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1 19.06.16 PSWHH-HP BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT::: BELICHTER: FARBE: DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG Uns Petrolheads geht es an den Kragen. In Norwegen sollen ab Mitte des kommenden Jahrzehnts keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Die Holländer wollen folgen. Was heißt das? Der Druck auf die Autoindustrie, finanzierbare, familientaugliche oder sehr sportliche E-Mobile zu bauen, wächst. Porsche hat sich auf den Weg gemacht. Deren reines E-Auto kommt erst in zwei bis drei Jahren, der neue Panamera ist aber auf autonomes Fahren und jede Menge Digitalisierung gut vorbereitet. Bis dahin haben wir viel Spaß mit den alten knatternden Motoren. So wie Benjamin Brandt mit seiner 3.000-Euro-Ente (Seite 24). Ich habe ihn abends beim Nachhausefahren als Meister des Verkehrs entdeckt und kam mit meinem alten Porsche kaum hinterher. Autoliebe muss nicht teuer sein. Sie lebt von Sachverstand und Hingabe. Gute Fahrt! Ihr ULF POSCHARDT P.S.: Kritik und Lob bitte wieder an ulf.poschardt@weltn24.de ERSTER! DER NEUE PANAMERA IST RICHTUNGSWEISEND FÜR PORSCHE (UND ANDERE). WIR WISSEN DAS, DENN WIR SIND IHN SCHON GEFAHREN UND ZWAR MIT IHM, DEM NEUEN PORSCHE-CHEF OLIVER BLUME Foto OLIVER KRÖNING PSWELT_Dir/PSWELT/PSWHH-HP 19.06.16/1/001 KFISCHE2 Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Chef vom Dienst Artdirector Textchef Chefredaktion 5% 25% 50% 75% 95% www.volkswagen-allstar.de WEIL FUSSBALLER BESONDERS GERN IN KURVEN UNTERWEGS SIND. Der Scirocco ALLSTAR R-Line. Kraftstoffverbrauch des Scirocco ALLSTAR R-Line in l/100 km: kombiniert 6,4–4,2, CO₂-Emissionen in g/km: kombiniert 148–109. Abbildung zeigt Sonderausstattung gegen Mehrpreis. 3 SONNTAG, 19. JUNI 2016 A us heutiger Sicht und mal ganz nüchtern betrachtet kann ich meine Fahrzeugwahl kurz nach der Wende nicht wirklich nachvollziehen. Einen Audi 80 wollte 1989 bei uns keiner haben. Ich natürlich auch nicht. Aber die gerade eben durch die Scorpions kaputt gesungene Mauer hatte bei den Ossis einen Heißhunger auf Autos made in Westdeutschland ausgelöst. Wie Lemminge mäanderten ganze Blechlawinen von Verbrauchtwagen gen Osten und trieben die Preise in surreale Drehzahlbereiche. Nach ernüchternden Besichtigungen diverser abgerockter und völlig überteuerter Opel der WunschBaureihe „C“ fiel nach dem zehnten Frustbier in unserer Dorfdisko „Kutsche“ der Name Walter Röhrl. Der Typ hatte es nach seinen Erfolgen auf Opel tatsächlich geschafft, die damals biedere Marke aus Ingolstadt auf die linke Spur zu bringen. Ein Grundschullehrerauto als Rallyesieger? Warum nicht. Ich brauchte dringend einen neuen Schlitten. Außerdem hatte mir Kum- UNSERE ELF! Mehr über unsere Traumnationalmannschaft auf pel Frank am Tresen seine ATS-Alufelgen versprochen, wenn ich die nächsten Runden Jägermeister zahle. Am nächsten Tag blättere ich mit Kopfschmerzen mein sauer verdientes Geld vom Zeitungsaustragen auf den Laminat-Tisch beim lokalen Fähnchenhändler. 2.500 deutsche Westmark für einen Typ 81 mit ehrlichen 90 Tausend Kilometern und neun Monaten Tüv? Muss man nicht machen, kann man aber. Silber-Metallic sollte aber erst 20 Jahre später zum Must-have aller Audifahrer werden, also haben wir die Karre direkt in Ulfs Garage manövriert. Ulfs Papa hatte eine amtliche Doppelgarage mit elektrischem Tor. Die durften wir für unseren Unfug benutzen. Zuerst die neuen 15-Zöller montiert, und zwei Kisten Holsten später strahlte mein Neuerwerb in der damals einzigen akzeptablen Farbe: mattschwarz. Als Highlight zauberten wir noch das Maskottchen der Punkrock-Kapelle „Misfits“ auf die Türen. Neues Image für den Biedermann. Eigentlich alles kein Problem, wäre mir nicht der Grundwehrdienst vors Auto gelaufen. Beim Versuch, die militärische Einrichtung mit dem Punk-Audi zu entern, erteilte der diensthabende Feldwebel EINE REISE zurück in die Lehrjahre einer analogen Zeit. Persönlich und halb erinnert von Helge Thomsen KALTSTARTPHASE Helge Thomsen, Begründer von „Motoraver“, Punkrocker und Fernsehstar TEIL 2: Punkrock mit Frontantrieb meinem Fahrzeug Kasernen-Verbot. „SS-Totenkopf auf dem Kasernengelände? Das können Sie vergessen. Denken Sie an das Image der Bundeswehr. Wollen Sie ein Disziplinarverfahren?“ Ich will meine Ruhe und parke die Karre lieber vor dem Eisentor. Nach dem Wachwechsel hole ich meinen Beitrag zum Image der Bundeswehr doch noch in den Sperrbezirk und fummle nach Dienstschluss in der Wartungshalle Sidepipes „Marke Eigenbau“ an mein Fahrzeug. Sieht gut aus, klingt auch gut. Laut, aber unbehelligt verlasse ich zum Wochenende das Epizentrum der Spaßfreiheit. Kurz nach der Kaltstartphase stoppt mich die bereits alarmierte Rennleitung und quittiert kopfschüttelnd meinen kreativen Custom-Job auf einem amtlichen Strafzettel: „Auspuffführung geändert. Austritt vor linkem Hinterrad (extra laut), 40 Mark.“ Die „Misfits“ und ich lassen uns davon nicht einschüchtern, zahlen bar und laden die Kumpels ein auf ‘ne Tour in die „Kutsche“. Es ist Freitagabend und wir parken wie immer direkt vorm Laden. Imageprobleme trotz Frontantrieb können wir dank der „SS-Totenköpfe“ nicht registrieren, aber Probleme in der Bierversorgung. Die Sound-Gebühr in Höhe von 40 Mark bringt unsere Promille-Kalkulation für die Partynacht durcheinander. Eine sensationelle Tresen-Idee später fahren wir für Schmerzensgeld mit Vollgas frustrierte Partymenschen nach Hause, die vor dem Laden vergeblich auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet hatten. Die Bierkasse wieder gefüllt, geht’s zurück an den Tresen. Irgendwann im Morgengrauen verlassen wir das durchgefeierte Trümmerfeld. Mangels nüchterner Führerscheininhaber entscheidet wie immer das Los. Dann sitze ich mit bester Laune hinterm 36er Momo-Lenkrad und starte das bärenstarke 75-PS-Aggregat von Walter Röhrls Siegerauto. Weil man aber erfahrungsgemäß in derartigem Zustand Hauptstraßen meiden sollte wie der Teufel das Weihwasser, führt der Weg zurück nach Hause rallyemäßig über bestens bekannte Schleich- und Feldwege. Am nächsten Mittag ein kurzer Kontrollblick aus dem Küchenfenster: Alles mal wieder gut gegangen. Danke, Walter. Danke, Audi. FÄHRMANN HUMMELS MUSTAFI DRAXLER REUS GÖTZE BOATENG CAN ÖZIL PODOLSKI KRUSE SEITE 12/13 Der Wert des Rasens Deutschland kennt kein Tempolimit und hat die zartesten Strafen fürs Schnellfahren. Dazu zwei Meinungen F un, Fun, Fun“ und „Fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ – wofür die Beach Boys und Kraftwerk in aller popkulturellen Entspanntheit und Eleganz einst standen, ist bei uns einer Kultur der Aggression gewichen. Wer auf deutschen Autobahnen unterwegs ist, für den ist Fun ein Stahlbad. Die Freude am Fahren wird denen, die reisen und nicht rasen wollen, von Dränglern und Geschwindigkeitsfanatikern genommen. Das ist meine Wahrnehmung und die vieler Menschen, die ich kenne, nennt uns gern Weicheier, aber so sehen wir das. Der Diskurs darüber ist verroht. In Netzdebatten neigen sonst zurechnungsfähige Zeitgenossen zum Gorillaverhalten. Das Recht des Stärkeren feiert fröhliche Urständ, Empathie ist ein Fremdwort, wenn es ums Auto geht. Die Langsamfahrer seien schuld, heißt es wiederholt, die, die sich frech an die Richtgeschwindigkeit halten, auch wenn sie sich mal auf die mittlere oder gar auf die linke Spur ins Raserterrain wagen. Unsicherheit ist verboten, Schwäche wird bestraft. Jeder ist sich selbst der beste Autofahrer. Verläuft unser Zusammenleben durch ein paar sinnvolle, gemeinhin anerkannte Regeln inzwischen weitestgehend zivil, so scheint der Einstieg ins Auto dem Deutschen eine Lizenz zum Kraftmeiern zu geben. Dass dies mangels Tempolimit nur in Deutschland so ist, spornt die Geschwindigkeitsfanatiker noch an. Man ist stolz auf den teutonischen Sonderweg. Auch bei den Strafen. Lächerlich muten sie an im Vergleich zu zivilisierten Nachbarländern wie Dänemark und der Schweiz, wo der Raser drakonisch bestraft wird, bis hin zur Beschlagnahmung seines Fahrzeugs. Undenkbar bei uns und doch sinnvoll. Denn gerade weil wir kein Polizeistaat sein wollen mit dauernden Kontrollen, bei denen immerfort läppische Strafen verhängt werden, muss der bei uns eher seltene Fall des Erwischtwerdens schmerzhaft und abschreckend sein, wenn sich am Irrsinn auf deutschen Straßen etwas ändern soll. Es ist ja nicht nur auf den Autobahnen so: Wer in der Stadt 50 fährt oder es wagt, beim Abbiegen mal zeitig abzubremsen, um zum Beispiel besser auf Radfahrer achtzugeben, wird bedrängt und behupt. Tempo 30 vor Schulen, Kindergärten, Spielplätzen? Wird ignoriert. Mich widert dieses Verhalten an, sage ich Ihnen ganz ehrlich. Jenseits aller Opferstatistiken, die sich über die Jahrzehnte wegen des technischen Fortschritts positiv entwickeln, habe ich damit ein ästhetisches, ein moralisches, ein zivilisatorisches Problem. Und das ist bei mir größer als meine grundsätzliche Abneigung gegen Strafen. pro Ich fordere höhere Bußgelder Markus Hesselmann ist Chefredakteur Online beim Berliner „Tagesspiegel“ und hat gar kein Fahrrad. I m vergangenen Jahr bin ich einen Monat lang zu Fuß gegangen. Mein Führerschein war weg, weil ich zu schnell gefahren war. Das tat weh, die 160 Euro Bußgeld schmerzten ebenfalls, auch wenn es natürlich stimmt, dass die deutschen Bußgelder die niedrigsten in Europa sind. Und das ist auch gut so. Denn ich halte es angesichts des Stigmas (Raser!), das zu diesen Strafen gehört, für ungemein tröstlich, dass die soziale Ächtung nicht noch mit finanziellem Ruin einhergeht. Im Strafrecht ist es so: Die Strafe muss tat- und schuldangemessen sein. Das würde ich mir auch für die Ordnungswidrigkeiten beim Autofahren wünschen. Mein Fahrverbot hatte ich mir eingehandelt, indem ich 130 statt 80 fuhr, aber mehr aus Versehen, weil ich Schilder falsch interpretiert hatte. Die persönliche Schuld war also gering, und die Tat (ich fuhr das einzige Auto auf einer leeren Autobahn) beschwor nicht ansatzweise eine Gefahr herauf. Dagegen sähe ich jemanden, der in einer 30er-Zone vor einer Schule 50 fährt, gern für drei Monate im Kerker, bei Wasser und Brot. Aber es geht ja hier um die Autobahn. Ich fahre ungefähr 25.000 Kilometer im Jahr darauf, ich sehe ab und zu ein paar Idioten, aber den viel beschworenen Krieg auf der Autobahn nehme ich nicht wahr. Ich empfinde das Fahren auf der Autobahn auch nicht als anstrengend oder beängstigend. Große Geschwindigkeitsunterschiede sind für mich ein Gleichnis auf das Leben und außerdem ein Ansporn, aufmerksam zu bleiben. Und wer sich mit seinem Auto nicht im Geschwindigkeitsbereich von 120 bis 180 km/h aufhalten kann, ohne schweißnasse Hände zu bekommen (das ist ja auch eine Sache der Konzentration), sollte die Autobahn eher meiden, statt ein niedriges Tempolimit und hohe Bußgelder zu fordern. Ich selbst habe mir ein persönliches Limit auferlegt und stelle den Tempomat auf 160 km/h ein. Diese Geschwindigkeit halte ich, solange es möglich ist, in limitierten Zonen passe ich mich natürlich an. Weil ich aber keine Vollbremsung mache, wenn ich an einem 120er-Schild vorbeikomme, sondern locker ausrollen lasse, werde ich manchmal auch geblitzt, was ich aber ertrage. Derzeit warte ich noch auf zwei Bußgeldbescheide, im Jahr sind es so vier bis sechs. Wäre der Preis höher, müsste ich mein Verhalten wohl umstellen. Was mich sehr ärgern würde. Ich bin nämlich kein Raser, ich will nur schnell ans Ziel. Und wenn ich dabei mal einen Flüchtigkeitsfehler mache, dann möchte ich deswegen weder an den Pranger gestellt noch mit schmerzhaften Strafen belegt werden. contra Abgelehnt! Bußgelder in Ruhe lassen! IMPRESSUM Stefan Anker ist als Autor und Fotograf Teil des „PS WELT“-Teams. Er kann einfach nicht aus seiner Haut. Artdirektion André M. Wyst Chefredakteur Stefan Aust Bildredaktion Stefan A. Runne Redaktionsleitung Dr. Ulf Poschardt (V.i.S.d.P) Layout Katja Fischer Redaktion Guido Bellberg, Stefan Anker Schlussredaktion Sarah Scheibenberger 4 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG LADA KALINA II CROSS LEISTUNG: 98 PS, HUBRAUM: 1,6 L, 0-100 KM/H: 12,7 S, VMAX: 169 KM/H, GRUNDPREIS: 10.690 € DER OSTEN KOMMT Luxuslimousinen, Edelcabrios und Sportwagen – unsere Tester sind eindeutig verwöhnt. Höchste Zeit, sie wieder auf den harten Boden der Tatsachen zu holen. Ihre Mission heute: DREI DER GÜNSTIGSTEN NEUWAGEN, die man für Geld kaufen kann, einem harten Alltagstest in Westberlin zu unterziehen. Kein Problem für Henryk M. Broder, Guido Bellberg und Chico, den Hundetester Von HENRYK M. BRODER und GUIDO BELLBERG Fotos JOHANNES ARLT SONNTAG, 19. JUNI 2016 DACIA DOKKER LEISTUNG: 102 PS, HUBRAUM: 1,6 L, 0-100 KM/H: 12,7 S, VMAX: 170 KM/H, GRUNDPREIS: 8.990 € MITSUBISHI SPACE STAR LEISTUNG: 71 PS, HUBRAUM: 1 L, 0-100 KM/H: 13,6 S, VMAX: 172 KM/H, GRUNDPREIS: 8.990 € 5 6 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG Cooler Russen-Style im Lada, zen-mäßig aufgeräumter Motorraum im Mitsubishi und japanisch-französische Energiezufuhr im rumänischen Dacia Johannes Arlt(8) Das Auto, unser bester Freund, sorgte für pünktliche Haustierzustellung – gute Laune im Hundesalon King MEHR DEMOKRATIE im Alltag wagen W Von HENRYK M. BRODER as, du fährst einen Lada?“, wundert sich mein Freund Hans-Herrmann, als hätte ich ihm gerade gebeichtet, dass ich auf dem Weg nach Wanne-Eickel bin, um dort Ferien zu machen. Wir kennen uns schon eine Weile, und er traut mir vieles zu, nur nicht so was. „Der Teufel trägt Prada, der Tölpel fährt Lada“, legt Hans-Herrmann nach. Ich überlege, ob ich sagen soll: „Mein Lieber, wir trinken kalifornische Weine, australische Biere, finnischen Wodka, holländischen Kakao, wir essen französischen Käse, schweizerische Schokolade, bayerischen Leberkäs, polnische Würste, wir kaufen schwedische Möbel, japanische Kameras, Oliven aus Griechenland und in China hergestellte Computer. Was spricht dagegen, dass ich ein Auto aus Russland fahre? Ich leiste damit einen Beitrag zur Völkerverständigung.