Menschen sind Mosaike

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Menschen sind Mosaike
www.detecon-dmr.com
DMR
Das Magazin für Management und Technologie
ESSAY:
Menschen
sind Mosaike
Detecon Management Report - 2 / 2011
Detecon Management Report - 2 / 2011
Kulturelle Vielfalt als Chance
Sascha Hellmann
High Involvement garantiert
Erfolgreiche Kundenansprache im Auto via Internet
Ein Kessel Buntes
Aktives Diversity Management entscheidet den War for Talents
Viele Wege führen nach Rom
Die Migration zur nächsten Generation der Mobilfunknetze
Detecon
Management
Report
2 / 2011
Editorial
Vielfalt
Liebe Leserinnen und Leser,
Vielfalt ist ein Wettbewerbsvorteil. Und dies tatsächlich in vielerlei Hinsicht: Unter­
nehmen müssen ihren Kunden eine möglichst breite Produktauswahl bis hin zur Indivi­
dualisierung anbieten, um im Kampf um Marktanteile mitzuhalten. In die Wertschöp­
fung ist mittlerweile eine Vielzahl an Lieferanten und Dienstleistern eingebunden, deren
Steuerung die Komplexität der Geschäftsprozesse nach oben treibt. Produkte können
– und müssen – über zahlreiche Kanäle vertrieben werden, auch mobil. Aber wenn
­mobil, dann für welches Gerät: iPhone, Android, Blackberry oder vielleicht doch nur
über eine mobile Webseite?
Darüber hinaus steht die personelle Vielfalt auf dem Management-Plan: Unterschied­
lichkeit ist das Gebot der Stunde, denn verschiedene Talente, das heißt Erfahrungen,
Perspektiven und Kompetenzen von Mitarbeitern aufgrund ihres kulturellen und
­ethnischen Hintergrunds, können den unternehmerischen Erfolg steigern. ­Diversity
Management toleriert nicht nur die individuelle Verschiedenheit der Mitarbeiter,
­sondern hebt diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor.
In diesen Kontext ist auch die Frauenquote einzuordnen – eine längst überfällige
­Diskussion, wie Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger in dieser Ausgabe konstatiert.
Der Vorreiter-Rolle, die die Deutsche Telekom hier einnimmt, folgen nun alle DAX 30
Unternehmen, und so dürfen wir gespannt auf die Veränderungen sein, die – ­hoffentlich
– mit den Maßnahmen des Diversity Managements einhergehen. Denn die Quote,
so sieht es Sattelberger, „ist kein Selbstzweck, sie ist Türöffner für eine umfangreiche
­Kulturarbeit, sie ist die Keimzelle für die Entfaltung umfassender Vielfalt (…), und das
geht jeden etwas an.“
Die Zukunft ist also bunt. Ein schöner Ausblick!
Wir wünschen Ihnen in diesem Sinne eine anregende Lektüre.
Ihre
Ingrid Blessing
Chefredakteurin
Detecon Management Report
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Vielfalt
Inhalt
Essay
Menschen
sind Mosaike
Kulturelle Vielfalt als Chance
Seite
Sascha Hellmann
4
Strategy
Always On 8
Wie der Einzelhandel die vielfältigen Möglichkeiten des mobilen Internets
für sich nutzen kann
Das Problem der weißen Flecken 14
Der Anschluss ländlicher Gebiete an die Informationsgesellschaft
Diversity killed the Cat 20
Produktdifferenzierung hat nicht immer die gewünschte Erlössteigerung zur Folge
Impressum:
Herausgeber:
Detecon International GmbH
Frankfurter Straße 27
65760 Eschborn
Germany
www.detecon.com
DMR@detecon.com
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Aufsichtsrat:
Klaus Werner (Vorsitz)
Chefredaktion:
Ingrid Blessing (V.i.S.d.P.)
Design:
Ernst Formes
Geschäftsführung:
Dr. Klaus Hofmann (Vorsitz)
Andreas Baumann
Local Court Bonn HRB 2093
Registered Office: Bonn
Redaktion:
Christine Wolters
e-Mail: Christine.Wolters@detecon.com
Druck:
Kristandt GmbH&Co.KG
Frankfurt/Main
Erscheinungsweise: vierteljährlich
ISSN 1867-3147
Inhalt
Organization
High Involvement garantiert 26
Erfolgreiche Kundenansprache im Auto via Internet
Ein Kessel Buntes 34
Aktives Diversity Management entscheidet den War for Talents
Die Quote ist Türöffner für eine umfangreiche
Kulturarbeit 40
DMR-Interview mit Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger
über die Einführung der Frauenquote
Was bin ich? Und wenn ja, wie viele? 44
Corporate Project Identity als Balance von Einheit und Vielfalt im Projekt
Technology
Vielfalt hat Zukunft 50
Kooperationen von IT-Dienstleistern erfolgreich steuern
Viele Wege führen nach Rom 56
Die Migration zur nächsten Generation der Mobilfunknetze
Die Kraft der kleinen Teile 62
Technologische Fragmentierung als Treiber eines vielschichtigen
und innovativen Marktes
Detecon publiziert ! 68
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Essay
Menschen sind Mosaike
Kulturelle Vielfalt als Chance
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Sascha Hellmann
Menschen sind Mosaike
W
ir fühlen uns in Märchen zu Hause: Das Gute wird herausgefordert, das Böse bäumt
sich auf, schlägt um sich und wird schlussendlich vom Guten niedergerungen. Der Held
ist geboren. So soll es auch in der Wirklichkeit sein. Nur, dass es dort eben nicht immer
von Helden, Widersachern und guten Enden wimmelt. Die Wirklichkeit ist komplexer,
als wir sie manchmal haben wollen. Auch die Idee der kulturellen Einheit ist nicht wirk­
lich, sondern ein Märchen. Es gibt sie nicht und hat sie nie gegeben. Die Wirklichkeit ist
ständiger Austausch, Beeinflussung und Durchmischung.
Natürlich ist diese Durchmischung immer mehr oder weniger stark ausgeprägt, je nach
geographischer Lage und Wanderungsbewegungen. Zudem scheint diese Tatsache ein
gegenseitiges Einvernehmen des Austausches nahe zu legen, was jedoch eher selten der
Fall ist: Vielmehr finden wir an der Schwelle zur Begegnung Konstrukte wie das ­„Eigene“
und das „Fremde“ vor. Sie ist von Neugier bis Abwehr, ja Feindseligkeit geprägt. Wäh­
rend jedoch in grauer Vorzeit diese Reserve gegenüber dem Neuen, dem Anderen durch­
aus noch evolutionäre Vorteile gebracht haben mag, ist dies heute nicht so. Denn unser
­Leben ist dazu viel zu vernetzt und weit über den Erdball gespannt. Darüber hinaus
scheint die Gabe, mit dem Fremden umzugehen, auch seelisch begründet zu sein: Der in
sich selbst Versicherte ist zu einem viel größeren Maße in der Lage, Fremdes zuzulassen
und diesem offen zu begegnen. Anders jedoch der, der dies nicht ist: „Kleine Fremdheiten
regen unsere Seelentätigkeit an“, sagt der Psychologe Wolfgang Schmidbauer, „mittlere
fordern unsere ganze Verarbeitungsfähigkeit, übergroße führen dazu, dass wir das Fremde
­bekämpfen oder vor ihm fliehen.“ Das Fremde hat also immer etwas mit uns selbst zu
tun. Es fordert uns heraus, uns selbst zu begegnen und bestenfalls Schritte zu unterneh­
men, diesem Anderen – allen inneren Widrigkeiten zum Trotz – offen zu begegnen. Denn
das Andere ist immer ein Gewinn. Das Fremde erweitert unseren Horizont und zwingt
uns, uns selbst und unser Verständnis des Normalen, Selbstverständlichen zu reflektieren.
Am Ende sind wir durch das Neue bereichert: Nichts ist selbstverständlich!
Unterschiede trennen, Vielfalt verbindet uns. Die Sprache macht uns vor, was in der
Wirklichkeit gespielt wird: Solange wir dasjenige, was uns vom anderen unterscheidet,
ins Auge fassen, und zwar als das, was zwischen uns steht, haben wir auf die Unterschied­
lichkeit gesetzt. Diese Perspektive begünstigt eine Trennung, ein Ausgrenzen. Sobald wir
jedoch das Fremde als Teil eines bunten Spektrums betrachten, haben wir es mit etwas
ganz anderem zu tun, mit etwas, das uns umgreift und zusammenführt: der Vielfalt. Die­
ser schillernde Begriff hat es in letzter Zeit zu einiger Berühmtheit gebracht. Die Tatsache,
dass ihn nicht nur eine Nation für sich entdeckt hat, spiegelt sein englisches Pendant
„Diversity“ wider: In der Weltsprache Englisch hat er seinen Platz ebenfalls gefunden.
Hierzulande wird Diversity als „Diversität“, „Heterogenität“, „Vielheit“ oder eben als
„Vielfalt“ verstanden – und gilt gleichzeitig als positive Wertschätzung dieses Phäno­
mens. Vielfalt ist dabei selbst vielfältig: Sie beschränkt sich nicht nur auf Ethnizität oder
­Nationalität, sondern schließt Geschlecht, Generation, körperliche und geistige Befähi­
gung, Internationalität, sexuelle Orientierung sowie Religion und Spiritualität mit ein.
„Alle diese Elemente werden im Diversity-Ansatz als unterschiedliche Kulturen gesehen“,
sagt die Bremer Diversity-Expertin Dr. Béatrice Hecht-El Minshawi. Kulturelle Vielfalt
ist also ein weiter Begriff, der jede Unterschiedlichkeit aufnimmt. Dieses breite Spektrum
macht deutlich, dass jeder einzelne eine Vielzahl verschiedener Prägungen besitzt.HechtEl Minshawi: „Jeder Mensch ist ein Mosaik kultureller Vielfalt.“
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Essay
Der Kulturwissenschaftler Richard Lewis hat dennoch einen Versuch zur Kategorisie­
rung, wenn man so will: Vereinfachung, unternommen. Die kulturelle Prägung des Men­
schen ordnet Lewis drei Typen zu: Der linear-aktive Typ ist sachorientiert, wird als kühl,
logisch, zielorientiert und realistisch beschrieben. Der multi-aktive Typ ist personen­
orientiert und gilt als emotional, impulsiv. Der reaktive Typ ist dialogorientiert und wird
als höflich und gefällig empfunden. Deutschland und die Schweiz werden dem linearaktiven Typ zugeordnet; Spanien, Argentinien, Chile und Brasilien dem multi-aktiven;
Japan, China und Vietnam dem reaktiven. Auch die Kooperation unter den Typen fällt
unterschiedlich aus. Als Japan eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Brasilien und
Deutschland anstrebte, war diese mit Deutschland wesentlich harmonischer. Allgemein
gelte, dass das multi-aktive Muster, zu dem auch Brasilien gehört, für lineare und reaktive
Muster als zu chaotisch empfunden werde. Andersherum ist die linear-aktive Persönlich­
keit der multi-aktiven oftmals zu entschlossen. Die reaktive Persönlichkeit ist jedoch für
die linear-aktive Persönlichkeit in Arbeitsabläufen gut zu integrieren: Japaner und Deut­
sche konnten gut miteinander.
Kulturen lassen sich jedoch auch über andere Aspekte differenzieren: geringe versus starke
Machtdistanz, Kollektiv versus Individuum, feminin versus maskulin oder geringe ver­
sus starke Unsicherheitsvermeidung. Deutschland dürfte als Beispiel für eine Kultur mit
starker Unsicherheitsvermeidung gelten, denn Deutschland, so sagt man, ist das Land in
der EU mit den meisten Versicherungsabschlüssen und dem dicksten Gesetzbuch. Wie­
derum allein über diese vier Puzzleteile ergeben sich vielfältige individuelle Ausprägungen
in ganz konkreten Lebensbereichen: Während in Kulturen mit geringer Machtdistanz
Kinder dazu ermutigt werden, ihren eigenen Willen zu haben, werden Kinder in Kul­
turen mit starker Machtdistanz zum Gehorsam erzogen. In kollektivistischen Kulturen
besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine moralische Beziehung, in individu­
alistischen Kulturen eine kalkulative. Während in femininen Kulturen der durchschnitt­
liche Schüler die Norm ist, sind es in maskulinen die besten. Und in Kulturen, in denen
Unsicherheit weniger stark vermieden wird, ist das, was anders ist, einfach interessant, in
Kulturen mit starker Unsicherheitsvermeidung hingegen schlicht gefährlich. Ein Kalei­
doskop der Vielfältigkeiten.
Nun ist der Begriff der Vielfalt, mit der Konnotation der positiven Wertschätzung, auch
in der Wirtschaft angekommen. Und das ist kein Wunder: Nicht zuletzt durch die Glo­
balisierung werden Belegschaften immer internationaler – und das ist nur ein Parameter
der kulturellen Vielfalt. Unternehmen haben begriffen, dass sie Vielfalt nicht nur zu tole­
rieren, sondern anzuerkennen und zu fördern haben. Vielfalt bedeutet in der Wirtschaft
eben auch Facettenreichtum der Mitarbeiter: „Durch die Entdeckung kultureller Vielfalt
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Menschen sind Mosaike
lassen sich die unterschiedlichen Kompetenzen bündeln“, sagt Hecht-El Minshawi. „So
erhält man von jedem nur das Sahnehäubchen.“ Doch Einsicht führt nicht gleich zu
praktischen Konsequenzen. Vielfalt muss gemanagt werden – und ein Begriff war schnell
zur Hand: Diversity Management.
Eines hat das Diversity Management verinnerlicht: Vielfalt birgt ein ökonomisch rele­
vantes Potenzial. Denn es hat sich gezeigt, dass heterogene Teams bei Problemlösungen
erfolgreicher abschneiden als homogene. Darüber hinaus kann sich ein Unternehmen
mit einer kulturell vielfältigen Belegschaft überzeugend als Global Player positionieren.
Vielfalt wird also zum Wettbewerbsvorteil. Aus Wertschätzung wird Wertschöpfung. So
sieht Diversity Management in jedem Mitarbeiter eine kreative, schätzenswerte Ressour­
ce. Denn Vielfalt setzt Kreativität frei, führt in sich stets verändernden Umfeldern zu in­
telligenteren Lösungen. Klar ist jedoch, dass Diversity Management einen Wandel in den
Köpfen bewirken muss. Denn zur Wirklichkeit gehört auch, dass ein kulturell diverses
Potenzial Konflikte mit sich bringen kann. Diese gilt es konstruktiv einzubinden – auf
dem Weg zu einem einzigartigen Unternehmen: weil jeder Mitarbeiter einzigartig ist.
Diversity und Diversity Management sind auf der Höhe der Zeit: Die Welt ist zum globa­
len Dorf geworden, in dem Menschen aufeinander treffen, die sich in früheren Zeiten nie
begegnet wären. Und die Einstellung, mit der Menschen anderen begegnen, offen und
interessiert oder verschlossen und abwehrend, bestimmen das Spiel – in der Wirtschaft
über Erfolg und Misserfolg. Diese Entwicklung ist unumkehrbar: Die Globalisierung ist
da – und wird noch weiter voranschreiten. So hat das deutsche Unternehmen Z_punkt
The Foresight Company zwanzig Megatrends identifiziert, die als langfristige, übergrei­
fende und wirkungsmächtige Wandlungsprozesse die Zukunft bestimmen werden. Ein
Trend ist dabei die kulturelle Vielfalt: Kulturen sind demnach immer stärker der gegen­
seitigen Beeinflussung ausgesetzt. Lokale Lebensarten werden immer mehr durch neue
Mentalitäten herausgefordert, in dessen Folge sich Neues entwickeln wird. Kurzum: Die
Gegenwart ist schon bunt, aber die Zukunft wird noch bunter! Die Idee von der kultu­
rellen Einheit, Reinheit wird spätestens dann als das entlarvt, was sie ist: als Märchen.
Dem kann man zu Gute halten, dass künftig hoffentlich Vielfalt statt Einfalt herrschen
wird. Und nichtsdestotrotz wird die Wirklichkeit, wenn sie kulturelle Vielfalt anerkennt,
fördert und zu nutzen weiß, märchenhafte Züge tragen: Das Ende wird gut.
Sascha Hellmann, Magister Artium in Philosophie, Sprach- und Literaturwissenschaft, Fachjournalist (DFJS),
Absolvent der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl mit langjähriger Erfahrung als freier Journalist, be­
treut bei Z_punkt The Foresight Company in Köln den Bereich Corporate Communications. Z_punkt ist ein
Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen und spezialisiert auf Corporate Foresight: die Überset­
zung von Trend- und Zukunftsforschung in die Praxis des strategischen Managements. Kunden sind führende
Unternehmen aus Investitionsgüterbranchen, Dienstleistung und Konsumgüterindustrie. Darüber hinaus ist
Z_punkt eingebunden in ein weltweites Think-Tank-Netzwerk.
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Strategy
Dr. Britta Cornelius, Dr. Mike Radmacher, Dr. Christian Kleinhans
Always On
Wie der Einzelhandel die vielfältigen Möglichkeiten
des mobilen Internets für sich nutzen kann
Der Einzelhandel ist im Zeitalter des
­Internets angekommen. Eine Verschnaufpause gibt es nicht: Konsumenten n­ utzen
das Internet nahezu immer und überall. Jetzt muss der Einzelhandel mobile
­Strategien als Antwort auf das veränderte
Kundenverhalten ­entwickeln.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Always On
„ 2011 wird […] in die Geschichte des deutschen Einzelhan­
dels als das Jahr eingehen, in dem der Online-Vertrieb als
­Ergänzung zum stationären Handel den Durchbruch geschafft
hat“, prog­nostiziert Wolfgang Werner, Vorstandsvorsitzender
der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG1. Und
­tatsächlich hat sich etwas getan im deutschen Online-­Handel:
Die deutschen Konsumenten haben 2009 für rund 15,5
­Milliarden Euro ­Waren und Dienstleistungen im Internet ge­
kauft. Erstmals gingen im Versandhandel mehr als 50 Prozent
der Bestellungen über das Internet ein und der E-CommerceUmsatz wächst seit 2003 durchschnittlich um 18 Prozent pro
Jahr2. Selbst Unternehmen wie die Media-Saturn-Gruppe, die
sich lange gegen den Online-Handel gesträubt haben, wollen
noch in diesem Jahr einen Online-Shop eröffnen. Dazu kaufte
Media-Saturn kürzlich den Onlinehändler redcoon, der Großes
vor hat: Redcoon plant nach eigenen Angaben, den Umsatz in
den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln und damit auf eine
Milliarde Euro zu steigern3.
Der Einzelhandel ist also angekommen im Zeitalter des Internet,
aber die Technik erlaubt keine Verschnaufpause: Das Internet
ist zunehmend nicht mehr nur zu Hause oder am Arbeitsplatz
verfügbar, sondern nahezu überall. Immer mehr Menschen sind
„always online“ und nutzen dies auch.
Herr Meier kauft nahezu täglich mit seinem Smartphone ein. Er
beginnt schon morgens nach dem Aufstehen damit, wenn er Schlagzeilen aktueller Nachrichten überfliegt, wichtige Artikel direkt herunter lädt und am Frühstückstisch liest, bevor der Kiosk um die
Ecke öffnet. Kurz danach bestellt er das Taxi zum Flughafen mit
seinem Smartphone nicht nur mit einem Klick, sondern bezahlt
es auch gleich damit, indem er das mobile Endgerät als Geldbörse
nutzt. Unterwegs hat er Last Minute noch ein Flugticket bestellt
und dabei einen Gutschein seines Reisebüros eingelöst, der ihm gestern anlässlich des 30sten Firmenjubiläums auf sein Smartphone
zugeschickt wurde. Die Boardkarte landet auch direkt auf seinem
mobilen Endgerät, so dass Herrn Meier am Flughafen genug Zeit
bleibt, einige Buchrezensionen auf seiner Lieblings-Community zu
lesen. Durch diese Empfehlungen bestellt er als Geschenk für seine
Frau auf der mobilen Webseite eines Buchhändlers sicher den richtigen Roman, der hübsch verpackt bei seiner Rückkehr am Abend
in der Filiale am Flughafen für ihn bereitstehen wird. Bevor er
1 Lebensmittelzeitung vom 06.01.2011: Trends 2011 – Interviews
2 GfK (2010): WebScope-Panel
3http://www.heise.de/newsticker/meldung/Redcoon-peilt Milliardenumsatz-an-1220684.html (Download am 05. April 2011)
ins Flugzeug steigt, bestellt er über seine mobile Einkaufsliste noch
die Lebensmittel, die seine Frau auf dem Rückweg von der Arbeit
in der Supermarktfiliale abholen wird. Er freut sich schon auf das
gemeinsame Kochen und hofft, am Abend mit seiner Frau einen
neuen Auftrag feiern zu können.
So oder so ähnlich kann das Internet heute überall für die Ab­
frage von Produktinformationen, zum Finden von Geschäften
oder direkt für Einkäufe genutzt werden. Für den Einzelhandel
genügt es also nicht mehr, den Internetnutzer am Schreibtisch
zu bedienen. Sowohl Online- also auch stationärer Handel
­werden durch das überall verfügbare mobile Internet herausge­
fordert. Zukunftsfähig ist nur, wer auch den mobilen „always
on“-Konsumenten erreicht und dessen Gewohnheiten bedient.
Always-on: Digitaler Lebensstil und Mobilität verändern das
Kundenverhalten
Schon heute nutzen über 20 Millionen Deutsche ein Smart­
phone4. Diese Zahl wird sich nach Einschätzung verschiedener
Analysten in nur wenigen Jahren verdoppeln. Diese neue Gene­
ration von intuitiv bedienbaren Endgräten mit großen farbigen
Displays, der Ausbau der Mobilfunknetze mit einer deutlichen
Erhöhung der Datenübertragungsgeschwindigkeit und neue
­attraktive Tarifmodelle für das mobile Surfen treiben die Nut­
zung des mobilen Internets voran. 23 Prozent der Smartpho­
nenutzer tun dies bereits täglich5. Durch das ­mobile Internet
wird das mobile Endgerät vom Kommunikations- zum Inter­
aktionsmedium und zum Mittelpunkt eines digitalen Lebens­
stils. Die s­ituationsabhängige Nutzung bestimmt den mobilen
Mehrwert und verändert gleichzeitig Ansprüche und Verhal­
tensmuster: Vorausschauende Planung wird durch Ad-hoc Ent­
scheidungen ersetzt. Entscheidungsfähigkeit heißt in Zukunft,
die benötigten Informationen schnell und zuverlässig überall
abrufen zu können.
Im Durchschnitt surfen deutsche Nutzer rund sieben Stun­
den pro Woche, also eine Stunde pro Tag, mobil mit verschie­
denen Endgeräten (Handy, Smartphone oder Netbook). Das
wöchentliche Zeitbudget für das Lesen von Zeitungen und
Magazinen liegt derzeit mit 4,6 beziehungsweise 3,6 Stunden
deutlich darunter6. In ihrer Metastudie zeigen die Analysten von
4
5
6
StrategyAnalytics (2010): Global Smartphone Sales Forecast by Country:
Western Europe and North America
TNS Infratest (2010): GO SMART 2012
European Interactive Advertising Association (2009): Mediascope Europe 2009
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
Kirchner+Robrecht, dass 70 Prozent der mobilen Internetnut­
zer auch ihre E-Mails mobil empfangen, 43 Prozent mobile Na­
vigationsdienste nutzen, 36 Prozent unterwegs spielen und auch
schon 25 Prozent mobil einkaufen7. Um zu erahnen, wie sich
diese Entwicklung fortsetzen wird, lohnt ein Blick in die jün­
geren Bevölkerungsschichten. Mit digitalen Technologien und
dem Internet von Kindesbeinen an vertraut sind inzwischen 31
Prozent der deutschen Bevölkerung, die sogenannten Digital
Natives. Verbunden zu jeder Zeit und an jedem Ort als charak­
teristischem Differenzierungsmerkmal mobiler Zugangstechno­
logien ist hingegen die neue Generation der sogenannten Smart
Natives. Diese Personen werden von Zukunftsforschern durch
eine hohe Nutzungsintensität von Smartphones sowie Technikund Webaffinität gekennzeichnet. 43 Prozent der Smart Natives
nehmen ihr Smartphone ganz bewusst zum Einkaufen mit, um
sich unterwegs über Produkte und Preise zu informieren. 50
Prozent der Smart Natives geben an, schon einmal eine Kauf­
entscheidung aufgrund von Produkt- oder Preisinformationen,
die sie über ihr Smartphone abgerufen haben, abgebrochen zu
haben8. Der Kaufentscheidungsprozess wird um einen ständig
und überall erreichbaren Kanal erweitert, der immer mehr an
Bedeutung gewinnt. Immerhin schafft es die Barcode-Scanner
Applikation „barcoo“, die es Konsumenten ermöglicht, durch
das Sannen eines Produktbarcodes9 blitzschnell umfassende
Produktinformationen/-bewertungen und Preisvergleiche aus
dem Internet abzurufen, schon auf Platz 8 der von der ChipOnline-Redaktion erarbeiteten Liste der besten kostenlosen
iPhone-Applikationen10.
Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2010 in Deutschland 346
Millionen Applikationen heruntergeladen11. Doch der Einzel­
handel ist noch zurückhaltend. Im September 2010 suchten die
Analysten von ABIresearch im Apple App Store nach „Shopping“
und landeten 1.625 Treffer. Bei den meisten davon handelte es
sich um Location Finder, Barcode Scanner oder Special Deal
Anbieter, die aufgrund von zuvor eingegebenen Präferenzen
oder dem Standort des mobilen Internetnutzers personalisierte
Angebote unterbreiten12. Innovative Applikationen von Händ­
lern sind noch rar. Die weltweit bisher monetär erfolgreichsten
mobilen Händler sind die bisherigen Online-Spezialisten Ama­
zon and Ebay. Nach Schätzung von Analysten konnte Amazon
über den mobilen Kanal weltweit im Jahr 2010 schon über 500
Millionen US-Dollar Umsatz verbuchen, Ebay erreichte diesen
Wert schon 200913. Damit nicht wieder zehn Jahre vergehen,
bis auch der traditionelle Einzelhandel im ­neuen Zeitalter des
7 S. Buschow, M. Olavarria (2010): Mobile Research Guide 2010
8 TNS Infratest (2010): GO SMART 2012
9 http://tagnition.de/ (Aufruf 05. April 2011)
10http://www.chip.de/bildergalerie/Kostenlose-iPhone-Apps-Die-50-besten Gratis-Programme-Galerie_33679693.html (Download am 05. April 2011)
10
Detecon Management Report • 2 / 2011
mobilen Internets ankommt, sollte man sich jetzt mit dem ver­
änderten Kundenverhalten auseinandersetzen und mobile Stra­
tegien als Antwort entwickeln.
Mobile Lösungen: Neue Anwendungen unterstützen die
­Unternehmensstrategie
Konsumenten sind heute ständig unterwegs und durch
­traditionelle Medien wie TV-Werbung oder Printmedien kaum
noch ansprechbar. Die Unternehmensstrategie bestimmt, mit
welchem Ziel solche mobilen Kunden angesprochen und in
welcher Form der mobile Kanal genutzt werden soll. Denkbar
sind verschiedene Möglichkeiten:
• Durch den Einzug der mobilen Welt (Mobiletelefone, Tablets,
…) in den Einzelhandel ist es möglich, bestehende Zielgruppen
individueller anzusprechen. Der mobile Kanal kann als ein wei­
terer Kommunikationskanal für das sogenannte Mobile Advertising verwendet werden. Durch ihn kann der mobile Kunde
jederzeit über aktuelle Aktionen, wie Rabatte oder Angebote in­
formiert werden sowie allgemeine Produktinformationen, zum
Beispiel die Verfügbarkeit von Produkten, abrufen, einfach per
SMS oder MMS direkt auf das Mobiletelefon. Die eigentliche
Individualisierung erfolgt beispielsweise über den Aufenthalts­
ort des Nutzers. So erhält er nur diejenigen Angebote, die er
aufgrund seines aktuellen Aufenthaltsortes überhaupt erreichen
kann, zu Fuß oder mit dem Auto. Auch der mobile Webshop
eröffnet neue Möglichkeiten der Individualisierung, da der
Smartphone-Nutzer immer identifiziert werden kann. Einkau­
fen auf der Parkbank ist kein Problem mehr (Mobile Shopping).
• Darüber hinaus kann der mobile Kanal auch zur Gewinnung
neuer Zielgruppen genutzt werden. Jugendliche, die vielleicht
keine Tageszeitung oder Handzettel einer Einzelhandelskette
lesen, werden über Applikationen, zum Beispiel von Bravo,
Hollister, Esprit, Billabong, Rewe oder Aldi Flyer, an digitale,
einzelhandelspezifische Inhalte herangeführt und können ­diese,
teilweise in einem Abo zu einem vergünstigten Preis, konsumie­
ren. Das digitale Bravo-Abo ist beispielsweise zehn Prozent gün­
stiger als die Printausgabe. Personen, die bisher k­ eine Lust auf
das Herumtragen verschiedener Bonuskarten hatten, entschei­
den sich eventuell eher für einen Händler, der ein ­attraktives
mobiles Bonusprogramm anbietet, bei dem das Telefon zur
Identifikation genutzt werden kann (Mobile Loyality). Durch
Push-Nachrichten in Apps ist der Händler gleichzeitig in der
11 BITKOM (2010): Research2guidance
12 M. Beccue, N. Strother (2010): Mobile Commerce Mobile Online Shopping, Software-based Proximity Payments
13Ebd.
Always On
dung bei Aldi oder Elektroartikel bei Plus. Die mobile App
kann als Artikel-Finder (Instore Navigation) im Store eingesetzt
oder zur Zahlung der Artikel an der Kasse verwendet werden
(mobile Bezahlfunktion). Für die Darstellung und den Bezug
beispielsweise der WMF-Töpfe innerhalb der App verlangt der
Einzelhändler in der Regel eine Gebühr oder eine Umsatzbe­
teiligung. Das Smart Partnering der Gegenwart wird in den
mobilen Kanal gehoben und bietet in Zukunft neben den Ver­
trieb physischer Güter vor allem neue Möglichkeiten für den
Verkauf von digitalen Gütern (Zeitschriften, Software, Tickets
etc.). Durch geschickte Kooperationen werden außerdem ge­
meinsame Werbeaktionen plan- und durchführbar, die sich im
Netz herumsprechen (Viralmarketing). So wirbt ein Lebens­
mittelhändler zum Beispiel mit der spanischen Woche, in der
spanische Lebensmittel besonders rabattiert sind, Chefkoch.de
(Community-Anbindung) bietet über die App des Lebensmit­
telhändlers passende Rezepte an, einige Musiklabels spanischer
Bands die passende Musik – und wenn es doch mit dem spa­
nischen Abend nicht so geklappt hat, wie es sollte, bietet ein
Reiseunternehmen einen Kurztrip nach Malaga an, um die spa­
nische Woche hautnah zu erleben. Der Lebensmittelhändler er­
hebt für die Einbindung der Werbeinhalte innerhalb seiner App
Gebühren, Chefkoch.de verdient über den Aufruf der Rezepte
Lage, Rabatte bei einem sofortigen Einkauf innerhalb der näch­
sten 15 Minuten zu gewähren (Mobile Couponing) und den
Erfolg solcher Aktionen sofort nachzuvollziehen. Apps wie
„KaufDa“ oder „Mein Prospekt“ bieten dem mobilen Surfer
auch heute schon die klassische Wocheneinlage mit aktuellen
Angeboten, die anstatt den Briefkasten zu verstopften, bequem
über das Mobiletelefon gelesen werden kann. Dabei erhält der
Nutzer nur diejenigen Angebote auf sein Mobiltelefon, die auf­
grund seines aktuellen Ortes auch aufgesucht werden können.
Ist man nicht ortskundig, unterstützt die App bei der Naviga­
tion zum nächsten Geschäft. Als Ergänzung zu klassischen An­
geboten kann über Ernährungstipps, Rezepte und gesponserten
Sportveranstaltungen informiert werden, was wiederum zur An­
sprache eines gesundheitsbewussten Kundensegments führt.
• Bisher als Informationsplattform betrachtet, können Apps
auch als Kooperationsplattform dem Einzelhandel zusätzliche
Erlösquellen erschließen, beispielsweise durch die Anbindung
von Werbetreibenden (Smart Partnering). Neben der reinen Be­
reitstellung von Informationen können innerhalb einer mobi­
len App Produkte Dritter (Up- oder Cross-Selling) vertrieben
werden, beispielsweise wie heute in Lebensmittelketten üblich
WMF Töpfe oder Singer Messer bei Rewe, Funktionsbeklei­
Tabelle 1: Eignung verschiedener mobiler Lösungen zur Unterstützung der Unternehmensstrategien über den Kaufprozess
Informationsphase
Kaufphase
After-Sales-Phase
Mobile
Advertising
(Personalisiert und/
oder ortsbezogenen)
Produktinformation (z.B.
Produktverfügbar­
keit)
Navigation
(z.B. Filialfinder)
Instore
(Kommunikation
mit dem
Kunden
im Laden,
InstoreNavigation)
Mobile
Coupon­
ing
(Personalisiert und/
oder ortsbezogenen)
Mobile
Shopping
(über eine
mobile
Website
oder eine
App)
Mobiles
Bezahlen
(z.B.
Abrechnung
über die
Telefonrechnung)
Mobile
Loyality
(Kartenmanager)
After Sales
Services
(z.B
Einkaufshistorie,
Voting und
Feedback)
CommunityAnbin­
dung
(Aus­
tausch)
Individuellere
Ansprache
bestehender
Zielgruppen
++
++
+
+
++
++
++
+
+
+
Gewinnung
neuer Zielgruppen
+
++
++
+
+
+
++
++
+
++
Erschliessung neuer
Erlösquellen
+
+
+
+
++
+
Quelle: Detecon
11
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
auf seiner Website (Werbefinanzierung) und die Musiklabels
durch den Verkauf eigener Songs Geld. Um solche Aktionen
durchzuführen, bedarf es einer mobilen Kundenabsprache, da
klassische Werbemedien (TV, Print) nicht flexibel genug sind.
Hohe Ansprüche: Mobile Kundenansprache stellt den Einzelhandel vor Herausforderungen
Um die eine oder andere dargelegte Strategie umzusetzen, muss
sich der Einzelhandel mit den Herausforderungen der mobilen
Welt auseinandersetzen. Unterschieden werden kunden- und
marktbezogene, technologische sowie organisatorische Heraus­
forderungen14.
Um konkrete Herausforderungen zu veranschaulichen, sei das
folgende fiktive Beispiel „Mobile App für einen Drogeriemarkt“
gewählt.
Aus Kundensicht stellt sich die Frage, welche Informationen,
die für mich als Kunden einen Mehrwert darstellen, die App
eines Drogeriemarktes bieten kann? Um Anforderungen dieser
Art zu erfassen, kann der Drogeriemarkt eine Umfrage in seinen
Geschäften durchführen, die bereits bekannte Webseite nutzen
oder aus den Erfahrungen anderer Drogeriemärkte schöpfen.
Die Mehrheit der Kunden wünscht sich mit einer mobilen
App Zugriff auf Informationen über aktuelle Angebote, einen
Store Finder, aktuelle Öffnungszeiten und vor allen die Mög­
lichkeit der Foto-Entwicklung. Viele Drogeriemärkte und auch
Lebensmittelhändler bieten ihren Kunden an, analoge Filme
entwickeln zu lassen oder digitale Fotos auszudrucken. Aber
auch bereits etablierte Kooperationen mit Herstellern, die ihre
Produkte besonders hervorheben wollen, erhalten durch eine
mobile App einen nie dagewesenen Zugang zu ihren bis dato
anonymen Kunden. So können Braun oder Philips bei aktuellen
Angeboten von Rasierern fünf Euro Rabatt über einen mobilen
Gutschein gewähren (Bar Code über die Kasse lesbar). Pampers
hingegen könnte den Kunden des Drogeriemarktes 15 Euro pro
Monat Rabatt anbieten, wenn sie mit ihrem Handy ein mobiles
Tagebuch führen, Bar Code der Pampers Verpackung scannen,
einen Eintrag + Foto einstellen und anschließend die indivi­
duelle Windel hinsichtlich Tragekomfort oder Durchlässigkeit
bewerten und damit Pampers einen wichtigen Hinweis darüber
geben, was zu verbessern ist, damit der Kunde mit dem Produkt
zufrieden ist.
Die technischen Herausforderungen an eine solche App sind
vielfältig und teilweise versteckt. Neben der Tatsache, dass ein
App-Entwickler notwendig ist, der die Programmierung der
14 S. Buschow, M. Olavarria (2010): Mobile Research Guide 2010
Tabelle 2: Herausforderungen bei der mobilen Kundenansprache
Kunden- und marktbezogene Herausforderungen
• Wie sehen die Erwartungen eines Nutzers an einen mobilen Kanal im Einzelhandel aus?
• Wie können individuellere Produkte durch verfeinerte Zielgruppen unter Verwendung des mobilen Kontexts entwickelt werden?
• Haben Werbetreibende Interesse an dem mobilen Kanal des Einzelhandels und ist es dann vielleicht sinnvoll, strategische
Kooperationen einzugehen?
• Wie ist eine mobile Werbekampagne in unseren Marketing-Mix einzubinden (integrierte Kommunikation)?
• Wie können wir den Werbeerfolg einer mobilen Kampagne messen?
• Wie schaffen wir es, alle unsere Vermarktungskanäle zu verstehen und erfolgreich einzusetzen (Multichannel Management)?
Technologische
Herausforderungen
• Haben wir das notwendige Know-how über die aktuell angesagten Web-Plattformen?
• Kennen wir die heute am Markt verfügbaren mobilen Endgeräte, die wir adressieren sollten?
• Wie lassen sich mobile Lösungen (z. B. mobile Website, Apps) in die Prozesslandschaft (z. B. bestehendes Redaktionssystem)
unseres Unternehmens zur Abwicklung einer standardisierten Produktion und Distribution einbinden?
• Schaffen wir es, eine ständige und fortlaufende Entwicklungskompetenz vorzuhalten, um den eigenen Service auf aktuellem Stand
der Technik zu halten sowie neue Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen?
• Inwiefern berücksichtigen wir den Daten- und Privatsphärenschutz?
Organisatorische
Herausforderungen
• Wie schaffen wir es auch langfristig, die notwendigen Kompetenzen aufzubauen, z. B. durch die Einstellung von Talenten?
• Wie optimieren wir im Hinblick auf den mobilen Kanal unsere eigenen Prozesse (z. B. redaktionelle Prozesse erweitern bzw.
anpassen)?
• Haben wir eine Unternehmenskultur, die als innovationsfreundlich gilt (z. B. bereichsübergreifende Produktentwicklungen
oder Methoden zum Innovationsmanagement)?
Quelle: Detecon
12
Detecon Management Report • 2 / 2011
Always On
Anwendung übernimmt, stellt sich bereits vorweg die Frage, für
welches mobile Gerät eine Anwendung umgesetzt werden soll:
Für iPhones, für Android Phones, für Blackberrys oder vielleicht doch keine App und nur eine mobile Webseite? Entscheidend ist, welche Endgeräte die potenzielle Zielgruppe ihrer App
nutzt. Wichtig zu wissen ist, dass unterschiedliche Plattformen
nicht kompatibel zueinander sind. Für jede Plattform ist eine
eigene App zu entwickeln, für die unterschiedliche Programmiersprachen erforderlich sind. Weiterhin muss man darüber
nachdenken, ob eine mobile App mit dem Inhalt des bereits
existierenden Redaktionssystems (für die Webseite) befüllt werden kann: Sind Erweiterungen notwendig, die auch prozedurale
Änderungen mit sich ziehen? Wie wird im Fall von Pampers für
den Werbetreibenden die Anbindung eines Tagebuches gewährleistet? Diese und weitere Fragen, die teilweise tiefgreifende Eingriffe in die IT-Landschaft notwendig machen, sind im Vorfeld
zu klären.
Mit Bezug auf organisatorische Anforderungen gilt es, Personal
aufzubauen, das in der Lage ist, die zuvor gestellten Fragen heute
und auch in Zukunft zu beantworten. Eine wesentliche Aufgabe
liegt darin, bestehende Unternehmensprozesse für die Integration eines mobilen Kanals und den damit verbundenen neuen
Möglichkeiten zu optimieren beziehungsweise zu e­rweitern.
Die reine Entwicklung von Apps ist nicht die größte Herausforderung. Kreativität und zukunftsgerichtete ICT-Infrastrukturen ermöglichen die Entfaltung von ­Innovationen, die auch
durch das unternehmerische Umfeld gefördert werden muss.
Beispielhaft für eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur stehen Firmen wie Apple oder Google. Aber auch im
deutschen Einzelhandel gibt es durchaus innovative ­Vorreiter.
Die Metro Group beispielsweise betreibt ein systematisches
­Innovationsmanagement. Im Sinne eines konzernübergreifenden Austauschs kooperieren die für ­Innovationen zuständigen
Mitarbeiter der Metro AG und des internen IT-Dienstleisters
Metro Systems eng mit den Spezialisten der einzelnen Vertriebslinien. Außerdem beschäftigt sich die Metro Group Future Store
Initiative als Kooperation von Handelsunternehmen, Konsumgüterherstellern, IT-Spezialisten und Dienstleistern schon seit
2002 mit den technologischen Neuerungen in der Handelsbranche. Der real – Future Store in ­Tönisvorst bei Krefeld gilt
als Zukunftswerkstatt, in der man auf einer Verkaufsfläche von
rund 8.600 Quadratmetern neue Konzepte und Technologien
testet. Solche Maßnahmen schaffen eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur, die kreative Talente anlockt. So gibt
es von real schon seit 2007 als erste Applikation im deutschen
Einzelhandel eine mobile Anwendung, damals zunächst für
das Betriebssystem Symbian und seit Anfang 2010 auch für
­Android. Mit ihr kann man elektronische Einkaufslisten erstellen, ­Aktionsangebote abrufen und sich den Weg zum nächstgelegenen SB-Warenhaus anzeigen lassen. Zudem bietet die
Applikation Zugriff auf eine Kochshow, in der Menüvorschläge
per Video präsentiert und die dazugehörigen Rezepte angezeigt
werden. Die notwendigen Zutaten lassen sich direkt in die elektronische Einkaufsliste übertragen. Darüber hinaus lassen sich
die Angebote und Rezepte in sozialen Netzwerken wie Facebook
und Twitter weiterempfehlen und veröffentlichen. Seit dem
Start wurde die kostenlose Applikation nach eigenen Angaben
der Metro Group über 180.000 Mal auf Smartphones installiert. Berücksichtigt man die aufgezeigten Herausforderungen,
kommt man also heran an die mobilen „always on“-Konsumenten wie Herrn Meier, der den Auftrag übrigens ergattert
und mit Hilfe des App-Videos ein tolles Menü gezaubert hat!
Dr. Britta Cornelius ist Consultant im Bereich Strategy & Marketing. Ihre
­Beratungsschwerpunkte umfassen die Bereiche Business Innovation, Marketingstrategie und quantitative Marktforschung. Vor ihrer Tätigkeit bei der D
­ etecon
studierte sie Betriebswirtschaftslehre und promovierte an der Johann-WolfgangGoethe Universität in Frankfurt im Bereich Marketing zu den Themen Wett­
bewerbspositionierung und kundenorientierte Neuproduktentwicklung.
Britta.Cornelius@detecon.com
Dr. Mike Radmacher ist Consultant im Bereich Strategy & Marketing mit
dem Schwerpunkt Produktinnovationen. Durch eine Vielzahl von Projekten
sammelte er Erfahrungen in der Entwicklung innovativer Konzepte und Produkte im ICT-Umfeld. Dazu gehörten neben der strategischen Portfolioentwicklung, auch konkreten Themen im Automotive und Retail Umfeld. Nicht
nur die reine Entwicklung der Konzepte, sondern ebenso die Begleitung bei
deren Umsetzung steht dabei im Vordergrund.
Mike.Radmacher@detecon.com
Dr. Christian Kleinhans ist der verantwortliche Segmentleiter für die Bereiche
High Tech Industries und Retail & Consumer Goods. Er ist seit 2007 bei
­Detecon tätig und arbeitete zuvor als Experte für CRM und H
­ andelsmarketing
für internationale Konzerne, unter anderem für Renault und die Deutsche Post
AG.
Christian.Kleinhans@detecon.com
13
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
Das Problem der
weißen Flecken
Der Anschluss ländlicher Gebiete
an die Informationsgesellschaft
Dr. Daniel Henkel
Dr. Rong Zhao
Die Breitbandversorgung ländlicher Gebiete in der ganzen Welt ist eine sehr
schwierige Aufgabe. Der Erfolg hängt von der Zusammenarbeit unabhängiger
Bürgerinitiativen und großen Betreibern ab.
14
Detecon Management Report • 2 / 2011
Das Problem der weißen Flecken
arc ist glücklich. Gerade erst letzte Woche wurde er zum
M
Leiter der Niederlassung seines Hightech-Unternehmens be­
fördert. Das Unternehmen hat seinen Sitz in der Region, in
der ­seine Frau und er aufgewachsen sind. Somit kann die gan­
ze Familie wieder zurückziehen und ihr Leben zusammen mit
den Eltern und alten Freunden und Bekannten auf dem Dorf
genießen. Die Kinder sehen die Großeltern öfter und Marc’s
Frau, eine Jägerin, kann die weiten Wälder rund um das Dorf
bewirtschaften. Während der Vorbereitung für den Umzug be­
merkte Marc schnell, dass sein langjähriger Telekommunika­
tionsanbieter, mit dem er die letzten Jahre in der Stadt immer
sehr zufrieden war, sein beliebtes IPTV-Produkt auf dem Dorf
nicht anbietet. ­Darüber hinaus war Marc nach einem weiteren
Telefonat sehr frustriert, denn er muss auch auf seinen 16Mbps
Internetanschluss verzichten – auf dem Dorf seiner Eltern gibt
es maximal einen 64kbps ISDN-Anschluss. Offensichtlich lag
sein neues Zuhause in einem sogenannten „Weißen Fleck“,
einem Gebiet, in dem der Internetzugang noch auf analoge
­Telefoneinwahl beschränkt ist.
Stadt oder Dorf: Wo ist das Problem?
In Europa teilen zirca 30 Prozent der Einwohner dieses Schick­
sal. In vielen anderen Ländern in Amerika, Asien und Afrika
ist das Problem des ländlichen Internetzugangs weitaus gravie­
render: Bis zu 85 Prozent der Einwohner haben keinen Zugang
zum Internet. In unserer „Digitalen Wirtschaft“ werden mehr
und mehr Services online angeboten, die Unternehmen sind
angewiesen auf den Remote-Zugriff ihrer Mitarbeiter und Han­
delspartner auf wichtige gemeinsame Daten und Regierungen,
Schulen und Universitäten verbreiten Wissen über das Inter­
net. Von diesem riesigen Angebot abgeschnitten zu sein ist so
ähnlich, als würde man Literatur studieren ohne Zugang zu
Büchern oder anderen Schriftstücken. Dies trägt offensichtlich
dazu bei, dass sich die „Digitale Kluft“ zwischen städtischen und
ländlichen Gebieten verschärft und dadurch die Wettbewerbs­
fähigkeit und Wirtschaftskraft eines Landes geschwächt wird.
In ländlichen Gebieten kommen einige Faktoren zusammen,
durch die es für traditionelle Telekommunikationsunternehmen
eine große Herausforderung ist, einen raschen Breitbandausbau
auch profitabel durchzuführen. Obwohl die gesamte ländliche
Bevölkerung einen großen Anteil an der Gesamtbevölkerung
haben kann – im Falle Mosambiks beispielsweise bis zu 60 Pro­
zent –, verteilt sie sich doch meist auf eine sehr viel größere
Fläche als die Stadtbevölkerung. Ein durchschnittliches Verhält­
nis ist 20 Prozent städtische und 80 Prozent ländliche Fläche.
Dadurch herrscht eine sehr geringe Bevölkerungsdichte in länd­
lichen Regionen. Bei drahtgebundener Versorgung heißt dies,
dass lange Gräben gegraben und viele Leerrohre und Kabel ver­
legt werden müssen, bevor man den ersten Kunden live schalten
kann. Dieses Investment in Equipment und „sunk costs“ stellt
für etablierte und neue Betreiber ein hohes Risiko dar. Meist
sind die Bereitstellungskosten in ländlichen Gebieten, bedingt
durch das rauhe Klima, natürliche Hindernisse wie hohe Berge
oder Flüsse und eine allgemein unterentwickelte Infrastuktur
wie Straßen, Elektrizität und Eisenbahnen, generell höher.
