15 August 2014

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15 August 2014
NR. 43, 15. AUGUST 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
USA
AUFSCHWUNG
IN DER MLS
SEPP BLATTER
FÜR DEN
VIDEOBEWEIS
KAMERUN
TV-KNOW-HOW
SEIT ITALIA 90
Neue Horizonte
Indien
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L
6
15
England
Die Premier-League-Saison beginnt am Wochen­
ende und verspricht, eine der besten überhaupt
zu werden. Nicht weniger als fünf Klubs kämpfen
um die Vorherrschaft in England.
16
Island
Die Skandinavier verpassten die Qualifikation
für die WM 2014 erst im Playoff gegen Kroatien.
Der Achtungserfolg kommt nicht von ungefähr:
Der Fussball auf der Insel gedeiht – auch in der
heimischen Urvalsdeild.
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Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
Indien auf dem Sprung
Mit Altstars des Weltfussballs soll in Indien das
Interesse am Fussball gesteigert werden:
Die Indian Super League ist dem Vorbild der
indischen Premier League im Cricket nach­
empfunden und startet im Oktober. Auch das
Nationalteam soll von dem Aufbruch profitieren.
S epp Blatter
Der FIFA-Präsident ist für die Einführung des
Videobeweises im Fussball. Das Beispiel der
Torlinientechnologie hat zuletzt gezeigt,
wie erfolgreich neue Technologien im Fussball
sein können.
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
37
Kevin Pezzoni
Einst Kapitän der
deutschen U18-Aus­
wahl, verlief Pezzonis
Weg im Profifussball
durch Fanattacken
anders als erwartet.
25
Major League Soccer
Das US-Team hat an der WM
überzeugt. Die MLS ist dabei, den
Schwung mitzunehmen – auch
dank David Beckham in Miami.
Neue Horizonte
Der indische Fussball wächst zurzeit
wieder kraftvoll. Unser Vintage-Cover
zeigt indische Fussballer beim Training
in Uxbridge, Middlesex, während der
Olympischen Spiele 1948 in London.
Getty Images
FIFA
U20-Frauen-Weltmeisterschaft
5. bis 24. August 2014, Kanada
2
T H E F I FA W E E K LY
Olympische
Jugendfussballturniere
14. bis 27. August 2014, Nanjing
Getty Images (2)
The-FIFA-Weekly-App
The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA,
erscheint jeden Freitag in vier Sprachen
und ist auch auf Ihrem Tablet verfügbar.
D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L
Europa
54 Mitglieder
www.uefa.com
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
18
Mixu Paatelainen
Der finnische Nationaltrainer
über die Lehren aus der WM
und die Chancen seines Teams
in der EM-Qualifikation.
30
imago (1), freshfocus (1)
TV-Fussball in Kamerun
Als Roger Milla an Italia 90 seine
vier Treffer erzielte, nahm in der
Hauptstadt Yaoundé der
WM-Fussball im Kameruner TV
seinen Anfang.
FIFA
Klub-Weltmeisterschaft
10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
FIFA
U20-Weltmeisterschaft
30. Mai bis 20. Juni 2015, Neuseeland
FIFA
Frauen-Weltmeisterschaft
6. Juni bis 5. Juli 2015, Kanada
T H E F I FA W E E K LY
3
© 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
instinct
takes over
#predatorinstinct
adidas.com/predator
UNCOVERED
Ausverkauftes Haus Die Partie zwischen Real Madrid und Manchester United zog in Ann Arbor, Michigan, Anfang August die Massen an.
American Football
A
merican Football – damit wird ein Sport bezeichnet, bei dem der Ball in
erster Linie mit der Hand gespielt wird und vor allem in Nordamerika sich
grosser Beliebtheit erfreut. Und doch drängt in den USA der Fussball in der
Variante des Assoziationsfussballs immer mehr auf die grosse Sportbühne. Ist
es dort nur eine Frage der Zeit, bis man American Football sagt, wenn man
eigentlich den heimischen Fussball meint? Wohl nicht. Aber der Fussball in den
USA scheint – gerade auch im Nachklang der WM – zu einem grossen Sprung
nach vorn anzusetzen, wie Randy O. Williams aus Los Angeles berichtet.
A
Paul Sancya / Keystone / A P
uch in Indien regt sich einiges. Eine mit diversen Altstars des Weltfussballs
geschmückte Liga soll die Aufmerksamkeit für den Fussball erhöhen. Schon
jetzt aber stellt Indien den am schnellsten wachsenden Markt im Weltfussball dar, und 2017 wird der FIFA-U17-WM-Titel in Indien vergeben. Santosh K.A.
berichtet aus dem Subkontinent.
N
ach den überaus positiven Erfahrungen mit der Torlinientechnologie an der
WM in Brasilien spricht sich FIFA-Präsident Blatter in seiner wöchentlichen
Kolumne nochmals mit Nachdruck für die Einführung des klar reglementierten Videobeweises aus. Å
Perikles Monioudis
T H E F I FA W E E K LY
5
Indien
Eine Aufnahme in den
Strassen von Kalkutta.
6
T H E F I FA W E E K LY
Atul Loke / Panos
INDIEN
INDIEN
AUF DEM
SPRUNG
T H E F I FA W E E K LY
7
INDIEN
Der indische Fussball war einst die Nummer eins in Asien. Heute liegt die
­Nation mit den rund 1,2 Milliarden Einwohnern im FIFA-Ranking hinter
Afghanistan oder Vietnam. Eine neue Liga soll den Aufschwung bringen.
Santosh K.A., Kannur (Kerala), Indien
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T H E F I FA W E E K LY
Gründe für den Abstieg
Es wird schon lange darüber diskutiert, warum es zu einem Abstieg des indischen Fussballs kam. Das grosse Land mit seinen rund
1,2 Milliarden Einwohnern – es galt fussballtechnisch einst immerhin als die Nummer
eins in Asien – rangiert heute in der FIFA­Weltrangliste auf Platz 150, also noch hinter
Afghanistan oder Vietnam, die derzeit punktgleich auf Platz 129 liegen.
Aber wo schlummern die Gründe? Viele
Faktoren haben zu dem Abstieg beigetragen.
Da wäre zum einen die mangelnde Unterstützung von Seiten der Regierung, obwohl der
DIE FIFA IN INDIEN
2012 wurde zwischen der
FIFA und dem AIFF eine
Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) unterzeichnet. In
dieser werden die Ziele
und Prioritäten des AIFF
für seine Entwicklung
offiziell festgehalten und die jeweiligen Aufgaben
der FIFA und des AIFF skizziert, um diese Ziele zu
erreichen. Die FIFA unterstützte die Erstellung des
Strategieplans des AIFF sowie die Überarbeitung
seiner organisatorischen Strukturen und seines
Finanzmanagements und leistete Unterstützung
für die folgende Restrukturierung. Seit 2012
wurden elf FIFA-Kurse in den Bereichen Schiedsrichterwesen, Basisfussball, Jugendfussball und
Trainerausbildung abgehalten. Die FIFA ist
ausserdem an der Erstellung des U17-Legacy­Programms beteiligt. Insgesamt hat die FIFA seit
1999 über die Programme “FAP”, “Goal” und “In
Indien mit Indien gewinnen” über 14 Millionen
US-Dollar in Indien investiert.
Fussball von Politikern geleitet wird. Zum anderen gab es keine ernsthafte Entwicklung im nationalen Nachwuchsbereich. In den 80er-Jahren
war auch der Golf-Boom in Indien ein Faktor
dafür. In den Schulen wurden den Kindern nie
technischen Fertigkeiten vermittelt.
Da waren einst viele Turniere auf nationalem Niveau, aber sie gerieten in Vergessenheit. Die Spielfelder liess man verfallen. Zog
sich ein Spieler eine schwere Verletzung zu,
bedeutete das für ihn gleichzeitig das Aus im
aktiven Fussball. Profifussballer zu werden
ist eine Chance, aber sie ist in Indien nicht
sehr gross.
Ein Meilenstein 1996
Im Jahr 1992 unternahm die FIFA erste Schritte, um dem Land zu helfen. Zwei Mitglieder
der Technischen Kommission reisten nach
Indien. Sie sollten herausfinden, woran es
dem indischen Fussball mangelte: Im Dezember 1996 wurde dann vom Indischen Fussballverband (AIFF) die National Football League
eingeführt. Ein Meilenstein. Es war die erste
nationale Liga Indiens.
Ein weiterer wichtiger Schritt war die Eröffnung des Entwicklungsbüros in Neu-Delhi.
2012 wurde diese Einrichtung aus Colombo
(Sri Lanka) verlegt.
Im Rahmen des FIFA-Projektes “Goal”
wurden fünf regionale Akademien eingerichtet, jeweils eine in Mumbai, Kalkutta und
Bangalore sowie zwei in Goa. Mit dem lancierten Programm “In Indien gewinnen” wurden
zudem in Mumbai, Shillong, Imphal, Bangalore, Goa und Kalkutta Kunstrasenplätze gebaut. Auch wird der Cooperage Football
Ground in Mumbai modernisiert und um eine
Flutlichtanlage, Tribünen, Umkleidekabinen,
eine Medientribüne und einen Konferenzraum erweitert.
Nimish Jain, Rajesh Kumar Singh / Keystone / AP,
N
achdem der ehemalige FIFA-­
Präsident Sir Stanley Rous die
Inder bei den Olympischen
Spielen 1960 in Rom beobachtet
hatte, bemerkte er: “Die Zeit ist
nicht mehr fern, in der asiatische Länder wie Indien lateinamerikanische und europäische
Topteams besiegen werden.”
Damals war er Sekretär des
­englischen Fussballverbandes.
Indien verlor nur knapp mit
1:2 gegen Ungarn, rang Frankreich ein 1:1 ab
und unterlag Peru am 1. September 1960 1:3.
Den einzigen Treffer für das indische Team
­erzielte damals Stürmer Simon Sunder Raj.
Seitdem sind 54 Jahre vergangen – Indien hat
sich nicht mehr für die Olympischen Spiele
qualifizieren können. Die von S.A. Rahim trainierte und von Kapitän P.K. Banerji angeführte
Mannschaft von damals gilt als das bis jetzt
beste indische Team.
Wenn wir das Rad der Zeit noch etwas weiter zurückdrehen, erkennt man, dass sich der
indische Fussball von Anfang an damit schwer
tat, im internationalen Geschäft Fuss zu ­fassen.
Zwar hätte Indien 1950 an der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien teilnehmen können.
Doch der Verband zog zurück, weil die Spieler
daran gewöhnt waren, barfuss zu spielen. Nach
den Vorschriften des Weltfussballverbands war
das Tragen von Schuhen aber vorgeschrieben.
Erst 1985 unternahm Indien wieder einen
­Versuch, sich für die WM 1986 in Mexiko zu
qualifizieren. Doch das Team scheiterte bereits
in der ersten Runde.
Erwähnenswert in der Geschichte des indischen Fussballs ist dafür ein Erfolg auf kontinentaler Ebene: Beim AFC Asien-Pokal gab es
1964 einen zweiten Platz. Man verlor im Finale
gegen Israel 0:2.
INDIEN
FC Bengaluru
Das Team aus der
drittgrössten Stadt
Indiens hat Grund
zum Jubeln.
Universität
Allahabad
Indische Jugendliche
beim Fussball am
Nachmittag.
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9
INDIEN
Zeitdokument
Kinder spielen 1921 am Fuss
des Himalayas Fussball.
Und heute
Stretching im
­Maidan-Park
in Kalkutta.
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INDIEN
Da waren viele
Turniere auf
nationalem Niveau,
aber sie gerieten
in Vergessenheit.
INDISCHE SUPER LEAGUE MIT REGEM ZULAUF
Corbis (2), Atul Loke / Panos
Euphorisch Spieler des East Bengal FC feiern ihren Sieg im Halbfinale des IFA Shield 2013.
ISL in wichtiger Phase
Die Indian Super League, funktioniert mittlerweile nach dem Vorbild der indischen Premier
League im Cricket. Unter den siegreichen
­B­ietern für die acht Fran­chise-Teams sind die
Cricket-Grössen Sachin Tendulkar und Sourav
Ganguly. Praful Patel, Präsident des Fussballverbandes AIFF, bezeichnet diese Periode als die
aufregendste in der Geschichte des indischen
Fussballs.
Zu den ausländischen Spielern, die ab Oktober dieses Jahres in der neuen Liga an den
Start gehen, gehören unter anderem Thierry
Henry, Robert Pires, Fredrik Ljungberg,
Dwight Yorke und Louis Saha. Die jüngste
Überraschung ist der Name des FranchiseTeams von Sourav Ganguly, das als Atlético de
Kolkata auflaufen wird, benannt nach dem
spanischen Miteigentümer Atlético Madrid.