“ Aber ich sage es nicht. Denn Hans-Herrmann hat sich festgelegt: „Der Teufel trägt Prada, der Tölpel fährt Lada“, wiederholt er. Tatsächlich liegt er nicht ganz daneben. Autofahren ist inzwischen vor allem eine Image-Angelegenheit. Kein Mensch kauft sich einen Mini, weil es ein schönes oder ein praktisches Auto ist. Der Mini ist ein Statussymbol. Er symbolisiert teures Understatement. „Schaut her, ich kann es mir leisten, ein kleines Auto zu fahren, obwohl ich für das gleiche Geld ein SUV von Toyota bekommen könnte! Aber ich habe es nicht nötig!“ Gleiches gilt für Leute, die einen Smart fahren, ein Auto, das so praktisch ist wie eine Bratpfanne ohne Griff. Es geht aber auch umgekehrt. Dacia, ein französisch-rumänisches Joint-Venture, hat innerhalb einer kurzen Zeit mit einem genialen Werbeslogan einen Einstieg in den deutschen Markt geschafft: „Das Statussymbol für alle, die kein Statussymbol brauchen.“ Vor vier Jahren, 2012, haben die Franzosen zudem 75 Pro- zent der Anteile an dem Konzern übernommen, der Lada produziert. Damit ist jeder Lada zu drei Vierteln ein Franzose und nur noch zu einem Viertel ein Russe, aber das sollte dem Gedanken der Völkerfreundschaft keinen Abbruch tun. Zwischen dem Lada Kalina und mir hat es jedenfalls gefunkt, kaum dass ich den Schlüssel in das Schloss gesteckt habe. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Wir Ostler erkennen einander. Obwohl der Kalina eigentlich kein typischer Lada ist. Die Sitze sind bequem, das Armaturenbrett ist übersichtlich, der Motor läuft leise, ohne zu stottern, die Gänge lassen sich leicht einlegen, es gibt eine Klimaanlage und einen Anschluss für einen USB-Stick. Vor allem aber – der Kalina riecht nicht so, wie früher Autos aus dem Osten gerochen haben, nach Machorka, Mottenkugeln und angebrannter Milch. Äußerlich ähnelt er einem neuen Skoda, innerlich einem Polo der vorletzten Generation. Ein schnörkelloses Vierrad, dessen Konstrukteure vor allem an die Nutzer und nicht an die Stylingfetischisten gedacht haben. Man weiß, dass man Birkenstocksandalen anhat, aber sie fühlen sich an wie Sneaker von Nike. Wer allerdings in fünf Sekunden von null auf hundert beschleunigen, auf Sylt eine Riesenwelle angeben oder bei Schumann’s in München vor der Tür parken möchte, der wäre mit einem Lada Kalina nicht gut bedient. Dafür muss man keine Angst haben, wenn man ihn unverschlossen vor einem Aldi in Neukölln stehen lässt. Ich mag solche im guten Sinne anspruchslosen Autos, so wie ich das Essen in der Ikea-Kantine und bei KFC mag. Und das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks. Es geht auch darum, mehr Demokratie im Alltag zu wagen. Die drei Autos, die wir für diese Ausgabe gefahren haben, machen es auch Menschen mit schmalen Geldbörsen möglich, ein eigenes Auto zu besitzen. Das mag unter dem Gesichtspunkt des Car-Sharings und des Umweltschutzes ein wenig reaktionär klingen, aber es kommt dem menschlichen Verlangen nach etwas Eigenem entgegen, das man nicht mit anderen teilen muss. Das erklärt auch die ungebrochene Liebe zu einem Eigenheim am Stadtrand, obwohl alles dagegen spricht. Das Auto ist der Inbegriff des frei verfügbaren Eigentums. Mir ist ein Auto, das 20 Stunden am Tag unbenutzt herumsteht, lieber als eines, in dem ich die olfaktorischen Rückstände des Vorbenutzers riechen kann. „Zwischen dem Lada und mir hat es gefunkt“ Der Lada ist bestimmt nicht das vollkommene Auto. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit von Berlin nach Neapel fahren möchte. Aber für die Fahrt von Berlin nach WanneEickel würde ich ihn allemal lieber nehmen als die Bahn oder den Bus. Und wer weiß, vielleicht ist auch WanneEickel besser als sein Image. H Von GUIDO BELLBERG eute haben wir uns mächtig etwas vorgenommen: Wir wollen drei Autos aus dem Osten einem Alltagshärtetest im Westen unterziehen. Dazu haben wir einen Russen, einen Japaner und einen (französischen) Rumänen, mit denen wir beim Polen einkaufen, beim Italiener essen und beim Westberliner Hundehaare schneiden lassen wollen. Berlin voll international. Endlich. Bevor wir uns allerdings in Bewegung setzen können, heißt es erst einmal die Autos in der Tiefgarage finden. Ehrlich, dieses Schlüssel-Chaos macht mich noch völlig wuschig: drei Schlüsselbündchen für die Testwagen, der Schlüssel meines eigenen Autos, Handy, Laptop, Kamera und ein bunter Strauß Parktickets – was zu viel ist, ist zu viel. Aber immerhin zahlt sich die Erfindung der elektrischen Funkfernbedienung voll aus, denn nach wildem Drücken auf alles, was auch nur entfernt an einen Autoschlüssel erinnert, melden sich immerhin zwei der drei Autos zum Dienstantritt. Sowohl Mitsubishi als auch Lada blinken freudig, als sie Broder, Chico, den Hund, und mich sehen. Nur der Dacia, der auch irgendwo geparkt sein muss, schweigt beharrlich. Das mag aber auch daran liegen, dass sein Schlüssel überhaupt keine Knöpfe besitzt. „Schon wieder so ein neumodisches Keyless-Entry-Dingsbums“, denke ich und ignoriere das Gemaule der anderen, die endlich wissen möchten, wo das dritte Auto abgeblieben ist. „Alles kein Problem“, denke ich, „dann gehe ich eben die ganze Tiefgarage ab, bis sich ein Auto findet, das bereitwillig die Türen entriegelt, sobald ich vorbeigehe.“ Aber Pustekuchen, nach einer Viertelstunde finde ich zwar den Dacia (eine Etage tiefer als vermutet), aber das Auto reagiert kein bisschen auf meine Anwesenheit. Das hat aber nichts mit Respektlosigkeit zu tun, sondern damit, dass ich einen Moment benötige, bis ich schließlich auf die Idee komme, einfach den Schlüssel in das Schlüs- 7 SONNTAG, 19. JUNI 2016 Großstadttest bestanden: Dacia, Mitsubishi und Lada schlängeln sich durch Berlin. Mehr Power wäre aber noch netter VÖLKER, hört die Signale! selloch zu stecken und aufzuschließen. Das nennt man wohl Wohlstandsverwahrlosung. Und siehe da, die altmodische Methode funktioniert und die Dacia-Tür ist offen. Total oldschool – und total super. Ein echtes haptisches Erlebnis, das mich erfreut, weil es wie eine erfrischende Zeitreise anmutet. Ein echter Schlüssel! Das ist schon mal der erste Siegpunkt für den Dacia, soviel ist klar. Was ebenfalls erstaunlich ist: Auf den zweiten Blick sind sich alle drei Testautos ziemlich ähnlich. Klar, die äußere Form und die Innenräume sind völlig verschieden, aber die Grundwerte stimmen bei allen dreien: Benzinmotor, extrem günstiger Preis und akzeptables Aussehen. Außerdem haben alle drei den Rückwärtsgang hinten rechts, warum auch immer. Noch erstaunlicher ist, was für ausgereift wirkende Automobile man heutzutage für einen schmalen Euro bekommt. Auch die günstigsten Anbieter sind mittlerweile einen weiten Weg gegangen und die Kooperation der Osteuropäer mit etablierten Herstellern, wie etwa Renault, scheint sich auszuzahlen. Der Mitsubishi ist natürlich als Japaner qualitätstechnisch sowieso ziemlich weit vorne geparkt. Allerdings ist er auch von allen drei Autos am besten – und teuersten – ausgestattet. Diese Ausstattung selbst lässt allerdings nicht nur technisch keine Wünsche offen, sondern mutet auch sehr sauber verarbeitet an und sieht ansprechend aus. Prima. Einziger Kritikpunkt am „Space Star“ (nicht etwa „Lone Star“): Der Motor hat definitiv zu wenig Durchzugskraft für meinen Geschmack. Glücklicherweise bietet Mitsubishi aber auch ein Aggregat an, das zumindest auf dem Datenblatt deutlich weniger asthmatisch daherkommt. Witzigerweise ist der kleine Japaner mit dem noch kleineren Motor jedoch der Schnellste was die Endgeschwindigkeit angeht – und sein Mini-Aggregat hat den besten Sound. Wenn man ihn nur immer ordentlich hoch dreht, kann man sich die Sportlichkeit zumindest einbilden. Das mit dem Sound testen wir natürlich bei allen Kandidaten ausführlich in der Tiefgarage, soviel Zeit muss sein. Die guten Menschen von Dacia haben mein Flehen übrigens erhört und mir wirklich die günstigste Variante ihres „Dokker“ (nicht etwa „Rocker“) vor die Tür gestellt. Das ist mutig, ehrlich und verdient ein dickes Lob, denn normalerweise sind Testwagen ja gerne etwas üppiger ausgestattet. Aber heute geht es schließlich ums Sparen, da ist mir das Günstigste auch das Liebste. Und günstig ist wirklich gut, denn der Dacia bietet neben dem liebenswerten Zündschlüssel auch noch echte Fensterkurbeln. Ja, man muss die Fenster mit der eigenen Hand hinunter kurbeln. Wie cool ist das denn? Das Kurbeln bringt auf Dauer nicht nur Muskelmasse und hilft bei der Durchblutung, es ist auch ein gutes Mittel gegen Langeweile und am Ende sowieso viel genauer als ein elektrischer Fensterheber. Mit der Kurbel kann ich die Position meiner Scheibe auf einen Bruchteil eines Millimeters genau einstellen, ideal für Menschen mit einem zwanghaften Sinn für Ordnung oder zugempfindlichen Ohren. Außerdem kann man durch den Verzicht auf aufwändige Hebemechanismen die Scheiben komplett versenken, was nicht in jedem modernen Auto der Fall ist. Das einzige Extra, das Dacia mir mit an Bord gepackt hat, kostet um die 60 Euro und nennt sich „Ersatzrad“. Damit kann ich leben. Die für mich größte Überraschung ist der Qualitätssprung, den der russische Lada hingelegt hat, jedenfalls soweit man das nach ein paar Stunden Testfahrt beurteilen kann. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich im „Kalina II Cross“ (nicht etwa „Cantina il Crosso“) am besten gesessen (nicht etwa „gegessen“) habe. Obwohl der Wagen von außen nicht besonders groß wirkt, bietet er auch wohl genährten Westdeutschen ausreichend Platz. Allerdings macht mich der Lada anfangs aus anderen Gründen wahnsinnig, denn der Wagen betätigt alle paar Sekunden sein nicht gerade leises Signalhorn. Natürlich verdächtige ich sofort Henryk M. Broder, absichtlich irgendeinen Unsinn mit Schlüssel und Zentralverriegelung anzustellen. Broder weist diese Unterstellung empört von sich und sieht dabei noch unschuldiger aus als sein Hund. Ich glaube ihm ausnahmsweise und sehe zu, dass ich so schnell wie möglich einsteige, um endlich im hoffentlich ruhigeren Innenraum zu sitzen. Aber als ich hoffnungsvoll die Beifahrertür öffne, geht das Gehupe schon wieder los. Kameramann und Fotograf schauen mittlerweile genervt in meine Richtung. Ist aber auch laut das Ding, besonders in der Tiefgarage. Ich schließe schnell die Tür, aber Broder bringt das Auto schon wieder zum Hupen. Okay, Lada, ihr habt gewonnen, niemand wird dieses Auto stehlen. Niemals. Die gute Nachricht: Während der Fahrt stellt der Kalina das nervige Lärmen ein, und erleichtert fahren wir zum ersten Zwischenstopp, nicht ohne am Potsdamer Platz mehr Blicke zu erregen als ein durchschnittliches Supercar. Aus unerfindlichen Gründen haben wir zwar drei Testautos, aber nur zwei Autotester, weswegen wir aus noch unerfindlicheren Gründen beschlossen haben, immer gemeinsam, statt wie sonst gegeneinander, zu fahren. Keiner hat bedacht, dass wir dadurch aber immer nur ein Auto auf einmal bewegen können. Wir tauschen also am ersten Zielpunkt den Lada gegen den Dacia und steigen mitsamt Hund um. Um 13:00 Uhr haben wir einen Termin beim Hundefriseur gemacht, da dürfen wir nicht zu spät kommen. Endlich muss ich nicht mehr Beifahrer sein und darf mich mit dem Dacia durch den Westberliner Verkehr schlängeln. Der Hund schläft ein, was ich als Lob meiner Fahrweise deute, und ich möchte Broder die Sehenswür- digkeiten im Westen zeigen, aber der kennt schon alles. Um genau 12:59 Uhr halte ich in Berlin-Charlottenburg vor dem Salon von Herrn King. Sag ich doch. Der Hund ist abgegeben und der Dacia geparkt, jetzt müssen wir nur noch den Mitsubishi in den Westen bringen. Broder beschließt, einen Tee zu trinken, und die anderen behaupten, sie müssten jetzt Innenaufnahmen der Autos machen. Ich lasse mich zurückfahren, wo mich der hübsche bronzefarbene „Space Star“ ungeduldig erwartet. Vielleicht bin ich auch selbst ungeduldig, da ich befürchte, dass die andern alles ohne mich aufessen. Wieder in Charlottenburg zahlen sich die kompakten Abmessungen meines Japaners sofort aus, denn ich kann in einer winzigen Lücke gleich in der Nähe des Italieners parken. Nervender Höhepunkt jedes Autotests: das gemeinsame Gruppenfoto. Nicht, dass es in Berlin eh schon so gut wie unmöglich ist, Platz für drei Autos zu finden. Nein, angeblich muss der Hund gerade jetzt mit Broder Gassi gehen. Meine anderen Mitstreiter sind jedoch hilfsbereit und fangen sofort an, wild herumzufuchteln und unverständliche Anweisungen zu rufen. Ich schließe die Fenster und parke die drei Autos nach der bewährten Pi-mal-Daumen-Methode. Dann erkläre ich der männlichen Politesse, dass ich immer so fahre. Mit drei Autos gleichzeitig. Und, dass ich selbstverständlich für alle drei ein Parkticket gezogen habe. Weil ich es mir leisten kann, schließlich waren meine Autos so günstig. Politesse und Passanten sind amüsiert, der Hund ist irgendwie dünner als heute morgen, und die Bilder sind endlich im Kasten. Ich will gerade die Autos für die Rückfahrt verteilen, da sehe ich, dass Henryk M. Broder schon wieder in seinem neuen russischen Liebling sitzt. Soll mir recht sein, ich fahre gern japanisch und seit Neuestem eben auch rumänisch. 