Inkassowirtschaft 17_18 April 2016
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Inkassowirtschaft 17_18 April 2016
AUSGABE 17/18 DAS MAGAZIN DES BDIU Inkasso APRIL 2016 Wirtschaft Verantwortung für Wirtschaft und Verbraucher Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen feiert Geburtstag Interview || Eine Zeitreise durch die Geschichte des Forderungsmanagements Meinung || Der BDIU steht für Dialog und eine seriöse Berufsausübung www.inkassowir tschaft.de S O F T W A R E Wir gratulieren dem BDIU zu 60 Jahren verantwortungsvoller Verbandsarbeit! SUBITO FMM - Forderungsmanagement-Software für verantwortungsvolles Inkasso s Onlineportale für Auftraggeber und Schuldner sowie mobile Apps s Hohe Zeitersparnis bei einfacher Bedienbarkeit durch schlanke, automatisierte Prozesse s Moderne Web-Anwendung Warum kompliziert, wenn’s auch SUBITO geht! WWW.SUBITO.DE SUBITO FMM SUBITO FMM ist die aktuell modernste und komfortabelste Anwendung für automatisiertes und effizientes Forderungsmanagement im Markt. 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Friedrichstraße 50-55 || 10117 Berlin Telefon 030.206 07 36-0 bdiu@inkasso.de || www.inkasso.de Eingetragen im Vereinsregister Berlin, Amtsgericht Charlottenburg, VR 28841 B Chefredaktion Marco Weber Redaktion Kay Uwe Berg, Dennis Stratmann, Marco Weber Konzept + Gestaltung Nolte | Kommunikation Bildnachweis BDIU/Peter Himsel (S. 3, 11, 20, 34, 46-47); istockphoto.com: aanton (S. 1), jcgwakefield (S. 5), ilbusca (S. 38); shutterstock.com: .shock (S. 16), jackfrog (S. 23), Andrey_Kuzmin (S. 26); Museumsstiftung Post und Telekommunikation (S. 8, 12, 15), ullstein bild: Photo12 (S. 24), Archiv Gerstenberg (S. 25), Messerschmidt (S. 27), Wodicka (S. 28), Werek (S. 28), Ulrich Baumgarten (S. 29), Foto Press Hamburg (S. 29); picture alliance/dpa: Rainer Jensen (S. 26); BMJ/Werner Schuering (S. 4); Bauer Verlag (S. 25); Marco Weber (S. 30-31) EDITORIAL LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, Inkassounternehmen sind ein Stützpfeiler der deutschen Volkswirtschaft. Gut 5 Milliarden Euro pro Jahr führen die Mitgliedsunternehmen des BDIU durch ihre Rechtsdienstleistung ihren Auftraggebern an berechtigten Forderungen wieder zurück. Dieses Geld sichert millionenfach wirtschaftliche Existenzen – von Unternehmen und Verbrauchern gleichermaßen. Sprachrohr der Inkassowirtschaft ist der BDIU. Er ist so facettenreich wie die Branche und umfasst von EinMann- oder Ein-Frau-Unternehmen über familiär geführte kleinere und mittelgroße Firmen bis hin zu europaweit aufgestellten Finanzdienstleistungskonzernen jede Menge engagierte Unternehmer, die eine gemeinsame Intention eint: für einen fairen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen von Gläubigern und den nicht minder berechtigten Interessen der betroffenen Verbraucher zu sorgen. In diesem Jahr wird der BDIU 60. Das wollen wir feiern. Mit einer Festveranstaltung im Museum für Kommunikation in Berlin – denn gutes Inkasso funktioniert nur mit guter und verständlicher Kommunikation. Und mit dieser Ausgabe der »Inkassowirtschaft«, die damit auch eine Festschrift ist: Sie blickt zurück auf erfolgreiche sechs Jahrzehnte Inkasso. Und sie wirft einen Blick in die Wolfgang Spitz (rechts) und Kay Uwe Berg Zukunft, auf die Herausforderungen, die unsere Branche weiter beschäftigen werden. Denn die Geschichte der Inkassowirtschaft ist wahrlich noch nicht zu Ende erzählt. Sie hat eigentlich gerade erst begonnen. Wir wünschen Ihnen eine informative und nicht minder unterhaltsame Lektüre. Ihre Wolfgang Spitz Präsident des BDIU Kay Uwe Berg Hauptgeschäftsführer des BDIU Inhalt GRUSSWORTE EUROPA Glückwunsch zu »60 Jahre Verantwortung« Verantwortung für Europa Bundesjustizminister Heiko Maas und Rita Hornung, Geschäftsführerin der Marianne von Weizsäcker Stiftung Dr. Andreas Bücker über die Interessenvertretung auf internationalem Level 30 4 INTERVIEW INTERVIEW Inkasso in Emojis Ein Beruf mit Verantwortung Kay Uwe Berg beschreibt seine Arbeit in Bildern 34 BDIU-Vizepräsident Hans-Joachim Leister blickt zurück auf sein jahrzehntelanges Engagement 8 für die Branche REZENSION 36 INTERVIEW AUSBILDUNG Interessen ausgleichen Bildung macht den Meister! VRiOLG Peter Lüttringhaus ist der Ombudsmann des BDIU Die Deutsche Inkasso Akademie schult Rechtsdienstleister für ihre Aufgaben 38 16 INTERVIEW MEINUNG Der Seismograf der Wirtschaft Inkasso heißt Verantwortung Wolfgang Spitz über seine Zeit im BDIU und als Präsident des Verbands Kirsten Pedd erklärt, warum Selbstregulierung für die Inkassowirtschaft wichtig ist 41 20 STATISTIK Der BDIU in Zahlen GESCHICHTE 44 Die Inkasso-Zeitreise Forderungsmanagement im Spiegel der Gesellschaft Inkassowirtschaft || APRIL 2016 STANDPUNKT 24 Verantwortung heißt für mich ... 46 3 GRUSSWORT ch grüße alle herzlich, die in diesem Jahr das 60. Jubiläum des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen feiern. Seit sechs Jahrzehnten übernimmt der Verband Verantwortung für die Inkassowirtschaft, für ein professionelles Forderungsmanagement und damit für das Funktionieren der Marktwirtschaft in Deutschland. I Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen bringt sich immer wieder erfolgreich in die politische Debatte ein, seine Vorschläge sind konstruktiv und pragmatisch, zum Beispiel bei der Arbeit an der EU-Datenschutzgrundverordnung und dem Insolvenzrecht. Jetzt wollen wir das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken evaluieren. Wir wollen sehen, ob und wie sich die neu eingeführten Regelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Praxis bewährt haben. Die Inkassowirtschaft soll den Gläubigern helfen, zu ihrem Geld zu kommen. Aber es muss auch sichergestellt sein, dass auf dem Weg dahin die Schuldner nicht immer tiefer in die roten Zahlen geraten. Es darf nicht sein, dass einzelne Akteure mit ihrem Gebaren Verbraucherinnen und Verbraucher schädigen und die Inkassounternehmen dabei insgesamt in Misskredit bringen. Ob wir die richtigen Mittel gegen die schwarzen Schafe der Branche gewählt haben, werden wir im Zuge der Evaluierung des Gesetzes prüfen. Der Bundesjustizminister gratuliert dem BDIU. Wenn wir dann im kommenden Jahr eine ausreichende Datengrundlage haben, wollen wir entscheiden, ob wir weitere oder andere Maßnahmen brauchen oder das bisherige Gesetz bereits ausreicht. POLITISCHE DEBATTE Glückwunsch Grußbotschaft zum 60. Jubiläum des Bundes verbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen am Ich freue mich, dass der BDIU bereits seine Unterstützung bei dieser Evaluation angeboten hat und wir auf Ihre Mitwirkung zählen können. Der faire Ausgleich der Interessen und ein wirksamer Verbraucherschutz liegen auch im Interesse der Inkassowirtschaft. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher darauf vertrauen können, vor missbräuchlichen und überzogenen Forderungen gut geschützt zu sein, werden die Inkassounternehmen im Sinne ihrer Kunden Forderungen besser und schneller einziehen können. Wir bauen daher auch in Zukunft auf den Rat, den Sachverstand und die Erfahrung der deutschen Inkassowirtschaft und ihres Verbandes. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche Ihnen ein schönes Jubiläumsfest – das findet zwar in einem Museum statt, aber ich bin mir sicher, dass der BDIU auch bei diesem Jubiläum die Zukunft der Inkassowirtschaft fest im Blick hat. Herzlichen Glückwünsch! 21. und 22. April 2016 in Berlin unter dem Motto »60 Jahre Verantwor tung« Heiko Maas Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz 4 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. GRUSSWORT DANKSAGUNG Probleme gemeinsam lösen Inkassounternehmen sehen sich in der Verantwor tung, auch auf individuelle Notlagen von Schuldnern einzugehen. Eine Par tnerin dabei ist die Marianne von Weizsäcker Stiftung. Von Rita Hornung Inkassowirtschaft || APRIL 2016 5 GRUSSWORT chon seit über einem Vierteljahrhundert engagiert sich die Marianne von Weizsäcker Stiftung bundesweit, um ehemals suchtkranken Menschen bei einer Entschuldung zu helfen und ihnen die Wiedereingliederung in den Beruf zu erleichtern. Bei einer Suchterkrankung verlieren die Betroffenen meist auch den Überblick über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse. Hier setzt die Stiftung gezielt an. Denn wenn es gelingt, die Schuldverpflichtungen der ehemals Suchtkranken zu klären und ihnen gleichzeitig eine neue berufliche Perspektive zu verschaffen, kann sich auch der Therapieerfolg nachhaltig verfestigen. Und das ist letztlich die beste Voraussetzung für den (Neu-)Start in ein eigenverantwortliches Leben. S Die Stiftung erstellt dafür ein sorgfältig geprüftes, auf den Einzelfall abgestimmtes und wirtschaftlich leistbares Sanierungskonzept. Den Gläubigern der Betroffenen bietet sie eine Einmalzahlung auf eine Forderung an, die ansonsten in der Regel uneinbringlich wäre. Diese Summe ist meist deutlich höher als der Betrag, den die Gläubiger noch erhalten könnten, wenn der Schuldner ein Verbraucherinsolvenzverfahren anstreben würde. Rita Hornung ist Geschäftsführerin der Marianne von Weizsäcker Stiftung. Die »Stephan-Kommission« In der sogenannten Stephan-Kommission haben Vertreter von Gläubiger- und von Schuldnerseite gemeinsam ein Formular erarbeitet, das außergerichtliche Schuldenregulierungen einfacher möglich machen soll. Der BDIU war von Anfang an Teil dieser Kommission. Gläubiger haben ein großes Interesse daran, dass Insolvenzfälle wirtschaftlich, also möglichst einfach, schnell und wenig kostenintensiv, bearbeitet werden können. Das von der Kommission erarbeitete Formular hilft Gläubigern und Inkassounternehmen, Einigungsversuche besser zu lesen und schneller zu bearbeiten. Dadurch werden Entscheidungen der Gläubiger schneller möglich und auch besser nachvollziehbar sein. Diverse Schuldnerberatungen, unter anderem die Marianne von Weizsäcker Stiftung, setzen das Formular schon seit längerer Zeit ein. Der BDIU ermuntert seine Mitgliedsunternehmen ebenfalls dazu, das Formular zu nutzen. Einige Inkassounternehmen haben das bereits getan – und berichten von sehr positiven Erfahrungen. 6 Dabei ist die Stiftung stets um Transparenz und einen fairen Interessenausgleich bemüht. Sie führt eine umfangreiche Kreditprüfung und -beurteilung durch und nimmt den Gläubigern das nicht unerhebliche Rückzahlungsrisiko ab. GROSSE UNTERSTÜTZUNG Für 200 Klienten führt die Stiftung jedes Jahr eine solche außergerichtliche Schuldenregulierung durch. Die Gläubiger sind dabei oft beeindruckend kooperativ. Im Durchschnitt verzichten sie auf vier Fünftel ihrer berechtigten Forderungen. Dafür erhalten sie von uns eine Einmalzahlung. Alleine im Jahr 2015 verzichtete die Gläubigerseite auf insgesamt mehr als 1,4 Millionen Euro. Nur durch diese sehr engagierte Unterstützung kann die Marianne von Weizsäcker Stiftung überhaupt erfolgreich arbeiten. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Marianne von Weizsäcker Stiftung liegt im außergerichtlichen Bereich. Wir wollen vermeiden, dass sich ehemals Suchtkranke mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren zusätzlich belasten. Ein solches Verfahren hat hohe formale Anforderungen, bringt oftmals schwer zu lösende Detailfragen mit sich und dauert zudem so lange, dass die Betroffenen Gefahr laufen, dabei einen Rückfall in die Sucht zu erleiden. Eine außergerichtliche Einigung ist deshalb oftmals die einzige Möglichkeit für die von uns betreuten Menschen, eine Schuldensanierung und damit einen wirtschaftlichen Neuanfang zu erreichen. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. GRUSSWORT Zu den aktuellen Teilnehmern der Stephan-Kommission zählen: Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) Commerzbank AG Deutscher Anwaltverein e. V. (DAV) Bundesagentur für Arbeit – Inkasso-Service Recklinghausen Marianne Freifrau von Weizsäcker, die Frau des damaligen Bundes präsidenten, gründete 1989 die nach Finanzamt Witten in Absprache mit dem Bundesministerium der Finanzen Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR) ihr benannte Stiftung. Sie hat zum Ziel, suchtkranken Menschen die soziale und berufliche Integration nach einer Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) DILAB e. V., Berlin, Beratungsstelle für Überschuldete erfolgreichen Therapie zu erleichtern. Arbeitskreis für Jugendhilfe e. V., Hamm Marianne von Weizsäcker Stiftung www.weizsaecker-stiftung.de Damit dieser Neuanfang in ein eigenverantwortliches Leben gelingt, wertet die Stiftung gezielt die Gründe für die doch sehr häufige Ablehnung von wirtschaftlich sinnvollen Plänen aus, um die gemeinsamen Verhandlungsergebnisse weiter zu verbessern und die entscheidenden Vorteile der außergerichtlichen Einigung deutlich zu machen. Denn auch für unser Justizsystem bedeuten außergerichtliche Einigungen eine Entlastung. Gläubiger- und Schuldnerinteressen werden im Sinne von Mediation zu einem für beide Seiten tragbaren Ausgleich zusammengeführt. Insbesondere die Gläubiger profitieren davon, dass die Leistungsfähigkeit des Schuldners zu 100 Prozent zu ihren Gunsten ausgeschöpft wird. GESPRÄCHE AM RUNDEN TISCH Vor fünf Jahren entstand durch die Arbeitsgruppe Insolvenzrecht des Deutschen Anwaltvereins ein »Runder Tisch Verbraucherinsolvenz«. An ihm trafen sich damals im Rahmen des achten Deutschen Insolvenzrechtstags verschiedene Vertreter von Gläubiger- und Schuldnerinteressen und riefen die sogenannte Stephan-Kommission ins Leben. Ihr Ziel: den außergerichtlichen Schuldenausgleich zu stärken und gleichzeitig zu standardisieren. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 In ausgesprochen konstruktiven Sitzungen – zunächst unter Vorsitz des Richters a. D. und Namensgebers Guido Stephan – wurde gemeinsam ein Formularsatz zur außergerichtlichen Einigung erarbeitet. Die oft empfundene Unvereinbarkeit von Schuldner- und Gläubigerinteressen tritt in diesem Verfahren hinter das gemeinsame Ziel der Effektivität. Die Grundlage für das Gelingen dieser Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. In einem Pilotprojekt prüfen wir zurzeit gemeinsam mit den Gläubigervertretern die Praxistauglichkeit des Formulars. Die Schuldnerberater verpflichten sich zu umfassenden Angaben zur wirtschaftlichen Situation des Schuldners. Die Gläubiger verpflichten sich, den verabredeten Verhandlungsweg nicht zu verlassen. Die ersten Ergebnisse sind durchaus erfolgversprechend. Deshalb möchten wir noch einmal engagiert für die Nutzung des Formulars werben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht für alle Beteiligten eine effektive und vor allem kostengünstigere Alternative. 7 INTERVIEW Als die Computer noch größer waren. Heute passt dieselbe Informationsmenge auf einen USB-Stick. INKASSO Ein Beruf mit Verantwortung BDIU-Vizepräsident Hans-Joachim Leister ist vor über fünf Jahrzehnten als Lehrling in das Unternehmen eingetreten, bei dem er heute im Vorstand der Aktiengesellschaft sitzt. Im Gespräch erklär t er, warum Inkasso unverzichtbar ist – und wie sich die Branche im Laufe der Zeit entwickelt hat. Interview: Marco Weber 8 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW Bürotechnik hat sich mindestens so sehr verändert wie Inkasso. Die Bilder zu diesem Artikel sind aus dem Berliner Museum für Kommunikation, wo der BDIU Ja. Das war 1965, und ich war noch 13. In der Lehre war ich bis 1968. In dieses Jahr fiel auch der frühe Tod des Firmengründers Gerhard Mosiek, was einen harten Einschnitt bedeutete. Sein Sohn studierte zu dieser Zeit noch und konnte sich nicht so stark um das Unternehmen kümmern. Daher wurde ich gebeten, der Firma treu zu bleiben, was ich gerne getan habe. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Unternehmen übrigens 13 Jahre. Es wurde im selben Jahr aus der Taufe gehoben, in dem auch der BDIU gegründet wurde. im April 2016 seinen 60. Geburtstag feiert. err Leister, Sie sind jetzt seit 51 Jahren im selben Beruf und sogar im selben Unternehmen tätig. In unserer schnelllebigen Wirtschaft von heute kann man sich das kaum noch vorstellen. Wie kam es dazu? H Diese Frage habe ich mir im Laufe der Jahrzehnte auch oft gestellt. Tatsächlich kam es dadurch zustande, dass ich mich immer wieder vor neue interessante Aufgaben gestellt sah und die Verantwortung zunahm. Das hat dazu geführt, dass ich dabeigeblieben bin. Was treibt Sie an als Inkassounternehmer? Was sind die Werte, die Sie vertreten? Zunächst einmal verstehen wir uns als klassischen Dienstleister. Es mag schönere Berufe und interessantere Tätigkeiten geben als das Schreiben von Mahnungen, Verfügen von Vollstreckungsaufträgen, das Buchen von Zahlungen und Versenden von Abrechnungen. Aber es ist eine Aufgabe, in der wir Verantwortung dafür tragen, dass auch dieser Teilbereich der Wirtschaft funktioniert, damit die Gläubiger selbst nicht in eine Schieflage geraten und insolvent werden, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Mich treibt auch an, dazu beizutragen, dass Inkasso mit redlichen und lauteren Mitteln erfolgt. Inkassounternehmen werden Werte in Milliardenhöhe anvertraut. Dass dies auch weiterhin geschieht, erfordert neben der Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber für eine korrekte Sachbearbeitung und Abrechnung eingezogener Gelder den fairen Umgang mit dem zahlungspflichtigen Schuldner und natürlich auch die Verantwortung gegenüber dem Mitarbeiter im Unternehmen. Der Mitarbeiter, der Sie selbst einmal waren. Sie sind ja schon als Lehrling ins Inkassounternehmen eingestiegen. InkassoWirtschaft || APRIL 2016 Damals war es noch gleichzeitig Inkassounternehmen und Auskunftei. Auch der BDIU wurde als Verband der Inkasso- und Auskunftei-Unternehmen gegründet. Das eine hängt ja sehr stark mit dem anderen zusammen. Früher war das gemeinsame Angebot von Inkasso und Auskunftei eine durchaus übliche Kombination. Viele Kunden kamen über die Auskünfte zum Inkasso oder umgekehrt. Im 19. Jahrhundert sollen schlechte beziehungsweise ungenaue Auskünfte mit der Folge offener Forderungen ja sogar die Inkassotätigkeit begründet haben. Hat sich das Bild von Inkassounternehmen im Laufe der Jahre verändert? Inkasso war schon immer etwas exotisch. Das muss man einfach sagen. Viele Freunde und Bekannte waren erst einmal erstaunt oder irritiert, wenn sie hörten, dass man in einem Inkassounternehmen arbeitet. Sie konnten sich gar nicht vorstellen, dass dahinter ein großer und seriöser Berufsstand stand beziehungsweise steht. Allerdings hat sich das im Laufe der Jahrzehnte nach und nach zum Positiven hin entwickelt. Viele, die früher noch die Nase rümpften, zum Beispiel Banken oder Versicherungen, bedienen sich heute ganz selbstverständlich dieser Rechtsdienstleistung, um ihre großen Forderungsbestände in professionelle Hände zu geben und bearbeiten zu lassen. Gewandelt hat sich auch vor allem das Verhältnis der Inkassobranche zur Öffentlichkeit und den Medien. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fand in den ersten Jahrzehnten des Verbandslebens so gut wie gar nicht statt. Interviews waren Teufelszeug und möglichst zu vermeiden. Ein Journalist auf einer Jahreshauptversammlung musste sofort die Räumlichkeiten verlassen. Inkassopräsident Kurt Weckert führte Ende der 80er-Jahre als Erster Pressekonferenzen ein, die von Ulf Giebel als Präsident weiterentwickelt wurden und heute mit zwei Terminen im Jahr einen Stammplatz im Terminkalender der Journalisten haben. Über seriöse und erfolgreiche Inkassoarbeit zunehmend öffentlich zu sprechen, hat das Bild der Inkassounternehmen und ihre Akzeptanz in der Tat erheblich verändert. 9 INTERVIEW Gehen wir noch mal einen Schritt zurück. Was war Anfang der 70er-Jahre für die Branche und Ihr Unternehmen spannend? Da fällt mir vor allem die technische Entwicklung ein. Als ich meine Lehre begann, saßen wir noch an Schreibmaschinen, kämpften mit Durchschlagpapier und TippEx flüssig. Meine erste Handlung war das Drucken von Briefbögen per »hauseigener« Druckmaschine. Tuben mit Druckerschwärze gelangten auf Walzen, durch Matrizen auf Papier und leider auch die Kleidung. So hat es angefangen. In den 70ern kam dann der erste Computer – er beschrieb optisch Kontenblätter und speicherte die Daten gleichzeitig in Magnetstreifen, ähnlich der heutigen EC-Karte. In diesen Magnetstreifen waren dann Forderung und Kosten gespeichert, Zahlungen wurden hierauf gebucht, die Werte auf FiBu-Konten übertragen und später abgerechnet. Mit den Kontenblättern wurde auch gemahnt, indem eine »Maske« mit Mahntext daraufgelegt und damit zusammen kopiert wurde. Diese technische Entwicklung zu begleiten, war besonders spannend – gar keine Frage. Und als wir dann den ersten Computer mit Bildschirm bekamen, der nicht mehr mit Magnetkonten arbeitete, sondern mit FestWechselplatten, habe ich begonnen zu programmieren. Als Autodidakt? Als Autodidakt. Ich besuchte Lehrgänge bei Nixdorf. Sodann hatte ich drei Monate Programmierunterstützung durch einen Mitarbeiter der Vertriebsgesellschaft, und anschließend wurde ich »freigelassen« und strickte Programme von der Datenerfassung bis zum Jahresabschluss in »Cobol«. Später das Ganze noch einmal in BASIC. Es war ein schönes Hobby und eine willkommene Abwechslung. Erst 2014 haben wir die hauseigene Software endgültig durch eine Standardsoftware ersetzt. Ein »Spiegel«-Artikel von 1992 zeigt ein Foto aus Ihrem Unternehmen, auf dem sich ein Mitarbeiter hochreckt, um eine Akte aus einer riesigen Registratur zu ziehen, die ihn um mindestens einen Kopf überragt. Ja, unsere Registratur war damals 130 Quadratmeter groß. Da war alles noch in Hängeakten. Das hat sich inzwischen sehr verändert. Gibt’s noch viel Papier? Das Papier verschwindet nach und nach. Es gibt noch alte Akten, sie werden für die Bearbeitung aber kaum noch benötigt, da seit 2006 alle ein- und ausgehende Post im System ist. 10 Die Registratur ist, bei gleichzeitiger Zunahme der Akten, immer kleiner geworden, was bei den heutigen Mietpreisen nicht unangenehm ist. Funktioniert durch die bessere Technik die Inkassotätigkeit besser? Das ist einer der großen Vorteile. Alle, die berechtigt sind, haben Zugriff und nicht nur derjenige, der den Vorgang auf dem Schreibtisch hat. Akten können nicht mehr »verlegt« werden. Kopien lassen sich aus dem System versenden. Auch gegenüber dem Kunden hat sich die Flexibilität gegenüber »früher« verbessert. Alles ist transparenter geworden. Teilweise werden die Daten jede Nacht mit dem Kunden ausgetauscht. So weiß der Stromlieferant morgens, was tags zuvor gelaufen ist, und kann seine Entscheidung treffen, zum Beispiel einen Stromzähler wieder freizuschalten. So wird Inkassodienstleistung für viele Firmen erst interessant und nutzbar. Und was ist mit der Zahlungsmoral? Bedeutet schnellere Kommunikation auch schnellere Zahlungen? Nicht generell. Derjenige, der sein Kontokorrent schonen und sich ein wenig Kredit einräumen wollte, zahlt jetzt vielleicht schneller. Aber es gibt ja viele Gründe, warum nicht gezahlt wird. Das geht von Vergessen, Bewusst-nicht-Zahlen über desolate wirtschaftliche Verhältnisse bis hin zu berechtigten oder unberechtigten Einwendungen. Hieran hat sich aus meiner Sicht nicht viel geändert. Gibt es heute mehr Konsumschulden? Ich kann das nicht so beobachten. Es wurde immer schon gerne über Versandhäuser bestellt und Reisen auf Raten gebucht. Der Zugang zum Konsum ist durch das Internet einfacher – aber dadurch ergeben sich nicht zwangsläufig mehr Inkassofälle. Viele Internetanbieter führen im Hintergrund während eines Bestellvorgangs Abfragen bei Auskunfteien durch, die das Prozedere steuern. Im Ergebnis bedeutet dies für diejenigen Besteller, die eine schlechtere Bonität haben, dass sie Lieferungen nur auf Vorkasse erhalten. Durch solche Kontrollmechanismen werden Außenstände vermieden beziehungsweise reduziert. Aber dass die Schuldner durchaus jünger werden, ist zu beobachten. Neben Kleidung gibt man heute Geld für Handys, Spielekonsolen und IT aus – diese Kauffreude auch jüngerer Menschen hat es natürlich vor 30, 40 Jahren in der Form noch nicht gegeben. Ich hoffe, dass der Wirtschaft – wenn die Datenschutzgrundverordnung der EU Gesetz wird – diese Schutzmöglichkeiten erhalten bleiben. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW BDIU-Vizepräsident Hans-Joachim Leister, Vorstand der Universal Inkasso AG, engagiert sich für einen seriösen Berufsstand. Schon 1989 wurde auf der Jahreshauptversammlung über die Reform der Insolvenzordnung gesprochen. In Kraft trat sie dann im wiedervereinten Deutschland viel später, nämlich 1999. Neu war, dass jetzt auch Verbraucher eine Restschuldbefreiung erlangen konnten. Wie war das für die Gläubiger? Natürlich war der Gedanke zunächst fremd: Restschuldbefreiung für Privatpersonen, warum das denn? Als die Reform in Kraft trat, stand als Leitgedanke noch die bestmögliche Gläubigerbefriedigung im Vordergrund. Das, muss man heute leider feststellen, ist nicht ganz aufgegangen. Heute geht es darum, den Betroffenen so schnell wie möglich durch das Verfahren zu bringen. Bürokratieabbau ist dabei sehr hilfreich und senkt die Kosten aller Verfahrensbeteiligten. Verunsicherung und Ärger schaffen in erster Linie die Insolvenzanfechtungen mit der Folge, dass bereits eingezogene und mit dem Kunden abgerechnete Gelder vom Verwalter zurückgefordert werden, der sie für die Kosten des Verfahrens und die Insolvenzgläubiger insgesamt verwendet und verteilt. Rechtssicherheit sieht anders aus, und ich hoffe auf die anstehende Reform des Gesetzes. Vom Verfahrensmissbrauch durch »clevere« Schuldner einmal abgesehen, ist die Idee, die hinter dem Verfah- Inkassowirtschaft || APRIL 2016 ren steht, aber richtig. Es gibt nicht nur Betrüger, sondern viele aus den unterschiedlichsten Gründen in Not geratene Menschen, denen auf diesem Wege zu einem Neuanfang verholfen wird. Wir Inkassos sollten dabei nicht vergessen, dass wir ohne das Verfahren wahrscheinlich auch keine beziehungsweise keine vollständige Realisierung der Forderung erreichen würden. Zurück zu Ihrer Karriere: 1977 war ein deutlicher Einschnitt. Da haben Sie die Einzelprokura im Unternehmen bekommen und sind stiller Gesellschafter geworden. Wie kam es dazu? Dr. Wolfgang Mosiek, der Sohn des Firmengründers, hatte sich als Anwalt niedergelassen und wollte die restlichen Anteile als stiller Gesellschafter verkaufen. Diese Gelegenheit fasste ich beim Schopf und erwarb zunächst 10 Prozent. Ich wollte ja im Unternehmen tätig bleiben, dann aber unter der Voraussetzung, mehr unternehmerische Verantwortung zu übernehmen. Der damalige Besitzer Heribert Burgstaller erteilte mir Prokura und gab mir die Möglichkeit der Beteiligung. Für mich, inzwischen verheiratet und mit zwei Kindern, ein weiterer Grund dafür, im Unternehmen zu bleiben. 11 INTERVIEW Großrechner wie dieser standen in den 70er-Jahren in vielen Büros. Sie erleichterten Arbeiten, die vorher von Hand geleistet werden mussten. 12 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW 1989 wurde die Einzelfirma in die Universal Inkasso und Auskunftei GmbH umgewandelt mit Ihnen und Heribert Burgstaller als Geschäftsführern. Für die Umwandlung gab es verschiedene Gründe. Für mich war dies in zweierlei Hinsicht bedeutend: Ich wurde – neben Herrn Burgstaller – Geschäftsführer und hatte ab dann die Möglichkeit, Gesellschaftsanteile zu erwerben. Als Herr Burgstaller 1996 in den Ruhestand ging, habe ich die Firma als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter fortgeführt. Ein wichtiges Datum war der 25. April 1998. Da sind Sie von der Mitgliederversammlung des BDIU ins Präsidium und gleich zum Vizepräsidenten gewählt worden. Durch Dr. Wolfgang Mosiek – er war von 1973 bis 1974 Präsident und danach viele Jahre Geschäftsführer des BDIU – hatte ich schon frühzeitig einen engen Draht zum Präsidium und dem Verband, der damals noch eine überschaubare Größe hatte. Ich engagierte mich unter anderem bei dem Vorläufer der heutigen Arbeitskreise. Dieser »AK« war nicht allen zugänglich, wir tauschten uns auf privater Ebene aus, und mancher Verantwortliche des Verbands hielt das für »konspirativ«. Allerdings entstanden so viele Verbesserungsvorschläge für den BDIU – und letztlich sind aus dieser Idee die heutigen vier regionalen Arbeitskreise in Nord, Süd, West und Ost entstanden. Außerdem nahm ich an Seminaren des BDIU teil und besuchte schon seit Mitte der 70er-Jahre regelmäßig die Jahreshauptversammlungen. Im April 1998 wurde ich auf Vorschlag des Präsidiums in dieses Gremium gewählt. Ihr Unternehmen ist bereits 1956 in den BDIU eingetreten und gehört damit zu den Gründungsmitgliedern. Wie wichtig ist die Mitgliedschaft für ein Inkassounternehmen in einem Verband wie dem BDIU? Die Mitgliedschaft ist aus meiner Sicht extrem wichtig, weil sie als ein Gütesiegel wahrgenommen wird. Der Verband übt eine freiwillige Selbstkontrolle aus. Jedes Unternehmen, das sich dem BDIU anschließt, unterstellt sich den Regeln. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer dies nicht möchte oder dagegen verstößt, scheidet aus oder wird ausgeschlossen. Beides ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einigen Fällen geschehen. Hinzu kommt, dass viele, insbesondere namhafte potenzielle Auftraggeber darauf achten, dass das Inkassounternehmen ihrer Wahl auch dem BDIU angehört. Sie assoziieren damit korrekte Vorgehensweisen im Inkassowirtschaft || APRIL 2016 13 INTERVIEW Umgang miteinander und mit dem Schuldner und dass sie selbst – die Auftraggeber – nicht in der Zeitung mit den vier Buchstaben landen. Sie haben zudem die Möglichkeit, sich im Streitfall an den BDIU bis hin zur Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle zu richten. Seit 1994 ist Peter Lüttringhaus, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bremen, Ombudsmann des BDIU und vermittelt in strittigen Fragen. Diese Kriterien sind bei der Auswahl des Inkassodienstleisters nicht zu unterschätzen. Die Mitgliedschaft war auch schon vor 60 Jahren wichtig. Aber durch die wachsende Zahl der Mitglieder und die allgemein zunehmende Inanspruchnahme von Rechtsdienstleistung durch Inkassounternehmen – wir können von inzwischen über 500.000 Auftraggebern ausgehen – ist natürlich auch die Bedeutung des BDIU enorm gewachsen. Diese wachsende Bedeutung zeigt sich auch im Wandel der Gesetzgebung. Als Sie angefangen haben, galt für Inkassounternehmen noch das Rechtsberatungsgesetz. 2008 wurde es abgelöst durch das Rechtsdienstleistungsgesetz, das erst vor drei Jahren in einer Novelle weitere Konkretisierungen zur Inkassotätigkeit gebracht hat und dabei erstmals die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten auf Gesetzesebene regelt. Wie haben Sie diesen Wandel wahrgenommen? Ich möchte nicht sentimental sein, aber ich empfand die Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes persönlich als Anerkennung meiner Inkassotätigkeit und natürlich die der Branche insgesamt. Nach meiner Beobachtung folgte diese gesetzliche Maßnahme der vorangegangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts, die die Tätigkeit explizit als Rechtsdienstleistung einstufte und der Arbeit eines Rechtsanwalts in Teilen gleichstellte. Endlich wurden auch die Inkassokosten »legalisiert« und das RVG als Richtschnur bestimmt. Und alleine die Tatsache, dass wir jetzt auch Mahnbescheide beantragen dürfen, hat die Branche insgesamt aufgewertet und in ein neues Licht gerückt. Für die Inkassounternehmen war die Einführung dieses Gesetzes ein Meilenstein. Ich war durchaus stolz auf diese Entwicklung, zu der der BDIU nicht unmaßgeblich beigetragen hat – durch seine Öffentlichkeitsarbeit, durch sein Eintreten für seriöses Inkasso und seine Kompetenz bei der Teilnahme an den entscheidenden Anhörungen zu diesem Gesetzesvorhaben. Und das haben Sie an vorderster Stelle mit begleitet. 