Die Spieler von Atlético de Kolkata werden vor
Beginn der neuen Saison zum Training ins
Ausland reisen. Man kann also davon ausgehen, dass endlich eine positive Entwicklung
im indischen Fussball in Gang gesetzt wurde.
Der ehemalige Sekretär des indischen Verbandes und Mitglied der FIFA-Berufungskommission P.P. Lakshmanan sagt: “In der Super
­League werden Weltklassefussballer zu sehen
sein. Sicher werden dafür viele Fans in die
­Stadien strömen. Um dem indischen Fussball
noch mehr Leben einzuhauchen, müsste man
auf Schulniveau beginnen.” Å
D
ie eigentliche indische Liga, die I-League,
startet nach der Indian Super League in
ihre neue Saison. Die ISL, die somit zusätzlich zur eigentlichen indischen Liga ihren
sehr kurzen, zweimonatigen Betrieb aufnehmen wird und damit eher ein Turnier
darstellt, hat in Indien für einigen Gesprächsstoff
gesorgt. Nichtsdestotrotz kann die ISL namhafte
Zugänge verzeichnen. Seit Neuestem engagiert
sich auch ein ehemaliger Europapokalsieger der
­Landesmeister im indischen Fussball-­Oberhaus:
Der Klub Feyenoord Rotterdam tritt damit in die
Fussstapfen des aktuellen spanischen Meisters
und Traditionsklubs Atlético Madrid, der seit dem
7. Mai dieses Jahres Anteilseigner an ­Atlético de
Kolkata ist. Nun ist sich auch Feyenoord mit den
in Delhi ansässigen Delhi Dynamos über eine
­Kooperation einig. Die Niederländer unterstützen
ihren neuen indischen Partner demnach in ­seiner
allgemeinen Entwicklung, indem sie in der ersten
Saison, die von Oktober bis Dezember ausgetragen wird, Spieler und Betreuer abstellen.
­Kooperation und Name der Mannschaft wurden
am 17. Juli im Jawaharlal­-Nehru-Stadion in Neu-­
Delhi ­bekanntgegeben, wo die Dynamos ihre
Heimspiele austragen werden. Gido Valder, Feye­
noords Verantwortlicher für internationale Beziehungen, verlieh dabei seiner Hoffnung Ausdruck,
dass die gewährte Hilfe zu einer Steigerung des
fussballerischen Niveaus in Indien beitragen
wird. Später wurde Harm van Veldhoven zum
Cheftrainer der Dynamos ernannt. Erster Cheftrainer der indischen Super League war jedoch
­ ntonio López. Atlético de Kolkata stellte den
A
­ehemaligen bolivianischen Nationaltrainer und
Übungsleiter von Atlético ­Madrid und Valencia
­bereits am 7. Juli 2014 vor.
Die reguläre Saison der ISL findet von Oktober
bis November statt; die Finalserie im November
und Dezember. Während der regulären Saison
treffen die Mannschaften im Rahmen von Heimund Auswärtsspielen zweimal auf­einander. Die
ersten vier Mannschaften qualifizieren sich für die
Finalserie. Die Halbfinals werden mit Hin- und
Rückspiel ausgetragen, das Finale hingegen in nur
einem Endspiel. In jeder Mannschaft muss es einen so genannten “Marquee Player” als populären Zuschauer­magneten geben. Vorgeschrieben
sind zudem sieben weitere ausländische Spieler.
Von d
­ iesen sieben ausländischen Spielern können
allerdings lediglich zwei von den Vereinen ­direkt
unter Vertrag genommen werden, die anderen
fünf werden zugelost. In jeder Mannschaft müssen 14 Spieler aus Indien stehen, davon jeweils
vier aus derjenigen Stadt, in der das Team beheimatet ist. UEFA-Champions-­
L eague-Gewinner
Luis García war der erste “Marquee Player”, der
in der ISL unterschrieb. Atlético de Kolkata nahm
ihn am 8. Juli 2014 unter Vertrag. Kurz darauf
unterschrieb der spanische Weltmeister Joan
Capdevila bei North East United in Guwahati. Der
französische Weltmeister David Trezeguet läuft
künftig für den FC Pune City auf. Mit weiteren
­spektakulären Vertragsunterschriften in den kommenden Tagen darf gerechnet werden.
Santosh K.A.
T H E F I FA W E E K LY
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Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™
ist, wo jeder von uns sein will.
INDIEN
Stars im Herbst ihrer Karriere
Glanz für die ISL Der französische Welt- und Europameister Robert Pires ist auf dem Sprung.
Paul Gilham / Getty Images
I
ndien bekommt eine neue Fussball-Liga auf
Franchise-Basis und Altstars wie Robert Pires
und Joan Capdevila sollen ihr etwas mehr Glanz
verleihen. Kritiker jedoch bemängeln, dass in
die Jahre gekommene Ex-Profis aus Europa
kaum eine Entwicklungshilfe für den Fussball
auf dem Subkontinent darstellen dürften. Am
­Montag unterschrieb mit Robert Pires der nächste
grosse Name für die Indian Super League (ISL), die
am 12. Oktober in ihre erste Saison geht. Acht
Mannschaften spielen bis zum 20. Dezember 2014
die Meisterschaft in Indien aus.
Noch steht nicht fest, in welcher Mannschaft
der 40-jährige Pires spielen wird – nur, dass er mit
Freddie Ljungberg auf einen ehemaligen Mitspieler
von Arsenal London treffen wird. Der spanische
Weltmeister Capdevila hingegen ist sich bereits
seit dem 16. Juli mit North East United einig.
­Capdevilas Landsmann Luis García läuft für das
Franchise aus Kalkutta auf, dessen Miteigentümer
Atletico Madrid ist. Der ehemalige englische Nationaltorhüter David James (früher Liverpool) hat
der indischen Liga ebenfalls schon zugesagt.
“Ich freue mich sehr, Teil einer neuen Liga zu
sein. Die Fussballleidenschaft in Indien wird immer
grösser”, wird Pires im offiziellen Twitter-Feed der
ILS (@IndSuperLeague) zitiert. “Es wird grossartig,
vor den enthusiastischen indischen Fans zu spielen
und mein Wissen mit meinen Teamkollegen zu
­teilen”, so der ehemalige Arsenal-Mittelfeldspieler.
Allerdings sind nicht alle davon überzeugt,
dass die als Zuschauermagneten eingeplanten so
genannten “Marquee Players” bei Fans und Mitspielern ankommen werden, zumal sie alle ihren
Zenit schon mehr oder minder deutlich überschritten haben. “Das ist eine gute Marketingstrategie,
aber letztlich steht und fällt alles mit dem fussballerischen Niveau”, findet etwa der ehemalige indische Nationalspieler Satyajit Chatterjee. “Junge
Fans wollen guten Fussball sehen, wie sie ihn aus
der englischen Premier League, der Primera
­División oder der Bundesliga kennen. Mit weniger
werden sie sich nicht zufriedengeben. Ich glaube
nicht, dass Spieler, die ihre beste Zeit hinter sich
haben, diese Art Fussball bieten können”, befürchtet Chatterjee, der als einer der besten offensiven
Mittelfeldspieler Indiens angesehen wird. “Die erste Saison wird noch den Bonus haben, dass alles
neu ist, aber wie hält man die Fans bei der Stange,
die erstklassigen Fussball sehen wollen? Ich bin
nach wie vor der Meinung, die Organisatoren hätten sich um aktuell aktive Spieler aus Europa und
­Lateinamerika bemühen sollen, auch wenn sie
­einen Lionel Messi nicht bekommen hätten. Es ist
ein neuer Versuch, den ich begrüsse. Aber ich habe
meine Zweifel, dass es eine gute Idee ist, Fussballer
aus dem Ruhestand zurückzuholen und als
­Zuschauermagneten einzuplanen”, so Chatterjee
weiter, der 15 Jahre lang für Mohun Bagan gespielt
und dessen Team nach dem Ende seiner aktiven
Laufbahn kurzzeitig auch trainiert hat.
Fussball-Journalist Jaydeep Basu sieht die am
Turnier Indian Premier League Twenty20 orientierte ISL als logisches Ziel für alternde Spieler. “Im
Spitzenfussball können sie nicht mehr mithalten,
da wird die Auswahl entsprechend kleiner. Es gibt
gutes Geld und die Meisterschaft ist vergleichs­
weise kurz. Angesichts dessen ist die ISL für die
Spieler eine logische Wahl”, glaubt Basu. “Wir sollten keine überzogenen Erwartungen an sie haben.
Im Fussball kann einer allein nichts bewirken. Die
Altstars können das Niveau des Fussballs in Indien
nicht heben. Was das angeht, geben zahlreiche
andere Faktoren den Ausschlag.”
Sportart Nummer eins in Indien ist und bleibt
Cricket. Im Fussball dümpelt das Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern hingegen auf Platz 150 der
­FIFA-Weltrangliste herum.
“Schon jetzt zeichnen sich Kinderkrankheiten
in der ISL ab. Es hat allein schon drei Verschie­
bungen gegeben, und vom Marketing abgesehen,
mangelt es an einem soliden Unterbau mit Fachpersonal”, klagt Basu.
Amlan Chakraborty, Neu-Delhi
T H E F I FA W E E K LY
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BLICK IN DIE LIGEN
N
Copa Libertadores
Für den Klub und
den Papst
Sven Goldmann ist Fussball­experte
beim “Tagesspiegel” in Berlin.
Am Ende hat der argentinische Winter doch noch ein
versöhnliches Ende gefunden.
Auch für den prominentesten Fussballfan des
Landes. Jorge Mario Bergoglio weilte gerade
zu einer Dienstreise in der Republik Korea, als
seine Lieblingsmannschaft daheim in Buenos
Aires zur besten Vereinsmannschaft Südamerikas aufstieg. Jorge Mario Bergoglio ist in
Argentinien und überall sonst auf der Welt
besser bekannt als Papst Franziskus, und sein
Herz gehört seit frühester Jugend dem Klub
Atlético San Lorenzo de Almagro. Am Mittwoch nun hat San Lorenzo zum ersten Mal in
der 106 Jahre währenden Vereinsgeschichte
die Copa Libertadores gewonnen. Im zweiten
S
I
Finalspiel gab es ein 1:0 gegen den Klub
Nacional aus Asunción. Das reichte nach dem
1:1 im ersten Spiel eine Woche zuvor in der
paraguayischen Hauptstadt zum Gesamtsieg.
Knapp 50 000 Zuschauer feierten eine
blau-rote Party im Estadio Pedro Bidegain
von Buenos Aires. Das Siegtor schoss, Ironie
des Schicksals, ein in Argentinien geborener
Paraguayer. Néstor Ortigoza verwandelte
nach gut einer halben Stunde einen Elfmeter.
Diego Maradona hatte dem Mittelfeldspieler
mal einen Platz in der argentinischen
Nationalmannschaft in Aussicht gestellt,
aber daraus wurde nichts. Also besann sich
Ortigoza seines paraguayischen Vaters und
lief für dessen Heimat bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika auf. Im Finale der
Copa Libertadores aber war er nun wieder
voll und ganz Argentinier.
Weit weg in Seoul freute sich auch Papst
Franziskus. Vereinsmitglied Nummer 88 235
zahlt zuverlässig seine Mitgliedsbeiträge
und rezitiert fehlerfrei die Spiele der
D
E
Meistersaison 1946. Als im Jahr 2008 das
100-jährige Klubjubiläum anstand, hielt er
dafür eine grosse Messe ab, damals noch als
Erzbischof von Buenos Aires. Sein Pontifikat
währte noch nicht einmal ein Jahr, da
feierte San Lorenzo im Dezember 2013 beim
Torneo Inicial der Primera División einen
ersten Titel unter päpstlicher Aufsicht.
Schon bei der Weltmeisterschaft in Brasilien
hatten die argentinischen Hinchas klubübergreifend grosse Hoffnungen in himmlischen
Beistand gesetzt. An der Copacabana von
Rio de Janeiro trugen sie Transparente mit
der Aufschrift: “Wir haben Messi und den
Papst.” Franziskus spielte das Spiel mit – vor
dem Achtelfinale gegen die Schweiz erklärte
er seiner Schweizergarde symbolisch für
90 Minuten den Krieg. Im Finale aber
wahrte der Heilige Vater Neutralität,
schliesslich ging es gegen Deutschland, die
Mannschaft seines Vorgängers, des emeritierten Papstes Benedikt XVI.
Das Ende ist bekannt. Å
Libertadores-Cup
Die Spieler von
San Lorenzo mit der
begehrten Trophäe.