8 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG kaputten Fuß hast du kein Gespür dafür, was du eigentlich machst. Du spürst nicht, welches Pedal du trittst. D Ist Ihnen das selbst je passiert? Nein. Aber diese Schwierigkeit, mit einem kaputten Fuß Auto zu fahren, war für meinen Roman sehr interessant. Ich hatte ja schon in meinem früheren Roman „Letzte Nacht in Twisted River“ über einen Mann mit einem schlimmen Fuß geschrieben. Der Fuß des Holzfällers Dominic Baciagalupo wird von einem herunterrollenden Fels zerschmettert. Deshalb musste er als Koch arbeiten, was wiederum Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte hat. Ich denke mir immer etwas dabei, wenn ich meinen Charakteren so etwas zustoßen lasse. er Mann, den der „Guardian“ als den „letzten der großen weißen Schriftsteller Amerikas“ gepriesen hat, zeigt uns seine neue Heimatstadt Toronto. Eineinhalb Stunden hatten wir gesprochen, jetzt braucht John Irving frische Luft. Seit einem Jahr hat der 74-Jährige seinen festen Wohnsitz in Toronto, seine Frau stammt von hier. Hier, in der kanadischen Großstadt, ist sein Fahrverhalten ein ganz anderes als in Vermont, wo er lange Jahre in einem großen Haus auf einem Berg wohnte. Als ihn Martin Scholz dort 2002 im tiefsten Winter schon einmal besuchte, wäre er mit seinem Auto fast nicht mehr weggekommen. Zum Glück entpuppte sich Irving als amerikanisches Pendant eines ADAC-Engels. Es ist wichtig, ob Juan Diego Auto fahren kann oder nicht? Ja, es hat Folgen für den Verlauf des Romans. Weil er nicht fahren kann, sitzt er beispielsweise auf dem Nachhauseweg nach einem Essen hinten im Auto neben seiner Ärztin Dr. Rosemary, mit der er platonisch befreundet ist. PS WELT: Besitzen Sie noch den blauen VW Passat mit Allradantrieb, mit dem Sie mich und mein Z3 Coupé aus dem Schneehang an Ihrem Haus gezogen haben? JOHN IRVING: Hahaha. Wenn es Sie tröstet: Sie waren nicht der einzige, den ich im Winter an meinem Berg aus dem Schnee ziehen musste. Aber den Passat besitze ich schon lange nicht mehr. Vor einem Jahr bin ich komplett zu meiner Frau nach Toronto gezogen, sie ist Kanadierin. Hier in der Stadt haben wir einen Audi Q5. In der gebirgigen Landschaft Vermonts war damals ein Wagen mit Allradantrieb unverzichtbar. Ohne ihn wäre ich nirgendwohin gekommen. Warum um alles in der Welt sind Sie damals eigentlich im tiefsten Winter mit einem Z3 Coupé zu mir gefahren? Für die lange Strecke von New York zu Ihnen hätte ich ja am liebsten ein Z3 Cabrio genommen – weil ich so eins auch in Deutschland fahre. Weil das aber im Januar keine gute Idee gewesen wäre, kam das Coupé ins Spiel. Ein Kompromiss. Mit Hinterradantrieb auf eine vereiste Bergstraße – auch keine gute Idee. Ihre Frau war damals ja an der Abschlepp-Aktion beteiligt. Sie sagte: „What a nice car.“ „Nice“ schon, aber eben nicht wintertauglich. Zum Glück hatten Sie ja mich und meinen Passat. Reden wir über Autos in der Literatur: In Ihrem neuen Roman „Straße der Wunder“ scheinen sich Autos gegen Ihren Romanhelden, den Schriftsteller Juan Diego Guerrero, verschworen zu haben. Finden Sie? Na ja, Ihr Held kommt in jungen Jahren unter die Räder, als ihm sein Stiefvater mit einem Laster versehentlich über den Fuß fährt. Ja. Armer Kerl. Sein Fuß wird zerquetscht. Er hat danach eine Gehbehinderung, muss sein Leben lang hinken. Es kommt ja noch schlimmer: Als er viel später selbst versucht, Auto zu fahren, tritt er mit dem behinderten Fuß versehentlich gleichzeitig auf Christopher Wahl/ Contour by Getty Images „Ich habe meine VW Käfer geliebt“ In seinem neuen Roman hat ein Lkw großen Einfluss auf eine aberwitzige Handlung. Ein Gespräch mit JOHN IRVING über Autos in der Literatur, sein neues Leben auf dem Beifahrersitz – und Idioten, die mit Skistiefeln fahren Gas und Bremse. Wie kommen Sie auf so etwas? Haben Sie das selbst mal ausprobiert? Ich hatte insgesamt drei Knie-Operationen. Zwei an meinem linken, eine an meinem rechten Knie. Die Fäden bleiben länger im Knie, es ist dann extrem unbeweglich. Wenn ich meinen Fuß zu jener Zeit in eine andere Position drehen wollte, war das unangenehm und schmerzhaft. Autofahren war eine enorme Herausforderung. Denn immer, wenn ich versuchte, den Fuß gerade zu halten, um das Gas- oder Brems-Pedal zu treten, schmerzten die Nähte. Das ist gefährlich. Denn wenn du deinen Fuß in eine schmerzfreie Position drehst, ist er so schief gewinkelt, dass du auf zwei Pedale, Bremse und Gas, gleichzeitig treten kannst. Ich musste höllisch aufpassen beim Fahren. Nach einer meiner OPs hatte ich dann einem Freund, der Polizist war, von diesem Problem erzählt. Ich lebte damals schon in Vermont, wo es, wie Sie ja inzwischen wissen, viel Schnee gibt. Mein Freund sagte: „Was du mir da erzählst, ist doch gar nichts. Du glaubst nicht, wie viele Unfälle es jedes Jahr im Winter gibt, weil irgendwelche Idioten mit ihren Skistiefeln Auto fahren.“ Jetzt ernsthaft? Ja, diese Typen kommen von der Piste, sind dann zu faul ihre Skistiefel auszuziehen und fahren los. Sind Sie mal mit Skistiefeln Auto gefahren? Bisher noch nicht. Ich habe es eigentlich auch nicht vor. Es ist auch nicht empfehlenswert. Skistiefel sind schwere, klobige Dinger. Mein Freund sagte mir jedenfalls, die Hauptunfallursache liege darin, dass Leute mit diesen Stiefeln Bremse und Gaspedal gleichzeitig treten. Die Dinger sind einfach zu breit. Gas- und Brems-Pedal gleichzeitig treten – das ist eine verrückte Kombination. Man würgt den Motor ab – je nachdem, in welcher Situation das passiert, kann alles Mögliche über Sie hereinbrechen. In einem Skistiefel oder mit einem Katja Fischer JOHN IRVING John Winslow Irving wurde am 2. März 1942 in Exeter/New Hampshire geboren, er zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern der USA. Seine 13 Romane wurden Weltbestseller und in mehr als 35 Sprachen übersetzt. Irving hat lange in Wien studiert und seine Erlebnisse dieser Zeit auch in seinem Roman „Das Hotel New Hampshire“ verarbeitet. 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. John Irving fuhr keinen Riesen-Jeep, sondern es reichte ein Allrad-Passat, um PS WELT-Autor Martin Scholz mit seinem Z3 aus dem Schnee zu ziehen Dr. Rosemary offenbart ihm, dass sie sich früher hätte vorstellen können, Juan Diego zu heiraten. Und ihr Ehemann sitzt am Steuer, während er dieses Gespräch mithört. Diese Szene wäre ganz anders gewesen, wenn Juan Diego selbst am Steuer gesessen hätte. Das ist eine meiner Lieblingsszenen in dem neuen Roman. Sie lassen Ihren Helden noch weiter leiden, weil er nicht fahren kann. Während der Schulzeit wird er deswegen gemobbt. Ist das eine uramerikanische Sicht auf Männer und Autos: Wer nicht Auto fahren kann, ist kein richtiger Mann? Ich würde sagen, das ist in jedem Fall eine typisch männliche Sichtweise. Wobei dieser hohe Stellenwert der Auto-Kultur in den USA wie auch in Kanada immer noch damit zu tun hat, dass es diese riesigen Landschaften gibt, in denen man ohne Auto völlig aufgeschmissen ist. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass man in vielen Teilen Europas ohne Auto klar kommen könnte. Ich wüsste nicht, wie man in Nordamerika ohne Auto überleben könnte. Von den Großstädten mal abgesehen. Über Ihren Romanhelden schreiben Sie, er hätte keinen guten Orientierungssinn, er weiß oft nicht, wo er sich befindet – eben weil er nie mit dem Auto unterwegs ist. Nimmt man vom Lenkrad aus seine Umgebung bewusster wahr? Ich erzähle Ihnen dazu eine Geschichte. Ich habe mehr als 30 Jahre lang mehrere Monate des Jahres in Toronto, den Rest der Zeit in Vermont gelebt. Seit einem Jahr haben wir hier unseren Hauptwohnsitz. Aber Toronto ist die Heimatstadt meiner Frau Janet. Ich selbst fahre hier so gut wie nie Auto, und wenn, dann sitze ich nur auf dem Beifahrersitz meiner Frau. Meistens gehe ich zu Fuß, nehme die U-Bahn oder ein Taxi. Aber ich fahre so gut wie nie selbst in Toronto. Warum nicht? Weil Toronto ihre Stadt ist. Wenn sie Auto fährt, kennt sie alle Wege besser als ich. Wenn wir aus der Stadt rausfahren zu unserer Ferieninsel im Lake Huron, fahre ich zwar Teile der Stre- Von MARTIN SCHOLZ cke. Aber meine Frau muss mir immer sagen, wo ich in Toronto abbiegen muss. Obwohl ich seit 30 Jahren in der Stadt lebe, habe ich sie gewöhnlich nur vom Beifahrersitz aus wahrgenommen. Wenn du nicht selbst fährst, nur Beifahrer bist, schenkst du deiner Umgebung nicht so viel Aufmerksamkeit. Es gibt in Ihrem Buch mehrere Autos – nur eines wird detailliert beschrieben: ein roter VW Käfer. Besitzer ist der menschenfreundliche mexikanische Jesuitenpater Pepe, eine Art Schutzpatron für den jungen Juan Diego. Haben Sie eine spezielle Verbundenheit zu gerade diesem Auto? Ich liebe die VW Käfer, die Beetles, wie wir sie nennen. Es gab eine Zeit, da sah man sie hier einfach überall. Mein erstes Auto war allerdings kein Käfer, obwohl ich später mehrere hatte. Welches war denn Ihr erstes Auto? Ich wurde Autobesitzer, als meine Eltern nach einem neuen Wagen suchten. Die alte Karre, einen Pontiac, hatten sie behalten. Er hatte Holzrahmen, sah aus wie ein Eisenbahn-Waggon. Ich habe ihn gehasst, habe ihn aber dennoch genommen, weil es der einzige Wagen war, den ich bekommen konnte. Wie viele Käfer hatten Sie später? Ich hatte mindestens zwei, an einen gelben und einen blauen kann ich mich sehr gut erinnern. In meiner Zeit als College-Student, später als junger Lehrer und Ringer-Trainer fuhr ich immer Beetles. Ich liebte diese Autos wirklich. Ich fand sie sehr praktisch, es kostete nie viel Geld, sie reparieren zu lassen. Das ist wohl auch der Grund, warum man sie nicht weiter gebaut hat – die Hersteller konnten nicht so viel Geld mit ihnen verdienen, jedenfalls nicht in jenen Ländern der Welt, in denen Menschen sehr viel Geld für Autos ausgeben. Ich fand den Beetle wunderbar. Und ich fand, der Käfer war der perfekte Wagen für meinen Priester Pepe in Mexiko. In dem Land sind die Beetles immer noch im Alltag gegenwärtig. Ich habe viel Zeit in Mexiko verbracht, um für den Roman zu recherchieren. Es war schön, dort wieder all diese Käfer zu sehen. Sie haben auch auf den Philippinen recherchiert, früher auch in Indien. Welche Stadt ist für Autofahrer die chaotischste der Welt? Mexico-City ist ziemlich Angst einflößend, was den Verkehr betrifft. Rom finde ich allerdings auch sehr schwierig, all diese Kreisverkehre, nicht zu vergessen die italienischen Autofahrer (lacht). Ganz oben auf meiner Liste der chaotischsten Auto-Städte wäre aber Mumbai – weil auf den Straßen nicht nur Autos unterwegs sind, sondern auch Pferde- und Eselkarren, manchmal sogar Elefanten. Sehr herausfordernd. 9 SONNTAG, 19. JUNI 2016 Was Sie ruhig fahren können Jaguar F-Pace: Das ist der Turbo-Boost für eine ganze Marke Wir wissen, dass Sie Ihren alten Elfer in der Garage haben. Oder vielleicht einen Alfa mit H-Kennzeichen. Aber insgeheim, wenn keiner guckt, dann würden Sie schon gern mal ein neues Auto fahren, nicht wahr? Die PS WELT, Fachblatt für Toleranz, hat da etwas für Sie: vier Neuwagen, die gar nicht peinlich sind Volvo V90: Können wir bitte alle die Audi-BMW-Mercedes-Brille absetzen? Renault Talisman: Man sieht ihn nicht überall, erkennt ihn aber sofort Ford Fiesta ST200: wenn man mal einen alten Elfer versägen will Ihnen als Pilot eines 70er-Jahre-Porsche mag es seltsam vorkommen, einen Ford Fiesta empfohlen zu bekommen. Aber die PS WELT, Fachblatt für unauffällige Stadtautos, rät ehrlichen Herzens zu einer Probefahrt im Fiesta ST200, denn die wird ein paar Maßstäbe verrücken: Wozu man früher ein teures Coupé brauchte, das erledigt man heute im Kleinwagen – 6,7 Sekunden auf 100, 230 km/h Spitze. Weil vorn ein 1,6-Liter-Turbo mit 200 PS und strammen 290 Newtonmetern Drehmoment arbeitet. Weil man für 20 Sekunden den Turbo im Overboost-Modus betreiben kann und damit weitere 15 Pferdestärken und 30 Nm erhält. Weil das Getriebe im Gegensatz zu dem des normalen Fiesta ST kürzer übersetzt wurde, weil die Lenkung direkter ausgelegt, die Karosserie 15 Millimeter tiefer gelegt und das Torque Vectoring an der Vorderachse optimiert wurde. Man muss das alles ja nicht mögen an einem Fiesta. Aber heiß ist es schon. 24.460 Euro. Groß, schön und individuell – der Klassiker von morgen Wenn wir von Designchefs sprechen, die ihre ganze Firma umgekrempelt haben, dann fällt meist der Name Gorden Wagener (Mercedes). Aber schauen wir nach Göteborg. Was Thomas Ingenlath da gerade mit der Traditionsmarke Volvo anstellt, wird einen ähnlichen Effekt haben: Neue und jüngere Kunden werden die Autos kaufen. Das Luxus-SUV XC90 reißen sie ihnen schon aus den Händen, und der neue Kombi V90 wird zusammen mit der Limousine S90 einen ähnlichen Weg nehmen. Gewiss, hier gibt es stärkere Konkurrenz (5er, A6, E-Klasse), aber die PS WELT, Fachblatt für Fuhrparkmanagement, sieht den Volvo als charmante Alternative zur deutschen Business Class. Neben dem unglaublichen Design (auch innen!) und der bemerkenswerten Geräumigkeit bietet der Volvo auch technischen Mut: Alle Motoren haben nur zwei Liter Hubraum, vier Zylinder. Schockierend, fährt sich aber gut. Ab 190 PS, 45.800 Euro. Jaguar F-Pace Man glaubt es nicht, man glaubt es einfach nicht Das SUV, das uns auf jeden Fall noch gefehlt hat Renault Talisman Volvo V90 Ford Fiesta ST200 ANZEIGE No Jokes with Names? Das ist hier ein bisschen schwierig Das Tollste an der Marke Jaguar ist, dass sie jeder kennt, aber keiner kauft. Okay, das war fies. Aber die meisten Leute sind doch überrascht, wenn sie hören, dass Jaguar pro Jahr keine 100.000 Autos weltweit absetzt. Das aber wird sich nun schlagartig ändern, denn auch in Gaydon haben sie die Medizin gegen StückzahlSchwindsucht entdeckt: ein Ess-Juu-Wie, wie der Engländer sagt, also diese seltsame, aber begehrte Mischung aus Kombi und Geländewagen. F-Pace heißt das gute Stück, es sieht trotz SUV-Form sportlich aus, und es fährt sich traumhaft. Lenkung und Feder-Dämpferabstimmung lassen keinen Zweifel daran, dass dieses SUV nun wirklich Asphalt statt Feldwege befahren will – obwohl es dank elektronischer Hilfe eine Menge Offroad-Aufgaben bewältigt. Die PS WELT, Fachblatt für Linksfahren, empfiehlt den Jaguar allen, denen ein Land Rover zu knorrig und ein Audi zu kühl ist. Ab 180 PS, 42.390 Euro. Bei Renault haben sie nicht immer ein Händchen für die Namen, die sie ihren Autos geben. Immerhin kann man über den neuen Talisman sagen, dass der Name besser klingt als der seines Vorgängers Latitude. Aber Talisman ist eben Talisman, und warum soll ein Auto ein Glücksbringer sein? Trotzdem glaubt die PS WELT, Fachblatt für das stille Glück, an das Potenzial des neuen Renault. Weil er ein selbstbewusstes Frontdesign hat, das man wochenlang vor Kollegen und Nachbarn rechtfertigen kann. Weil er Massagesitze schon in der Basisversion bietet, und weil sich mit dem Auswählen der Fahrprogramme auch das Lichtdesign im Interieur ändert. Die Motorenauswahl ist allerdings für einen Petrolhead noch gewöhnungsbedürftiger als das Programm des Volvo. Renault setzt hier ausschließlich auf aufgeladene 1,6-Liter. Das ist wenig faszinierend, dafür sehr modern und mutmaßlich effektiv. Ab 110 PS, 27.950 Euro. GESCHAFFEN, UM IHRE ZEIT ZU VEREDELN. F o r d V i g n ale e r öf f n e t Ih n e n e i n e g a n z n e u e We lt i n d i v i d u e lle r u n d exklusiver Ser viceleistungen. Mehr unter fordvignale.com FORD PRÄSENTIERT 10 