Auf der Umsatzseite können Unternehmen keine großen Ein­
nahmen erwarten, da die ländliche Bevölkerung im Schnitt nicht
so wohlhabend ist wie die städtische Bevölkerung, was speziell in
Entwicklungsländern der Fall ist. Weiterhin liegt die Anschalt­
quote von neuen Services in kleineren Städten und Dörfern
gemeinhin hinter der in Städten, bedingt durch einen hohen
Altersdurchschnitt, traditionellere Lebensweisen und dem da­
durch geringeren Bedürfnis nach neuen Dienst­leistungen und
Produkten. All diese Faktoren zusammen genommen zeigen
deutlich, dass ein Ausbau des ländlichen Broadbands für tra­
ditionelle Telekommunikationsunternehmen ein unlukratives
Investment darstellt. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht,
dass die durchschnittliche Abdeckung von DSL in Europa bis
2009 auf 94 Prozent gestiegen ist, während nur zirka 80 Prozent
der ländlichen Bevölkerung angeschlossen ist. Die Situation in
Afrika und Amerika ist noch gravierender. Die Frage ist nun:
Wie ist es möglich, diese weißen Flecken zu schließen und die
Abdeckung mit der Zeit auf 100 Prozent zu erhöhen?
Die starke Hand der Regierung: Steuergelder gut genutzt
Es wurde nun international erkannt, dass eine Unterstützung
der Regierung nötig ist, um den Ausbau ländlichen Breitbands
voranzutreiben. Die Marktkräfte allein würden keinen InternetSegen für die dünn besiedelten Gebiete mit ihren gering be­
zahlten Jobs bringen. Es gibt nun zwei verschiedene Wege des
Einsatzes von Regierungsgeldern und auch zwei potenzielle
Nutznießer. Der Regulierer könnte die Nachfrage durch Steuer­
vergünstigungen oder auch direkte Maßnahmen stimulieren
oder die Investitionen in ländliche Regionen durch spezielle,
begünstigende Regulierung attraktiver machen. Der Markt
könnte von den etablierten Unternehmen erschlossen oder von
neuen Anbietern mit genau zugeschnittenen Angeboten als
­Nischenmarkt erkannt werden. Es wurde in vielen Ländern un­
tersucht, welches der beiden Schemata ein Regulierer anwenden
sollte. Man hat sich meist dazu entschlossen, den Markteintritt
für Telekommunikationsunternehmen attraktiver zu machen.
Dies wird häufig durch einen speziell gegründeten Entwick­
15
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
lungs-Fond unterstützt, der sowohl auf etablierte als auch auf
neu gegründete Unternehmen abzielt. Im Folgenden werden
einige nationale Breitbandinitiativen vorgestellt:
USA: Das mit 7,2 Milliarden Dollar dotierte “Broadband
­Stimulus Program” ist Teil des größeren „American Recovery
and Reinvestment Act“, welcher 2009 ratifiziert wurde. Ziel ist
eine Beschleunigung des Ausbaus von Breitbandzugängen in den
USA. Die Subventionen wurden in zwei Programme aufgeteilt:
2,5 Milliarden Dollar für das Broadband Initiative Program des
Landwirtschaftsministeriums für ländliches Breitband und 4,7
Milliarden Dollar für das Broadband Technologies Opportuni­
ties Program (BTOP) des Ministeriums für Telekommunikation
und Informationstechnologie.
EU: Die Europäische Union hat im März 2010 die ­Strategie
„Europe 2020“ verabschiedet. Erklärtes Ziel ist die Vorbe­
reitung der Europäischen Wirtschaft auf die kommenden
­Herausforderungen dieser Dekade. Als eine der ­Hauptinitiativen
dieser Strategie zielt die „Digitale Agenda für Europa“ auf ein
schnelleres Wachstum der Wirtschaft durch die Verbreitung von
ICT. Einer der Meilensteine ist eine 100 prozentige Ab­deckung
mit Breitband-Internetzugängen von 30Mbps bis 2020 in ganz
Europa, während 50 Prozent davon sogar mit 100Mbps an­
geschlossen sein sollen. Im Rahmen des European Economic
­Recovery Package (EERP) wurden 1,02 Milliarden Euro für den
Internetausbau ländlicher Gebiete bewilligt.
Deutschland: Die Bundesregierung unterstützt den Breitband­
ausbau in ländlichen Regionen über die EU Initiativen hinaus.
Der Fokus liegt darauf, die sogenannte „Wirtschaftlichkeits­
lücke“ zwischen anfallenden Kosten und erzielbarem Ertrag zu
schließen. In der Breitbandstrategie ist vorgesehen, eine Ab­
deckung von 100 Prozent der Bevölkerung mit 1Mpbs bis Ende
2010 zu erreichen beziehungsweise 75 Prozent der Bevölkerung
mit 50Mbps bis 2014. Als Resultat wird ein großes Wachstum
nicht nur in der ICT Industrie, sondern auch in GreenICT,
eGovernment und anderen erwartet.
Weitere EU Staaten: Die Initiative “Digital Britain” plant eine
Abdeckung von 100 Prozent der Bevölkerung bis Ende 2012
mit mindestens 2Mbps. Das Programm „France numerique“
zielt darauf ab, 100 Prozent der französischen Bevölkerung bis
Ende 2012 mit stationärem und mobilem Internet zu versor­
gen. Nachdem 2010 bereits 100 Prozent der Bevölkerung in
Finnland abgedeckt wurden, arbeitet die Regierung nun mit den
16
Detecon Management Report • 2 / 2011
Partnern an einer Geschwindigkeitssteigerung auf 100Mbps bis
2015.
Afrika und Asien: Die meisten afrikanischen und asiatischen
Regierungen unterstützen die Verbreitung von Internet durch
nationale Breitbandstrategien, die alle Regionen und Einkom­
mensklassen einbeziehen. In Ägypten wird das Ziel verfolgt, 25
Prozent der Bevölkerung bis 2014 mit Breitbandzugang zu ver­
sorgen; Uganda hat zusammen mit der Weltbank ein spezielles
Programm zur Vernetzung der nördlichen 16 Regionen aufge­
legt, welches auf die ländliche Bevölkerung abzielt, und Viet­
nam hat genau zu diesem Zweck ein Projekt ausgeschrieben.
Australien: Das Programm „Australian Broadband Guaran­
tee“ hat zum Ziel, Privathaushalte und Kleinunternehmen mit
performantem Breitbandanschluss auszustatten. In vier Jahren
(2008-2012) wird die Regierung dazu mehr als 230 Millionen
Dollar ausgeben.
Von Schnecken und opportunistischem Verhalten
Regierungsvorhaben verfolgen im Allgemeinen einen
­guten Zweck, verlieren jedoch durch die große Anzahl von
­Stakeholdern und die dadurch nötigen Abstimmungen sowie
den zu findenden Konsens an Geschwindigkeit und Fokus.
Die Unterstützung im Breitbandausbau leidet speziell unter der
komplexen Wettbewerbsregulierung und dem Subventionsrecht
in Europa und den Mitgliedsstaaten. Etablierte Telekommuni­
kationsunternehmen werden in diesem Umfeld aktiv, um po­
tenzielle neue Unternehmen am Markteintritt zu hindern oder
deren Eintritt zu verlangsamen. Ein funktionierender Breit­
bandmarkt muss gesichert werden. In Afrika sind Sicherheits­
regeln gegen Korruption einzuführen und die korrekte Verwen­
dung der Gelder sicherzustellen. Generell verzeichnet man in
allen Ländern eine hohe Bürokratie.
Die Endverbraucher und Dorfgemeinschaften sind jedoch
nicht bereit, auf ihre Breitbandversorgung zu warten und wer­
den mehr und mehr ungeduldig mit den offiziellen Ankündi­
gungen. Sie gründeten private und unabhängige Initiativen,
die auf einen Rollout von Breitband in ihren Dörfern abzielen.
Ein Beispiel hierfür sind Bürgerinitiativen in Großbritannien,
welche seit 2001 verstärkt gegründet werden, um private Glas­
faser- und Drahtlosnetze auszurollen. Die INCA (independent
networks cooperative association) harmonisiert und koordiniert
diese Initiativen und versucht, technische und regulatorische
Das Problem der weißen Flecken
Hilfestellung zu geben. In den Niederlanden verbindet das Ons­
Net über 8000 Häuser im ländlichen Neunen durch ein privates
Glasfasernetz mit dem Internet.
Das deutsche Open-Source Projekt „Freifunk“ hat in den letz­
ten zehn Jahren viele drahtlose Bürgernetze installiert und hilft
beim Aufbau von privaten Netzen durch kostenlose Software
und technische Anleitungen. Weiterhin hat die Stadt Oerel in
Niedersachsen ihren Rollout eines privaten 50Mbps-Glasfa­
sernetzes zu 300 Privathaushalten und 30 Unternehmen abge­
schlossen.
Anfang des Jahres 2008 hat das Bundesministerium für Wirt­
schaft und Technologie (BMWi) sechs Pilotprojekte in Sachsen,
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern ge­
startet. Harz, eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, ist ein gutes
Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Dorf­
gemeinschaft und BMWi. In Nordrhein-Westfalen wurde ein
Breitband-Kompetenzzentrum (BBKZ-NRW) als Institut der
Fachhochschule Südwestfalen gegründet. Dieses arbeitet als
Berater für Dorfgemeinschaften, die sich an das Breitbandnetz
anschließen wollen.
Wie man jetzt erkennt, gibt es eine Vielzahl von unterschied­
lichen Netzwerken und Betreibern, welche die bestehende
Versorgungslücke opportunistisch geschlossen haben. Wäh­
rend diese verstreuten Netzwerke weiter wachsen, besteht ein
verstärkter Bedarf an Harmonisierung der Netzwerktechnolo­
gien, Interfaces und Regulierung. Einige der Netze werden an
der Legalitätsgrenze betrieben und mittlerweile immer stärker
überwacht. Kleine Netzwerke müssen sich auch die Frage stel­
len, was mit ihnen passiert, wenn die etablierten und großen
Telekommunikationsunternehmen die ländlichen Regionen
erschließen, entweder mit oder ohne Unterstützung durch die
Regierung. Können diese Bürgernetze dann noch überleben?
Eine gute Strategie, Planung und Partnerschaften sind die wich­
tigsten Bestandteile einer erfolgreichen, langfristigen Umset­
zung alternativer Netzwerke, wenn sie in ihren Nischenmärkten
koexistieren möchten.
Kein Patentrezept für verschiedene Situationen
Ländliche Gebiete in aller Welt sind sehr verschieden und benö­
tigen deshalb einen zugeschnittenen Ansatz für eine erfolgreiche
Breitbandversorgung. Die korrekte Netzwerktechnologie ist da­
bei nur einer der vielen Erfolgsfaktoren. Soziale, ökonomische,
finanzielle und regulatorische Fragestellungen müssen ebenfalls
in Betracht gezogen werden. Die Abbildung zeigt die verschie­
denen Aspekte einer ländlichen Versorgung, die in jeder Region
immer wieder von neuem zu untersuchen sind.
Anwendungen: Speziell in Entwicklungsländern sollten die An­
forderungen der ländlichen Bevölkerung aufgenommen und
in alltagstaugliche Anwendungen umgesetzt werden. Beispiele
Abbildung: Eine erfolgreiche Breitbandimplementierung muss viele verschiedene Aspekte berücksichtigen
Geschäftsmodell Innovation
Was bietet man wie an?
Anwendungsentwicklung
Welche Anwendungsszenarien?
Technologische Innovation
Wie bietet man es an?
Rural Internet
Proposition
Regulatorische Kompetenz
Welche Strategie?
Finanzierung
Wer finanziert wie?
Nutzer- und
Partnerbeziehung
Welche Zielgruppe?
Welcher Partner?
Quelle: Detecon
17
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
dafür sind virtuelle „Agrarmärkte“ für Getreide, Hühner oder
Kühe und virtuelle Gesundheitsstationen für eine schnelle und
verbesserte medizinische Versorgung der Landbevölkerung. Die
Anwendungen müssen sorgfältig geplant und umgesetzt wer­
den. Die Mehrzahl der Projekte scheiterte, weil die angebote­
ne Lösung an den Bedürfnissen des ländlichen Marktes vorbei
ging.
Geschäftsmodell-Innovation: Es reicht meist nicht aus, die be­
währten Geschäftsmodelle aus den städtischen Gebieten oder
aus den entwickelten Gesellschaften zu kopieren und eins-zueins in ländlichen Gebieten oder Entwicklungsländern um­
zusetzen. Das Selbstverständnis über Geschäftsabwicklungen
und die Gewohnheiten der Bevölkerung unterscheiden sich
grundlegend, teilweise selbst in unterschiedlichen Regionen
ein und desselben Landes. Ein Beispiel dafür ist das rasante
Wachstum des mobilen Bezahlsystems M-PESA in Kenya, das
dort ein g­ roßer Erfolg wurde, bevor man in westlichen Län­
dern überhaupt über ein ähnliches System nachdachte. Das
Geschäfts­modell muss die sozialen Strukturen, ökonomischen
Rahmenbedingungen und das ethische Werteverständnis der
Endbenutzer berücksichtigen.
Technische Innovation: Jede ländliche Gemeinde kann durch eine
der existierenden „Letzte Meile-Technologien“ im Zugangs­
netzwerk angebunden werden. Die verschiedenen Optionen
sind xDSL, DOCSIS oder Glasfaser-basierte Technologien wie
beispielsweise GPON. Speziell in strukturschwachen Regionen
kommen weiterhin auch drahtlose Technologien wie WiMAX,
HSPA oder LTE zum Einsatz. Ist ein ländliches Gebiet weit von
dem nächsten städtischen Anschlusspunkt entfernt, so muss
eine Backhaul-Technologie, meist Glasfaser-basiert, drahtloser
Richtfunk oder auch per Satellit, eingesetzt werden.
Durch die Einführung des Digitalfernsehens werden weltweit
Frequenzbänder frei, die durch ihre attraktiven Übertragungsei­
genschaften große ländliche Gebiete mit geringem Kapitalein­
satz abdecken können. Detecon hat ein umfangreiches technoökonomisches Modell und eine Vorgehensweise entwickelt,
welche die Auswahl der besten technischen Lösung im Hinblick
auf CAPEX/OPEX, Umsatz, Finanzierung, geographische Ge­
gebenheiten und andere Faktoren unterstützt.
Eine neue Herangehensweise ist im Bezug auf ländliche Gebiete
in Entwicklungsländern entwickelt worden. Aufgrund der dort
vorherrschenden, meist extremen klimatischen Bedingungen,
des geringen Einkommens der Bevölkerung, der großen Distan­
zen zwischen bewohnten Gebieten und einer fehlenden guten
Infrastruktur müssen hier innovative Technologien zum Einsatz
kommen. Ein sehr erfolgversprechender Ansatz ist die Nut­
18
Detecon Management Report • 2 / 2011
zung von weithin verfügbaren WiFi-Komponenten zusammen
mit Spezialgehäusen und Softwareerweiterungen, welche das
WiFi Signal auch sehr lange Distanzen mit akzeptablen Über­
tragungsraten und Qualität überbrücken lässt. Das Fraunhofer
Institut hat eine prototypische Umsetzung namens WiBACK
entwickelt, die diese Eigenschaften besitzt und komplett auf
Open Source Software basiert. Kommerzielle Systeme im WiFi
Umfeld existieren unter anderem von Meraki, Ruckus oder
Altai Networks. Diese Systeme besitzen alle eine andere Phi­
losophie und Kenngrößen, womit die Auswahl der passenden
Lösung einen großen Anteil am Erfolg eines ländlichen Breit­
bandprojektes hat.
Finanzierung: Die Anbindung ländlicher Gebiete kann eine
­enorme finanzielle Belastung für Gemeinden und kleine, private
Betreiber darstellen. Die oben erwähnte Wirtschaftlichkeits­
lücke ist hierbei zu berücksichtigen. Es gibt nun verschiedene
Finanzierungsangebote, um diese Lücke zu verringern oder
zu schließen, wie im letzten Abschnitt anhand der Länderini­
tiativen gezeigt. So haben deutsche Gemeinden zum Beispiel
folgende Optionen: a) Beantragung einer Förderung durch die
Bundesstaaten, b) Durchführung der Projektausschreibungen
und Vendor-Auswahl nach dem nationalen Verfahren (offener
Tender), während die finanziellen Ressourcen aus den Töpfen
der Gemeinden, der Bundesregierung, des Bundesstaates oder
anderer Institutionen kommen, c) Auswahl von Betreibern
nach den nationalen Verfahren, wobei die Betreiber der subven­
tionierten Netzwerke dann aber freien Zugang für die Services
anderer Betreiber auf diesen Netzen gewähren müssen. Diese
­Finanzierungsoptionen beruhen auf der Erhebung des Status
Quo der Gemeinden und aller beteiligten Partner.
Kenntnis von Nutzern und Partnern: Um Leistungen mit den
passenden Optionen und Preisen anbieten zu können, muss
ein Betreiber natürlich Marktforschung betreiben, den Markt
ein Stück weit vorhersehen und die Kundenbedürfnisse verste­
hen. Dies ist in Entwicklungsländern allerdings viel aufwän­
diger und komplexer als in bereits gut verstandenen Märkten
in entwickelten Ländern. Genauso muss die Frage nach lokalen
Partnern in den Zielregionen beantwortet werden. Dies ist für
die erfolgreiche Implementierung des Geschäftsmodells und
den Rollout der Leistungen oder Produkte wichtig. Ohne die
Unterstützung von lokalen Interessensgruppen ist eine Unter­
nehmung zum Scheitern verurteilt. So üben meist religiöse und
politische Führer in ihren Regionen eine stärkere Macht aus, als
es nationale Gremien je könnten.
Regulatorische Kompetenz: Der regulatorische Rahmen bezüg­
lich Frequenzspektrum und Industriepolitik unterscheidet sich
enorm von Land zu Land. Es bedarf sehr guter Fachkenntnis,
Das Problem der weißen Flecken
um entweder das ländliche Breitbandprojekt in diesen Rahmen
einzupassen oder die Regulierungsbehörde von der Notwendig­
keit einer neuen, speziell auf ländliche Gebiete zugeschnittenen
Gesetzgebung zu überzeugen.
Erfolgreiches Breitbandprojekt hängt von Bürgerinitiativen
und Betreibern ab
Soziale Strukturen, geographische Gegebenheiten, ökono­
mische Bedingungen, Geschäftssinn und ethische Werte in
diesen Gebieten unterscheiden sich stark von denen ihrer städ­
tischen Nachbarn. Jedoch birgt gerade die Anbindung dieser
unterentwickelten Regionen ein großes Potenzial für Wirt­
schaftswachstum und die Angleichung des Lebensstandarts in
einem ganzen Land und viele Regierungen haben sich dieses
Themas angenommen. Während diese Initiativen geplant und
an den Interessen vieler Stakeholder ausgerichtet werden, haben
sich vielerorts Bürgerinitiativen gebildet, die eine Breitband­
anbindung unabhängig von den bestehenden Telekommunika­
tionsanbietern umgesetzt haben. Dies ist ein guter Ansatz, um
eine schnelle Abdeckung zu erreichen, jedoch ist eine Strategie
zur Planung und Koordination mit bestehenden Betreibern un­
abdingbar. Beide Parteien, die unabhängigen Bürgerinitiativen
und die großen Betreiber, müssen ein Vorgehen ausarbeiten,
welches die Technologieoptionen, Anwendungen, Geschäfts­
modelle, den regulatorischen Rahmen und auch Partnerschaf­
ten für ein erfolgreiches Breitbandprojekt einbezieht.
Dr. Daniel Henkel ist als Senior Consultant in der Gruppe ICT Product Inno­
vation tätig. Sein Fachwissen und Interesse liegen im Bereich von Drahtlosnetz­
werken, Design von neuen ICT Produkten und Geschäftsmodellen mit F
­ okus
auf Afrika und dem Mittleren Osten. Er hat acht Jahre Erfahrung in der
­Telekommunikationsbranche und leitete als PMI-zertifizierter Projektmanager
diverse Teams bei der Lösung von sowohl technologischen als auch wirtschaft­
lichen Problemen. Als Forscher hat sich Dr. Henkel mit der Optimierung von
Netzwerk- und Protokolldesign in drahtlosen Netzwerken im Hinblick auf
­Verzögerungs- und Fehlertoleranz beschäftigt. Dabei gewann er ein breites
­Wissen im Umgang mit low-cost Hardware und deren Programmierung auf
Open Source Plattformen.
Daniel.Henkel@detecon.com
Dr. Rong Zhao ist als Senior Consultant in der Gruppe Fixed Access und Trans­
port tätig. Seit elf Jahren beschäftigt er sich mit den Themenschwerpunkten
Planung, Migration, Optimierung und Kostenmodellierung der Zugangsnetze
und Transportnetze. Er ist Mitglied des IEEE und VDE sowie in der ITG Fach­
gruppe „Access and Home Networks“ (FG 5.2.5) involviert. Dr. Zhao ist Autor
und Referent von zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen.
Rong.Zhao@detecon.com
Quellen:
• A. Picot, B. Holznagel: „Strategies for Rural Broadband“, 2010
• Rutland Telecom, private Bürgernitiative in GB,
http://www.relay-rutlandtelecom.co.uk/FAQ/rural-national.html
• R. Zhao, N. Nayan, N. Zhelev, C. Mas Machuca, W. Knospe: „Strategic
Design for Rural Broadband Access Networks“, VDE/ITG Konferenz „Breitbandversorgung in Deutschland“, Berlin, März 2011
• Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), www.bmwi.de
• A Digital Agenda for Europe, COM(2010) 245, European Commission,
Brüssel, 19. Mai 2010
19
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
Jawahar Sajjad, Kathrin Hahne
Diversity killed the Cat
Produktdifferenzierung hat nicht immer
die gewünschte Erlössteigerung zur Folge
Telco-Betreiber haben ihr Wachstum zu einem großen Teil durch
­Differenzierung erreicht. Nun laufen sie Gefahr, die Vielfalt ­ihrer
Erlöse nicht mehr angemessen überblicken zu können. In dieser
­
­Situation gewinnt das Thema Revenue Assurance an Bedeutung.
20
Detecon Management Report • 2 / 2011
Diversity killed the Cat
elekommunikationsunternehmen müssen sich heute weltweit
T
den gleichen Herausforderungen stellen: Die Intensivierung des
Wettbewerbs, sinkende Marktpreise, steigende Kundenanfor­
derungen bezüglich der Funktionalität und Individualität der
Produkte, kürzere Produktlebenszyklen und kürzere Durchlauf­
zeiten der Aufträge können als Beispiele genannt werden1. Die
Entwicklung und Einführung von innovativen Produkten ist
daher für das langfristige Bestehen eines Telco-Unternehmens
am Markt essentiell. Dies gilt für reife wie auch für aufstrebende
Märkte. An der Wertschöpfung beteiligt ist zudem eine Vielfalt
von Partnerunternehmen wie Content Provider, Werber und
verschiedenste Dienstleister, die ihren Teil des Gewinns einfor­
dern.
Die Entwicklung neuer Produkte und die Vielfalt an Partnern
in der Telco-Branche werfen Probleme in den Bereichen Billing,
Partnermanagement und Konfliktmanagement auf – und treffen
die Telco-Betreiber genau dort, wo es sie am meisten schmerzt:
am Umsatz oder Erlös. Aufgrund der steigenden Komplexität
der Wert- beziehungsweise Erlösschöpfungskette wird das Ver­
langen immer größer, eine möglichst hohe Präzision der Erlöse
sicherzustellen.
Treiber der Vielfalt
Um ein nachhaltiges Wachstum des Gewinns und Marktanteils
sicherzustellen, sind Telco-Betreiber gezwungen, Markttrends
möglichst zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Produktdifferenzie­
rung ist ein Weg, diesen Trends Folge zu leisten. Im Wesent­
lichen beeinflussen diese Diversifizierung folgende Faktoren:
• Marktpreise: Mit Hilfe von differenzierten Preisniveaus kön­
nen Telco-Unternehmen eine breitere Spanne von Kunden an­
sprechen, für die jeweils eine höhere oder niedrigere Zahlungs­
bereitschaft charakteristisch ist.
• Produktfunktionalität: Steigende Kundenanforderungen
bezüglich der Eigenschaften von Telco-Produkten zwingen
Unternehmen, ihren Produkten stetig neue Funktionalitäten
hinzuzufügen. Dadurch wird ihre Produktpalette automatisch
differenziert.
• Produktlebenszyklen: Der Konkurrenzdruck im Telekommu­
nikationsumfeld führt dazu, dass Unternehmen neue Produkte
in immer kürzerer Zeit entwickeln und in den Markt einführen.
Das Ergebnis sind verkürzte Produktlebenszyklen und kürzere
Time-to-market.