2003/2004 waren Sie sogar Präsident des BDIU. Wie war das? 14 Das war sehr aufregend. Der gewählte Präsident war von seinem Amt zurückgetreten. Die Entscheidung wurde mir sehr plötzlich abverlangt, aber dafür sind Vizepräsidenten letztlich gewählt. Es war ja auch die Zeit, als mit Brigitte Zypries zum ersten Mal eine Bundesjustizministerin zu unserer Jahreshauptversammlung kam, 2004 in Potsdam. Für uns war das ein großer Erfolg, denn es zeigte sich einmal mehr, dass die Politik unsere offene Kommunikation honorierte, was auch im Grußwort der Ministerin, dem Besuch der Aussteller und den sich anschließenden Gesprächen deutlich wurde. Wie war das Verhältnis zu anderen Organen der Rechtspflege? In Ihrer Zeit als Interimspräsident sprachen Sie ein Grußwort beim Bayerischen Gerichtsvollzieherbund zu dessen 100-jährigem Bestehen. Damals gab es ja durchaus Meinungsverschiedenheiten mit den Gerichtsvollziehern … Richtig. Zu dieser Zeit arbeiteten die Gerichtsvollzieher an einem neuen Berufsbild. Sie strebten unter anderem die Übernahme außergerichtlicher Inkassotätigkeit an, wie sie in verschiedenen Nachbarstaaten praktiziert wird. Die Inkassobranche sah darin nicht nur eine »drohende« Konkurrenz, sondern vor allem eine nicht unerhebliche Interessenkollision. Warum sollte man den Gerichtsvollzieher einer solchen Situation aussetzen? Ein Organ der Rechtspflege mit weitreichenden Befugnissen wie Pfändung, Sicherstellung, Zwangsräumung sollte nun – möglicherweise gleichzeitig – mit einem Vollstreckungsauftrag eines Inkassounternehmens und in einer eigenen Inkassoangelegenheit beim Schuldner vor der Tür stehen? Das konnten wir uns so nicht vorstellen. Später hat sich durch die Reform der Sachaufklärung der Aufgabenbereich der Gerichtsvollzieher verändert und erweitert. Die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen hat sich durch intensiven Austausch – Bettina Vonhöne mit dem Gerichtsvollzieher-Ausschuss des BDIU und natürlich Wolfgang Spitz sei Dank – aus meiner Sicht stark verbessert bis hin zur gemeinsamen Erarbeitung praktikabler Formularlösungen. 2009 kam es zur Gründung der Deutschen Inkasso Akademie (DIA), die Sie ganz wesentlich mit begleitet haben. Was war Ziel dieses neuen unternehmerischen Standbeins des BDIU? Die Aus- und Weiterbildung der Inkassounternehmer und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nach unserer Satzung Kernaufgabe des BDIU und dient der Qualitätssicherung. Sie sollte nicht nur nebenbei laufen, sondern auf eine breitere Basis gestellt werden. Mit Dr. Andreas Bücker als Geschäftsführer und Europaexperten mit Blick über den Tellerrand und Anett Bremert als der Seele der DIA ist das Vorhaben auf ei- BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW Arbeiten von unterwegs: dank Mobiltelefon seit den 90er-Jahren möglich. nem guten Weg. Die Ausgliederung hatte auch einen steuerlichen Aspekt: Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Verbandes nahm Ausmaße an, die der Rechtsform eines e. V. abträglich waren und Umsatz- und Körperschaftssteuerpflicht über alles hätte bedeuten können. Wir wollten unsere Aufgaben als berufsständischer Vertreter weiterhin als eingetragener Verein wahrnehmen und Ministerien und Verbänden in Diskussionen und Anhörungen nicht als Kapitalgesellschaft gegenüberstehen. Jetzt, im April 2016, geht Ihre Zeit im Präsidium zu Ende. Wenn Sie ein Fazit ziehen: Was haben Sie erreicht, worauf blicken Sie gerne zurück? Als ich ins Präsidium eintrat, hatten wir eine kleine Geschäftsstelle in Hamburg und wenig Personal. Die Aufgaben des BDIU wurden durch den Geschäftsführer Dr. Carsten Ohle wahrgenommen und auf die Präsidiumsmitglieder verteilt. Der Arbeitsaufwand des Einzelnen war ungleich höher, als das heute der Fall ist, wenn man den persönlichen Einsatz von Wolfgang Spitz einmal ausnimmt. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Die Geschäfte des BDIU werden heute professionell und erfolgreich durch den Hauptgeschäftsführer Kay Uwe Berg mit einer stattlichen, höchst kompetenten Mannschaft in Berlin an der Friedrichstraße geführt. Die gestiegene Anzahl der Mitglieder und ihr zu Recht hoher Anspruch an den BDIU, die Aufmerksamkeit durch Politik, Öffentlichkeit und Verbraucherschutz, die Entwicklung der Gesetzgebung, auch der europäischen, und die Anforderungen an das Beschwerdemanagement machten dies erforderlich. Als Kaufmann habe ich mich im Präsidium überwiegend mit kaufmännischen Dingen befasst. Das waren im Laufe der Zeit Buchhaltungs-, Haushalts-, IT-, Personal-, Mitgliedsbeitrags- und Steuerthemen, die unter anderem zur Gründung der Deutschen Inkasso Akademie führten. Nach Gründung der DIA habe ich die Aktivitäten als Gesellschaftervertreter mit begleitet. Worauf ich gerne zurückblicke? Dies ist in erster Linie die kollegiale, vertrauensvolle, man kann sagen freundschaftliche Zusammenarbeit im Präsidium. Bei aller Kontroverse in der Sache kamen wir fast immer zu einem guten und einvernehmlichen Ergebnis und haben, den gestiegenen Anforderungen entsprechend, einiges auf den Weg gebracht. Das hat mir Freude gemacht und wird mir fehlen. 15 AUSBILDUNG Die Deutsche Inkasso Akademie (DIA) Inkassorelevante Rechtsprechung und Geschäftsprozesse unterliegen einem permanenten Wandel. Genau hierauf nimmt das Bildungsangebot der DIA in einzigartiger Weise Rücksicht. Als eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) legt die DIA den Schwerpunkt der Aus- und Weiterbildung auf inkassorelevante Themenfelder wie Schuldrecht, Kostenrecht, Telefoninkasso oder Zwangsvollstreckung. Damit ist die DIA maßgeblicher Bildungspartner aller BDIU-Mitgliedsunternehmen für die verbandsseitig geforderte ständige berufliche Weiterbildung. www.inkassoakademie.de INKASSOAKADEMIE Bildung macht den Meister! Die Rechtsdienstleistung Inkasso verlangt neben profunden juristischen Kenntnissen eine Kombination aus kaufmännischem, psychologischem und technischem Know-how. Nur so gelingt der Spagat zwischen wir tschaftlichem Erfolg und den hohen recht lichen und ethischen Anforderungen dieses Berufs. 16 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. AUSBILDUNG eit 60 Jahren ist der BDIU als Spitzenverband der deutschen Inkassowirtschaft erster Ansprechpartner bei Fragen der branchenspezifischen Berufsaus- und -weiterbildung. Die Entwicklung des Bildungsportfolios unter dem Dach des BDIU spiegelt die steigenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und regulativen Erwartungen an die Branche wider. So definiert das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten, gesellschaftlichen Erwartungen, technischen Möglichkeiten und politisch-regulativem Rahmen seit jeher die mit der Tätigkeit als Inkassounternehmer einhergehenden spezifischen Berufsanforderungen. S INKASSO SETZT SACHKUNDE VORAUS Auch der Gesetzgeber erkennt die hohe Komplexität der Inkassodienstleistung und die damit einhergehenden Anforderungen an, indem er die Tätigkeit unter einen behördlichen Erlaubnisvorbehalt stellt. Bis 2008 war dieser im Rechtsberatungsgesetz geregelt. Dieses hatte aber einen entscheidenden Nachteil: Hinsichtlich der Anforderungen für die Zulassung blieben die relevanten Rechtsquellen unspezifisch und gingen über unbestimmte Rechtsbegriffe kaum hinaus. Bei der Feststellung der Sachkunde eines angehenden Inkassounternehmers galt das Amtsermittlungsprinzip. Im Zweifel wurden von den zuständigen Erlaubnisbehörden – in der Regel den Landgerichten – Sachkundeprüfungen durchgeführt oder delegiert. Schon früh griffen die zuständigen Behörden daher auf die Expertise und Erfahrung des Branchenverbandes zurück. Gemeinsam wurden so Standards festgelegt, anhand derer sich die notwendige Sachkunde bemessen und beurteilen ließ. Durch den sich verstetigenden Austausch zwischen Erlaubnisbehörden und Verband wuchsen auch Vertrauen und Wertschätzung. Der BDIU entschied sich darum Anfang der 90er-Jahre dazu, eigene Sachkundelehrgänge (SKL) anzubieten, und ergänzte damit sein Berufsbildungsportfolio. Zur reinen Weiterbildung, die bis dahin entweder von erfahrenen Verbandsmitgliedern ausgeübt wurde oder in Kooperation mit externen Bildungsträgern erfolgte, kam die berufliche Grundlagenausbildung im Rahmen des SKL. DER BDIU SETZT MASSSTÄBE, BERÄT UND BILDET AUS Die ersten Sachkundeprüfungen nahm der BDIU am 1. und 2. Juli 1994 ab. Die Prüflinge legten eine schriftliche Klausur und eine mündliche Prüfung ab. Prüfungsgegenstand waren das materielle Recht (BGB, HGB, Gesellschaftsrecht), das Verfahrensrecht (ZPO), das Vollstreckungsrecht, das Kostenrecht (Inkassokosten, GKG, GVKostG, BRAGO) und das Berufsrecht (RBerG und AVOs). Durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (2008) erfolgte eine Reform der rechtlichen Verankerung. Während sich an der Erlaubnispflicht und den zuständigen Behörden durch die neue rechtliche Grundlage wenig än- Inkassowirtschaft || APRIL 2016 derte, wurden die Anforderungen, an welche die Erlaubnis geknüpft ist, erstmalig im Gesetz konkretisiert, grundsätzlich aber nicht erweitert. Voraussetzung für die Registrierung als Inkassodienstleister bleibt die nachgewiesene theoretische Sachkunde in den Bereichen des bürgerlichen Rechts, des Handels-, Wertpapier- und Gesellschaftsrechts, des Zivilprozessrechts einschließlich des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts sowie des Kostenrechts. Hinzu kommt – ähnlich wie zuvor im Rahmen des Rechtsberatungsgesetzes – die nachgewiesene praktische Sachkenntnis beziehungsweise Arbeitserfahrung. Damit brachte der Gesetzgeber die in Zusammenarbeit von BDIU und Behörden erarbeiteten und auch vom Bundesverfassungsgericht in einem Urteil anerkannten Anforderungen an Inkassounternehmer erstmals in Gesetzesform. INKASSO IN DER BERUFLICHEN PRAXIS Jedem sollte allerdings klar sein: Um die Inkassorechtsdienstleistung erfolgreich und verantwortlich ausführen zu können, ist weiter gehende Sachkenntnis, insbesondere kaufmännische und betriebswirtschaftliche Expertise, unerlässlich. Von der Geschäftsanbahnung über die Kostenkalkulation, den Vertragsschluss bis zur Geschäftsabwicklung ist es ein langer Weg. Auch Kenntnisse aus den Bereichen Marketing, Unternehmensorganisation und Buchhaltung sind nicht nur ein nützliches Zubrot, sondern stellen eine Säule erfolgreichen Wirtschaftens dar. Auch hier gilt: Stillstand ist (wirtschaftlicher) Tod. Genau wie die Geschäftsprozesse unterliegen die berufsrelevante Rechtsprechung und die Gesetzgebung einem permanenten Wandel. Der zunehmende transnationale Handel wirft im Bereich des Forderungsmanagements neue rechtliche Problemfelder auf. Grenzüberschreitende Transaktionen bringen grenzüberschreitende Schuldverhältnisse. Rein nationale Rechtskenntnis ist nicht länger ausreichend. Spätestens in den 90ern trat neben den nationalen Gesetzgeber die supranationale Europäische Union. Und letztlich wird auch die nationale Rechtsmaterie komplexer. Das beginnt bei augenscheinlich trivialen Rechtsfragen, wie den Impressumspflichten im Internet oder den aus verschiedenen Gesetzen resultierenden neuen Berufspflichten für Inkassounternehmer, und endet bei diffizilen und bis heute nicht abschließend geklärten Fragen des Datenschutzes. Auch die obligatorischen Rechtskenntnisse reichen also kaum aus und sollten darum viel mehr als beispielhafte Auflistung und als absolut notwendiges Mindestwissen verstanden werden. AN DER SCHNITTSTELLE VON RECHT, WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT Das Anforderungsbild des Inkassounternehmers ist genauso facettenreich und multidimensional wie die Kundschaft. Je mehr offene Rechnungen anfallen, umso dünner wird das Seil, auf dem Firmen balancieren. Damit sie nicht abstürzen, haben Betriebe die Möglich- 17 AUSBILDUNG keit, nach einer Balancierstange zu greifen – dem Inkassounternehmen. Der Inkassounternehmer selbst hat auf mehreren Ebenen eine Scharnierfunktion inne. Er vermittelt zwischen dem säumigen Zahler und dem Gläubiger, sowohl im Interesse des Auftraggebers als eben auch unter Berücksichtigung von Person und Situation des Schuldners. Durch die Rückführung eigentlich verloren gegangenen Kapitals in den Wirtschaftskreislauf haben Inkassodienstleister eine volkswirtschaftliche und so letztlich gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Dafür müssen sie neben rein rechtlichem Wissen über betriebswirtschaftliche Kenntnisse und psychologisches Know-how verfügen. Nur mit Empathie, Verständnis und ausgeprägter Kommunikationsfähigkeit ist der Beruf ausführbar. All das wird niemandem in die Wiege gelegt. Vielmehr stehen Menschen, die sich für eine Karriere in der Inkassowirtschaft entscheiden, vor einem lebenslangen Lernprozess, in dem sich ständig neue Wissenslücken auftun und bereits Erlerntes infrage gestellt wird. DIE DIA: BILDUNG AM PULS DER ZEIT Genau dieser Umstand veranlasste den BDIU 2009, die Aus- und Fortbildung der Inkassowirtschaft in Form der Tochtergesellschaft Deutsche Inkasso Akademie GmbH (DIA) auszulagern und weiter auszubauen. Durch die Neustrukturierung hat der BDIU sein Aus- und Weiterbildungsportfolio erweitert und wendet sich gleichzeitig neuen Zielgruppen zu. Ob fachliche Weiterbildung, die Qualifikation zum Inkassounternehmer oder die Entwicklung zur Führungskraft – das Berufsbildungskonzept der DIA orientiert sich eng an den aktuellen Bedürfnissen der Branche. Außerdem richten sich die DIA-Seminare auch an Mitarbeiter aus inkassoverwandten Berufszweigen, wie dem Kredit- und Risikomanagement, Factoring und Justiziariat. Das Bildungsprogramm bringt Teilnehmer auf den neuesten Stand und berücksichtigt Trends und Entwicklungen in und um Inkasso und Forderungsmanagement. Gleichzeitig nimmt die DIA Rücksicht auf die hohen Anforderungen an die Flexibilität, Freiheit und Mobilität der Branche. Mit dem derzeit im Entstehen begriffenen modularen Sachkundelehrgang (mSKL) bietet die DIA ein weiteres zeitgemäßes Ausbildungsformat für angehende Inkassounternehmer an, welches als individuell gestaltbares Weiterbildungstool auch erfahrene Inkassomanager und Fachkräfte anspricht. Durch den modularen Aufbau des neuen SKL sind die einzelnen und bewährten Inhalte frei buchbar. Da sämtliche Module flexibel und zeitlich entzerrt belegt werden können, ist der mSKL an die individuellen Bedürfnisse und Zeitbudgets der Teilnehmer anpassbar. Der Druck, den gesamten Lehrgang in acht Monaten absolvieren zu müssen, entfällt. Dennoch steht jedem Teilnehmer die Möglichkeit offen, an den regelmäßig stattfindenden Endprüfungen teilzunehmen. Analog zu modernen Studiengängen hat die DIA in Kooperation mit den Dozenten ein Credit-Point-System erarbeitet. Je- 18 des Modul bringt den Teilnehmern eine gewisse Anzahl an Punkten. Wer die erforderlichen Punkte innerhalb von zwei Jahren gesammelt hat, wird zur SKLPrüfung zugelassen. Ein weiterer und aus wirtschaftlicher Sicht nicht unwichtiger Vorteil: Es ist möglich, die Kosten für den SKL über mehrere Jahre zu verbuchen. FLEXIBILITÄT BEI GLEICHBLEIBENDEN QUALITÄTSSTANDARDS Der hohe Qualitätsstandard der DIA-Berufsaus- und -weiterbildung wird durch diese Flexibilisierungen weiter gefestigt. Die Lerninhalte des mSKL sind dieselben wie im seit zwei Jahrzehnten erfolgreichen Sachkundelehrgang. Um das gesetzlich geforderte Grundlagenwissen zu erlangen, muss man alle Module dieses Kurses besuchen. Alle anderen können Kursmodule nach Belieben belegen und sich so individuell aus dem umfassenden Fundus dieses Themenbereiches weiterbilden. Damit ist der mSKL eher ein SKL plus. Und dank der jahrzehntelangen engen Kooperation mit den Zulassungsbehörden, der Justizverwaltung und den Bundes- und Landesjustizministerien sowie der Zusammenarbeit mit renommierten Dozenten aus Justiz und Verwaltung ist eine bundesweite Anerkennung der Lehrgänge nahezu garantiert: In der letzten Dekade wurden die Nachweise der theoretischen Sachkunde durch Zeugnisse des BDIU von den zuständigen Behörden jedenfalls zu 100 Prozent anerkannt. VERANTWORTUNG IN DER INKASSOBRANCHE HEISST AUCH: STETS AUF DEM NEUESTEN STAND SEIN! Eine fundierte Berufsaus- und -weiterbildung ist nicht nur für den individuellen Inkassounternehmer essenziell. Wenn schon nicht rechtlich verankert, so sollte eine Pflicht zur stetigen beruflichen Weiterbildung zumindest dem Selbstverständnis und Berufsethos der Branche entspringen. Genaue Rechtskenntnis – von europäischen Richtlinien und Verordnungen über nationale Gesetze bis hin zu aktuellen Gerichtsurteilen – sollte für die gesamte Branche eine Selbstverständlichkeit sein. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen oder der seriöse vom unseriösen Inkassounternehmer. Um es mit den Worten von Frank Michael Goebel, Vorsitzendem Richter am OLG Koblenz und dort unter anderem Vorsitzender des Kostenrechtssenates und seit gut zehn Jahren Lehrgangsleiter, Dozent und Prüfungsvorsitzender im Sachkundelehrgang des BDIU, zu sagen: »In der Debatte um die Regulierung von Inkassounternehmen wird über Kostenfragen und Informationspflichten gesprochen. Dem gegenüber steht die viel wichtigere Frage nach tatsächlicher staatlicher Aufsicht zu den Berufspflichten und der Qualität der Leistung von Inkassounternehmen. Dass einer hochwertigen Fortbildung signifikante Bedeutung für die Seriosität und Qualität der Inkassobranche zukommt, muss dabei in den Blick genommen werden.« BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. AUSBILDUNG Seit MEHRALS*AHREN steht)+!2/3 für s+ONFORMITÊT Zuverlässige Umsetzung gesetzlicher Vorgaben s+ONTINUITÊT Verlässlich hohe Softwarequalität s!KTUALITÊT Aktive Umsetzung moderner Technologien s0ROFESSIONALITÊT Hervorragende Umsetzung fachlicher Ansprüche s&LEXIBILITÊT Optimale Lösungen für unterschiedlichste Anforderungen WWWFERBERSOFTWAREDE Die Inkassowirtschaft || APRIL 2016 19 MEINUNG Die Juristin Kirsten Pedd steht für einen offenen Austausch über die Arbeit von Inkassounternehmen. SELBSTREGULIERUNG Inkasso heißt Verantwortung Die Mitgliedschaft im BDIU hat sich über die Jahre den Ruf erarbeitet, ein Qualitätssiegel für seriöse Inkassotätigkeit zu sein. Ihrer Verantwor tung für die Belange ihrer Auftraggeber und der betroffenen Verbraucher kommen die Inkassounternehmen des BDIU dadurch nach, dass sie sich einer konsequenten und strengen Selbstregulierung unterwerfen. Das ist die Voraussetzung, damit der BDIU die Interessen der Branche bestmöglich ver treten kann. Von Kirsten Pedd 20 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. MEINUNG » Wir sind sowohl Partner der Wirtschaft als auch der Kunden unserer Mandanten. Als Bindeglied zwischen diesen beiden Parteien haben wir eine besonders wichtige Rolle wahrzunehmen. ein, auch den Mitgliedern und den Funktionsträgern des BDIU bleibt natürlich die mediale Berichterstattung zu den »schwarzen Schafen« der Inkassobranche nicht verborgen. Wie auch, denn sie ist – mal mehr, mal weniger, aber fast regelmäßig – Inhalt diverser Veröffentlichungen. N Fast immer wird sehr plastisch anhand eines Einzelschicksals von vermeintlichem oder tatsächlichem Fehlverhalten eines »Inkassounternehmens« berichtet. Oft wird aus solchen Einzelfällen ein generelles Statement abgeleitet, das seine Rechtfertigung daraus zieht, dass man vom Einzelnen vermeintlich auf das Gesamte schließen darf, ganz nach dem »Grundsatz«: Wenn es einer macht, machen es alle. Keiner käme auf die Idee, diese »Formel« auf andere Branchen anzuwenden, in deren Mitte sich mit Sicherheit auch der eine oder andere befindet, der nicht adäquat handelt. IN DER AUSSENWAHRNEHMUNG WIRD VIELES VERMISCHT Nun ist es in Zusammenhang mit der Inkassobranche zusätzlich oft noch so, dass über die berichtet wird, die tatsächlich kein Inkasso ausüben dürften, weil sie die gesetzlichen Rahmenbedingungen schlicht nicht erfüllen. Oder es sind Unternehmen, die in Anwendung ihrer Tätigkeit geltendes Recht ignorieren oder zu ihren Gunsten zu weit auslegen – also Unternehmen, deren Handeln der BDIU selber aufs Schärfste ablehnt und Allianzen sucht, um ein derartiges Treiben zu unterbinden. Das ist ein langer Weg, aber wir gehen ihn weiter. Der Dialog, den wir bisher mit sehr vielen darüber geführt haben, lässt uns optimistisch in die Zukunft sehen. Der BDIU begreift sich als selbstregulierender Verband. Das bedeutet, er sorgt dafür, dass solche Unternehmen Inkassowirtschaft || APRIL 2016 erst gar nicht Mitglieder werden. Darüber hinaus hat er die Möglichkeiten, diejenigen Mitglieder, von denen bekannt wird, dass sie sich nicht satzungskonform verhalten, auszuschließen, was er bereits mehrfach in die Tat umgesetzt hat. Die Mitgliedschaft im BDIU gilt als Qualitätsmerkmal – und das soll so bleiben. Das ist Ansporn und Verpflichtung gleichermaßen. SELBSTVERPFLICHTUNG ZU REGULÄREM VERHALTEN Das Präsidium des BDIU nimmt sich bei Aufnahmeanträgen viel Zeit für die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft erfüllt sind. Ein beeindruckender Internetauftritt oder die Verlockung eines Mitgliedsbeitrages waren, sind und werden niemals Ausschlag geben für ein positives Votum des Präsidiums. Und es kommt sogar vor, dass dieses Votum von der Lebens- und Berufserfahrung der Präsidiumsmitglieder getragen wird, sodass erkennbare Differenzen zwischen unserer Berufsauffassung und derjenigen des Antragstellers dazu führen, dass mit »nein« gestimmt wird. Die Satzung des BDIU legt dafür klare und strenge Maßstäbe an. Die Pflichten für BDIU-Mitglieder gehen über die gesetzlichen Mindestregeln für Rechtsdienstleister hinaus und stellen eine bewusste Selbstbindung der Verbandsmitglieder bei der Berufsausübung dar. Jedes Mitglied hat seinen Beruf redlich, gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuüben und die ihm anvertrauten Mandate in sachlich angemessener Weise unter Wahrung der Rechte der Schuldner zu vertreten. Erkennt ein Mitglied, dass einzuziehende Forderungen ganz oder teilweise rechtsunwirksam oder auf sittenwidrige Weise zustande gekommen sind, so darf es für den Auftraggeber bei deren Einziehung nicht tätig werden. Wir prüfen vor jeder Aufnahme, ob das Unternehmen sich an diese strengen Maßstäbe hält und ob es Hinweise gibt, dass es in der Vergangenheit gegen diese Regeln verstoßen hat. Auch tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten bestehender Mitgliedsunternehmen wird stets einer genauen Prüfung unterzogen. INTERNE SANKTIONIERUNG ALS SCHARFES SCHWERT Nun muss man realistisch sein. Der Verband ist natürlich nicht dazu in der Lage, als Revision für fast 600 Unternehmen zu agieren – unabhängig davon, dass er das weder kapazitär könnte noch darf. Aber er kann und muss dann aktiv werden, wenn ihm über Beschwerden von Schuldnern oder sonstigen Personen bekannt wird, dass es prüfungsrelevante Sachverhalte gibt. Die Satzung gibt hierfür klare Schritte vor, die mit der Einholung einer Stellungnahme des Mitglieds beginnen und mit dem Ausschluss enden können. Dazwischen 21 MEINUNG » Mein Motto lautet: ›Ich möchte etwas bewegen und bewirken‹ – das hoffe ich zukünftig für die Inkassobranche im BDIU als deren Präsidentin intensivieren zu können. Zur Autorin Kirsten Pedd ist zugelassene Rechtsanwältin und arbeitet seit 1997 in der Inkassobranche. Schon seit 15 Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Funktionen im BDIU – zunächst im Rechtsausschuss des Verbands, der sich mit rechtlichen und gesetzgeberischen Fragen beschäftigt. Dabei hat sie sich auch für die Aus- und Weiterbildung im Inkasso engagiert, indem sie unter anderem Praktikerschulungen im Insolvenzrecht gab. Seit 2008 ist Pedd Mitglied im Präsidium des BDIU und zeichnet für die Themen Recht und Compliance verantwortlich. Im April 2016 kandidiert sie für das Amt der BDIUPräsidentin – sie wäre damit in der 60-jährigen Verbandsgeschichte die erste Frau an der Spitze der deutschen Inkassowirtschaft. Gesprächsbereitschaft und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Themen, die sie mit ihrer Kandidatur verbindet, wie sie sagt: »Ich möchte Präsidentin werden, um so durch mein Engagement weiterhin meinen Beitrag dazu zu leisten, unsere Branche zu stärken. Ich habe in den letzten Jahren durch meine Arbeit als Präsidiumsmitglied erfahren, dass ein offener Austausch – auch und gerade mit unseren Kritikern – zu einem besseren Verständnis unseres Business führt und damit Vertrauen schaffen kann. Gleichzeitig ist in diesen Gesprächen ein gesundes Selbstbewusstsein wichtig – in der festen Überzeugung, eine gute, seriöse und notwendige Dienstleistung für die Wirtschaft und für die öffentliche Hand zu erbringen. liegen häufig Gespräche und Besuche beim Mitgliedsunternehmen, Rücksprachen beim Beschwerdeführer, Einschaltung des verbandsinternen Rechtsausschusses oder des Ombudsmanns und final die weitere Entscheidung einer Ahndung des Verhaltens. Damit nutzt der Verband insgesamt deutlich mehr und schärfere Sanktionsmöglichkeiten, als es aktuell die aufsichtsführenden Registrierungsbehörden bei unseriös agierenden Firmen machen, die Forderungen einziehen, es aber gar nicht dürften. Klar ist: Inkasso ist beileibe kein rechtsfreier Raum. Schon die Aufnahme der Tätigkeit ist vom Vorliegen gesetzlich vorgeschriebener Voraussetzungen abhängig und ihre Ausführung unterliegt geltendem Recht. WIR WERDEN AN UNSEREN EIGENEN ANSPRÜCHEN GEMESSEN Der BDIU ist in Sachen Selbstregulierung nach innen strenger, als der nun geneigte Kritiker vielleicht glaubt, denn er wird an diesem Verhalten gemessen – und die im Verband organisierte Branche ebenfalls. Der BDIU ist überzeugt davon, dass diese Selbstregulierung ein probates Mittel ist, um den Verband optimal zu führen und seine Mitglieder bestmöglich zu vertreten. Darüber hinaus ist der BDIU aber auch dialogbereit und kritikfähig, zum Beispiel wenn es darum geht, absolut legale Inkassomaßnahmen zu diskutieren, die trotz rechtlicher Zulässigkeit kritisiert werden – aus nachvollziehbaren Gründen oder schlicht ideologisch intendiert. Am Anfang stehen für uns immer das Gespräch und zumindest der Versuch, die Zusammenhänge zu verstehen. Die Mitglieder des Inkassoverbands und alle meine ehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen gehen gern in eine kritische Diskussion, die fair geführt wird. Ihnen ist ein auf Tatsachen basierender und zielorientierter Austausch wichtig. Nur der hilft übrigens auch denen, für die sich Politik, Verbraucherschutz und die Presse einsetzen wollen, nämlich den Verbrauchern. »Tue Gutes und rede darüber.« Das gilt auch für uns als Branche und Verband. Wir werden über unsere Selbstregulierung zukünftig mehr kommunizieren und auch diesbezüglich transparenter werden. Das hilft dann auch Dritten, ihre Wahrnehmung von der Inkassobranche sachlicher einzuordnen. Wir sind sowohl Partner der Wirtschaft als auch der Kunden unserer Mandanten. Als Bindeglied zwischen diesen beiden Parteien haben wir eine besonders wichtige Rolle wahrzunehmen. Das ist Chance und Verpflichtung zugleich. Mein Motto lautet: ›Ich möchte etwas bewegen und bewirken‹ – das hoffe ich zukünftig für die Inkassobranche im BDIU als deren Präsidentin intensivieren zu können.« 22 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. RUBRIK Muss. Ich. Wissen. Grundlagen, Expertenwissen, Hintergründe. Die Deutsche Inkasso Akademie ist Ihr Weiter Fundierte Ausbildung und praxisnahe Weiterbildungen – DIA – DEUTSCHE INKASSO AKADEMIE w w w. i n k a s s o a k a d e m i e . d e Die Inkassowirtschaft || APRIL 2016 23 GESCHICHTE RÜCKBLICK Die Inkasso-Zeitreise Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) feier t Gebur tstag. Seit nunmehr 60 Jahren ver tritt er die Interessen der Inkassowir tschaft, eines Wir tschaftszweigs voller Tradition und Geschichte. Das Jubiläum nehmen wir zum Anlass, einen Ritt durch die Vergangenheit der Inkassobranche zu wagen. Wie hat sich das Forderungsmanagement veränder t? Und was war sonst noch wichtig? Aber der Reihe nach … Als in den 20er-Jahren Hyperinflation die Wirtschaft schwächte, setzten viele Firmen auf die Hilfe von Inkassounternehmen. 1860 1870 1880 1890 1900 1910 AM ANFANG WAR DAS GELD Inkasso, also das Einziehen fremder Forderungen, gibt es wahrscheinlich schon so lange, wie Menschen Handel treiben und Geld dafür benutzen. Will man an die Anfänge von Inkasso als Wirtschaftszweig gelangen, muss man in Deutschland freilich nicht ganz so weit in der Zeit zurückreisen. Vor gut 150 Jahren war Vertrauen das Stichwort, weshalb Firmen die Dienste der neuen Auskunfteibüros nachfragten. Sie wollten auf Nummer sicher gehen – und Verträge nur mit zahlungskräftigen Partnern abschließen. Namen wie Schimmelpfeng, Creditreform oder Bürgel hatten schon zu Zeiten der deutschen Reichsgründung einen guten Klang in den Ohren von Unternehmern. Die Büros boten meistens auch den Einzug von überfälligen Forderungen an, und daraus erwuchs schnell ein eigener Sektor: die Inkassodienstleister. Arbeitsteilung hatte es zuvor schon durch die fortschreitende In- 24 1920 1930 1940 Antwort per Post: Anfang der 1950erführte die Branche eine erste Marktumfrage durch die den kräftigen Wirtschaftsaufschwung spiegelbildlich zeigte. dustrialisierung gegeben. Jetzt übertrug sie sich auch auf das – zwar noch nicht so bezeichnete, aber im Entstehen begriffene – Forderungsmanagement. Machen wir einen Zeitsprung in die 1920er-Jahre. Golden sollen sie gewesen sein, aber neben Zeiten des wirtschaftlichen Wohlstands gab es auch Phasen von Massenarbeitslosigkeit und Hyperinflation. Umso wichtiger waren Inkassodienstleistungen. Die Branche unterstützte den notwendigen Liquiditätsfluss in der Wirtschaft und konzentrierte sich dabei zunehmend auf den Einzug ausgeklagter, titulierter Forderungen. Mehr Aufgaben hieß aber auch, dass es mehr Regeln bedurfte. In den 30er-Jahren schließlich kam das »Gesetz zur Verhütung von Missbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung«. Ein sperriger Name, der allerdings für Inkassounternehmen Fortschritte brachte: Inkasso wird allgemein als Rechtsberatung erfasst und unter einen Erlaubniszwang gestellt. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. GESCHICHTE AUFBRUCHSTIMMUNG IM WIRTSCHAFTSWUNDERLAND In den 50er-Jahren ging es mit der Wirtschaft in Westdeutschland steil nach oben. Der Massenkonsum hielt Einzug und ermöglichte zugleich eine Individualisierung des Lebens. Neu war beispielsweise die Langspielplatte aus Vinyl. Auf einmal konnte man Musik frei nach Wahl in den eigenen vier Wänden genießen! Das fanden viele Deutsche eigentlich unfassbar, manche waren noch traumatisiert durch den Krieg und die schweren Entbehrungen der Zeit danach – der materielle Genuss bot für die Westdeutschen daher auch eine Art der Befreiung. Heute mag man schmunzeln über Nierentische und Heimatfilme, die kulturellen Insignien der Wiederaufbaujahre, aber sie standen eben auch für die Sehnsucht nach Heimat, nach Liebe und Treue, schlicht der heilen Welt, die in der Nazibarbarei noch zehn Jahre zuvor den meisten unerreichbar fern erschienen war. sener Inkassobüros«. In Berlin, Essen, Frankfurt am Main und München bildeten sich bald ähnliche Vereine. Sie wollten gegenüber der Justiz, den Behörden und der Öffentlichkeit gemeinsame Interessen vertreten – und weil das in einer bundesweiten Organisation noch besser funktioniert, wollte man sich zusammenschließen. Am 21. April 1956 war es dann so weit: Der Bundesverband Deutscher Inkasso- und Auskunftei-Unternehmen wurde im Vereinsregister beim Amtsgericht Hamburg eingetragen. Schon zwei Jahre später folgte ein weiterer Meilenstein der Inkassogeschichte: 1958 trat das neue Rechtsberatungsgesetz in Kraft. Damit einher ging eine Anerkennung der nach diesem Gesetz erlaubnispflichtigen Berufe – die Anerkennung des Berufsstandes Inkasso! DIE ZAHLUNGSSTRÖME FLIESSEN 1954 führte der BDIU-Vorgänger »Verband zugelassener Inkassobüros« eine Branchenumfrage durch. Zehn Inkassobüros »aus sämtlichen Ländern des Bundesgebiets einschl. Westberlin« (das Saarland war damals noch nicht dabei) teilten mit, wie viel Geld sie für ihre Schon gewusst? Der BDIU und die »Bravo« haben mit 1956 ihr Geburtsjahr gemeinsam. 