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG M an macht ja normalerweise, was der Chef sagt. Und wenn man nicht will? Kann es gefährlich werden, wie Oisin Tymon vergangenes Jahr erfahren musste: Der „Top Gear“-Producer hatte seinem Ober-Moderator Jeremy Clarkson kein warmes Essen besorgt und spürte nach einem Streit ums Essen plötzlich eine Faust im Gesicht. Der Rest ist bekannt, und es hat zwölf Monate gedauert, bis „Top Gear“, Clarksons Sendung, wieder auf den Bildschirm kam. Nur eben ohne Clarkson. „Wir brauchen einen ultraharten Verriss“, so stand es in der Mail von meinem Chef. Aber was soll ich sagen – mir gefällt die neue Sendung. Chris Evans und Matt LeBlanc, die neuen Moderatoren, sie machen es gut, unterhaltsam. Ich finde witzig, dass der Engländer Evans amerikanisch aufgedreht rüberkommt, während Ami LeBlanc britisch-cool agiert. Sabine Schmitz und Eddie Jordan, zwei der vier neuen Co-Stars, die ich bisher in ihren Einspielfilmen sehen konnte – auch nicht schlecht. Die Filme selbst: wie gehabt, sehr schräge Themenwahl, extrem aufwendig gemacht, ich will einfach nicht abschalten. Ich denke, mein Chef wird mich nicht schlagen dafür, aber vielleicht ballt er die Faust in der Tasche. Um ihn zu lockern, habe ich mir auch zwei alte „Top Gear“-Folgen angesehen, die ersten beiden der letzten Staffel mit Clarkson und seinen Sidekicks Richard Hammond und James May. Und ich muss es zugeben, die sind auf eine spezielle Weise besser. Im direkten Vergleich kann man auch schnell sagen, warum das so ist. Erstens: Clarkson, Hammond, May sind perfekt aufeinander eingespielt, diese Erfahrung aus 13 gemeinsamen Jahren kann das neue Team noch nicht haben. Zweitens: Die drei früheren Moderatoren sind echte Buddies, sie verbrachten auch jenseits von „Top Gear“ Zeit miteinander. Das werden Evans und LeBlanc, die auf verschiedenen Erdteilen wohnen, nicht tun. Drittens: Es gibt heute wie damals Kraftausdrücke in der Sendung, die von der BBC treulich mit einem Piepton gekennzeichnet werden. Aber früher war die gesamte Haltung unkorrekter. Schwer vorstellbar, dass Evans einen unzuverlässigen Motor mit einem griechischen Bankkonto vergleichen würde, oder dass LeBlanc die Zuschauer auf das sich deutlich unterm Overall abzeichnende Gemächt eines Rennfahrers hinweisen würde, mit dem Wort „sausage“ (Wurst) übrigens. Das ist pubertär, gewiss – aber mich soll der Teufel holen, wenn nicht diese GroßeJungs-Attitüde ihren Teil zum weltweiten Erfolg von „Top Gear“ beigetragen hätte. Und sicher gibt es auch einen ganz grundsätzlichen Unterschied: Clarkson ist ein Autofreak, der sich und seine Sendung weltberühmt gemacht hat. Evans ist ein in England prominenter Radio- und Fernsehmann mit einem Faible für Autos, der eine weltberühmte Fernsehsendung übernimmt und sie weiter entwickeln will. „Ich bin da, um den Übergang zu gestalten“, sagt Evans, der mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet wurde. Vergleiche mit Clarkson berühren ihn an- geblich überhaupt nicht. „Man hat sich für mich entschieden, weil ich Erfahrung habe, weil ich meine Hits und Flops hatte, und weil ich Druck aushalte“, sagt Evans, als ich ihn bei der Weltpremiere der neuen, 23. „Top Gear“-Staffel treffe. „Und ich bin mit roten Haaren und einer Brille aufgewachsen – ich habe jedes Schimpfwort schon mal gehört.“ Von STEFAN ANKER Evans spricht dann schnell von Spannungsbögen, die ihm wichtig seien. Erfolgreiche Fernsehserien, ob Drama oder die Sitcom „Friends“, mit der Matt LeBlanc berühmt wurde, erzählten in jeder Episode zwei Geschichten, die beide zu Ende gebracht würden. Dennoch gebe es auch einen Spannungsbo- ses Roundtable-Gespräch mit internationalen Journalisten zu Clarksons Zeiten anders gelaufen wäre. Auf die Frage des mexikanischen Kollegen, wann „Top Gear“ denn mal in Mexiko drehen würde, hätte er nicht so höflich geplaudert wie Evans, der sich bei allem Temperament auch wie ein Politiker geben kann. Clarkson hätte einen Witz über Drogen gemacht oder das häufig wiederkehrende Klischee bemüht, dass die Leute in Mexiko seine Sendung sowieso nicht mögen. Und dass ein Reporter aus Dänemark groß und deutlich „Top Fart“ auf einen Zettel geschrieben hat, was auf Dänisch Höchstgeschwindigkeit, im Englischen aber Spitzen-Furz bedeutet, hätte Clarkson nicht so höflich ignoriert wie Chris Evans. Andererseits: Soll Evans etwa versuchen, genau wie Clarkson zu sein? Das kann sowieso keiner, also lässt man es bes- Outback wirklich am Feuer geschlafen und ihr Lager mit Tretminen abgesichert (wobei angeblich eine Kuh gesprengt wurde)? Nein, „Top Gear“ war und ist bei allem Petrolheadismus auch eine perfekte Show, für die insgesamt rund 100 Menschen arbeiten. Am Set sind bis zu 50 Personen mit sechs, sieben Kameras unterwegs, gern haben sie auch Drohnen und Hubschrauber dabei. „Es ist eigentlich unmöglich, keinen guten ‚Top Gear‘-Film zu drehen“, sagt Chris Evans. „Wir haben einfach so viele Ressourcen.“ Wenn Amazon im Herbst beginnt, Clarksons neue Show „The Grand Tour“ zu streamen, muss man daher nicht nur darauf achten, ob Clarkson & Co. so zotig und rüpelhaft sein dürfen wie immer – schließlich kommt Amazon aus den USA, dem Mutterland der politischen Korrektheit. Noch interes- Chris Evans, neben US-Schauspieler Matt LeBlanc Gastgeber der neuen „Top Gear“-Ära, steht selten still, sein Moderationsstil wirkt aufgekratzt. Im Filmduell fährt er die blaue Viper gegen die gelbe Corvette, beide mit Zielerfassungsgeräten und kleinen Raketen bestückt Versuch eines VERRISSES „TOP GEAR“ ist wieder da, die beste Autosendung des Planeten, nur ohne den besten Moderator. Das kann eigentlich nicht gut gehen. Oder doch? DIE 4 ser bleiben. Und nimmt vorsichtshalber etwas Gas weg. „Was hier im Studio passiert, ist nicht so wichtig“, sagt Evans, „es geht vor allem um die Filme, die wir machen.“ Und die können sich – sorry, Chef – sehen lassen. Ein Dogfight zwischen Corvette und Viper, beide ausgerüstet mit Laser-Zielgeräten und Lenkraketen. Ein McLaren-Test mit Jenson Button am Steuer. Ein Wettstreit zwischen Ur-Land-Rover und Ur-Jeep, die wirklich hart rangenommen werden. Natürlich ist das alles nicht so spontan, wie es aussieht, sondern geplant, geschrieben und mit viel Aufwand inszeniert. Aber das war früher auch schon so. Glaubt jemand, Clarkson, Hammond und May hätten bei ihrer Reise ins australische 3 BESTEN JEREMY CLARKSON-QUOTES omme, was wolle, moderiere, wem es gefalle, und nenne sich eine Autosendung, wie sie wolle – für uns bleibt Clarkson auch weiterhin der Oberpriester in unserer PS-Kathedrale. Hier unsere liebsten Zitate aus seinen letzten Autokolumnen auf „driving.co.uk": K BMW M2 Die Lenkung ist absolut verdammt fantastisch. […] Und das ist umso erstaunlicher, als die Servolenkung elektrisch pa / ZUMAPRESS.com/BBC gen für die gesamte Staffel der Serie. Und wenn sie sehr erfolgreich sei, erzeugten die Autoren auch eine gemeinsame Klammer, die alle Staffeln miteinander verbinde. Während Evans das so genau erklärt, hört man zwischen den Zeilen, dass es solche Überlegungen, das Schicksal der eigenen Sendereihe zu gestalten, bei Clarkson wohl weniger gegeben habe. „Wenn du eine Rolle schreibst, dann weißt du auch, wann und wie sie stirbt“, sagt Evans in einem Ton, der keinen Widerspruch zulässt. „Wenn nicht, dann bist du überrascht, wenn sie irgendwann gekillt wird.“ Das sind kühle, professionelle Worte einer etablierten Fernsehfigur, und man kann sich lebhaft vorstellen, dass die- ist. Was bedeutet, dass alle Sinneseindrücke künstlich sind. Falls BMW jemals einen Sexroboter baut, sollten Sie sofort einen kaufen […]. FERRARI 488 GTB In England erinnert ein Ferrari Otto Normalverbraucher daran, dass etwas in seinem Leben nicht ganz so geklappt hat, wie er gehofft hat. […]. Das bedeutet, dass Sie für jede Minute Spaß, die Sie in Ihrem Ferrari haben, zehn Minuten Beschimpfungen und Hass ertragen müssen. Also braucht man ein dickes Fell, um einen zu fahren. Es sei denn, Sie begegnen mir auf Ihren Reisen. Denn wenn ich heutzutage jemanden sehe, der einen Ferrari fährt, möchte ich zu ihm rennen und ihn umarmen und ihm anbieten, seine Babies auf die Welt zu bringen. LEXUS GS F Im mittleren Drehzahlbereich – bis, sagen wir: 4.500 Umdrehungen – klingt der Motor unheilvoll und innerlich leer, wie ein einsamer Wolf. Aber wenn Sie Ihren Fuß in den Teppich pflanzen und über 6.000 Umdrehungen gehen, fängt er an zu klingen, als sei er darüber wütend, ein innerlich leerer Wolf zu sein. Er klingt – und das ist das höchste Lob, das man einem Auto aussprechen kann – wie ein Ferrari 458 Italia. MERCEDES-AMG C 63 Das ist kein gut aussehendes Auto. Das Heck wirkt, als sei es geschmolzen, und es gibt viel zu viele aufdringliche Styling-Details. Es sieht aus, als wäre es in einen Interior-Design-Laden in Abu Dhabi gekracht, und alles ist irgendwie hängen geblieben. santer wird sein, ob Amazon für „The Grand Tour“ den finanziellen Aufwand treibt, an den Clarkson gewöhnt ist. Und vielleicht darf ich noch den interessantesten Satz der „Top Gear“-Weltpremiere zitieren, gesagt von Sabine Schmitz, der deutschen Rennfahrerin und Co-Moderatorin. „Die Namen BBC und ‚Top Gear‘ öffnen dir einfach alle Türen.“ Wie stark Jeremy Clarksons Name ohne das mit ihm verbundene „Top Gear“ ist, wird sich erst zeigen müssen. Im besten Fall bekommen wir zwei hervorragende englische Autosendungen. Eine mit der kühlen Perfektion der BBC und eine zweite mit der Portion Anarchie, die den Hauptfiguren von „Top Gear“ heute fehlt. SCHNELLE FRAGEN AN DIE SCHNELLSTE SABINE E ine Deutsche bei der erfolgreichsten TV-Sendung dieses Planeten? Eine Frau mit NordschleifenRundenzeiten, bei denen wir uns verschämt in die nächste Garage zurückziehen und ein paar Tröpfchen Öl vergießen? Ja, wir LIEBEN Sabine Schmitz … Wird das neue TG genauso lustig wie das alte Format? Wir möchten das alte „Top Gear“ oder die früheren Moderatoren nicht kopieren oder nachahmen. Das neue Moderatoren-Team ist sehr individuell – jeder hat rund um Autos sein eigenes Fachgebiet, auf dem er sehr gut ist. So kann man aus einer Vielfalt auswählen und die Rollen perfekt verteilen. Lustig wird’s auf alle Fälle! „Top Gear“ soll ja weiterhin alle Familienmitglieder begeistern. Wie sind die Aufgaben verteilt? „Top Gear“ kann man nicht vergleichen mit einem StandardTuning- oder einem reinen Automagazin. Es ist für jeden etwas dabei. Information und Innovation werden genauso ein Bestandteil sein wie total durchgeknallte Geschichten, die einen manchmal an die Grenzen des Machbaren bringen! Gut ist, dass wir alle technisch versiert sind und uns vor nichts fürchten. Dazu kommt, dass wir alle „Petrolheads“ sind. Eine Aufgabe ist auf jeden Fall fest verteilt: Der Stig ist der schnellste Fahrer und braucht sich weder über Outfit noch Moderation Gedanken zu machen. Wann wird die Nordschleife endlich offizielle TG-Teststrecke? Ja, das wär’s! Wir drehen definitiv auf der Nordschleife. Das frühere Team hatte sehr viel Respekt vor der alten Dame und hat es lieber vermieden, dort selbst zu fahren – und nach einigen Runden mit mir darauf verzichtet, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen … BBC Top Gear ANZEIGE RENAULT TALISMAN GRANDTOUR Auf die Details kommt es an 1 Der Renault Talisman Grandtour im Überblick Es gibt sie, die Liebe auf den ersten Blick. Deswegen ist es schön, wenn das Design eines Wagens rundherum überzeugt – so wie beim Renault Talisman Grandtour, der sowohl außen als auch innen mit viel Liebe zum Detail ausgestattet wurde. Seine markante Frontpartie, seine attraktive Seitenlinie und seine kraftvollen Schultern verleihen ihm eine Persönlichkeit, die Selbstbewusstsein und Stilsicherheit in jeder Situation ausstrahlt. Wie die CoupéLimousine weist auch der Renault Talisman Grandtour dynamische Proportionen, ein lang gezogenes Profil und eine hohe Gürtellinie auf. Die Dachlinie wird durch einen Heckspoiler verlängert, und die Neigung des Heckfensters betont die Dynamik. All das wird ermöglicht, ohne Kompromisse beim Kofferraumvolumen zu machen. Zur Ausstattung außen gehört unter anderem noch, dass sich an den Fenstern Chrom-Einfassungen befinden und sowohl die Türgriffe als auch die Außenspiegel in der jeweiligen Wagenfarbe lackiert sind. Hinzu kommt, dass der LED-Blinker bei > Design: stillvolle Persönlichkeit und unverwechselbare Eleganz > Fahrspaß: individualisierbares MULTI-SENSE System und dynamische Allradlenkung 4CONTROL2 > Komfort: gehobene Verarbeitung und innovative Technologien > Einstiegspreis: ab 28.950,– Euro3 den Außenspiegeln integriert wurde und sie elektrisch anklapp- und einstellbar sind. Schon an diesem Beispiel ist zu sehen, wie das Design hier mit der Funktionalität auf eine einzigartige Weise vereint wird. Dieses Prinzip, dass das Beste aus beiden Welten im Renault Talisman Grandtour vereint wird, setzt sich selbstverständlich auch im Inneren des Kombis fort. Damit der Fahrer zum Beispiel die innovative Technik möglichst optimal im Griff hat, wurde die Mittelkonsole mit viel Sinn für Ergonomie gestaltet. Handwerkliche Sorgfalt prägt dabei jedes Detail. Das klare Design sorgt dafür, dass jede Fahrt angenehm ist und zum komfortablen Vergnügen wird. Wie der Schalthebelknauf ist auch das Lenkrad, das natürlich problemlos längs- und höhenverstellbar ist, in Leder gefasst. Der Renault Talisman Grandtour hat eindeutig Charakter. Alles ist an ihm dafür gemacht, um mit Leichtigkeit schön zu sein. EINE KLASSE FÜR SICH DER FEINE UNTERSCHIED FAHRZEUG MIT CHARAKTER Charismatisches Außendesign Zeitloses Interieur Stilvolle Persönlichkeit Der Renault Talisman Grandtour hat das Zeug zum Verführer. Seine breite Front sorgt für eine starke Präsenz auf der Straße und strahlt selbstbewusst Kraft und Leistung aus. Der große Kühlergrill mit den feinen Chrom-Elementen unterstreicht dabei noch sein markantes Auftreten. Dieser Wagen repräsentiert eine Klasse für sich. Die handwerklich perfekte Verarbeitung der hochwertigen Materialien und die durchdachte Ergonomie vermitteln das gute Gefühl des gehobenen Lebensstils. Dieses Gefühl wird noch durch Details im Design wie die Ziernähte in der Verkleidung4 des Instrumententrägers ganz natürlich verstärkt. Das richtige Auftreten ist eine Frage des Stils. Vom Renault Talisman Grandtour wird sie mit viel Liebe zum Detail beantwortet. Seine Persönlichkeit wird unter anderem durch edle 19-Zoll-Räder2, die charakteristischen seitlichen Luftauslässe und seine am Tag und in der Nacht leuchtende Lichtsignatur unterstrichen. Renault Talisman Grandtour ENERGY dCi 110: Gesamtverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert (l/100 km): 4,2/3,5/3,7; CO2-Emissionen kombiniert (g/km): 98. Renault Talisman Grandtour: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 6,0–3,7; CO2-Emissionen kombiniert (g/km): 135–98 (Werte nach Messverfahren VO [EG] 715/2007). 