenen Jahres vergessen machen
und generell böse Geister austreiben
sollen, eine maßgebliche Rolle. Wenn
nun eine Bande, bestehend aus drei Mitgliedern der englischen Weltmusikverwurster Bellowhead mit vier MusikerInnen sowie zwei traditionellen TänzerInnen aus Japan, Setsubun zu ihrem musikalischen Programm erhebt,
kann man sich in etwa vorstellen, was
zu erwarten ist. Und so plumpst in den
Shinto-Schreinen plötzlich der Folklore-Humor in die Echokammer des Dub:
Verhallte Offbeat-Gitarrenlicks, quäkende Bläser und Jazz-Jams tanzen gemeinsam zum konstanten Schlagzeugzischen und Elektronikbrummen. Das
ist schön lo-fi, unernst und nicht gerade besonders avanciert. Aber der Truppe scheint es sowieso hauptsächlich um
den Spaß am gemeinsamen Rumdaddeln zu gehen. Warum also nicht schon
mal zu Herbstbeginn präventiv die Wintergeister verschrecken? Das Dschin-
derassabum der Setsubun Bean Unit ist
dafür bestimmt geeignet.
Arno Raffeiner
Shantel
Disko Partizani!
Essay Recordings / Indigo
Der selbstbezogene Popmusikdiskurs
hat immer noch Berührungsängste
mit einer klischeebehafteten »Weltmusik«. Vielleicht ändert sich das mit
DJ Shantel, der den Spagat zwischen
den divergierenden Gruppen von Rezipienten meistert, während dies den Gipsy-Brassbands wie der Fanfare Ciocãrlia oder den Taraf De Haïdouks weniger gelingt. Vor zehn Jahren ist Shantel in die Heimat seiner Familie nach
Bucovina gereist, wo er für sich die Musik der Gipsys entdeckt hat, die Fanfaren und Brassbands, die jedes Konzert
in ein trink- und tanzfreudiges Fest verwandeln. Shantel beginnt, ihre Musik
in Clubs aufzulegen und mit elektronischen Beats zu unterfüttern. Der Bucovina Club ist geboren, der ihm sogar einen Worldmusic-Award der BBC einbringt. Shantels aktuelles Album besteht trotz des clubverdächtigen Titels
»Disko Partizani!« aus Eigenkompositionen, die von Musikern eingespielt
wurden. Grandiose Virtuosen verschiedenster Kulturen konnte Shantel für
dieses Projekt gewinnen, das ihn zum
Manu Chao des Balkan-Pop kürt.
Matthias Schneider
Shiny Toy Guns
We Are Pilots
Mercury / Universal
Eine Band, zwei Geschichten aus Pop.
Oder besser: die gleiche Geschichte aus
zwei unterschiedlichen Blickwinkeln
erzählt. Version #1: Shiny Toy Guns aus
L.A. sind eine Band auf dem Weg in den
»Pop-Olymp«. Sie machen alles richtig
und haben auch noch das nötige Glück
gepachtet: Zunächst in kleinem Rahmen vertrieben, machte das Debüt, das
Anfang 2005 erschien, gepowert durch
MySpace, Fans und A&Rs großer Firmen, seinen Weg durch die Hierarchien der Industrie und Medien. Bis es hier
und jetzt auch in Europa und auf einem
Major-Label gelandet ist. Spitze, wie im
Märchen. Oder? Version #2: Shiny Toy
Guns sind eine Band auf dem Weg ins
Verderben – die Hybris lässt grüßen.
Grund: »We Are Pilots«, also das Europa-Release, stellt die vierte (!) Neuaufnahme des Debütalbums dar, das doch
eigentlich schon vor zweieinhalb Jahren veröffentlicht wurde. Zweieinhalb
Jahre Wiederkäuen des eigenen Ichs,
Ansprüche neu justieren, Chancen abwägen, künstlerisch schon längst Abgeschlossenes neu und zwanghaft noch
toller reproduzieren, bis es zu den Ohren rauskommt. Man muss kein Psychologe sein, um zu ahnen: Jeder Künstler mit nur geringem Faible für eigene
Entwicklung oder Würde müsste durchdrehen bei solch einem schrecklichen
Alltag. Und jeder, der diese Geschichte
erfährt und mit genug Häme sowie dem
Intro _ Probefahrt _ 109
Pinback
Autumn Of The Seraphs
7Ê6,
Touch And Go / Soulfood
Wer Pinback immer schon mochte, hatte schon länger diesen Eindruck – schöne Musik macht sich bei dieser Band
scheinbar wie von selbst. Ein anderes Projekt verfolgen Zach
Smith und Rob Crow dagegen viel bewusster: die Zerstörung
des eigenen Mythos’. Nicht nur hat Crow unlängst ein Soloalbum veröffentlicht, und das mit den Zuschreibungen des
süßen sensitiven Indie-Boys aufräumt, nein, auch das vierte
Album seiner Hauptband vermittelt einen ersten optischen
Eindruck von martialischer Metal-Symbolkraft und FantasyNerdism. So viel dazu, dass Pinback dünne und bartlose Seitenscheitel in T-Shirts seien – kann man ja so auch nicht stehen lassen. Musikalisch fällt dieses Statement dann aber erwartbar nicht ganz so eindeutig aus: Sicher haben Pinback
an ihrer Variabilität und Dynamik, gerade im SchlagzeugPart, gefeilt, trotzdem sind die elf Songs auf »Autumn ...« wieder das Schönste, Leichteste und Erhabenste, was Indierock
zu bieten in der Lage ist. Leicht angeschlagene Gitarrenakkorde verdichten sich in jedem Song zu unerhört subtilen
Fetisch für Originäres ausgestattet ist,
würde sich freuen, wenn hier jetzt auch
noch stünde, all die Mühe sei so was von
für die Katz gewesen.
Denen sage ich: Auch die vierte Version von »We Are Pilots« ist in all ihren
redundanten Reminiszenzen an Synthie-Pop, 80er- und Chartspop ganz
hervorragend. Auf ästhetischer Ebene nahe bei The Sounds, in phänomenologischer Hinsicht wiederum ziemlich genau dort, wo The Killers jüngst
aufhörten. Denn das Zitat bleibt auch
hier weitestgehend als Zitat verortbar
– wird aber in einem so redundanten
Auftreten zum Amalgam eigenständiger Kunst. Pop sowieso und tanzbarer
noch dazu. Eine Art gesampeltes Songwriting, das zu Hits, Hits, Hits führt. Deren Oktavbässe und tausendfach gehörter Pathos unterdrücken die potenzielle Wut über so ein Vorgehen mit der Zeit
komplett. Eben genau, weil manche der
Songs der Kritik so schutzlos gegenüberzustehen scheinen wie ein vertrocknetes Maisfeld einem berstenden Staudamm – bei genauerer Betrachtung
aber über jeden Zweifel erhaben sind.
»You Are The One«, »Don’t Cry Out« und
»Waiting« heißen nur drei Beweise dieses Geniestreichs.
Felix Scharlau
Slur
Boo
Noisedeluxe / Broken Silence
Zu den unerfreulichen Nebenerscheinungen der Globalisierung gehört auch, dass inzwischen aus allen
erdenklichen Ländern Pop-Mittelmaß auf den Markt drängt, das – ohne
Schwellenland-Bonus – nur ein Gähnen hervorrufen würde. Kein Mensch
braucht Ramones-Klone aus China oder
Grunge-Bands aus Malaysia. Gruppen
wie die chinesischen Joyside, die hierzulande mit großem Hype eingeführt
werden sollten, sich aber beim Publikum nicht wirklich durchsetzen konnten, mögen im eigenen Land durchaus
dramatischen Bögen, um im Refrain dann orgiastisch auszubrechen, ohne auch nur einmal unhörbar laut oder mörderisch schnell werden zu müssen. Gerade am Anfang wirkt
das Album ungewohnt rockig und rasant, tatsächlich ist es
aber genauso wenig verzerrt wie immer, die neue Wahrnehmung ist eigentlich nur durch detailversesseneres und noch
mal verbessertes Songwriting zu erklären. Spätestens ab
»Good To Sea«, dem dritten Song, singen Zach und Rob dazu
wieder mit hellen Stimmen hohe und behände hüpfende Achtelnoten, jedoch darum bemüht, davon nicht die Atmosphäre des ganzen Songs festlegen zu lassen. So schön, dass man
noch mal erwähnen muss: Hier, in ihrem Segment, sind Pinback das Beste, was es gibt. Und man schämt sich noch nicht
einmal wirklich, wenn man sich daran erinnert, im euphorischen Überschwang mal das tumbe Superlativ von der »besten Band der Welt« gebraucht zu haben. Denn irgendwie
passt das hier schon.
Christian Steinbrink
Sinn und Laune machen – trotzdem darf
an dieser Stelle mal die Arroganz des
Westens ins Spiel gebracht werden: Die
Unbedarftheit, mit der solche Bands Kapitalismus und Pop aufsaugen und in
eins setzen, wirkt in unseren alten PopLändern eher befremdlich als belebend.
Umso erfreulicher, dass Slur aus Thailand ganz und gar nicht epigonal klingen, sondern britischen Indie-Pop mit
einer Spur Ska auf eine ähnliche Weise verformt und zu ihrem eigenen Ding
ummodelliert haben wie die Aeronauten. Auch das ist eine der bizarren Folgen der Globalisierung – beim Hören
einer thailändischen Band ständig an
eine Band aus der Schweiz denken zu
müssen. »Boo« hört sich an wie der beschleunigte, beschwingte Nachhall auf
The Smiths, sehr britisch, sehr poppig,
sehr distinguiert. Gesungen wird in
Englisch, mit hörbarem Thai-Akzent,
der das Ganze allerdings eher liebenswert als bescheuert macht. Hier wird
deutlich, dass es einen hörbaren Unterschied zwischen bloßer Nachahmung
und Aneignung gibt.
Martin Büsser
Sportfreunde Stiller
La Bum
Universal
Die Sportfreunde Stiller müssen mit
ihrem ersten regulären Album nach
ihrem Ausflug zum Mond, dem WMDing, wieder Indiedisco-Bodenkontakt aufnehmen. Das wird schwer genug. Auch für die Kritiker. Die wissen
nämlich, nachdem Sportflo und Kollegen mit Schweini auf der Fanmeile vor
Millionen moshten, auch nicht mehr,
wo ihnen der Kopf steht. »You Have To
Win Zweikampf«, jenes WM-Album,
war mit Verlaub ein arges Verbrechen
an Style, Understatement und Coolness. Indie-Fangesänge aus Schüttelreimen und im Fun-Punk-Modus. Und
dennoch – wer wüsste es nicht? – wurde diese Platte zum Durchbruch der
Band in Proll-Galaxien, die noch kein
Immergut-Besucher zuvor je betreten
hatte. Was soll man den sympathischen
Jungs also wünschen? Dass ihre Platten
noch bauernmäßiger werden? Denn das
scheint ein wahrer Erfolgsgarant. Oder
soll man wünschen, dass sie sich von
dem Scum abgrenzen und dementsprechend ein spezielleres Werk verfassen?
Keine Ahnung, zum Glück gibt »La
Bum« selbst die Antwort: Die Sportfreunde rocken dort null verkrampft
ihren Stiefel durch. Mit der gewohnt
spitzbübischen Unbedarftheit, die sie
zu unbedrohlichen Indie-BubblegumHelden macht, die sie sind und bleiben
werden. Musikalisch hat man sich sogar was einfallen lassen: Der ElectroPop von dem Brugger-Brüder-Spaß-Projekt TipTop findet als Versatz seinen
Weg in die Hauptband, und auch »englische« Gitarren und Intonationen akuter Insel-Bands wurden eingeschleppt
und für den eigenen Stil urbar gemacht.
Ziemlich amtlich. Einzig die Texte fungieren, wenn man nicht bereit ist, dauernd über Stilblüten, Hakeliges oder
Ungeiles hinwegzuhören, als Stolperstein. Quatsch-Lyrics wie die der ersten
Single, die so was bringen wie »Alles Roger! Nee, wer ist denn dieser Roger?«,
muss man abkönnen, muss man vielleicht sogar lustig finden. Mir fällt das
mehr als schwer. Aber aufgrund der immensen Aufmerksamkeit, die den Sporties mit diesem Album wieder zuteilwerden wird, dürften sich genug finden,
die tatsächlich darüber lachen können.
Dann passt’s doch.
Sandra Brosi
Swayzak
Some Other Country
!K7 / Rough Trade
Swayzaks fünftes Album beginnt
gleich mit einer Hymne: Eine sich mit
weitem Hall ausbreitende Piano-Melodie, eine Vocal-Catchphrase, die sich
direkt ins Hirn gräbt, dann donnernde Drums und eine 4/4-Bassdrum, die
man mehr spürt als hört – daraus ha-
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Programm und mehr Infos:
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ic Chesnutt »North Star Deserter« (Constellation / Southern / Al!ve) – Oh, schon
lange kein Vic-Chesnutt-Album mehr gehört. Fast vergessen, wie schön das ist.
Wie gut, dass er mit Constellation endlich wieder eine
angemessene, wenn auch stilistisch nicht so richtig
passende Heimstatt gefunden hat. Vielleicht können
die seine surrende Stimme und diese stumpf klingende Akustikgitarre mal wieder etwas mehr ins öffentliche Interesse hieven.
Shels »Sea Of The Dying Dhow« (Undergroove / Indigo) – Wobei dieser Sigur-Rós/Isis-Verschnitt hier
noch viel besser zu Constellation passen würde, aber
auf Undergroove erscheint. Klingt natürlich hymnisch
wie erwartet, wirkt aber trotz beinharter Gitarrennoisewälle hin und wieder eine Spur zu aufgeräumt.
Moonbabies »At The Ballroom« (V2 / Rough Trade)
– Das ist dagegen doch wieder viel nachvollziehbarer
Pop. Und so süß zwischen Klee und Saint Etienne zu
verorten, dass er eigentlich nur aus Schweden kommen kann. Songs, so orchestral und romantisch, dass
sie an Divine Comedy erinnern, ohne Plattitüden, dafür mit Stil und trotzdem einem Stückchen folkig-bravem Erscheinungsbild.
Uphill Racer »You Will Understand« (Normoton
/ Al!ve) – Komisch, dass man von Oliver Lichtl bisher
kaum etwas gehört hat. Denn die Musik, die der Multiinstrumentalist aus München macht, ist gerade im
nationalen Vergleich ziemlich einzigartig. Sowohl die
schon sehr außergewöhnlich instrumentierten Indietronic-Popsongs, die noch einen leichten BedroomRecording-Charakter haben und mit einer an Thom
Yorke erinnernden Stimme besungen sind, als auch
die noch breiter und äußerst kreativ arrangierten Ambient-Soundscapes. Eine echte Entdeckung, besonders für Leute, die auf stringente Arrangements gerne
zugunsten von ausschweifendem Schönklang und Experimentierfreude verzichten.
Sixtoo »Jackals And Vipers In The Envy Of Man«
(Ninja Tune / Rough Trade) – Ein Stückchen weit hat
Sixtoo die raue Undurchdringlichkeit vom Vorgänger
»Chewing On Glass ...« für sein neues Album zurückgeschraubt. Aber nur ein Stückchen, denn Konzeption ist
dem Kanadier immer noch lieb. Die einzelnen Tracks
sind durchnummeriert und sollen als Ganzes gehört
werden. Trotzdem ist »Jackals ...« keine lustige RareGroove-Kiste. Die Beats grollen metallisch, die wenigen Soundelemente drum herum verschleiern die stoische Dynamik der Stücke dieses Mal kaum und blei-
ben im Hintergrund, der HipHop-Bezug ist deutlicher
denn je. Schönes strenges Album, wäre auch auf Anticon angesichts enttäuschender aktueller Veröffentlichungen sicher ein Schlüsselrelease geworden.
The Dragons »BFI« (Ninja Tune / Rough Trade) – Eigentlich ist es für ein kleines Label wie Ninja Tune ja
nicht ganz einfach, so viele Releases kurz nacheinander zu stemmen. Aber wenn DJ Food vor Ehrfurcht fast
auf die Knie fällt, ist das für die Firmenverantwortlichen wohl ein deutliches Zeichen. Zumal hinter dem
Album der Dragons ja so eine romantische Geschichte steckt: Vor 40 Jahren eingespielt, fanden drei Brüder
aus Kalifornien für ihre Platte kein Label. Die Mastertapes versackten in der Vergessenheit. Bis Food neue
Platten für seine überlebensgroße Sammlung sichtete
und auf einen Track auf einem Surf-Sampler stieß. Er
war hin und weg und kontaktierte die alt gewordenen
Dragons. So kommt »BFI« beim britischen Label für
abstrakte Elektronik zu verspäteten Weihen. Drauf ist
erstaunlich aufgeräumter Psychedelik-Rock, der ernster als die Doors sein will und doch die Leichtigkeit
der Beach Boys ausstrahlt. Könnte auch als entspannte Krautrock-Platte durchgehen. Auf jeden Fall schön,
auch wenn die Platte nicht so revolutionär ist, dass
man darüber spekulieren müsste, ob Rock bei zeitnaher Veröffentlichung von »BFI« eine gänzlich andere
Entwicklung hätte nehmen können.
Zeitkratzer feat. Lou Reed »Metal Machine Music« (Asphodel / Al!ve / VÖ 04.09.) – Man könnte jetzt
ewig ausholen und über die polarisierende Wirkung
des überlebensgroßen 1975er-«MMM«-Opus’ von
Lou Reed abledern, die Anekdote von der sogenannten »MMM-Klausel« in Plattenverträgen seit dieser
Zeit erzählen oder die Bedeutung des Zeitkratzer-Ensembles für die Bühnendarstellung von experimenteller und Noise-Musik würdigen. Das steht aber schon
woanders. Deshalb hier nur kurz: Zeitkratzer brachten
»MMM« auf die Bühne der Berliner Festspiele, und am
Ende kam auch Reed selbst vorbei. Entstanden ist daraus eine CD+DVD, dickes schwarzes Digipack, markige metallene Typografie, die Feedback-Kakofonie von
einst hier neu und mit klassischem Instrumentarium.