• Time-to-market: Für eine langfristige Sicherung der Wettbe­
werbsfähigkeit ist diese immer kürzere Zeit von der Entwicklung
bis zur Produkteinführung essentiell. Die Beschleunigung von
Prozessen ist ein weiterer Einflussfaktor im Kampf um Kunden
und Wachstum und geht weit über den Produktionsprozess hi­
naus: So ist heute beispielsweise auch der Bestellprozess diffe­
renziert; dank neuer Technologien ist es Kunden möglich, über
verschiedenste Kanäle Produkte zu bestellen oder zu sonstigen
Zwecken mit Telco-Betreibern in Kontakt zu treten.
Produkte oder Dienstleistungen erfolgreich zu diversifizieren
wird von CFOs als eine der wichtigsten Herausforderungen
gesehen (27%, Q3 2010)2. Ein weiterer, ausschlaggebender
Einflussfaktor für CFOs bezieht sich auf die Erlössteigerung:
­Kosten senken und Cashflow steigern haben zirka 30 Prozent
der Befragten genannt. CEOs aus der ganzen Welt sehen vor
allem die Wandlung von Geschäftsmodellen (57%), Branchen
(54%) sowie Modellen zur Erlösgenerierung (51%) als die
wichtigsten Faktoren an. Diese Entwicklungen haben jeweils
auch eine größere Vielfalt und Komplexität zur Folge. Dadurch
verändert sich die Wettbewerbslandkarte insgesamt3.
Beispielsweise haben Kabelnetzbetreiber früher den Großteil
ihrer Gewinne durch ihre TV-Kunden generiert. Heute erwirt­
schaften sie zwei Drittel ihrer Erträge durch Festnetzkunden
oder Broadband Internet. Vergleichbar mit oben beschriebenen
Markttrends konnten zentrale Größen identifiziert werden, die
den Telekommunikationsmarkt maßgeblich weiterentwickeln:
technologische Entwicklungen, Kundenanforderungen und –
wünsche, aufstrebende Geschäftsmodelle sowie staatliche Regu­
lierungen.
• Produktindividualität: Nicht nur das Bestreben, den Pro­
dukten stets verschiedene neue Features hinzuzufügen, sondern
vor allem der Druck zur Individualisierung der Produkte fordert
die Telco-Betreiber heute heraus und steigert in hohem Maße
die Komplexität der Produktpalette eines Unternehmens.
Telco-Unternehmen müssen sich immer wieder auf ein Neues
in einem fordernden Umfeld beweisen, da die Gewinne aus ih­
rem Kerngeschäft stetig sinken. Obwohl sie sich bemühen, die­
sen Herausforderungen mit der Diversifizierung von Produkten
und Dienstleistungen zu begegnen, erfordert die Entwicklung
der letzten Jahre eine genaue Analyse des Zielkonfliktes. Dabei
müssen insbesondere die wesentlichen Geschäftsprozesse un­
tersucht werden, um am Markt weiterhin wettbewerbsfähig zu
bleiben.
1 Integrated product development as a measure to counteract increasing
complexity in the telecommunications industry, Julius D. Golovatchev 2010,
Seite 393.
2 CxO Painpoints – T-Systems Research, H. Hänle 2011, Seite 1.
3 Next Generation Competition – Driving Innovation in Telecommunications,
Bain & Company 2009, Seite 12.
21
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
Diversifikation löst Zielkonflikte aus
Das Streben nach immer neuen Erlösquellen und größeren Ge­
winnmargen zieht nach sich, dass Telco-Betreiber ihre Produkte,
Dienstleistungen und sogar Geschäftsmodelle diversifizieren.
Dies hat nicht nur die erwünschte Steigerung der Erträge zur
Folge, sondern auch ernstzunehmende Zielkonflikte. Im Fol­
genden werden die drei wichtigsten Zielkonflikte beschrieben:
Erweiterung der Wertschöpfungskette: Telekommunikations­
unternehmen bieten Endverbrauchern komplexe und kun­
denindividuelle Produkte oder Dienstleistungen an. An dem
Erstellungsprozess dieser Produkte oder Dienstleistungen sind
immer mehr Unternehmen beteiligt. Daher ist es unvermeid­
lich, dass eine immer größere Anzahl von Partnerunternehmen
in die Wertschöpfungskette eingebunden wird. Diese Erweite­
rung der Wertschöpfungskette erfordert ein gewisses Maß an
Transparenz und Visibilität. Die Frage, wer welches Produkt zu
wem geliefert hat, muss jederzeit beantwortet werden können.
Tonia Graham, Programm Managerin des TM Forum Busi­
ness Benchmarking Programms, ist überzeugt, dass der Con­
tent von Drittanbietern einer der zentralen Faktoren ist, in dem
Transaktionen abgeschlossen werden sollten4. Aufgrund dieser
­komplexen Wertschöpfungskette ist auch an die Möglichkeit
des Betrugs zu denken. Deshalb ist es wichtig, dass die Auswahl
der Partner nicht nur auf Grundlage des Preises, sondern zu­
gunsten des größten zusätzlichen Wertes für die gesamte Wert­
schöpfungskette getroffen wird.
Ansteigende Integration vielfältiger Plattformen: Abgesehen
von der immer größer werdenden Notwendigkeit, ein funktio­
nierendes Partner- und Vertragsmanagement entlang der Wert­
schöpfungskette zu betreiben, spielt auch die Integration von
vielfältigen Plattformen eine immer bedeutendere Rolle. Of­
fene, flexible, standardisierte und reproduzierbare Schnittstellen
sind die wesentlichen Eigenschaften, um „New Generation Pro­
zesse“ zu realisieren.
Erhöhte Komplexität im Bereich Billing: Heute sind ver­
schiedenste Parteien an der Wertschöpfung im Telco-Bereich
­beteiligt und verdienen typischerweise alle an einem einzigen
Produkt beziehungsweise einer Dienstleistung. In Bezug auf
Billing spielt insbesondere das Vertragsmanagement eine wich­
tige Rolle. Telco-Betreiber tendieren dazu, mehr als ein Team
zu beschäftigen, das sich um die Partnerverträge entlang der
Wertschöpfungskette kümmert. Gewöhnlicherweise hat jedes
dieser Teams sein eigenes Expertenwissen ausgebaut und ist
4 TM Forum Perspectives – The Innovation Revolution – How bright
ideas are enabling smart new services – Retail models need real-time billing,
J. Williamson 2011, Seite 50.
22
Detecon Management Report • 2 / 2011
­ enig vertraut mit dem Wissen und der Rolle anderer Teams.
w
An diesem Punkt sollte daher angesetzt werden, um Zeit, Geld
und Aufwand eines Unternehmens zu sparen.
Mary Whatman, Mitbegründerin und Partner von ParhelionGCA sowie Vorstandsmitglied des Center for Outsourcing
­Research and Education, glaubt, dass sogar weniger als zehn
Prozent aller Dienstleistungsanbieter im Kommunikations­
bereich (CSPs) einen Vertrag mit ihren unterschiedlichen Part­
nern unterzeichnet haben5. Normalerweise sollte ein solches
Dokument die Verantwortlichkeiten der einzelnen Parteien
festlegen und bestimmen, wie die Vendoren ihre Abnehmer als
eine Art integrierter Supportmechanismus unterstützen kön­
nen. Sofern diese Aspekte nicht klar geregelt sind, besteht die
Gefahr, dass der Kunde viel Zeit und Energie investieren muss,
um zwischen streitenden Partnern zu vermitteln. Der Service
leidet in Folge dessen.
Nicht selten befinden sich Telco-Betreiber aber auch in einer
Situation, in der sie eine Vielzahl an unterschiedlich lange lau­
fenden Verträgen für diverse Funktionen unter verschiedenen
Bedingungen überblicken müssen. Teilweise laufen diese fünf
oder sogar mehr als fünf Jahre. In diesem Fall ist die benö­tigte
Flexibilität in Zeiten von sinkenden Gewinnmargen nicht ge­
währleistet. In den letzten zehn Jahren hat sich deutlich ge­
zeigt, dass sich der Telekommunikationsmarkt und sein Um­
feld schnell verändern können. Verträge wurden isoliert von
­einander geschlossen, so dass es für die beteiligten Unterneh­
men teuer sein kann, diese zu beenden oder die Bedingungen
zu verändern. Daher ist es überaus wichtig, eine gewisse Flexibi­
lität und die Möglichkeit für Nachverhandlungen zu bewahren,
ohne massive Strafen zahlen zu müssen.
Risiken aufgrund von Vielfalt
Während bereits Zielkonflikte in Folge von einer Vielfalt an Pro­
dukten und Geschäftsmodellen im vorangegangenen Abschnitt
diskutiert wurden, ist es ebenso relevant, allgemeine Fallen und
Risiken zu diskutieren, die es zu vermeiden gilt. Wichtig ist zu
wissen, welche Risiken am Markt im Allgemeinen, aber auch
für das einzelne Unternehmen im Speziellen bestehen. Dieses
Wissen erleichtert das Treffen von fundierten Entscheidungen
und die Entwicklung von Notfallplänen.
Explosion der Produktvielfalt: Das erste Risiko ist die plötzliche
Explosion der Anzahl von Produkten, die Auswirkungen auf
Prozesse in der Produktentwicklung haben könnte. Während
5 TM Forum Perspectives – The Innovation Revolution – How bright
ideas are enabling smart new services – The art of deploying managed services,
A. Turner 2011, Seite 43.
Diversity killed the Cat
sich die Time-to-market verkürzt und neue Produkte schnel­
ler an den Markt gebracht werden, neigen viele Unternehmen
dazu, ihre Hauptsteuerungselemente im Prozess zu opfern, um
schnellere Ergebnisse zu erzielen. Mit neuen Produkten, neuen
Netzwerkkomponenten und neuen Lieferanten sieht der Prozess
schnell sehr viel komplexer aus als zuvor. Beispielsweise hat sich
der Kunde-zu-Kunde-Prozess („usage-to-bill“) mit Einführung
der IP-Netzwerke grundlegend verändert. Switches werden
nicht länger benötigt, daher veralten die ursprünglichen Pro­
zesse in einem Unternehmen sehr schnell. Sie stellen ein mög­
liches Risiko dar.
Insbesondere Prepaid-Produkte, dessen Pricing in Echtzeit ge­
schieht, sind anfällig für den Verlust von Erlösen. Da ein Prepaid
Wireless Service typischerweise via Intelligent Network (IN)
Applikationen mit ihrer eigenen Software angeboten wird, ist es
schwierig, in diesem Falle Echtzeit-Mechanismen einzuführen.
Mit der steigenden Anzahl an Produkten ist die Kontrolle von
Beständen, Service, Konfigurationen, Fehlern beziehungsweise
Defekten zwingend erforderlich; die Verfügbarkeit dieser Infor­
mationen in kurzer Zeit wird zu einer überaus g­ roßen Heraus­
forderung.
In einer ähnlichen Weise steigt die Nutzung von mobilen
­Daten aufgrund der „App-Explosion“. Hieraus lassen sich ver­
schiedene Herausforderungen ableiten. Eine Klassifikation der
­Datennutzung wird zunehmend wichtiger, da nur einige wenige
Produkte die Mehrheit der Bandbreite an Angeboten für sich
einnehmen. Hier ist vor allem das Pricing wichtig, um das Kon­
sumverhalten der Kunden zu steuern. Datenservice erfordern
Abstimmungen mit Content Providern, um eine genaue Ver­
rechnung zu gewährleisten. Im Falle von „konvergent billing“
stellt der Datenservice eine einmalige Herausforderung dar, um
Rechnungsstellung und Charging mit Hilfe von Diensten wie
Voice zu kombinieren.
Explosion der Anzahl von Partner: Die Vielfalt an Content
Providern hindern Telco-Unternehmen oftmals daran, ihre Ver­
bindlichkeiten unter Kontrolle zu halten und ihre F
­ orderungen
einzutreiben. Beispielsweise beläuft sich die Provision der Händ­
ler in traditionellen Telco-Geschäftsmodellen auf 10-15 Prozent
der Gesamtausgaben. Zieht man die Vervielfältigung der Part­
ner und Content Provider in Betracht, kann man davon ausge­
hen, dass sich auch diese Kosten zumindest verdoppeln werden.
Lieferanten sind besonders wichtige Partner eines Unterneh­
mens. Für fast jeden Service Provider in der Telco-Branche,
unabhängig von seiner Größe, ist es üblich, verschiedene Bil­
ling-Systeme zu nutzen. Diese verarbeiten Prepaid, Postpaid,
Inter-carrier und internationale Roaming-Daten. Aufgrund der
Abbildung 1: Herausforderungen aufgrund von Vielfalt in der Telekommunikationsbranche
Daten & Systeme
Produkte & Dienstleistungen
Unterschiedliche Datenstandards
und -formate, keine synchronisierten
Systeme für Prepaid (IN), Postpaid,
OSS, Billing, CRM …
Eine Fülle von Produkten,
z.B. Daten Apps, Hardware,
Fixed, Mobile, Internet, Voice …
Partner & Lieferanten
Partner und Lieferanten, z.B. als
App-Entwickler, Content Provider,
Werbekunden, Vertragspartner …
Quelle: Detecon
23
Detecon Management Report • 2 / 2011
Strategy
Dies ist vor allem bei Unternehmen der Fall, die eine Vielfalt
an Lieferanten haben und unterschiedliche Datenstandards
auf verschiedenen Plattformen bewältigen müssen. Während
Anruf­aufzeichnungen von einem System zum nächsten über­
tragen werden, sind verschiedenste Protokolle notwendig, um
die Datenübertragung erfolgreich durchzuführen. Sobald sich
etwas an den Daten oder dem System verändert, besteht ein
neues Risiko für Datenverlust. Darüber hinaus ist es möglich,
dass Daten aufgrund von unzureichendem Monitoring nicht
wiederhergestellt werden können.
Vielzahl an Lieferanten mit spezialisierten Systemen und Stan­
dards lässt sich dies kaum vermeiden. Jedes Billing-System hat
nicht nur von einander abweichende Datenstandards, sondern
kann zudem auch verschiedene Regeln aufstellen, wie zum Bei­
spiel das Timing für das Rating von Kundenrechnungen. Dies
beeinflusst wiederum die Billingzyklen. Jedes dieser Systeme
stellt Datenaufzeichnungen (CDRs und/oder IPDRs) in ver­
schiedenen Zeitperioden in Rechnung. Jede Abweichung der
Zeiträume, Rechnungsformate, Regeln und Datenstrukturen
erhöht das Potenzial für den Verlust von Erträgen e­ xponentiell.
Das Timing von Rechnungsstellung und Einzug des Rech­
nungsbetrages variiert von Kunde zu Kunde. Genau hier ­stoßen
wir auf den Kern des Problems, dem Revenue Assurance (RA)Teams von Service Providern in der Telekommunikations­
branche begegnen.
Sollte Revenue Assurance sich anpassen?
Eine Online-Umfrage von knowledge@Wharton, veröffentlicht
durch die George Group, entdeckte die folgenden Tatsachen
durch die Befragung von mehr als 400 leitenden Angestellten
in über 30 Branchen6:
Explosion der Datenmenge: Mit dem Anstieg von mobilen
­Applikationen und Datenservices wächst die Anzahl von ab­
rechnungsfähigen Transaktionen um ein Vielfaches an. Zu­
dem erhöhen sich die Probleme in Bezug auf Provisioning und
­Billing sowie das Verlangen nach einer neuen Controlling-Me­
thode, nicht nur in der Telekommunikation, sondern auch bei
Dritt­anbietern.
• Fast die Hälfte aller leitenden Angestellten sagen, dass die
Produktdiversifizierung einen „negativen oder leicht negativen
Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit unter hohem Kosten­
druck und auf die Durchlaufzeit in ihren Unternehmen hatte“.
• 64 Prozent glauben, dass nur eine geringe Anzahl an Pro­
dukten oder Dienstleistungen hauptsächlich zum Betriebser­
gebnis ihrer Unternehmen beitragen.
Während außerdem die Integration vielfältiger Plattformen er­
forderlich ist, wird auch das Bestreben größer, den Datenverlust
und das Datenmanagement unter Kontrolle zu halten. Trotz
der scheinbaren Einfachheit dieses Problems sind viele TelcoBetreiber nicht in der Lage, mit diesen Risiken umzugehen.
6 The Complexity Crisis: Why too many products, markets and customers are
crippling your company – and what to do about it, John L. Mariotti 2008, Seite 46.
Abbildung 2: Wesentliche Schritte im Bereich Revenue Assurance
•Unterstützung durch das Management
•Abstimmung der RA- und Unternehmensziele
•Förderung einer positiven Einstellung zum Thema RA im Unternehmen
RA-Kultur
Erweiterter
Geltungsbereich von
RA-Prozessen
•RA der “nächsten Generation” einführen
•Neue Geschäftsmodelle einbeziehen
•Auf Kosten und Ertrag konzentrieren (Margin Assurance)
Übertragung von
RA-Aktivitäten
in andere Bereiche
•Aufbau flexibel gestalten
•Funktionsübergreifendes RA-Team einsetzen
•RA-Ziele in persönlichen und Abteilungszielen verankern
+
+
Zusätzliche Datenquellen/Reports Zusätzliche Prozesse
+
€
Zusätzliche Revenue Streams
Anpassung an neue Herausforderungen aufgrund einer Vielfalt an Revenue-Modellen und -Produkten.
Quelle: Detecon
24
Detecon Management Report • 2 / 2011
Diversity killed the Cat
• Sogar 38 Prozent derer, die der Meinung waren, dass eine
Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen den Gewinn des
Unternehmens steigern, stimmten zu, dass ein Großteil nur
durch wenige ihrer Produkte oder Dienstleistungen erwirtschaf­
tet wurde.
Diese Umfrage hebt die Tatsache hervor, dass sich aus der stei­
genden Vielfalt nicht zwangsläufig ein größerer Gewinn ergibt.
Sie bringt darüberhinaus Veränderungen mit sich, sowohl in
Bezug auf Unternehmensprozesse als auch Technologien. Die
Telekommunikationsbranche ist in der glücklichen Lage, RA als
Mittel zur Verfügung zu haben, um Gewinne zu sichern und
Kosten zu kontrollieren. Jedoch muss sich RA in jeder Organi­
sation an die neuen Gegebenheiten im Markt und dem Unter­
nehmen selbst anpassen.
Traditionelle RA-Prozesse konzentrieren sich auf den Abgleich
von Datenaufzeichnungen über verschiedene Systeme hinweg.
Jedoch sollten aufgrund der grundlegenden Veränderungen in
der Branche folgende drei wesentliche Themen bezüglich des
RA Managements beachtet werden:
Erweiterter Geltungsbereich von Revenue Assurance: Das
­traditionelle Verständnis von RA wird durch neue Geschäfts­
modelle ersetzt, in denen RA einen viel breiteren und flexibleren
­Geltungsbereich anstrebt. RA dient nicht länger als reines Tool
zur Sicherung des Kundenverbrauchs und der -aufträge. RA in
der nächsten Generation bietet zudem Tools zur Kontrolle von
Kosten, die für diverse Dienstleistungen anfallen. Dies bringt
RA auch ein Stück näher in Richtung Controlling, das nicht
selten Unterstützung durch RA-Aktivitäten benötigt. Mit der
Profitabilität neuer Produkte und Dienstleistungen im Fokus ist
auch die Margensicherung ein neuer Bestandteil von RA. Be­
trachtet man das komplexe Kostenmodell und häufig wechseln­
de Prozesse, dann werden traditionelle Buchhaltungssysteme
immer stärker von RA-Systemen abhängen, um tagesgenaue
Informationen für die Kalkulation von Gewinnmargen bereit­
zustellen.
Übertragung von Revenue Assurance in andere Bereiche: Um
RA-Prozesse auf einem solch breiten Level zu implementieren,
ist zusätzliche Unterstützung in Form von Ressourcen und
Know-how für jedes Produkt, System und die vertraglichen Ver­
pflichtungen mit Partnern und Lieferanten notwendig. Bei ver­
kürzter Time-to-market und hohem Konkurrenzdruck auf dem
Markt wären die Ressourcen in traditionellen RA-Teams leicht
überfordert mit dieser erweiterten Aufgabe und könnten das
erwünschte Ergebnis nur schwer liefern. Am effektivsten kann
diesem Mangel an Ressourcen mit einer Reorganisation des RATeams begegnet werden, indem es in Zukunft wie ein Program
Management Office (PMO) aufgebaut wird. Hierbei ist jedes
RA-Teammitglied Teil eines funktionsübergreifenden Teams
und verantwortet eine Gruppe von Produkten, die einem spe­
zifischen Kundensegment zugeordnet werden können. So kann
jedes Teammitglied sein funktionsübergreifendes Team schulen,
die Notwendigkeit zur Implementierung von RA im Rahmen
seiner Tätigkeiten erklären und beispielsweise mit Vorlagen für
RA-Aktivitäten ausstatten.
Revenue Assurance-Kultur: Um den Geltungsbereich von
RA zu erweitern und es in andere Bereiche innerhalb einer
­Organisation zu übertragen, ist es wichtig, dass RA in die Un­
ternehmenskultur integriert wird. RA-Ziele sollten formuliert
und RA KPIs in das allgemeine KPI-System bezüglich Umsatz­
wachstum, Gewinnmarge und Minimierung von Erlösverlust
eingebunden werden. Auf diese Weise wird RA ein wesentlicher
Teil des Gesamterfolges eines jeden Produktes. Dies kann bei­
spielsweise durch die Angleichung von RA-Zielen mit den Zie­
len der Produktentwicklung erreicht werden. Sobald ein Unter­
nehmen verstanden hat, dass diese Ziele die persönlichen und
abteilungsspezifischen Ziele unterstützen, können breiter ange­
legte RA-Aktivitäten als Teil der Unternehmenskultur realisiert
werden.
Schließlich können wir feststellen, dass RA auf keinen Fall die
Vielfalt zunichte macht. RA hält Methoden bereit, um Verände­
rungen durch die steigende Vielfalt zu bewältigen. Traditionelle
RA wird von „RA der nächsten Generation“ abgelöst, die sich
stärker auf hohe Flexibilität konzentrieren wird. Um die Vielfalt
an Produkten und Dienstleistungen von aktuellen und zukünf­
tigen Telco-Unternehmen erfolgreich zu steuern, ist eine neue
RA-Kultur notwendig. Sie erleichtert die Ausdehnung des RAGeltungsbereiches und die Transformation von RA-Aktivitäten
in neue Organisationseinheiten.
Jawahar Sajjad ist Senior Consultant bei Detecon und durch das TM F
­ orum
zertifizierter RA-Experte mit sieben Jahren Erfahrung in der i­nternationalen
Telekommunikationsbranche. Er hat bei einer Reihe von IT-Projekten
­
­mitgewirkt und leistet einen aktiven Beitrag zur Entwicklung der Themen
­Revenue Assurance, Forderungs- und Kostenmanagement.
Jawahar.Sajjad@detecon.com
Kathrin Hahne arbeitet als Business Analyst in der Group Operations. Sie ist
seit 2010 für Detecon tätig und kann mehr als drei Jahre Beratungserfahrung
in Telekommunikationsunternehmen vorweisen. Neben ihrem Beitrag zur Ent­
wicklung des Themas Revenue Assurance trägt Kathrin Hahne aktiv zum Auf­
bau des Themas Workforce Management im Field Service bei.
Kathrin.Hahne@detecon.com
25
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
Patrick Eberwein, Andreas Meider, Torsten Oppel, Jörg Recktenwald
High
Involvement garantiert
Erfolgreiche Kundenansprache im Auto via Internet
Mit Kunden dort interagieren, wo sie sich befinden – die Vielzahl von
­Neuigkeiten und Angeboten aus allen Aspekten des modernen Lebens ­sowie
stets aktuelle Informationen rund um das Auto machen das automobile I­ nternet
zu einem neuen, einzigartigen CRM-Kanal der Zukunft.
26
Detecon Management Report • 2 / 2011
High Involvement garantiert
it dem Siegeszug der Smartphones begann das Internet
M
seinen Aufstieg zum mobilen Medium einer vernetzten Gesell­
schaft. An jedem Ort können die Nutzer nun die Vorteile des
Internets genießen, sich informieren, einkaufen, im steten Kon­
takt mit dem geschäftlichen und privaten Umfeld bleiben.
Im nächsten Schritt der Evolution des Internets erfolgt die
­Eroberung des Autos. Auch hier werden die Nutzer stets mit
ihrer Umwelt vernetzt bleiben und sich in den Weiten des
­Cyberspace bewegen können.
Dieser Vision folgt die Wirtschaft mit großen Schritten.