1) 3 Jahre Renault Neuwagengarantie und 2 Jahre Renault Plus Garantie (Anschlussgarantie nach der Neuwagengarantie) gem. Vertragsbedingungen für 60 Monate bzw. 100.000 km ab Erstzulassung; 2) Serienmäßig oder optional (gegen Aufpreis), verfügbar ab Ausstattungsniveau Intens; 3) UPE zzgl. Überführung für einen Renault Talisman Grandtour Life ENERGY dCi 110; 4) Serienmäßig ab Ausstattungsniveau Intens; Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl DER RENAULT TALISMAN IST WELT-KLASSE. MEHR INFORMATIONEN UNTER WWW.WELT.DE/WELT-KLASSE 12 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG MATS HUMMELS SHKODRAN MUSTAFI AUDI R8 SPYDER 13 SONNTAG, 19. JUNI 2016 JÉRÔME BOATENG MERCEDES-AMG S65 COUPÉ BENTLEY CONTINENTAL GT CONVERTIBLE Der Innenverteidiger fährt gerne groß, bequem und schnell. Keine Einwände Der stylischste unserer Fußballer bevorzugt englischen Luxus BILD Leserreporter Der Hesse mag es auch im spanischen Exil am liebsten deutsch MARIO GÖTZE MERCEDES SLS AMG Der Weltmeister liebt Autos, die genauso flink sind wie er selbst HerMuniCar/autogespot.de MAX KRUSE MASERATI GRANTURISMO Ganz klassisch italienisch …, äh nein, eher nicht. Kruse ist und bleibt ein ganz eigener Charakter Christoph Reichwein/ BILD Zeitung EMRE CAN MERCEDES-AMG G 63 Der Liverpool-Legionär tritt auch auf der Straße gerne etwas robuster auf instagram.com/shkodranmustafi imagot instagram.com/ec2323 MESUT ÖZIL UNSERE PETROLHEAD-ELF LAMBORGHINI AVENTADOR Mit Fußball kennt sich der Jogi aus, aber bei Autos fragt man besser uns. Oder einen der folgenden Herren, die wegen ihrer Liebe zum Blech hiermit von uns in unsere ganz persönliche Lieblings-Petrolhead-Elf nominiert werden Der Lambo ist ideal im Londoner Stadtverkehr – findet jedenfalls unser Mittelfeld-Genie wenn.com JULIAN DRAXLER Carspotter Fabian MERCEDESAMG GT S Feurig rot geht auch auf Deutsch – wie der Mittelfeldspieler beweist LUKAS PODOLSKI MANSORY STALLONE F12 instagram.com/poldi_official MARCO REUS RALF FÄHRMANN ASTON MARTIN VANQUISH FERRARI GTB 488 Das mit dem Führerschein war blöd, die Autowahl war es bestimmt nicht Wer als Torwart viel steht, will auf der Straße erst recht eines der besten Fahrerlebnisse. Verständlich Gerd Scheewel / BILD Zeitung Marc Vollmannshauser / BILD Zeitung Alles, was auf einem Ferrari F12 basiert, kann keine ganz schlechte Wahl sein. Auch wenn wir das Original bevorzugen würden 12 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG MATS HUMMELS SHKODRAN MUSTAFI AUDI R8 SPYDER 13 SONNTAG, 19. JUNI 2016 JÉRÔME BOATENG MERCEDES-AMG S65 COUPÉ BENTLEY CONTINENTAL GT CONVERTIBLE Der Innenverteidiger fährt gerne groß, bequem und schnell. Keine Einwände Der stylischste unserer Fußballer bevorzugt englischen Luxus BILD Leserreporter Der Hesse mag es auch im spanischen Exil am liebsten deutsch MARIO GÖTZE MERCEDES SLS AMG Der Weltmeister liebt Autos, die genauso flink sind wie er selbst HerMuniCar/autogespot.de MAX KRUSE MASERATI GRANTURISMO Ganz klassisch italienisch …, äh nein, eher nicht. Kruse ist und bleibt ein ganz eigener Charakter Christoph Reichwein/ BILD Zeitung EMRE CAN MERCEDES-AMG G 63 Der Liverpool-Legionär tritt auch auf der Straße gerne etwas robuster auf instagram.com/shkodranmustafi imagot instagram.com/ec2323 MESUT ÖZIL UNSERE PETROLHEAD-ELF LAMBORGHINI AVENTADOR Mit Fußball kennt sich der Jogi aus, aber bei Autos fragt man besser uns. Oder einen der folgenden Herren, die wegen ihrer Liebe zum Blech hiermit von uns in unsere ganz persönliche Lieblings-Petrolhead-Elf nominiert werden Der Lambo ist ideal im Londoner Stadtverkehr – findet jedenfalls unser Mittelfeld-Genie wenn.com JULIAN DRAXLER Carspotter Fabian MERCEDESAMG GT S Feurig rot geht auch auf Deutsch – wie der Mittelfeldspieler beweist LUKAS PODOLSKI MANSORY STALLONE F12 instagram.com/poldi_official MARCO REUS RALF FÄHRMANN ASTON MARTIN VANQUISH FERRARI GTB 488 Das mit dem Führerschein war blöd, die Autowahl war es bestimmt nicht Wer als Torwart viel steht, will auf der Straße erst recht eines der besten Fahrerlebnisse. Verständlich Gerd Scheewel / BILD Zeitung Marc Vollmannshauser / BILD Zeitung Alles, was auf einem Ferrari F12 basiert, kann keine ganz schlechte Wahl sein. Auch wenn wir das Original bevorzugen würden 14 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG VOLLGAS Der PORSCHE PANAMERA war kein Liebling der Autoverrückten. Zu schwer, zu dick, zu behäbig. Nun stellt der neue Porsche-Chef OLIVER BLUME den Nachfolger vor. Und alles ist ganz anders. Wie konnte das passieren? 15 SONNTAG, 19. JUNI 2016 in die Zukunft Von ULF POSCHARDT Fotos OLIVER KRÖNING 16 ist so gutmütig, wie ein Flaggschiff von diesen Dimensionen sein kann. Den Panamera wird es auch in der Stretch-Version geben für diejenigen, die sich in ihm gerne chauffieren lassen. Wer ihn aber als Turbo und wohl auch als „S“ kauft, der wird seinen Chauffeur umschulen, um den Spaß selbst auszukosten. Der neue Panamera ist ein Fahrerauto. Mehr als alle Konkurrenzangebote in der Oberklasse. * Beim Eintritt in Weissach werden die Kameras auf iPhone, iPad und Laptop abgeklebt. Es ist eine geheimnisvolle Welt. Der Besucher sitzt in einem freudlosen Warteraum und hört Macan S, Turbo S, GTS, GT3 und Panamera vorbeibrummen. In fast allen Farben. Weissach ist für Petrolheads ein mythischer Ort. Seit 1973 werden alle Innovationen hier ausgebrütet. Und das kleine Dorf im Dorf bei Pforzheim wächst und wächst. An der Besucherpforte drängen sich Japaner, Chinesen, Skandinavier und jede Menge Schwaben. Porsche – so scheint es – bleibt auf fast bockige Art eben auch ein schwäbisches Unternehmen. In der Kantine gibt es für ein paar Tausend Mitarbeiter Platz und doch wirkt alles irgendwie beschaulich, und für aus Norddeutschland Angereiste schmeckt das Kantinenessen unge- wohnt knackig. Die Pasta mit den Scampi-Spießen wird frisch zubereitet. Die Meeresfrüchte für den Angestellten werden auf den Grill gelegt, beim Espresso die Kaffeebohnen frisch gemahlen. Die Stimmung ist auf konzentrierte Art heiter. Von Ferry Porsche stammt das programmatische Zitat: „Wir wollen nicht nur technische und ästhetische Avantgarde sein, sondern auch soziale.“ Trotz der Konzernzugehörigkeit bleibt die Porsche-Welt eine eigene. Die eigenste wohl unter den großen Marken des Hauses. Michael Mauer, der Chefdesigner, hat ein neues, eigenes Reich bekommen. Das DesignZentrum sieht aus wie ein Museum für moderne Kunst. „Im August 2004 bin ich zu Porsche gekommen. Der damalige Designchef Harm Lagaay hatte bereits erste Panamera-Skizzen gezeichnet. Das Projekt lag zu dem Zeitpunkt allerdings auf Eis. Erst mit meinem Eintritt in das Unternehmen haben wir uns wieder damit beschäftigt. Glücklicherweise.“ Der Panamera war Mauers erstes Baby. „Das erste Fahrzeuggesamtkonzept, für das ich verantwortlich war.“ Jetzt kann er seinen Erstling überarbeiten. Und es gibt einiges zu tun. Er ist selbstkritisch. Mauer liebt den Panamera. „Es gibt für mich kein besseres Auto.“ Er erzählt von seinen Zeiten, die er morgens von seinem Zuhause bei Weissach nach Oliver Kröning/ Studio Orel F angen wir mit einem Geständnis an. Den Panamera mochte ich nie wirklich. Für einen Elferisten, also einen Vertreter jenes merkwürdigen Menschenschlags, der am liebsten in luftgekühlten Porsche 911 durch sein geschmacksverliebtes Leben rollt, war der Panamera eine Absonderlichkeit. Etwas eher Abschreckendes. Als Petrolhead erinnere ich mich gut an jenen krassen „Top Gear“-Test von viersitzigen Sportlimousinen, bei denen sich die drei besten Motorjournalisten stets die Augen zuhielten, wenn sie von einem Panamera überholt wurden. „Top Gear“ hasste den Panamera. So beeindruckt Clarkson, Hammond und May von der Leistung der schwäbischen Sportlimousine waren, so entsetzt blieben sie von deren wuchtiger Erscheinung, insbesondere dem pummeligen Heck. Der sowieso als PorscheHasser agitierende Jeremy Clarkson schrieb in seiner „Sunday Times“Kolumne 2011: „It is the ugliest car on the road today.“ Das war natürlich schamlos übertrieben, aber Clarkson wollte den Punkt machen. Wohl auch, weil er immer wieder aus seiner Begeisterung für einen 997 Turbo oder einen 996 GT3 keinen Hehl machte vor Millionen von Zuschauern. Er wollte seinem Markenkern „Porschehass“ treu bleiben, weil seine beiden Co-Moderatoren eben Superfans der Zuffenhausener waren und sind. Als ich den Wagen 2010 testete, passte der Kinderwagen für einen Wochenendsprint an die Ostsee nicht hinein. Da wusste ich nicht recht, was ich mit dem Panamera anfangen sollte, wenn er so spürbar weniger sportlich war als ein Elfer und im Kofferraum so spürbar kleiner als ein Kompaktwagen. Der Panamera war in seiner Urversion ein Porsche in Anführungszeichen. Ein Statussymbol für zu Frischreiche. Nach den ersten Fast Laps in Weissach, auf der Teststrecke von Porsche, hat sich das verändert. Ich bin etwas erschüttert. Die Fahrt im Turbo hat die Wahrnehmung gedreht. Die fünf Meter lange, gut 2,1 Tonnen schwere Limousine rast auf der kurzen Geraden im Sport-Plus-Modus selbst mit einem Weissach-Novizen am Steuer über 220 km/h. Eher locker. In den Kurven bekommt man das Heck nur schwer zum Drift. Das Auto liegt fest auf der Straße, springt über Unebenheiten und versetzt leicht wie ein Sportwagen. Die Bremsen beißen derart kraftvoll zu, dass die Reifen sich in den Teer vergraben und die Insassen in ihre Gurte gedrückt werden. Neben mir sitzt der neue Porsche-CEO, und er erträgt den hektischen Irrsinn des Testfahrers mit einem freundlichen Gesichtsausdruck. So wie ein Gastronom den schmatzenden Gast im Sterne-Restaurant. Jemand, der seine Umgangsformen vergessen hat, weil er vom Gegenstand seiner Bewunderung allzu verzückt ist. Einer der „Top Gear“-Gags war es auch, das Gesicht von Wendelin Wiedeking zu zeigen, samt Doppelkinn und Schnäuzer, und dann den Panamera als eine Art blechernes Double. Das wäre für die „Top Gear“-Jungs jetzt schon schwieriger. Blume ist schlank und jungenhaft, ohne einen Hauch Feistigkeit. Sein Auftreten ist leise und vornehm. Auch das gehört bei Porsche zur DNA. Wiedeking scheiterte bei Porsche am Ende auch gerade an seinem Größen-Ich. Die CEOs danach haben damit nichts mehr zu tun. Und wollen es auch nicht. Der Co-Pilot beobachtet das wüste Agieren des Journalisten entspannt. Auch in engen, kurzen S-Kurven mit Wellen bleibt der Panamera stoisch auf Kurs. Sein Fahrwerk ist auf „Sport Plus“ gestellt, für jeden Wahnsinn zu haben. Mehr noch: Das Auto suggeriert auch dem Neuling am Steuer mit einer Seelenruhe die Tiefe seines Könnens. Ob in den sehr schnellen Kurven, bei brutalen Vollbremsungen oder beim Beschleunigen von null auf hundert: Es DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG Oliver Blume, 48, hatte zuletzt drei Jobs im Vorstand bei Porsche. Dieses Megaprogramm sieht man ihm nicht an – ebenso wenig sein Alter „Die Welt braucht nicht noch ein Stufenheck“ Michael Mauer, Porsche-Designchef Wolfsburg braucht. Wie geht das? Montagmorgen vor dem großen Stau los und dann die freien Autobahnen hinter Frankfurt genießen. Er schweigt. „Da bin ich allein unterwegs“, schmunzelt Mauer wieder. Am Ende der Kurve hat er trotz der Straßenlage seines Panamera Turbo feuchte Hände. Mauer ist ein Autoverrückter und ein Porsche-Philosoph. Er hat die Marke in ihrem Sosein geprägt und geformt und hat mit der beim Macan eingeführten Heckpartie eine markante Form für die Markensprache angeregt, die sich nun über den 991 und den 718 erstreckt und ihnen eine neue athletische Drahtigkeit verpasst. Kurz bevor wir von seinem bunkerähnlichen, mega-bescheidenen Büro im Designzentrum hinunter in die Halle gehen, wo zwei nagelneue Panamera warten, sieht man in Mauers Augen die gespannte Neugier, wie das der Besucher und notorische PorscheNerd wohl finden mag. Die Kritik am Panamera hat ihn damals wohl auch getroffen. Der „Walbuckel“ war kein schöner Spitzname. Bei der Entwicklung des neuen Panamera wurde grundsätzlich diskutiert, ob man beim Fließheck bleiben sollte, ob es ein Stufenheck wird, sogar die klassische Dreibox-Struktur wurde erwogen. Am Ende blieb Porsche bei der schnellen Coupélinie. „Die Welt braucht nicht noch eine Stufenhecklimousine“, wie Mauer betont. Das sollen andere machen. Porsche hat mit dem Elfer eine Art Urmeter des Sportwagenwesens. Jetzt soll der Panamera der Anfang einer neuen Tradition werden. Mit dem neuen Modell wird dem alten zugestanden zu reifen. Mauer kann fast mathematisch erklären, wie sich bei einem Porsche das Verhältnis von Höhe, Breite und Länge verhalten muss. Wobei er nicht als Zahlenwizard wahrgenommen werden will. Es gibt Richtlinien, aber innerhalb dieser Richtlinien extrem viel Freiraum. „Für mich gibt es zwei Kernpunkte: Markenidentität und Produktidentität. Die Leuchte vorne ist Produktidentität. Wäre es Markenidentität, hätten alle 911er-Scheinwerfer. Mit den Heckleuchten wollen wir die Markenidentität stärken über die Baureihen hinweg.“ Mit dem neuen Panamera ist das gesetzt. Das Heck ist 17 SONNTAG, 19. JUNI 2016 Fotografieren dürfen wir nur den leicht getarnten Panamera. Die Leuchtenringe sind nur aufgeklebt und werden im Original eckiger und aggressiver Der Designer ist vorfreudig. Von seinem kleinen Büro aus zeigt er nach unten in die riesige Halle. Dort stehen ein abgeklebter und ein unabgeklebter Panamera. Weltpremiere! Vom Smart zum Porsche – Michael MauMICHAEL MAUER er hat in seiner 30-jährigen Designerkarriere schon viele Autos gestaltet. In den Neunzigern war er für Mercedes SLK, SL und A-Klasse mitverantwortlich, wurde 1999 Smart-Designchef. 