Fast schon martialisch, auf jeden Fall krasser Scheiß.
Dabei darf natürlich nicht fehlen, Reed von Diederichsen d. Ä. zu dem ganzen Brimborium sehr launig und
informativ live befragen zu lassen.
Ween »The Friends EP« (Schnitzel / Rough Trade) –
Nächstes Jahr steht auch mal wieder ein neues WeenAlbum an, hier vorab eine EP nur mit nicht auf dem Album enthaltenen Tracks. »Friends« ist sommerlicher
Eurodance und lässt vermuten, dass die Gebrüder ihren Humor mittlerweile vollends in Richtung »Bloodhound Gang« verschoben haben. Immer in anderen
Zungen sprechen ist eine große Leistung.
California Snow Story »Close To The Ocean« (Letterbox / Al!ve) – Die Schotten Camera Obscura galten
immer als Schwellenband: Man glaubte stets, der ganz
große Durchbruch zum Indie-Olymp stünde kurz bevor. Aber sie blieben dann doch stets eine Stufe davor stecken. Jetzt werden die Karten aber noch mal gemischt. Denn David Skirving von der Camera orgelt
jetzt solo los. Faszinierende Momente, richtig guter
Pop, mehr als ein Geheimtipp.
Los Kung-Fu Monkeys »Los Kung-Fu Monkeys«
(Übersee / Al!ve) – Wenn Namen doch nur sprechen
könnten. Ach so, das können sie ja. Dann muss man
zu diesem Hybrid aus Ska, Folk und Punk aus Mexiko
nicht mehr viel sagen. Der Bierstand im Moshpit.
K A R ST E N J A H N K E KO N Z Intro
E R T D_I Probefahrt
R E KTION _
G111
MBH
ben z. B. Underworld früher Klassiker wie »Born Slippy« gezaubert. Hier nun geben James Taylor und David Brown mit dem Track »Quiet Life« – mit Gastvocals
der Berliner Produzentin Cassy – dem altbewährten
Nebelmaschinen-Laser-Rave wieder einen guten Namen. Im weiteren Verlauf der Platte wird es aber doch
minimal und dubbig, wie man es von Swayzak kennt.
Gleichfalls zu seinem Recht kommt der Pop-Techno,
besonders wegen der Gastauftritte von Richard Davis (»No Sad Goodbyes«) oder der Italiener Les Fauves. Aber auch die deutlich härteren, hypnotischen Instrumental-Tracks wie »By The Rub Of Love« machen
nicht nur auf dem Dancefloor, sondern ebenfalls beim
Chillen bei 36 Grad im Schatten eine gute Figur. Sollte
man mal nachfragen.
Was macht euch beim Aufnehmen eines neuen Albums am meisten Spaß?
James: Das Mastering. Es ist toll zu hören, was der
Engineer macht, wenn er den Sound aus dem Mix herausarbeitet und das ganze Album ausbalanciert! Eine
Wissenschaft für sich ... Ach ja, und lange aufzubleiben, wegen des Stress’ ...
Du warst ja in den letzten drei Jahren so was wie im
Vaterschaftsurlaub. War es schwer, wieder ins Musikbusiness zurückzukehren?
Ja, das fand ich schon anstrengend.
Ihr sagt selbst, »Some Other Country« sei dunkler
und schwerer als das vorherige Album. Was meint ihr
damit genau, und was war der Grund?
»Dunkel« meint in diesem Fall, die Stimmungen
sind dunkler, der Sound ist härter als sonst. Wir hatten das Gefühl, wir müssten so auf diesen ganzen prätentiösen Minimal-Kram antworten ... Natürlich gibt
es auch ein paar gute Minimal-Sachen. Und die können auch ganz schön dunkel und hart sein.
Reykjavík-Hommage auch an die isländische Band
Reykjavík! gedacht hat, die so ganz anders klingt als
die Herren mit ihren Plings und Sounds. Die fünf Jungs
spielen, nun ja, einfach geilen Schweinerock und haben dabei auf ihrem Debüt einige Momente, die bleiben. Wenn zum Beispiel bei »7-9-13« nach etwas mehr
als zwei Minuten die Gitarren plötzlich so excuse-mewhile-I-touch-the-sky-mäßig durchdrehen. Herrlich.
»You Always Kill« klingt dann sehr emotional nach den
späten At The Drive-In – und ist vielleicht sogar so etwas wie ein Liebeslied. Ach, darum dreht es sich ja eh
in der Rockmusik und in der Musik überhaupt: viel zu
früh und immer wieder: Liebeslieder.
Christoph Büscher
Christian Steinbrink
Skuli Sverrisson
Sería
&
Jóhann Jóhannsson
Dís
&
Reykjavík!
Glacial Landscapes, Religion,
Opression & Alcohol
Alle 12 Tónar / Cargo
Reykjavík. Es mag wie ein Klischee klingen, diese
Kolumne isländischer Musik mit dem Namen der
Hauptstadt zu beginnen. Aber alle drei Alben drehen sich irgendwie um diese Stadt. Skuli Sverrisson hat dort den Großteil seines »Sería« eingespielt,
Jóhann Jóhannsson bezeichnet »Dís« als »my Reykjavík Album«, und Reykjavík! – nun ja. Letztere sind
auch sonst eher direkt. Wo Sverrisson und Jóhannsson ästhetischen und ätherischen Sounds nachspüren, schweinerocken Reykjavík! einfach geil. Doch der
Reihe nach:
»Sería« ist das zweite Album von Sverrisson, und
mit Bass, Gitarren und Streichern malt er mal bedrohliche, mal schwerelose, aber immer erhabene Melodien
in den Nachthimmel. Manchmal verirrt sich eine sanfte Stimme auf die Tracks. In »One Night Of Swords«
sprechsingt dann sogar Laurie Anderson – und ist dabei ähnlich ergreifend wie ihre Liebe Lou Reed am Anfang des Antony-And-The-Johnsons-Stücks »Fistfull
Of Love«. Die Musik von Jóhannsson ist ähnlich gelagert. Er setzt mehr auf Keyboards und Komposition,
klingt jedoch auch eher kontemplativ – allerdings hier
nicht so abgrundtief abgehoben wie auf seinem letztjährigen Werk »IBM 1401 – A Users Manual«. »Dís«
stammt bereits aus dem Jahre 2004 und war damals
für den Icelandic Music Award nominiert: eine oft an
die 80er-Jahre erinnernde Reise durch die Straßen einer Stadt. Keine Ahnung, ob Jóhannsson bei seiner
Tobias Mull
The Tacticians
Some Kind Of Urban Fulfilment
Setanta / Rough Trade
Das Beste an den Tacticians aus London sind sicherlich und mit Abstand ihre Texte, die die ironisch gebrochene Antirockstar-Haltung Art Bruts nachahmen
und im Zuge dessen u. a. von verflossenen Lieben erzählen, die jetzt im Pornobusiness unterwegs sind.
Das ist zunächst kein besonders beeindruckendes
Qualitätsmerkmal, aber besser wird es einfach nicht.
Denn die Musik, die die Brüder spielen, ist willenloser,
angerauter Britrock, der so von 1960 bis heute irgendwie immer hätte stattfinden können. Weder die Melodien noch die Arrangements haben großen Widererkennungswert, und der Gesang ist sogar ziemlich
schwach. Aber die Tacticians wollen offensichtlich
auch nur leicht unterhalten und ein paar lustige Schoten erzählen, und wem das reicht, der kann sich das
hier bedenkenlos holen. Aber gerade vom sonst so guten Setanta-Label hätte man eigentlich mehr erwartet.
Team Avantgarde
Absolut
Edit Entertainment / Groove Attack
Die Berliner HipHop-Formation Team Avantgarde
hat sich einges vorgenommen, z.B. den verrückten
Kids eine echte Alternative anzubieten. Reime, die
gekonnt den Alltag reflektieren und jenseits aller üblichen Text-Klischees auch über Drogen und Sonnenbänke Tacheles reden. Die Beats bouncen dazu auf beachtlichem Level. Kurz: Mensch, so könnte HipHop
doch auch sein – und nicht nur in dieser Ausnahme.
Uwe Buschmann
This Moment In Black History
It Takes A Nation Of Assholes
To Hold Us Back
INTERPOL
16.11.
17.11.
19.11.
24.11.
MÜNCHEN // TONHALLE
BERLIN // COLUMBIAHALLE
KÖLN // PALLADIUM
HAMBURG // DOCKS
MÚM
25.11.
30.11.
01.12.
02.12.
HAMBURG //MANDARIN KASINO
BERLIN // VOLKSBÜHNE
KÖLN // GEBÄUDE 9
FRANKFURT // BROTFABRIK
Joanna
JoannA Newsom
11.09. HAMBURG // KAMPNAGEL - K2
13.09. FRANKFURT // DREIKÖNIGSKIRCHE
18.09. MÜNCHEN // MUFFATHALLE
ARCHITECTURE
IN HELSINKI
19.09. BIELEFELD // FORUM
22.09. MÜNCHEN // AMPERE
30.09. DÜSSELDORF // ZAKK
THE HIVES
19.11.
20.11.
28.11.
30.11.
01.12.
HAMBURG // DOCKS
BERLIN // COLUMBIAHALLE
KÖLN // PALLADIUM
WIESBADEN // SCHLACHTHOF
MÜNCHEN // ZENITH
X-Mist / Broken Silence
Willkommen im Schilderwald der Verweise. Der LPTitel von Public Enemy entliehen, das Artwork von Velvet Underground. Doch statt einer Banane ziert eine
Aids-Schleife das Cover (abziehbar wie einst beim VUOriginal) – das von Josephine Baker eingeführte und
im Laufe der Jahre immer wieder rassistisch konnotierte Symbol für Blackness, Exotismus und Hinterwäldlerei ist vom Symbol für eine Krankheit abgelöst worden, die halb Afrika dahinrafft. Kein Zweifel
– TMIBH melden Handlungsbedarf an. Wir haben es
nach Jahren wieder einmal mit einer politisch ernst
zu nehmenden Hardcore-Band zu tun, deren Message
sich nicht auf Anti-Bush-Slogans beschränkt. Das
Quartett aus Cleveland, Ohio, dem auch zwei afroamerikanische Musiker angehören, vermittelt Dringlichkeit. Politisches hört sich hier weder nach Style noch
nach Attitüde an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass
die Musik hier nicht zweitrangig als bloßes Sprachrohr der Botschaft fungiert. Die ehemaligen Musiker von Neon King Kong und Bassholes spielen tollen Post-Core, der vom ersten Ton an klarmacht, wo-
!!!
25.10. HAMBURG // KNUST
26.10. KÖLN // GEBÄUDE 9
SONIC SEDUCER
EDITORS
02.11.
03.11.
07.11.
08.11.
HAMBURG // UEBEL & GEFÄHRLICH
BERLIN // POSTBAHNHOF
MÜNCHEN // ELSER-HALLE
KÖLN // LIVE MUSIC HALL
KARTEN AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN.
Ticketservice: 0 18 05 - 62 62 80 (€ 0,14/Min.)
040 - 413 22 60 (Mo-Fr, 10 -18 Uhr) · www.karsten-jahnke.de
112 _ Intro _ Probefahrt
Supermayer
Save The World
Kompakt / VÖ 17.09.
Man kann ihnen einfach nicht böse sein. Einem charmanten Doppel aus Michael Mayer und Superpitcher verzeiht
man sogar einen ebenso allerweltsmäßigen wie doofen Projektnamen samt großkotzigem Albumtitel und entsprechender Superheldeninszenierung auf dem Cover-Artwork. Supermayer retten also die Welt. Klar, für Baby Ironie und Mister Größenwahn waren bei diesem Abenteuer von Anfang
an zwei Hauptrollen vorgesehen. Das Gute daran: Mit ihrem
selbstbewussten Auftreten haben unsere beiden Comic-Helden gar nicht so unrecht, denn tatsächlich versöhnen sie die
zickige Popgeschichte mit dem dicken Tanzbeat. Die Songs
und Discostampfer auf »Save The World« sind überraschend,
quirlig und auf jeden Fall nicht das, was man von einem Kölschen Dreamteam of Schaffeltechno und Neo-Trance, das bis-
her er kommt und wohin er will. Black
Flag, Fugazi und The Bad Brains – die
trotz ihrer Homophobie und religiösen
Spinnerei eine Band waren, deren historische Bedeutung man anerkennen
muss, wenn auch zähneknirschend –
bilden hier die Blaupause für einen musikalisch sehr offenen HC-Ansatz, der
von Steve Albini entsprechend schneidend produziert wurde. Das zappelt und
lodert, pfeift auf Trends, vermittelt Wut
und Aufbegehren und gibt allen, die
musikalisch in den 1980ern sozialisiert
wurden, das tröstliche Gefühl, dass die
HC-Szene doch noch mehr als lebende
Schatten ihrer selbst zu bieten hat.
Martin Büsser
Two Gallants
Full Bleed
Saddle Creek / Indigo
Erst kürzlich, anlässlich der Veröffentlichung der EP »The Scenery Of
Farewell«, konnte man den Eindruck
gewinnen, dass Two Gallants mittlerweile Spaß daran gefunden haben,
ihre Songs endlich mal behutsam
und bedächtig zu arrangieren. Diesen
Eindruck lässt das nun folgende
her fast nur remixend aufgetreten ist, erwartet hätte. Eine
quäkende, verdammt nach Jim Avignon klingende Stimme
macht auf dem ersten Stück die programmatische Ansage:
»The Art Of Letting Go«. Und in der Folge wird mit jedem einzelnen Stück dieser Platte alles an Erwartungshaltungen losgelassen und der Anspruch, den Kompakt an sich selbst stellt
und auch gerne nach außen kommuniziert, endlich mal eingelöst, nämlich, schlicht und einfach ein Poplabel zu sein.
So vielfältig, zitierfreudig, catchy und glamourös wie Supermayer war Kompakt noch nie und Köln seit Forever Sweet
nicht mehr. Und gerade in dieser Offenheit liegt die Qualität
der Platte. Techno gerettet, Pop gerettet, Welt gerettet. Dann
ist ja wohl alles supermayer! Mehr im nächsten Heft.
Arno Raffeiner
volle Album wieder ein Stück weit
verfliegen. Die beiden Typen haben
es einfach nicht übers Herz gebracht,
ihren omnipräsenten Dylan-Bezug
zurückzudrängen, und knödeln sich
wieder voller Lust durch HillbillyGitarren und Mundharmonika-Soli.
Das ist zwar wie gewohnt gekonnt und
auch stimmungsvoll über die pure
Replik hinaus, aber eben doch ziemlich
gewohnt. Am schönsten ist die Platte,
wenn die Verstärker ausgestöpselt werden und etwas Ruhe und Melancholie
einkehrt, wie z. B. in »Trembling Of The
Rose«. Ansonsten regt besonders die
haargenaue Nachahmung von Bobs
Antigesang auf. Dieses Flirren in um
Halbtöne schiefen Tonlagen muss man
sowieso erlernen, das kann man doch
auch gleich bleiben lassen. Klar war
und ist: Was die Two Gallants machen,
machen sie gut. Dieses Album lässt
aber weiterhin die Vermutung zu, dass
sie etwas anderes noch viel besser
könnten. Was der wieder beruhigtere
Schluss mit den Stücken »Fly Low Carrion Crow« und »My Baby’s Gone« auch
äußerst hübsch beweist.
Christian Steinbrink
Patrick Watson
Close To Paradise
V2 / Universal
Uhh, was ist denn das für eine irre
Nummer? Eine Stimme irgendwo am
Ende der Garage aufgenommen, höhenlastige Folk’n’Banjo’n’Schüttel-Ei-Untermalung und zwischendurch noch
Frauenchöre wie in einem Sixties-Popsong. Wer macht denn so was? Augenscheinlich Patrick Watson aus Montreal. Kanada ist das neue Skandinavien, möchte man mal wieder meinen.
Zumindest in puncto relevanter PopOutput. Soundmäßig macht er natürlich keine Zugeständnisse an schwedische Perfektionsliebe. Es geht eher
um diese leicht hippieeske Detailfreude von Kommunen-Musizieren – wie
bei Broken Social Scene. Nur dass Patrick dabei ziemlich verlassen klingt.
Und durch den angezerrten Hall auf seiner Stimme verdichtet sich dieses Gefühl von aufgewühlter Vereinzelung
nur noch. Das ist Musik von einem Bartträger – wenn man diesen Umstand tatsächlich hören kann, dann hier. Ach,
und zuletzt steuerte er seine genauso zarte wie kräftige Stimme bei eini-
gen Songs des Cinematic Orchestra
bei. Das ist eigentlich nur eine typische
Rezi-Information, aber letztlich ja doch
auch eine Empfehlung. Trotz der uferlosen und klangvollen Einsamkeit: Alles
schön. Alles schön.
Christian Kahrmann
You Say Party!
We Say Die!
Lose All Time
Pias / Rough Trade
»The stars burn so bright, much better than neon lights« – der nächste ultimative Dancefloor-Slogan? Vielleicht. Und der stammt nicht von The
Gossip oder Hot Hot Heat, sondern von
YSP!WSD! Dass die ehemalige Fahrrad-Gang aus Vancouver Gitarren-Musik für die Tanzfläche macht, hat sie bereits mit ihrem Debüt »Hit The Floor«
bewiesen. Auch auf dem Nachfolger
schreit, spricht und singt sich Sängerin
Becky Ninkovic enervierend durch die
Songs, die im Ganzen etwas stringenter
ausfallen, aber immer noch vor Feedback-Attacken und rollenden Bässen
nur so strotzen. Pretty Girls Make Graves müssen da als Referenz genannt
werden. YSP!WSD! ist nicht nur wegen
der gleichen Bandkonstellation (zwei
Frauen, drei Männer) mit dem SeattleFünfer vergleichbar, sondern auch, weil
sie es ebenso verstehen, punkige Passagen neben melancholisch-melodiöse Parts zu setzen. So flechten sie bei
»Monster« und »Moon« bittersüße Bontempi-Orgeln absolut komplementär in
das Noise-Gewitter. Mit »You’re Almost
There« rauscht eine waschechte PianoBallade in das ansonsten laute Soundgefüge, die den Hörer mit ihrer Schwere schlimmer erwischt als damals die
Titelmelodie von »Praxis Bülowbogen«
im sorgenfreien Vorabendprogramm.