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T H E F I FA W E E K LY
imago
I
Englands Premier League
Es wird spannend
Andrew Warshaw ist Redakteur
von “Inside World Football”.
Darren Walsh / Keystone / AP Chelsea FC
Die englische Premier League
ist die beliebteste Liga der
Welt und wird von Millionen
Fussballfans auf allen sechs Kontinenten mit
grosser Spannung verfolgt. Die kommende
Saison, die am Wochenende beginnt, verspricht eine der spannendsten überhaupt zu
werden. Ein Blick auf die Spitzenteams
genügt, um zu erkennen, warum es dieses Mal
keinen grossen Favoriten auf den englischen
Meistertitel gibt. Nicht weniger als fünf Klubs
dürften sich an der Ta­bellenspitze ein enges
Rennen liefern – nicht nur um den Titelgewinn, sondern auch um die vier Startplätze in
der UEFA-Champions-League. Und genau das
dürfte den grossen Reiz der kommenden neun
Monate ausmachen, denn fünf Konkurrenten
um vier Plätze – das geht nicht auf.
Manchester City wurde von den Fans des
Lokalrivalen Manchester United lange Zeit
abfällig als die “lauten Nachbarn” betitelt. Ein
Klub, dessen glorreiche Tage längst vergangen
waren, der aber immer noch über eine loyale
und leidenschaftliche Fangemeinde verfügte.
Diese Situation änderte sich indes mit dem
Einstieg der Geldgeber aus dem Nahen Osten,
die den Klub zu einem der reichsten in ganz
Europa machten. Mit dem plötzlichen Überfluss stellten sich auch die so sehnsüchtig
erwarteten Erfolge wieder ein. Unter Coach
Manuel Pellegrini gewann Manchester City
im vergangenen Mai erneut die Meisterschaft,
wie schon zwei Jahre zuvor. Die Frage ist nun,
ob das Team einen erneuten Triumph schaffen kann. Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren hat sich Manchester City auf dem
Transfermarkt relativ zurückhaltend gezeigt.
Viele Experten gehen davon aus, dass sich das
Team in erster Linie auf die Champions
League konzentrieren wird. Doch auch in der
Liga dürfte die Mannschaft zu den stärksten
zählen. Und jedes Team, das am Ende vor
Manchester City landet, hat gute Chancen,
damit auch die Meisterschaft zu gewinnen.
Doch welches Team wird es sein? Diese Frage
lässt sich kaum beantworten, denn die üblichen Verdächtigen haben sich allesamt
deutlich verstärkt. In der vergangenen Saison
mussten die Fans des FC Liverpool die grösste
Enttäuschung verkraften. Erstmals seit 1990
war das Team wieder ganz vorne mit dabei
und verpasste den Titelgewinn am Ende nur
um Haaresbreite. Diese Chance ist nun vorbei,
doch seit dem Verkauf des 31-jährigen Torjägers Luis Suárez an den FC Barcelona hat
Liverpool einen Neuaufbau vorangetrieben,
als gäbe es kein Morgen. Man verpflichtete
Adam Lallana, Rickie Lambert, den deutschen U21-Nationalspieler Emre Can, den
serbischen Flügelspieler Lazar Markovic und
den kroatischen Verteidiger Dejan Lovren.
Wenn ich wetten müsste, was ich manchmal
tue, würde ich durchaus ein paar Euro auf
José Mourinho setzen, der das Team des
FC Chelsea auf mehreren Schlüsselpositionen
verstärkt hat. So holte man aus Spanien den
Verteidiger Felipe Luís, den ehemaligen
Arsenal-Mittelfeldspieler Cesc Fàbregas und
für den Angriff Diego Costa vom spanischen
Meister Atlético Madrid. Nach seiner Rückkehr an die Stamford Bridge musste sich
Mourinho in der vergangenen Saison mit
Platz 3 begnügen. Jetzt will er alle Theoretiker
widerlegen, die behaupten, man solle nie an
eine frühere Wirkungsstätte zurückkehren.
Der FC Arsenal, der über eines der grössten
Stadien des Landes verfügt, wurde in den
vergangenen Jahren immer wieder kritisiert,
weil der Klub seine besten Spieler verkaufte,
ohne sie durch andere Akteure von entsprechender Klasse zu ersetzen. Nun wird das
durch den Ticketverkauf eingenommene Geld
endlich investiert. Der interessanteste Neuzugang dürfte dabei der chilenische Stürmer
Alexis Sánchez sein. Im Mittelfeld wirken die
Gunners wie immer enorm stark aufgestellt.
In der Abwehr hingegen könnte es im Verlauf
einer langen, anspruchsvollen Saison durchaus Probleme geben.
Und damit sind wir bei Manchester United
angekommen. Hier ist nun der überaus
erfahrene Louis van Gaal verantwortlich, und
man darf mit absoluter Sicherheit davon
ausgehen, dass United wieder besser abschneiden wird als in der vergangenen
Saison, in der man nur den nach eigenen
Massstäben katastrophalen siebten Platz
erreichte. Taktikfuchs Van Gaal, der die
Niederlande bei der WM bis ins Halbfinale
führte, dürfte es gelingen, im Old Trafford
wieder für die gewohnte Siegermentalität zu
sorgen. Erneut nicht unter den ersten vier
Teams zu landen, scheint somit für einen
derart prestigeträchtigen und erfolgreichen
Klub wie Manchester United absolut undenkbar – doch eines der genannten Teams muss
es treffen. Wie gesagt, fünf Konkurrenten
um vier Plätze – das geht nicht auf. Å
Ambitionen
Chelseas Coach José Mourinho.
T H E F I FA W E E K LY
15
Mehr als nur ein Jux
Nicola Berger schreibt über Fuss­ball und lebt in Luzern (Schweiz).
Im Frühjahr verpasste Island
die erstmalige WM-Teilnahme erst im Playoff gegen
Kroatien. Der Achtungserfolg ist kein Zufall:
Der Fussball auf der Insel prosperiert, auch
in der heimischen Urvalsdeild. Wer Island
statt mit Vulkangestein und magischer
Naturschönheit in den letzten Jahren mit
Klubfussball assoziierte, der tat das vor allem
wegen UMF Stjarnan. Der Erstdivisionär aus
Gardabaer, einer Stadt südlich der Hauptstadt Reykjavik, schaffte es 2010 mit allerlei
albernen Torjubeln auf Youtube zu einigen
Millionen Klicks. Die Fussballer zelebrierten
ihre Treffer unorthodox, mal als Bobfahrer,
mal als Fischer – und natürlich feierten sie
vor allem sich selbst.
Stjarnan ist jetzt ein Begriff in Teilen der Fussballwelt, immerhin, aber hinter den Kulissen
wird seit Jahren daran gearbeitet, dass die
Appell
Johann Laxdal und
sein Team von
Stjarnan sind
bekannt für ihre
Albernheiten.
16
T H E F I FA W E E K LY
Insel fussballtechnisch für mehr wahrgenommen wird als bloss für Juxe. Der Staat hat in
die Nachwuchsarbeit investiert und IndoorHallen bauen lassen, weil es im Norden während der garstigen Wintermonaten unmöglich
ist, draussen zu trainieren – die Temperaturen
sinken dort auf bis minus 30 Grad.
Von den Investitionen profitiert nicht nur das
erstarkte Nationalteam von Coach Lars
Lagerbäck. Auch die Urvalsdeild ist besser
geworden – soweit das eben möglich ist in
einem Land, das bald einmal an die Limits
stösst mit seinen rund 320 000 Einwohnern
und einem Zuschauerschnitt von 1057 in der
Saison 2013.
Die oberste Liga steht im 97. Jahr ihres
Bestehens, der Halbprofibetrieb läuft von Mai
bis Oktober und umfasst zwölf Teams (davon
sechs aus Reykjavik) und 22 Spieltage. Der
amtierende Meister KR Reykjavik ist mit 26
Titeln der erfolgreichste Klub der Geschichte.
2013 hatte vor allem der bei Middlesbrough
ausgebildete Mittelstürmer Gary Martin (23)
grossen Anteil an der Hausse: Mit 13 Treffern
wurde er Torschützenkönig. Ein Engländer,
der KR zum Titel schiesst – das dürfte den
Gründervätern des Klubs ganz gut gefallen:
Das schwarz-weisse Heimdress schauten sie
sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts beim
verehrten Newcastle United ab.
In der laufenden Spielzeit indes konnte auch
der Brite Martin das in der Qualifikation zur
Champions League an Standard Lüttich
gescheiterte KR nicht nach Wunsch auf Kurs
bringen. Immerhin: Weil der noch ungeschlagene Leader Hafnarfjördur beim Vorletzten
Vestmannaeyjar (dort spielte 2013 der frühere englische Nationaltorhüter David James)
am Sonntag nicht über ein 1:1 hinauskam,
vermochte KR dank einem 2:0 über Keflavik
den Rückstand acht Runden vor Schluss auf
sechs Punkte zu verkürzen.
Titelchancen können sich auch die Spassvögel
von Stjarnan ausrechnen: Sie liegen mit
32 Punkten gleichauf mit Hafnarfjördur. Ihr
Triumph wäre eine Premiere: Die 96 voraus­
gegangen Meisterschaften hatten total zehn
Teams unter sich ausgemacht. Die Entscheidung
könnte erst am finalen Spieltag vom 4. Oktober
fallen: Dann reist Stjarnan zum Showdown nach
Hafnarfjördur. Möglich, dass die Welt davon
später Notiz nehmen wird. Auch auf Youtube. Å
foto Visir
Islands Pepsideild
F I F A ’ S 11
FREE KICK
Spieler mit den
meisten
A-Länderspielen
Ouagadougou
statt Oslo
Thomas Renggli
D
er berühmteste Agent der Welt heisst
Bond – James Bond. Er besitzt die Lizenz
zum Töten. Nicht ganz so brutal geht’s im
Fussball-Business zu und her. Obwohl die Agenten auch hier längst eine tragende Rolle spielen
und den Finger ständig am Abzug und ihr Tatwerkzeug griffbereit haben – das Handy.
Der Fussball-Agent, auch Spielerberater,
Con­
sultant oder Rechtsvertreter genannt,
braucht weder einen Grundschulabschluss
noch einen Leistungsausweis, um seinem
­G eschäft nachzugehen. Allein die Blutsverwandtschaft mit einem Spieler öffnet ihm die
Türe zum Transfermarkt. Gewisse Geographiekenntnisse sind allerdings von Vorteil.
Der Unterschied zwischen Oslo und Ouagadougou kann matchentscheidend sein.
Während auf dem kontinentaleuropäischen
Markt oft leicht beschädigte Auslaufmodelle
(mit gerissenen Kreuzbändern und beschädigten Menisken) zu überteuerten Preisen angeboten werden, sind in Afrika noch unversehrte und willige Schnäppchen zu entdecken. Die
Aussicht, mit dem versprochenen Salär die
ganze Familie über Wasser zu halten, ist für
die jungen Ballzauberer oft Grund genug, alles
stehen und liegen zu lassen und ins nächste
Flugzeug zu steigen. Womit bewiesen wäre:
Spielerberater sind auch Wohltäter im Dienste
der dritten Welt.
Bevorzugter Arbeitsplatz der Hintermänner ist die Tribüne. Aus sicherer Distanz, möglichst weit entfernt von dem ihnen selten
freundschaftlich gesinnten Klubpräsidenten,
getarnt mit dunkler Brille, beobachten sie die
Hauptdarsteller auf dem Rasenviereck mit
scharfem Blick. Sobald einem dieser Akteure
ein Fünf- oder gar Zehnmeter-Pass fast fehlerlos gelingt, der aufs Tor gezielte Ball nur knapp
daneben landet und das Dribbling erst beim
zweiten Gegner endet, notiert der des Schreibens kundige Mann die Rückennummer des
Talents, lauert ihm nach Spielschluss auf und
bietet ihm seine gewinnoptimierenden Dienste
an: “Ich verdopple deinen Marktwert” – falls
ihm nicht bereits ein anderer der zwanzig am
gleichen Match anwesenden Beobachter zuvorgekommen ist und den Marktwert zu verdreifachen verspricht.