2000 ging er in derselben Position zu Saab und ist seit 2004 Leiter des Porsche-Designs. 2015 holte ihn Volkswagen-Chef Matthias Müller zusätzlich als Designchef des ganzen Konzerns nach Wolfsburg, für Porsche bleibt Mauer, 53, weiter verantwortlich. Wie Oliver Blume entspannt er sich beim Sport, ist begeisterter Ski- und Fahrradfahrer. Seit dem 1. Oktober 2015 ist Oliver Blume Vorstandschef von Porsche – er folgte im Zuge der VW-Abgasaffäre auf CEO Matthias Müller, der den Vorstandsvorsitz von Volkswagen übernahm. Blume, 48, war zuletzt zwei Jahre als Vorstand für Produktion und Logistik bei Porsche tätig, vorher hatte er Karriere im Volkswagenkonzern gemacht. Oliver Blume wurde in Braunschweig geboren und lebt heute mit seiner Frau und zwei Töchtern in Stuttgart. Als Hobbysportler nimmt er an Halbmarathons teil, früher spielte Blume Fußball, meist auf der Liberoposition. OLIVER BLUME bei diesem Auto von einem Problemfall zu einem Glanzstück mutiert. Der Porsche-Schriftzug findet Halt, das Ende hat jetzt eine elegante Aggressivität, Schärfe und Definiertheit. Mauer wirkt etwas stiller und bescheidener als andere Designer. Er genießt die Eleganz seines Entwurfs, aber er problematisiert dessen Perfektion. Als Designer freut ihn eine sichere Markenidentität, aber umso wichtiger wird in Zukunft die Produktidentität. „Dass wir eben nicht in die Falle laufen, dass zwar jeder Mensch einen Porsche erkennt, aber nicht mehr weiß, um welches Modell es sich handelt.“ Das Audi-Problem, sagt der Journalist. Mauer lacht. So will er es natürlich nicht nennen, spricht lieber über eine andere deutsche Marke, bei der sich aus seiner Sicht Mittelund Oberklasse sehr ähnlich sehen. Wird der Cayenne nächstes Jahr auch so ein Heck bekommen? „Darüber darf ich nichts sagen“, erklärt Mauer, um dann schelmisch hinzuzufügen: „Ein früherer Entwicklungsvorstand hat immer gesagt, da muss man die Glaskugel nicht allzu sehr polieren, um drauf zu kommen, dass der Cayenne ein vergleichbares Heck bekommt.“ Künftig wird jeder Überholte noch klarer sehen, dass er von einem Porsche überholt wurde. Um es kurz zu machen: Mauer hat den Panamera zu einer muskulös-sehnigen Schönheit gemacht. Obwohl er einen Hauch größer geworden ist, wirkt er kompakter und leichter. Insbesondere das Heck und die Schultern scharf konturiert, die Linienführung auf der Motorhaube ebenso wie die Linien an den Flanken. „Der Wagen sieht aus wie ein Leistungssportler, der nach Jahren des entspannten Genießens wieder angefangen hat zu trainieren.“ Wie jedes Auto ist es das Double seiner Macher. Mauer zwickt sich in die Hüften und erklärt: „Ich muss mir das Croissant am Morgen auch sparen.“ Das klingt kokett, wirkt der 53-Jährige doch drahtig wie ein GT3 RS. Von hinten nähert sich Oliver Blume, ebenfalls drahtig bis zum Kantigen. Ehemaliger Fußballer und Triathlet, der Bodymass-Index der Porsche-Führung erinnert an den von Leistungssportlern. Blume wird an diesem Tag 48 Jahre alt und sieht jünger aus. Als er mit Mauer am Auto steht, wird der sonst nüchterne CEO ziemlich euphorisch, spricht von einem „Quantensprung“. Blume: „Der neue Panamera ist – und das ist mir extrem wichtig – noch mehr Porsche geworden.“ Für ihn ist es das erste Auto, das er noch entscheidend mitprägen konnte, nachdem er im Herbst ziemlich überraschend die Nachfolge vom jetzigen VW-CEO Matthias Müller übernommen hatte – alles im Zuge des VWSkandals. Seit 2013 war Blume Produktionsvorstand und kannte die Baureihen daher sehr gut. Der Panamera sei ein sehr wichtiges Auto, erklärt Blume, und nach sieben Jahren eben renovierungsbedürftig. Als wäre das Äußere nicht verführerisch genug, bietet das Innere eine zweite, fast nachhaltigere Überraschung. Das Interieur war bei den ganz alten Porsche eine spartanische Minimalismus-Meditation und ist mit den Traditionsbrüchen der wassergekühlten (Boxster und 996) zu einer etwas modischen Nachlässigkeit verkümmert. Jetzt findet das Interieur auf eine sehr luxuriöse Art zum Minimalismus der Ur-Elfer zurück. So als hätten Apple und F.A. Porsche (der Designer des Elfer 1963) ein uneheliches Kind gezeugt. Die Materialien verkörpern in unterschiedlichen Grautönen jene kühle, reduzierte Eleganz, wie sie für digitale Hardware und zeitgenössische Architektur selbstverständlich geworden ist. Das Multimedia-Display beendet den sympathisch-nachlässigen Is-mir-egalStyle der Zuffenhausener, wenn es um die Digitalisierung der Fahrzeuge geht. Wie müssen zeitgenössische Autos aussehen? So, könnte man vermuten. 18 sieht, besonders am Heck, bieten wir unseren Kunden spürbar mehr Platz.“ Über der akkuraten Frisur von Blume erkennt man die Ausrundungen der Dachverkleidung, die den Passagieren mehr Bewegungsfreiheit gibt. Der hohe, bislang ungeahnte Standard innen soll so auch beim Cayenne nächstes Jahr selbstverständlich werden. Porsche bleibt ein ganz eigener Kosmos, weil Weissach auch eine ganz eigene Aura besitzt. „Das Traditionelle, Mittelständische, ja Familiäre wird erhalten bleiben. Obwohl wir jetzt 25.000 Mitarbeiter sind, wirkt es noch immer so, als ob jeder jeden kennt. Und jeder kann sich auf den anderen verlassen. Und die Obsession für das Produkt verbindet. Da fighten alle für die letzten Extraprozente für Performance und Qualität, auch unter schwierigen Umständen wie in den vergangenen Monaten.“ Blume war ein paar Monate lang CEO, zugleich Produktionsvorstand und in Vertretung auch Entwicklungsvorstand für den im Zuge der Abgasaffäre beurlaubten Wolfgang Hatz. „Das ging nur mit diesem unglaublichen Team – und dem Vertrauen in die Mitarbeiter. Bei uns passt die Mischung wie in einer guten Fußballmannschaft“, erklärt der ehemalige Libero. Da half natürlich auch, dass der neue VW-CEO Müller seine Liebe zu Porsche nicht mit dem neuen Amt verloren hatte. Der Mentor konnte auch helfen, wenn es sein musste. Bis auf den Dialekt (Müller spricht, obwohl in Sachsen geboren, ein breites Boarisch) sind sich Blume und Müller ähnlich, wenn es um die Obsession für das Produkt geht. Gleichzeitig managen sie gerne. Bei Porsche hat sich die Belegschaft in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt, und da musste Blume den Laden wieder rekonturieren, so wie Mauer den Panamera. * Auch bei der x-ten Runde auf dem Beifahrersitz erträgt Blume die Raserei des Journalisten klaglos. Er fordert gar dazu auf, das Auto über Ecken, Wellen, Unebenheiten zu scheuchen. Er will, dass der Panamera nicht als BoulevardBeauty erkannt wird, sondern als Spaß für den Track. Deswegen regt er auch an, das Dickschiff aus Tempo 190 auf Null herunter zu bremsen, mit voller Kraft. Es stinkt und staubt. Der Porsche-Chef hat den Wagen in Leipzig und Nardò selbst am Limit bewegt. Er weiß, was die Kiste kann. Als wir dann an der Teststrecke stehen und die Reifen und Bremsen noch vor sich hin dampfen, geht es um Rechts der Porsche-Chef am Lenkrad, unten der Autor. Das Nummernschild legt die Latte für den Wagen hoch Oliver Kröning/ Studio Orel Natürlich ist das ein kostspieliges und luxuriöses Format. Aber gerade dieses „Geld-Rausfeuern“ sah bei deutschen Autos oft etwas neureich und günstig aus. Der techige Touchscreen und die lackierten schwarzen Kunststoffteile erinnern an Schachspiele im Museum of Modern Art. Für Blume, der sich selbst einen „Qualitätsfanatiker“ nennt, war das Finish entscheidend. „Qualität beginnt aber logischerweise beim Fahrzeugkonzept. Dazu kommt die spätere Funktions- zur Anmutungsqualität. Und die Servicequalität ist selbstverständlich enorm wichtig für unsere Kunden. Wer es mit der Qualität ernst meint, muss sie ziemlich komplett denken, leben, umsetzen.“ Da galt es, im Inneren jene Nonchalance aufzugeben, die Porsche über Jahre gepflegt hat. Was die Kommunikationstechnologien betraf, waren Porsche Neo-Vintage. Man sah bis zum 991, dass dieses Thema lange vernachlässigt wurde. Das wollten Blume und Mauer ändern. Es sollte puristisch und clean werden, aber auch eine Anmutung haben, die man eher in Bentley oder RollsRoyce-Autos vermutet – minus den barocken Pomp. Beim Testfahrzeug erkennt Blume noch Mängel im Detail. „Die Oberfläche ist noch nicht ganz in Ordnung“, erklärt Blume. „Wenn Sie die Tür öffnen, sehen Sie noch ein paar nicht ganz perfekte Stellen. Im neuesten Stand, der inzwischen gebaut wird, ist das allerdings auch schon korrigiert.“ Der Touchscreen ist doppelt so groß wie bisher, die Bedienelemente sind digitalisiert, geben aber auch noch eine analoge Rückkopplung, wenn man sie drückt. Blume ist detailversessen. „Am Ende kann der Kunde vielleicht nicht sagen, warum sich das besser anfühlt oder das schöner aussieht, es ist einfach das Zusammenspiel. Es sind so viele Details, die am Ende dann die Wahrnehmung und Perfektion ausmachen.“ Ob das mehr Geld gekostet hat? „Nein“, sagt Blume. „Richtig geplant und vorbereitet, kostet das nicht mehr Geld. Wir mussten nur detaillierter planen und in der Konsequenz viel ehrgeiziger werden. Wer extrem genau plant, kann neue Qualitätsniveaus ohne zusätzliche Etats erreichen.“ Aber auch beim Blech bietet der Panamera Details für Feinschmecker. Blume fährt mit seinen langen Fingern die Abrisskanten am Heck und den Verlauf der Seitenlinie nach. Der sonst sachliche, zurückhaltende Blume gerät ins Schwärmen. „Also wenn Sie sich jetzt diese Ziehtiefen mal anschauen, das ist absolut beeindruckend. So kommt die Porschetypische Schulter ideal zur Geltung. Diese Ziehtiefe müssen Sie aus einer Aluminiumplatine erst mal rausholen, und gerade bei so einem Fahrzeugteil mit dieser Länge ist das die ganz, ganz hohe Kunst des Werkzeugbaus.“ Um noch mehr Knowhow in der Herstellung von Blech- und Aluminiumteilen zu erhalten, hat Porsche von Kuka die Werkzeugbausparte gekauft. „Für uns hat das hervorragend gepasst. Wir erhöhen damit unsere Wertschöpfungstiefe und sichern uns wertvolles Knowhow. Für unsere Fahrzeuge brauchen wir erstklassige Werkzeuge.“ Er kniet vor dem Panamera. „Das ist noch mal ein Riesenunterschied, wie die Radien ausgeführt sind, wie die Oberfläche ... nirgends gibt es eine Unruhe im Blech. Die Präzision, wie dann die Kanten durchgezogen sind, diese Schärfe, diese Perfektion kriegen Sie nur hin mit einem ganz besonderen Erfahrungsschatz.“ Blume hat kein Problem damit, seine Konkurrenz zu loben: „Die S-Klasse von Mercedes ist im Bereich der Luxuslimousinen ganz hervorragend, was Qualität, Komfort und Stimmigkeit betrifft. Mit unserer neuen Luftfederung werden wir da aber noch eins draufsetzen“, strahlt Blume stolz, der jetzt im Fond des Panamera Platz genommen hat. Dort findet der 1,93 Meter lange Manager gut Platz. Auch das freut ihn erkennbar. „Obwohl das Auto von außen knackiger und dynamischer aus- DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG Rückleuchten von Porsche 718, 911, Macan (v.l.) – so dreidimensional werden die Leuchten auch beim Panamera. Hinzu kommt eine dunkle horizontale Linie wie beim 718 19 SONNTAG, 19. JUNI 2016 die Zukunft. Für Porsche erst mal komische Themen wie die Digitalisierung. „Wir müssen die nächsten zehn Jahre vorplanen. Es geht um große Sprünge: Neue Technologien, Elektromobilität, Digitalisierung, Konnektivität – und dabei wollen wir die Stärken von Porsche in die Zukunft tragen. Wie passt unsere Tradition in die Zukunft, damit Porsche auch in Zukunft Porsche bleibt?“ Blume selbst nimmt ein Beispiel aus den Medien: Unter der Woche nutzt er digitale Medien, am Wochenende liest er gerne auch gedruckte Zeitungen. Er will beides bieten: ein Auto, das man unter der Woche vernünftig, sparsam und irgendwann – falls gewünscht – auch autonom fahren kann, und das gleichzeitig fürs Wochenende „ein richtiges Spaßauto“ ist. Automatisiertes Fahren ist für Blume auch auf der Rennstrecke kein Tabu. So könnte es für den Elfer etwa irgendwann als App ein zubuchbares Rennsporttraining geben, in dem „Mark Webber als virtueller Fahrer mal eine Runde vorlegt. Der Wagen fährt dann komplett autonom und zeigt, wo ich ideal anbremse, wo ich wie optimal beschleunige – auf diese Weise kann ich von den Besten lernen. Mit so einer Vision kann ich viel anfangen.“ Gleichzeitig soll der Panamera oder Cayenne beim Fahren vor ein Restaurant den Fahrer und seine Frau (oder die Fahrerin und ihren Mann) vor dem Eingang absetzen und sich selbst einen Parkplatz suchen. Beim neuen Panamera gibt es schon jetzt einen Stauassistenten, hier fährt, bremst, lenkt das Fahrzeug selbstständig – bis Tempo 60. Doch Blume weiß, dass Tradition für diese Marke genauso wichtig ist. Deswegen haben die Zuffenhausener für die Elferisten mit dem 911 R eine puristische Fahrmaschine mit Handschalter gebaut. Und ohne Spoiler. „Das wird in Zukunft auch ein wesentliches Element unserer neuen Strategie sein“, verspricht Blume unseren Lesern, den Petrolheads. „Einen Porsche will man in jedem Fall auch in Zukunft selbst fahren. Nein, eigentlich muss man ihn selbst fahren wollen. Aber eben nicht immer. Und die Selbstfahrsysteme bieten manchmal mehr Komfort.“ Bei der Digitalisierung soll die Feier des Analogen nicht vergessen werden. Die Tradition macht die Marke und das Michael Mauer hat in seinem Büro zig Porsche-Modelle versammelt, die er wie optische Zitate beim Interview auf den Tisch stellt. Und dann malt er auch noch. Hier die PS WELT-Skizze Unternehmen so beliebt. Als er die Bewerbungen für das neue Werk in Leipzig durchsah, war Blume beeindruckt, dass es fünfzig Mal mehr Bewerbungen als Stellen gab. Mit der Gründung der Porsche Digital GmbH soll möglichst jeder verwertbare Aspekt der Digitalisierung in die Traditionsfirma eingespeist werden. Der Kopf Thilo Koslowski kommt aus dem Silicon Valley und ist Porsche-Fan. Das hilft. Schon die Urväter der Digitalisierung wie Bill Gates und Steve Jobs waren Petrolheads und Elferfahrer, deshalb gibt es Leidenschaftsschnittstellen, die jetzt professionalisiert werden müssen. Mit Büros im Valley wie an der Torstraße in Berlin. Während sein Vorgänger Müller noch etwas ketzerisch über Tesla sprach („Warum sollen die ein Vorbild sein mit ihren roten Zahlen?