1950 1951 1952 1953 Die Swinging Fifties waren auch für die Inkassowirtschaft eine bewegende Zeit. 1954 1955 1956 1957 Aber nicht alle dachten so. Schon damals gab es auch die »jungen Wilden«, die gegen dieses Bild des beschaulichen Idylls rebellierten, für die Rock-’n’-Roll-Stars wie Bill Haley oder Elvis Presley die Ikonen ihrer Jugend waren. Im selben Jahr, in dem der BDIU gegründet wurde, erschien auch die erste Ausgabe einer neuen Zeitschrift, in der viele Eltern bald nichts weniger als den »Untergang des Abendlandes« sahen. Für die Jugend dagegen waren Magazine wie die »Bravo« ein Ausdruck von Individualität und Freiheit und der Sehnsucht nach einem westlichen Lebensgefühl. Auftraggeber von Schuldnern eingezogen hatten. Die Zahlen zeigen spiegelbildlich den rasanten Wirtschaftsaufschwung und wie wichtig Inkassounternehmen dafür offenbar waren: A BDIU IS BORN! Nach dem Krieg organisierte sich in Deutschland die Inkassowirtschaft neu, vor allem auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik war das der Fall. In Hamburg taten sich einige Unternehmer zusammen und gründeten am 17. September 1949 den »Verband zugelas- Das ergibt einen jährlichen Durchschnitt von 639.027,63 DM, die die Inkassounternehmen den Gläubigern damals an Liquidität wieder zurückführten. Im Unterschied zu heute, wo Inkassounternehmen vor allem im vorgerichtlichen Bereich aktiv sind, bearbeiteten die Firmen damals in aller Regel ausgeklagte Forderungen (sie Inkassowirtschaft || APRIL 2016 1950 1951 220.853,85 DM 459.426,70 DM 1952 895.971,39 DM 1953 979.858,88 DM 1958 1959 25 GESCHICHTE machten 62,4 Prozent der eingezogenen Gelder aus). 8,1 Prozent waren Forderungen gegen Schuldner, die bereits den sogenannten Offenbarungseid geleistet hatten. Die Meldungen der Inkassounternehmen wurden alle per Post an die Geschäftsstelle des BDIU-Vorgängers nach Hamburg geschickt. Briefe, mit denen die Inkassounternehmen ihre Zahlen meldeten, waren alle frankiert mit Marken der neuen Deutschen Bundespost – gerade einmal 4 Pfennig kostete diese »Drucksache zur ermäßigten Gebühr« damals. Es war die Zeit, als sich die Inkassounternehmen noch »mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung« voneinander verabschiedeten. Auf den Hamburger Poststempeln gab es ein ungewöhnliches Piktogramm, das einen Mann zeigte, der sich selbst im Spiegel betrachtete, begleitet von folgendem Text: »Kritik am Staate steht Dir zu, doch denk daran, der Staat bist Du!« Das war Teil von Kampagnen Anfang der 50erJahre, mit denen die Bürger der noch jungen Bundesrepublik die Grund- Weltöffentlichkeit an der Bernauer Straße rüber in den Westen – in eine, wie man das damals allmählich wahrnahm, völlig andere Welt. Ost- und Westdeutschland hatten sich schon länger stark auseinanderentwickelt. DIE AUSKUNFTEIEN GEHEN EINEN EIGENEN WEG Das Ideal des »Wohlstands für alle« war für den Westen kein Dauerzustand. Als die BRD Ende der 60er-Jahre erstmals in eine Rezession rutschte, wurden Inkassodienstleistungen für die Unternehmen noch wichtiger. Private und gewerbliche Schuldner zahlten ihre Rechnungen dramatisch schlechter, und rein kaufmännische Mahnverfahren waren oft wirkungslos. Noch schlimmer: Auch die gerichtliche Titulierung von Forderungen und anschließende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen liefen immer öfter ins Leere – dabei waren sie ohnehin schon sehr zeit- und kostenintensiv für die Gläubiger. Ihnen bot sich aber eine gute Alternative: Vorgerichtliche Inkassodienste waren vergleichsweise kostengünstig und versprachen schnelleren Erfolg, gleichzei- Ab 1961 war die Grenze durch Deutschland dicht – und auch die Wirtschaft entwickelte sich stark auseinander. 1960 1961 1962 1963 1964 1965 züge von Demokratie erklärt bekommen sollten. Ein Spruch, der allerdings auch heute durchaus wieder Aktualität hat. VON MAUERN UND SATELLITEN Dieses Bild brannte sich in die Köpfe ein: Am 15. August 1961 springt der 19-jährige Hans Conrad Schumann über einen Stacheldraht vom sowjetischen in den französischen Sektor Berlins. Der Unteroffizier hatte sich erst kurz vorher freiwillig für den Dienst in der Hauptstadt der DDR gemeldet. In der Nacht vom 12. auf den 13. August bekommt seine Truppe auf einmal scharfe Munition ausgehändigt, besteigt Lkws und soll mit Stacheldraht Westberlin abriegeln. Schumann ist mittendrin und hält den Druck nicht aus. Auf seine Landsleute schießen will er nicht, und so springt er wenig später unter den Augen der 26 1966 1967 1968 1969 tig gewannen klassische Wirtschaftsinformationen als präventives Instrument gegen Zahlungsausfälle weiter an Bedeutung. Gute Zeiten für den Bundesverband Deutscher Inkasso- und Auskunftei-Unternehmen also, sollte man meinen. Der starke Bedeutungszuwachs beider Sparten des Verbandes verlangte jedoch nach einer weiteren Spezialisierung der Interessenwahrnehmung. Da war es nur logisch, dass sich die Organisation auf die Vertretung der Interessen der Inkassowirtschaft konzentrierte. 1966 gingen die Auskunfteien einen eigenen Weg, und der Verband heißt seitdem Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen. Parallel dazu vollzog sich auch eine wichtige Aufgabenverlagerung der Branche: Immer bedeutender wurde jetzt der Einzug kaufmännisch bereits ausgemahnter, aber (noch) nicht titulierter Forderungen – BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. GESCHICHTE was ganz nebenbei dazu führte, dass die Justiz entlastet wurde und also ebenfalls durch die Tätigkeit der Inkassodienstleister profitierte. NEUE SYMBOLE UND GROSSE GESTEN Anfang der 70er-Jahre entspannte Willy Brandts Ostpolitik das Verhältnis beider deutscher Staaten. Der Kniefall des westdeutschen Bundeskanzlers vor dem Ehrenmal des Warschauer Ghettos fiel in die Zeit der großen Gesten. Als Brandt 1970 Erfurt besuchte – zum ersten deutsch-deutschen Gipfeltreffen –, wurde er von der Bevölkerung begeistert empfangen. Die DDR modernisierte sich, man wollte sich weltoffen zeigen. Ganz besonders war dabei der Sommer 1973. 8 Millionen Menschen kamen zu den »Weltfestspielen der Jugend« nach Ostberlin, und trotz Überwachung durch die Staatssicherheit gab es viele Begegnungen zwischen jungen Leuten aus dem In- und Ausland, die noch lange nachwirken sollten. Dazu passte das Logo, unter dem das Fest stattfand: Es war zeitgemäß und sah irgendwie nach Flower Power und westlichem Lebens- dererkennbar ist dieses Zeichen, und viele fragen sich: Was soll es darstellen? Einen Menschen, der die Arme ausbreitet? Eine aufblühende Blume oder einen Baum? Oder am Ende gar eine Münze, die in einen Automatenschlitz rollt …? Die Wahrheit ist leider ziemlich banal. Im Begleitschreiben an das Verbandspräsidium, das über das neue Logo abstimmen sollte, heißt es, das Zeichen »symbolisiert die Buchstaben V und I für Verband und Inkasso-Unternehmen«. Gedacht war das übrigens nicht nur für den BDIU selbst: »Gleichzeitig soll sämtlichen Mitgliedern gestattet werden, dieses Zeichen zum Ausdruck ihrer Mitgliedschaft in unserem Verband anzuwenden.« Und so wird es auch heute noch verwendet. Die grafisch abgewandelten Buchstaben V und I haben sich etabliert als eine Art Gütesiegel für seriöse Inkassotätigkeit. GRUNDSATZENTSCHEIDUNGEN Warum will ich Mitglied in einem Verband sein? Diese Frage stellt sich jedes Inkassounternehmen, bevor es einen Antrag zur Aufnahme in den BDIU abschickt. Die Antwort darauf hat sich im Laufe der Jahre verändert. Aufbruchstimmung in der DDR bei den Weltfestspielen der Jugend 1973 – im selben Jahr gab sich der BDIU das noch heute bekannte Logo. 1970 1971 1972 1973 1974 gefühl aus. Vielleicht kommt es daher, dass dieses Festival bald als »Woodstock des Ostens« bekannt war. Und als 1974 dann auch noch Jürgen Sparwasser die DDR-Elf zum Sieg gegen die Fußballauswahl der BRD schoss, sah es für einen Moment so aus, als triumphiere tatsächlich die angebliche »Überlegenheit des Sozialismus«. Große Gesten gab es auch beim BDIU: 1973 verpasste sich der Verband ein neues Logo. Ein neues Logo? Ach was: Überhaupt ein Logo! Er hatte zu dem Zeitpunkt nämlich gar keines, die Briefköpfe zierte der Verbandsname in gefetteten Druckbuchstaben, und ein solcher Außenauftritt war alles andere als zeitgemäß. Daher beauftragte Verbandsgeschäftsführer Dr. Mosiek eine Agentur, die dem Inkassoverband das passende Zeichen zuordnen sollte. Ergebnis war das noch heute verwendete Symbol mit dem Kreis und den darunter befindlichen beiden Halbbögen. Individuell und wie- Inkassowirtschaft || APRIL 2016 1975 1976 1977 1978 1979 Am Anfang waren es vor allem die Kontaktpflege und der fachliche Austausch untereinander, die Firmen durch die gemeinsame Organisation intensivieren wollten. Mehr und mehr rückte aber ein weiterer Verbandszweck in den Vordergrund: nämlich die Wahrung der eigenen Berufsinteressen bei gleichzeitiger Ausgestaltung eines klaren Berufsbilds des Inkassounternehmers. 1979 verständigten sich die BDIU-Mitglieder auf die wegweisenden »Grundsätze für die Berufsausübung zugelassener Inkassounternehmen in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin«. Deren Einhaltung wird unmissverständlich als Voraussetzung für eine Verbandsmitgliedschaft definiert. Gleichzeitig ist in der Satzung geregelt, dass ein Verstoß gegen diese Grundsätze zum Ausschluss aus dem BDIU führen kann. Diese Grundsätze hat der BDIU in der Folge im Interesse der Branche immer weiter ausdefiniert und klarer strukturiert, bis hin zu dem gestaffelten Beschwerde- 27 GESCHICHTE und Sanktionsinstrumentarium, dem sich heute jedes Inkassounternehmen, das Mitglied im BDIU ist, automatisch unterwirft. Ein weiteres wichtiges Instrumentarium kam Anfang der 90er-Jahre hinzu: der Ombudsmann. Er vermittelt unbürokratisch bei strittigen Fällen. umfrage zur Zahlungsmoral vorstellte, geschah das an einem historischen Ort in Berlin-Mitte: Nur zwei Minuten Fußweg entfernt hatte fast auf den Tag genau fünf Jahre zuvor DDR-Politbüromitglied Günter Schabowski, ebenfalls auf einer Pressekonferenz, den Fall der Berliner Mauer verkündet. »NO FUTURE« FÜR DEN RECHTSBEISTAND Die 80er-Jahre waren Zeiten des Umbruchs – für Westund Ostdeutschland genauso wie für die Inkassounternehmen als Branche. Viel hatte sich seitdem getan: Reisefreiheit, freie Wahlen, Wirtschafts- und Währungsunion, (West-)Deutschland wurde Fußballweltmeister und schließlich im Herbst 1990 Wiedervereinigung mit Helmut Kohl als Kanzler. Jede Menge Aufbauarbeit war in der Folgezeit im Osten vonnöten – aus Sicht der Neu-Bundesbürger bestanden zunächst allerdings nur wenige der Verheißungen aus Wendezeit und Einheitsprozess den Realitätstest. »Aufschwung Ost« war ein Thema dieser BDIU-Pressekonferenz: Und das hieß eben auch steigende Insolvenzen, hohe Arbeitslosigkeit und sich verschlechternde Zahlungsmoral. Für die Wirtschaft in den neuen Ländern waren daher Inkassounternehmen eine wichtige Stütze, um berechtigte Forderungen durchzusetzen. Und es war auch eine neue Gründerzeit: Viele Am Anfang des Jahrzehnts erklingt ein juristischer Paukenschlag: Der Rechtsbeistand alten Rechts, der auch Inkassotätigkeiten durchführen durfte, wird abgeschafft. Außerdem darf Inkassounternehmen ab jetzt nur noch die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung erteilt werden. Für den Rechtsbeistand hieß es also – ähnlich wie bei vielen jungen Leuten in der BRD damals – »No Future«. Nicht so aber für die Uhren diesseits und jenseits der innerdeutschen Grenze: Sie wurden am Sonntag, den 6. April 1980, um eine Stunde in die Zukunft versetzt – die Sommerzeit war da. 1980 begann die Sommerzeit – Start in ein Jahrzehnt der Umbrüche. 1980 1982 1984 1986 1988 Weltmeister im Einheitsjahr: Ein Land feiert gemeinsam. 1990 Zwischen den Staaten herrschte wegen Kaltem Krieg und Nachrüstung ein eisiges Klima. Da wirkte es fast wie ein zarter Frühlingshauch, als am 24. April 1982 im englischen Harrogate eine Abiturientin aus dem Saarland mit bravem Kleidchen und weißer Gitarre über »Ein bisschen Frieden« sang und damit den Grand Prix Eurovision de la Chanson gewann. Schon bald sollte sich auch die politische Großwetterlage aufhellen: Ab 1985 machten Gorbatschows Glasnost und Perestroika Hoffnung auf politische Veränderungen im Osten, das Wettrüsten fand ein Ende, und DDR-Bürger wagten es, montags auf die Straße zu gehen, um Reformen in ihrem Land einzufordern. Ein »Wind of Change« kündigte sich an … INKASSO-DEUTSCHLAND WÄCHST ZUSAMMEN Als am 10. November 1994 der BDIU zum ersten Mal auf einer Pressekonferenz Ergebnisse einer Mitglieder- 28 1992 1994 1996 1998 junge Inkassounternehmen entstanden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Sie halfen dabei, zwei unterschiedliche Rechtssysteme zusammenzubringen und einen neuen Verwaltungsapparat aufzubauen – damit zusammenwachsen konnte, was zusammengehört. UNTERWEGS NACH EUROPA Am 7. Februar 1992 kamen in der kleinen niederländischen Stadt Maastricht Staats- und Regierungschefs aus den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft zusammen, um – nach langjährigen Verhandlungen – ihre Unterschrift unter ein wegweisendes Dokument zu setzen: den Vertrag über die Europäische Union (EU). Darin verpflichteten sich die Länder zu einer stärkeren wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Außerdem wurde ein Fahrplan zur Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion verabschiedet – sozusagen die Geburtsstunde des Euro, der BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. GESCHICHTE aber damals noch keinen Namen hatte. Für die Inkassowirtschaft war klar: Wenn schon die Staaten stärker zusammenarbeiten, dann müssen das die Inkassounternehmen auf dem Kontinent erst recht. Es brauchte also eine starke Interessenvertretung und Organisation der Branche auf europäischer Ebene. 1993 führte das nicht zuletzt auf Bestreben des BDIU zur Gründung der Federation of European National Collection Associations (FENCA). Inzwischen stellt das Gründungsmitglied BDIU mit Andreas Aumüller den Präsidenten dieses europäischen Inkassodachverbands, und seit 2014 befindet sich sogar die Verwaltung der FENCA in Berlin, organisiert und gemanagt durch den deutschen Inkassoverband. Europa, das ist für den BDIU eben unbedingt auch eine Frage der Verantwortung. COMPUTERCHAOS UND PRIVATE PLEITEN Am 31. Dezember 1999 warfen viele Menschen ihren Computern bange Blicke zu. Der Millenniumsfehler bereitete Sorgen. Als einige der Programme geschrieben wurden, hatte man nämlich noch nicht an die Jahrtausendwende gedacht. Der Einfachheit halber – und um Rechenkapazitäten besser auszunutzen – wurden bei WIR SIND RECHTSDIENSTLEISTER! »Wir sind Papst!«, titelte die »Bild«-Zeitung am 20. April 2005, nachdem zum ersten Mal seit 1523 ein Deutscher den Heiligen Stuhl in Rom bestiegen hatte. Noch im selben Jahr kam Benedikt XVI. zum Weltjugendtag nach Deutschland, wo ihm eine Welle der Begeisterung entgegenbrandete. Überhaupt lief es gut für das Ansehen der Deutschen. Als 2006 hierzulande die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wurde, zeigten sich die Menschen gut gelaunt und zugänglich unter dem Motto »Die Welt zu Gast bei Freunden«. Der fröhliche, sympathische Deutsche – ungewohnt war das, und dieses weltoffene Fußballfest hat viele im Ausland tief beeindruckt. Auch für die Inkassounternehmen tat sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends viel in Sachen Anerkennung: Sie wurden Rechtsdienstleister. Dahinter steckt mehr als nur ein Wort. Denn mit dem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), das 2008 in Kraft trat, waren Kompetenzerweiterungen für die Branche verbunden. Zum Beispiel dürfen Inkassodienstleister jetzt auch das gerichtliche Mahnverfahren durchführen – und können ihren Auftraggebern einen noch umfassenderen Service anbieten. Y2K: Auch im neuen Jahrtausend rechnen die Computer weiter. 2000 Jubiläum in Berlin: Der BDIU feiert Geburtstag! 