Doch lange schwelgen ist nicht die Sache von YSP!WSD!. Die wollen nämlich
eigentlich immer nur tanzen.
Thomas Markus
PRINCE Band Support. Pepe Mula
PRINCE hat für Musiker mit Leidenschaft ein großes Herz und deswegen
den »PRINCE Band Support« ins Leben
gerufen, um ambitionierten Bands unter die Arme zu greifen. Dieses Förderprogramm bietet den Rockstars in spe
im Intro regelmäßig die Möglichkeit,
sich der Welt vorzustellen. Um also
auch mal Schlagzeilen zu machen, einfach eine Mail mit »Band Report« im
Betreff an service@prince.de schicken
und die Post abwarten.
Die Gründungsgeschichte von Pepe
Mula ist ganz klassisch: Sänger sucht
per Anzeige Band, beim ersten Mal im
Proberaum merkt man: Man gehört zu-
sammen, hier geht einiges. Die fünf
Jungs von Pepe Mula eint nicht nur eine
große Leidenschaft für The Doors, auch
an kontemporären Bands wie The Strokes oder The Vines haben die Musiker
einen Narren gefressen. Man versteht
sich blind, die Songs schreiben sich von
selbst. Doch sind Pepe Mula mehr als
nur ein billiger Abklatsch der Großen.
Ihre Songs haben einen eigenen Drive
und lassen sich nicht so leicht in eine
Genre-Schublade stecken: Zwar nölt
Sänger Daviel Alonso Garcia genauso
schön gelangweilt wie Julian Casablancas, allerdings meint man andernorts –
wie im Song »White Light« zum Beispiel
– fast Brad Nowell, den legendären Sän-
ger der So-Cal-Ska-Punk-Band Sublime,
herauszuhören. Die Band nennt ihr Potpourri an Einflüssen selbst gerne »Discopunk mit Guerilla-Pop-Kante« und
hat damit vollkommen recht. Dank ihrer
eigenwilligen Mischung aus Pop, Ska
und Punk haben sich Pepe Mula in Leipzig schon längst einen Namen erspielt.
Und inzwischen reicht ihr Ruf auch über
die Heimatstadt hinaus: Kurz nach dem
Release ihres Debütalbums »Wunderwaffe« teilten sich die Leipziger auf dem
bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens
letzten Sommer auf dem SonneMondSterne-Festival eine Bühne mit Acts wie
Mia., den Scissor Sisters und Kraftwerk.
Wie gesagt – da geht einiges.
Intro _ Probefahrt _ 113
Tanzen mit Venker, Tomsche & Frank Martiniq
B
oxer wird 50. Und die Compilation zum
Fest, »Jubilee« (Boxer / Kompakt), mixt der
Kölner DJ und Produzent Frank Martiniq
– übrigens mit Vinyl und nicht am Rechner.
(»Okay, okay, ein bisschen nachbearbeitet wurde,
kostete so schon genug Nerven ...«) Anlass, ihn zum
Frühstück einzuladen und dabei die aktuellen Platten durchzuhören.
Mark August »Old Joy« (Connaisseur Recordings
/ Intergroove) – V: Schluck den Bissen runter, wir wollen Kommentare hören. M: Bis zur Hälfte fand ich die
ganz gut, dachte zuerst, das wär eine Platte von Gabriel Ananda, aber dazu klangen die Drums dann letztlich zu wenig nach ihm. Was mich an der zweiten Hälfte stört: Da kommt erst noch eine Hookline dazu, dann
noch eine Fläche – tja, und dann ist es einfach zu matschig. T: Ich bin geplättet. Das nenn ich mal ‘ne klare Analyse. V: Kennst du Mark August? M: Nee, aber
von Connaisseur gab es vor kurzem eine Compilation,
die ich nicht so schlecht fand. V: Das klingt aber auch
nicht begeistert. M: Na ja, ist halt wie oft bei Compilations: Ein, zwei Tracks sind gut, und das war es dann.
V: Hm, zur b müssen wir wohl nicht mehr viel sagen.
M: Gefällt mir aber besser als die a. Schöne Melodie. V:
Ja, es klingt entspannt und gut, aber mehr ist da doch
nicht abzuholen ...
Raudive »Zeitgeist EP« (Pokerflat / Word And
Sound) – M: Ach so, das ist Oliver Ho. Der hat früher
sehr harten Techno gemacht, so Adam-Beyer-Schiene. Wobei ich mir letzte Woche sogar einen Adam-Bey-
er-Remix gekauft habe – das hätte ich nie für möglich
gehalten. Muss man halt ein bisschen runterpitchen.
V: Unspektakulär. So die typische Mischung: düster
brabbelnde Stimme, Signalterror und Rumpelbeats.
M: Find ich nicht gut. Auch absolute Klischeestrings.
Und ja, das Piepen nervt. T: Auf der b sind Remixe von
einem Stück namens »Needles«. V: Kennst du das Original? M: Nee. T: Remixt haben das Steve Bug und
Head, hm, das ist wohl eher eine Genrezuordnung. V:
Also, wenn in den Bug-Mix nicht bald Dynamik reinkommt, dann ... M: Ich find den ganz nett, um ein Set
anzufangen.
Mikael Jonasson »Twenty Se7en« (Audiomatique /
Word And Sound) – M: Das fängt schon mal sehr sympathisch an. Der soll das jetzt bloß nicht ruinieren. Ich
hab gerade eine Assoziation: Ich sehe einen Flummi
durch die Wohnung hüpfen. V: Klickert mir ein bisschen zu sehr rum. M: Ja. Wo bleiben denn derzeit die
schönen Basslinien? Ich habe oft den Eindruck, dass
die Leute mehr und mehr Soundschnipsel hinzufügen, um ihre eigene Ideenlosigkeit zu überspielen.
V: Die b2 hat ‘ne Basslinie – aber keine überzeugende. Hauptsache anbratzen. M: Ja, warum lässt denn
gerade fast keiner die Basslinie mal gerade laufen?
Ich wünschte, Leute wie Herbert würden mal wieder
»back to the Roots« produzieren. Warm, funky und
ohne Bigband bitte schön.
Felix Da Housecat »Future Calls The Dawn« (Different / Pias) – M: Das ist Felix Da Housecat? Das müsste
doch bei jedem mittlerweile angekommen sein, dass
man diesen Cher-Effekt auf der Stimme nicht mehr
bringen kann. Demnächst im Duett mit Scooter. V:
Ist halt so ‘ne typische Maxi, wo der Produzent einen
Hit abliefern will. Ah, jetzt auch noch sein Break mit
pseudo-mystischem Gerede. M: Das muss man professionell hören – aber auch dann ist es nicht gut. T:
Jetzt die b. M: Das ist so unerwartet bescheuert nach
der schlechten a, dass ich einen Pluspunkt verteilen möchte. V: Respekt, dass du dem was abgewinnen
kannst. M: Ob ich ihm wohl meine alten Front-242Platten verscherbeln kann? V: Der merkt nichts mehr,
der nimmt alles. M: Wobei eher Sigue Sigue Sputnik.
T: Da schließt der Trash an. V: Schrecklich, Mix aus
Kinderzimmersynthesizer und Porn-Ästhetik.
Miss Kittin & The Hacker »Hometown EP« (Good
Life / Pias) – M: Ich will ja nicht jede Platte runterkommentieren. Also deswegen mal anders ausgedrückt:
Ich mochte Miss Kittin und den Hacker noch nie, aber
für Fans sollte das was sein. Irgendjemand hat mal
zu Miss Kittins Auflegfähigkeiten »Doppelbasskönigin« gesagt. Ich war es nicht! V: Das ist aber gemein.
Ich mochte immer, dass sie über die Tracks, auch über
fremde, drübersingt – das hilft natürlich, die – in der
Tat – nicht perfekten Skills zu verbergen. Aber mal ehrlich: Wer braucht schon Perfektionismus? – Doch nur
Leute ohne Herz.
Lawrence »Compulsion« (Dial / Kompakt) – V: So,
jetzt wird es gut. Mein Mann Lawrence. Der hat noch
nie gepatzt. M: Geile Basslinie. Erinnert mich spontan
an Lil’ Louis. Wusste gar nicht, dass er auch so tanzbar produziert. V: Doch, doch, aber eben zugleich sehr
stimmungsvoll und auch mit dem richtigen Maß an
Experimentierfreudigkeit; allein schon, wie die Beats
sich am Anfang einhüpfen. M: Toll, nach all den Lästereien kann ich endlich was abfeiern. T: Ich mach mal
die beiden b-Tracks. Ah, wieder so eine tolle Melodie.
M: Sehr, sehr schöne Platte. Würde ich mir schon allein wegen der a kaufen. V: Die b2 kontrastiert den klirrenden Oberbau mit dem dubbig-wummrigen Basssound. Hervorragend.
Laps »Jolie EP« (Smallville / Kompakt) – M: Schöne Platte. Für mich eine bessere Pokerflat. Ich mag die
Sounds und den hypnotischen Touch. V: Kennst du
den Plattenladen von denen? Der ist ganz toll. M: Ich
habe es leider noch nie hingeschafft. Für mich ist der
Julius, einer der Betreiber, der Marc Lansley von Hamburg. Feiert gerne, kennt alle – da macht es Sinn, einen
Plattenladen mitzubetreiben, wenn man so ein Kommunikator ist. V: Ich mag das Artwork, das hat so eine
Prägnanz, gerade dadurch, dass es sich ästhetisch zurücknimmt, auf wenige, sehr kindlich gezeichnete Linien und Formen beschränkt. M: Die hölzern-rhythmischen Sounds sind klasse.
Thomas Anderson »Upwardly Mobile« (BPitch
Control / Neuton) – V: Gibt das einem von euch was?
M: Der hatte mal eine Gute auf BPitch, aber die? Nee.
T: Ich fand das Scheppern im ersten Drittel ganz gut,
aber sonst ... Ich mach mal die b. V: Besser als die a.
Aber einfach nichts für mich. M: Ja, besser als die a.
Aber trotzdem ausmachen. Danke. V: Und Feierabend.
Bzw. jetzt darfst du zum Schluss noch die zwei aktuellen Maxis droppen, die auch zum Boxer-Geburtstag
rauskommen und auf denen neben dir noch Matzak,
Goldfish (remixt von Tadeo), Handycraft, Patrick Chadonney (»50.1«) und Duoteque, Martin Eyerer, Matzak
(remixt von Tekel) und Delon (»50.2«) mit dabei sind.
M: Oh, Danke, die heißen so: Diverse »50.1« und »50.2«
(Boxer / Kompakt)
114 _ Intro _ Probefahrt
Heimspiel 09.2007
Ascona
This Could Be Your Part
To Sing!
CD // Day-Glo / Pias
Im Hause Ascona weiß man um die eigene Hymnenhaftigkeit. Sonst hätte
man sich wohl kaum getraut, das Album »This Could Be Your Part To Sing!«
zu nennen. Und tatsächlich gelingt den
Reutlingern mit dem Opener »Hands
And Feet« aus dem Stand der Sprung
in ungeahnte Euphoriehöhen. Glasklare Gitarren, große Melodien, Singalong-Lyrics, ein Refrain wie ein Schulterklopfen – und genau im richtigen
Moment der Tritt aufs Effektpedal, der
schon auf der Coverfotografie angedeutet wird. Das packt, ist zwar nicht originell, aber weckt angenehme Erinnerungen an die Readymades, Miles’ und Pales, die uns die heimische Musiklandschaft schon beschert hat. Ascona suchen sich die Referenzpunkte natürlich
lieber im Ausland und nennen die Shins
und die Strokes als Einflüsse. Ersteres
geht durchaus klar, Letzteres bleibt ein
Rätsel. Statt aufgesetzter NYC-Coolness herrscht hier nämlich die große
Gefühlsgeste, die nur ganz selten ins
Pathetische kippt, wenn sich Sänger
Ronald Russat ein wenig zu sehr ans
Mikro wirft. Daran krankt beispielsweise das Titelstück. Aber das bleibt dann
auch der einzige Schwachpunkt eines
Albums, in dem viel Herzblut steckt und
an dem hörbar lange gefeilt wurde.
Daniel Koch
Diverse
Who Put The L In Leipzig
CD // Palmo
Irgendwas läuft in Leipzig anders.
Nicht nur vor der Wende, sondern vor allem im Hier und Jetzt. Man denke an Ilses Erika, Conne Island, das PNG-Fanzine und unsere liebste Indiemesse, (Pop
Up, um nur einige zu nennen. Und obwohl oder gerade weil allerorten nach
Berlin gezogen oder zumindest ge-
schielt wird, bleibt Leipzigs Subkultur
so aufregend. Wie spannend Leipzigs
Musikszene derzeit vor sich hin werkelt, zeigt die Compilation »Who Put
The L In Leipzig«. Herrlich Verqueres
steht neben New Wave neben Electrogeplucker neben klassischem Indiepop.
Wenn es so etwas wie eine Leipziger
Version von New Rave gibt, dann übernehmen das wohl acid.milch&honig
und Mirz Brün mit merkwürdigen Texten und zackigen Beats. Gitarrenlastiger, aber nicht weniger tight kommen
Woodruff And The Snibble Of Azimuth
daher. Großartig auch die Beiträge
von Leipzigs augenblicklicher Indiespeerspitze, den von ZickZack gesignten Brockdorff Klang Labor. Das geht
textlich gerade so am Popkitsch vorbei, überrascht dann aber immer wieder
mit eleganten Wendungen. So unterschiedlich die einzelnen Beiträge auf
»Who Put The L In Leipzig« auch sind,
von einer Leipziger Schule zu sprechen
drängt sich nicht nur auf, sondern ist
längst überfällig. Da geht das Kopfnicken in Richtung UK im CompilationTitel also durchaus in Ordnung.
Tine Franz
Green Empathy
Souvenirs
CD // Peacelounge /
www.peacelounge.com
Daniel Voss mag exotische Klänge und
fröhliche, eindeutige Harmonien, gerne etwas angekitscht. Er liebt die schönen Seiten des Lebens und irgendwie
wohl die ganze Welt in all ihrer Verschiedenheit. Daher macht er als Green
Empathy, bei einigen Stücken unterstützt von Bruder Roland Voss, so eine
Art Elektronikweltmusik, die sich aber
in den fernen Ländern meist in einem
Gummischutzanzug versteckt, um ja
keine bösen Infektionen mit nach Hause zu nehmen. Ausgerechnet an der im
Projektnamen behaupteten Empathie
als musikalischem Einfühlungsvermögen fehlt es da ein bisschen, denn
die Weltmusikanmutung bleibt gerne im eurozentristischen Harmoniesumpf stecken, in den Klischee-Sounds
und den zahlreichen Gesangslinien,
die sich Voss von wer weiß woher ausgeliehen hat. So klingen die »Souvenirs«, die Voss von seinen geträumten Reisen mitgebracht hat, ein bisschen so, als würde rasch mal eben die
Soundbibliothek namens »Ethnic«
durchgehört. Sie lassen Biss und Identität vermissen. Das Album könnte als
netter Versuch für das Projekt Völkerverständigung durchgehen oder eben
auch als munter zusammengewürfeltes Lounge-Album, das, leise im Hintergrund gespielt, ein bisschen grüne
Sehnsuchtstapete an die Wand malt.
Arno Raffeiner
Karamel
Schafft Eisland
CD // DevilDuck / Indigo
Gänsehaut! Wenn Johann Scheerer
manchmal in den Refrains eine Oktave
nach oben wechselt und mit verzerrter,
sich überschlagender Stimme all seine
Verzweiflung hinausschreit – das ist in
seiner Emotionalität nicht wenig eindrucksvoll. Überhaupt hat man schon
beim ersten Hören dieses Albums den
Eindruck, dass hier jemand seine Stimme gefunden hat. Der näselnde Stimmcharakter erinnert zwar an Jens Friebe,
die etwas gallige, schwermütige Attitüde und der Flow der deutschen Worte
lassen auf eine geistige Nähe zu Clickclickdecker schließen. Und doch hat
Scheerer, der zusammen mit seinem
Partner Sebastian Nagel das Duo Karamel bildet, etwas unverwechselbar
Eigenes. Beinahe könnte man ihn als
deutschen Chansonnier bezeichnen:
Oft reicht eine gezupfte Gitarre als Begleitung völlig aus, und die Melodiebögen haben etwas sehr Weiches. Die
Produktion hingegen bringt schroffe Elemente ins Spiel – Störgeräusche,
Übersteuerungen, Fiepsgitarren, rumpelige, verschleppte Schlagzeugrhythmen. Klarer Fall von 90er-Jahre-DepriSchrammel-Rock-Sozialisierung: hängende Schultern, hängende Köpfe. Textlich wird ordentlich im Gefühlseintopf
gerührt. Richtig eindeutig wir es zwar
an keiner Stelle, trotzdem beschleicht
einen bei jedem Song die fröstelnde Ahnung, dass es wohl um heikle Angelegenheiten gehen muss.
Oliver Minck
The Lazy
Lazy In Red
CD // www.thelazy.org
Atemberaubend, wie gut das ist: wie clever, wie gewitzt, wie smart. Drei Münchener Bohemiens, die ihre Exzentrik
offensichtlich gerade noch im Zaum
halten können, machen eine Platte ohne
stilistische Maßgabe und nennen sich
The Lazy. Sie predigen die Ambitionslosigkeit als einzig wahren Ausweg, als
Konklusion des Lebens sozusagen. Und
das wirkt noch nicht einmal banal. Sie
machen, wie im Info richtig geschrieben wird, »harmonische Popsongs und
unharmonische Schrottsongs«. Und
sowohl die einen wie die anderen sind
durchaus gelungen. Es ist so erhebend
wie ironisch, wenn sie mit hymnischen
Singalongs wie »I’m So Happy Electricity Exists« um die Ecke kommen oder
wenn sie ihr Wortspiel »Vom Tellerwäscher zum Militär« ausgiebig und stolz
direkt im Song selbst erklären. The Lazy
erinnern ab und zu an Rocket Freudenthal, sind aber deutlich schlüssiger. Und
wer glaubt, dass Tocotronic mit ihrer Kapitulationsanalogie überzeugend wa-
ren – eindeutig wären sie erst gewesen,
wenn sie so wie The Lazy »Und wir pressen unsere Ärsche in Gips und alle machen mit« oder »It is ridiculous to wait
for better pay« gesungen hätten.