­Unterschiedlichste Technologien zur Vernetzung des Autos
­werden entwickelt. BMW hat als einer der ersten Hersteller
bereits seine ganze Modellpalette mit einem Internetzugang
ausgestattet. Dies ist für den Käufer zunächst kostenlos. So pro­
fitieren sowohl Navigations- als auch Entertainment-­Elemente
schon heute von der Vernetzung mit dem Internet.
Doch noch bleiben viele Fragen offen: Werden die Automo­
bilhersteller das Internet im Auto zukünftig auch dazu nutzen,
mit den Kunden im Sinne eines kollaborativen CRM zu inter­
agieren? Welche Anwendungen ermöglichen es darüber hinaus
in Zukunft, mit dem Internet im Auto wirklich nachhaltige
­Geschäftsmodelle zu betreiben?1
Bei dieser Betrachtung schauen wir zum Vergleich auch auf eine
der bedeutendsten Wachstumsregionen der Welt – nach Asien.
Auch dort wollen wir den Potenzialen des CRM durch das In­
ternet im Auto nachspüren.
Technologien, die das Internet ins Auto bringen
Die Werkseinbaugeräte namhafter KFZ-Hersteller basieren
zum Großteil auf den Softwareplattformen einiger weniger
­etablierten Anbieter wie QNX Automotive und Microsoft Win­
dows Automotive und bieten die höchste Integration mit dem
Fahrzeug.
Portable Navigation Devices, sogenannte PNDs, nutzen in der
Regel sogenannte embedded Betriebssysteme und zeichnen sich
durch ihre Portabilität, die vergleichsweise geringen Anschaf­
fungskosten sowie die Möglichkeit, die Geräte mit Apps und
Kartenmaterial zu erweitern, aus.
Mit der zunehmenden Verbreitung von GPS-fähigen Smart­
phones wächst der Druck auf die Hersteller von PNDs.
Daher bieten die Hersteller von PNDs mittlerweile Smart­
­
phone-Versionen ihrer Navigationssoftware zum Kauf an. Für
die handelsüblichen Smartphones gibt es bereits zahlreiche
Naviga­tionslösungen in den entsprechenden App-Stores. Die
­Portierung bestehender PND Software ist insofern interessant,
da der Verbreitungsgrad von Smartphones stetig wächst.
Die neue Symbiose von Internet und Auto steckt trotz dieser aus­
gefeilten Technologien noch in den Kinderschuhen. Die großen
Hersteller haben es jedoch eilig, in das Geschäft ­einzusteigen und
Marktpositionen zu besetzen. Die Branche befindet sich aller­
dings noch auf der Suche nach den sogenannten Killer-Apps, die
dem Kunden einen echten Mehrwert liefern. Letztlich wird der
Kunde mit seiner Bereitschaft zur Nutzung von Apps im Fahr­
zeug über den Erfolg des Konzeptes entscheiden2.
Erfolgreiche Kundenansprache durch internetbasiertes CRM
im Auto
Für die Vernetzung von Internet und Fahrzeug ist neben einer
mobilen Breitband-Datenverbindung ein internetfähiges End­
gerät erforderlich, welches ein gewisses Mindestmaß an Bedien­
barkeit im Fahrzeug ermöglicht. Um den Fahrer nicht unnötig
vom Verkehrsgeschehen abzulenken, sollten Displaygröße und
Bedienkonzept auf die Nutzung im Fahrzeug abgestimmt sein.
Betrachtet man die Technologien im Einzelnen, so lassen sich
im Kern drei unterschiedliche Bauformen identifizieren, ­welche
das Internet ins Auto bringen: Werkseinbaugeräte, portable
­Navigationsgeräte und Smartphones.
Der Begriff des CRM setzt sich aus drei Kerngebieten zusam­
men: Marketing, Sales und Service. Zu betrachten ist, ob die
Ausprägungen dieser drei Gebiete auf den Begriff des auto­
mobilen CRM anzuwenden sind und welche Vorteile sie im
Alltag des Autofahrers bieten können.
1 Quelle: 4. November 2010, Der Kampf um das Internet im Auto.
2 Zu den technologischen Aspekten des Internets im Auto siehe auch DMR 1/2011,
InCar Kommunikation der Zukunft, M. Radmacher et al., S. 26 ff.
Marketing
Im Bereich des CRM kommt dem Marketing eine besondere
Funktion zu. Noch vor dem Vertrieb und dem S­ ervice werden
27
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
hier erstmals in der CRM-Kette die Kunden ­direkt vom Unter­
nehmen kontaktiert. Neben der I­ dentifikation der Kunden hat
das Marketing die Aufgabe, sowohl durch gezielte Kampagnen
als auch durch aktive Arbeit in sozialen Netzwerken Kunden
und Interessenten an das Unternehmen zu binden.
Können die Aufgaben des Marketings noch effektiver erfüllt
werden, wenn sie im Rahmen des automobilen Internet zur
Anwendung kommen? Noch vor Beantwortung dieser Frage
ist zu ergründen, welchen zusätzlichen Nutzen das im Auto in­
stallierte Internet im Gegensatz zur Internetnutzung via mobile
Endgeräte hat.
Die Vorteile, die sich durch die Nutzung des im Auto
­integrierten Internets gegenüber der Verwendung eines Smart­
phones e­ rgeben, sind vielfältig:
1. Die Bedienung der fest im Auto integrierten Bedienelemente
ist deutlich ergonomischer als die Handhabung eines Smart­
phones, insbesondere durch das größere Display und die ergo­
nomischeren Tasten im Auto.
2.Der Internetzugang ist im Auto und wird somit Teil der
haptisch erlebbaren automobilen Wirklichkeit – auch und
­
­gerade, wenn der Fahrer kein internetfähiges Smartphone sein
Eigen nennt. Dies kann einerseits die Akzeptanz des Internets
gerade auch durch noch nicht internetaffine Fahrzeugnutzer
erhöhen und andererseits jüngere und besonders internetaffine
Zielgruppen an das Auto heranführen.
3.Das Internet steht dem Fahrer permanent zur Verfügung, um
vor und in Abwandlungen auch während3 der Fahrt genutzt zu
werden. So sind Echtzeitservices, Infotainment und Location
based Services für den Fahrer immer in hoher visueller Qualität
verfügbar.
Die Vorteile, die der fest installierte Internetzugang im Auto
bietet, spiegeln sich auch in den Marketing-Anwendungen
­wider, die speziell im Auto einen besonderen Nutzen stiften:
3 Während der Fahrt ist das Internet nicht zu benutzen, sondern nur marken spezifische Internet-Lösungen wie „BMW Online“.
28
Detecon Management Report • 2 / 2011
So lassen sich Zusatzinformationen zu den einzelnen Fahrzielen,
zum Beispiel Hotels und Restaurants, bequem auf einem zum
Beispiel 8 Zoll großen Touchscreen im Auto nutzen.
Neben diesen Anwendungen, die das Leben der ­Autofahrer
deutlich erleichtern und es den Anbietern wie Hotels und
­Restaurants ermöglichen, ihr eigenes Marketing zu betreiben,
gibt es auch die zentralen Marketing-Aktivitäten, welche gera­
de durch das Internet im Auto einen besonderen Zusatznutzen
bieten4.
Zu diesen Marketing-Aktivitäten gehört insbesondere die
Durchführung von Online-Kampagnen, die nicht nur auf die
fahrzeugspezifische Nutzergruppe, sondern gerade auch direkt
auf den Fahrer zugeschnitten sein können und so ein One-toOne-Marketing ermöglichen. So können über den Fahrer ge­
sammelte Fahrzeugnutzungsprofile unter Berücksichtigung von
Datenschutzrichtlinien dazu verwendet werden, den Fahrer mit
maßgeschneiderten Angeboten, Veranstaltungen oder Services
dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Im Auto integrierte
Internet-Lösungen bieten gerade für solche Aktivitäten ein
dankbares Medium, da hierbei alle Adressaten direkt in ihren
Fahrzeugen in die Kampagne eingebunden sind und so die
Hemmschwelle zur Teilnahme an Kampagnen sinkt.
Neben dem Einsatz von Kampagnen gehört auch der verstärkte
Einsatz des Social-Network-Gedankens zu den zentralen On­
line-Angeboten, welche durch das automobile Internet beson­
dere Bedeutung gewinnen. So wird die Nutzung des Autos und
dessen Internet-Verbindung zum haptisch erlebbaren Eintritt in
die Gemeinschaft Gleichgesinnter. Auch Fahrzeugnutzer, wel­
che vor Anschaffung des Fahrzeuges noch nicht mit sozialen
Netzwerken in Berührung gekommen sind, können auf diese
Weise erstmals die Vorteile solcher Communities erfahren.
Ergänzend bietet sich auch die Adaption klassischer MarketingInstrumente für das Internet im Auto an: Mit Zustimmung
durch den jeweiligen Fahrzeugnutzer lassen sich Mailings,
Newsletter oder Internet Microsites durch den erlebbaren Oneto-One-Marketing-Ansatz im Auto ebenso zielgerichtet ein­
setzen wie Elemente des Leadmanagements.
4
Dies gilt auch, wenn über ein Smartphone für den technischen Internetzugang
des Fahrzeuges Verwendung findet, die Bedienung und die grafische Darstellung
jedoch über fest installierte Elemente im Auto erfolgt (Beispiel Navigationseinheiten im Auto). Siehe auch: Navigations- und Infotainmentsystem
Comand Online APS.
High Involvement garantiert
Durch den Verkauf von Internet-Anschlüssen in ihren Autos
werden auch die Autohändler wieder ein Stück näher an das
Thema Internet herangeführt, was von Bedeutung ist, da sowohl
der Handel als auch die Werkstätten noch zuwenig die Poten­
ziale des Online-Marketing für sich nutzen5.
Marketing: ein Blick nach Asien
Sales
Die Gewährleistung breitbandiger Internet-Konnektivität im
Fahrzeug mit durchgängig störungsfreiem Empfang bietet im­
mense Vertriebspotenziale und neue Zielmärkte, die bislang so
noch nicht existierten und ausgeschöpft werden konnten.
Einige Marketing-Aktivitäten, welche gerade durch das Internet
im Auto zu größerer Bedeutung gelangen, finden bereits heute
auf asiatischen Märkten ihre Anwendung.
In China sind bereits interaktive Berührungsbildschirme in ­Taxen
im Einsatz, die allein durch Werbung finanziert werden. So sind
in Peking beispielsweise viele Taxen mit noch nicht vernetzten,
berührungsempfindlichen Terminals ausgerüstet (Touchmedia),
welche neben reiner Werbung auch I­nformationen zu Kon­
zerten oder anderen kulturellen Veranstaltungen sowie Spiele
anbieten6. Diese Informationen sind auf Grund der noch feh­
lenden Vernetzung heute allerdings oft nicht auf dem n
­ euesten
Stand beziehungsweise nicht auf den genauen Ort zugeschnit­
ten, in denen sich ein Fahrzeug gerade befindet. Mit Hilfe neu­
er technologischer Möglichkeiten – 3G/4G M
­ obilfunknetze
und kleiner Endgeräten im Auto – ­werden hier zukünftig ziel­
genauere Kampagnen mit noch höherer Werbewirkung möglich
sein. Diese Lösungen versprechen große Erfolge, insbesondere
in Ländern mit ­hoher ­Bevölkerungsdichte wie Japan, Singapur
oder China. In ­diesen Ländern gehört ­Taxifahren zum Alltag,
weshalb sich Systemkosten leicht mit der Qualität der Kontakte
und einer hohen ­Reichweite ­(niedrigerer Tausenderkontaktpreis
als in Ländern mit geringer ­Bevölkerungsdichte) rechtfertigen
lassen.
Der Kunde wird somit zukünftig durch aktuelle, ortsgebun­
dene Informationen über vernetzte Systeme deutlich besser in­
formiert und unterhalten werden als bisher üblich. Ergänzend
werden in Asien bereits heute Spiele angeboten, die auf Touch­
screens in Taxen Anwendung finden und so die Fahrt für den
Kunden noch kurzweiliger gestalten können – onlinebasierte
Versionen dieser Spiele werden dem Internet im Auto auf den
fernöstlichen Märkten zudem einen deutlichen Schub verleihen.
Foto: Terminals in Taxen
Im Vergleich zu allen anderen Empfangsmöglichkeiten – ob mit
Bahn, Flugzeug oder zu Fuß unterwegs – bietet das Fahrzeug
eine einzigartige Vorteilskombination, die es für Vertriebsmaß­
nahmen äußerst interessant werden lässt: Es bewegt sich schnell,
auch über größere Entfernungen, vom Ausgangspunkt zum
Zielort und der Fahrer ist flexibel in seinem Entscheidungsver­
halten, er selbst kann entscheiden und jederzeit seine Fahrt un­
terbrechen und wieder fortsetzen.
5 Quelle: Online−Marketing bei Autohäusern sträflich vernachlässigt.
6 Forbes at http://www.forbes.com/2010/05/10/china-touchmedia-taxiadvertising-markets-face-micky-fung_2.html.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
Aus vertrieblicher Sicht bieten sich daher völlig neue und
vielfältige Ansätze für Unternehmen, die weit über die bisher
erhältlichen, meist kostenfreien App-Angebote wie zum Bei­
spiel S­taumeldungen, Blitzerwarner oder Tankstellensuche
­hinausgehen.
Retailfokussierte Unternehmen, ob Fabrik-Outlets, regionale
Fachmärkte, aber auch die Hotellerie – jeder kann durch das
Angebot und den Empfang attraktiver Promotionangebote im
Fahrzeug durch spontane Impulskaufhandlungen auf signifi­
kante Mehrumsätze hoffen.
Die technische Umsetzbarkeit lässt sich durch Weiterentwick­
lung und Transfer von Applikationen wie Facebook Places und
Facebook Deals erkennen. Jedes Fahrzeug, welches sich zum
Beispiel auf der Autobahn von A nach B bewegt, kann über
­regionale Angebote zukünftig in Echtzeit informiert werden.
Neue Käufer werden dadurch fokussiert, da Kaufakte unab­
hängiger vom Wohnort stattfinden.
Nicht nur den skizzierten Unternehmen bieten sich Mehrumsät­
ze. Auch alle Anbieter, die mit Realisierung und Sicherstellung
der technischen Umsetzbarkeit beschäftigt sind, profitieren von
Telekommunikationsunternehmen über Netzwerkaus­rüster, ITDienstleister bis hin zu Internetagenturen und der Werbewirt­
schaft.
Natürlich auch die Automobilhersteller selbst, die zu den großen
Profiteuren dieser Entwicklung werden könnten. Nicht nur, dass
die Hersteller mit Bindungsmaßnahmen ihre Kunden direkt im
Fahrzeug ohne große Streuverluste ansprechen und Cross- und
Upselling Mehrumsätze erzielen können. Auch wird das Auto
zum Gatekeeper des Internetzugangs, die installierten Bord­
elektroniksysteme könnten so quasi selbst zu Hersteller-­eigenen
Smartphones umfunktioniert werden. Welche ­Potenziale und
Entlohnungsmodelle daraus entwachsen können, lässt sich un­
schwer an der Entwicklung von Apple ablesen.
Das Potenzial scheint erkannt. So kündigte beispielsweise AudiChef Rupert Stadtler im Januar auf der Elektronikmesse CES in
Las ­Vegas einen massiven Ausbau der Kapazitäten für die Ver­
knüpfung von Internet und Auto an mit den Worten: „Audi ver­
ändert sich immer mehr in Richtung Softwareunternehmen“7.
7 Aus Automobilwoche vom 07. Januar 2011
30
Detecon Management Report • 2 / 2011
Sales: ein Blick nach Asien
Auch im asiatischen Raum werden die Vertriebspotenziale des
Internets bereits aktiv genutzt.
In China werden Telematik-Systeme wie OnStar von GM,
­G-Book von Toyota/Lexus, InkaNet auf Basis von Android von
Shanghai Automotive (Roewe) und CarWings von Nissan als
Extra in neuen Autos verkauft. Gerade in der Anfangsphase
wird versucht, Nutzer für die neuen Systeme zu begeistern. Viele
Telematik-Angebote wie beispielsweise G-Book sind in den
­
­ersten Jahren kostenfrei und erst später kostenpflichtig, wenn
Jahres- beziehungsweise Monatsgebühren erhoben werden.
Gute Angebote versprechen dabei ihren Betreibern durchaus
ein kräftiges Umsatzplus. Ein solches kann durch regelmäßige
Kartenupdates, innovative Nachrichtenformate oder besonders
kundenorientierte Service Center erreicht werden, falls diese –
wenn auch kostenpflichtig – vom Markt angenommen werden.
So wird zum Beispiel von InkaNet ein App Store angeboten, auf
dem Zusatzprogramme herunterladbar sind. Zudem können
Spiele genutzt werden.
Ein weiterer Aspekt sind ortsspezifische Angebote. Es können
Coupons auf den Bildschirm des Autos gesendet werden, die
zu direktem Umsatz, zum Beispiel bei der Werkstatt oder beim
Autohändler, führen können.
Die Installation von Systemen selbst wird von Autoherstellern
als Verkaufsaspekt für das gesamte Fahrzeug genutzt, indem
die Vorteile der Telematik-Systeme des speziellen Herstellers
während des Fahrzeugkaufs angepriesen werden. Ein Trend zu
mehr Vernetzung wird dazu führen, dass diese Sonderangebote
in Zukunft auch vom Kunden erwartet und zu Basisangeboten
werden.
Service Neben den bereits beschriebenen Marketing- und Vertriebs­
aspekten eröffnet sich im Automobilsektor durch die Entste­
hung neuer Internet-Technologien eine Vielzahl von Möglich­
keiten, Serviceangebote gezielt im Sinne der Verbraucher zu
entwickeln.
High Involvement garantiert
Hierbei geht es sowohl um die Bereitstellung von Service­
leistungen durch die OEMs als auch um die erfolgreiche Ein­
bindung von Lieferanten zur Entwicklung von integrierten Ser­
viceangeboten.
Die so entstandenen Serviceleistungen dienen vor allem der
langfristigen Bindung von Kunden an das jeweilige Unterneh­
men, auch und gerade über den Nutzungszyklus eines einzelnen
Fahrzeugs hinaus. Starke Kundenbindungspotenziale bestehen
dabei besonders durch das Angebot von kundenwertbasierten
Serviceangeboten, die die Bedürfnisse der einzelnen Kunden­
segmente im besonderen Maße erfüllen.
Hierbei kann es sich einerseits um die Bereitstellung von status­
gebundenen Privilegien und andererseits um die zielgruppen­
spezifische Positionierung von Partnerangeboten handeln. Dies
können sowohl werthaltige Leistungsangebote sein als auch
sogenannte „In Car Services“, vom Entertainment über StauForecasts bis hin zu Werkstatt-Terminankündigungen.
Ergänzt werden solche Services durch den Megatrend der
­„Location-Based-Services“, im Rahmen dessen standortspezi­
fische Leistungs- und Informationsangebote dem Fahrer stets
zur Verfügung stehen.
Ein heranwachsendes Geschäftsmodell in den kommenden
Jahren dürfte zudem die tarifgebundene Nutzung von Automo­
bilen sein. Zwar könnte dieser Trend im „Autoliebhaber-Land“
Deutschland eine geringere Nachfrage erfahren, jedoch sehen
wir insbesondere im asiatischen Raum und in den dortigen
­Metropolen eine stark ansteigende Nachfrage.
Da der Kauf eines eigenen Fahrzeugs bei einem Großteil der
Bevölkerung häufig außer Frage steht und der Bedarf, weite
Strecken mit dem Auto zurückzulegen, sehr groß ist, sind hier
interessante neue Geschäftsmodelle zu erwarten. Nutzungsab­
hängige Tarife oder Flatrates wie in der Telekommunikation
sind allerdings eher unwahrscheinlich.
Dafür rücken hier schwerpunktmäßig ICT-gestützte pay-peruse-Konzepte in den Vordergrund, die durch Apps gestützt wer­
den. Die Abrechnung wiederum könnte durch Partneringkon­
zepte gemeinsam mit Telekommunikationsprovidern erfolgen.
Ob im eigenen oder geliehenen Auto – die Nutzung von Te­
31
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
lematik und daraus generierten Premiumservices, zum Beispiel
ein exklusives Traffic Management und die vernetzte Kommu­
nikation der Fahrzeuge untereinander, wird die bisher genutzten
Navigationssysteme ergänzen oder gar ablösen.
Hinzu kommt eine Reihe von Möglichkeiten, zukünftig eine
automatische Konfiguration der Fahrzeuge mittels des eigenen
Smartphones und der darauf gespeicherten Nutzerdaten vorzu­
nehmen: Hierbei werden alle persönlichen Einstellungen eines
Fahrzeugnutzers, beispielsweise in einer App, gespeichert (Sitz­
stellung, Radiosender, Klimaanlage, Zielspeicher Navi, Kom­
munikationseinstellungen oder Add-On Services) und beim
Einsteigen in ein anderes Fahrzeug übertragen.
Insbesondere dem Flottenmanagement von Unternehmen,
großen Autovermietungen und Premiummarken kommt diese
Entwicklung zugute, da sie dem Kunden dadurch Services mit
hohem Mehrwert bieten können, wofür der Kunde – egal ob
Geschäftskunde oder Privatnutzer – eine große Zahlungsbereit­
schaft zeigen dürfte und zusätzlich an die Nutzung einer Fahr­
zeugmarke gebunden werden könnte.
Serviceleistungen: ein Blick nach Asien
In Asien eingeführt sind bereits Systeme, die es ermöglichen, das
Service Center über eingebaute Geräte zu erreichen, zum Beispiel
über das G-Book. Hierdurch wird vor allem die ­Markenloyalität
durch Services wie Auskünfte, Navigations­unterstützung sowie
Zieleinstellungen verbessert. Weitere Services, die den Kunden
an das Unternehmen binden, sind Ferndiagnose, Informa­
tion zur Regelterminen in der Werkstatt, Hilfe im Notfall und
­Unterstützung im Pannenfall. Zurzeit sind diese Systeme über­
wiegend in Autos der höheren Klassen zu finden, wobei der
Trend wohl zur weiteren Verbreitung in allen Fahrzeugklassen
führen wird, denn den Kunden mit Informa­tionen zu versorgen
wird als wichtiges CRM Instrument gesehen.
In der Testphase sind Systeme, die Echtzeit-Informationen
zur Verkehrslage ermöglichen. Dies wird vor allem mit Hilfe
der Vernetzung von den Geräten erreicht, so dass Informa­
tionen aus den auf der Straße befindlichen Fahrzeugen gemel­
det, ­analysiert und weitergegeben werden können. Hierdurch
wird eine ­
Verbesserung gegenüber den herkömmlichen, auf
Tabelle: CRM via Internet im Auto – ein Überblick
Technologie
Marketing
Sales
Service
Werkseinbaugeräte
- QNX Automotive
- Microsoft Windows Automotive
- Android
Angebote von Unternehmen via Location based Services
• Identifikation der Kunden
• Cross-/Upselling
in One-2-One
Konstellation im Auto
• Entertainment
Portable Avigationsgeräte (PNDs)
- QNX
- Windows CE
- Linux-Lösungen
• Kampagnen
• Soziale Netzwerke
• Zielgruppenspezifika
- Junge Kunden durch Internet zum Auto
- Reife Kunden durch Auto zum Internet
• Telematiksysteme
• Verkehrsmeldungen in Echtzeit
• Ankündigung von Werkstatt-Terminen
• Bereitstellung eines Call-Centers, welches alle
Fragen des Fahrzuegnutzers beantwortet
Smartphones
- Android
- Apple iOS
- Windows Phone
- Symbian
• Mailings, Newsletter, Internet Microsite
• Leadmanagement
• Internet-Terminals in Taxen
Quelle: Detecon
32
Detecon Management Report • 2 / 2011
• Auskünfte
• Navigationsunterstüzung
• Ferndiagnose des Fahrzeuges
• Hilfe im Notfall
• Hilfe im Pannenfall
• Online-Update von Navigationskarten
• Voreinstellung der Heizung
• Abruf von Fahrzeuginformationen durch
Werkstätten oder OEMS
High Involvement garantiert
Verkehrsfunk basierenden Systemen erreicht. Solche Services
dienen dabei zielgerichtet der Erfüllung konkreter Kundener­
wartungen, denn insbesondere chinesische Kunden wünschen
sich zu 70 Prozent Navigationslösungen und immerhin zu 57
Prozent8 Verkehrsinformationen in Echtzeit.
Zu den Herausforderungen bei der Einführung des Internets im
Auto zählt jedoch noch die Konkurrenz durch das Smartphone.
Für den Automobilverkäufer bedeutet das, die Vorteile der fest
installierten Lösung gegenüber dem Hochleistungshandy des
Kunden selbstbewusst herauszustellen.