Die Agenten sind im modernen Fussball
mindestens so wichtig wie der Ball oder der
Schiedsrichter – ohne sie geht gar nichts. Die
Fussballer, die pro Woche bis zu 20 Stunden
balltretend schuften, können in den restlichen
148 Stunden unter keinen Umständen den geschäftlichen Part ihres Metiers erledigen.
Schliesslich müssen sie auch noch gamen,
skypen, telefonieren, flirten, ausschlafen und
das Tätowierungsstudio ihres Vertrauens besuchen. Deshalb lassen sie liebenswürdigerweise einen Berater an ihrem Einkommen partizipieren. Letzterer zeigt ihnen die besten
Nachtklubs im Radius von 50 Kilometern,
­beschafft einen Offroader mit getönten Scheiben und die neuste Videokonsole. Besonders
schlaue Kicker beschäftigen mehrere Teilhaber, die – mitunter ohne voneinander zu wissen – synchron mit verschiedenen Vereinen
verhandeln (mehrere Handys erwünscht),
gleichzeitig die Medien mit Gerüchten füttern
und so das Geschäft beleben und die Preise
hochtreiben. Auf dem Fussball-Basar gilt: No
News are bad News. Und der Preisüberwacher
ist eine Persona non grata. Å
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
1.
184 Spiele
Ahmed Hassan, Ägypten
In der Nationalmannschaft: 1995–2012
2.
178 Spiele
Mohammed al-Deayea, Saudi Arabien
In der Nationalmannschaft: 1993–2006
3.
177 Spiele
Claudio Suárez, Mexiko
In der Nationalmannschaft: 1992–2006
4.
169 Spiele
Hossam Hassan, Ägypten
In der Nationalmannschaft: 1985–2006
5.
166 Spiele
Iván Hurtado, Ecuador
In der Nationalmannschaft: 1992–2010
6.
165 Spiele
Vitalijs Astafjevs, Lettland
In der Nationalmannschaft: 1992–2010
7.
164 Spiele
Cobi Jones, USA
In der Nationalmannschaft: 1992–2004
8.
163 Spiele
Mohammed al-Khilaiwi, Saudi Arabien
In der Nationalmannschaft: 1992–2001
9.
161 Spiele
Adnan al-Talyani,
Vereinigte Arabische Emirate
In der Nationalmannschaft: 1984–1997
1 0.
156 Spiele
Martin Reim, Estland
In der Nationalmannschaft: 1992–2009
156 Spiele
Sami al-Dschabir, Saudi Arabien
In der Nationalmannschaft: 1992–2006
Quelle: FIFA
(FIFA Ranking & Statistics, Statistical Kit,
16.07.2014)
T H E F I FA W E E K LY
17
Name
Mixu Paatelainen
Geburtsdatum, Geburtsort
3. Februar 1967, Helsinki
Position als Spieler
Stürmer
Stationen als Spieler (Auswahl)
Dundee, Aberdeen, Bolton Wanderers,
Wolverhampton Wanderers, Hibernian,
RC Strasbourg, St. Johnstone, St. Mirren,
Cowdenbeath
Nationalteam Finnland
70 Einsätze, 18 Tore
Stationen als Trainer
Kari Santala, Keystone, Lehtikuva
Cowdenbeath, Turku PS, Hibernian,
Kilmarnock, Finnland
18
T H E F I FA W E E K LY
DAS INTERVIEW
“Die Nordeuropäer kommen zurück!”
Einst war er ein gefürchteter Stürmer. Als Trainer führte er die finnische
Nationalmannschaft ins Vorzimmer der Weltspitze. Jetzt will sich Mixu Paatelainen
mit Finnland erstmals für eine Endrunde qualifizieren.
Die WM in Brasilien war ein herausragendes
Turnier. Wie beurteilen Sie das Gebotene?
Und die WM zeigt, dass es keine kleinen
Nationen mehr gibt …
Mixu Paatelainen: Der Fussball war sehr
offensiv und positiv. Früher spielten die
meisten Mannschaften mit zwei Mann im
zentralen defensiven Mittelfeld und konzen­
trierten sich darauf, den Ball zu halten. Diese
Zeiten sind vorbei. Es bringt nichts, den Ball
zu halten – nur des Ballbesitzes wegen.
Die Mannschaften haben gelernt, schnell
umzuschalten. Der Schlüssel zum Erfolg im
modernen Fussball liegt im “Transition-­
Game”. 2,7 Goals pro Spiel sind herausragende
Werte für eine WM-Endrunde.
Genau. Es kommt nicht mehr vor, dass die
Aussenseiter vier, fünf Tore kassieren. Es gab
in Brasilien nur drei krasse Resultate – und
zweimal waren Titelverteidiger Spanien und
Gastgeber Brasilien die Opfer. Die kleinen
Mannschaften haben viel gelernt – Costa Rica
ist das beste Beispiel. Das Team ist hervor­
ragend organisiert und spielt aus einer grund­
soliden Defensive – aber es besitzt die Quali­
tät, schnell umzuschalten und die Gegner mit
Technik und Schnelligkeit aus dem Gleich­
gewicht zu werfen.
Was das Publikum freut, muss den Trainern
aber zu denken geben. Für den Strategen an
der Seitenlinie stehen Kontrolle und Organi­
sation über allem …
Profitieren die Süd- und Mittelamerikaner auch
vom europäischen Einfluss?
Jeder Trainer denkt an beides: Offensive
und Defensive. Niemand will blind nach vorne
stürmen – das macht keinen Sinn. Was dann
passieren kann, sahen wir im Halbfinale
zwischen Brasilien und Deutschland. Der
Schlüssel liegt darin, die Balance zwischen
Angriff und Verteidigung zu finden. Auch die
Topstars sind heute bereit, nach hinten zu
arbeiten – sogar Messi, Neymar oder James
stellen sich voll in den Dienst der Mann­
schaft. Prinzipiell kann man sagen: Das
Teilnehmerfeld wird immer ausgeglichener.
Und die Spiele werden oft durch Details
entschieden. Taktisch und organisatorisch
spielen mittlerweile die meisten Teams auf
ähnlichem Niveau. Den Unterschied machen
oft die herausragenden Individualisten aus.
Was können Sie als Nationaltrainer eines
kleineren Verbands von der WM mitnehmen?
Sehr viel – wir können die Trends heraus­
spüren und beobachten, in welche Richtung
sich der Fussball entwickelt. Nochmals: Es
geht heute nicht mehr darum, einfach in
Ballbesitz zu kommen, sondern den Gegner
sofort unter Druck zu setzen und ihm nicht
die Gelegenheit zu bieten, sich in sein Ab­
wehrdispositiv zurückzuziehen. Es stimmt:
Finnland ist ein vergleichsweise kleines
Fussball-Land, aber wir spielen einen offen­
siven, optimistischen Fussball – wollen die
Initiative ergreifen und die Gegner unter
Druck setzen. So gesehen, liegen wir im
Trend.
Ja, klar – die Fussball-Welt ist kleiner
geworden. Die besten Spieler aller Nationen
sind in den europäischen Top-Ligen engagiert.
Sie bewegen sich im Alltag auf gleicher
Rhythmus- und Intensitätsstufe.
Worin sehen Sie den Grund, weshalb in Brasilien
so offensiv gespielt wurde? Manche Beobachter
sagen, es habe an der Atmosphäre, am Wetter,
am brasilianischen Lebensgefühl gelegen …
(lacht) Das ist die romantische Einschät­
zung. Ich sehe es nüchterner. Wir haben in
Brasilien wenige Teams gesehen, die mit einem
hohen Pressing operierten. Mannschaften wie
Deutschland oder Holland zogen sich an die
Mittellinie zurück und setzten dort ihre
Gegner unter Druck. Kamen sie dann in
Ballbesitz, besassen sie grosse Räume und
erhielten die Gelegenheit, relativ einfach
hinter die gegnerische Verteidigung zu kom­
men. Das machte das Spiel offener. Das Parade­
beispiel ist das Halbfinale zwischen Brasilien
und Deutschland. Alle sprachen nachher vom
brasilianischen Kollaps. Ich aber sah vor allem
eine herausragend, taktische Leistung der
Deutschen. Trainer Joachim Löw machte einen
fantastischen Job – und die Spieler setzten
seine Taktik perfekt um. Was mich grundsätz­
lich überraschte, war das hohe Tempo in fast
allen Spielen. Das hätte man bei diesen klima­
tischen Voraussetzungen nicht erwartet.
Sagen Sie bitte noch etwas zu den Brasilianern …
Ich möchte nicht über negative Dinge
sprechen. Manchmal hatte ich das Gefühl,
dass die Brasilianer zu viele Emotionen in
ihre Auftritte steckten – nur schon die Art
und Weise, wie sie die Nationalhymne sangen.
Mir kam es vor, als ob sie emotional schon vor
dem Spiel an ihre Grenzen gingen. Da waren
zu viel Leidenschaft und Gefühle drin.
Spanien scheiterte schon in der Gruppenphase.
Markiert die WM das Ende des Tiki-Taka-Stils?
So weit möchte ich nicht gehen. Noch­
mals: Ballbesitz ist nicht mehr alles. Brasilien
war im Halbfinale gegen Deutschland mehr
am Ball … Entscheidend ist, was man mit dem
Ball macht. Das Zauberwort heisst Raumge­
winn. Aber eigentlich spielte Deutschland
sozusagen eine fortschrittliche Form des
Tiki-Taka. Sechs der besten zehn Passgeber
des Turniers waren Deutsche. Dazu kommt
ihre sprichwörtliche Disziplin und Effizienz.
Für Finnland steht als nächstes die Qualifika­
tion zur Euro 2016 bevor. Sie sind bestimmt
glücklich, dass das Feld der Finalrunde auf
24 Teams aufgestockt wurde.
Natürlich freue ich mich darüber. Aber
einfach wird es für uns nicht. Um sich direkt
zu qualifizieren, muss man die Gruppe in den
Top 2 abschliessen – der dritte Platz gibt dir
eine Playoff-Chance. Aber das ist russisches
Roulette. Wir treffen auf Griechenland,
Rumänien, Ungarn, Nordirland und die
Färöer Inseln. Da gibt es keine leichten
Spiele – auch nicht gegen die Färöer. Das
Team ist hervorragend organisiert und weiss,
wie man sich verteidigt. Wir werden die
Qualifikation ruhig angehen und keine
grossen Töne spucken. Natürlich wissen wir,
was wir können und glauben an unsere
Chance. Aber in einer solchen Ausscheidung
braucht es immer Glück.
Für die WM in Brasilien konnte sich keine
nordeuropäische Mannschaft qualifizieren.
Weshalb nicht?
Das gibt es im Fussball. Dänemark verfügt
über ein fantastisches Team. Norwegen hat
Qualität. Die schwedische Mannschaft hatte
Pech, dass sie im Playoff gegen Portugal
antreten musste. Es war eine Verkettung von
unglücklichen Umständen und Zufälligkeiten.
Ich verspreche Ihnen: Wir kommen zurück! Å
Mit Mixu Paatelainen sprach
Thomas Renggli
T H E F I FA W E E K LY
19
First Love
O r t: Teg uc iga lpa , Hondu ras
Datum: 24. September 2007
Zeit: 18 Uhr
20
T H E F I FA W E E K LY
David Alan Harvey / National Geographic
T H E F I FA W E E K LY
21
WOMEN’S FOOTBALL
HAS FLOURISHED
IN RECENT DECADES,
AND FIFA IS HELPING
TO PROPEL THE SPORT
FORWARD AROUND
THE WORLD
USA winning team at the
FIFA U-20 Women’s World
Cup Japan 2012
A springboard to the seniors
The success of women’s football worldwide and
the fact that a youth competition helps to further
strengthen the top level led to the launch of the U-19
Women’s World Championship in Canada in 2002,
which later became the current FIFA U-20 Women’s
World Cup. The USA girls won the first edition by
defeating the hosts in a “dream final” watched by a
bumper crowd of almost 50,000.
Many of the best players in the world, such as Marta
(BRA), Alex Morgan (USA) and Alexandra Popp (GER),
have made the leap from this competition to the senior
FIFA women’s tournament or the Women’s Olympic
Football Tournament.
FIFA U-20 WOMEN’S WORLD CUP
(staged every two years)
TM©
DEBAT T E
PRESIDENTIAL NOTE
Die Meinungen der FIFA.com-User zum
Videobeweis :
Unbedingt! Es sollte einen Schiedsrichter
an einem erhöhten Standort mit Vogel­
perspektive und Zugang zu sofortigen
Video-Wiederholungen geben. Dieser
könnte dann den Hauptreferee anrufen
und für die definitive Entscheidung das
Zünglein an der Waage spielen. Zu vieles
steht und fällt mit menschlichen Fehlern
und es ist offensichtlich, dass es weiterer
Hilfsmittel bedarf, damit der Fussball
seine Integrität nicht verliert. Maradonas
Hand Gottes hätte es so zum Beispiel
nicht gegeben.