Christian Steinbrink
Myoni
Ohne Worte
CD // www.oktobermusik.de
Myoni meinen es verdammt ernst. Die
Berliner Band um Namensgeber und
Sänger Martin Myoni hat es nicht mit
Ironie, Humor und szenigem Understatement. Noch nicht mal cool wollen die fünf sein. Da ist nichts mit Verstärker aufreißen und losschrammeln,
nein, da werden im Vorfeld Konzepte
ausgebrütet – von einem »Dreipunkteplan« ist gar im Info die Rede: Leidenschaft, Zurückhaltung, Ernsthaftigkeit. Das Ergebnis klingt dann auch
ganz schön nach Konservatorium:
Schreiben Myoni vielleicht erst einmal
Partituren, bevor es ins Studio geht? Jeder Gitarrenton scheint auskomponiert
– und wenn der Verzerrer doch einmal
eingeschaltet wird, dann aber mit Bedacht. Martin Myoni singt in gewundenen, fantasievollen Melodien, mit einer
Stimme, die in den Tiefen angenehm sonor klingt. In den Refrains schaltet er
oft auf Kopfstimme um, durch die ständigen Harmonisierungen stellt sich ein
Chorus-Effekt ein, der an die Münchner
Freiheit erinnert. Die deutschen Texte von Myoni sind lyrisch, indirekt und
kommen ohne offensichtliche Bedeutung daher. Mag auf den ersten Blick
alles ein wenig unlocker wirken – vom
allgegenwärtigen Selbstanfeuerungspop der deutschen Major-League ist das
hier aber meilenweit entfernt. Da repräsentieren Myoni schon eher das Land
der Dichter und Denker.
Oliver Minck
Rusty Spoon
Mixtape Wreckers
CD // www.rusty-spoon.de
Schrammelgitarre trifft Breakbeat.
Country-Akkorde poltern in die Disco. Turntablism sagt »Ja« zur Jazz-Geige. In den seligen 90er-Jahren hieß solcher und ähnlich gearteter musikalischer Zeitvertreib mal Big Beat und
beherrschte partytechnisch gesehen
die ganze Welt. Wenn zehn Jahre später wieder überall Neonfarben leuchten
und lautstark die lustige Beliebigkeit
eingefordert wird, kann man sich ja mal
am Recyclen des alten Musikspaßes
ausprobieren. Das haben sich zumindest Dominik »DJ Nick Narrow« Annies
und Mat »ManicMat« Kovacic gedacht
und einfach losgelegt. Beim ersten Hinhören klingt das, was die beiden mit ihrem Projekt Rusty Spoon da anrühren,
nach einer etwas kruden Mischung.
Intro _ Probefahrt _ 115
Marit Fahlander
O. T.
CD // www.myspace.com/maritfahlander
Aber schließlich wollen sie sich auf diesem Album ja auch erklärtermaßen als
»Mixtape Wreckers« gerieren. Und das
machen sie dann eigentlich ganz ordentlich. Wie viele Musikgenres bei den
Scratch- und Sample-Attacken der beiden kaputt gegangen sind, lässt sich
nicht mehr so ganz genau ausmachen.
Aber egal, die übrig gebliebenen und
bunt durcheinandergewürfelten Splitter sind auch so für einige Kurzweil
gut und haben mit ihrer Lo-Fi-RockRap-Rumpeligkeit in einigen wenigen
Glanzmomenten fast was vom Herrn
Beck Hansen.
Arno Raffeiner
Son Of The Velvet Rat
Loss & Love
Hach, immer diese Schweden, immer dieser Pop! Marit Fahlander ist auch so eine, mit Wahlheimat Berlin und gerade mal
21 Lenzen auf dem Buckel. Schwedenpop meint ja die gefällige Zusammensetzung von allerlei Ausgeburten der Pophistorie mit Niedlichkeit als Bindemittel, Berlin meint alleine
Musik machen und den Rechner als liebstes Instrument wählen. Und 21 Lenze meint noch mehr Unbekümmertheit. Diese Eckdaten erklären aber nicht, dass dazwischen eine Tiefe
lauert, die schon mal zu einem ausgeprägten Schwindelgefühl führen kann, wenn man genau hinhört. Plötzlich greifen all diese hintergründig abgemischten Instrumente nach
einem und ziehen. Schon mal mit einem Mantel in einen See
gefallen? So ungefähr. Da strudeln sie dann leise, die Violinen
und Synthies im Hintergrund, während im Vordergrund noch
immer Marits Stimme mehr nett und traurig denn verheerend klingt. Und doch stellt sich die Frage, ob Marit Fahlander
nicht eine verkappte Sirene ist. Ihre Songs klingen einfach
viel zu sehr nach dem musikalischen Äquivalent zu den Klippen, an denen die Schiffe zerschellen. Und blond wie die Lore-
ley ist sie auch. Fragen wir doch mal, ob sie sich auch so sieht.
In deiner Musik ist auch eine sehr düstere, fast böse Komponente. Was steckt dahinter? Viele Leute finden in meinen
Songs nur Traurigkeit. Ich aber bin der Meinung, dass in aller Traurigkeit immer auch Wut und Bosheit versteckt sind.
Schön, wenn man das in meinen Songs hören kann.
Wie schreibst du deine Songs? Ich schreibe alle auf dem Klavier. Eigentlich habe ich erst wegen des Klaviers zu schreiben angefangen. Vorher habe ich Folk auf der Geige gespielt.
Es ist sehr schwer zu singen, wenn man die am Kinn hält, ich
kann es jedenfalls nicht. Am Klavier zu sitzen war eine ungeheure Befreiung.
Warum trägt das Album keinen Titel? Ich habe die Songs
über einen recht langen Zeitraum, über drei Jahre hinweg geschrieben. In gewisser Weise ist so eher eine Songsammlung
entstanden als ein richtiges Album. Das nächste soll eher ein
Konzept haben und dann auch einen passenden Titel kriegen. Aber vor allem ist mir einfach keiner eingefallen.
Mick Schulz
CD // Monkey / Broken Silence
Es ist keine Sensation, dass »Loss &
Love« ein wunderschönes Album ist.
Sensationeller ist da schon, woher es
kommt. Denn hinter Son Of The Velvet
Rat steckt der Grazer Georg Altziebler.
Mit seinem zweiten Album ist er endgültig in die uramerikanische Phalanx
schöner Folk- und Countryalben eingebrochen. Zumindest aus Mitteleuropa gab es bisher noch keine Platte,
die die Alternative-Country-Stimmungen des mittleren Westens so fühlbar
nachvollzieht. Altziebler versteht es,
Songs zu schreiben, die den amerikanischen Standard übertreffen. Er instrumentiert sie ebenso klassisch wie geschmackvoll und singt dazu mit einer
grollenden Stimme von der sehnsüchtigen Qualität eines Tom Waits, die dazu
ähnlich unverwechselbar ist wie der
Gesang von Will Oldham, Kurt Wagner,
William Elliott Whitmore oder Johnny Cash. »Loss & Love« hat spielerische
Hillbilly-Rhythmen genauso wie atmosphärisch ernste und in schlichte Countrygewänder gegossene Popsongs. Beides wurde auf der Platte perfekt zusammenmontiert und macht sie wohltuend
abwechslungsreich. Zumindest für das
Glitterhouse-Label wäre diese Platte
eine Zierde gewesen, zumal sogar ExWilco-Drummer Ken Crooner das Talent des jungen Österreichers entdeckt
und seine Platte produziert hat. Nicht
nur wegen dieser Props kann man sich
sicher sein: Mit Son Of The Velvet Rat
wird noch einiges passieren.
Christian Steinbrink
Sorry Gilberto
Vs. Brokof
Sorry Gilberto Vs. Brokof
Split-EP // Goldrausch
Vielleicht ist es albern zu behaupten,
dass man einer Band ihre musikalische Herzensbildung anhören könne.
Aber vielleicht ist es trotzdem so, dass
man Liebe zur Musik hören kann. Sowohl Sorry Gilberto als auch Brokof
sind zwei solche Bands, bei denen man
sich vorstellen kann, wie sie ihre Lieblingsalben unters Kopfkissen legen –
um dann selbst solch schöne Songs zu
machen. Während Sorry Gilberto unter
Verwendung von weiblichen und männlichen Stimmen in bester Singer/Songwriter-Tradition lakonische Geschichten zu Akustikgitarren erzählen und
dabei an Herman Düne ohne die schnarrende Stimme erinnern, werfen Brokof
ihre Netze etwas weiter aus. Dabei vermögen sie immer, dem Hörer sein wohliges Gefühl zu erhalten und die Klippen der Einfalt zu umschiffen. Da werden die Worte skandiert, wie es ansonsten nur Tom Barman von dEUS vermag,
da wird ein Noise veranstaltet, wie man
ihn außerdem nur von Karate kennt.
»What About You«, das letzte Stück der
Sechs-Track-EP, hat gar das Zeug zum
Lieblingslied. Man möchte es sich glatt
unter das Kopfkissen legen.
Vanessa Romotzky
Stockholm
Demo
CD // www.myspace.com/
stockholmelectron
Aus Bielefeld – und nicht aus Stockholm – kommt eine junge Frau, die in
wirklich Britta heißt. Ihr erstes Demo
indes trägt den Namen der schwedischen Hauptstadt und enthält Pop-Entwürfe, changierend zwischen düsteren
Schrammelsongs mit Elektronikfundament und chansonesken Gitarrenballaden, die sich durch sehr einprägsame Melodien und facettenreiche Texte
auszeichnen. Was es mit dem in den Informationsmaterialien erwähnten Attribut »gender queer« auf sich hat, ist
nicht so recht auszumachen. Aber das
kann natürlich auch am sympathisch
muffeligen Heimstudio-Sound liegen.
Da geht so einiges unter. Thematisch
deckt Britta in den sechs Songs jeden-
CD // Wohnzimmer /
tannia der 90er-Jahre stammen. Das
ist großartig und nervig zugleich. Man
ahnt, dass die Band um Songwriter und
Sänger René Mühlberger ein feines Gespür für den ganz großen Pop hat. Und
so Mixtape-tauglich Songs wie »Everybody Knows«, »I Will Follow My Heart«
und »Stay Don’t Walk« auch sind, insgesamt würde Velojet ein bisschen weniger (Britpop-)Zitat-Versteckspiel ganz
gut tun. Aber die Geschichte der Popmusik ist schließlich eine voller Umdeutungen und Zitate. Mal sehen, was als
Nächstes passiert.
Broken Silence
Tine Franz
falls Zombies, unerwiderte Liebe, Engel
und »Partywracks« ab. Aus der Perspektive Letzterer wird Folgendes berichtet:
»Ich hab zu viel getrunken und geraucht
hab ich auch / Morgen geht’s mir wieder
scheiße wegen Drogengebrauch.« Sind
wir nicht alle ein bisschen Partywrack?
Zumindest bis zum nächsten Wochenende. Dann ist alles wieder vergessen.
Roland Wilhelm
Velojet
This Quiet Town
EAF, DJ Ötzi, Edelweiss und, ach ja, Falco – Österreich immer noch gleichzusetzen mit Austropop und Après-Ski
ist ähnlich ignorant, als würde man
deutsche Popmusik auf Fury In The
Slaughterhouse, die Scorpions und
Heinz Rudolf Kunze reduzieren. Don’t
mention the war. Zum Glück hat sich
die popkulturelle Situation auch im Alpenstaat in den letzten Jahren deutlich
entschärft. In Österreich dürfte das
mit staatlicher Kulturförderung ebenso zu tun haben wie mit dem formidablen FM4 und der Wiener Club- und Festivalszene. Und neuerdings eben auch
mit den Veröffentlichungen und Livequalitäten der Damen und Herren von
Velojet aus Wien/Steyr. Die Killers sollen sie im Après-Gig-Suff mal als »beste Band Österreichs« bezeichnet haben.
Das kann man einfach so stehen lassen.
Velojet haben mit »This Quiet Town«
ihr zweites Album aufgenommen. Es
handelt von Sehnsucht, der Provinz
und neuer und alter Liebe – eben klassischen Popthemen, wie sie von Morrissey bis Mansun schon viele vertont
haben. Denn eines ist klar: Velojet sind
Stammkunden in der örtlichen Britpopdisco. Denkt man sich den Gesang mal
weg, könnten die meisten der eingängigen Melodien auch aus dem Cool Bri-
Trost
Trost’n’Roll
CD // www.trostnroll.de
Der bandeigene Humor wird schon auf
dem Cover deutlich. Ein Opa in Unterhemd und kurzer Hose heizt mit einem
dreirädrigen Elektromobil über eine
Landstraße und grinst feist in die Kamera. Darunter steht in altdeutscher
Schrift Motörhead-like »Trost’n’Roll«.
Musikalisch sollen die so geschürten Erwartungen nach eigener Angabe nicht enttäuscht werden. Laut
Booklet wird hier nämlich »gerockt«.
Was also ist es, das die vier aus Mönchengladbach zu Rockern werden lässt?
Zunächst einmal wurde die Platte im
Wohnzimmer des Bassisten aufgenommen, was definitiv schon mal eine gute
Voraussetzung für ungetrübten Enthusiasmus für Väterchen Rock ist. Textlich sind Liebesfrust und Wochenendeskapaden die Ideengeber. Hört sich
ganz klar nach dem Stoff an, aus dem
Rock’n’Roller-Träume gestrickt werden.
So weit, so gut – nur hapert es an der Umsetzung. Trost bewegen sich irgendwo
zwischen der TKKG-Titelmusik und der
Familie Schlegel, hart im Ansatz, aber
ein wenig zu oft gehört und erwartbar.
Thomas Markus
116 _ Intro _ Probefahrt
Heimspiel empfiehlt
Heimspiel 09.2007
Sutcliffe
Kopfkino
CD // www.sutcliffe.de
Benannt hat sich die Band aus Nürnberg nach dem jung verstorbenen ExBeatle Stuart Sutcliffe. Eine weitere Referenz an die Pilzköpfe findet sich im
Songtitel »Dakota Building« – denn in
ebendiesem wohnte John Lennon und
wurde vor ihm erschossen. Doch das war
es auch schon, keinesfalls gibt es auf
»Kopfkino« Merseybeat zu hören. Um
diese Platte richtig gern zu haben, sollte man Tequila wenigstens schon mal
probiert und nicht gleich wieder ausgespuckt haben. Denn meistens sind die
ambitionierten Instrumentalsongs von
einem Wüstenflair getragen. Die Vorliebe für moderne Westernbezüge zeigt
sich in so machen musikalischen Parts
und in dem typischen Gitarrensound.
Dann und wann darf es auch mal ein Akkordeon sein. Ausbrüche aus diesem stilistischen Rahmen gibt es, wenngleich
sie selten sind. Songtitel wie »The Mexican« verstehen sich natürlich von
selbst, Erinnerungen an einen Tarantino-Film mit bekannter Tanzszene kommen auf. Lässig, schwül und bluesig
– Sutcliffes Musik schafft vor allem Atmosphäre. Denn sie wissen, was sie tun.
Vanessa Romotzky
The Verzerrer
Schnitzel
Club Trottoir
CD // www.the
verzerrerschnitzel.de
Von Konzeptlosigkeit als Konzept, von
Rock, der auf geniale Weise dumm ist,
und von dadaistischer Provokation
liest man im Bandinfo. Das lässt hoffen. Im ersten Song röhrt jemand in
bester Motörhead-Roadcrew-Manier
ins Mikro, dazu dröhnt ein PrügelrockRiff par excellence aus den Boxen, und
obendrüber singt Sänger Gernot Wöltjen über den »Rapper aus dem 1. Stock«
und wie uncool der doch eigentlich ist.
»Wasser im Schuh«, der zweite Song,
erinnert musikalisch an »Die Ärzte
früher« und textlich an Superpunk.
Auf eine Richtung festlegen will und
kann sich das Quartett offensichtlich
nicht, denn bei »Sevilla« rumpelt es dilettantisch und erinnert in der Phrasierung an Deichkind-Gerappe, und beim
Titel »Prekariat« mit Synthie-Einsatz
haben die guten alten Stereo Total Pate
gestanden – trashig, collagenartig, parodistisch. Wie eine moderne Version
der 80er-Punk-Compilation »Schlachtrufe BRD«, nur dass hier alle Songs von
einer Band stammen. Die eigene Unfähigkeit wird zum Konzept erhoben und
darf durchaus auch belächelt werden.
Das Bandinfo hält, was es verspricht.
Chapeau, meine Herren.
Thomas Markus
Coca-Cola Soundwave:
Finale furioso
Zum Höhepunkt der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour kommt es am 2.
und 3. Oktober am Brandenburger Tor
in Berlin zu einem Event der MonsterKlasse: Die besten Newcomer des Nachwuchswettbewerbs, die sich bei den
zehn regionalen Konzerten durchsetzten und auf den fünf der größten deutschen Festivals spielten, rocken mit etablierten deutschen Top-Acts und einem
Special Guest die Crowd. Jene wollen
noch geheim bleiben, die Newcomer stehen aber naturgemäß schon fest. Unter
anderem werden *aVid, Do You Mind,
Fate und Leash dabei sein. Das übrige
Teilnehmerfeld gestaltet sich wie folgt:
Fathead aus Karlsruhe
(Gewinnerband Hamburg, Hurricane)
Jenix aus Zittau
(Gewinnerband Stuttgart, Hurricane)
Joy Became Clear aus Karlsruhe
(Gewinnerband München, Hurricane)
Pink’s Not Red aus Pforzheim
(Gewinnerband Leipzig, Highfield)
Still Drift aus Heidelberg
(Gewinnerband Hannover, Melt!)