2002 2004 2006 2008 den Jahreszahlen nur die letzten beiden Ziffern verwendet. Auf den 31.12.99 folgte also der 01.01.00 – was den Rechner auf einen Schlag um 100 Jahre in die Vergangenheit versetzt hätte. Viele befürchteten Fehlermeldungen und Computercrashs – mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Sorgen hatten 1999 auch viele Gläubiger. Denn die neue Insolvenzordnung ermöglichte es jetzt erstmals überschuldeten Privatpersonen, eine Restschuldbefreiung anzustreben. Hätten Gläubiger unter diesen Umständen dann überhaupt noch Chancen, zu einer Befriedigung ihrer berechtigten Interessen zu gelangen? Schwierige Frage, und bis heute heißt es in den meisten Fällen: Geht ein Schuldner in ein Verbraucherinsolvenzverfahren, dann sieht ein Gläubiger in aller Regel so gut wie nichts von seinen Forderungen mehr wieder. Besser dagegen erging es all denen, die am 1. Januar 2000 besorgt auf ihre Computer blickten – denn die funktionierten im neuen Jahrtausend noch genauso gut wie am Tag zuvor. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 2010 2012 2014 2016 KLARSTELLUNG ZU INKASSOKOSTEN 2013 kam es zu Neuformulierungen im Rechtsdienstleistungsgesetz. Diese regeln klar: Die Kosten für außergerichtliche Inkassodienstleistungen sind bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig. Außerdem müssen Inkassodienstleister von nun an klar definierte Darlegungsund Informationspflichten erfüllen. Der Vorteil: Inkassounternehmer können sich bei der Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Inkassokosten gegenüber Verbrauchern nun direkt auf ein Gesetz beziehen. Das neu formulierte Rechtsdienstleistungsgesetz ist damit ein Fortschritt hin zu mehr Transparenz für Inkassounternehmen sowie für deren Auftraggeber und die Verbraucher. 29 EUROPA INTERESSENVERTRETUNG Verantwortung für Europa Die Datenschutzgrundverordnung zeigt: Immer mehr Entscheidungen, die die Arbeit von Inkassounternehmen betreffen, werden in Brüssel getroffen. Daher ist es für die Branche unverzichtbar, auch auf dem europäischen Parkett Flagge zu zeigen. Der Dachverband FENCA bündelt die Interessen des Forderungsmanagements auf dem Kontinent. Von Dr. Andreas Bücker, Director European Affairs, FENCA 30 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. EUROPA uropa wächst zusammen. Sicher, momentan sieht es nicht danach aus. In Zeiten, in denen die Flüchtlingskrise die Regierungen unseres Kontinents in Atem hält und Schengen und seine freien Grenzen infrage gestellt erscheinen, und durch die Turbulenzen, durch welche die Wirtschaft Europas insgesamt, seine Gemeinschaftswährung Euro und das finanziell fast zusammengebrochene Griechenland gehen, scheinen Gemeinschaftssinn und Miteinander der Europäer fern. Von einem möglichen »Brexit« ganz zu schweigen. E Doch dieser – sicher nicht falsche – Eindruck darf nicht die Sicht auf eine andere Tatsache verstellen: Die Integration der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geht weiter voran, und die Erfolgsgeschichte dieser Institution, welche die historisch längste Periode von wirtschaftlichem Wohlstand und Frieden auf unserem Kontinent garantiert hat, wird weitergeschrieben werden. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 EUROPA STEHT FÜR FORTSCHRITT Trotz der aktuellen politischen Probleme arbeiten die Europäische Kommission und das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Europäischen Rat weiter an den Rahmenbedingungen zur Modernisierung, Öffnung und Optimierung des zweitgrößten Binnenmarktes der Welt sowie der Sicherung der seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1957 erreichten sozialen Errungenschaften. Dafür stehen nicht zuletzt die aktuellen Flaggschiff-Initiativen der Entwicklung eines Digital Single Market oder der Errichtung der Kapitalmarktunion. Dazu kommt eine Großzahl an Gesetzen zu allen möglichen Bereichen und Wirtschaftszweigen aus Brüssel, die als Verordnungen oder Richtlinien in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt und implementiert werden müssen. Das betrifft selbstverständlich auch und vor allem die Inkassowirtschaft in Deutschland wie in den anderen Ländern der EU. 31 EUROPA Der BDIU hat sehr früh erkannt, dass ein Engagement auf europäischem Parkett nicht nur wünschenswert, sondern absolut notwendig ist, damit die Interessen des Forderungsmanagements in Deutschland, aber nicht nur dort, entsprechend vertreten und berücksichtigt werden können. Als Konsequenz dieser Erkenntnis wurde am 15. Januar 1993 mit der FENCA (Federation of European National Collection Associations) ein europäischer Dachverband gegründet, wobei der BDIU zu den Gründungsmitgliedern und Initiatoren der ersten Stunde gehörte. ENGAGEMENT FÜR DIE BELANGE DER BRANCHE Seither hat der BDIU weiter europäische Verantwortung übernommen und viel zur Arbeit und zum Erfolg der FENCA beigetragen, die in der Zwischenzeit auf 21 Mitglieder angewachsen ist, von denen 17 die nationalen Inkassoverbände von EU-Staaten sind. BDIUVertreter haben viele Jahre lang in den Gremien der FENCA gewirkt, vor allem im Board of Directors. Die FENCA und ihre Mitgliedsverbände haben für die Branche gemeinsam mit dem BDIU einige entscheidende europäische Projekte entwickelt und umgesetzt, und das war auch der Kontext, in dem ich zum ersten Mal mit dem BDIU und der FENCA zusammengearbeitet habe. So hat der BDIU eine von 2012 bis 2014 gemeinsam mit den FENCA-Mitgliedsverbänden CSA aus dem Vereinigten Königreich, IVÖ aus Österreich und PZW aus Polen gebildete und von der Europäischen Kommission finanziell geförderte Partnerschaft geleitet. Deren Ziel war die Erstellung von Seminarkonzepten zum Datenschutz im Forderungsmanagement vor dem Hintergrund der europäischen Datenschutzgrundverordnung. Ein Konzept, von dem der BDIU und seine Mitglieder in den nächsten Monaten, wenn es um die praktische Anwendung dieses Gesetzes in Deutschland geht, sehr profitieren werden. HILFE BEI GRENZÜBERSCHREITENDEM INKASSO Im Jahr 2013 war der BDIU gemeinsam mit der FENCA dann sogar Dienstleister der Europäischen Kommission. Nachdem sich der Verband erfolgreich auf eine entsprechende Ausschreibung beworben hatte, haben unter seiner Leitung ein Team aus BDIU-Mitarbeitern und einer Handvoll weiterer Experten den »Praxisbezogenen Leitfaden zum grenzüberschreitenden Bonitäts- und Forderungsmanagement« entwickelt. Ziel dieses Leitfadens, der in sämtlichen offiziellen Sprachen der Europäischen Union erhältlich ist, ist es, kleine und mittlere Unternehmen bei der Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen zu unterstützen. Die Kommission hat den Leitfaden vielfach eingesetzt, nicht zuletzt bei einer Reihe von Veranstaltungen zur Unterstützung und Förderung von Inkassounternehmen in jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat. 32 SYNERGIEN FÜR DIE AUSSENDARSTELLUNG Doch es ist nicht allein die Gremien- und Projektarbeit, über die sich der BDIU bei der FENCA engagiert. Ganz im Gegenteil: Das Engagement hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren noch intensiviert. Zunächst hat mit Andreas Aumüller ein langjähriges Mitglied des BDIU-Präsidiums im September 2013 die Präsidentschaft der FENCA übernommen, nachdem der bereits im FENCA-Board aktiv gewesen war. Den größten und sicherlich einschneidendsten Schritt hat der BDIU im Jahr 2014 unternommen. Um die wirtschaftliche und administrative Kraft der FENCA zu optimieren, hat der deutsche Inkassoverband sich großzügigerweise dazu bereit erklärt, die FENCA mit in die eigenen Büroräume der Geschäftsstelle in der Friedrichstraße in Berlin aufzunehmen. Die entstandenen Synergien sind leicht nachzuvollziehen: Neben der Professionalisierung der Außendarstellung der FENCA durch die Unterstützung der Kommunikationsabteilung des BDIU hat der Verband auch mit dafür gesorgt, dass die FENCA mit Marisa Krischer als europapolitischer Referentin auch personell bestens aufgestellt ist. SICHTBAR AUF DEM BRÜSSELER PARKETT Was das Brüsseler Parkett angeht, so habe ich das Glück und Vergnügen, für die FENCA seit Oktober 2014 als Lobbyist tätig zu sein und die politischen Interessen der Inkassowirtschaft in Europa zu vertreten. Und auch bei dieser Tätigkeit sind die enge Zusammenarbeit mit und die Unterstützung durch den BDIU ein großes Asset, nicht zuletzt die langjährige Erfahrung, die der BDIU seinerseits hinsichtlich der Lobbyarbeit auf nationaler Ebene aufweisen kann. Grundsätzlich gelten in Brüssel auch die gleichen Gesetze, was politische Kommunikation angeht, wie in Berlin. Der Hauptunterschied: Man hat es potenziell mit politischen Vertretern aus 28 Ländern zu tun und spricht mit Repräsentanten anderer europäischer Dachverbände, die ebenfalls bis zu 28 nationale Mitglieder vertreten. Ein Weiteres ist die schiere Zahl. Geht man in Berlin von ungefähr 5.000 Interessenvertretern aus, gibt es für Brüssel Annahmen in einer Größenordnung, die von 15.000 bis hin zu 25.000 Lobbyisten reicht. LOBBYARBEIT UND DER RUF, DER IHR VORAUSEILT … Hinzu kommt, dass EU-Lobbyisten weit stärker in ein schlechtes Licht gestellt werden als diejenigen, die auf nationaler Ebene tätig sind. Dieses Phänomen spiegelt sich vielfach in nationalen Medien wider: Lobbyisten im eigenen Land werden zwar kritisiert; denjenigen jedoch, die in Brüssel arbeiten, wird oftmals eine nahezu unbegrenzte Einflussnahme auf die Gesetzgebung von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament nachgesagt. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. EUROPA Als anschauliches Beispiel mag dafür die kombinierte und koordinierte Lobbyarbeit des BDIU und der FENCA zur europäischen Datenschutzgrundverordnung dienen, die nach nahezu vierjährigen Verhandlungen am 15. Dezember 2015 beschlossen wurde. Ohne an dieser Stelle in Einzelheiten gehen zu wollen, hatten die verschiedenen Entwürfe der Verordnung, wären sie so beschlossen worden, das Potenzial, die Inkassowirtschaft und Auskunfteien in Europa sowie deren zugrunde liegende Geschäftsmodelle stark zu beeinträchtigen oder gar ganz unmöglich zu machen. Die Voraussetzungen konnten nicht schlechter sein: Denn wenn schon Lobbyisten generell einen schlechten Ruf in Brüssel genießen, kann man sich vorstellen, welches Image Lobbyisten, die sich für Inkasso einsetzen, bei einem Gegenüber erzeugen – einem Sektor, der auch europaweit per se nicht den besten Ruf hat. INKASSO IST AUCH IN EUROPA UNVERZICHTBAR Dabei konnte die FENCA nun denselben Ansatz verfolgen, den auch der BDIU auf nationaler Ebene vertritt, nämlich: Anstatt sich zu verstecken und eher entschuldigend über Inkasso zu sprechen, hat die FENCA den wirtschaftlichen Beitrag des europäischen Forderungsmanagements in den Mittelpunkt gestellt und insbesondere die Nutzen der von den FENCA-Mitgliedern angebotenen Dienstleistung in den Vordergrund gestellt. In Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments sowie mit Vertretern anderer europäischer Dachverbände lag der Fokus auf der Tatsache, dass die FENCA 75 Prozent aller Inkassounternehmen in Europa vertritt, was einem Marktanteil von 80 Prozent in der Europäischen Union entspricht. Darüber hinaus beschäftigt der Sektor, dessen Dienstleistungen von 5 Millionen Kunden genutzt werden, über 75.000 Mitarbeiter und führt EU-weit zwischen 45 und 55 Milliarden Euro an Außenständen wieder in den Wirtschaftskreislauf ein, um die Liquidität vor allem von Mikro-, kleinen und mittleren Unternehmen abzusichern. Mit dieser proaktiven Strategie hatte es die FENCA erreicht, dass die Notwendigkeit der Dienstleistung Inkasso von vielen ihrer Gesprächspartner gesehen wurde und das Argument, dass durch die neuen Datenschutzregelungen Inkasso als Geschäftsfeld nicht unmöglich gemacht werden darf, verstanden wurde. Ohne Probleme wurde die FENCA darüber hinaus als Mitglied in die Industry Coalition for Data Protection (ICDP) aufgenommen, eine der wirkungsstärksten Interessenallianzen in Brüssel bei der Lobbyarbeit zur Datenschutzgrundverordnung. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 ÜBERZEUGUNGSARBEIT NATIONAL UND INTERNATIONAL Flankiert wurde die Arbeit der FENCA durch Aktivitäten ihrer nationalen Verbände, insbesondere des BDIU auf deutscher Ebene durch erfolgreiche Kommunikation gegenüber dem Bundesinnenministerium. Dabei waren Argumente und Vorgehen jeweils abgestimmt und wechselseitig aufeinander bezogen. Den Lohn dieser Zusammenarbeit konnten BDIU und FENCA gemeinsam auf einer Veranstaltung im Oktober in Straßburg ernten. In einem persönlichen Gespräch mit Jan Philipp Albrecht, einem der Hauptakteure seitens des Europäischen Parlaments bei der Datenschutzgrundverordnung, wurde deutlich, dass die gemeinsam von beiden Verbänden vorgebrachten Argumente gegen die ursprünglichen, potenziell gefährlichen Fassungen der Datenschutzgrundverordnung von Albrecht verstanden und geteilt wurden. Das Ergebnis ist bekannt: Die verabschiedete Fassung des Gesetzes mag nicht perfekt sein, sie ist jedoch so formuliert, dass der Forderungsmanagementsektor in Deutschland wie in den anderen EU-28-Staaten gut damit leben kann. Für den BDIU und die FENCA steht nun an, die Transposition der Verordnung zu begleiten, und auch diese Aufgabe wird gemeinsam gelingen. Die Federation of European National Collection Associations wurde am 15. Januar 1993 als Non-ProfitDachorganisation nationaler Inkassoverbände gegründet. Der BDIU ist Gründungsmitglied. Die FENCA beobachtet die europäischen Gesetzgebungsvorhaben und bewertet sie auf ihre Relevanz für die Inkassobranche. Sie formuliert Stellungnahmen zu inkassorelevanten Gesetzgebungsvorhaben und nimmt an Anhörungen im Laufe des Gesetzgebungsprozesses teil. Als europäischer Dachverband der Inkassobranche unterstützt sie ihre nationalen Mitgliedsverbände in allen Fragen von europäischer Relevanz, zum Beispiel bei der Auslegung und Anwendung von EU-Richtlinien und EU-Verordnungen. Seit 2014 unterstützt der BDIU die FENCA bei ihren administrativen Aufgaben durch seine Geschäftsstelle in Berlin. Dazu gehört auch die Organisation der Jahreskongresse des Europaverbandes. 2016 lädt die FENCA zu ihrem Weltkongress in die deutsche Hauptstadt. Die Veranstaltung, zu der 250 internationale Branchenexperten erwartet werden, findet vom 21. bis 24. September statt – anmelden kann man sich schon jetzt über die Webseite des Europaverbandes, auf der auch weitere aktuelle Informationen zum Kongress abrufbar sind: www.fenca.eu 33 INTERVIEW Inkasso in Emojis ls Hauptgeschäftsführer des BDIU führen Sie viele Gespräche im politischen Berlin, sowohl mit anderen Verbänden als auch mit Vertretern der Politik. Wie bereiten Sie sich auf einen wichtigen Termin vor? A Wie entspannen Sie sich in der Freizeit? Mit welchen Charaktereigenschaften würden Sie sich selbst beschreiben? Als Sie das erste Mal die Bezeichnung »Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken« gehört haben – was ging Ihnen da durch den Kopf? Sie sind Anwalt und haben lange Zeit als Pressesprecher eines Verbandes gearbeitet, waren sogar im Präsidium des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher. Kommunikation ist also ein wichtiges Thema für Sie. Wie sollten Inkassounternehmen Ihrer Meinung nach kommunizieren, zum Beispiel mit der Öffentlichkeit? Wie würde eine Welt ohne Inkassounternehmen aussehen? Der BDIU wird 60. Was wünschen Sie dem Verband zum Geburtstag? Wie fanden Sie dieses Interview? , nein, besser , alles Quatsch, natürlich: Und wie mit Schuldnern? Inkassounternehmen werden manchmal von Verbraucherschützern kritisiert. Sie als Vertreter des BDIU suchen den Dialog mit den Verbraucherzentralen und stellen sich der Kritik. Wie würden Sie das aktuelle Verhältnis von Inkassoverband und Verbraucherlobby beschreiben? Mal , mal . Die Bandbreite geht (nach meinem Eindruck auf beiden Seiten) von über bis hin zu . Sie sind verheiratet und haben zwei kleine Töchter. Was denkt Ihre Familie über Ihren Beruf? , manchmal sicher auch: 34 Bis zu seiner Berufung zum Geschäftsführer des BDIU war Rechtsanwalt Kay Uwe Berg für den Deutschen Führungskräfteverband (ULA) tätig. 2014 ist er zum Hauptgeschäftsführer des BDIU ernannt worden. Er ist Gründungsmitglied des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP) und war dort von 2006 bis 2013 Mitglied im Bundesvorstand. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der weiteren Entwicklung seriöser Inkassostrukturen in Deutschland, in Europa und über die internationale Organisation der FENCA (Federation of European National Collection Associations) auch in der ganzen Welt und dementsprechend in der Bekämpfung unseriöser Inkassounternehmen. Er begleitet Gesetzgebungsvorhaben in Deutschland und Europa und steht der Politik als gefragter Ansprechpartner zur Verfügung. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. VERANTWORTUNG GLOBAL DENKEN! FENCA WORLD CONGRESS 2016 die internationale Inkassowirtschaft zu Gast in Berlin Wir gratulieren unserem Gründungs- 21. – 24. September 2016 mitglied BDIU zu 60 Jahren gelebter Radisson Blu Hotel Verantwortung für die Interessen der Karl-Liebknecht-Straße 3 Inkassowirtschaft! 10178 Berlin Kontakt und weitere Informationen FENCA: Das sind 22 nationale Branchenverbände und Federation of European National über 60 assoziierte Mitglieder aus der ganzen Welt. Collection Associations (FENCA) Als europäische Dachorganisation der Inkassowirtschaft Friedrichstraße 50–55 | 10117 Berlin stehen wir für ca. 1.500 Inkassounternehmen mit über www.fenca.eu | office@fenca.eu 100.000 Beschäftigten. twitter: @FederationFENCA Lernen Sie die FENCA kennen und diskutieren Sie mit mehr als 200 internationalen Experten über Forderungsmanagement 2.0, den digitalen Wandel, das Für und Wider eines paneuropäischen Code of Conduct und die Anforderungen der Welt von Morgen. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Berlin | 2016 35 REZENSION TRICKREICH Der Literat als listiger Schuldner Honoré de Balzac schrieb einst einen Ratgeber, wie Schuldner ihre Gläubiger möglichst fantasievoll austricksen können – was aber vielleicht doch nicht ganz so ernst gemeint war. eit gut 150 Jahren gibt es Inkassounternehmen in Deutschland. Doch schlaue Schuldner, die mit cleveren Tricks versuchen, ihren Gläubigern ein Schnippchen zu schlagen, gibt es schon viel länger. Einer von ihnen, der daraus eine wahre Kunst gemacht hat, war Honoré de Balzac. Der Literat und Poet, Genussmensch und Lebemann führte ein schillerndes Leben in den gutbürgerlichen Pariser Salons und Hinterzimmern des 19. Jahrhunderts, war bei Männern und insbesondere bei Frauen mehr als beliebt und dennoch stets auf der Flucht vor seinen Gläubigern. S Das berühmt-berüchtigte Schuldengefängnis SaintePélagie in der Rue de la Clef in Paris schwebte zeit seines Lebens wie ein Damoklesschwert über ihm, die Furcht vor seinen Gläubigern und noch mehr vor den französischen Gerichtsvollziehern bestimmte sein Handeln und war ihm Antrieb und Drohung zugleich. Balzacs »Handbuch des Handelsrechts« war denn auch weniger Ratgeber als vielmehr Satire. Und natürlich wusste er ziemlich genau, was er tat, als er in zehn kompakt verfassten Lektionen »Die Kunst, seine Schulden zu zahlen und seine Gläubiger zu befriedigen, ohne auch nur einen Sou selbst aus der Tasche zu nehmen«, aufschrieb. EIN BRISANTES THEMA Das Buch ist uns zufällig in die Hände gefallen – und hat gleich für einige Aufregung gesorgt. Was, wenn es von den falschen Leuten gelesen wird? Handelt es sich hier möglicherweise um einen Frontalangriff auf unseren Berufsstand – verfasst von einem der größten Den- 36 ker französischer Sprache? Das galt es zu klären, und so stürzten wir uns in fast schon balzacscher Betriebsamkeit in die Lektüre – und verfielen angesichts der Brisanz des Themas einem ähnlich hohen Kaffeekonsum wie der geschätzte Literat. Balzac verfasste seine Romane und Geschichten, deren vorab gezahlten Honorare er längst ausgegeben hatte, nämlich mit solcher Besessenheit, dass er, um sich von früh bis spät in die Nacht wach halten und arbeiten zu können, angeblich 50 Espressi pro Tag trank. Für den Umgang mit Gläubigern hat Balzac eine einfache Faustregel parat: Bring ihn dazu, dass er um dein Wohlergehen »besorgt« ist. Schließlich will er dein Geld. »Wenn Ihnen [dem Schuldner] vielleicht der Einfall kommen sollte, diese Leute [die Gläubiger] zu bezahlen, dann würden Sie dieses Interesse ganz und gar vernichten.« Einem Gläubiger sein Geld zurückzahlen hieße »den Handel töten«. Es scheint nur folgerichtig, dass beispielsweise der Schuldner im Restaurant, also der Zechpreller, moralisch gar nicht mal so verwerflich handelt, wie der naive und zahlungswillige Durchschnittsbürger bisher annehmen musste. Immerhin lockt der Zechpreller durch seinen Heißhunger und Appetit andere – zahlende – Gäste an und steigert somit sogar noch den Umsatz des Gastwirtes. »MACHE GLÄUBIGER ZU FREUNDEN« Zu gänzlich verantwortungslosem Umgang mit Schulden ruft Balzac keineswegs auf: Wer einigermaßen Grundsätze habe, der müsse seine Schulden zahlen. Aber eben nur auf die eine oder andere Art – mit Geld BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. REZENSION oder ohne. Grundsätzlich rät der Autor den – sagen wir – nonmonetären Ausweg aus der Schuld. Man solle aus Gläubigern Freunde machen. Und zwar die Art von Freunden, die den Schuldner wirklich lieben und die zum Beweis dieser Liebe stets bereit sind, neue Kredite oder zumindest Zahlungsaufschübe zu gewähren. Da der enge Freund ohnehin nicht dazu tendiere, sich eine Schuld verbriefen zu lassen – was der geübte Schuldner auch stets vermeiden sollte –, würden Zeit, Geduld und Ausdauer auf der Schuldnerseite die Tilgung ganz von allein übernehmen. Entweder durch des Schuldners liebstes Rechtsmittel – die Verjährung – oder aber ganz trivial durch das Ableben einer der Vertragsparteien. Diese Praxis des Zeitschindens dürfte dem einen oder anderen Leser durchaus bekannt vorkommen. Das Buch Honoré de Balzac »Die Kunst, seine Schulden zu zahlen« Gebundene Ausgabe Verlag J. G. Hoof 3. Auflage 2012 ISBN 978-3-936345-05-6 Und gesetzt den Fall, der Gläubiger besteht partout auf Zahlung, hat Balzac eine einfache Lösung in petto. Man solle schlicht eine oder mehrere Schulden in eine oder mehrere andere Schulden verwandeln. Eben getreu dem Motto: »Je mehr Schulden man hat, desto mehr Kredit hat man.« Diese letzte Art der Tilgung – Balzac nennt sie Schiebung – mag den aufmerksamen Beobachter an die jüngste Staatsschuldenkrise in Europa erinnern. Vielleicht hat ja der eine oder andere Finanzminister Balzacs Ratgeber gelesen. FAZIT Berücksichtigt man die persönliche Lebenslage Balzacs und versteht das Augenzwinkern, mit dem das Buch geschrieben wurde, stellt es eine durchaus bereichernde Lektüre dar. Nicht nur für Gläubiger, Schuldner und Inkassodienstleister. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 37 INTERVIEW OMBUDSMANN Interessen ausgleichen Beim Inkasso treffen die Interessen der Gläubiger und die Interessen der säumigen Zahler aufeinander – und das verursacht manchmal ernstere Konflikte. Peter Lüttringhaus, Ombudsmann des BDIU, vermittelt unbürokratisch, damit beim Forderungs management Streit nicht eskalier t. 38 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW » Der Forderungseinzug ist hoch sensibel. Schon kleine Versehen können große Folgen zeitigen: Mit dem Ombudsmannverfahren bietet der BDIU einen schnellen und kostengünstigen Weg, aufgetretene Misshelligkeiten zu beseitigen. H err Lüttringhaus, warum braucht der Inkassoverband einen Ombudsmann? Die Einrichtung eines Beschwerdemanagements, wie man den Ombudsmann auch neudeutsch bezeichnen könnte, ist für einen Verband, dessen Mitglieder sich im Bereich der Rechtsdienstleistung bewegen, von fundamentaler Bedeutung. Lassen Sie mich das an zwei kleinen Beispielen erläutern: Inkasso bedeutet Beitreibung fremder Forderungen bei Schuldnern, die diese Forderungen nicht bezahlt haben. Damit ist ein Konflikt vorprogrammiert: Die meisten Schuldner sind der Meinung, dass sie gute Gründe haben, die Forderung nicht auszugleichen. Sie bezweifeln – vermeintlich zu Recht – Grund und Höhe oder deren Fälligkeit. Sie sehen sich aufgrund ihrer beengten wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zahlung außerstande und können oftmals geltend machen, dass die Notlage sie, zum Beispiel wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit, unverschuldet getroffen hat. Demgegenüber ist das Inkassounternehmen seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, alles Notwendige zur Durchsetzung der Forderung zu unternehmen. Zudem kostet Inkasso als Rechtsdienstleistung Geld. Geld, das der Schuldner ebenfalls entrichten soll und muss, wenn er mit seiner Zahlung im Verzug war. Es liegt also in der Natur dieses Interessengegensatzes, dass es auf beiden Seiten zu Störungen in der Kommunikation kommen kann, die den Konflikt aus der Sach- Inkassowirtschaft || APRIL 2016 ebene hinausgleiten lassen und zu lösungsfeindlichen Blockaden führen. Der Schuldner sieht vermeintliche Geldschneider am Werk, die seine Not noch größer machen, und der Inkassounternehmer nimmt den Schuldner aufgrund dessen Verhaltens nunmehr als zahlungsunwillig (und nicht zahlungsunfähig) wahr. Entweder reißt die Kommunikation nun ab, oder sie wird von Schuldnerseite oftmals mit einer Verve geführt, die den Weg zu vernünftigen Lösungen verbaut. Die Konsequenz aus dieser Blockade ist dann für den Inkassounternehmer die Einleitung des Mahnverfahrens, das – und hier offenbart sich das ganze Dilemma – die vom Schuldner zu tragende Last noch mehr erhöht. Hier kann das vom BDIU eingerichtete Beschwerdemanagement in Gestalt des Ombudsmannes helfen, die Situation zu deeskalieren, und den Konflikt wieder auf eine lösungsorientierte Sachebene zurückführen. Darüber hinaus darf nicht verkannt werden, dass überall, wo Menschen arbeiten, Fehler gemacht werden, also auch im Inkasso. Das können Missverständnisse aus dem Verhältnis zum Mandanten sein, weil dieser zum Beispiel eine Stundungsabrede mit dem Schuldner ungenau übermittelt hat, oder ein trotz aller Sorgfalt entstandenes Bearbeitungsversehen in der Sachbehandlung. Da es sich beim Forderungseinzug um einen hochsensiblen Bereich handelt, können hier kleine Versehen große Folgen zeitigen: Der redliche Schuldner sieht sich schlimmstenfalls in seiner Kreditwürdigkeit beeinträchtigt. Bestehen dann unterschiedliche Auffassungen über die Verantwortlichkeit, ist eine Klärung oftmals nur durch eine kostspielige und zeitraubende gerichtliche Auseinandersetzung zu erreichen. Auch hier eröffnet der BDIU mit dem Ombudsmannverfahren einen schnellen und kostengünstigen Weg, die aufgetretenen Misshelligkeiten zu beseitigen. Im Sinne der Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege ist es also auf der einen Seite unbedingt erforderlich, dass ein Verband von Inkassounternehmen aktiv ein justizressourcenschonendes Beschwerdemanagement vorhält. In Bezug auf das Ansehen und den Gewinn des Vertrauens beim rechtssuchenden Publikum erweist sich der Ombudsmann auf der anderen Seite als exzellentes Instrument zur Dokumentation einer glaubhaften Konfliktlösungsbereitschaft von Inkassounternehmern. Der Claim des BDIU lautet »Inkasso heißt Verantwortung«. Was sagt denn ein Ombudsmann dazu, und was bedeutet Verantwortung aus Ihrer Sicht? Dieses Leitziel ist meines Erachtens gut gewählt und inhaltlich treffend. Inkasso berührt fundamentale Interessen des Schuldners. Es tangiert ihn nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern kann auch Auswirkungen 39 INTERVIEW Peter Lüttringhaus ist Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bremen und schlichtet unter anderem im Wege der gerichtlichen Mediation. Bereits seit über zwei Jahrzehnten sitzt er als BDIU-Ombudsmann auch der Schlichtungsstelle der Inkassowirtschaft vor. auf seine Bonität, seine Kreditwürdigkeit haben. Hier ist verantwortungsvolles Handeln aufseiten des Inkassounternehmens gefragt, was bei der zu fordernden Sorgfalt in der Sachbearbeitung beginnt und beim gewissenhaften Umgang mit den erhobenen Daten nicht endet. Ein Verband wie der BDIU, der den größten Teil der bundesdeutschen Inkassounternehmer vertritt, muss einerseits bei seinen Mitgliedern die Erkenntnis für dieses verantwortungsvolle Handeln wachhalten und andererseits die Wahrnehmung der Verantwortung durch die Mitglieder beobachten und gegebenenfalls regelnd eingreifen. Der BDIU trägt also mit an der Verantwortung seiner Mitglieder, was den verantwortungsvollen Umgang mit Schuldnern und natürlich auch mit den eigenen Mandanten betrifft. Dieser Verantwortung wird der Verband unter anderem schon dadurch gerecht, dass er eine führende Rolle bei der Ausbildung von Berufseinsteigern übernommen hat – Stichwort: Sachkundelehrgang –, dass er über die Deutsche Inkasso Akademie stetig auf die Fort- und Weiterbildung seiner Mitglieder hinwirkt, seinen Mitgliedern Wohlverhaltensmaßregeln auferlegt – Stichwort: Code of Conduct – und dass er mit dem sogenann- 40 ten Prüfungsausschuss einen Kontrollmechanismus geschaffen hat, der ein etwaiges verantwortungsloses Verhalten von Mitgliedern auch ahndet. Gerade die erwähnten selbst auferlegten Verhaltensmaßstäbe sind die Orientierungsmarken, die die Schlichtung von Konflikten durch den Ombudsmann begleiten. Was wünscht ein Ombudsmann dem Inkassoverband zu seinem 60. Geburtstag? Ich wünsche dem Verband natürlich, dass er auch über den Jahrestag hinaus wächst, blüht und gedeiht. Insbesondere wünsche ich mir, dass er den vor Jahren eingeschlagenen Weg der selbstkritischen Eigenbeobachtung fortsetzt und nicht beim erreichten Status quo verharrt. Auch Inkasso nimmt an gesellschaftlichen und technischen Veränderungen teil, und hier ist es unbedingt notwendig, ständig zu prüfen, ob man in der Wahrnehmung seiner eben beschriebenen Verantwortung noch den State of the Art gewährleistet. BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW ENGAGIERT Inkasso als Seismograf der Wirtschaft Kommunikation zur Arbeit von Inkassounternehmen und Professionalisierung in der Verbandsarbeit – das waren zwei wichtige Themen für Wolfgang Spitz, der seit 2008 Präsident des BDIU ist. Im Inter view blickt der Jurist auf drei Jahrzehnte Engagement für den BDIU zurück. H err Spitz, nach acht Jahren als Präsident scheiden Sie im April 2016 aus Ihrem Amt aus. Was waren die wichtigsten Themen, die Sie in dieser Zeit vorangebracht haben? Da fällt mir zunächst das Thema Öffentlichkeitsarbeit ein. Inkassounternehmen haben bei vielen Journalisten nicht unbedingt den allerbesten Ruf. Gerechtfertigt ist das nicht. Aber dass viele Journalisten viele Jahre ein eher schlechtes Bild über unsere Branche hatten, lag zu einem nicht unerheblichen Teil auch darin begründet, dass die Inkassowirtschaft zu wenig nach außen gegangen ist. Wenn man über einen Beruf oder sogar eine ganze Branche nichts Konkretes weiß, wenn man keine Vorstellung davon hat, welche Personen, welche Frauen und Männer in diesem Berufszweig aktiv sind, dann bietet das eine Projektionsfläche, auf der sich Vorurteile ausbreiten und negative Voreinstellungen sogar noch verstärken können. Das lag sicherlich auch daran, dass einige Inkassounternehmen in der Vergangenheit nicht immer nur gute Erfahrungen mit den Medien gemacht haben. Inkasso ist oft erst dann ein Thema für Journalisten, wenn irgendetwas beim Einzug von Forderungen nicht regulär abläuft. Das kommt nicht besonders oft vor, wie man an zwei Zahlen gut ablesen kann, die ich in diesem Zusammenhang gerne nenne: Fast 20 Millionen außergerichtliche Mahnungen bearbeiten die Mitgliedsunternehmen des BDIU pro Jahr. In den letzten zwölf Monaten sind aber nur rund 500 Beschwerden beim BDIU über die Arbeitsweise unserer Mitglieder eingegangen. Das zeigt: In den meisten Fällen funktioniert Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Inkasso völlig ohne Probleme. Aber wo Menschen arbeiten, da können eben auch Fehler passieren – wer wollte das bestreiten? Und beim Inkasso, wo es um unbezahlte Rechnungen geht und damit oft auch private, wirtschaftliche und sehr individuelle persönliche Schicksale eine Rolle spielen, können solche Fehler beim Forderungseinzug dann auch