Ja, Fussball muss mit anderen Sportarten
mithalten können. Das kann nur durch den
Gebrauch von Technologie geschehen, damit die
Fehler der Unparteiischen minimiert werden.
realdeal99, Schweiz
TruSake, USA
Bogdan_USA, Grossbritannien
Die Schiedsrichter machen zu viele Fehler,
die das Spiel zu stark beeinflussen. Aber
der Videobeweis sollte nur bei folgenden
Vorfällen beigezogen werden: Handspiel,
Elfmeter, Tore, Rote Karten und Abseits.
Ich glaube, er wäre den Schiedsrichtern
grundsätzlich eine grosse Hilfe.
“Fussball muss mit anderen
Sportarten mithalten können.”
Wir müssen unfaire Spielweisen unbedingt
und mit allen erdenklichen Massnahmen
stoppen! Einer der wichtigsten Teile von
diesem wunderschönen Spiel namens Fussball
ist das Fair Play – es muss durchgesetzt
werden!
Jko225, Republik Korea
Die Einführung des Videobeweises würde
mich enttäuschen! Nicht in neuen Regeln
und Technologien liegt die Zukunft des Fair
Play, sondern in den Köpfen der Spieler und
Trainer!
caroneiro96, Frankreich
Meiner Meinung nach sollte der Video­
beweis nicht eingeführt werden! Denn ein
Fussballspiel sollte nicht mit Technologie
vermischt werden – der Zauber ginge dabei
verloren. Dass die Schiedsrichter aufgrund
dessen entscheiden, was sie gesehen haben,
macht das Spiel umso aufregender. Nehmt
dem Fussball nicht die Menschlichkeit!
Teito13, Kolumbien
Ich meine, es braucht den Videobeweis nicht.
Wer soll dann noch da sein, um in die Kämpfe
zwischen den Spielern einzu­greifen?
usmankhanmes, Kanada
“Nehmt dem Fussball nicht
die Menschlichkeit!”
Keine Angst vor
Videos
D
ie Torlinientechnologie an der WM war ein
voller Erfolg. Früher oder später wird sie in
allen Top-Ligen eingeführt. Der Mar­
kierungsspray für Schiedsrichter – vor kurzer
Zeit noch als Kuriosum belächelt – hat sich quasi per Knopfdruck durchgesetzt. In dieser Saison wird er auch in England, Frankreich, Spanien und Italien eingesetzt. Die UEFA will die
Schiedsrichter in ihren Pflichtspielen ebenfalls
damit ausrüsten – und in der deutschen Bundesliga diskutiert man nur noch über den Termin der Einführung.
Die Beispiele zeigen: Technische Hilfsmittel
können den Fussball weiterbringen. Deshalb
möchte ich eine andere von mir am Kongress
in São Paulo am 11. Juni geäusserte Idee nochmals ins Spiel bringen – die Möglichkeit von
Video-Challenges für Trainer bei umstrittenen
Entscheidungen.
Die Bedenken, diese Neuerung könnte den
Charakter des Spiels verändern, ist unbegründet – solange mit diesem Hilfsmittel zurück­
haltend und restriktiv umgegangen wird. Ich
spreche von zwei (möglichen) “Calls” pro Spiel,
pro Trainer – also maximal deren vier.
Diese Interventionen wären nur möglich,
wenn das Spiel ohnehin unterbrochen ist –
also, wenn der Schiedsrichter gepfiffen und
einen aktiven Entscheid gefällt hat. Dies würde
keine zusätzlichen Unterbrüche verursachen
und den Spielfluss kaum stören. Schliesslich
erlebten wir in Brasilien die wohl beste WM der
Geschichte – obwohl zusätzliche Trinkpausen
eingelegt wurden.
Ich lehnte früher technische Hilfsmittel
ebenfalls ab. Doch es bringt nichts, auf Positionen zu beharren und sich an Prinzipien festzuklammern. Unser Anliegen muss es sein, den
Fussball transparenter und glaubwürdiger zu
machen – und die Schiedsrichter in ihrer
schwierigen Aufgabe zu unterstützen.
Ihr Sepp Blatter
T H E F I FA W E E K LY
23
Wir bringen alle
Fans zusammen
Finden Sie neue Freunde und teilen Sie Ihre Begeisterung
in der Bord-Lounge der Emirates A380.
#AllTimeGreats
youtube.com/emirates
Hello Tomorrow
MA JOR LEAGUE SOCCER
Neue Zuversicht US-Team-Anhänger während der WM 2014 am FIFA-Fan-Fest in Rio de Janeiro.
MLS – wird sich der
Süden beweisen?
Die USA haben an der WM in Brasilien gezeigt, dass sie einen modernen Fussball spielen.
Die MLS mit ihrem starken Wachstum und den neuen Franchises grundiert diesen Befund.
Mario Tama / Getty Images
Randy O. Williams, Los Angeles
S
eit dem Scheitern der Teams Tampa Bay
Mutiny und Miami Fusion, die beide
2001 aufgelöst wurden, ist es dem Profi­
fussball im Südosten der Vereinigten
Staaten nicht besonders gut ergangen.
Doch nun wurde kürzlich die Erwei­
terung der Liga um drei neue Franchises aus
dieser Region angekündigt. Orlando wird in der
nächsten Saison debütieren, Atlanta im Jahr
2017 und Miami – abhängig von der Klärung
der Stadion-Frage – möglicherweise ebenfalls
2017. Die Major League Soccer und die neuen
Eigentümer der Franchises sind der Ansicht,
dass sich die Zeiten geändert haben.
“Es hat weniger mit dem früherem Schei­
tern der Franchises als mit der Liga selbst zu
tun. Die MLS ist heute eine viel bessere Liga.
In der Vergangenheit lag es daran, dass die
Qualität des Produkts nicht gut war”, sagt
­Marcelo Claure, einer der Partner des neuen
Franchise in Miami.
“Ich glaube nicht, dass der Grund dafür die
Veränderungen in der Region sind, sondern
das, was im ganzen Land geschieht”, bemerkt
Phil Rawlins, der Präsident des Teams aus
­Orlando. “Das Scheitern von Miami Fusion und
Tampa Bay erfolgte in einer ganz anderen fuss­
ballerischen Ära in diesem Land. Heute weist
der Fussball eine weit grössere und sehr viel
beeindruckendere Wachstumskurve auf.”
Erhöhte Aufnahmegebühren
Tatsächlich leisteten Chivas USA und Real Salt
Lake, als sie 2005 der Liga beitraten, eine Auf­
nahmegebühr (die so genannte Expansion Fee)
von gerade einmal sieben Millionen US-Dollar.
T H E F I FA W E E K LY
25
Erweiterung der MLS Fans von Orlando City Soccer freuen sich auf die höchste US-Spielklasse.
MLS-Bürgschaft aus Europa Superstar David Beckham investiert in den US-Fussball.
Ankündigung des MLS-Franchise Atlanta Die Fangruppe Terminus Legion bringt sich in Stimmung.
26
T H E F I FA W E E K LY
New York City FC zahlte kürzlich 100 Millionen
US-Dollar. Atlanta überwies 70 Millionen – die
Zeiten haben sich also wirklich geändert.
­Da­r über hinaus wuchs die MLS von 13 Teams
im Jahr 2007 auf aktuell 19. Und es gibt keinerlei Anzeichen für eine Verlangsamung.
Arthur Blank, Eigentümer der Atlanta Falcons in der National Football League, wartete
auf den richtigen Moment, um in der gleichen
Stadt ein “Soccer”-Franchise anzusiedeln.
“Wir verfolgen die MLS seit beinahe zehn Jahren sehr aufmerksam und lieben, wo sie sich
jetzt befindet. Angesichts der Verbesserung
des spielerischen Niveaus sowie der Führung
unter Don Garber freuen wir uns darüber, der
Stadt ein Soccer-Erlebnis auf höchstem Niveau zu bringen, das alle Soccer-Fans sehr
stolz machen wird. Wir freuen uns, dass wir
die Gelegenheit dazu haben.”
Von gar keinem Team im Südosten zu der
plötzlichen Ankündigung von drei Franchises –
was sind die Gründe dafür? Auf welche wesentlichen Faktoren – sowohl allgemeine wie auch
städtespezifische – zählen die Liga und die
­neuen Eigentümer, um dieses Mal den Erfolg
sicherzustellen? Ein Aspekt ist die demographische Entwicklung. Damit sind vor allem die
“Young Professionals” (junge Berufstätige) oder
“Millenials” (Generation Y) und die “Hispanics”
(Lateinamerikaner) sowie eine Kombination
dieser Bevölkerungsgruppen gemeint, die in
allen drei Städten rapide wachsen.
Es gibt einen sehr grossen Zustrom von
Menschen aus Lateinamerika in diese Region.
Georgia gehört durchgehend zu den drei Bundesstaaten mit dem stärksten Wachstum in der
hispanischen Bevölkerung. Miami hat bereits
seit Langem eine beträchtliche Lateinamerikaner-Gemeinde. Die Gruppe der Hispanics im
Grossraum Orlando schliesslich hat sich seit
dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt.
“Orlando hat nicht nur einen der am
schnellsten wachsenden Hispanic-Märkte, die
Stadt ist generell eine der ethnisch vielfältigsten Städte der USA. Sehr viele Menschen, die
hier Wurzeln schlagen, kommen aus Europa,
der Karibik oder Mittelamerika und sind mit
dem Fussball aufgewachsen”, sagt Rawlins, der
Eigentümer des Teams in Orlando.
Bezüglich der jüngeren Generation zeigen
jüngste Marktstudien tatsächlich, dass ihre
Vertreter scharenweise vom Fussball angezogen werden.
Stark wachsende Beliebtheit
Professionelle Studien zahlreicher unabhängiger Forschungsgruppen haben ergeben, dass
der Fussball unter den 18- bis 34-Jährigen inzwischen als der zweitbeliebteste Sport (nach
der NFL) mit der NBA gleichgezogen hat. Eine
weitere Studie innerhalb von 60 Tagen offenbarte, dass unter den 12- bis 17-Jährigen die
David Manning / Reuters, Andrew Innerarity / Reuters, David Goldman / Keystone / A P
MA JOR LEAGUE SOCCER
MA JOR LEAGUE SOCCER
Die MLS profitiert
von der Rivalität im
Nordwesten zwischen
Portland, Vancouver
und Seattle.
MLS inzwischen mit der Major League Baseball
gleichauf liegt. Die Welt verändert sich tatsächlich, was die Gewohnheiten einer jüngeren
Generation betrifft.
“Es gab massive Veränderungen in der Bevölkerungsentwicklung im gesamten Südosten.
Insbesondere aufgrund des Zustroms der Millenial-Bevölkerung, die mit dem Fussball aufgewachsen ist”, sagt der Vize-Präsident der
MLS, Dan Courtemanche. “Die Liga ist heute
19 Jahre alt. Diejenigen, die um die 25 sind, kennen kein Leben ohne die Major League Soccer.”
Jim Smith, Vize-Präsident und Chief Revenue Officer für A&B Sports Entertainment,
der unter Arthur Blank arbeitet, erklärt, warum diese Studien den Nagel auf den Kopf treffen. “Die Bevölkerungsgruppe der Young Professionals sind für jeden Sportvermarkter ein
fruchtbarer Boden, der erschlossen werden
will. Die Treue zu einem Profi-Team hat sich
entweder noch nicht entwickelt oder andere
Sportarten verhindern deren Entwicklung.
Und ich glaube, dass der Fussball diese Lücke
perfekt ausfüllt. Hier in Atlanta wird er das
tun. Ich sehe ausserdem den Vorteil, dass viele
der jungen Generation mit der MLS aufgewachsen sind und nun ihr eigenes, frei verfügbares
Einkommen sowie eine natürliche Affinität zu
dieser Sportart haben. Deshalb denke ich, dass
sie eine logische Zielgruppe für uns sind. Es
liegt an uns, die richtigen Dinge zu unternehmen, damit sie das Gefühl haben, dass dies ihr
Franchise ist, nicht das ihres Vaters.”
Anreize verknüpfen
Während Orlando, Atlanta und Miami die
günstige Bevölkerungsentwicklung gemeinsam haben, spielen in jeder Stadt auch jeweils
unterschiedliche Faktoren eine wichtige Rolle.
Zum Beispiel verfügen Atlanta und Miami zwar
über eine robuste Tourismuswirtschaft. Doch
nichts kann mit der weltberühmten Attraktion
in Orlando mithalten – Disney World.
“Wir sind die meistbesuchte Stadt der Welt.
In diesem Jahr wird Orlando die Marke von
60 Millionen Besuchern übertreffen. Das bietet
uns Möglichkeiten, die, offen gesagt, sehr
­wenige Klubs auf der Welt haben. Wir werden
diesen riesigen Markt definitiv erschliessen”,
erklärt Rawlins.