Tiebreak aus Dresden
(Gewinnerband Dresden, Highfield)
*aVid
Fate
Sie standen schon auf der Bühne des
Star-Club-Festivals in Hamburg – genau
an der Stelle, wo einst die Beatles erstmalig in Deutschland spielten. Doch
das sollte noch keineswegs der legendärste Moment ihrer Karriere sein: In
Frankfurt gewannen *aVid aus Wesel
bei der Coca-Cola Soundwave Discovery
Tour und durften bei Rock am Ring auftreten. Wo sie sich auch hervorragend
machten: Ihr energiegeladener Mix aus
groovigem Schlagzeug, tightem Bass,
treibender Gitarre und melodischem
Gesang ballert ordentlich los. Crossover nannte man das früher. Oder Alternative Rock. *aVid selbst haben sich die
Bezeichnung »popaddicted Rock Music« dafür ausgedacht. Doch wie das
Kind auch heißt – stadiontauglich ist
der Sound auf jeden Fall.
Fate sind eine der ungewöhnlicheren
Bands unserer Tage. Und das ist durchaus ein kleines bisschen paradox, wo
sich die Band aus Pforzheim, die sich
bei der Coca-Cola Soundwave Discovery
Tour in Berlin ihren Gig bei Rock am
Ring erspielte, doch eigentlich gar nicht
für einen besonders ungewöhnlichen
Sound entschieden hat: Die Band fühlt
sich dem guten alten Hardrock verpflichtet. Und den – das ist das Erstaunliche – spielen sie verdammt gut und mit
durchaus eigener Note. Ihre urwüchsige Power ist absolut zwingend: Alle
Amps von Fate gehen bis elf!
Leash
Los geht’s bereits zur Mittagszeit.
Do You Mind
Sie haben prominente Fans: Silbermond finden Do You Mind derart knorke, dass sie persönlich darum baten, auf
einem ihrer Tourstopps von der Band
aus Dülmen supportet zu werden. Das
hätte man nicht unbedingt vermutet
– denn silbermondige Balladen sind
ihre Sache nicht. Die vier Jungs stehen
mehr auf Sum 41, Blink-182 und Good
Charlotte. Entsprechend haben sie sich
auch poppigem Highschool-Punk verschrieben: Weit geschwungene Singalong-Melodien, punktgenaues Drumming und eine satte Bratgitarre überzeugten bei ihrem Auftritt im Coca-Cola
Soundwave Tent auf dem Hurricane
und werden beim Abschluss-Event vor
dem Brandenburger Tor auch die dortige Crowd rocken.
Alle Achtung: neue Heimspiel-Anschrift
Das Heimspiel wohnt nun in Berlin. Bitte schickt eure Demos und CDs ab jetzt an
folgende Adresse: Intro – Redaktion Heimspiel –
Greifswalder Str. 224, 10405 Berlin, E-Mail: heimspiel@intro.de
Es ist eine dieser Geschichten, die das
Leben eben so schreibt: Leash aus Berlin waren die allererste Band, die im
Heimspiel zum Start der Coca-Cola
Soundwave Discovery Tour vorgestellt
wurde. Man könne, so hieß es damals
auf diesen Seiten, sich die Band, die gekonnt zwischen Elektronik und Rock
vermittelt, durchaus »auf größeren
Bühnen vorstellen«. Lange vorstellen
musste man sich das dann nicht: Leash
gewannen in Köln und spielten daraufhin beim Melt!-Festival. Und nun geht es
sogar auf die ganz große Bühne: Beim
Finale sind Leash nämlich selbstverständlich dabei.
Coca-Cola Soundwave
Compilation
Die Songs der Newcomer gibt es ab Anfang September auch für daheim: Auf
der Compilation findet sich jeweils ein
Song der zehn Gewinnerbands, die am
2. und 3. Oktober auftreten. Die Tracks
lassen sich einzeln oder gesammelt
bei iTunes herunterladen. Das Geld –
Ehrensache – geht dann direkt an die
Bands. Alle Infos zur Coca-Cola Soundwave auf www.coke.de
118 _ Intro _ Musik _ Das geht
Text: Till Stoppenhagen _ Foto: Marc Seebode
Intro Intim @ Splash! Festival
Von Puppen und Menschen
Jüngst fand erneut unser Lieblings-HipHop-Festival Splash! statt. Erstmals an neuer Location
und erstmals bereichert um ein Intro Intim, das mit dem Grenada Tent zudem eine eigene
wunderschöne Location erhielt. Wir fragten anwesende Künstler, wie es ihnen gefallen hat.
Splash mit Mayor Taylor
Du bist ja im normalen Leben der Frontmann
von The Jai-Alai Savant. Beim Splash warst
du in unserem Zelt als DJ gebucht. Und wenn
man dich so sieht, hat man nicht das Gefühl:
»Hey, da kommt dieser Typ und hat ein paar
alte Sampler dabei.« Das ist ja überaus amtlich. Danke. Ich dejaye als Mayor Taylor schon
ziemlich lange. Am Anfang ergab sich das ganz
zufällig. Später brachte ich mir das Dejaying
bei, wie man ein neues Instrument eben auch
lernt. Und irgendwann hatte ich eigene Partys.
Mittlerweile ist, was ich auflege, so unglaublich weit weg von dem, womit ich anfing. Roots
Reggae oder Dub lege ich zum Beispiel so gut
wie nie mehr auf. Und reiner HipHop findet
sich auch eher selten in meinen Sets.
Und wie hat es dir vor dem Hintergrund auf
dem Splash gefallen? Es war großartig. Wirklich. Aber ich war total nervös. Und als ich ankam, spielten gerade Bonde Do Role. Super.
Aber das Zelt war nur halb voll, als sie spielten.
Und als sie fertig waren, gingen die alle. Ich
wollte einen schnellen Übergang, hatte aber
technische Probleme und konnte nicht anfangen. Sehr ärgerlich. Also spielte ich 45 Minuten
nur vor zwei Leuten und den Securitys, denn direkt gegenüber spielten The Roots. Aber als die
fertig waren, kamen immer mehr Leute zu mir,
und auf einmal war das Zelt voll! Großartig!
Und die restliche Atmosphäre auf dem Festival? Absolut super. Freundeskreis fand ich gut.
Das war doch dann auch sicher überhaupt
dein erster wirklicher Kontakt zu deutschsprachigem HipHop, oder? Ja, kann man sagen. Und ich finde das auch sehr interessant, ich kann ja mittlerweile auch recht gut
Deutsch und verstehe so eine Menge. Aber andererseits komme ich natürlich dorther, wo die
Wiege des HipHop liegt. Insofern kann mich
auch nicht mehr so viel überraschen. Ich bin
überhaupt von HipHop ein wenig gelangweilt,
wenn ich ehrlich bin. Fazit: Es ist sehr interessant für mich, HipHop in anderen Sprachen
zu hören, aber ich denke mir auch regelmäßig:
»It’s just fucking Rap-Music.« Was ich aber an
der deutschen Szene mag, ist, dass sie so offen
für verschiedene Stile ist. In den USA ist so vieles im HipHop vorformatiert und borniert.
Splash mit den Puppetmastaz
Und, Puppe? Wie war’s auf dem Splash und bei
uns im Grenada Tent? Den Leuten hat unsere
Show gefallen. Und wenn du eine ehrliche Antwort haben willst: Wir spielten in diesem Zelt
mit unter anderem Wiley. Und das war für mich
als Puppe der einzige Platz, an dem ich sein
wollte. Der Rest des Festivals verwandelte sich
schnell in eine Art Ork-Rave, wenn du weißt,
was das ist.
Gab es denn einen Act, der dir besonders gut
gefallen hat? Ja, Puppetmastaz.
Und sonst? Ich habe fünf Minuten Snoop Dogg
gesehen, der eine Stunde zu spät kam. Aber obwohl ich natürlich ein Faible für Hunde habe:
Stundenlang will ich auf einen auch nicht warten müssen, deshalb bin ich wieder gegangen.
Später habe ich Wiley gesehen, der gefiel mir
sehr gut.
Danke, Puppe.
Intro _ Musik _ Das geht _ 119
Intro Intim @ Popkomm
Auch zur diesjährigen Popkomm wird
Intro die Berliner Nächte wieder tatkräftig
mitbefeuern – in den letzten Jahren hat das
einfach viel zu viel Spaß gemacht. Diesmal
wird voraussichtlich elektronische Musik
das Line-up dominieren.
»Voraussichtlich« im Sinne von: Da zum Heftschluss das Booking
noch im vollen Gange war, dürfte sich im Line-up noch einiges tun,
zahlreiche neue Acts hinzukommen. Ein besonderes Highlight des
gesamten Popkomm-Festivals dürfte aber, das steht jetzt schon fest,
der exklusive Auftritt von Trentemøller sein, der schon einer der absoluten Publikumslieblinge beim diesjährigen Melt!-Festival war.
Wer die atemberaubende audiovisuelle Ambient-Reise mit kompletter Band in Ferropolis verpasst hat, sollte seine zweite Chance auf
jeden Fall nutzen. Auch geradezu spektakulär: Die Op:l Bastards
sind zurück! Schon oft begeisterten die Skandinavier auf Festen
aus dem Hause Intro: Erst Introducing und Melt!-Festival – nun machen sie mit einem erneuten INTRO INTIM bestimmt auch die dritte
Sause im Bunde unvergesslich! Unten schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf die beiden Abende. Der aktuellste Zwischenstand findet sich wie immer auf intro.de/introintim.
Intro Intim @ Popkomm
21.09. Berlin, Maria & Josef
mit:
Trentemøller live in concert, Op:l Bastards, Warren Suicide,
Frozen North Special ft. Jussi Pekka, Roberto Rodriguez ft.
The Future Beat Investigators, Amuli Kemppi u.a.
sowie: Screening des »Melt! Festival 2007«-Films (Doku)
Programm-Updates, alle Infos & Tickets:
www.intro.de/introintim
Tickethotline: (01805) 9 69 00 08 88
(14ct/min aus dem Festnetz der deutschen Telekom)
Trentemøller
Verlosung: Freundeskreis Charity-Tickets und DVDs
Seit 6. Juli ist das neue Freundeskreis-Album »FK10« mit bekannten Hits, Raritäten und zwei neuen
Songs im Handel. Bereichert um eine sechzigminütige Dokumentation auf DVD. Aber auch im sozialen Bereich zeigen sich die Stuttgarter engagiert. Initiiert von MOTOSTYLES, werden auf der anstehenden Freundeskreis-10-Jahre-Jubiläumstour nämlich Spenden für die gemeinnützige Organisation
»Innocence in Danger« gesammelt. Gipfeln wird das Engagement gegen Kindesmissbrauch und die zunehmende Kriminalität via Handy und im Internet in einem Charity-Konzert am 16. September in Offenbach, dem Abschluss der Tour, bei dem alte Weggefährten und zahlreiche prominente Gäste Freundeskreis unterstützen. Wir verlosen für die Show 3 x 2 VIP-Tickets inkl. »FK10«-DVDs.
120 _ Intro _ Das geht
Intro empfiehlt 09.2007
01 BOTANICA
06 LE POP ON TOUR
Paul Wallfisch hat schon bei den grandiosen Firewater in die
Tasten gehauen und mit seinem einzigartigen Spiel dafür gesorgt, dass sie klingen, wie sie klingen: düster und romantisch,
zerschossen und aufbauend zugleich. Eine Beschreibung, die
ebenso auf Botanica zutrifft. Der ehemalige Tippelbruder Wallfisch hat jedenfalls immer noch genug Geschichten für zwanzig
weitere Alben und Touren.
20.09. Berlin, Maschinenhaus » 22.09. Norderstedt, 3 Beken »
23.09. Dortmund, FZW » 24.09. Hannover, Chez Heinz » 25.09.
Aschaffenburg, Colos-Saal » 26.09. Bonn, Mausefalle » 28.09.
Erfurt, Museumskeller » 06.10. Freiburg, Jos Fritz
Die Samplerreihe »Le Pop« ist stets ein sicherer Kandidat, wenn
es darum geht, ein gemütliches Beisammensein zu beschallen.
Selbst Leute, die es nicht so mit Musik haben, kapitulieren da
ob der mal süßen, mal abgedrehten, aber immer sehr französischen Klänge. Ähnliche Reaktionen verursachte die dazugehörige Tour, die nun zur dritten »Randonnée« durch Deutschland
ansetzt. Dieses Mal mit dem Neo-Chanson-Pop-Ehepaar Pascal
Parisot & Fredda und der Band Holden.
07.09. Köln, Stadtgarten » 08.09. Frankfurt, Theater Willy
Praml » 09.09. Karlsruhe, Tollhaus » 12.09. Berlin, Kesselhaus
» 13.09. Leipzig, Nato » 14.09. Hamburg, Fabrik » 15.09. Trier,
Festival » 16.09. Aachen, Jakobshof » 18.09. Düsseldorf, Zakk
» 19.09. München, Rote Sonne » 20.09. A-Wien, tba » 21.09.
Erlangen, E-Werk
01
02
02 CARIBOU
Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass Bands oder Projekte mit Tiernamen keine schlechten Menschen sein können.
Dan Snaith, der sonst eher für ausufernde Electro-Psychedelica steht, hat sich unter seinem Moniker Caribou auf dem Album
»Andorra« (City Slang / V2) auf die Suche nach dem perfekten
Popsong begeben. Natürlich, ohne dabei gänzlich von seinen
elektronischen Einflüssen abzurücken.
20.09. Berlin, Postbahnhof » 21.09. Köln, Studio 672 » 22.09.
Heidelberg, Karlstorbahnhof » 24.09. München, Orangehouse
03 FIGURINES
Als die Figurines aus Dänemark im September 2005 als KoufaxSupport einen Stopp im Hannoveraner Café Glocksee machten,
konnte man vor der Bühne einen verwuschelten Mittdreißiger
beobachten, der nach jedem Song den Kopf schüttelte und laut
brüllte: »Unheimlich sympathische Band! « Dieser wahren Begebenheit ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, außer, dass
die neue CD »When The Deer Wore Blue« in Kürze erscheint, 13
Tracks enthält und die Band im September auf Tour geht.
19.09. Münster, Gleis 22 » 20.09. Leipzig, Nato » 21.09. Berlin,
Bang Bang Club » 22.09. Magdeburg, Projekt 7 » 23.09. Dresden,
Starclub » 24.09. A-Wien, B72 » 25.09. München, Orangehouse
» 26.09. Stuttgart, Schocken » 27.09. Köln, Stadtgarten » 28.09.
Wiesbaden, Schlachthof » 29.09. Hamburg, Knust
03
04
05
06
07
08
05 LEVI’S® REBELLIOUS GIRLS TOUR
Der Name ist hier mal Programm. Levi’s® präsentiert eine Tour,
die nicht nur die rebellischsten, sondern auch die innovativsten
Vertreterinnen der Musik- und Clubkultur auf die Bühne, ans
Mikro, an den Plattenteller bringt. Sei es Peaches, die in Köln
mit einem exklusiven DJ-Set antreten wird, oder die süchtig machenden Brazilian Girls oder aber Uffie (Foto), die wieder ihre
offensive und vorlaute Show abziehen wird. Außerdem dabei:
Gudrun Gut und DJ Maral Salmassi. Infos: www.redtab.com
13.09. München, Erste Liga » 14.09. A-Wien, Fluc » 15.09. Köln,
Rheintriadem (ohne Uffie, mit Peaches) » 20.09. Hamburg, Mandarin Casino » 21.09. Berlin, Lido » 22.09. Offenbach, Hafen 2
Zwar versteht man als typischer Durchschnittshasser der französischen Sprache bei den Frankokanadiern Malajube kein
Wort von dem, was sie singen, allerdings muss man im Französischkurs auch nicht unbedingt aufgepasst haben, um zu sehen,
dass bei Malajube einiges geht: Der Sound der Band verdient die
Aufschrift »schön schräg«. Die Band produziert durchgeknallte
Popsongs mit frenetisch jagenden Beats, die jeden mitreißen.
10.09. Münster, Gleis 22 » 11.09. Köln, Studio 672 » 16.09.
Schorndorf, Manufaktur » 17.09. München, Orangehouse »
18.09. Nürnberg, Muz » 19.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich
(+ Menomena) » 20.09. Berlin, Postbahnhof (Popkomm)
08 POP AM RHEIN
Pop am Rhein: Das ist Intro genauso wie Mouse on Mars, Can,
Philipp Schiemann, die »Hauszeitschrift für Moderne Dichtung:
Der Gummibaum« (Foto) oder Hans Nieswandt. Das hat das
Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf richtig erkannt und organisiert zum Thema eine ganze Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen, Tagungen, Lesungen, Filmreihen und vielen Konzerten.
ab 19.08. Köln, diverse Locations
09 STARS
04 KRISTOFER ASTRÖM
Der schwedische Songwriter hat es im vergangenen Jahr ein
paarmal zu oft krachen lassen, deshalb heißt bei ihm ein neues
Stück schon mal »Heavy On The Drinks« Auf dem aktuellen Album sind Aströms Songs zwar immer noch überwiegend akustisch gespielter, sehr gelungener Countryfolk, aber in Sachen
Zugänglichkeit und Mitschwingfaktor hat er bedeutend zugelegt, was sich auch bei seinen Konzerten widerspiegeln dürfte.
09.09. Berlin, Lido » 10.09. Hamburg, Knust » 11.09. Köln,
Prime Club » 12.09. München, Atomic Café
07 MALAJUBE
09
10
Geht man nach ihren Song- und Albumtiteln, könnte man hinter den kanadischen Stars glatt brutale Krachmacher erwarten.
Da heißt ein Album schon mal »Set Yourself On Fire« und ein
Song »Your Ex-Lover Is Dead«. Auch das neue Album lässt mit
dem schönen Titel »In Our Bedroom After The War« Grausames
erwarten. Dabei sind Stars wundervoll melancholisch klingende
und singende Wanderer zwischen den Indiewelten.