Durch die Vernetzung der Navigationssysteme wird auch ein
Online-Update aller Kartendaten ermöglicht, ein Verfahren,
welches bereits heute Anwendung findet. Die Kontrolle der
Fahrzeuge mittels Mobiltelefonen wird sich auch weiter verbrei­
ten. Zurzeit sind Services wie die Voreinstellung der Heizung
und das Abrufen von Fahrzeuginformationen möglich.
Auf dem Vormarsch
Das Internet im Auto wird zu einer noch größeren Verbreitung
des Online-Mediums führen und dabei für die verschiedenen
Nutzergruppen unterschiedliche Funktionen erfüllen. Im Zen­
trum stehen dabei zum einen jüngere Menschen, für die es im­
mer wichtiger wird, das sie auch im Auto einen Internetzugang
haben, um so ihrem interaktiven Livestyle stets verbunden zu
bleiben. Hier wird Internet im Auto zum Hygienefaktor in
jedem Verkaufsgespräch mit dieser Zielgruppe. Zum anderen
werden ältere und nicht immer Internet-affine Käuferschichten
erreicht, welche zum ersten Mal mit dem Medium in Berüh­
rung kommen und sich so Eintritt in die virtuelle Welt verschaf­
fen. Auch dieser Zielgruppe kann mit wenigen einfachen Maß­
nahmen ein enormer Mehrwert während der Fahrzeugnutzung
angeboten werden.
Die zahlreichen CRM-Elemente, welche gerade mit dem auto­
mobilen Internet an die unterschiedlichen Zielgruppen herange­
tragen werden, eröffnen zudem einen völlig neuen Kanal zu den
Kunden. Das Autocockpit avanciert so zum realen ­Customer
Touchpoint der nahen Zukunft und somit zum Schlüsselfaktor
für eine erfolgreiche Kundenansprache im Auto.
Dennoch steckt der Prozess des Zusammenwachsens von In­
ternet und Auto noch in den Anfängen, wobei die Automo­
bilhersteller zielstrebig in den neuen Markt einsteigen, um so
technologische Spitzenstellungen und erste große Marktanteile
einzunehmen.
Patrick Eberwein ist Management Consultant im Bereich Automotive-CRM
und Ansprechpartner für die Themen „Connected Car“ und „eMobility“.
­Zudem ist Herr Eberwein Mitautor der Detecon-Studie Customer Experience
­Management sowie Experte für Lead- und Kundenkontaktmanagement.
Patrick.Eberwein@detecon.com
Andreas Meider ist Managing Consultant im Bereich Application Management
und berät als Experte für SAP Consume-to-Cash-Lösungen Unternehmen aus
den Branchen Telekommunikation, Utilities und Media.
Andreas.Meider@detecon.com
Torsten Oppel arbeitet seit 2005 als Senior Consultant in der Gruppe CRM,
Sales & Service und leitet seit 2011 die Gruppe CRM und Sales Management
in China. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit sind CEM/CRM-Strategien,
CRM-Prozessdesign, Customer Care, Call C
­ enter Optimierung und Vertrieb.
Projekte in der Telekommunikations- und Automobilbranche in Europa, Afrika
und Asien runden sein Profil ab.
Torsten.Oppel@detecon.com
Jörg Recktenwald arbeitet als Consultant im Bereich Customer Relationship
Management. Er berät Firmen im In- und Ausland zum Thema Multichannel
Management und Customer Service mit Branchenschwerpunkt Automotiveund Telekommunikation.
Joerg.Recktenwald@detecon.com
8 Strategy Analytics 2010
33
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
Stephan Berninger, Nicole Vollmer
Ein Kessel Buntes
Aktives Diversity Management entscheidet den War for Talents
Bereits heute gehört der Fach- und Führungskräftemangel in Deutschland
zur Realität. Dieser Trend wird sich eher verschärfen. Unternehmen müssen zunehmend gezielt Mitarbeitergruppen ansprechen, die bislang weniger
im ­Fokus ihrer Personalmarketingmaßnahmen standen und auch statistisch
in den Unternehmen unterrepräsentiert sind. Durch diese Vergrößerung
des Pools an potenziellen Mitarbeitern verschaffen sich Unternehmen mit
­aktivem ­Diversity Management einen deutlichen Wettbewerbsvorteil im War
for ­Talents.
34
Detecon Management Report • 2 / 2011
Ein Kessel Buntes
er demographische Wandel, aber auch die sich ständig wan­
D
delnden Anforderungen an die Fähigkeiten und Kompetenzen
der Mitarbeiter in einer zunehmend technisierten Welt führen
zu einem Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften.
So herrscht zum Beispiel in Deutschland mit weniger als 2,5
Prozent Arbeitslosenquote Vollbeschäftigung bei den hochqua­
lifizierten Akademikern.1 In den meisten entwickelten Ländern
ist eine ähnliche Tendenz zu beobachten. Gleichzeitig steigt auch
in einigen Schwellenländern, wie beispielsweise Brasilien und
China, der Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften,
woraus eine Verringerung der Migrationsbereitschaft aus diesen
Ländern resultiert. Der War for Talents verschärft sich also nicht
nur auf nationaler Ebene, sondern wird zunehmend auch global
ausgetragen. Zudem hat auch der Wertewandel dazu geführt,
dass die persönliche Selbstverwirklichung Werte wie Loyalität
und Pflichtbewusstsein abgelöst hat. Auch ­dieser Trend wird
sich zukünftig weiter verstärken.
In der Anfangsphase dieser Entwicklungen haben bereits einige
Unternehmen auf gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen
gesetzt, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu bin­
den. Hierbei ging es in erster Linie darum, Transparenz über
Leistung sowie Fähigkeiten der Mitarbeiter zu gewinnen und
auf Basis dieser Erkenntnisse ein zielgerichtetes Talent- und
Nachfolgemanagement aufzubauen. Den Luxus, Mitarbeiter
womöglich unterhalb ihrer Fähigkeiten einzusetzen, kann sich
kein Unternehmen mittelfristig mehr leisten.
Aber auch für Unternehmen, die die interne Entwicklung von
Mitarbeitern bereits beherrschen, gilt es, die natürliche Fluktu­
ation zu kompensieren, um das Personal für Wachstumsphasen
bereitstellen zu können. Wer hierbei ausschließlich auf die be­
stehenden Zielgruppen und Botschaften setzt, wird zunehmend
mit höheren Gehaltsforderungen und längeren Besetzungs­
zeiten rechnen müssen.
Um mittel- bis langfristig erfolgreich den Bedarf an qualifi­
zierten Fach- und Führungskräften decken zu können, müssen
Unternehmen gezielt neue beziehungsweise im Unternehmen
unterrepräsentierte Zielgruppen ansprechen. Entscheidend ist
dabei jedoch, dass es nicht bei öffentlichkeitswirksamen Aussa­
gen und Lippenbekenntnissen bleibt. Der Imageschaden hier­
durch würde den kurzfristigen, schnellen Erfolg übersteigen.
Vielmehr gilt es für Unternehmen, die Verpflichtung zu diesen
„neuen“ Zielgruppen glaubwürdig darzustellen und ein geeig­
netes „Ökosystem“ zu etablieren.
Frauen in Führungspositionen – eine Seite der
Diversity-Diskussion
Am 15.03.2010 überraschte die Deutsche Telekom AG mit der
Verkündung, bis Ende 2015 mindestens 30 Prozent der obe­
ren und mittleren Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.
Bereits die Ankündigung der Einführung einer Frauenquote
führte zu einer teils kontrovers geführten Diskussion in der Öf­
fentlichkeit. Meist waren es Männer, die diese Quote als über­
flüssig erachten. Aber auch viele erfolgreiche Frauen lehnen die
Quote rundweg ab – vielleicht aus Angst am Ende des Tages als
„Quotenfrau“ dazustehen? Betrachtet man dies allerdings streng
analytisch, ist die Maßnahme jedoch weitaus weniger kritisch
zu betrachten. Möglicherweise kommt es in der Startphase zu
quotenbedingten Besetzungen. Solche Startschwierigkeiten
sind aber bei größeren Paradigmenwechseln normal und leider
meistens unvermeidbar. Mittelfristig ist die Quotenregelung je­
doch als Versprechen gegenüber den weiblichen Mitarbeitern
zu verstehen. Geht man davon aus, dass ein Unternehmen zum
eigenen Überleben an entscheidenden Managementpositionen
eine hohe Qualität von Mitarbeitern sicherstellen muss, bedeu­
tet die Quote eine Verpflichtung zur fairen Weiterentwicklung
von Frauen im Unternehmen, um einen ausreichenden Pool an
Nachfolgerinnen für Führungspositionen aufzubauen.
Wie der Führungsmonitor 2010 des DIW belegt, ist der Gedan­
ke an eine Frauenquote auch nicht als unberechtigt zu bewerten.
So sind beispielsweise in 2008 nur 27 Prozent aller Führungs­
kräfte in der deutschen Privatwirtschaft weiblich. 2009 beträgt
1 Frankfurter Allgemeine Zeitung:
In Deutschland sind Akademiker vollbeschäftigt, 4. März 2011.
35
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
der Anteil der Frauen in den Vorständen der Top 100 Unterneh­
men weniger als ein Prozent.2 Berücksichtigt man zudem, dass
heute fast 60 Prozent der Universitätsabsolventen weiblich sind,
so stellt diese Zielgruppe einen nicht unerheblichen Bewerber­
markt dar, auf den die Unternehmen immer stärker angewiesen
sind.3 Somit bedeutet die Einführung einer Frauenquote nichts
weiter als die Garantie einer fairen Chance für Frauen.
Keine (Frauen-)Quote ohne geeignetes „Ökosystem“
Diese rein rationale Betrachtung hat jedoch einen entschei­
denden Haken. In den meisten Menschen wächst im Laufe der
Zeit der Wunsch, eine eigene Familie zu gründen. Dies geschieht
unabhängig von Karrierezielen oder anderen Ambitionen und
hat über Generationen die Existenz der Menschheit sicherge­
stellt. Aus biologischen, aber auch emotionalen und zumindest
zurzeit oft noch gesellschaftlichen Gründen tragen Frauen in
der Regel die karrieretechnische Hauptlast des Kinderwunsches.
Im ersten Jahr bedeutet dies in der Regel zumindest eine deut­
lich reduzierte Arbeitszeit oder gar einen vorübergehenden Aus­
stieg aus der Berufswelt.
Die Unterstützung von Familien endet allerdings oft unmittel­
bar nach der Elternzeit. Die zeitlichen Anforderungen der heu­
tigen Berufswelt sind nur schwer mit den üblichen Betreuungs­
zeiten durch Kindertagesstätten zu vereinbaren – insbesondere
wenn zur reinen Arbeitszeit noch Fahrtzeiten hinzukommen.
Mit ihren elf hauseigenen Kindertagesstätten mit bundes­
weit rund 600 Betreuungsplätzen sowie einer Notfallbetreu­
ung unter­stützt die Deutsche Telekom AG ihre Mitarbeiter in
­diesem Kontext. Dies ist ein erster Schritt in Richtung eines
Umfeldes, dass Kinder und Karriere ermöglicht. Das Ermögli­
chen von 15.000 Teilzeitstellen in Deutschland sowie die För­
derung von Elternzeit sind weitere zentrale Bausteine des worklife@telekom Programms zur Förderung der Vereinbarkeit von
Beruf und Familie, auch beziehungsweise insbesondere auf der
Managementebene.4
Während bei vielen großen Konzernen in Deutschland das
Thema Diversity im Hinblick auf Frauen und Karriere und die
Schaffung eines geeigneten Umfeldes im wahrsten Sinne des
Wortes noch in den Kinderschuhen steckt, sind einige kleine­
re und mittelständische Unternehmen bereits eine Stufe weiter.
Der Naturkosmetikhersteller Weleda, der unter anderem ein
2 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Führungsmonitor 2010.
3 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Bildung in Deutschland 2010.
4 Deutsche Telekom AG: Personalbereicht 2009/2010.
36
Detecon Management Report • 2 / 2011
breites Produktsortiment für Schwangerschaft, stillende Müt­
ter und Babys produziert, hat beispielsweise eine umfassende
Infrastruktur für berufstätige Eltern geschaffen. Dies umfasst
neben einer betriebsinternen Kindertagesstätte mit täglich
anpassbaren, flexiblen Betreuungszeiten, auch ein Unterstüt­
zungsnetzwerk durch im Ruhestand befindliche Mitarbeiter.
Dieses Genera­tionen Netzwerk entlastet und unterstützt die
aktiven Mitarbeiter durch individuell abstimmbare Leistungen
wie einem Einkaufsservice oder Notfall-Kinderbetreuung. Die
­Leistungen werden individuell vereinbart und auch abgerech­
net. Dennoch erlaubt es den Eltern, sich auf ihre berufliche
­Tätigkeit zu konzentrieren, die Kinder in guten Händen zu
­wissen und die verfügbare Freizeit bestmöglich zu nutzen.5
Keine sozialen Kosten – sondern Investition in die Zukunft
Die Kosten zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind gering, der
Gewinn für das Unternehmen dagegen groß. Die Eltern, die
in einer für sie optimierten Infrastruktur arbeiten dürfen, wer­
den diese sicherlich nicht für „ein paar Euro“ mehr an Einkom­
men verlassen. Selbst wenn die Kinder älter geworden sind und
weniger Betreuung benötigen, sollte in den meisten Fällen die
Bindung an das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt groß genug
sein, um den finanziellen Verlockungen des Arbeitsmarktes zu
widerstehen. Das Diversity-Ökosystem wirkt sich positiv auf
die Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen aus und wirkt
somit als nachhaltiger Bindungsfaktor.
Neben den offensichtlichen volkswirtschaftlichen Vorteilen
zahlt sich die Investition in ein familienfreundliches Um­
feld auch betriebswirtschaftlich aus. Den Investitions- und
­Betriebskosten der Maßnahmen stehen geringere Fluktuations-,
Rekrutierungs-, Einarbeitungs- und auch Lohnkosten bei einer
insgesamt motivierteren Belegschaft gegenüber. So zeigte das
Forschungszentrum für familienbewusste Personalpolitik, dass
familienfreundliche Unternehmen bessere betriebswirtschaft­
liche Kennzahlen aufweisen als Unternehmen ohne familien­
freundliche Maßnahmen. Diese Unternehmen seien zu 17 Pro­
zent produktiver, weisen 13 Prozent weniger Fehlzeiten auf und
verfügen über eine 17 Prozent höhere Mitarbeiterbindungsrate.6
Zusätzlich ist die Familienfreundlichkeit ein wesentlicher Teil
der Arbeitgebermarke. Im Beispiel Weleda harmonieren Arbeit­
gebermarke, Produktphilosophie und Produktmarke zudem op­
timal miteinander.
5 Weleda AG: Bericht zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie 2009.
6 Forschungszentrum für familienbewusste Personalpolitik 2010.
Ein Kessel Buntes
Für die Unternehmen, die den Wert von Müttern am Arbeits­
markt erkannt haben und ein geeignetes Umfeld entwickeln,
bleibt zu hoffen, dass der Einsatz nicht durch eine gesetzlich
verordnete Frauenquote verwässert wird. Sollte diese jedoch
kommen, wird ihr „Familienökosystem“ diesen Unternehmen
die Chance bieten, auch nachhaltig von den getätigten Investi­
tionen zu profitieren.
Diversity jenseits der Frauenquote
Auch wenn die Diskussion in Deutschland sowie in großen Tei­
len von Europa vorrangig unter der Dimension „Geschlecht“
betrachtet wird, bietet das Diversity-Konzept eine Vielzahl an­
derer Facetten. Der Ursprung des Diversity Managements liegt
in den USA, wo durch strikte Regelungen und Kontrollen einer
Diskriminierung nach ethnischer Herkunft entgegengewirkt
werden sollte. Es dauerte lange, bis Unternehmen das Potenzial,
das in einer heterogenen Mitarbeiterschaft liegt, erkannt haben.
Erst Ende der 90er Jahre kam das Konzept aus den USA nach
Europa. In Deutschland wurde mit dem Allgemeinen Gleich­
stellungsgesetz (AGG) im Jahr 2006 die berufliche Gleichstel­
lung aller Gruppen rechtlich manifestiert. In der Anfangsphase
lag der Fokus in der Umsetzung sowohl der Unternehmen als
auch der Gesetzgeber auf der Gleichbehandlung von Frauen.
Mit einem Modellversuch zur anonymen Bewerbung ver­
sucht der Gesetzgeber nun, die Gleichbehandlung von Frauen,
­Menschen mit Migrationshintergrund, älteren Menschen und
anderen, in den Bewerbungsunterlagen erkennbaren Charakte­
ristika, durchzusetzen.
Bei allen Fairnessgedanken stellt sich jedoch die Frage, ob eine
gesetzliche Regelung überhaupt mittelfristig noch notwendig
ist. Denn auch ohne Anstoß vom Gesetzgeber haben die er­
sten Untenehmen das aktive Diversity Management bereits für
sich entdeckt. Bei Diversity Management geht es grundsätzlich
darum, die Vielfalt der Mitarbeiter zu nutzen und bewusst in
die Personalstrategie zu integrieren. Vielfalt wird hierbei jedoch
nicht nur im Sinne von offensichtlich wahrnehmbaren Un­
terschieden, wie beispielsweise der ethnischen Herkunft, Ge­
schlecht, Alter und körperliche Behinderung, verstanden. Auch
auf den ersten Blick nicht sichtbare Unterschiede zwischen
Menschen, wie etwa die sexuelle, religiöse Orientierung und der
persönliche Lebensstil, werden betrachtet. Diese ganzheitliche
Verschiedenheit der Mitarbeiter können Unternehmen für sich
nutzen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Diver­
sity darf also nicht nur auf die Frauenquote reduziert werden.
Es ist ein Grundprinzip, das auf Toleranz und Begrüßung der
Andersartigkeit unterschiedlichster Facetten beruht.
Internationale Belegschaft als Wettbewerbsfaktor
Für internationale Konzerne spielt auch die internationale Be­
legschaft eine zentrale Rolle bei der Sicherung des Zugangs
zum notwendigen Humankapital. In Zeiten von knappen qua­
lifizierten Mitarbeitern kann man es sich nicht mehr leisten,
Mitarbeiter ausländischer Tochtergesellschaften und Nieder­
lassungen an den Arbeitsmarkt zu verlieren, weil sie in ihrer
– meist verhältnismäßig kleinen – lokalen Organisation keine
Aufstiegsperspektiven mehr sehen. Internationale Talent- und
Nachfolgeplanung sowie ein internationaler Mindset im Un­
ternehmen unterstützen die internationale Durchlässigkeit von
Karrierepfaden – abseits der Einbahnstraße von Expatriatspezi­
alisten, die von der Konzernmutter entsandt den Tochtergesell­
schaften mit ihrem Wissen zur Verfügung stehen. Das Gebot
der Stunde ist ein globaler interner Arbeitsmarkt, der die besten
Mitarbeiter zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle einsetzt.
Auch dieses Potenzial hat beispielsweise die Deutsche Telekom
AG entdeckt. So äußerte Thomas Sattelberger, Personalvorstand
der Deutschen Telekom AG, Anfang dieses Jahres in der Mit­
arbeiterzeitschrift HR One Voice den Wunsch nach einer stär­
keren Internationalisierung der Belegschaft. Bislang bestehe die
Zentrale der Deutschen Telekom überwiegend aus deutschen
Mitarbeitern. Bereits heute wird im Konzern durch ein interna­
tionales Job-Rotationprogramm versucht, international ein Ver­
ständnis für die Abläufe im Unternehmen zu schaffen und ein
Feingefühl für andere Kulturen im Allgemeinen zu entwickeln.
Für jeden eines, aber nicht eines für alle
Ein oft praktizierter Ansatz ist das Verfolgen so genannter „Best
Practices“. Während dies in einigen Themenfeldern sicherlich
bis zu einem gewissen Grad die Wettbewerbsfähigkeit des Un­
ternehmens sicherstellen kann, so ist es im Bezug auf Diversity
eher fehl am Platz. Denn nur wenige Dinge sind so vielseitig
wie Diversity. Erfolgreiche Diversity-Programme müssen zur
Kultur und dem Handeln des jeweiligen Unternehmens passen,
die Zielgruppe muss ein entsprechendes Potenzial in Bezug auf
den Anforderungskatalog bieten und das Unternehmen muss
bereit sein, seine Versprechen auch mit konkreten Maßnahmen
zu unterstreichen. Entscheidend wird es sein, einen kulturellen
Fit zwischen der Zielgruppe und dem eigenen Unternehmen
herzustellen. Auch das Produkt des Unternehmens muss letzt­
endlich zur Zielgruppe passen. Alleine schon diese Kriterien
zeigen, wie komplex und letztendlich auch individuell Diver­
sity-Programme sein müssen, um nachhaltig den gewünschten
Erfolg zu bringen. Ebenso ist anzumerken, dass natürlich der
Grenznutzen einer Zielgruppe mit jedem zusätzlichen Unter­
37
Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
nehmen, das sich auf diese Zielgruppe fokussiert, abnimmt –
der Kuchen wächst nicht mit jedem Unternehmen, dagegen
werden die Stücke für jeden ein wenig kleiner.
Kann man mehrere Zielgruppen ansprechen? Hier ist die Ant­
wort ein deutliches JA. Das Beispiel der Telekom zeigt, dass sich
zum Beispiel die Zielgruppen Frauen und internationale Beleg­
schaft nicht ausschließen. Letztendlich hängt dies aber nicht zu
letzt von der Größe des Unternehmens ab. Weiterhin stellt sich
natürlich auch die Frage, wie viel Diversity das jeweilige Un­
ternehmen verträgt. Dies ist eine wichtige Frage, die sich nur
schwer verallgemeinern und messen lässt. Die Beantwortung
dieser Frage kann nur nach eingehender Analyse der Offenheit
der Belegschaft zur Vielfalt, der kulturellen Stärke des Unter­
nehmens und dem Willen, Diversity als Chance beziehungs­
weise Bereicherung zu sehen, mit hinreichender Sicherheit be­
antwortet werden. Ein zu hohes Maß an Diversity kann einem
Unternehmen massiv schaden, da produktive Kräfte für die Ab­
wehr des „Fremden oder Andersartigen“ – welches jeder diversi­
tymanagementrelevanten Zielgruppe per Definition innewohnt
– eingesetzt werden. Die Angst vor dem, was man nicht kennt,
ist eine grundlegende menschliche Angewohnheit, die über ei­
nen sehr langen Zeitraum dem Überleben der Menschheit för­
derlich war und tief im menschlichen Gehirn eingebettet ist.
Die Gewinner des War for Talents sind bunt
Auf Grundlage des zunehmenden Fach- und Führungskräf­
temangels dürfte es für die meisten Unternehmen wirtschaftlich
schwierig sein, auf den Einsatz entsprechender Diversity-Pro­
38
Detecon Management Report • 2 / 2011
gramme zu verzichten. Aufgrund steigender Löhne und Ge­
hälter sowie der Knappheit an qualifizierten Mitarbeitern wird
der monetäre Lohn als Entscheidungskriterium immer stärker
an Bedeutung verlieren. Aspekte wie die Unternehmenskultur,
Work-Life-Balance Angebote, natürlich die faire Behandlung
und nicht zuletzt das Diversity-Angebot werden hingegen zu­
nehmend an Bedeutung gewinnen. Dementsprechend werden
Unternehmen, die ein aktives Diversitymanagement betreiben,
also eine geeignete Infrastruktur für ihre Zielgruppe(n) bereit­
stellen und darauf achten, dass Diversity mehr ist, als nur ein
Lippenbekenntnis oder in Zukunft eine rechtliche Auflage,
­einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil haben. Wem es gelingt,
die für ihn richtigen Zielgruppen zu gewinnen und zu binden,
wird zu den Gewinnern des War for Talents gehören.
Stephan Berninger ist als Managing Consultant im Competence Team People
Management Solutions tätig. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich
Performance Management, Human Resources Development und eHR. Vor
­seiner Tätigkeit bei Detecon war er mehrere Jahre als SAP-Berater, Prozessbera­
ter und Internal Auditor in verschiedenen Branchen tätig. Herr Berninger hat
einen MBA der WHU und Kellogg Business School.
Stephan.Berninger@detecon.com
Nicole Vollmer ist als Business Analyst im Competence Team People Manage­
ment Solutions tätig. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich Recruiting
und eHR. Vor ihrer Tätigkeit bei Detecon arbeitete Frau Vollmer zwei Jahre bei
der arvato services solutions GmbH im Bereich Human Resources und absol­
vierte ihr Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld.