“Die Orlando Magics in der NBA machen es
diesbezüglich ganz gut. Etwa 16 Prozent ihres
Live-Publikums bestehen aus Besuchern der
Stadt. Bedenkt man, dass Basketball global
nicht annähernd so beliebt ist wie Fussball,
wird deutlich, was für eine herausragende Gelegenheit sich hier bietet, um unsere wachsende
lokale Fangemeinde zu ergänzen, nämlich
durch Besucher, von denen viele aus Ländern
kommen, die den Fussball lieben. Unser Ziel für
Orlando ist, dass es überall auf der Welt das
zweite Lieblingsteam wird. Wenn wir auch nur
einen kleinen Prozentsatz von Orlandos 60 Millionen jährlichen Besuchern anziehen können,
sind wir auf dem besten Weg zu diesem Ziel.”
Bedenkt man, dass während der WM die
TV-Zuschauerzahlen in Orlando höher lagen als
in New York City und dass mit 7500 Saison­
tickets mehr als die Hälfte der erwarteten Kapazität an Dauerkarten verkauft wurde, lässt
sich nicht leugnen, dass dort eine grosse Leidenschaft für den Profifussball vorhanden ist.
Für Atlanta wiederum spricht nicht nur ein
brandneues Weltklasse-Stadion, das den Fussball beherbergen soll, sondern auch der tradi­
tionell starke Rückhalt für den Sport. Diese
Kombination “wird uns die Möglichkeit eröffnen, Freundschaftsspiele in den regionalen
Städten wie Birmingham, Charlotte oder Chattanooga auszutragen. Das wird es uns erlauben,
die Begeisterung für Soccer in der Region zu
verbreiten”, sagt Blank. In Atlanta erfolgte
kürzlich der erste Spatenstich für den Bau des
neuen Stadions.
In Miami schliesslich muss sich Claure nur
an seinen Partner wenden, der eine beträchtliche Anziehungskraft hat: David Beckham. “Um
Ihnen ein Beispiel für Davids weltweite Reichweite zu geben: Als er und ich (zusammen mit
Simon Fuller) unsere Partnerschaft bekanntgaben, erhielten wir zahlreiche Anrufe aus Eu­
ropa und von den besten Spielern der Welt. Sie
sagten David, dass sie gerne für uns in Miami
spielen würden. Das macht es so besonders.”
Claure wuchs als Sohn eines Geologen der
Vereinten Nationen in Bolivien auf und brachte
es später in der Mobilfunkbranche Amerikas zu
Reichtum. Als ehemaliger Marketing-Chef der
bolivianischen Nationalmannschaft weiss er,
dass ein ehemaliger Superstar in der Eigentümer-Gruppe hilfreich sein kann, um auch beim
Thema Stadionbau eine Einigung zu erzielen.
Blank in Atlanta ist ebenfalls der Meinung,
dass Beckham für das ligaweite Geschäft gut
ist. “David hat zusammen mit anderen Spielern
dazu beigetragen, nicht nur das Spielniveau der
Liga zu heben, sondern auch das Medieninte­
resse zu steigern. Dies half der MLS beim
­ bschluss von neuen Abkommen, wie beiA
spielsweise für die Fernsehübertragung.” (Ein
neuer TV-Vertrag für acht Jahre mit einem Volumen von 720 Millionen US-Dollar, Red.)
Derbys entwickeln
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor für die
neuen Teams im Süden wird etwas sein, das
Mannschaftssportarten auf der ganzen Welt
antreibt: Rivalitäten. Die MLS profitiert enorm
von der wachsenden Dreier-Rivalität im Nordwesten zwischen Portland, Vancouver und
­Seattle. Rivalitäten sind ein bewährtes Mittel,
um innerhalb einer Fanbasis Loyalität herzustellen. Die neuen Eigentümer sehen in der
­gegenüberliegenden Ecke der Nation im Süd­
osten das Potenzial für einen ähnlichen Effekt.
“Das Potenzial für Rivalitäten hier im Südosten könnte meiner Meinung nach für die
MLS als einigende Klammer wie im Nordwesten dienen”, erklärt Orlandos Rawlins. “Ich
kann mir eine grossartige Rivalität zwischen
Georgia und Florida (wie im College-Football)
vorstellen. Mit Atlanta, Miami und uns selbst
könnte für viele Jahre eine grossartige Dreier­Rivalität entstehen. Es ist eine fantastische
Gelegenheit, um das nachzubilden, was der
Nordwesten mit dem Cascadia Cup macht. Ich
kann mir definitiv einen Pokalwettbewerb zwischen den drei Teams hier unten vorstellen.
Georgia und Florida sind nie besonders gut
aufeinander zu sprechen gewesen, genauso
­
wie Miami und Orlando! Das ist zweifellos ein
gutes Zeichen für die Zukunft der Liga.”
Die Zeiten ändern sich, und das wiederum
ist ein gutes Zeichen für den MLS-Fussball im
Süden. Å
Major League Soccer
Die US-Fussball-Profiliga Major League Soccer
(MLS), 1993 gegründet, nahm ihren Betrieb 1996
mit 10 Teams auf. Heute besteht sie aus 19 Teams
(16 aus den USA, 3 aus Kanada), und 2015 werden 2 weitere Franchises dazustossen. Die MLS
kommt ohne Relegation und Promotion aus und
regelt die Ligazugehörigkeit der Klubs mittels
Franchises. Ausgespielt wird die Meisterschaft in
einer Regular Season (Eastern und Western Conference; das erfolgreichste Team erringt den MLS
Supporters’ Shield), den darauf aufbauenden
MLS Cup Playoffs und schliesslich im MLS Cup,
dem Meisterschaftsfinale. Der Sieger des MLS
Cups ist Meister und qualifiziert sich zusammen
mit dem Sieger des MLS Supporters’ Shield für die
CONCACAF-Champions-League.
T H E F I FA W E E K LY
27
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SPLIT TER
D
ie Fronten sind verhärtet, die Urteile von den gegnerischen Fans mit seltener Eintracht gefällt: Die Roten Bullen, durch deren Venen ein österreichischer Energy-Drink fliesst und die offiziell als RasenBallsport Leipzig firmieren, sind die schwarzen Schafe der zweiten Bundesliga – ein
seelenloses Retortenprodukt ohne Tradition und Fankultur, aber mit Geld zum Verschwenden (Jahresetat von 30 Millionen Euro). Am vergangenen Sonntag gastierten die Ostdeutschen beim TSV 1860 München, dem Altmeister von 1966, dessen Fans der glorreichen Vergangenheit nach­
trauern und in der Gegenwart die Kultivierung der Erfolglosigkeit erleben. Vor 3
­ 2 000 Zuschauern in der bayrischen Metropole spiegelt das Schlussresultat exakt das sportliche und wirtschaftliche Kräfteverhältnis: München 0, Leipzig 3. Dass die leidgeprüften Fans des Heimteams während des
Spiels zum textilen Protest aufriefen und ein Transparent mit den Worten “Red Bull verleiht Flügel, bis die rote Blase platzt” entrollten, war hilf­loser
Ausdruck des Neids der Besitzlosen. Nach zwei Meisterschaftsrunden trennen die ungeschlagenen Sachsen und die punktlosen Münchner 14 Ränge.
Als lebenserhaltende Sofortmassnahme haben die “Sechziger” nach der Heimpleite fünf Akteure in die zweite Mannschaft verbannt. Der Verdacht,
dass sich Leipzig den Erfolg kauft, lässt sich nicht vollends entkräften. Die Münchner Löwen sind in ihrem Widerstand konsequent und praktizieren
das Gegenteil: Sie verschenken die Punkte. Å
Thomas Renggli
Matthias Hangst / Bongarts / Getty Images
K
reativität ist ein dehnbarer Begriff, und kaum einer strapaziert
ihn in der Bundesliga stärker als Pierre-Emerick Aubameyang.
Schon vor seinem Wechsel zu Borussia Dortmund hatte er seine
Tore in St. Étienne mit einer Spiderman-Maske gefeiert. Weil es für
Deutschland etwas Neues sein sollte, liess der Gabuner sich zunächst eine Spiderman-Figur ins Haar färben. Im Viertelfinale der
Champions League provozierte er bei Real Madrid mit fünf
­einrasierten Sternen auf der linken Schläfe und den Dortmunder
Klub-Initialen auf der rechten. Das kam nicht so gut an, weil sonst
nichts von ihm zu sehen war. Also kehrte Aubameyang in der
­vergangenen Woche beim deutschen Supercup zum bewährten Outfit zurück. Nach seinem Kopfballtor zum 2:0-Endstand gegen Bayern
München posierte er für die Kameras wieder als Spiderman. Es war
ein Geschenk für seinen Sohn, der am Spieltag seinen dritten Geburtstag feierte. Å
Sven Goldmann
B
evor der Goalgetter das Spielfeld betrat, küsste er die Glatze des
Mannschaftsarztes. Dieses Ritual bringe ihm Glück, sagte er. Und
wer wollte einem abergläubischen Stürmer in Torlaune schon
­w idersprechen? In jedem Spiel ein Treffer, das liess sich sehen. Die
Mannschaft führte die Liga-Tabelle an. Der Arzt seinerseits, 74 Jahre
alt, etwas ungelenk und im Ehrenamt tätig, war stolz. Nun aber lag er
mit einer Grippe im Bett und es plagte ihn das schlechte Gewissen.
Ein schweres Auswärtsspiel stand an. Würden auch ohne ihn Tore
fallen? Das Team gewann 3:0. Der Arzt freute sich, als er vom Sieg
erfuhr. Er kehrte bald genesen zur Mannschaft zurück und stand
schon bei der nächsten Partie wieder am Spielfeldrand. Der Stürmerstar aber rannte wortlos an ihm vorbei. Man munkelte im Klub, er
hätte jetzt ein neues, effizienteres Ritual gefunden: den Arzt igno­
rieren. So tun, als wäre er gar nicht da. Wie beim letzten Auswärtsspiel. Da hatte der Stürmer alle drei Tore geschossen. Å
Alan Schweingruber
T H E F I FA W E E K LY
29
FOR THE WORLD
DIE N
AN
M
R
E
B
O RIE
SE
TEIL 2/4
TV-Studio in Kamerun Holger Obermann (l.) und seine Kollegen in Yaoundé während Italia 90.
Vom Brüllen der “Löwen”
Kamerun bezwang im WM-Eröffnungsspiel 1990 in Rom Titelverteidiger
Argentinien 1:0. Die “Löwen” kamen anschliessend bis ins Viertelfinale.
Holger Obermann unterstützte während Italia 90 die Arbeit
des kamerunischen Fernsehens in Yaoundé.
D
er Blick aus dem Hotelzimmerfenster gab das Häusermeer von
Yaoundé preis. Die Hauptstadt Kameruns ist eingebettet in eine
üppige Vegetation. Die Häuser mit ihren pastellfarbenen Schattierungen schmiegen sich an die Hügel. Ich genoss dieses Panorama jeden Morgen, wenn der Wecker um sieben Uhr meine afrikanischen Träume abrupt beendete. Yaoundé schien sich zu recken
und zu strecken. Die Obst- und Gemüseverkäufer bauten ihre Stände auf,
redeten miteinander, boten in den Morgenstunden ihre Ware feil.
Ich fühlte mich gleich wohl in dieser Stadt, in die mich eine besondere Mission geführt hatte. Ich sollte im Auftrag der Gesellschaft für
internationale Zusammenarbeit (GIZ, damals GTZ) das Fernsehteam
30
T H E F I FA W E E K LY
Kameruns auf die Fussball-WM 1990 vorbereiten, die zweieinhalb Monate später in Italien beginnen würde. Am Mittag war ich zunächst
beim Vorstand des Fussballverbandes von Kamerun eingeladen. Herzlich ging es zu. Ich bekam eine aus Holz geschnitzte Maske als Geschenk. “Wir wünschen nicht nur dem Team in Italien, sondern auch
Ihnen und den Redakteuren und Reportern viel Glück und gutes Gelingen”, sagte der Präsident. Ein Lunch folgte, mit vielen wohlschmeckenden afrikanischen Spezialitäten, wie ich sie schon aus anderen afrikanischen Ländern kannte. Alle, die mit Italia 90 zu tun hatten, waren
voller Ehrgeiz. So auch der Fernsehdirektor mit seinem Team; wir beide
würden in den nächsten Wochen Hand in Hand arbeiten. Insgesamt
Henri Szwarc / Getty Images, Holger Obermann, imago
FOR THE WORLD
gehörten 28 Männer und Frauen dazu, von denen aber natürlich nicht
alle ein Ticket nach Rom erhalten sollten. Denn auch zu Hause mussten
viele Arbeiten erledigt werden.