manchmal recht gravierende Folgen nach sich ziehen. Dessen sind wir uns bewusst, übrigens auch, indem wir unsere Mitarbeiter gerade auch für solche Dinge sensibilisieren. Inkasso, das ist ein Job, den man nur mit Empathie und Einfühlung in die Bedürfnisse und individuelle Situation des jeweiligen Gegenübers erfolgreich erledigen kann. Jedenfalls heißt das für das Bild der Branche in den Medien, dass viele Inkassounternehmen die Erfahrung gemacht haben, in Negativberichten vorzukommen. Und einige haben dadurch den Eindruck gewonnen, dass Journalisten ausschließlich negativ über Inkassounternehmen berichten wollen – woraus viele Branchenunternehmen und auch der Verband selbst lange Zeit die Konsequenz gezogen haben, nur gelegentlich oder sogar gar nicht mit den Medien zu reden. Das war sicherlich falsch und hat eher dazu geführt, ein bestehendes Negativbild noch zu verstärken. Mir war es wichtig, den Dialog mit den Medien zu suchen. Damit sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild davon machen kann, was Inkassounternehmen leisten und welchen wichtigen Beitrag zum Funktionieren unserer Volkswirtschaft sie leisten. Die Pressekonferenzen, die wir zweimal pro Jahr geben, sind dafür ein sehr 41 INTERVIEW wichtiges Instrument. Denn hier liefern wir Informationen, die die Öffentlichkeit und insbesondere auch Wirtschaftsjournalisten brauchen, nämlich: Wie entwickelt sich die Zahlungsmoral im Land, und was sind die Gründe, warum einige Verbraucher und einige Unternehmen ihre Rechnungen nicht wie vereinbart begleichen? Das sind Informationen, die in dieser Form nur die Inkassounternehmen liefern können. Ich habe dafür gerne das Bild eines Seismografen verwendet. Inkassounternehmen bearbeiten Aufträge von über 500.000 Auftraggebern aller Branchen – vom Handwerk über den Handel bis hin zur Dienstleistungswirtschaft. Dabei führen sie pro Jahr gut 5 Milliarden Euro dem Wirtschaftskreislauf wieder zurück. Erschütterungen beim Zahlungsverhalten bemerken sie sofort. Sie sind damit also so etwas wie ein Seismograf der Wirtschaft. Und wenn dieser Seismograf ausschlägt, dann sollten wir als Branchenverband BDIU eben auch die Öffentlichkeit darüber informieren. Welche Themen waren Ihnen in der Öffentlichkeitsarbeit wichtig? Zum einen natürlich, ein realistisches Bild über die Tätigkeit und die Bedeutung von Inkassounternehmen für die Wirtschaft zu vermitteln. Zum anderen aber auch der Blick auf die Gesellschaft. Ein Beispiel dafür ist das Thema Jugendverschuldung. Dass immer mehr junge Menschen bereits Schulden haben, ist ein bedenkliches Signal für die Zukunft – vor allem, wenn man die Gründe dafür beleuchtet. Oft liegt es nämlich an mangelnder Bildung in einem gerade für den Alltag sehr wichtigen Bereich: Ich meine die Finanzkompetenz. Dieses Thema hat insbesondere meine Kollegin und Vizepräsidentin Marion Kremer aufgegriffen, mit der ich die Pressekonferenzen ja auch immer gemeinsam durchgeführt habe. Mir war es darüber hinaus ein Anliegen, auf die wachsende Verschuldung Älterer hinzuweisen. Hier deutet sich ein Problem an, das unsere Gesellschaft in Zukunft noch sehr beschäftigen wird. als Präsident war nicht die eines Vorturners, der alleine sagt, wo es langgehen sollte. Den offenen Meinungsaustausch habe ich stets geschätzt. Die Mitglieder des Präsidiums kommen ja aus unterschiedlichen Unternehmen. Am Markt sind wir Konkurrenten. Aber wenn wir im Präsidium zusammenarbeiten, treten wir für eine gemeinsame Sache ein. Natürlich hat es oft Diskussionen gegeben und darunter gab es auch den einen oder anderen harten Meinungsaustausch – das gehört dazu. Am Ende aber haben wir immer zu einer gemeinsamen Position gefunden. Diese Gemeinsamkeit hat den Boden für Erfolge in unserer politischen Arbeit gelegt. In der Zeit, in der ich mich für den BDIU engagiert habe, hat es große Veränderungen für die Branche gegeben. Die Politik sieht uns heute in einer gewachsenen Rolle. Waren wir zunächst in den Augen vieler Politiker vor allem Gewerbebetriebe, die sich auf den Einzug von Forderungen spezialisiert haben, sind wir heute laut Gesetz Rechtsdienstleister und werden im Bereich des außergerichtlichen Forderungseinzugs sogar als gleichwertig zu den Rechtsanwälten gesehen. Das ist ein großer Erfolg! Dass wir uns nicht auf diesen Erfolgen ausruhen dürfen, ist allerdings auch klar, und das haben nicht zuletzt die Diskussionen über das so unsäglich betitelte »Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken« gezeigt. Hier ist es uns gelungen, mit Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier prominente Unterstützung zu erhalten. Als er 2014 auf unserer Jahreshauptversammlung sprach, war das für mich ein ganz besonderer Moment: Ein ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts setzt sich für die Belange von Inkassounternehmen ein; das war schon so etwas wie ein Ritterschlag. Prof. Papier hat dargelegt, warum Inkassounternehmen und Rechtsanwälte im Bereich des Forderungseinzugs gleichzusetzen sind – und dass es daher auch nur richtig sein kann, wenn die gleiche Tätigkeit auch das Gleiche kostet. Wie war die Zusammenarbeit mit anderen Branchen? Ein wichtiges Betätigungsfeld für jeden Branchenverband ist die politische Arbeit. Wie war das für den BDIU? Sind Sie dabei immer auf offene Türen und offene Ohren gestoßen? Nicht immer, aber das hat sich über die Jahre meiner Wahrnehmung nach erheblich gebessert. Die Politik ist dialogbereit und will unsere Meinung zu bestimmten Sachverhalten hören. Dahinzukommen, diese Anerkennung zu erhalten – das war eine harte und kontinuierliche Arbeit. Die im Übrigen eine Teamarbeit war – bestehend aus der Geschäftsführung, den Mitarbeitern der Geschäftsstelle, den BDIU-Mitgliedern, die sich in den Arbeitskreisen engagieren, sowie natürlich dem Verbandspräsidium. In diesem obersten Gremium des BDIU war es mir sehr wichtig, dass wir uns als Team verstehen und dass sich jedes Präsidiumsmitglied verantwortlich für sein jeweiliges Ressort sieht. Meine Rolle 42 Auch hier hat es ein Aufeinander-Zugehen gegeben. Viele Branchen sind ja auf die Zusammenarbeit mit Inkassounternehmen angewiesen – und inzwischen sagen das auch viele Vertreter anderer Branchen öffentlich. Die Aktivitäten rund um das »GguG« waren dafür ein schönes Beispiel. Hier hat uns die Vernetzung mit anderen Interessenvertretern gegenseitig sehr genutzt. Ein wichtiger Schritt war dabei sicherlich auch der Beitritt zum Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der in meine Amtszeit fiel. Besonders hervorheben möchte ich auch den freundschaftlichen Dialog mit dem Deutschen Gerichtsvollzieher Bund. Insbesondere zu dessen Bundesvorsitzendem Walter Gietmann hat sich ein über die Jahre gewachsener vertrauensvoller Kontakt aufgebaut. Man BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. INTERVIEW kann sich auch einfach mal anrufen und über eine Sache miteinander unterhalten. Das schätze ich an Gietmann sehr. Wir haben ja viele gemeinsame Themen; zum Beispiel konnten wir bei der Reform der Sachaufklärung durch einen fairen Dialog viel erreichen. Jetzt gibt es einen praktischen Vordruck für einen Zwangsvollstreckungsauftrag, den Inkassounternehmen nutzen können, ohne große Papiermengen mehr bewältigen zu müssen. Zu Beginn Ihrer Präsidentschaft haben Sie gesagt, dass Sie Ihre Aufgabe darin sehen, den Verband zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Ist das gelungen? Ich denke schon, dass das mir und dem Präsidium als Team gelungen ist. Nehmen Sie die Professionalisierung der Geschäftsstelle, die unter Hauptgeschäftsführer Kay Uwe Berg heute erheblich mehr Aufgaben schultert, als das noch vor acht Jahren der Fall war. Die Geschäftsstelle ist deutlich aktiver in Sachen politischer Arbeit, aber auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Auch nach innen hat es eine weitere Professionalisierung gegeben. Durch die Gründung der Deutschen Inkasso Akademie ist die Aus- und Weiterbildung der Branche auf eine breitere und stabilere Basis gestellt worden; die Sachkundelehrgänge, die eine unverzichtbare Grundlage für die Registrierung als Inkassodienstleister schaffen, erfreuen sich weiterhin eines großes Zuspruchs. Und mit der BDIU Card, die im letzten Jahr eingeführt wurde, können die Mitglieder über das Berufliche hinaus auch einen zusätzlichen Nutzen aus ihrer Mitgliedschaft bei uns ziehen. Nimmt man Ihre Zeit im Rechtsausschuss, in den Sie der BDIU 1986 berufen hat, und Ihre Zeit im Präsidium, dem Sie seit 1992 als Mitglied und seit 2008 als Präsident angehören, zusammen, waren Sie jetzt drei Jahrzehnte für den Verband aktiv. Woran werden Sie sich besonders gerne erinnern? Das sind so viele Dinge, dass es den Platz für dieses Interview sprengen würde. Aber zwei Punkte möchte ich besonders hervorheben. Das sind zum einen die Menschen, die ich darüber kennenlernen durfte. Es sind viele interessante, auch menschlich gewinnbringende Kontakte in all den Jahren entstanden, was mir eine sehr große Freude und Ehre war. Stellvertretend für viele möchte ich die Eheleute von Weizsäcker nennen. Richard von Weizsäcker war Ehrengast unserer Jahreshauptversammlung im Jahr 2010, und er hat damals eine sehr beeindruckende Rede über die Verantwortung von Inkassounternehmen auch für die Belange der Zahlungspflichtigen gehalten. Dass wir heute unter dem Sinnspruch »Inkasso heißt Verantwortung« 60 Jahre BDIU feiern, ist sicherlich auch eine Folge dieser mahnenden Worte. Überhaupt schätze ich die Arbeit der Stiftung seiner Ehefrau Marianne von Weizsäcker sehr, sie leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Das Zweite, woran ich mich gerne erinnern werde, ist das Thema Kommunikation, das ich ja bereits erwähnte. Ich fand es immer wichtig, offen und transparent über die Arbeit unserer Branche zu reden. Wir müssen uns wahrlich nicht verstecken. Insofern ist es für mich ein schönes Signal, dass die Jahreshauptversammlung, zu der ich aus dem Amt ausscheide, im Museum für Kommunikation, im historischen Zeitungsviertel und im Herzen der heutigen Bundeshauptstadt Berlin, stattfindet. Einen besseren Ort hätte ich mir nicht vorstellen können. 43 FACTS & FIGURES STATISTIK Ein Wirtschaftszweig in Zahlen Ohne die Inkassounternehmen des BDIU würde es in der Wir tschaft nicht rundlaufen. Die BDIU-Mitglieder helfen, dass Unternehmen das Geld für eine erbrachte Leistung auch tatsächlich erhalten. ZAHLUNGSMORAL-TRENDUMFRAGEN Regelmäßig berichten die BDIU-Mitglieder, wie sich das Zahlungsverhalten von Unternehmen und Verbrauchern entwickelt. Aktuell sieht es bei der Zahlungsmoral sogar ganz gut aus. Die Präsidenten des BDIU von 1956 bis 2016 1956–1967 1967–1969 1969–1970 1970–1973 1973–1974 1974–1986 1986–1990 1990 –1994 1994–2002 2002 –2003 2003–2004 2004–2008 2008–2016 Heinz Windmüller Dr. Dr. Rolf Prenger Kurt Schwinn Bruno Hahn Dr. Wolfgang Mosiek Felix Faulstich Kurt Weckert Erich Muchow Ulf Giebel Dieter Plambeck Hans-Joachim Leister Stephan Jender Wolfgang Spitz Wie hat sich das Zahlungsverhalten verändert? Stand: Anfang 2016 (im Vergleich zu Mitte 2015) 29 % gebessert 61 % unverändert 10 % verschlechtert Die Mitgliederentwicklung von 1956 bis 2016 600 550 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 1956 44 1966 1976 1986 1996 2006 2016 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. FACTS & FIGURES Inkasso ist erfolgreich: 80 % Erledigungen 3,4 Mio. 15,4 Mio. Erledigungen Übergaben ins gerichtliche Verfahren Gesamtanzahl der außergerichtlichen Mahnungen: 18,8 Mio. (bezogen auf 2011) Pro Jahr bearbeiten Inkassounternehmen 18,8 Millionen außergerichtliche Mahnungen. In 80 Prozent aller Fälle sorgen sie für eine Klärung – und verhindern so kostspielige und aufwendige gerichtliche Mahnverfahren. Das entlastet Gläubiger und die Justiz gleichermaßen. (Stand: 2012) Quelle: BDIU-Studie »Der Inkassomarkt in Deutschland« von 2012 500.000 Auftraggeber 5 Milliarden Euro Gut eine halbe Million Gläubiger aus allen Wirtschaftszweigen setzen auf die Zusammenarbeit mit Inkassounternehmen. Durch das so zurückfließende Geld werden Unternehmen finanziell stabilisiert, Insolvenzen verhindert und Millionen von Arbeitsplätzen gesichert. So viel Geld führen die Inkassodienstleister durch ihre Tätigkeit pro Jahr wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück. Auf jeden Verbraucher umgerechnet sind das 125 Euro. Das ist Geld, das die Gläubigerfirmen sonst über höhere Preise erwirtschaften müssten. Inkassounternehmen tragen damit zu einer echten Entlastung aller Verbraucher bei. Das sind die Auftraggeber der Inkassounternehmen (Mehrfachnennungen möglich) 1 Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Versicherungen 19 Telekommunikation 22 Energie 27 Banken 28 Groß-/Außenhandel 45 Versandhandel 46 Einzelhandel 47 Gesundheitswesen 54 Handwerk 65 Sonstige1 68 z. B. öffentliche Hand, Wohnungswirtschaft, Fitnessbranche, Dienstleister, Freiberufler 45 STANDPUNKT Verantwortung heißt für mich … Die führenden Ver treter der deutschen Inkassowir tschaft nehmen Stellung. Wolfgang Spitz, Präsident des BDIU » Marion Kremer, Vizepräsidentin des BDIU » Als Inkassounternehmen tragen wir nicht nur die Verantwortung für einen fairen Interessenausgleich zwischen den Belangen von Gläubigern und säumigen Zahlern. Wenn wir unsere Arbeit gut erledigen, dann tragen wir auch dazu bei, dass Firmen nicht insolvent werden, dass gut finanzierte Unternehmen Jobs sichern und neue schaffen können und dass die Preise für alle stabil bleiben. Und darauf bin ich stolz. Wer Verantwortung zeigt, der bedenkt bei all seinem Handeln die Folgen für Menschen, Wirtschaft und Umwelt. Hans-Joachim Leister, Vizepräsident des BDIU Kirsten Pedd, Mitglied im Präsidium des BDIU » » Verantwortung bedeutet Fairness, Respekt und Wertschätzung gegenüber anderen – sowohl im Job als auch im Privaten. Ich versuche dabei stets, andere Menschen genauso zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Verantwortung bedeutet für mich, dass man zu dem steht, was man sagt, und sein Handeln – ob geschäftlich oder privat – so ausrichtet, dass man sich auch der Konsequenzen seines Handelns bewusst ist. 46 BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. STANDPUNKT Andreas Aumüller, Mitglied im Präsidium des BDIU » Thomas Kohlmeier, Mitglied im Präsidium des BDIU » Unser verantwortungsvolles Handeln kann die wichtigste Grundlage für unser Tun entstehen lassen: das Vertrauen unserer Kunden – Gläubiger und Schuldner zugleich. Wir müssen es uns in der täglichen Arbeit verdienen, mit Gesetzestreue, Transparenz, Augenmaß, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit. Inkasso ist Verantwortung. Macht und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden – dieses Zitat von Konrad Adenauer bringt die Sache auf den Punkt. Auf die Inkassowirtschaft bezogen heißt das für mich: den möglichst kostenschonenden Ausgleich der Interessen zwischen Gläubigern und Schuldnern in den Mittelpunkt zu stellen und auf eine faire und lösungsorientierte Kommunikation zu achten! Anke Blietz, Mitglied im Präsidium des BDIU » Inkassowirtschaft || APRIL 2016 Axel Kulick, Schatzmeister des BDIU » Als Inkassounternehmen übernehmen wir Verantwortung in unterschiedlichsten Bereichen. Wir tragen Verantwortung für unsere Kollegen und unsere Aufgabe. Dabei bauen wir auf Loyalität und Sachlichkeit. Flexibilität im Handeln und Denken und Zuverlässigkeit in ihren Aussagen zeichnen unsere Mitarbeiter aus. Verantwortung gegenüber unseren Kunden zeigen wir durch volle Leistungsbereitschaft und Unterstützung über das übliche Maß hinaus. Nur so schafft man Vertrauen. Und nur so ist erfolgreiches Wirtschaften möglich. Verantwortung bedeutet für mich erstens: Entscheidungen zu treffen, diese umzusetzen und auch dazu zu stehen. Zweitens: andere Meinungen zu akzeptieren, durchaus kontrovers zu diskutieren, um dann im Interesse der Sache einen Konsens oder gegebenenfalls Kompromiss zu finden. Und drittens: auch im Privatleben zu seinem Beruf zu stehen. 47