19.09. Hannover, Café Glocksee » 20.09. Berlin, Postbahnhof »
21.09. Dresden, Scheune » 26.09. München, Feierwerk » 27.09.
Köln, Gebäude 9 » 28.09. Hamburg, Reeperbahn-Festival
10 THE PIGEON DETECTIVES
Die obligatorische MySpace-Einflussliste liest sich bei den Pigeon Detectives wie das Who’s who eines Rock-Lexikons: »The
Beatles, The Kinks, The Velvet Underground, Jimi Hendrix, Oasis, Led Zeppelin, The Strokes, Blondie, The Smiths, The Stone
Roses, Cream, Elvis Presley, Chuck Berry, Robert Johnson etc.«
Die Band aus Leeds hat sich hohe Ziele gesteckt. Allerdings machen sie sich im internationalen Rock-Zirkus momentan wirklich sehr gut: Der UK-New-Wave-Schrammelpunk hat große Momente und ist herrlich mitgrölkompatibel.
20.09. München, Atomic Café » 24.09. Berlin, Lido » 25.09.
Köln, Gebäude 9 » 26.09. Bremen, Tower » 27.09. Hamburg,
Molotow
Intro _ Das geht _ 121
Das geht 09.2007
DAS GEHT AUF DER
POPKOMM
AL!VE SHOWCASE
MIT BOTANICA, BELASCO,
JONATHAN INC.
20.09. Berlin Kulturbrauerei
CITY SLANG &
COOPERATIVE SPIELEN
POPKOMM
MIT ARCHITECTURE IN HELSINKI, STARS, MALAJUBE, THE GO!
TEAM, MENOMENA, CARIBOU,
LOS CAMPESINOS
20.09. Berlin Postbahnhof
BEATSTEAKS
23.08. Würzburg, Soundpark Ost
BERND BEGEMANN &
DIE BEFREIUNG
14.09. Hamburg, Knust
15.09. Köln, Blue Shell
16.09. Berlin, White Trash Fast Food
17.09. München, Atomic Café
EMPFOHLEN VON INTRO
BOTANICA
THIS IS NEW ENGLAND
MIT THE LODGER, LEO CAN DIVE,
THE JACKPOT
20.09. Berlin, Knaak
VISIONS AT POPKOMM
CARIBOU
20.-24.09. Alle Infos siehe S. 120
EMPFOHLEN VON INTRO
ERDMÖBEL
25.08. Bremen, ViertelFest
31.08. Bochum, Bochumer
Musiksommer
Geht weiter!
EMPFOHLEN VON INTRO
FIGURINES
19.-25.09. Alle Infos siehe S. 120
ARCADE FIRE
MIT ELECTRELANE
22.08. Köln, Palladium
EMPFOHLEN VON INTRO
KRISTOFER ASTRÖM
MOTOSTYLES
PRÄSENTIERT
FK10 FREUNDESKREIS
MIT CHRISTIANE RÖSINGER,
JENS FRIEBE, KNARF RELLÖM
10.09. Passau,
Biergarten Severinstor
11.09. Würzburg, Oberer Markt
vor Stadtbücherei
12.09. Regensburg, Wiese
beim Andreastadel
13.09. Augsburg, Wiese vor der
Alten Kradhalle
12.09. Flensburg, Volksbad
NYLON
24.08. Berlin, Admiralspalast Studio
Geht weiter!
10.09. Köln, Prime Club
11.09. Frankfurt, Batschkapp
13.09. Berlin, Maria
14.09. Hamburg, Grünspan
KAISER CHIEFS
KINDERZIMMER
PRODUCTIONS
25.08. Düsseldorf, Open Source
29.08. Ulm, Kradhalle
31.08. Augsburg, Musikkantine
03.09. München, Backstage
05.09. Weinheim, Cafe Central
06.09. Köln, Gebäude 9
07.09. Köln, Gebäude 9
08.09. Bremen, Lila Eule
GHOSTS
16.09. München, Atomic Café
Geht weiter!
GORILLA BISCUITS
04.09. Hamburg, Grünspan
07.09. Essen, Weststadthalle
08.09. Leipzig, Conne Island
10.09. Berlin, SO36
GOSSIP
MIT THE WHIP
27.08. Stuttgart, Schocken
28.08. Frankfurt, Cookys
30.08. A-Wien, Arena
31.08. München, Atomic Cafe
LEVI’S® REBELLIOUS
GIRLS TOUR
MIT BRAZILIAN GIRLS,
MARAL SALMASSI,
UFFIE & DJ FEADZ
13.-22.09. Alle Infos siehe S. 120
EMPFOHLEN VON INTRO
07.-21.09. Alle Infos siehe S. 120
EMPFOHLEN VON INTRO
MALAJUBE
10.-20.09. Alle Infos siehe S. 120
ADAM GREEN
MIA.
10.09. Bonn, Brückenforum
11.09. Bielefeld, Ringlokschuppen
12.09. Bremen, Modernes
13.09. Potsdam, Schinkelhalle
15.09. Dresden, Schlachthof
16.09. Nürnberg, Löwensaal
17.09. Stuttgart, Theaterhaus
22.08. Rottweil, Kraftwerk
23.08. Köln, Tanzbrunnen
31.08. Hannover, Capitol
07.09. Reichenbach, Jump Arena
KERSTIN GRETHER
SPARTA
PAPER AND IRON
FESTIVAL
POLARKREIS 18
GUCHA PARTY
MUFF POTTER
22.08. Frankfurt, Naxos-Halle
24.08. München, Ampere
25.08. Köln, Atelier Odo Rumpf
13.09. Erfurt, Open Air an der
Engelsburg
15.09. Hamburg, Knust
16.09. Berlin, Lido
17.09. Dresden, Groove Station
MIT MEWITHOUTYOU
21.08. Berlin, Columbia Club
22.08. München, Backstage
EMPFOHLEN VON INTRO
MIT YOUNG LOVE
03.09. München, Atomic Café
04.09. Berlin, Lido
MIT THE HIVES, OHRBOOTEN,
25.08.-26.07. Pinneberg,
Burmeisterallee 2
TOOL
28.08. Bochum, Jahrhunderthalle
TRAIL OF DEAD
MIT FORGET CASSETTES
28.08. Mannheim, Alte Feuerwache
DIE TÜREN
19.-28.09. Alle Infos siehe S. 120
04.09. München, Backstage
05.09. Köln, Tsunami
06.09. Kassel, Arm
08.09. Hamburg, Golden Pudel
14.09. Berlin, Bang Bang Club
EMPFOHLEN VON INTRO
PAUL WELLER
EMPFOHLEN VON INTRO
MIT STEVE CRADOCK
16.09. Frankfurt, Mousonturm
Geht weiter!
POP AM RHEIN
Alle Infos siehe S. 120
PORTUGAL. THE MAN
29.08. Erlangen, E-Werk
30.08. München, Ampere
01.09. A-Wien, Flex
02.09. Dresden, Star Club
03.09. Hamburg, Knust
04.09. Berlin, Postbahnhof
05.09. Osnabrück, Kleine Freiheit
06.09. Karlsruhe, Substage
07.09. Konstanz, Kulturladen
09.09. Wiesbaden, Schlachthof
10.09. Köln, Gebäude 9
11.09. Stuttgart, Schocken
RADIOKUNST
MIT MICHAELA MELIÁN
22.09. Köln, Museum Ludwig
MIT NEOANGIN, ALAN BANGS,
KLAUS FIEHE u. a.
29.09. Köln, Kleiner Sendesaal
des WDR
RAZORLIGHT
02.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich
04.09. Berlin, Kulturbrauerei
05.09. Köln, Live Music Hall
06.09. Frankfurt / Main,
Batschkapp
08.09. Mannheim, Alte Feuerwache
EMPFOHLEN VON INTRO
TEGAN & SARA
21.08. Hamburg, Molotow
24.08. Berlin, Zapata
25.08. Köln, Studio 672
26.08. München, Ampere
TELE
MIT LEE BUDDA
30.08. Bochum, Musiksommer
31.08. Hamburg, Stadtpark
01.09. Hamburg, Stadtpark
15.09. Lingen, Rock am Pferdemarkt
NOUVELLE VAGUE
SDNMT / SEIDENMATT
24.08. Rostock, Kastanienplatz
23.08. Berlin, Lido
01.-12.10.
!!! (CHK CHK CHK)
25.-26.10.
CINEMATIC ORCHESTRA
04.10.-06.10.
DÚNÉ
THE CRIBS
29.08. Berlin, Lido
30.08. Köln, Prime Club
12.-19.10.
EDITORS
02.-08.11.
JENS FRIEBE
10.10.-10.11.
LOCAS IN LOVE
11.10.-15.11.
POLARKREIS 18
THE DAMNED
04.10.-09.11.
24.08. Hamburg, Markthalle
25.08. Düsseldorf, Zakk
STEREO TOTAL
THE LOST PATROL BAND
06.09. Hamburg, Fabrik
26.08. Köln, Prime Club
27.08. Berlin, Lido
28.08. München, Ampere
BROKEN SOCIAL SCENE
04.09. Marburg, Trauma
05.09. Dresden, Star Club
06.09. Wiesbaden, Schlachthof
07.09. Nürnberg, Musikzentrale
08.09. Freiburg, Swamp
11.09. Münster, Luna Bar
12.09. Bremen, Römer
13.09. Saarbrücken, Sparte 4
15.09. Erfurt, Stadtgarten
07.09. Düsseldorf, Stone im
Ratinger Hof
15.09. Bielefeld, AJZ
16.09. Berlin, Lido
17.09. Neubrandenburg, Cafe Zebra
RILO KILEY
Die kommen,
die Touren
THE BROKEN BEATS
EMPFOHLEN VON INTRO
HOT HOT HEAT
T-MOBILE EXTREME
PLAYGROUNDS
SUMMERSESSION
STARS
25.08. Lieberose, Waldbühne
31.08. Kaiserslautern, Kammgarn
11.09. Leipzig, Conne Island
14.09. München, Backstage
MODEST MOUSE
jeweils Kassel, Arm e. V.
23.08. Fotos
06.09. Die Türen
13.09. Kissogram
MIT CSS
10.09. Hamburg, Color Line Arena
12.09. München, Olympiahalle
14.09. Berlin, Velodrom
15.09. Köln, Kölnarena
MOBB DEEP
MIT DOCTORELLA
28.09. Bremen, Junges Theater
SIE NANNTEN
SIE LÜCKE
(KONZERTREIHE ZUR
DOCUMENTA)
GWEN STEFANI
RADIO PEELINGS
LE POP ON TOUR
EMPFOHLEN VON INTRO
EMPFOHLEN VON INTRO
EMPFOHLEN VON INTRO
EMPFOHLEN VON INTRO
25.08. Berlin, Weinbergspark
09.-12.09. Alle Infos siehe S. 120
BAVARIAN
OPEN WORD
NO MEANS NO
JUSTICE
EMPFOHLEN VON INTRO
MIT COBRA KILLER, DATSCHA
PARTY, FRANK SPILKER BAND,
FURCHT UND ELEND TERZETT,
JACQUES PALMINGER, JEANS
TEAM, ZWANIE JONSON
01.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich
MIT KOMMODE
24.08. Bielefeld, Forum
24.08. Berlin, Radialsystem V
01.09. Hamburg, Übel & Gefährlich
27.08. Hamburg, Stadtpark
GALAO SHOTS
FIMFESTIVAL
ABSCHAUMPARTY
THE WHITEST BOY ALIVE
04.09. Berlin, Cookies
06.09. München, Rote Sonne
08.09. Darmstadt, 603 qm
MIT CUT CITY, GET HUSTLE,
MENEGUAR, V-TEAM, VORTEX
REX, WOODS
07.09. Köln, Neue Werkstatt
JEANS TEAM
PAUL WELLER
ACOUSTIC SHOW
MIT ALEC EMPIRE, ARK,
BARBARA PREISINGER, DANIEL
METEO, DJ COOP, GUDRUN GUT,
THE FALL, TOK TOK VS. SOFFY
O, T.RAUMSCHMIERE, OLIVER
KOLETZKI u. a.
06-07.09. Berlin, Maria
DANI SICILIANO
MIT ALASDAIR ROBERTS
11.09. Hamburg, Kampnagel
11.09. München, Muffathalle
13.09. Frankfurt, Dreikönigskirche
Geht weiter!
JACK DANIELS
GEBURTSTAGSTOUR
MIT STEREOPHONICS
09.09. Frankfurt, Batschkapp
10.09. München, Atomic Café
12.09. Berlin, Lido
13.09. Hamburg, Knust
14.09. Köln, Prime Club
01.09. Berlin, IFA Sommergarten
Open Air
07.09. Hamburg, Stadtpark
16.09. Offenbach, Capitol (CharityKonzert »Innocence is Danger«)
9TH ANNIVERSARY
MARIA
JOANNA NEWSOM
EMPFOHLEN VON INTRO
MIT WHOMADEWHO
25.08. Berlin, Schaubühne
MIT THE ROBOCOP KRAUS,
FOTOS, CLICKCLICKDECKER,
LAMPSHADE
19.09. Berlin, Kulturbrauerei
20.09. Berlin, Schiller-Theather
13.09. Berlin, Magnet
Geht weiter!
I LOVE YOU ALL
JOSE GONZALES, DOG DAY, RICH
& KOOL, BODI BILL, GET WELL
SOON, MARISSA NADLER
20.-21.09. Berlin, Bang Bang Club
MIT LADYTRON, NITZER EBB,
SOMAN u. a.
19.-21.09. Berlin, Kulturbrauerei
I AM X
EMPFOHLEN VON INTRO
HEADQUARTER & 2FTR
POPKOMM NIGHTS
EXTENDED
ELECTRONICS
FESTIVAL
MIT INTRO DJ-TEAM
25.08. Köln, Pegel
Geht weiter!
20.09.-06.10. Infos siehe S. 120
DANISH MUSIC NIGHT
MIT BROKEN BEATS, SAYBIA,
FIGURINES
19.09. Berlin, Postbahnhof
EMPFOHLEN VON INTRO
INTRO DJ-TEAM:
SCHLANK UND BELIEBT
DURCH VOODOO
THE PIGEON
DETECTIVES
20.-27.09. Alle Infos siehe S. 120
THE TWANG (UK)
07.09. Köln, Prime Club
08.09. Hamburg, Knust
10.09. Berlin, Lido
14.09. München, Atomic Café
05.-28.10.
THE ARK
03.-08.10.
TICKETS
FÜR ALLE(S)
INTRO.DE/TICKETS
TICKETHOTLINE
(01805) 9 69 00 08 88
Für alle von uns präsentierten
Tickets verlosen wir 3x2 Tickets.
Einfach eine Mail an
ticketverlosung@intro.de
122 _ Intro _ Das geht
Vorfreude des Monats
Reeperbahn-Festival rbahn
ße und Re
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Die Live-Musikszene in Hamburg ist ebenso lebhaft wie wichtig. Kaum eine Band
verzichtet bei einem Tourquickie durch Deutschland auf den Stopp in der Alsterstadt. Kein
Wunder, gibt es dort zwischen Feldstraße und Reeperbahn doch namhafte Clubs galore.
Deshalb war ein eigenes Clubfestival die logische Konsequenz. Wir sprachen mit dem
Mitorganisator Detlef Schwarte über das zweite Reeperbahn-Festival.
W
arum, verdammt noch mal, hat das so lange gedauert, bis
Hamburg ein solches Festival bekommen hat? Immerhin
war und ist die Stadt ziemlich wichtig für die deutsche
Musikszene. Seit dem Jahr 2000 haben wir und andere Leute der Hamburger Musikszene mit dem Gedanken gespielt, so ein Festival auf die
Beine zu stellen. Es war aber ein Haufen Arbeit, die verschiedenen Leute
der Musikbranche dafür zu begeistern – Labels, Clubs, Interessenverbände. Und dann musste das Ganze auch finanziert werden. Hier engagiert
sich nun die Stadt sehr stark, wofür wir natürlich sehr dankbar sind.
Wie ist die Premiere in Hamburg aufgenommen worden? Die Premiere 2006 ist bei den Festival-Besuchern und den Medien durchweg super
aufgenommen worden. Insgesamt kamen aber weniger Menschen, als
wir uns erhofft hatten. Deshalb wollen wir dieses Jahr mit einem Indielastigeren und meiner Meinung nach besseren Line-up durchstarten.
Auch die Ticketpreise fallen deutlich günstiger aus.
Schaut man auf die Gesamtzahl der Acts und Venues, fällt auf, dass
ihr euch ein wenig gesundgeschrumpft habt. Ja, das kann man so sagen. Wir wollten wohl ein wenig zu viel für den Anfang. Zu viele Bands,
zu viele musikalische Experimente, zu viele Venues, zu hohe Kosten ...
Darum haben wir 2007 ein paar Clubs weniger und statt 210 »nur« noch
ca. 140 Bands. So können wir halt auch die Tickets viel billiger anbieten.
Ich glaube auch, das Konzept kam einfach noch nicht so gut durch. Dass
es bei uns nämlich nicht um Headliner geht, sondern um die heißen unbekannten Acts.
Welche Kriterien sind euch bei der Auswahl der Locations wichtig?
Wir wollen vor allem mit den Clubs zusammenarbeiten, die ein eigenes musikalisches Profil haben und das ganze Jahr über Livemusik in
kleinerem oder größerem Rahmen präsentieren. Davon gibt es auf dem
Hamburger Kiez zwischen Feldstraße und Reeperbahn halt eine ganze Menge. Von Uebel & Gefährlich und Knust bis Molotow und Mandarin Kasino, von Grünspan und Kaiserkeller bis D-Club und Angie’s
Nightclub. Wir beziehen die Clubs auch in die Vorbereitung und beim
Booking mit ein, sodass das Festival wirklich die Hamburger Live-Musikszene repräsentiert.
Abschließend noch kurz gefragt: Was bedeutet Hamburg persönlich
für dich? Na ja, Hamburg ist wahrscheinlich nicht die beste Stadt der
Welt, aber die beste, die ich hab.
ª 27.-29. September
¡ Hamburg, diverse Locations
∏ Biffy Clyro, Hard-Fi, Juliette & The Licks, Shout Out Louds, Stars, The Ark, The Raveonettes, An Pierle &
White Velvet, Coheed And Cambria, Dawn Penn, Die Zimmermänner, Friska Viljor, Ghost Dog, Johnossi, Jonathan
Brooke, Leo Can Dive, Logh, Neat Neat Neat, Rooney, Say Hi, Schrottgrenze, Shantel & Bucovina Club, Siva,
Sorgente, State Radio, Superpunk, Tele, Ter Haar, The Cribs, The Far Cries, The Kissaway Trail, The Pigeon
Detectives, The Sewer Rats, The Sugars, Tunng, Velojet, Wingenfelder, Young Soul Rebels u. v. a.