“), ist Blume voller Respekt. „Ich habe Hochachtung davor, was Tesla auf die Beine gestellt hat, mit welchem Mut sie an die Themen rangegangen sind. Sie haben in jedem Fall die Automobilindustrie in Bewegung gesetzt – und unabhängig davon, dass Tesla noch keinen Dollar verdient hat, sind das inspirierende Methoden und Prozesse, die sie einführen. Ich schaue mir immer gute Sachen an. Ich lerne gern von anderen, übertrage es und kombiniere das dann mit den eigenen Stärken.“ Das hat er auch schon als Produktionsvorstand getan, auch die Firmen der Konkurrenz besucht. „Wir müssen die ganze Industrie nach vorne bringen.“ Die großzügige Einschätzung von Tesla hat auch mit dem Selbstbewusstsein zu tun, das Porsche hat, seit sie mit dem Mission E ihr erstes E-Mobil angekündigt haben. „Mit dem Mission E bringen wir ein unglaublich emotionales Elektrofahrzeug auf die Straße. Warum? Weil wir eben genau wie beim GT 2 oder 911 R denken. Jede neue Baureihe muss gut zu unserer Tradition und unserem sportlichen Erbe passen.“ Und zum deutschen Standort. „Da haben wir sehr viel dafür getan, die Technologie hier in Deutschland zu halten, hier in Baden-Württemberg. Wir sind stolz, dass die ganze Belegschaft geholfen hat, ein wirtschaftliches Paket auf die Beine zu stellen. Der Preis muss attraktiv sein, aber da bin ich zuversichtlich. Das wird sich auch über Skaleneffekte ergeben, wenn die Elektromobilität an Fahrt gewinnt. Entscheidend für den Erfolg der Elektromobilität sind Ladezeit, Reichweite und Ladeinfrastruktur. Wir haben unser Produkt so konzipiert, dass wir uns in 15 Minuten in der Lage sehen, 80 Prozent von 500 Kilometer Reichweite zu laden. Während dieser Zeit kann ich an der Autobahnraststelle anhalten, einen Kaffee trinken und anschließend weiter fahren.“ Diesen Plan will Porsche aber nicht allein verwirklichen. „Für den Ausbau dieser Schnellladeinfrastruktur benötigen wir die Unterstützung der Politik. Wir werden auch einiges selbst in die Hand nehmen. Von alleine passiert nichts, wenn man bis zum Zeitpunkt X eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen haben will. Da müssen Industrie und Politik Höchstleistung bringen. Und das nicht nur in Deutschland, logischerweise.“ Elektromobilität soll ein Standbein von Porsche werden. Der Mission E wird nur der Anfang sein. Am Ende des Tages parkt der Panamera wieder vor der imposanten Glaswand der Designhalle. Blume steigt in seinen Dienst-Macan und rollt zur Familie, um den Geburtstag zu feiern. Wer sich also einen Panamera zum Angeben kaufen will, hat seine Macher nicht verstanden. Es geht darum, eine gute Zeit zu haben und dabei auf dem Boden zu bleiben. Darum geht es bei Porsche: konkret bei der Straßenlage wie im übertragenen Sinne bei der gewünschten Demut vor der Verantwortung desjenigen, der zeigen kann, dass es ihm gut geht und er Erfolg hat. Blume fährt den kleinen Dienstwagen seines Unternehmens. 20 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG Ziemlich laute Lebenslust Der MASERATI GHIBLI gilt zurecht als eines der schönsten Autos, die jemals gebaut wurden. Grund genug, unseren Testfahrer Jochen Wagner durch die Alpen zu jagen W enn Flammen aus dem Lüftungsschlitz der Motorhaube schlagen, Vollgas geben, bloß nicht stehen bleiben, dann fackelst du ihn ab“, mahnt der Mechaniker. Wir sind im bayerischen Pfaffenwinkel, Ghibli fahren. Die Startzeremonie bedeutet zweimal, auf keinen Fall öfter, aufs Gaspedal treten. Klappt. Heiser trompetet der Maserati aus dem hinten sich rausreckenden Doppelrohr. Oh, du tierischer Sound! Obenraus dreht er gierig, der Achtzylinder mit vier offenen, flammsiebbewehrten Weber-Doppelvergasern. Mit dem dreispeichigen Holzlenkrad bedient man die schwergängige Lenkung (Servo gab es erst später gegen Aufpreis). Endlich kein Sauwetter mehr und wenig Verkehr hier. Bequeme Ledersitze, luxuriöses Interieur. Komfortabel. Wird der Asphalt aber holprig, schwimmt die Fuhre freilich und reicht die Stöße ohne Filter an die Insassen weiter. Einzelradaufhängung vorne, aber hinten die Starrachse samt Blattfedern und Panhardstab – da rühren die 1.640 Kilo spürbar die Linie durcheinander. Auf glatter, lang gezogener Piste ein souveräner Gleiter, verlangt das Glühen mit dem Ghibli einen Könner. Dezenter Speed aber wird vom schwarzen SS von 1973 sofort belohnt. Und’s Promenieren. Selbst in den Dörfern heißt es: Dreizack mit Zuschauer! Diese alte Karre hat eine Aura, die sogar auf der Anhöhe zum Fernblick in die Alpen für Applaus sorgt. Über frisch verschneite Gipfel schweifen die Gedanken ins Vergangene. Ein roter Ghibli glüht eine Küstenstraße an der Côte d’Azur entlang. Atemberaubend. Am Steuer: Alain Delon, die Sozia: Romy Schneider. Man schreibt das Jahr 1968, es läuft gerade der Film „Der Swimmingpool“. Traumauto, Traumpaar, Traumstraße. Das ist Kult, das langt für Youtube noch heute. „Masseerraaattiii“, das war auch im Autoquartettspiel ein Favorit unserer Kinderträume. Gut 50 Jahre ist das her, doch die Passion altert nicht. Autos verbrauchen ja nicht nur Energie für die Bewegung, sie laden auch unsere Lebensbatterien wieder auf. Automobilsein ist der Traum, den Schwung alles Lebendigen in eine Apparatur zu fangen. Wie in einen Maserati. Die Welt erobern mit Eros auf vier Reifen. Die Marke ist nun auch schon 100 Jahre im Verkehr. Als Società Anonima Officine Alfieri Maserati von den fünf Brüdern Alfieri, Bindo, Carlo, Ernesto und Ettore am 1.12.1914 in Bologna gegründet – im Ersten Weltkrieg ist das ein kreativer, ziviler Impuls. Das Markenlogo, der Dreizack, italienisch „Tridente“, ist dem Neptunbrunnen zu Bologna entlehnt und verheißt Furor pur. Anfangs baute Maserati nur Rennwagen – mit denen etwa Fangio 1957 die Formel-1-WM gewann –, erst 1946 folgte das erste Serienmodell, der A6. Bis 1967 war das Unternehmen im Besitz der Familie Orsi, gehörte dann zu Citroën und De Tomaso und seit 1993 zu Fiat – es wird also eng mit Ferrari kooperiert. Dessen Modernisierungsund Qualitätsmanagement tat dem rasenden Dreizack freilich nur gut. Denn Maserati, immer schon schnell und schön, war auf gut Deutsch halt auch ein „Glump“ – was auch der Preisverfall der Gebrauchten zeigt, außer bei dem 2.800 Mal gebauten Zagato Spyder. Der Ghibli erregte Aufsehen als einer der schnellsten Sportwagen der 1960er-Jahre. Kaum auf dem Autosalon in Turin 1966 vorgestellt, avanciert der klassische Gran Turismo zum Edelsportler der oberen Zehntausend. Ab 1967 ausgeliefert, als ein Maserati-Motor im Cooper seinen letzten Formel-1-Sieg feierte, wird der Flitzer mit 1.247 Exemplaren (inkl. 125 Spyder) zum Bestseller. Benannt nach einem tunesischen Sahara-Wind, ist der Ghibli wohl das Glanzstück des Designers Giorgetto Giugiaro, der auch den BMW M1 kreierte. Als er 1964 von Bertone weg geht, hat er schon einen Entwurf für die Carrozzeria Ghia in der Tasche. Aus ihm entsteht binnen drei Monaten der Ghibli. Der Dreizack im niedrigen, über die ganze Front laufenden Kühlergrill krönt eine lange flache Motorhaube, der sich ein Zweisitzer-Fond und ein lang abfallendes Schrägheck (Inspiration für Audi 100, VW Scirocco, Bitter, Aston Martin DBS und andere) anschließen. Bei diesem Wagen steigen die Damen gerne ein. Hübsch von außen, hübsch von innen und sogar hübsch unter der Haube Der rot-braune Ghibli aus „Swimmingpool“ Das faszinierende Kleid über dem kunstvollen Gitterrohrrahmen birgt einen 4,7 Liter großen V8-Motor (basiert auf dem Rennmotor von 1956, ab 1964 im Quattroporte) mit zunächst 330 PS/441 Nm, ab 1970 im SS (SuperSport) einen 4,9-Liter mit 335 PS/480 Nm. 4,59 Meter lang, 1,80 Meter breit, 1,16 Meter hoch, ähnelt der Ghibli mit Flügelmuttern an gut bereiften Speichenrädern, elektrisch klappbaren Scheinwerfern, chromgefassten Scheiben und Fließheck in Proportion und Form zwar dem Lamborghini Miura, wirkt aber graziler. Schnell haben die üblichen Verdächtigen wie Jean-Paul Belmondo, Peter Sellers, Sammy Davis Jr., Henry Ford II usw. einen Ghibli in der Garage – für 73.000 Mark, schön und teuer. Stil, die Alltagsschwere in Leichtigkeit aufzuführen, kostet halt Geld. Und Sprit. „Playboys fahren Ferrari, aber Gentlemen sitzen im Maserati“, lautet ein bekanntes Zitat von Peter Ustinov, Von JOCHEN WAGNER Fotos JULIAN BENEDIKT der auch wusste: „Man sollte zwei Maserati haben, damit sich immer einer in der Werkstatt erholen kann.“ Doch aufgemerkt: So träge oder malade ist der Bock nicht, stellt er doch 1970 im Test bei „Auto, Motor und Sport“ mit gemessenen 274,8 km/h einen Rekord auf. Eleganz und Kraft gehen zusammen, zumindest wenn das Werk wie beim Testauto Sorgfalt obwalten lässt. Kundenexemplare kommen nur auf 250 Sachen. Nur? Sein Tempo langt und im Finish – einfach Traum. Wir erleben, er-fahren ihn und dröhnen zurück, dem nahenden Gewitter davon. Einen neuen Ghibli gibt es nun seit 2013. Das Revival mit diversen Dreiliter-V6-Motoren hat zwischen 300 und 400 PS und ähnelt einem downgesizten Quattroporte oder kommt in die Nähe eines BMW 5er. Gediegen, qualitativ top, auch schnell, nobelstes Understatement eben. Dennoch geht den Neuinterpretationen der Lifestyle, das flirrende Lebensgefühl der 1960er-Jahre, dieser swingende Pop ab, von Sekunde zu Sekunde in purer Improvisation statt nach Vorschrift zu leben. Der alte Ghibli bleibt das ungeschminkte Vergnügen. Heute ist das schöne, schnelle „Glump“ nicht unter 120.000 Euro zu haben (vor zehn Jahren waren es noch 50.000 Euro). Eine Sozia samt geschwungener Kurven ist leichter zu finden. Unser Ghibli, Augapfel unter zahllosen vom Kleissl Hans, Mercedes-Flügeltürer-Profi im Oberland, zeugt mit seinen römischen Kennzeichen vom verheißenen Leben in Arcadia. In ihm spielen Form und Funktion miteinander. Nur das Nötigste, analoge Rundinstrumente, den Drehzahlmesser im Blick, ein paar Schalterchen, elektrische Fensterheber schon damals, aber das war es. Weder Sicherheitsgurt noch Airbag. Der Mechaniker ätzt: „Ist halt nix für Mädels.“ – „Woss?“, wettert die Sozia, denn ihr steht der feine Ghibli auch wie angegossen. Erst beim Tanken wird die Emanzipation runtergedimmt. Er säuft nämlich nicht schlecht, der Maserati. Und grüßt aus einer Zeit, wo keine ökologische Nachhaltigkeit so schönes rollendes Blech schrammte. Mobiles Glück unplugged. Niveau schaut halt auch in Sachen mechanische Skulptur nur von unten aus wie Arroganz. 21 SONNTAG, 19. JUNI 2016 Das Auto zum Kind Schöne Dinge, um unseren Nachwuchs schon jetzt autosüchtig zu machen … Audemar Piguet Royal Oak und Panzer Leopard – weil lumbersexual gestern war Tudor Glamour und Mercedes SLC – coole Kombi Dezent, aber stilsicher Männlich bis ins Mark Echtes Elektroauto – mein erster Mercedes Großer Fahrspaß für die ganz Kleinen Holzautos von Vilac – savoir-vivre Schöne Holzautos mit französischem Flair Omega Seamaster 300 M und BMW 7er – für alles bereit Tag Heuer Nismo und Nissan Skyline GT-R – Performance ohne Gehabe Pierce Brosnan kann nicht irren Zwei wie Hantelbank und Energieriegel LEGO Speed Champions – ganz wie Mama oder Papa Coole Serie wunderbarer Sportwagen Das Eisen zum Blech Heute aus der Rubrik „Luxusprobleme“: Welche Uhr passt zu welchem Auto? ANZEIGE 22 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG G roßartig ausgeschildert ist das hier nicht, aber wer sich aufs Unimog-Testgelände mit seinem Pkw verirrt, der hat sowieso ein Problem. Das PS WELT-Team ist mit passenden Fahrzeugen versehen und hat dabei einiges zu besprechen. ALBRECHT WILKE: Das kann er jetzt nicht gesagt haben. Hat er es wirklich gesagt? Hat er „springen“ gesagt? STEFAN ANKER: Mein Gott, ja. Ich sehe den kleinen Hügel, ich sehe das große Auto, und ich will Bilder machen. Also probier’s halt. Ich schaue zu dem Daimler-Mann an meiner Seite. „Vierter Gang und Vollgas“, sagt der. Um Leser ohne Lkw-Führerschein zu beruhigen: Der Unimog hat acht Gänge, so schnell wird es also im vierten nicht. Trotzdem ist mir mulmig. Okay, Kamera auf zehn Bilder pro Sekunde, Belichtungszeit eine Tausendstel – ich will den Unimog knackscharf. Und ich will ihn fliegen sehen. Flieg, Unimog, flieg! Oh! Mein! Gott! Er hebt ab, sechseinhalb Tonnen Unimog verlassen ihre Umlaufbahn, es ist für eine Sekunde ein unglaubliches Gefühl. Die Landung hätte ich mir allerdings Unimog U5030 u nd Merce Crossove des G 4x 2 r-Weiche 4 sind d ie r , sondern er Schlag können a echte GE ins Gesic lles. Albr LÄNDEF echt Wil ht aller S A ke (Fahr HRZEUG UVs. Kein E t) und St h e a t D a im efan Ank le r d a g er (Fotos ebaut, sie ) haben e s auspro biert Für die GR OSSEN J ungs gerne erspart. Der Bug des Unimog zeigt steil nach unten, krachend setzt er wieder auf. Der DaimlerMann guckt, als hätte er Schmerzen. Jedenfalls sollte man die ganzen Auto-Flüge im Kino nicht glauben, und der Bus in „Speed“ wäre im wahren Leben wohl senkrecht von der Brücke gestürzt. Yes, we can! Das hat zwar etwas gekracht, aber ich würde den Sprung gern noch einmal aufnehmen, bei der Landung stand ein Gebüsch im Bild. Ein Fotografenkollege von Daimler ist ebenfalls da, reißt den Busch heraus, wir sind bereit. Nur Wilke schwächelt, der Unimog fliegt nicht noch einmal. Und irgendwie ist auch keiner bereit, die G-Klasse zum Vergleich fliegen zu lassen. Man müsste es mal mit einem Porsche 911 versuchen, der wird vorn nicht so heruntergezogen. Vielleicht können wir aber auch mal arbeiten. Dies ist das Testgelände für Daimlers Unimogs, der coolste Männerspielplatz von allen … … nach der Nordschleife … … und es ist doch auch viel beeindruckender, was beide Autos schaffen, wenn sie mit allen Rädern auf dem Boden bleiben. Okay, da sind tolle Steigungen, das muss ich zugeben. 