Einige Hürden waren zu nehmen. Denn in Kamerun wird sowohl
Englisch als auch Französisch gesprochen: Probleme sind vorprogrammiert; und die Mitarbeitenden kommen aus verschiedenen Volksgruppen. Im Nordwesten des Landes war gerade vor Kurzem ein Bürgerkrieg
nur knapp vermieden worden. Gut für den Präsidenten Paul Biya, dass
sich fast alle Menschen in seinem Land nun ganz auf die Fussball-WM
in Italien konzentrierten und wenigstens vorübergehend von politischen
und wirtschaftlichen Sorgen abgelenkt wurden. Präsident Biya war es
auch, der darauf drang, dass mit Roger Milla ein bereits in die Jahre
gekommener Nationalspieler in letzter Sekunde für das Team nominiert
wurde. Als dieser später an der WM in zwei Spielen vier Tore schoss,
sagte Biya: “Ich habe es immer gewusst, dass dieser Mann noch lange
nicht zu alt ist, um für unsere Nationalmannschaft zu spielen.” In der
Tat: Der Erfolg gab ihm recht. Roger Milla, der Mann, der immer nach
seinen Toren mit der Eckfahne ein Tänzchen vorführte, hatte einen
Staatspräsidenten damit nachträglich zum Experten gemacht.
Die Interviews mit den Nationalspielern verfolgte ich mit grösstem
Interesse, denn in der Tat gab es hier einiges auszusetzen, was die Fragen
und die Ausdrucksweise betraf. Wenn etwa Émile Mbou Mbou interviewt wurde, schaute ich besonders aufmerksam zu, war doch gerade
dieser Spieler mir im Rahmen der Arbeit immer mit einem breiten
Lächeln entgegengekommen und hatte viele Fragen über den Fussball
in Deutschland gestellt. Auch sass ich mit ihm in den freien Stunden oft
in einem kleinen Bistro, wo wir uns austauschten. Er wollte natürlich
wissen, wie hoch ich seine Chancen einschätzte, zur Stammelf zu gehören. “Das kann nur der Trainer zusammen mit dem Spielausschuss entscheiden”, antwortete ich.
Vier Wochen vor dem Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels in Rom
­z wischen Weltmeister Argentinien und Kamerun gab es Grund genug,
schon mal den Ernstfall zu proben. Torhüter Joseph-Antoine Bell hatte
bei einem Testspiel in Jugoslawien Kritik am Prämiensystem der Verbandsführung geübt. Und als er dieses auch noch öffentlich machte, gab
es grossen Ärger. “Was man uns hier anbietet, bekomme ich als Taschengeld in Bordeaux”, sagte er den Journalisten. Prompt verlor er die Nummer 1 als Torhüter der “Löwen”, dafür rückte Thomas N’Kono in die
Stamm­elf. Vieles lief nicht harmonisch, zumal auch der russische Trainer
Waleri Nepomnjaschtschi schon aufgrund seiner mangelhaften Sprachkenntnisse nicht in der Lage war, die Unruhe in der Mannschaft zu mildern. Hinzu kam die Rivalität zwischen den im Ausland spielenden Profis und den lokalen Nationalspielern. Die einen bezogen Spitzengehälter
bis zu 25 000 US-Dollar im Monat plus Prämien bei ihren Profiklubs, die
anderen mussten sich mit monatlich 300 US-Dollar zufriedengeben.
Doch im Hinblick auf Italien waren alle vereint.
Unser Fernsehteam arbeitete rund um die Uhr. Die Sensation: der 1:0Sieg gegen den amtierenden Titelverteidiger Argentinien! Unbeschreibliche Szenen spielten sich im ganzen Land ab. In den Dörfern sassen oft an
die 50 Fans vor einem einzigen TV-Gerät. Tausende stürmten nach dem
Schlusspfiff das TV-Studio, jubelten, tanzten und feierten den grossen
Erfolg. Die Bilder wurden live ins Land übertragen. Erst im Viertelfinale
wurde Kamerun gestoppt: 2:3 gegen England nach Verlängerung. Im Halbfinale wäre Deutschland, der spätere Weltmeister, der Gegner gewesen.
Unter den zurückgekehrten Spielern war einer besonders glücklich:
mein Freund Émile Mbou Mbou. Als er mich sah, umarmte er mich.
Jahre später sah ich ihn in Malaysia wieder. Er hatte dort bei einem Klub
an der Ostküste des Landes einen lukrativen Vertrag unterschrieben.
Natürlich sprachen wir in Malaysia, wo ich gerade ein längeres Projekt
leitete, immer wieder über die WM in Italien. “Hättet ihr auch gegen
Deutschland eine Chance gehabt, wenn das Spiel gegen England nicht so
unglücklich verloren gegangen wäre?”, fragte ich ihn. “Ich denke schon,
dass wir es geschafft hätten, natürlich mit einer Portion Glück”, meinte
Émile selbstbewusst. Nach Abschluss meiner Karriere bekam ich hin und
wieder eine Postkarte aus seiner Heimat. Auf meinem Schreibtisch steht
nach wie vor ein kleiner Wimpel aus Kamerun. Å
Tanzende Legende Der damals 38-jährige Kameruner Roger Milla feierte seine vier
Treffer während Italia 90 an der Eckfahne.
Sieg zum WM-Auftakt 1990 Thomas Libiih (m.) und sein Teamkollege
François Omam Biyik vor der TV-Kamera.
Holger Obermann (geboren 1936 in Kassel, Deutschland) hat über viele Jahre und auf
vier Kontinenten für den Fussball gearbeitet. Im Auf trag der deutschen Regierung
vermittelte er 1990 in Kamerun den einheimischen Journalisten das Know-how der
Fussball- Berichterstattung. In einer vier teiligen Serie präsentier t The FIFA Weekly exklusiv
einen Abdruck aus Obermanns Manuskript “Mein Fussball hatte Flügel”.
IN DER AUSG ABE VOM 29. AUGUS T 2014 LE SEN SIE TEIL 3 ÜBER NEPAL .
T H E F I FA W E E K LY
31
ZEITSPIEGEL
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H
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N
Merry Fiddlers Ground, Becontree Heath, Essex, England
1936
United Archives
Zum jährlichen Karfreitagsmatch um den Marino-Cup
empfangen die Dagenham-Ladies ein Team aus Hayes, Kent.
32
T H E F I FA W E E K LY
ZEITSPIEGEL
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Commonwealth-Stadion, Edmonton, Kanada
2014
Kevin C. Cox / FIFA via Getty Images
An der U20-Frauen-WM treffen das brasilianische
und das US-Team aufeinander (8. August 2014).
T H E F I FA W E E K LY
33
DAS FIFA-R ANKING
Rang Team
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Deutschland
Argentinien
Niederlande
Kolumbien
Belgien
Uruguay
Spanien
Brasilien
Schweiz
Frankreich
Portugal
Chile
Griechenland
Italien
Costa Rica
Kroatien
Mexiko
USA
Bosnien und Herzegowina
England
Ecuador
Ukraine
Russland
Algerien
Elfenbeinküste
Dänemark
Rumänien
Schottland
Venezuela
Schweden
Serbien
Türkei
Nigeria
Ungarn
Tschechische Republik
Ghana
Armenien
Ägypten
Slowenien
Österreich
Wales
Tunesien
Honduras
Japan
Slowakei
Island
Paraguay
Iran
Montenegro
Sierra Leone
Usbekistan
Peru
Norwegen
Kamerun
Finnland
Jordanien
Republik Korea
Burkina Faso
Senegal
Mali
Polen
Libyen
Panama
Guinea
Vereinigte Arabische Emirate
Republik Irland
Oman
Israel
Südafrika
Albanien
Bolivien
Bulgarien
Aserbaidschan
Kap Verde
Angola
EJR Mazedonien
Benin
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→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html
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Rang
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04 / 2014
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138
139
140
140
142
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144
Platz 1 Aufsteiger des Monats Kongo
Australien
Trinidad und Tobago
Marokko
Uganda
Saudiarabien
Sambia
Jamaika
Botsuana
Togo
Palästina
Belarus
Simbabwe
Irak
Katar
Estland
DR Kongo
Nordirland
Georgien
VR China
Neuseeland
Moldawien
Lettland
Ruanda
Gabun
Litauen
Kenia
Lesotho
Malawi
Bahrain
Mosambik
Luxemburg
Tansania
Kuwait
Äthiopien
Äquatorial-Guinea
Namibia
Libanon
Sudan
Haiti
Niger
Liberia
Tadschikistan
Zentralafrikanische Republik
Kanada
Guinea-Bissau
Kuba
Aruba
Dominikanische Republik
El Salvador
Philippinen
Burundi
Afghanistan
Kasachstan
Suriname
Mauretanien
Guatemala
St. Vincent und die Grenadinen
Neukaledonien
Turkmenistan
St. Lucia
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Madagaskar
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395
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252
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217
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208
Malediven
DVR Korea
Syrien
Gambia
Antigua und Barbuda
Indien
Malta
Singapur
Guyana
Indonesien
Puerto Rico
Malaysia
Thailand
Swasiland
St. Kitts und Nevis
Myanmar
Hongkong
Belize
Guam
Pakistan
Montserrat
Nepal
Liechtenstein
Dominica
Barbados
Bangladesch
Tahiti
Laos
Salomon-Inseln
Bermuda
Nicaragua
Komoren
São Tomé und Príncipe
Sri Lanka
Chinese Taipei
Seychellen
Turks- und Caicos-Inseln
Curaçao
Färöer
Jemen
Südsudan
Macau
Vanuatu
Mauritius
Fidschi
Mongolei
Amerikanische Jungferninseln
Samoa
Bahamas
Brunei Darussalam
Osttimor
Tonga
Cayman-Inseln
Amerikanisch-Samoa
Andorra
Papua-Neuguinea
Kambodscha
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Eritrea
Somalia
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THE SOUND OF FOOTBALL
DAS OBJEK T
Perikles Monioudis
D
Crème de la Crème
Hanspeter Kuenzler
Musette und Fussball passen prächtig
z usammen. Das beweist das Ensemble
­
­namens Accordéon Football Club de France.
Sion Ap Tomos
D
as schunkelige Stück auf der zweiten EP
hiess “Dribling Waltz”. Die anderen drei
Nummern, ebenfalls Eigenkompositionen, “Polkapitaine”, “Vive les Buteurs” und
“Pasogoal”. Es war dies die letzte Platte des
Ensembles Accordéon Football Club de France (A.F.C.F.). Sie erschien 1977, die meisten
Mitglieder steckten bereits im Veteranenalter.
Denn der Klub war schon 15 Jahre vorher
aus der Taufe gehoben worden. Zwischen
­Gala-Shows, Auftritten im Radio und Fernsehen sowie Plattenaufnahmen, so liest man auf
dem Umschlag, hätten diese “Orchesterleiter
mit klingenden Namen” dennoch jede Woche
Zeit gefunden, Tasten und Knöpfe gegen Shorts
und Fussballstiefel auszutauschen.
Zwanzig Kicker hatten sich auf dem Cover in
bewährter Fussballmanier in Pose geworfen.
Zehn knieten vorn, aufs Akkordeon gelehnt,
zehn standen hinten, jeder mit einem Ball in den
Händen oder lässig unter den Arm g
­ eklemmt.
Derweil das Akkordeon fast auf der ganzen Welt
auftritt, beschworen jazzig a
­ ngehauchte Riffs im
beswingten Musette-Stil die romantische Welt
von Bohémiens, partyliebenden Matrosen und
all den Goodies und Baddies, welche die Romane
von Georges Simenon bevölkern, herauf.
Die Aktivmitglieder des A.F.C.F. zählten zur
Crème de la Crème dieser Welt. Marcel Azzola
begleitete Boris Vian, Edith Piaf, Juliette Gréco
und Jacques Brel durch ihre besten Jahre.
­Bruno Lorenzoni nahm unzählige Alben auf
und kredenzte im April 1961 eine heisse Version
von “Apache”, dem grossen Hit der Shadows.
Jean Dalo komponierte dem Fussball-Klub
­R acing Club de Paris einen Marsch auf den
Leib. Claude Cavagnolo gehörte zum Clan, der
seit 1923 in Frankreich Akkordeons baute.
Die Verbindung zwischen dem runden Ball
und den runden Knöpfen ist bis heute nicht
abgebrochen. Kürzlich steuerte der französische Nationalverteidiger Laurent Koscielny
einen grosszügigen Finanzbeitrag bei, um den
Akkordeon-Hersteller Maugein in Tulle vor
dem Untergang zu retten. Æ
er Krug geht zum Brunnen, bis er bricht,
sagt man so schön. Denn alles hat ein Ende.