Nicole.Vollmer@detecon.com
Knowledge@Detecon
Mission Zukunft:
ICT 2032
45 Thesen für den Weg ins Morgen
In 22 Jahren wird es die IT in klassischer Form nicht
mehr geben. Doch welche Konsequenzen leiten sich
daraus ab? Wie wirken sich die ICT-Entwick­lungen
auf die Gesellschaft, Individuen und ­Unternehmen
aus? Wie beeinflussen nichttechnologische F­ aktoren
die ICT-Landschaft 2032? Welche Nutzen bieten
diese technologischen und nichttechnologischen
­
Veränderungen? Und wo l­iegen die Chancen und
Risiken?
45 Thesen umreißen – mal provokant, mal
über­­­­­­raschend – wie die Informations- und
­Kom­­­mu­­ni­­ka­tions­technologie Leben, ­Gesellschaft
und Wirtschaft im Jahre 2032 beeinflussen
wird. ­
Anwendungsbereiche wie Automotive,
­Energie­wirtschaft, Finanzdienstleistungen, ­Leben
und ­
Wohnen sowie Gesundheit ­
werden sich
­unter dem Einfluss von ICT radikal verändern und
­weiterentwickeln. ICT für jeden und überall, in ­nahezu
jedem Gegenstand, das ist das c­harakteris­
tische
Merkmal der Welt von Morgen.
Online-Bestellung:
Sie können ein Buch-Exemplar kostenfrei
unter folgender Adresse bestellen:
Info@detecon.com
Organization
Die Quote ist Türöffner
für eine umfangreiche
Kulturarbeit
Interview
mit Telekom-Vorstand
Thomas Sattelberger
über die Einführung
der Frauenquote
Thomas Sattelberger ist seit dem 3. Mai 2007 Personal­
vorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom
AG. Der im Juni 1949 in Munderkingen/Donau g­ eborene
Diplom-Betriebswirt war von Juli 2003 bis zu seiner
­
­Bestellung zum Telekom-Personal­vorstand in derselben
Funktion Mitglied des Vorstandes der Continental AG in
Hannover. Dort verantwortete und gestaltete er insbesondere die zukunftsfähige und strategische ­Ausrichtung der
Personalarbeit, die konzernweite Personalentwicklung, das
weltweite Talent Management sowie das Arbeitskostenund Effizienzmanagement. Zuvor ­
arbeitete ­
Sattelberger
bei Daimler Benz und der Lufthansa.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Interview mit Thomas Sattelberger, Deutsche Telekom AG
Derzeit wird die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote
in Deutschland in den Medien kontrovers diskutiert. Als eines
der ersten DAX-Unternehmen hat die Deutsche Telekom be­
reits lange vor dieser politischen Diskussion begonnen, Frauen
stärker zu Führungspositionen zu motivieren. DMR sprach mit
Thomas Sattelberger, Vorstand Personal der Deutschen Telekom
AG, über die aktuelle Diskussion sowie die Erfolge des ersten
Jahres nach Einführung einer Frauenquote.
DMR: Vor rund einem Jahr haben Sie die Einführung einer ­Quote
für weibliche Führungskräfte in der Deutschen Telekom Gruppe
verkündet. Dies hat neue Impulse in die öffentliche Debatte im
Hinblick auf die Chancengleichheit für Frauen gebracht. Hat Sie
die Intensität der Diskussion überrascht?
T. Sattelberger: Persönlich erfüllt es mich mit Genugtuung,
dass der gesellschaftliche Diskurs zu diesem „eingeschlafenen“
­Thema wieder voll entfacht ist. Die Diskussion war überfällig,
denn es bringt nun einmal überhaupt nichts, sich schönzureden,
man habe alles Menschenmögliche – von Frauen-­Mentoring
bis Kinderkrippe – getan, um das Problem der Unterrepräsen­
tiertheit von Frauen in Führungspositionen zu lösen. Denn es
war doch offensichtlich, dass wir uns hier wie Hamster im Rad
bewegten: immer mehr des gleichen ohne wirklichen Verände­
rungserfolg.
DMR: Wie waren die Reaktionen der Mitarbeiter zu der Maßnahme?
T. Sattelberger: Der gesamte Vorstand der Deutschen Telekom
mit René Obermann an der Spitze hat sich dazu entschlossen,
Nägel mit Köpfen zu machen und einen neuen, wirksameren
Hebel anzusetzen. Dies war ein deutliches Signal. Ähnlich ve­
hement wie draußen wurde und wird die Diskussion um die
Quote in unserem Konzern geführt. Denn die Quote ist kein
Selbstzweck, sie ist Türöffner für eine umfangreiche Kulturar­
beit, sie ist die Keimzelle für die Entfaltung umfassender Vielfalt
bei der Telekom, und das geht jeden etwas an.
DMR: Haben sich Ihre Erwartungen hinsichtlich der bisherigen
Ergebnisse erfüllt?
T. Sattelberger: Nach einem Jahr Frauenquote haben wir unsere
ersten Meilensteine erreicht – was die quantitativen wie die qua­
litativen Ergebnisse anbelangt. Wir haben sehr viel Herzblut,
aber auch finanzielle Investitionen in diese bindende Selbstver­
pflichtung gesteckt. Damit sind vor allem eine umfangreiche
Kulturarbeit, Betreuungsinfrastruktur und ein großer logis­
tischer Aufwand verbunden, und das erste Jahr Frauenquote
stand vor allem im Zeichen der „Graswurzelarbeit“. Wir haben
das Fundament für den Wandel gelegt – und alle DAX 30 Un­
ternehmen gehen jetzt den Weg, den die Telekom eingeschlagen
hat.
DMR: Können Sie uns etwas über die Kennzahlen verraten, mit
denen Sie den Erfolg dieser Maßnahme messen?
T. Sattelberger: Systematik, nicht Symbolik ist der Schlüs­
sel für eine nachhaltig erfolgreiche Umsetzung der Frauen­
quote in unserem Unternehmen. Wie jedes wichtige Thema
in unserem Unternehmen steuern wir Frauenförderung nun
konzernweit über Kennzahlen, die weltweit gelten. Die Ein­
stellungen von Bewerberinnen dualer Studiengänge und von
Hochschulabsolventinnen müssen etwa doppelt so hoch sein
wie der durchschnittliche Frauenanteil an den Abschlüssen der
jeweiligen Studiengänge. Das gilt in erster Linie für technische
und naturwissenschaftliche Fächer. Zur Verbreiterung der un­
ternehmensinternen Talentbasis soll der Frauenanteil in der
Talentförderung 30 Prozent betragen. In Führungskräfteent­
wicklungsprogrammen muss der Frauenanteil mindestens 30
Prozent (ab 2012 40 Prozent) betragen, damit diese Programme
stattfinden. Der Frauenanteil in Assessment Centern und Ma­
nagement Audits muss mindestens 30 Prozent betragen. Bei der
Besetzung von Topmanagement-Funktionen muss die engere
Auswahl („Short list“) einen Frauenanteil von mindestens 30
Prozent aufweisen.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
DMR: Immer wieder wird über gesetzliche Regelungen zur
Frauenquote gesprochen. Bundesfamilienministerin ­
­
Kristina
Schröder fordert beispielsweise Selbstverpflichtungen für
Großunternehmen. Machen aus Ihrer Sicht solche gesetzlichen
­
Regelungen überhaupt Sinn oder werden die oft beschwore­
nen „Selbstheilungskräfte“ des Marktes zu Zeiten des Fach- und
­Führungskräftemangels den ­offensichtlich bestehenden Schiefstand
beheben?
T. Sattelberger: Ich kann die Unternehmen nicht verstehen, die
erst anfangen zu handeln, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals
steht. Seit Jahren laufen wir sehenden Auges in den Fachkräf­
temangel – und laufen immer weiter… Genauso wenig kann
ich verstehen, dass erst das Damoklesschwert einer gesetzlichen
Quote über einem hängen muss, um aufzuwachen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Unternehmen
verbindliche und öffentlich transparente Ziele setzen und da­
mit deutlich machen müssen, dass sie beabsichtigen, in den
Führungsetagen wirklich etwas zu verändern. Wenn nicht, darf
sich niemand beklagen, wenn uns gesetzliche Vorgaben gemacht
werden. Ich freue mich, dass wir uns am 30. März bei einem
Zusammentreffen von Politik und Wirtschaft endlich zu dreißig
individuellen öffentlichen und damit auch verbindlichen Selbst­
verpflichtungen durchringen konnten.
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DMR: Die Erhöhung der Frauenquote auf Führungsebene ist eine
Art des Diversity Managements. Planen Sie auch Maßnahmen für
andere Zielgruppen und wenn ja, wie werden diese aussehen?
T. Sattelberger: Vielfalt ist unsere Zukunft. Als Gesellschaft
und Unternehmen erahnen wir erst jetzt, welche Chancen da­
rin liegen. Die Mitarbeiterschaft wird internationaler, ethnisch
vielfältiger, weiblicher und – ich sehe das an mir – älter. Mit
diesen tiefgreifenden Veränderungen müssen wir uns intensiv
befassen, das ist alternativlos. Dort, wo Vielfalt gefördert wird,
wächst die Wirtschaft, steigt die Zahl der Innovationen, werden
Unternehmen und Regionen attraktiver am Talentmarkt und
macht die Arbeit mehr Freude. Auch Aktionäre und Anleger
achten zunehmend auf dieses Thema: Auf der letzten Haupt­
versammlung der Deutschen Telekom etwa war Diversity eines
der zentralen Themen, das von Anteilseignern aufgebracht und
auch eingefordert wurde.
Das heißt aber nicht, dass wir nun in jedem dieser Bereiche
„ordnungspolitisch“ eingreifen müssen. Bei den meisten Viel­
falt-Themen funktionieren wir bereits jetzt sehr gut mit kon­
sequenter Maßnahmen- und Projektarbeit. Als Beispiel sei hier
auf unser „Reverse Mentoring Programm“ verwiesen. Tandems
Interview mit Thomas Sattelberger, Deutsche Telekom AG
aus jeweils einer „gestandenen“ Führungskraft und einem jun­
gen Kollegen, der der Generation der „Digital Natives“ ange­
hört, arbeiten zusammen. Ziel ist es, die Führungskraft mit den
Möglichkeiten und Chancen des Web 2.0 in ihrem jeweiligen
Arbeitsumfeld vertraut zu machen, um diese als zunehmende
Selbstverständlichkeit in den Arbeitsalltag integrieren zu kön­
nen.
Ein zweites Beispiel sind die zahlreichen Maßnahmen im Rah­
men unseres betrieblichen Gesundheitsmanagements, die da­
rauf zielen, seelisches und körperliches Wohlbefinden lebens­
phasenbedingt zu fördern.
können, nicht nachlassen, um das Ziel der Reduzierung auch
der nur geringen Ausgleichsabgaben auf Null zu erreichen.
DMR: Wir danken Ihnen für dieses Interview!
Das Interview führte Stephan Berninger,
Managing Consultant im Bereich Organization, Detecon International GmbH.
Und ein drittes Beispiel ist unser Engagement bei der Integra­
tion schwerbehinderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im
Inlandskonzern beschäftigen wir auf 6,4 Prozent unserer Ar­
beitsplätze Menschen mit Schwerbehinderungen. Dies ist eine
beispielhaft gute Quote im bundesdeutschen Arbeitsmarkt. Nur
wenige unserer konzernangehörigen Gesellschaften im Inland
erfüllen die gesetzliche Beschäftigungsquote von 5 Prozent
nicht und sind deshalb zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe ver­
pflichtet. Hier werden unsere Anstrengungen, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter mit einem Handicap so zu beschäftigen, dass
sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten
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Organization
Claudia Skrobol
Was bin ich?
Und wenn ja, wie viele?
Corporate Project Identity als Balance
von Einheit und Vielfalt im Projekt
Die Vielzahl von verschiedensten Persönlichkeiten, Erfahrungen und Interessen in ­Projekten
ist Segen und Fluch gleichermaßen. Jeder
­Projektleiter und -mitarbeiter kann ein Lied d­ avon
singen. Das Management dieser Vielfalt hin zur
Corporate Project Identity ist ein ­Schlüssel zum
Projekterfolg.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Was bin ich? Und wenn ja, wie viele?
ls er den Gang hinunter läuft, nicken ihm einige freundlich
A
zu. Andere klopfen ihm im Vorübergehen anerkennend auf die
Der Mensch im Projekt – mehr als eine Projektressource.
Nur geträumt? Wie gelingt es, aus einem von vielen Projekten
eines mit einer klaren und überzeugenden Identität zu ma­
chen? Einer Projektidentität, die in das Unternehmen hinein
Zeichen setzt – Zeichen, die die Vision, das Projektziel und
den Wandel verkörpern? Ein klar strukturiertes, einheitliches
Selbst­verständnis, das die Vielfalt von Erfahrungen und Per­
sönlichkeiten erfolgreich einsetzt? Eine Projektidentität, die
zur Mitarbeit animiert? Ein frommer Wunsch, gar von einer
Projektidentität zu reden, mag da so mancher einwenden. Wo
man sich als Projektleiter in der Unternehmensrealität bereits
dann glücklich schätzen könne, ein Projektteam zeitnah mit
­adäquaten personellen Ressourcen zu besetzen. Und man in der
Konkurrenz von „Linie“ zu „Projekt“ beinahe gezwungen sei,
das zu nehmen, was man an personellen Ressourcen überhaupt
bekommen könne.
Schauen wir uns die Realität an: In Unternehmen nimmt der
Anteil von Arbeit in Projekten gegenüber der in der Linie stetig
zu. Oftmals existieren mehrere komplexe Veränderungsprojekte
parallel. Jedes Transformationsprojekt benötigt ein Projekt­
team, das innerhalb kurzer Zeit das Projekt strukturieren, pla­
nen und zielgerichtet steuern wird. Das Aufstellen eines fachlich
­adäquaten Projektteams ist für sich allein bereits eine Herkules­
aufgabe, wenn es um die strategische Neuausrichtung eines Un­
ternehmens, großformatige IT-Konsolidierungs-, Outsourcingoder Reorganisationsprojekte geht. Gleichzeitig besteht jedes
Projekt für sich aus einer Vielzahl an Projektmitarbeitern. Und
einer Vielfalt an fachlichem Erfahrungshintergrund, Erfahrung
mit Veränderungsprozessen, Projektmanagement-Kompetenz,
(inter-) kultureller Background, Persönlichkeit und indivi­
­
duellen Interessen. Projektleiter erleben in der ersten Phase
komplexer Transformationsprojekte eine Herausforderung: aus
einer Vielfalt von Projektmitarbeitern – einem gefühlten Sack
Flöhe – in kürzester Zeit eine Projektmannschaft zu bilden.
Ein Team, das nicht nur Ziele, Aufgabenstellung und Vorgehen
des Projektes versteht und intern abbildet, sondern ein Team,
das zudem den „Geist“ der angestrebten Veränderung in sich
trägt. Es gilt, die Vielfalt des Projektteams und eine gewünschte
Einheitlichkeit sorgfältig auszubalancieren.
Ist es also Luxus, eine Corporate Project Identity anzustreben?
Unsere eindeutige Antwort: nein. Solange die Mehrzahl von
Projekten eher an den „weichen“ Faktoren als an den Faktoren
Budget, Qualität und Zeit scheitern, gilt das Augenmerk auch
den Erfolgsfaktoren, die über das klassische 1 x 1 des Projektma­
nagements hinausgehen. An dieser Stelle gleichzeitig eine Klar­
stellung: Soft Skills und Corporate Project Identity kitten keine
handwerklichen Mängel im Projekt. Sind Ziele und Ergebnisse
des Projekt nicht eindeutig definiert, liegen Mängel im Aufbau
der Projektorganisation vor, und fehlt der Projektplanung ein
eindeutiges Vorgehen, dann werden es alle noch so intensiv be­
triebenen Maßnahmen zur Herstellung einer einheitlichen Pro­
jektidentität nicht richten können.
Welchen Veränderungsprozess ein gerade erst zusammengestell­
tes Projektteam zu leisten hat, um einerseits intern im Projekt
geschlossen für die Veränderungsziele zu stehen und anderer­
seits eine eindeutige Außenwirkung zu erzielen, wird oftmals
unterschätzt. Das übliche Projekt-Kickoff-Meeting sorgt gleich
zu Beginn dafür, dass die Projektmitglieder Ziele, Struktur und
Kernelemente des Projektes – auch die einer Zusammenarbeits­
kultur – erfassen. Über Teambildungsmaßnahmen lernen sich
die Projektmitglieder näher kennen. Es entsteht bei aller Un­
terschiedlichkeit tatsächlich so etwas wie ein Wir-Gefühl. Ein
Wir-Gefühl, dessen Haltbarkeitsdatum – so die Hoffnung des
Projektleiters – mit dem Datum des Projektendes identisch sein
möge. Und dann?
Schulter. Ein junger Mitarbeiter fragt ihn im Aufzug, ob er in
der nächsten Projektphase mit an Bord kommen könne. ­Seine
Kollegin, die seit Beginn in diesem spannenden Projekt sei,
schwärme ja direkt von diesem Restrukturierungsprojekt. Im
neunten Obergeschoss angekommen, tönt das Aufzugssignal.
Jedoch ganz anders als sonst. Der Wecker zeigt 06:15 Uhr. Alles
nur geträumt!
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
Es beginnt der Projektalltag und damit verbunden nicht selten
der ein oder andere Grabenkampf. Schließlich lässt sich die
Gemengelage von mit in das Projekt gebrachten Interessen aus
der Linie oder externen Dienstleistern, heterogenen Kulturen
und unterschiedlichem Erfahrungsgrad im Projektmanagement
nicht einfach durch Briefing-Meetings und ein paar Teamspie­
len zu Projektbeginn herbeizaubern. Lässt man zehn Projekt­
mitglieder aus unterschiedlichen Teilprojekten nach einigen
Wochen schildern, für was das Projekt steht, was die gemein­
same Stoßrichtung ist und wie nach ihrer Sicht das Projekt im
Unternehmen wahrgenommen wird, so wird es nicht weniger
als zehn unterschiedliche Antworten geben. Ein unbeteiligter
Dritter hätte zudem das dumpfe Gefühl, dass es sich keineswegs
um das gleiche Projekt handelt, von dem berichtet wird.
Dem Projekt Persönlichkeit geben: Corporate Project Identity.
Hier sind die Grenzen der sogenannten Diversity erreicht. Eine
Vielfalt, die zu ­Lasten eines tragfähigen, ganzheitlichen Selbst­
verständnisses und überzeugenden Images geht, schadet dem
Projekterfolg. Vielfalt im Projekt muss durchgängig und dauer­
haft gemanaged werden. Corporate Project Identity ist dabei
keinesfalls mit Gleichmacherei zu verwechseln. Ziel ist vielmehr
der erfolgreiche Umgang mit den vielfältigen Interessen, Erfah­
rungen und Persönlichkeiten bei gleichzeitiger Sicherstellung
einer ­profilierten Projektidentität.
Was also tun, um diese Identität für das Projekt zu schaffen? Wir
unterscheiden in Maßnahmen, die auf die Herstellung einer
projektinternen Identität zielen, und solche, die eine eindeu­
tige Außenwirkung verfolgen. Ziel projektinterner Identität ist
ein klar strukturiertes und einheitliches Selbstverständnis ­aller
Beteiligten als Voraussetzung für effektive und reibungsarme
Projektarbeit. Dies erreichen Maßnahmen, die die Vielfältigkeit
im Projekt gezielt steuern: Maßnahmen, die Orientierung im
Projekt schaffen, die auf die Integration von Persönlichkeiten
mit ihren Stärken fokussieren und eine von den Projektzielen
abgeleitete Projektkultur gestaltet. Die so geschaffene identitäts­
fördernde Innenwirkung bildet den Nukleus für die Corporate
Project Identity.
Sie wird ergänzt um die aus dem Corporate Identity- und
Markenmanagement entlehnten Maßnahmen zur Bildung
­
von Projektdesign, -kommunikation und -verhalten. Sie ver­
folgen ein über die Projektgrenzen hinweg, also im gesamten
Unternehmen sowie außerhalb der Unternehmensgrenzen,
einheitliches und glaubhaftes Projektimage. Unter dem Aspekt
der Bedeutung von Veränderungsprojekten als Treiber für die
Unternehmenszukunft kommt dieser in der Außenwirkung an­
gestrebten Wirkung eine besondere Rolle zu. Die Herstellung
von Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die mit dem Projekt ver­
folgten Unternehmensziele in der Öffentlichkeit ist gleichsam
der Lackmustest für die über Pressemeldungen herausgegebenen
Informationen zur künftigen Ausrichtung des Unternehmens.
Wo laufen sie denn? Orientierung schaffen.
Vielfach sind Projektziele in der Programmpräsentation be­
schrieben. Und auch an Hintergrundinformationen zur Aus­
gangslage – dem eigentlichen Grund für das Programm – fehlt
Abbildung: Elemente der Corporate Project Identity
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Project Iden
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Projektkultur
46
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Quelle: Detecon
Steuerung
von Vielfalt
im Projekt
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Ko
Was bin ich? Und wenn ja, wie viele?
es nicht. Dennoch verwenden wir oftmals in Programmpräsen­
tationen deutlich weniger Energie auf die eindeutige und ver­
ständliche Beschreibung des „Warum“ und „Wozu“ als vielmehr
auf das „Wie“ und „Wann“. Dabei ist es für eine durchgängig an
den Programmzielen orientierte Projektarbeit notwendig, dass
alle Projektmitglieder – interne wie Mitarbeiter externer Dienst­
leister – Anlass und Ziele des Projektes im Unternehmens- und
Marktkontext verinnerlicht haben. Versteht man Projektmitar­
beiter als Verkäufer des Projektes nach innen und außen, wird
schnell klar, dass sie hierzu ein homogenes Verständnis der Ziele
des Vorhabens benötigen.
So genannte „Onboarding-Packages“ sorgen hier für ­
einen
schnellen Überblick. Diese Informations-Pakete mit ­
allen
Informationen rund um das Projekt bestehen aus den
­
­wesentliche Unterlagen aus dem Projekt Setup: P
­ räsentation
zur Projekt-­
Story und den Zielen, Projektorganigramm,
Workstream Charter, Projektplan, Informationsflusskonzept,
Meetingstrukturplan und der Kontaktliste. In OnboardingMeetings geben Vertreter der Projektleitung, des Programm
Management Office und der Workstreams neuen Mitarbeitern
nicht nur einen Überblick, sondern gehen insbesondere auf die
„weichen“ Themen ein, deren Verständnis ein Schlüssel zum
Projekterfolg ist: Wer sind die wichtigsten Stakeholder? Wie ist
der (unternehmens-) kulturelle Kontext, in dem sich das Pro­
jekt bewegt? Wie ist die Projektkultur? Was sind „ungeschrie­
bene“ Projektgesetze? Es bietet sich an, Onboarding-Meetings
nach zeitlichen und herkunftsspezifischen Gesichtspunkten
durchzuführen. Letzteres trifft insbesondere dann zu, wenn die
Gruppe der externen Dienstleister wie Lieferanten, Berater und
Freelancer und damit die Heterogenität der mitarbeitenden
­
Projektmitarbeiter hoch ist.
Die Investition in diese „interkulturellen Projekttrainings“ zu
Beginn der Projektarbeit ist sinnvoll, um die Mitarbeiter für
die Besonderheiten des Projektes zu sensibilisieren und nicht
nur fachlich vorzubereiten. So erhalten die Durchführenden
einen ersten Eindruck über das Ausmaß der Vielfalt und He­
terogenität der mit in das Projekt gebrachten Erfahrungen und
Interessen. Und haben so einen ersten Indikator über den not­
wendigen Integrationsaufwand, der über die nächsten Wochen
hinweg und verbunden mit jeder neuen Gruppe, die zum Pro­
jekt hinzu stößt, zu leisten ist.
Ich bin ich und Du bist Du. Integration forcieren.