µ VVK: 55,- Euro (Festivalticket); 38,- Euro (2-Tage-Ticket); 26,- Euro (Tagesticket)
∂ www.reeperbahnfestival.com
Intro _ Das geht _ 123
Das geht draußen
irit
Mit bibop auf dem Summer Sp
M
an kann die Sekunden,
in denen der Beat mal
stoppt, auf dem Summer Spirit an einer Hand abzählen. Wer mag, kann immer in Bewegung bleiben und den alten
Militärflughafen in Niedergörsdorf von vorne bis hinten betanzen.
Zugleich gibt’s noch tanzbare Geschichtsstunden, z. B. mit den stilbildenden Green Velvet aus Detroit.
Bei diesem Programm sollte man gelegentlich aber auch mal auf die
Euphoriebremse treten, damit man nicht irgendwann abklappt. Genau
dafür gibt’s das chillige bibop-Wohnzimmer, das z. B. schon auf dem
Melt! zur begehrten Ruheoase wurde. Wir verlosen gemeinsam mit
bibop 1x2 Tickets, natürlich mit Dauerkarte für das Wohnzimmer. Einfach bis zum 28. August eine Mail mit Namen, Postadresse und dem
Stichwort »bibop auf dem Summer Spirit« an verlosung@intro.de.
ª 31. August – 02. September
¡ Niedergörsdorf, Militärflugplatz
∏ Ada & Metope, DJ Rush, Dole & Kom, Front 242, Green Velvet, Housemeister, Kube 72, Marusha, Octave One,
Renato Figoli, Tom Clark, ASP, Chuck, Der Totmacher, Gunjah, Kid La Rock, Miss Mira, Tobi Tobsen, Vinyl D.
u. v. a.
µ VVK: 25,- Euro / AK: 37,- Euro (Festivalticket); 32,- Euro (Sa); 22,- Euro (Fr)
∂ www.summer-spirit.de
Die Festivals
im September
WINTERTHURER
MUSIKFESTWOCHEN
Turbonegro, Mardi Gras.bb,
Heidi Happy, Yoshihiro Hanno, Jeans
Team, A Few Good Men, Paul Camilleri & Friends, Sirqus Alfon u. v. a.
22.08.-02.09. CH-Winterthur
AREA 4
+44, Art Brut, Billy Talent, Boozed,
Eagles Of Death Metal, From
Autumn To Ashes, Juliette & The
Licks, Leo Can Dive, Madsen, Mando
Diao, Muff Potter, Nofx, Silverchair,
Soulfly, Sparta, The 69 Eyes, The
Draft, The Films, The Hives, Tool,
Turbostaat u. v. a.
23.08.-25.08. Lüdinghausen,
Flugplatz Borkenberge
9TO5 - WIR NENNEN ES
ARBEIT
Mit Ampl:tude, Britta, Chicks On
Speed (DJ-Set), Clickclickdecker,
Frithjof Bergmann, Jeans Team, Sir
Simon Battle, Tom Hodgkinson u. v. a.
23.08.-26.08. Berlin, Radialsystem V
HIPHOP KEMP
Bahamadia, Boy Better Know, Dendemann, Dilated Peoples, DJ Vadim,
EMC, ,Helta Skeltah, Masta Ace,
M.O.P., Pal One, Redman, Scorcher,
Swollen Members, u. v. a.
24.08.-26.08. CZ-Hradec Kralove
MINI-ROCK-FESTIVAL
Trail Of Dead, Fotos, Ignite,
Trashmonkeys, Che Sudaka, Crime
Killing Joker Man, Herr Stilz Seine
Freunde, Mad Sin, Psychopunch,
She-Male Trouble, Soma, The
Busters, Yakuzi
24.08. - 25.08. Horb am Neckar
OPEN SOURCE
OFT-FESTIVAL
Ark, Bene, Kinderzimmer Productions, Mathias Kaden, Nouvelle
Vague, Nôze, Orson, The Whitest Boy
Alive, To Rococo Rot, Whomadewho
25.08. Düsseldorf, Freibad Löricke
J.B.O., Mad Sin, Discipline,
Stomper98, Deadline, Born From
Pain u. v. a.
06.-09.09. Gräfenhainichen
ROCCO DEL SCHLACKO
Blumentopf, Kilians, Jenson, The
Swindle, DJ Exel Pauly u. v. a.
08.09. Isny
Beatsteaks, Das Pop, Millenoclin,
Ohrbooten, Roman Fischer, Sportfreunde Stiller, The Films, The Lost
Patrol Band, Turbostaat
24.08. - 25.08. Püttlingen, Sauwasen
FREE & EASY
K.I.Z., Dendemann, Der Tante
Renate, Die Türen, Jamaram, Kinderzimmer Productions, Kevin Devine,
Bauchklang u. v. a.
26.08.-09.09. München, Backstage
SPACK-FESTIVAL
The Robocop Kraus, She-Male Trouble, Big D & The Kids Table u. v. a.
31.08.-01.09. Höhr-Grenzhausen
ISNYER OPEN-AIR
Z
um Festival nach England,
Frankreich, Belgien, Österreich – ist doch irgendwie
langweilig. Wenn schon Ausland,
dann ruhig mal exotisch. Was weiß
man zum Beispiel über Festivals in
den Arabischen Emiraten? Wenig,
und das ist eigentlich schade. Deshalb sei an dieser Stelle mal das Desert Rhythm vorgestellt. Im Dubai
Country Club werden Ende Oktober z. B. KanYe West, Mika, Ziggy Marley und Madness auftreten, um
nur einige zu nennen. In Anbetracht der diesjährigen Regenbilanz des
Festivalsommers ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, die eigene Saison bis in den Herbst zu verlängern. Natürlich sollte man direkt
im Anschluss gleich einen Urlaub dranhängen, aber das versteht sich
ja von selbst. Über Sand in den Schuhen wird man sich beim Desert
Rhythm übrigens keine Gedanken machen müssen, denn die Fläche
vor der Bühne ist komplett mit Kunstrasen ausgelegt.
ª 26.-27. Oktober
¡ Dubai, Country Club
∏ KanYe West, Mika, Ziggy Marley, Madness, Black Violin, Leanne u. v. a.
µ VVK: ca. 54 US-Dollar
∂ www.desertrhythmfestival.com
Die kommen,
die Festivals
POLARZOO-FESTIVAL
The Ark, The Broken Beats,
Wulfgang, The School, Desert
Planet u. v. a.
02.-04.10. Berlin, Zürich, Wien
ROCK AM
PFERDEMARKT
Muff Potter, Tele, Trashmonkeys,
Chuck Ragan, Monsters Of Liedermaching, Panda u. v. a.
14.-15.09. Lingen
KULTFAKTOR SCHULHOF
– KLIMANEUTRALES
OPEN AIR
Donots, Dendemann, Belasco u. v. a.
14.09. Ratingen
POPKOMM
JUGENDKULTURFESTIVAL BASEL
siehe Seite 119 (Intro Intim)
und Seite 121
19.-21.09. Berlin
And You Will Know Us By The Trail
Of Dead, Princess Superstar, Data
MC u. v. a.
31.08.-02.09. CH-Basel
SWR3 NEW POP
FESTIVAL
31.08.-02.09. Alle Infos siehe oben
Maria Mena, Ghosts, Feist, Zascha
Moktan, Mando Diao, Orishas, John
Butler Trio, Ayo u. v. a.
20.-22.09. Baden-Baden
KRÜCKAU-FESTIVAL
REEPERBAHN-FESTIVAL
Muff Potter, The Busters, Smoke
Blow u. v. a.
31.08.-01.09. Elmshorn
27.-29.09. Alle Infos siehe links
ROCK AM SEE
Culcha Candela, Revolverheld,
Boundzound, Silbermond u. v. a.
28.09. Pforzheim
SUMMER SPIRIT
Desert Rhythm in Dubai
SÓNAR NITS
Carles Santos, Adam Raga, Fibla,
Tucker, Àngel Molina, The Vegetable
Orchestra, Undo, Cabo San Roque,
Matthew Herbert (Foto), DJ2D2, Guillamino, Pedrals, Reac Table, Senor
Coconut, The Pinker Tones u. v. a.
10-13.10. Frankfurt am Main,
Bockenheimer Depot
ICELAND AIRWAVES
Bloc Party, !!! (chk chk chk), Múm,
GusGus, Bonde Do Role, Chromeo,
Lali Puna, Ms. John Soda, Deerhoof,
Tied & Tickled Trio u. v. a.
17.-21.10. IS-Reykjavík
DUBAI DESERT RHYTHM
FESTIVAL
26.-27.10. Alle Infos siehe oben
NoFX, Sportfreunde Stiller, Nine
Inch Nails, Billy Talent, Razorlight,
The Sounds, The Graduate u. v. a.
01.09. Konstanz
COCOON’S GREEN & BLUE
Sven Väth u. v. a.
02.09. Obertshausen
ELECTRICITY
03.11. Saarbrücken
DER CAMPUS ROCKT ...
PFORZHEIM
EUROSONIC /
NOORDERSLAG
WEEKEND
10.-12.01.2008 NL-Groningen
FESTIVALSAISON 2007. Schon bald werden die Tage wieder kürzer,
und die Bands ziehen sich in die Clubs zurück. www.festivalguide.de bleibt
natürlich trotzdem dran. Und für die Festivalfans gibt es in der OktoberIntro wieder das Festivalguide-Review-Heft. Also: Weiterrocken!
DIE TOLLSTE UND ERSTE
TEN!
MELT!-DOPPEL-CD ALLER ZEI
del oder
Im gut sortierten Plattenhan .
via www.meltfestival.de/shop
Bloc Party † Maximo Park
Hot Chip ° Deichkind
Tocotronic † Scissor Sisters
Jan Delay § Hell † Phoenix
Wir Sind Helden † The Rifles
The Notwist † Digitalism
U.V. A.
Stereo Total £ Kettcar ¢ Tiga
MIT
+ »DEATH OF A FESTIVAL
RAVER«- DJ MIX
Freizeitzentrum West
09-10
2007
Club Konzerte Theater Film
Dhgs^km^3
)/')2'Dbg]^ksbff^k
Ikh]n\mbhgl
*)')2'Ihkmn`Ze'Ma^FZg
*/')2'
So 09.09
FZil
Do 20.09 UNSANE + FLUID
Fr 21.09 MUFF POTTER u.a.
So 23.09 BOTANICA
Mo 24.09 CISSY + ORIGAMI
.1;^Zmlik‚l^gmb^km
*0')2' FZbg<hg\^im%
<k^f^?k^la%
Ob^kSn>bgl
*2')2'NglZg^
+*')2'
Do 27.09 KATE MOSH
HlmbgZmh
+-')2'Dgnm%Fhggh
+.')2'
Ma^Ib`^hg
=^m^\mbo^l
+0')2'LmZkl
Fr 28.09 TURBOSTAAT
3 % 0 4 % -" % 2
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+2')2'DhffZg]h
Lhgg^G&Fbe\a
<en[[bg`Ab`aeb`aml3
)1')2' Iahgh`^gb\
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KZpm^dd!ln[mbme^l"
++')2' @h`h<kZsr
fbmli^\bZe`n^lm
=CFZchkMZrehk
!Ma^CZb&:eZbLZoZgm"
HIGH ON FIRE
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Sa 29.09 POTHEAD
So 30.09 FRISKA VILJOR
Mo 01.10 DOZER u.a.
Do 04.10 KOMMANDO SONNE-NMILCH
Sa 06.10 ERDMÖBEL
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Di 09.10 THIS ET AL
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Club 30 jeden Mi. ab 19 Uhr, 2 floors
Stadt Dortmund
Jugendamt
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Do. 06.09.
PORTUGAL.THE
MAN
Support: COSMIC CASINO
So. 09.09. Rotterdam Ska-Jazz
Foundation (NL)
+ RazzleDazzle (D)
Mo. 10.09. Malajube (CAN)
+ Videoclub (D)
Fr. 14.09.
Dean Dirg (D)
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Alle Infos: www.gebaeude9.de
Vorverkauf: www.kartenhaus.de
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Freizeitzentrum West
www.fzw.de
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Neuer Graben 167 - 44137 Dortmund
fon 0231-17 78 20
Heidelberg / Am Karlstor 1 / Tel. 06221.978911
09/1007
Konzert / Klub / Theater
Literatur / Kleinkunst
Politik / Kino
1
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Anna Ternheim
MI 12.09. MAIN CONCEPT
FR 14.09. JINGO DE LUNCH
MI 19.09. TITANIC
BOYGROUP
FR 21.09. MENOMENA
SA 22.09. CARIBOU
M0 24.09. SHOUT OUT LOUDS
DI 25.09. ANNA TERNHEIM
D0 27.09. GURU GURU
FR 28.09. DJ CONFERENCE 9
DI 02.10. DJ JAZZY JEFF
MI 03.10. BROKEN SOCIAL
SCENE
SA 06.10. CINEMATIC
ORCHESTRA
S0 21.10. JASMIN TABATABAI
SUP. WILLIAM WHITE
SA 27.10. THE ROBOCOP
KRAUS
und vieles mehr
TITO
& TARANTULA
Tex-Mex-Rock
Sa. 08.09.
Sa. 15.09.
THEY MIGHT BE
STARS-FESTIVAL
Mit: CRUTCH, YES MA’AM, ASHORE local heroes
Sa. 22.09. Menomena (USA) +
At The Close Of Every
Day(NL)
Sa. 22.09.
So. 23.09. K.I.Z. (D)
+ Mach One + Darn
+ Vork + Massimo
Mo. 24.09. Shantel & Bucovina
Club Orkestar (D)
Mi. 26.09. Bastard Sons Of
Johnny Cash (USA)
+ Randy Burk
k (USA)
Do. 27.09. Mark Sultan aka BBQ
(CAN)
+ Human Eye (USA)
Sa. 29.09. Erdmöbel (D)
So. 30.09. Blowfly „The Original
Dirty Rapper“(USA)
21:00 Uhr
80`s PARTY
Mit: DJ HEIKO
Party mit den Kulthits der 80er Jahre
Do. 20.09.
www.infectious.de
฀
Fr. 07.09.
Sa. 15.09. Long Distance Calling
+ Tephra (D)
Mo. 17.09. Kristofer Åström (SWE)
+ The Great Crusades
(USA)
฀
GEBÄUDE 9
Deutz/Mülheimer Strasse 127–129
51063 Köln
Progressive Indie | Veranstalter: Mountcaldera
NEGATIVE
Support: DAY ELEVEN Gothic Rock
Fr. 21.09.
NEKTAR Progressive Rock
21:00 Uhr
Ü30
PARTY
The best of 68er Party, 70`s in Rock, 80er Party
& Studio 54 Party | Veranstalter: H2O-Promotions
Di. 25.09.
19:00 Uhr
THE
DECEMBERISTS
Support: LAND OF TALK US-Indie | Veranstalter: MTP
Do. 27.09.
Der Mo nat stip
p!
BASTARD SONS
OF
JOHNNY CASH
Support: RANDY BURKE Traditional Country
Sa. 29.09.
ELEVATE
Support: MEERA FE Rock made in Germany
Preview:
02.10.
05.10.
!0.10.
11.10.
12.10.
13.10.
19.10.
23.10.
25.10.
26.10.
27.10.
31.10.
02.11.
08.11.
DOKKEN & KINGDOM COME
MUFF POTTER
NO TE VA GUSTAR
PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB
VISIONS PARTY (Mit: THE AUDIENCE)
SHY GUY AT THE SHOES & MOORANGE
WIR SIND HELDEN (Europahalle)
CALIBAN, SOILWORK, CHIMAIRA
& SONIC SYNDICATE
CHE SUDAKA
LAZULI
HIP HERD
SUBWAY TO SALLY (Festhalle Durlach)
RANDY HANSEN
REVOLVERHELD
Einlass: 20 Uhr (falls nicht anders vermerkt)
Tel. 0721/37 72 74 · www.substage.de
E-Mail: info@substage.de
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GWEN STEFANI
+ special guest: CSS
15.09.07 · Köln, Kölnarena
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GRAND AVENUE
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18.09.07 · Köln, Theater am Tanzbrunnen
SPORTFREUNDE
STILLER
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17.09.07 · Köln, Studio 672
PAUL WELLER
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STATE RADIO
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28.09.07 · Köln, Underground
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ERDMÖBEL
RILO KILEY
Mi. 29.08. • Prime Club • Köln
Do. 30.08. • Prime Club • Köln
PARAMORE
THE CRIBS
Mi. 05.09. • Live Music Hall • Köln
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DOGS
Fr. 07.09. • Prime Club • Köln
RAZORLIGHT
THE TWANG (UK)
Mo. 10.09. • Brückenforum • Bonn
Special
Solo Performance
ADAM GREEN
JUSTICE
Di. 11.09. • Prime Club • Köln
Do. 13.09. • Prime Club • Köln
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So. 16.09. • Prime Club • Köln
Mo. 17.09. • Prime Club • Köln
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LENA ANDERSSEN
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RICKY WARWICK
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FEIST
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05.10.07 Köln, E-Werk
ARCHIVE
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05.10.07 · Köln, Kulturkirche
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WIR SIND HELDEN
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11.10.07 · Münster, Halle Münsterland
12.10.07 · Köln, Palladium
ANI DIFRANCO
INTERPOL
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SCHLACHTHOF WIESBADEN GARTENFELDSTR. 57 65189 WIESBADEN
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19.11.07 · Köln, Palladium
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19.10.07 · Köln, Kulturkirche
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06.09. / BROKEN BEATS
SHRINES /
07.09. / KING KHAN & THE
ATE
REN
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DE
N/
09.09. / PORTUGAL. THE MA
SABOTEUR
S
11.09. / MISFITS / U.K. SUB
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9.