Und wenn man genau hinsieht, kann man
auch auf dem oben abgebildeten Porzellankrug
(FIFA-Sammlung; hergestellt um das Jahr 1900)
schon Haarrisse erkennen, da, zwischen den
beiden Spielern im Vordergrund, oder etwas
weiter oben, hineinreichend in die sich ballend
auftürmenden Wolken, ein feiner, vielleicht
auch nur ein klein wenig die Oberfläche auf­
brechender Riss.
Wasserkrug, der er ist, entleerte er sich
etwa in ein Wasserglas oder ab und an vielleicht auch auf den menschlichen Körper –
während einer Morgentoilette, zum Beispiel.
In beiden Fällen diente er dem Fussball: Wasser
war einerseits schon damals ein beliebter
Trunk vor oder nach den Leibesübungen,
­a ndererseits konnte derselbe Leib, nach der
Anstrengung auf dem Platz, auch gleich mit
Wasser gereinigt werden. Dabei wurde das
Wasser aus dem Krug in einer Schale aufgefangen, in die der Krug selbst hineingestellt wurde, am Ende, nachdem auch er und die Schale
gereinigt worden waren.
So oder so zeigt der Krug sein fussballerisches Motiv und beweist sich dadurch auch
noch als Souvenir, gewissermassen als Träger
einer Erinnerung vom Spielfeldrand, an dem
man sich immer dann für Sekunden wieder­
findet, wenn der Blick über die hölzerne Kommode streicht und dann auf den Krug fällt.
Welche Erinnerung? Wohl kaum die eigene; wer um 1900 auf eigenen Füssen stehend
ein ganzes Spiel verfolgen konnte, ist heute
115 Jahre, wenn nicht 120 Jahre alt. Der Krug
aber bleibt. Å
T H E F I FA W E E K LY
35
TURNING POINT
Name
“Die Fans
suchten
mich auf”
Kevin Pezzoni
Geburtsdatum, Geburtsort
22. März 1989,
Frankfurt am Main
Stationen
Köln, Erzgebirge Aue,
­Saarbrücken, Wohlen
Nationalteam
Deutschland U17 – U21
23 Einsätze (2005 – 2009)
Kevin Pezzoni liebte den deutschen Profifussball. Bis ihn die
eigenen Fans verprügelten und
mit dem Tod bedrohten.
Alex Kraus, laif
M
ein persönlicher Horror begann im
Frühjahr 2012. Auf einer Karnevalsfeier gingen ein paar Typen auf mich
los. Schlägereien können ja mal vorkommen, aber mich haben Fans der
eigenen Mannschaft verprügelt, das
ist schon was. Zum Glück kam ich mit einem
Nasenbeinbruch relativ glimpflich davon.
Bald sollte sich aber herausstellen, dass die
Rauferei nur ein Vorbote noch gravierenderer
Ereignisse war. Unter Trainer Holger Stanislawski missriet uns beim 1. FC Köln in der zweiten Bundesliga der Start zur Saison 2012/13.
Ich erhielt zwar kaum Einsatzzeit, aber weil ich
bei Teilen der Fans schon länger in der Kritik
stand, wurde ich offenbar zum Sündenbock
erkoren. Eines Tages fand ich auf der Windschutzscheibe meines Wagens die Notiz:
­“Kevin, pass auf wenn’s dunkel ist.”
Als ich wenige Tage darauf ins Training
fuhr, sah ich im Geissbockheim die vielen
Polizisten. Erst nach der Übungseinheit erfuhr
ich, dass die Beamten nur da waren, um mich
zu schützen. Denn auf Facebook war mittlerweile die Gruppe “Kevin Pezzoni und Co. aufmischen” gegründet worden. Es wurde offen
zur Gewalt gegen mich aufgerufen. Mir fällt
es bis heute schwer, die Geschehnisse zu verstehen. Ich habe Verständnis dafür, dass man
als Fan wütend ist, dass man buht – mein Gott,
sogar mit Beleidigungen kann ich umgehen.
Aber Morddrohungen und physische Gewalt?
Fussball ist doch etwas, das Spass machen soll.
Kurz darauf kreuzten einige Fans bei mir
zu Hause auf und nahmen mich während 45
Minuten in die Mangel. Da war für mich die
Grenze überschritten. Ich konnte und wollte
nicht mehr weitermachen. Ich hatte kein
Selbstvertrauen mehr. Also habe ich meinen
Vertrag aufgelöst und damit auch auf viel Geld
verzichtet. Die Geschichte hat mich danach
weiterverfolgt, weil interessierte Klubs in
Deutschland gesagt haben: Dich nehmen wir
nicht, denn was, wenn die Fans auch hier auftauchen?
Seit Juli spiele ich der Schweizer Challenge
League (2. Stärkeklasse) für den FC Wohlen.
Die WM habe ich im Sommer am TV verfolgt.
Ich habe mit vielen aus der deutschen Weltmeisterelf in den Juniorenauswahlen gespielt:
Badstuber, Boateng, Müller, Hummels, Özil. Bei
der U18 war ich sogar ihr Kapitän, aber leider
ist meine Karriere anders verlaufen. Ich werde
oft gefragt, ob ich es bereue, nach Köln gewechselt zu sein. Ich tue es nicht. Ich wünsche es
keinem, erleben zu müssen, was ich durchgemacht habe. Es ist nicht lustig, wenn man sich
nicht mehr aus dem Haus traut. Aber ich habe
in Köln meine heutige Ehefrau und viele Freunde fürs Leben kennengelernt. Und in Wohlen
habe ich inzwischen einen Verein gefunden,
der voll auf mich setzt, und einen Trainer, der
mir vertraut. Die Probleme von damals haben
meinem Leben eine neue Richtung gegeben
und sind für mich heute weit weg. Å
Aufgezeichnet von Nicola Berger
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
T H E F I FA W E E K LY
37
EVERY GASP
EVERY SCREAM
EVERY ROAR
EVERY DIVE
EVERY BALL
E V E RY PAS S
EVERY CHANCE
EVERY STRIKE
E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L
SHALL BE SEEN
SHALL BE HEARD
S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
Fédération Internationale de Football
Association (FIFA)
Internet:
www.fifa.com/theweekly
Herausgeberin:
FIFA, FIFA-Strasse 20,
Postfach, CH-8044 Zürich
Tel. +41-(0)43-222 7777
Fax +41-(0)43-222 7878
FIFA - R ÄT SEL - CUP
Soccer-Mania, Footh-Ball und eine Rote Karte
für ein Lama – raten Sie mit!
1
Wer liess sich im Trikot des vierfachen französischen Meisters fotografieren?
Präsident:
Joseph S. Blatter
Generalsekretär:
Jérôme Valcke
Direktor Kommunikation
und Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
Chefredakteur:
Perikles Monioudis
Redaktion:
Thomas Renggli (Autor),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
B
2
C
F
O
Soccer-Mania: Über 100 000 Zuschauer besuchten 2014 ein Fussballspiel in den USA.
Bei welchem anderen “Soccer”-Spiel waren ebenfalls über 100 000 Zuschauer in einem US-Stadion?
Art Direction:
Catharina Clajus
Bildredaktion:
Peggy Knotz
Produktion:
Hans-Peter Frei
Layout:
Richie Krönert (Leitung),
Marianne Bolliger-Crittin,
Susanne Egli, Tobias Benz
Korrektorat:
Nena Morf, Kristina Rotach
L.A. Galaxy – Mexico
Frankreich – Brasilien
Barça – MLS All Stars
Brasilien – Italien
E
L
I
R
3
WM-Achtelfinale: Gleich werden beide vom Platz fliegen. Später sah man sie gemeinsam in
einem Werbespot. Was trugen sie dabei?
Ständige Mitarbeitende:
Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando,
Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler,
Jordi Punti, David Winner,
Roland Zorn
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Nicola Berger, Amlan Chakraborty
Santosh K.A., Alissa Rosskopf,
Andrew Warshaw, Andreas Wilhelm,
Randy O. Williams
Redaktionssekretariat:
Honey Thaljieh
A
4
E
I
O
Welcher Verein führte ursprünglich nicht Football im Namen, sondern Footh-Ball?
Projektmanagement:
Bernd Fisa, Christian Schaub
Übersetzung:
Sportstranslations Limited
www.sportstranslations.com
Druck:
Zofinger Tagblatt AG
www.ztonline.ch
Kontakt:
feedback-theweekly@fifa.org
Getty Images
Der Nachdruck von Fotos und
Artikeln aus The FIFA Weekly,
auch auszugsweise, ist nur mit
Genehmigung der Redaktion
und unter Quellenangabe
(The FIFA Weekly, © FIFA 2014)
erlaubt. Die Redaktion ist nicht
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FIFA-Logo sind eingetragene
Warenzeichen. In der Schweiz
hergestellt und gedruckt.
Ansichten, die in The FIFA Weekly
zum Ausdruck gebracht werden,
entsprechen nicht unbedingt den
Ansichten der FIFA.
G
T
W
Y
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautet: SONG
Ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie das Lösungswort bis Mittwoch, 20. August 2014, an die E-Mail-Adresse feedback-theweekly@fifa.org
Die korrekten Lösungen für alle seit dem 13. Juni 2014 erschienenen Rätsel nehmen im Januar 2015 an der Verlosung
einer Reise für zwei Personen zum FIFA Ballon d’Or am 12. Januar 2015 teil.
Vor Einsendung der Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur
Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zu finden sind:
http://de.fifa.com/mm/document/af-magazine/fifaweekly/02/20/51/99/de_rules_20140613_german_german.pdf
T H E F I FA W E E K LY
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F R A G E N S I E T H E W E E K LY
UMFR AGE DER WOCHE
Wer wird 2014
Torschützenkönig
in der CAF-Champions-League?
Espérance-Torjäger
Ahmed Akaishi in einem
Spiel der CAF-Champions-League gegen die
Orlando Pirates.
Aus welchen Ländern stammen
die Ausländer in den europäischen Ligen mehrheitlich?
Nikolai Nabokow,
Rostow (Russland)
Stimmen Sie ab unter:
www.fifa.com/newscentre
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE
Welcher Klub gewinnt die französische Meisterschaft 2014 / 15?
71% � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � Paris Saint-Germain
13% � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � Monaco
9% � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � Olympique Marseille
6% � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � Saint-Étienne
1% � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � Andere
Z AHLEN DER WOCHE
2 14
71
europäische Titel hat Real
Tore in 137 Spielen – mit
Minuten – in diesem kurzen
Madrid nach dem Sieg gegen den
Zeitraum vergab Vegard Forren
FC Sevilla im UEFA-Supercup
Klose als sechstbester Torschütze
zunächst einen Elfmeter und
bereits gewonnen und ist mit der
der Länderspielgeschichte seine
verschuldete anschliessend
AC Milan gleichgezogen. Auf den Plätzen 3 und 4
Karriere in der deutschen Nationalmannschaft.
ein Eigentor. Der Traum von
folgen der FC Barcelona (12) und der FC Liverpool
Nur Ali Daei (109 Treffer in 149 Partien), Ferenc
Molde FK von der Qualifi­
(11). Cristiano Ronaldo besorgte den 2:0-Sieg in
Puskas (84/89), Pelé (77/91), Sandor Kocsis (75/68)
kation für die UEFA-Europa-
Cardiff mit zwei Toren im Alleingang und hat
und Bashar Abdullah (75/133) haben eine noch
League-Playoffs ist somit in
somit in vier Finals, die in nur einem Spiel
bessere Bilanz vorzuweisen als der 36-jährige
letzter Minute geplatzt.
­entschieden wurden, getroffen.
gebürtige Pole.
dieser Bilanz beendete Miroslav
Sydney Mahlangu / BackpagePix, Imago (3), Getty Images
In der Regel bedienen sich die
Klubs in Ländern, die ihnen geo­
graphisch, kulturell und / oder
politisch nahestehen. In der eng­
lischen Premier League, die von
allen Topligen den grössten Aus­
länderanteil aufweist (66,5 Pro­
zent), machen die Franzosen (32)
die grösste Fraktion aus. In Itali­
ens Serie A sind es die Brasilianer
(41), in der spanischen Primera
División die Argentinier (29) und
in Frankreichs Ligue 1 Spieler aus
der ehemaligen Kolonie Senegal
(20). In der deutschen Bundesliga
dominieren unter den 242 auslän­
dischen Profis die Schweizer (18),
gefolgt von den Brasilianern (16)
und den Österreichern (15). (thr)
Zur Auswahl stehen:
•Firmin Mubele, AS Vita
•Ahmed Akaichi, Espérance
•El Hedi Belameiri, ES Setif
•Edward Sadomba, Al-Ahly Benghazi
•Fakhreddine Ben Youssef, CS Sfaxien
•Haythem Jouini, Espérance