60 Prozent Schotter, 70 Prozent Beton, der Unimog dampft da hoch, als wäre es eine Uferpromenade. Am besten finde ich, dass beide Autos am Hang anhalten und dann lässig wieder anfahren können. Ganz egal, ob man es mit der Automatik des G oder der manuellen Schaltung des Unimog versucht. Aber die Achsverschränkung ist beachtlich. Und hier kommen ihm auch die Portalachsen zugute. Hä? Vielleicht könnte sich der Herr Fotograf ja mal fragen, warum zum Einsteigen in beide Testautos eine Leiter ganz praktisch wäre. Dass sie überaus hochbeinig sind, ist mir schon aufgefallen. Deswegen hast du doch in der G-Klasse so viel Spaß. Der Wagen bügelt über alles drüber. Ja, der G 4x42 liegt 20 Zentimeter höher als eine übliche G-Klasse, weil er die Portalachsentechnik vom Unimog übernommen hat. Okay, und wie funktioniert das? Wenn die G-Klasse driftet und der Unimog zum Weitsprung ansetzt, dann befindet sich das Team der PS WELT hoffentlich nicht in Ihrer Nähe, sondern auf einem abgeschiedenen Testgelände. Dort zahlt es sich aus, dass man einen Lkw-Führerschein hat, und aus Dunkelblau-Metallic wird irgendwann ein mattes Grau Was an der Kraft ihrer Motoren liegt. Vierliter-V8 im G, Biturbo, 422 PS, 610 Newtonmeter. Der Unimog fährt mit Turbodiesel: Reihensechser, nur 299 PS, aber 7,7 Liter Hubraum. Darum 1.200 Newtonmeter Drehmoment. Zwölf-hun-dert! Und offensichtlich Grip ohne Ende. Der Unimog fährt sogar eine 60-prozentig ansteigende Treppe hoch, wobei die Reifen naturgemäß weniger Bodenkontakt haben. Da muss der G passen, weil sie ihn heute mit Autobahnreifen ausgerüstet haben. Ich bin ebenfalls nicht optimal vorbereitet: Meine Turnschuhe verlieren auf dem Abstieg von der Schotter-Steigung den Halt, und ich falle hart auf den Rücken. Das tut schon beim Zusehen weh. Weil ich mich nicht abstütze, sondern die Kamera hochhalte. Jetzt ist der rechte Ellbogen schwer lädiert. Mercedes-Lkw-Sprecher Claws Tohsche bleibt gelassen. „Der Wilke und ich kennen uns vom Technischen Hilfswerk.“ Will sagen: Ein THW-Mann weiß immer Rat. Tohsche hat Desinfektionslösung im Auto und duscht darin meine riesige Schürfwunde – aua! Dann wäre das ja geklärt, und ich kann mit dem Unimog über die Felsen kraxeln. 48 Zentimeter hoch ragen die aus dem Boden, aber der U5030 geht drüber wie ein Gecko. Vielleicht nicht ganz so schnell. Normalerweise setzt eine Achse in der Mitte der Räder an. Bei unseren beiden Spielzeugen liegt die Achsmitte aber höher als die Radmitte und ist durch ein sogenanntes Vorgelege mit den Rädern verbunden. Wenn man diese Konstruktion direkt von vorn oder von hinten betrachtet, wirkt sie wie ein Torbogen. Ein Portal. Darum kann der Unimog kurzzeitig 110 Prozent steigen (G-Klasse: 100 Prozent), und er hält eine Seitenneigung von 38 Grad aus, ohne zu kippen (G-Klasse: 36 Grad). Und weil man weiß, wie viel unters Auto passt, ohne dass es am Unterboden schabt, verliert man allen Respekt vorm Gelände. Wird schon gehen, mein Auto ist ja hoch. Ich fürchte, wenn so eine Monster-G-Klasse mal einen Unfall hat, dann tut es richtig weh. Kann ich mir auch vorstellen. Wenn ich die Beschleunigungskraft des V8 bedenke (7,4 Sekunden von null auf 100 km/h), dann wäre der bei der Sprungübung wahrscheinlich erst außerhalb des Testgeländes wieder gelandet. Ich würde gern wissen, was das für Leute sind, die solche Autos kaufen. Reiche Leute. Der Unimog kostet 300.000 Euro, und der G 500 4x42 ist ab 230.000 Euro zu haben. Klar muss man reich sein, um ein Auto mit sechsstelligem Preis zu haben. Aber was tun die Leute mit ihrem Über-G? Und erst recht mit dem Unimog? Mercedes sagt, den Unimog kaufen tatsächlich überwiegend Nutzfahrzeugkunden, etwa Hilfsorganisationen. THW und so. Die mit den Desinfektionsmitteln. Und die von uns getestete G-Klasse geht vor allem in arabische Länder, ganz dem Klischee entsprechend. Ich denke, wegen der Dünenrennen, das ist ein beliebter Sport da unten. Mit dem G 500 4x42 versägt man jeden X5, jeden Cayenne, einfach alle. Du würdest also die G-Klasse nehmen. Ich stehe mehr auf die absurden Kletterfähigkeiten des Unimog. Da ist er selbst der besten G-Klasse noch überlegen. Und ich mag die Unverschämtheit des aufgemotzten G 500, vor allem seinen Sound. Mach die Augen zu, und du denkst, es kommt eine Corvette angebollert. Mach die Augen auf, und es kommt etwas viel Besseres. 23 SONNTAG, 19. JUNI 2016 N eulich bekam ich eine E-Mail von Alpina, es ging um ein Event. Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu weißen Wänden, wohl weil meine Mutter immer von Alpinaweiß schwärmt, weil das robust und frisch ist. Events mit Alpina sind nichts für mich, dachte ich kurz. Dann las ich die E-Mail doch bis zum Ende. Okay, Sie haben es natürlich schneller kapiert als ich. Es geht nicht um Wandfarbe. Es geht um Autos. Sie sind ja auch jemand, der sich für Autos interessiert. Würden Sie sich fürs Renovieren interessieren, hätten Sie jetzt „Schöner Wohnen“ in der Hand und nicht „PS WELT“. Das Event war ein Autorennen. Kein Autorennen für Rennautopiloten, sondern ein Rennen für Kunden. AlpinaKunden haben nämlich ein Problem. Sie haben einen Alpina BMW gekauft, 30 Prozent teurer als ein normaler BMW, und nun sitzen sie da. Malträtiert von Tempo-30-Zonen, von Tempolimits und, wenn’s schlimm kommt, von Stop and Go. Stop and Go ist auch im Opel Corsa schlimm. Wenn man aber 400 PS, ein optimales Fahrwerk, ein Drehmoment der Sonderklasse und vier Auspuffrohre am Heck hat, dann ist Stop and Go auf die Dauer ungesund. Weil ein Fuß, der aufs Gas will, aber nicht darf oder nicht kann, die Psyche verändert. Es war ein Rennen für Menschen mit einem riesengroßen Kraftstau. Ich selbst habe keinen Kraftstau. Ich fahre ja auch keinen Alpina, nicht mal einen BMW, sondern Volvo. Er hat sieben Sitze und einen Riesenkofferraum, ja, es ist ein SUV. Ich bin eine Art fahrendes Feindbild für Alpina-Besitzer und alle, die gern schnell oder, wie Schnellfahrer es nennen: sportlich fahren. Ich werde sofort von dem Autorennen erzählen, kleinen Moment noch. Erst muss ich von meinem Auto erzählen. Nicht von meinem Volvo, obwohl der wirklich lieb und gut und zuverlässig ist. Weiß, aber schuldig Eine neue Sportart für sich zu entdecken ist immer mit Anfangsschmerzen verbunden. Schön, wenn dafür auch die Glückshormone schnell zur Stelle sind Von KATHRIN SPOERR Foto MICHAEL LÖWA Mein Alpina war blau. Ein sehr dunkles Blau. Wenn man ihn länger anschaute, sah man, dass seine Haut ein bisschen grün, ein bisschen weiß, ein bisschen silbern glitzerte. Ich blickte meinem Alpina in die Scheinwerfer. Ein Auto von vorn anzusehen, finde ich wichtig, es ist wie einem Menschen in die Augen zu sehen. Seine Augen waren schmal und aufmerksam. Geheimnisvoll. Er sah intelligent aus. Nun wollte ich sein Inneres sehen. Und jetzt kommt’s: Er war weiß. Alpinaweiß. Frisch und robust, würde meine Mutter sagen, was aber nicht stimmt. Verletzlich war er. Edel und empfind- Vom SUV ins richtige Auto – geht doch, auch wenn es anstrengend ist sam. Ein Auto, das einfach nicht mit Ketchup bekleckert werden will, das überhaupt „nein“ zu Kindern sagte. Es war mir egal. Meine Kinder waren ja zu Hause geblieben. Niemand würde heute dieses Leder besudeln. Heute nur ich und dieses schlangenhaft schöne Wesen, das nicht wie ein Kraftproll aussah, sondern wie jemand, der jetzt wahnsinnig gern mit mir shoppen fahren würde. Doch, halt, es ging ja heute um Autorennen. Ich testete die Beweglichkeit meines Fußes, Fuß rauf, Fuß runter. Der Alpina blitzte und lächelte frech. Er sah bereit aus. Mein Fuß war noch etwas steif. Ich startete den Motor. Das war leicht. Die Aufgabe bestand nun darin, brav hinter dem Coach herzufahren, und zwar die Rennbahn entlang, also eigentlich immerzu im Kreis. Überholen und drängeln war verboten – fast wie auf der deutschen Autobahn. Ich musste eigentlich nichts tun, außer den rechten Fuß zu bewegen, und das hatte ich ja gerade geübt. Der Coach im ersten Auto erklärte nun per Walkie Talkie, was … ja, was eigentlich? Der Konvoi fuhr langsam ein paar Schleifen und bog dann auf die Rennbahn ein. „Blinker setzen“, sagte der Coach. Ernsthaft! Blinken! Wir fuhren eine Kennenlernrunde. Mein Fuß durfte nun arbeiten. Ich drücke das Gaspedal. Das Auto macht einen Hopser und ich dachte: Huch! Da hatte ich wohl etwas zu heftig trainiert. Die Rennbahn heißt Bilster Berg. Sie liegt im mittelgebirgigen Westfalen. In diese Berge hinein haben sie eine Bahn gebaut, die die Prinzipien des Straßenbaus unberücksichtigt ließ, was, wie ich bald merke, der Sinn einer Rennbahn ist. Es gibt hier Steigungen wie auf der Skipiste und Buckel mit schlimmster Sichtbehinderung. Es gibt Stellen, die so eng sind, dass man nicht mal bei Tempo 30 überholen würde, und dann natürlich Kurven. Steile Kurven, enge Kurven, steile und enge und sichtbehinderte und bucklige Kurven. Es gibt jede Sorte verrückter Kurven. Das kann einem Menschen, der Wandfarbe und Autos nicht unterscheiden kann, schon einen Schreck einjagen. Der Sinn des Rennens war es, diese absurd die Verkehrssicherheit missachtende Kurvenstrecke von Runde zu Runde schneller zu fahren. Schnell fahren klingt ja sehr einfach. Es klingt nach Gas. Das ist ein Irrtum. Ich musste sehr schnell, und zwar in jeder Runde schneller, lernen, dass es auf Anderes ankam. Auf Gas im richtigen Moment. Aufs Bremsen. Aufs Bremsen im richtigen Moment. Aufs „hart Bremsen“. So hart, dass die Bremsbeläge, die Reifen und mein Kopf an Grenzen stießen. Und dann: die richtige Linie. Auch das klingt leicht. Mein Alpina konnte es auch, nur mir fiel es schwer. Der Kopf: Er wollte am Anfang immer hin und her fliegen, was unangenehm war, obwohl ich einen Helm trug. Der Kopf musste aber fest bleiben, er durfte nicht verkrampfen. Der Körper: Er musste lernen, nicht jede Kurve mit Kraft zu bekämpfen. Er musste locker bleiben. Er durfte auch nicht verkrampfen. Das klingt sehr einfach. Aber wenn man Gas, hart Bremsen, optimale Linien und irrwitzige Kurven zu bewältigen hat und dabei immer immer immer schneller werden muss, dann ist es ganz schön schwer, nicht zu verkrampfen. Ich will es kurz machen. Die Sache mit der Verkrampfung habe ich nicht wirklich hingekriegt. Ich schaffte es auch nicht, auf den Tacho zu schauen. Das wäre zu viel gewesen. Mein Fuß, mein Körper, mein Gehirn und die Klimaanlage arbeiteten wie die Irren. Sie war nicht ganz so stark wie meine Schweißdrüsen. Wir hatten drei Stunden, mein Alpina und ich. Es waren die anstrengendsten Stunden, die ich je mit einem Auto hatte. Ich fahre jetzt wieder Volvo. Ich versuche, den Alpina zu vergessen. Es wird mir irgendwann gelingen. Seinen Namen, verdammt, den wollen Sie sicher wissen. Ich habe vergessen, danach zu fragen. 24 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG enjamin Brandt fährt gerne Ente, und das wirklich gut. So gut, dass er uns wiederholt auffiel, als er gerade mit seinem Citroën quer durch Berlin zur Arbeit eilte. Wir schrien ihm begeistert zu, er möge einmal anhalten (hupen ist ja verboten), wir winkten aus dem Fenster und am Ende steckten wir sogar Zettel hinter die Scheibenwischer seines geparkten Autos. „Bitte melde Dich!“ Und: „Keine Angst, wir sind nicht irre, nur autoverrückt“. Nicht gefährlich, nur leidenschaftlich. Endlich der Anruf, gefolgt von einem Essen nebst Ausfahrt im roten Renner. Unsere Begeisterung ist für normale Menschen vielleicht befremdlich, aber für Autonarren wahrscheinlich verständlich, denn Benjamin gleitet mit dem roten 2 CV 6 Club durch den Berufsverkehr wie ein Opinel-Filetiermesser durch Butter, die zu lange in der südfranzösischen Mittagssonne gestanden hat. Das erinnert verdächtig an die rasende Nonne in den GendarmerieFilmen von Louis de Funès und macht schon beim Zusehen enormen Spaß, weil sich das rote Auto bei jeder bloßen Ahnung einer Kurve so stark neigt, dass man fast sehen kann, ob der Fahrer seine Schuhe auch ordentlich zugeschnürt hat. Aber das Allerschönste: Es beweist, dass man nicht endlos PS braucht, um zügig vorwärts zu kommen, es zeigt uns, dass man völlig legal, aber trotzdem schnell fahren kann, und es bestätigt das, was wir ja alle eigentlich sowieso wissen: Es kommt immer auf den Menschen hinter dem Steuer an. Entweder kannst du fahren oder eben nicht. „Die Ente klingt beim Losfahren wie ein startendes Kart“, sagt Benjamin und gibt uns damit schon einen ersten Hinweis, woher er sein fahrerisches Können hat. Wie viele Stunden er als junger Mann auf der Kart-Bahn verbracht hat? „Unzählige.“ Das ist die beste Fahrschule überhaupt, und man merkt es B DER BESTE Autofahrer von allen Wie wir zufällig jemanden entdeckten, der wirklich fahren kann Wer sagt, dass man mit 27 Pferdestärken in einem alten Auto keinen Spaß haben kann? Wir nicht auf jedem Meter. „Ist dir schon aufgefallen, dass die Ente rot ist wie ein Ferrari und das Zündschloss links hat wie ein Elfer?“ Ja, ist mir aufgefallen, und einen Boxermotor hat sie auch, wenn auch nur mit zwei Zylindern. Warum gerade eine Ente? Na, weil er auf der Ente seiner Mutter das Fahren gelernt hat und nach einigen Jahren mit einem Mini Cooper S einfach wieder eine Ente wollte. Benjamin weiß, seine Ente ist ein unterschätztes Auto für Petrolheads, jedenfalls wenn man bereit ist, alle paar Sekunden zu schalVon GUIDO BELLBERG Fotos STEFAN BEETZ ten. Das Drehzahlband des kleinen Motors ist schnell ausgedehnt, dafür ist die Schaltung eine echte Rennnummer: erster hinten links, zweiter vorne Mitte, dritter hinten Mitte, vierter vorne rechts und hinten rechts, nun, da geht es nicht weiter, das war’s. Welche Genugtuung, die rote Ente dabei zu beobachten, wie sie sich zwischen zwei unfähigen SUVs hindurchschlängelt. Welche Freude, anzuer- kennen, dass der Fahrer wirklich jeden Schleichweg und jede Ampelphase so weit verinnerlicht hat, dass das Ganze semiautomatisch abläuft und so mehr bewusste Aufmerksamkeit für den Verkehr, der ihn umgibt, übrig bleibt. Wie ein Gitarrist, der nicht erst überlegen muss, wo der Lautstärkeregler am Verstärker ist, wenn er auf einer stockdunklen Bühne den unfähigen Mann am Mischpult ärgern möchte. Wie ein Meisterkoch, der mit dem Brotmesser Dinge anstellt, vor denen ambitionierte Hobby-Brutzler auch mit Messerbesteck für Tausende von Euros fluchend scheitern. Es ist eine echte Petrolhead-Offenbarung, jemanden zu beobachten, der in einem alten französischen Auto mit 27 PS Fahrzeuge hinter sich lässt, die das Zehnfache kosten und über Motoren verfügen, die wesentlich mehr Leistung ausspucken. Extrem befriedigend und süße Rache für all die hinter unfähigen Kombifahrern verlorenen Lebensminuten, all die hinter Eltern auf dem „School-Run“ verpassten Grünphasen und all die durch Zweitereiheparker aufgenötigten Spurwechsel. Der Mann fährt für uns alle, und er fährt gut.