21.0
CHIN UP CHIN UP
INT. BRONCO CLUB
/
9.
21.0
SO SO MODERN
22.10. / MAXIMO PARK
ISE
02.11. / 11 FREUNDE LESERE
08.11. / SERDAR SOMUNCU
฀
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Mo. 24.09. • Prime Club • Köln
Di. 25.09. • Prime Club • Köln
ROONEY
DIE MANNEQUIN
Mi. 26.09. • Stadtgarten • Köln
Fr. 28.09. • Prime Club • Köln
ANNA TERNHEIM
JOHNOSSI
Sa. 29.09. • Prime Club • Köln
So. 30.09. • Gloria • Köln
BIFFY CLYRO
COHEED & CAMBRIA
So. 30.09. • Prime Club • Köln
So. 30.09. • MTC • Köln
THE TRAGICALLY HIP
THE AUDIENCE
Mo. 01.10. • Prime Club • Köln
MONEYBROTHER
Di. 02.10. E-Werk Köln • Di. 23.10. Weststadthalle Essen
special guest:
TROY VON BALTHAZAR
Mi. 03.10. • Prime Club • Köln
Do. 04.10. Zeche Bochum • Fr. 05.10. Gloria Köln
THE ARK
PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB
Sa. 06.10. • Schauspielhaus • Düsseldorf
RUFUS WAINWRIGHT
So. 07.10. • Prime Club • Köln
special guest:
FACING NEW YORK
Di. 09.10. • Prime Club • Köln
Mi. 10.10. • E-Werk • Köln
FUNERAL FOR A FRIEND
WITHIN TEMPTATION DELAIN
Mo. 15.10. • Prime Club • Köln
Di. 16.10. • Live Music Hall • Köln
CLAWFINGER
ENTER SHIKARI
Di. 16.10. • Prime Club • Köln
THE WATERBOYS
Do. 18.10. • Live Music Hall • Köln
special guest:
CHERRY GHOST
Do. 18.10. • Stollwerck • Köln
Fr. 19.10. • Prime Club • Köln
STEREO TOTAL
MATTAFIX
Fr. 19.10. • Gebäude 9 • Köln
Mo. 22.10. Weststadthalle Essen • Di. 23.10. LMH Köln
JUST JACK
CULCHA CANDELA
Do. 08.11. • Live Music Hall • Köln
Do. 15.11. • Gloria • Köln
EDITORS
KLAXONS
THE DECEMBERISTS
TOCOTRONIC
RX BANDITS
special guest:
CROWDED HOUSE
special guest: HERMAN DUNE
ARCADE FIRE
฀
Do. 23.08.
Open Air am Tanzbrunnen
Köln
฀
฀฀
SHOUT OUT LOUDS THE CONCRETES
Mi. 22.08. • Palladium • Köln
฀
฀
฀
฀
฀
฀
฀
Mi. 19.09. • Palladium • Köln
฀
฀
฀
PORTUGAL. THE MAN > 09.09.
S
฀
฀฀
฀
XAVIER RUDD
So. 23.09. • Live Music Hall • Köln
special guest:
LAND OF TALK
special guest:
฀
Mo. 10.09. • Prime Club • Köln
KRISTOFER ASTRÖM
Di. 18.09. • Prime Club • Köln
04.10.07 · Köln, Gloria
BONE
28.09. / FIGURINES / I AM
CA
01.10. / TURBOSTAAT / YUC
ITS
CU
BIS
LA
RIL
02.10. / GO
/
16.10. / ROBOCOP KRAUS
So. 26.08. • Prime Club • Köln
ABWÄRTS
KEITH CAPUTO
22.09.07 · Münster, Halle Münsterland
– INDIE CLUB NIGHT
Do. 23.08. • Prime Club • Köln
฀
฀
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฀
฀
฀฀
฀
฀
฀
฀
฀
฀฀
฀
฀
฀
฀
SPORTFREUNDE STILLER
฀
So. 07.10. • Philipshalle • Düsseldorf
special guest: SYMPHONY X
DREAM THEATER
฀
฀
Di. 16.10. • Palladium • Köln
฀
฀
฀
฀
special guest: ASH
฀
฀
฀
MAXIMO PARK
฀
So. 28.10. • Palladium • Köln
฀
AMY WINEHOUSE
฀
฀
฀
special guest: BLOOD RED SHOES
Fr. 23.11. Palladium Köln • So. 09.12. Westfalenhalle 1 Dortmund
฀
BEATSTEAKS
special guest: TURBOSTAAT
฀
So. 25.11. Kölnarena Köln • Sa. 01.12. König-Pilsener-Arena Oberhausen
฀
Unser komplette s Programm findet Ihr im Internet
www.schlachthof-wiesbaden.de
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Fornika für alle Tour 2007
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Konrad Adenauer Ring 40 | 49808 Lingen | epping@alterschlachthof.de | www.alterschlachthof.de
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0OLYFON
02.09.07 München – Backstage
03.09.07 Wien – Arena
05.09.07 Winterthur - Gaswerk
18.09.07 Hamburg – Molotow
19.09.07 Berlin – Magnet
20.09.07 Köln – Blue Shell
21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof
22.09.07 Würzburg – Cairo
23.09.07 Karlsruhe – Jubez
KEVIN DEVINE (USA)
18.09.07 Hamburg – Molotow
19.09.07 Berlin – Magnet
20.09.07 Köln – Blue Shell
21.09.07 Wiesbaden – Schlachthof
22.09.07 Würzburg – Cairo
23.09.07 Karlsruhe – Jubez
24.09.07 München – Feierwerk
25.09.07 Giessen – MuK
26.09.07 Offenbach – Hafen 2
29.09.07 Münster – Amp
02.10.07 Trier – Exhaus
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&2ôôô
7IESENSAUSEô
3/ôô
7Eô!REô9OUôô
-EATô7OODô#YRIS
&2ôô
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3!ôô
-UNCKô*OHNSON
$/ôô
3HAUNô2EEVESôô
6ERAô(EINDEL
&2ôô
,EVISô2EBELLIOUSô'IRLSô
4OUR
06.09.07 Köln – Tsunami
07.09.07 Berlin – Kastanie
THE FLESH & PANTHER (USA)
18.09.07 Heidelberg – Zum Teufel
19.09.07 Berlin – Magnet
20.09.07 München – Feierwerk
21.09.07 Halle/Saale –
Hühnermanhatten
24.09.07 Wien – Arena
25.09.07 Würzburg – Cairo
26.09.07 Nürnberg – MUZ-Club
27.09.07 Köln – Tsunami
3!ôô
+EVINô$EVINE
-)ôô
(EIKOô-3/ô2ANDYô&OX
&2ôô
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Dial-Booking, Winsstr. 57, 10405 Berlin
www.dial-booking.de 030-44 32 33 43
www.myspace.com/dialbooking
LIVE CLUB
SCHWIMMBAD
-musik-club.de
SEPTEMBER 07
Der Rockpalast im September im WDR Fernsehen
01.09.2007 l 23:15 bis 2:45
30 Jahre Rockpalast »Punkrock«
My Generation Der Sound der Revolte
03.09.2007 l 0:45 bis 2:45
Rockpalast Hayseed Dixie, The Answer
Rockpalast Bigbang
08.09.2007 l 23:10 bis 2:30
30 Jahre Rockpalast »Crossroads«
Crossroads The Blue Van, Dirty Fuzz, Sun Dial
10.09.2007 l 0:15 bis 2:40
Rockpalast The Police, Aufzeichnung von 1980
Rockpalast John Butler Trio, Botanica
15.09.2007 l 23:30 bis 4:00
30 Jahre Rockpalast »Sänger & Songschreiber«
Rockpalast Rock am Ring 2007
17.09.2007 l 0:45 bis 2:30
Rockpalast Stone Sour, Papa Roach
22.09.2007 l 23:15 bis 3:15
30 Jahre Rockpalast »Man singt deutsch«
Crossroads Beverly Joe Scott, Hugh Cornwell u.a.
23.09.2007 l 00:45 bis 2:15
Rockpalast The Hives, Gogol Bordello
29.09.2007 l 23:15 bis 23:45
30 Jahre Rockpalast »Rockpalast macht Spaß«
31.09.2007 l 0:45 bis 2:45
Rockpalast Wacken Open Air 2007
www.rockpal ast.de
Sa.
01.
TONEHAT
Mi.
05.
TITO &
TARANTULA
Soul · Rock · Funk
Do.
06.
PLANLOS
Fr.
07.
DEPECHE MODE PARTY
mit DJ Jochen
Sa.
08.
Fr.
14.
Sa.
15.
Do.
20.
Fr.
21.
Punkrock
THE FIGHT CLUB
Drum’n Bass & Jungle
BIG CLOSING DOWN PARTY
15 artists & more guests
SKA NIGHT
ALASKA
UPTOWN SKANKIN’
presented by Jamrock Hifi
SHAKE A DEM VS.
COSMOHOUSE VS.
SOUNDBLESS
GLOBAL BATTLE OF
THE BANDS
SCRUB · THE AIRPUMPS ·
FEARPHOBIA · BLISS · DEIN
EX · CHAOSPHERE
BIG FM PARTY NIGHT
POLLY
Nirvana-Covers
Sa.
22.
BOPPIN’B
Do.
27.
STUDI-PARTY
Fr.
28.
DUST’N BONES
Sa.
29.
Ü30-PARTY
Comedy-Rock’n Roll
THE VENUS PULS
Indierock
Guns’n Roses-Covers
KNUTSCHFLECK
NDW-Party
OPEN AIR DISCO
RAUCHEN ERLAUBT!
2 OPENAIR-RAUCHERBEREICHE
EXTRA
Konzertbeginn wochentags 21 h
Wochenende 22 h
Einlass Do., Fr. & Sa. 21 h
Sonderevents 20 h
Telefon 0 62 21 – 47 02 01
Heidelberg – Nähe Zoo
128 _ Intro _ Musik _ Nachlese
Foto: Mari Harrala
Ruisrock.
Lordi-Weingummis am Meer
Signal 2 / Streich 4.
Die Kunst des Diktierens
06.-08.07. – FIN-Turku
Vor mir spielen die Children Of Bodom auf einer mit Amischlitten
vollgeparkten Bühne eingängigen Death-Metal. Während ich eines
meiner Lordi-Weingummis nasche, laufen links von mir junge Bikini-Mädels ins Meer. Nur wenige Meter vom Land entfernt schippert
eine riesige Stena-Line-Fähre vorbei, auf der alte Menschen belustigt winken. Klingt ziemlich abgefahren? Und fühlt sich auch genau so an. Das Ruisrock im finnischen Turku bietet nicht nur eine
atemberaubende Location mit Meereslage, es zeigt auch, dass trotz
der geringen Entfernung der kulturelle Unterschied ein großer sein
kann. Besagte Children Of Bodom zum Beispiel führten wochenlang die Albumcharts an und sind nach Meinung der finnischen Musikbranche die Band, die es am ehesten zur Weltherrschaft bringen kann. Überhaupt ist das Ruisrock das größte Festival Finnlands,
weil in erster Linie die heimischen Künstler zum Zug kommen. Zum
Beispiel Ismo Alanko Teholla – der »finnische Rio Reiser«. Oder Zen
Café, die U2 ins Finnische zu übersetzen scheinen, oder aber die
auch in Deutschland bekannten und wunderbaren Husky Rescue.
Meistens regiert jedoch der Rock: Marillion, In Flames, Amorphis
und Hanoi Rocks in Originalbesetzung, you name it. Sogar eine Yngwie-Malmsteen-Coverband läuft mir hier über den Weg. Weirder
geht’s nicht, außer vielleicht bei der Finnlandpremiere der Flaming
Lips, die bei Dämmerlicht um Mitternacht ein hochgradig alkoholisiertes Publikum rumkriegen. Ich dachte immer, ich hätte schon vieles gesehen in Sachen Festivals, aber so eins dann doch noch nicht.
Ich bin begeistert.
09.-11.07. – Berlin, Sonnenallee
Künstler aus verschiedenen Bereichen zu Happenings zu versammeln mag sich vielleicht nicht nach dem heißen Scheiß anhören.
Wenn es aber jemand schafft, in dieser Hinsicht dermaßen viel auf
die Beine zu stellen wie Sprühgeist Yaneq aus Berlin, darf er sich ruhig Kunstdiktator nennen. Oder sogar Party Arty Diktator, um genau zu sein. Was macht so ein Diktator? In seiner PAA (Party Arty
Army) gelingt Künstlern etwas, was sie sonst eher selten schaffen:
miteinander klarkommen. Damit ist ihm ein spontanes Kunstfestival namens Signal geglückt, für das er innerhalb kürzester Zeit haufenweise Musiker, Maler, Grafiker etc. zusammentrommeln konnte; eine »Arty Party« startete. Mit Signal 2 stellte der reizende Yaneq
nun erneut eine äußerst inspirierende Sache vor. Im Studio der Neuköllner Electro-Rocker Warren Suicide, in dem beispielsweise schon
das letzte Kante-Album von dem allgegenwärtigen Moses Schneider produziert worden ist, versammelten sich erneut allerlei Künstler. Diesmal war auch ein Streichquartett anwesend, das über einen
Zeitraum von drei Tagen mit so verschiedenen Interpreten wie Dirk
von Lowtzow, Gods Of Blitz, T.Raumschmiere, Pitchtuner u. v. a. deren Songs einspielte. Arrangiert wurde das Ganze von Nackt (Warren Suicide), der halbnackt die Streicher dirigierte. Zu viele Namen?
Aber es kommen ja noch die ganzen Maler und Grafiker dazu, die
gleichzeitig die Cover zu den Aufnahmen gestalteten. Nur der Diktator selbst kann die alle aufzählen. Neben der üblichen Arty Party
springt bei der Aktion also noch eine ganze Edition (»Arty Edi«?) heraus. Erhältlich in der Galerie Ihres Vertrauens.
Daniel Koch
Martin Riemann
www.bibop.de
Intro _ Musik _ Nachlese _ 129
Schorsch Kamerun. Bei den
Kammerspielen München
Acht Jahre Berliner Gazette.
Sympathisch uncool
13.07. – München, Schauspielhaus
Warmes Pils direkt aus dem Kasten auffe Faust. Die Vermutung
liegt nahe, dass man sich in der halbwegs schmucken Gastro-Area
der Münchner Kammerspiele über das Zielgruppen-Gefüge eines
Abends, an dem die knisternd-renitente Eigenart verströmenden Vokabeln »Goldene Zitronen« den Theater-Spielplan des Traditionshauses aufmischen, lediglich oberflächlich Gedanken gemacht hat.
Während sich also abends ein gewohnt Genre-adäquates Klientel in
Parkett und Logen des Schauspielhauses breitmacht, um ein – wie
es heißt – »nicht gerade Greatest-Hits-Set« der Hamburger zu goutieren, fanden sich dort bereits am Nachmittag drei bis vier Handvoll Allgemeininteressierte ein, um an allerlei crazy Spielstätten
des Hauses (u. a. Montagehalle, Schreinerei) Aufführungen unter
dem Motto »Fürchtet euch nicht!« zu begutachten. Unter die jeweils
halbstündigen Film-, Theater- und Vortrags-Darbietungen zum Thema Utopien bzw. der Frage »In welcher Zukunft wollen wir leben?«
hat sich mit »Der Logik der Anpassung« auch eine Eigenregie von
Schorsch Kamerun, der sich seit einiger Zeit als Theaterregisseur in
München verdingt, geschmuggelt. Zu Recht wird das Werk von der
Utopisten-Gemeinde (eingeschworen vom Auftakt-Assoziations-Diagesäusel der Miet-Gastgeberin Professor Annett Zinsmeister und
ihrem »digitalen Gedächtnisspiel zum Plattenbau und anderen modularen Utopien«) auf ihrem Weg durch den von Headset-verzierten
Theatermitarbeitern eskortierten Parcours durchs gesamte Haus
mit heiterem Wohlwollen aufgenommen.
Jürgen Dobelmann
14.07. – Berlin, Kim
Die Berliner Gazette – eine so kulturkritische wie netzaktivistische
Kombination aus Newsletter, Internet-Feuilleton und Blog (www.
berlinergazette.de) – feierte ihr 8-jähriges Bestehen in der Berliner
Kneipe Kim. Mit Wandinstallationen von Mister Ministeck, Videokunst von Florian Thalhofer, Eva Grubinger und anderen, mit einer
Lesung mehrerer AutorInnen, unter anderem auch die komplette
Redaktion: Susanne Lederle, Magdalena Taube, Krystian Woznicki.
Die Eltern des Gazette-Gründers Woznicki waren auch da; der Vater
schaute dem Laptop-Musiker Shintaro Miyazaki beim Improvisieren über die Schulter: Ach so, der junge Mann gibt gerade ein Konzert, interessant. Nachwuchsautor Michael Taube trug einen Text
über den letzten Schultag vor. Das Ganze erinnerte etwas an einen
Tag der offenen Tür, den eifrige Pennäler ausrichten. Sympathisch,
dass ein derart unprovinzielles publizistisches Unterfangen wie die
Gazette eine so uncoole Party veranstaltet. Ausgehend vom Berliner
Kulturleben, betreibt die Gazette eine agile Gegenwartsdiagnostik.
Mit dem Projekt »McDeutsch« wurde im letzten Jahr versucht, dem
Neo-Nationalismus zu begegnen. Magdalena Taube schrieb: »Sprache ist kein starres Gefüge, sondern ein offenes System.« (Leider
nutzen das auch Leute, die sich Wörter wie »JobCenter« ausdenken.)
Dieses Jahr widmeten sich im wöchentlichen Rundmail-Feuilleton
u. a. Geert Lovink, Harald Fricke, Mona Motakef und Dietmar Dath
dem Thema »Zeitgeist«. Im Online-Forum haben persönliche DiskusFrank Geber
sionsbeiträge mitunter theoretischen Anspruch.
130 _ Intro _ und so _ Katz & Goldt _ All the next
Katz & Goldt
All the next No. 154 17.09.2007
Devendra Banhart, Chrome Hoof,
Stars, PJ Harvey, Supermayer,
Róisín Murphy, Foo Fighters, Beirut