„Zusammenkunft ist ein Anfang. Zusammenhalt ist ein Fort­
schritt. Zusammenarbeit ist ein Erfolg.“ Henry Ford, von dem
diese Erkenntnis stammt, scheint sich schon damals der Heraus­
forderung einer gelungenen Zusammenarbeit und Integration
bewusst gewesen zu sein. In Projektteams lässt sich nicht nur in
der ersten Projektphase ein oftmals erhöhtes Maß an Abstim­
mungsproblemen und Missverständnissen, ein zeitweilig unab­
gestimmtes Vorgehen zwischen den Teammitgliedern und ein
unterschiedlich verstandenes – obwohl gemeinsam vereinbartes
– Arbeitsziel und Ergebnisverständnis aller Projektbeteiligten
feststellen. Dagegen steht die Erwartung des Projektleiters, mit
der Definition der Ziele, Aufgaben, Aufgabenpakete und Zutei­
lung auf die Projektmitglieder und einem intensiven Kickoff­
Workshop verbunden mit Teambildung stünde der produktiven
Teamarbeit nichts mehr im Wege. Immerhin verbringe ein Mit­
arbeiter heutzutage phasenweise oder dauerhaft einen hohen
Anteil ihrer Arbeitszeit in Projekten. Und sei damit den Wechsel
zwischen der Arbeit im Stammteam und in wechselnden Pro­
jektteams ja wohl gewohnt, so seine Einschätzung
Selbst in Zeiten virtueller und häufig wechselnder Teams und
vermeintlich etablierter Virtualität haben die Theorien zur
Gruppenbildung nicht ausgedient. Ganz im Gegenteil: Dort,
wo Menschen in kurzen Intervallen und unter zeitlicher und
persönlicher Anspannung immer wieder neu ihren Platz in im­
mer anderen (Projekt-) Gruppen finden müssen, bedarf es der
Fokussierung auf die Methoden einer gelingenden Integration.
Mängel in der Teamintegration sind bei virtuellen im Gegensatz
zu örtlich konzentrierten Teams entweder kaum oder sehr spät
spürbar. Entscheidend für den Projektleiter ist, sich mit Pro­
jektstart den Erfolgsfaktoren für eine gelingende Integration be­
wusst zu sein. Dies trifft um ein mehrfaches zu, erstreckt sich die
virtuelle Zusammenarbeit über kulturelle und Unternehmens­
grenzen hinweg und handelt es sich um Teammitglieder, die erst
in späteren Projektphasen in das Projekt treten.
Ebenso wie eine Person in der Regelorganisation mit seiner
Kompetenz, Persönlichkeit, Stärken und Schwächen sowie Rol­
le und Aufgabe seinen individuellen Platz im Team findet, ist
dies für das Projektteam notwendig. Teil einer arbeitsfähigen
und nachhaltig erfolgreich arbeitenden Projektgruppe zu wer­
den, seine Position im Team zu finden und auszugestalten ist je­
doch oftmals weit anspruchsvoller. Zeitdruck, ein Konglomerat
von Interessenlagen der anderen Projektmitglieder, der Fokus
auf fachliche Kompetenz und Erfahrungswissen fordern nicht
nur von den Projektbeteiligten ein gehöriges Maß an Integra­
tionsfähigkeit, sondern bedürfen einer effektiven Teambildung
und -führung. Das trifft besonders dann zu, wenn die Stellung
eines Mitarbeiters in der Hierarchie im „Stamm-Team“ deutlich
von der Rolle im Projekt abweicht.
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Organization
Persönliches und funktionales Vertrauen in die Teammitglieder
benötigt Zeit und Raum für Orientierung. Die wichtigsten Pro­
jektaufgaben sollten nicht direkt an den Anfang gelegt werden,
wenn sich das Projektteam noch in der Findungs­phase befindet.
Die Projektmitglieder benötigen ausreichend Zeit, Projektziele,
Aufgaben, Arbeitsweise sowie das Projektumfeld zu verstehen.
Rekrutieren sich die Teammitglieder aus verschiedenen Un­
ternehmensbereichen und externen Beratungsgesellschaften,
empfiehlt sich für den Projektleiter eine ausschließlich die
Teammitglieder beinhaltende Stakeholderanalyse. Diese macht
beobachtete oder erwartete Einstellungen der Projektmitglieder
zum Projekt und Einfluss auf das Projekt transparent. Sie zeigt
auf, welche Teammitglieder als Integrationstreiber fungieren
und in dieser Rolle zu stärken sind. Sie macht ebenso deutlich,
welche Personen die Teamperformance durch ihre Einstellung
und ihr Verhalten möglicherweise behindern. Wird man sich
der Kräfteverhältnisse im Team auf diese Weise bereits zu Pro­
jektbeginn bewusst, fällt die Konzentration auf die wirklich re­
levanten Teambildungsmaßnahmen und Fokussierung auf die
für den Projekterfolg wesentlichen Stakeholder leichter.
sich nicht herstellen, sondern entwickelt sich gesteuert. Rechnet
man für die Entwicklung einer Unternehmenskultur in Jahren,
wäre für Projekte mit einer Dauer von mehreren Monaten ein
Zeitraffer erforderlich. Umso wichtiger, sich als Projektleiter
dieser Herausforderung mit einer guten Portion Realismus zu
stellen: Abhängig von der Zielstellung des Projektes gilt es, auf
die kulturtreibenden Faktoren zu fokussieren, die die Qualität
der Zusammenarbeit und das Projektergebnis direkt beeinflus­
sen. Und so die Vielzahl der bisherigen Verhaltensweisen und
Sub-Kulturen, die die Projektmitglieder mit in das Projekt brin­
gen, zu einer homogenen Projektkultur zu gestalten. Versteht
man kulturgestaltende Elemente als Teil des Projektmanage­
ments lassen sich diese Elemente in Kickoff-Workshops und
Projektmeetings integrieren. Da Kultur gelebte Verhaltenswei­
sen sind, bedarf es der Reflektion und Überprüfung. Wo wir uns
– Projektkulturell gesehen – im Zeitraffer befinden, bieten sich
„Kultur-Boxen-Stopps“ alle paar Wochen an, in denen bis dahin
bewährte und weniger hilfreiche Vereinbarungen zu Verhaltens­
weisen kritisch beleuchtet und gegebenenfalls neu vereinbart
oder fallengelassen werden.
Wie ticken wir denn? Eine Projektkultur gestalten.
Image-Fit in der Außenwahrnehmung
Projektkultur sei ja wohl eher etwas für Schönwetter-Zeiten, so
kürzlich der Kommentar eines gestandenen und mit allen Was­
sern gewaschenen Projektleiters am Rande einer Tagung zum
Multiprojektmanagement. Aber gibt es das überhaupt - die Ab­
wesenheit von Kultur? Wohl kaum, denn Menschen prägen eine
Kultur, und jedem Projekt eilt ein Ruf voraus. Auf den Punkt
gebracht: So wie Unternehmen eine spezifische Kultur haben,
hat auch ein „Unternehmen im Unternehmen“ – das Projekt –
eine eigene Projektkultur. Diese ist bei internen Projekten und
einer überwiegend bis kompletten Besetzung durch Unterneh­
mensmitarbeiter der Kultur des Unternehmens ähnlich. Anders
verhält es sich bei Projekten mit externem Bezug und/oder einer
hohen Anzahl an nicht aus dem Unternehmen stammenden
Projektmitarbeitern. Hier weichen die sichtbaren Symptome
der spezifischen Projektkultur wie beispielsweise Art und Weise
der Kommunikation und Zusammenarbeit, Leistungsbereit­
schaft, Umgang mit Fehlern und Konfliktverhalten in der Regel
deutlich wahrnehmbar ab von Symptomen der Kultur des Un­
ternehmens, in der das Projekt abgewickelt wird.
Im Marketing spricht man von erfolgreichen Marken als gehal­
tenen Versprechen. Übertragen auf ein Projekt bedeutet dies:
der Erfolg bemisst sich aus den erreichten Projektzielen, ein­
gehaltenen Budget-, Zeit- und Qualitätsmaßgaben. Aber ist es
das, was einem Betrachter von außen als erstes einfällt, wenn er
von einem bestimmten Projekt hört? Ist es nicht in gleichem
Maße das Image, das sich bei einem Außenstehenden durch
die Kommunikation, die Berichte von Projektmitarbeitern und
Stakeholdern bildet? Durch den Auftritt eines Projektes im Fir­
menintranet, in Projekt-Newslettern und auf Kongressen? Die
Glaubwürdigkeit, die ein Projekt ausstrahlt, muss sich daran
messen lassen, dass Außenstehende die Frage „Glaube ich, dass
das Projekt das ist, was es verfolgt und darstellt?“ mit einem
eindeutigen „Ja“ beantworten. Es geht um die Verankerung der
Projektidentität außerhalb der eigenen Grenzen - im gesamten
Unternehmen.
Eine eigenständige Projektkultur erzeugt Identität nach innen
und Image nach außen. Eine als positiv erlebte Projektkultur
vereinfacht im „War for Talents“ die Besetzung neuer Projekt­
stellen oder Nachbesetzung im Unternehmen durch motivierte
und klassifizierte Mitarbeiter. Im Bewusstsein dieser Wirkung
ist es Aufgabe des Projektleiters, eine die Projektziele tragende
Projektkultur zu gestalten. Eine, die innen und außen wahr­
nehmbar werden lässt, wofür dieses Projekt steht. Kultur lässt
In einer teilweise unüberschaubaren Anzahl von Projekten und
Programmen in Unternehmen gehen die unter, die über keinen
ausreichend großen visuellen Wiedererkennungswert verfügen.
Unter dem Motto „Das Auge isst mit“ gewährleisten ein ein­
gängiger Projektname, grafisch einprägsames Projektlogo und
visuelle Leitlinien für Präsentationen und Projektveröffentli­
chungen den einheitlichen optischen Projektauftritt. Dass die
Gestaltung von überschneidungsfreien und im internationalen
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Ab in die Maske. Dem Projekt über Corporate Project Design
ein Gesicht geben.
Was bin ich? Und wenn ja, wie viele?
Kontext problemfreien Projektkommunikationsmitteln in die
Hände von Profis gehört, versteht sich von selbst. Gleichzeitig
muss man der Projektrealität ins Auge sehen: Powerpoint Tem­
plates, CD-Manual und stringente grafische Vorgaben halten
kreativ engagierte Projektmitgliedern von der Entwicklung von
Template-Mutationen und Eigengewächsen nicht ab. So ent­
wickelt jedes Projekt über die Zeit hinweg ein von Kommu­
nikationsverantwortlichen als reine Anarchie wahrgenommenes
Design-Eigenleben. Anstatt den Kampf mit den Windmüh­
len aufzunehmen, hilft hier nur, sich auf den professionellen
­Außenauftritt zu fokussieren.
Am Anfang stand das Wort.
Die gelungene Project Communication.
Unzählige Studien belegen, dass Projekte wenn, dann meist an
den „weichen“ Faktoren, angeführt von mangelhafter Kom­
munikation, scheitern. Kommunikation und ein transparenter
Informationsfluss sind als Schlüssel zum Projekterfolg zu verste­
hen. Wer „Projektkommunikation“ in seiner Projektrollenbe­
schreibung stehen hat, mag sich ob dieser Aufwertung der nicht
selten nachsichtig belächelten Projektaufgabe als Schaltstelle im
Projekt wähnen. Endlich wird den Kommunikationsbedürfnis­
sen, die im Zeitalter des Web 2.0 eine völlig neue partizipative
Dimension gewinnen, ausreichend Rechnung getragen, möchte
man meinen.
Corporate Project Communication zeichnet sich dadurch aus,
dass sie im Projekt Orientierung bietet und Maßstäbe für Ko­
operation und Zusammenarbeit setzt. Die Projektrealität zeigt,
dass in der Wahrnehmung von Projektauftraggeber, Sponsoren
und Mitgliedern der Projektleitung ihr Anteil an der Pro­
jektkommunikation Kommunikation deutlich höher zu sein
scheint, als er von Projektmitgliedern als notwendig eingestuft
wird. Erleben sich Mitglieder der Projektführung das scheinbar
immer Gleiche mantrahaft kommunizierend, bemängeln Pro­
jektmitglieder die nicht ausreichende Informationsdichte und
-frequenz. Dieses gefühlte Missverhältnis hat oftmals ihren Ur­
sprung in den unterschiedlichen Phase, in der sich die beiden
Parteien befinden: ist die Projektleitung, bereits seit Wochen
und Monaten ununterbrochen mit der Projektplanung beschäf­
tigt befinden sich Projektmitglieder gerade mal am Projektstart
in der Orientierungsphase. Missverständnisse sind – potenziert
im Falle von Parteien aus verschiedenen Unternehmen, Dienst­
leistern, Beratern und Kulturen – vorprogrammiert.
Die intelligente Nutzung von Social Media im Projektmanage­
ment trägt dazu bei, Kommunikationsprozesse im Projekt zu
unterstützen und zu intensivieren. Tragfähige und verbindliche
Zusammenarbeit erfordert heute jedoch immer noch einen ho­
hen Anteil an persönlicher Projektkommunikation im Dialog.
Man kann nicht „überkommunizieren“. Diese Projektweisheit
hat an Wert nicht verloren und gewinnt in Projekten mit einer
Vielfalt an Kulturen, Erfahrungshintergründen und Herkünf­
ten ihrer Projektmitarbeiter umso mehr an Bedeutung.
Benimm Dich!
Corporate Project Behaviour als Visitenkarte des Projektes.
Jede Person im Projekt repräsentiert das Projekt nach außen –
sei es positiv oder negativ. Eine positive Wahrnehmung entsteht
durch eine Projektkultur, deren Werte den Zielen des Projektes
entsprechen. Diese Werte werden im Team zum Beispiel über
die Definition von Spielregeln entwickelt. Das Projektverhal­
ten muss schlüssig und stimmig sein, damit es seine Glaub­
würdigkeit nicht verliert. In der Praxis oft eine Gratwande­
rung: Wie ehrlich meint es der Vorstand als Auftraggeber eines
globalen Kostenoptimierungsprojektes, wenn es für sein über
100-köpfiges Projektteam zu Projektbeginn ein ­
­
zweitägiges
Teambildungsevent mit Outdoorelementen sponsert, fragt
sich manch Außenstehender. Was mag man von einem Projekt
zur Steigerung der Serviceorientierung halten, bei dem Mails
in nicht selten barschem Umgangston und einer Reaktionszeit
von Tagen in der Kommunikation zwischen den Projektmitglie­
dern die Regel sind? Corporate Project Behaviour als klassische
Projektführungsaufgabe stellt eine der großen Herausforderung
im Projekt dar. Als Teil des Systems „Projekt“ neigt auch der
erfahrenste Projektmanager zu einem gewissen Grad zur Be­
triebsblindheit und erkennt projektkulturelle Abweichungen
nicht mehr auf Anhieb. Sich dessen bewusst zu sein, immer
wieder ganz bewusst das Thema Projektkultur und -verhalten
an den vereinbarten Werten zu spiegeln, sollte regelmäßig auf
der Agenda stehen. Das beste Korrektiv sind jedoch Vertraute,
die die Außenwirkung in den „inner circle“ des Projektes tragen.
Und so dazu beitragen, dass Fremd- und Selbstbild des Projektes
immer wieder kritisch hinterfragt wird.
Erst wenn alle Elemente der Corporate Project Identity wirklich
ineinander greifen, entsteht eine schlüssige und tragfähige Ein­
heit. Eine, die die Individualität der Projektmitarbeiter und ihre
Erfahrungen geschickt einsetzt. Eine, die dem Projekt im besten
Fall Einzigartigkeit verleiht.
Claudia Skrobol arbeitet seit 2007 als Senior Consultant im Bereich Trans­
formation Management mit den Schwerpunkten Business Transformation,
­Change Management und Programm- und Projektmanagement. Sie verfügt
über langjährige Erfahrung als Führungskraft und Projektleiterin für Reorga­
nisations-, Post Merger Integration- und Kulturentwicklungs-Projekte im Tele­
kommunikationssektor. In der Beratung verbindet sie ihre Praxis-Expertise mit
dem Ansatz der systemischen Beratung.
Claudia.Skrobol@detecon.com
49
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
Dr. Nico Albrecht, Dr. Susanne Sonntag
Vielfalt hat
Zukunft
Kooperationen von IT-Dienstleistern
erfolgreich steuern
Die kooperative Erstellung von IT-Dienst­
leistungen erlaubt eine Optimierung der
IT-­
Kosten unter Berücksichtigung der
Gegenläufigkeit von Economies of S
­
­cale
und Koordinationskosten. Sie stellt die
­Beteiligten jedoch vor große ­organisatorische
Herausforderungen. Wir beleuchten die
­
­Möglichkeiten für Kunden, diese Risiken zu
minimieren.
50
Detecon Management Report • 2 / 2011
Vielfalt hat Zukunft
T-Dienstleistungen nehmen einen bedeutenden Anteil des
IUmsatzes
ein, der mit Dienstleistungen allgemein erwirtschaftet
wird. In jüngerer Zeit erfreut sich der Fremdbezug solcher ITServices steigender Beliebtheit, etwa durch IT-Outsourcing oder
als zusätzliche Leistungen, die durch andere Organisationen
bereitgestellt werden. Aus Sicht eines Kunden, der IT-Dienst­
leistungen nachfragt, ist ein unkoordiniertes Sourcing von Ser­
vices von spezialisierten Anbietern wenig sinnvoll, da vielfach
Interdependenzen zwischen einzelnen Services vorhanden sind.
Zudem ist eine Modularisierung von IT-Dienstleistungen nicht
ohne Weiteres durchführbar. Aus Kundensicht sind demnach
ganzheitliche Lösungen gefragt.
Diese lassen sich entweder durch Leistungsbezug von einem
einzelnen Anbieter oder aber durch ein koordiniertes Sourcing
durch unterschiedliche Dienstleister umsetzen. Erstgenannte
Variante birgt für den Kunden das Risiko, teilweise suboptimale
oder vergleichsweise teure Leistungen zu erhalten, da eine je­
weils kostenoptimale Lösung zu gewünschten Servicequalitäten
nicht unbedingt von einem Einzelanbieter gewährleistet werden
kann. Ein Multi-Provider Management andererseits, ob geführt
durch einen Generalunternehmer oder direkt durch den Kun­
den, birgt das Risiko von Leistungs- und Kommunikationsfrik­
tionen zwischen den Anbietern.
Technische und organisationale Standardisierungsoptionen
ermöglichen Kostenvorteile
Grundsätzlich kann ein Fremdbezug von IT-Dienstleistungen
aus der Perspektive des Kunden nur dann sinnvoll sein, wenn
sich hierdurch Kostenvorteile erzielen lassen. Diese Vorteile
beruhen in der Regel darauf, dass mit der externen Leistungs­
erstellung Größeneffekte und Standardisierungspotenziale des
Dienstleisters im Vergleich mit einer Eigenfertigung des Kun­
den verbunden sind.
Mit Blick auf ihre Standardisierbarkeit und damit auf Vor­
handensein und Höhe von Kostensenkungsmöglichkeiten ist
zwischen technischen und organisationalen Standardisierungs­
potenzialen zu unterscheiden. Technische Standardisierungs­
optionen sind wesentlich mit Art und Beschaffenheit der zu
erbringenden Leistung verbunden; organisatorische Standardi­
sierungsmöglichkeiten hängen jedoch stark von den Kunden­
anforderungen und den Freiheitsgraden des Providers ab. So
verspricht aus Sicht eines Providers der Betrieb eines großen
Rechenzentrums, in dem Systeme von unterschiedlichen Kun­
den gehostet werden, große Economies of Scale. Stark organi­
sationsspezifische Anforderungen jedes einzelnen Kunden, bei­
spielsweise in Form unterschiedlicher Service Level Agreements,
vermindern jedoch die Realisierung dieser Optimierungspoten­
ziale.
Mit Blick auf ihre technischen Standardisierungspotenziale un­
terscheidet man Infrastrukturdienstleistungen, Softwaredienst­
leistungen und Wissensdienstleistungen. Infrastrukturdienst­
leistungen sind operative Services, die tendenziell einfach zu
standardisieren sind. Hierzu zählen etwa das Management von
LAN/WAN/VoIP/Mobile Netzwerken, von Druckleistungen
oder von Housing-Systemen.
Zu Softwaredienstleistungen zählen Application Management
beziehungsweise Application Operation von Backendsystemen,
Middlewarekomponenten und Clientapplikationen. Diese
Leistungen sind in der Regel kundenspezifischer und erfordern
häufig ein höheres Maß an fachlichem und organisationsindivi­
duellem Wissen.
Für Wissensdienstleistungen lassen sich die geringsten Stan­
dardisierungspotenziale identifizieren, da diese häufig als in­
dividuelle Projekte umgesetzt werden. Deshalb sind zwar
­standardisierte Vorgehensweisen in Form von Projektmanage­
51
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
mentmethoden wie Prince2 oder PMI empfehlenswert, die
Methoden müssen jedoch auf die individuellen Rahmenbedin­
gungen und Kundeninteressen angepasst werden. Als Beispiele
für typische Wissensdienstleistungen seien Beratungs-, Quali­
tätssicherungs- oder Due Diligence-Projekte genannt.
Für einzelne IT-Service Provider ist es schwierig, die gesamte
Palette an Dienstleistungen flexibel, kosteneffizient und damit
zu vertretbaren Preisen anzubieten. Aus Anbietersicht verspricht
daher eine Spezialisierung auf einzelne Leistungen die größt­
mögliche Realisierung von Optimierungspotenzialen. Dies
kann beispielsweise daraus resultieren, dass die Organisationen,
die sich auf Nischenprodukte oder -systeme konzentrieren, ein
hohes Maß an spezifischem Wissen generieren. Ebenso sind
­neben Dienstleistern, die sich in fachlicher Hinsicht spezialisiert
haben, Anbieter gefragt, die ein hohes Maß an Erfahrung in be­
stimmten Branchen oder einzelnen Organisationen aufweisen.
Für das Management und den Betrieb von organisationsfremd
erstellten IT-Dienstleistungen empfiehlt sich demnach ein Team
von Fach- und Organisationsspezialisten, deren Leistungserstel­
lung aus ganzheitlicher Sicht koordiniert wird.
Bestimmung der optimalen Anzahl an Providern
Dabei ist zu beachten, dass mit einer großen Anzahl an Pro­
vidern der Koordinationsaufwand in der Regel exponentiell
steigt. Je besser sich jedoch unterschiedliche Anbieter auf jeweils
eine Aufgabe oder eine Branche spezialisiert haben, desto ge­
ringer sind die Projekteinzelkosten dieser Anbieter im Vergleich
zu einem Generalisten. Unter der Prämisse, dass mit einer stei­
genden Anzahl an Providern der Spezialisierungsgrad propor­
tional steigt, ergeben sich also gegenläufige Kostenkurven der
Koordination und der Projekteinzelkosten. Aus der Summe der
einzelnen Verläufe lässt sich ein Minimum der Gesamtkosten
ermitteln, bei dem aus finanzieller Sicht die optimale Anzahl
der Provider vorliegt.
Eine vollumfängliche und detailreiche Planung umfassender
IT-Projekte ist jedoch durch die zahlreichen Leistungs- und
Wirkungsbeziehungen aus Komplexitätsgründen schwierig.
Vielfach werden deshalb im Sinne eines hierarchischen Pla­
nungsansatzes eher große Projektentwürfe erarbeitet und die
Detaillierung durch Teilprojektverantwortliche ausgearbeitet.
Abbildung 1: Auswirkung der Provideranzahl auf Projekteinzel- und Koordinationskosten
€
Gesamtkosten
Koordinationskosten
Projekteinzelkosten
Anzahl Provider
Spezialisierungsgrad
Optimale Anzahl Provider und
optimaler Spezialisierungdgrad
Quelle: Detecon
52
Detecon Management Report • 2 / 2011
Vielfalt hat Zukunft
Daher ist ein flexibles Zusammenspiel unterschiedlicher Spezia­
listen im Rahmen eines hinreichend genau umrissenen Zielkor­
ridors erforderlich. Kooperationen erscheinen hierfür als guter
Kompromiss aus Flexibilität und ganzheitlicher Lösungskom­
petenz.
Durch die häufig mittelfristige Orientierung von IT-Projekten
beziehungsweise Outsourcingverträgen ermöglicht eine weder
zu lockere noch zu feste Bindung an Leistungserbringer kurz­
fristige Anpassungen in der Besetzung der Beteiligten. Initial
ist zunächst der grundsätzliche organisatorische Aufbau im Zu­
sammenspiel mit den Eigenschaften der einzelnen Partner zu
planen und später bei Bedarf zu überprüfen. Folgende Fragen
sollten bei der Ermittlung der relevanten Eigenschaften der Be­
teiligten berücksichtigt werden:
• Welche Services können von welchem Partner kostenoptimal
bereitgestellt werden?
• Welches Machtverhältnis besteht zwischen den einzelnen
Partnern?
• Der Einbezug welcher Anbieter ist unverzichtbar – etwa auf
grund von Kompetenzen, die kein anderer Dienstleister zu
vertretbaren Konditionen anbietet?
• Gab es in der Vergangenheit Kooperationen zwischen diesen
Anbietern?
Auf der Basis dieser Überlegungen sind durch ein Programm­
management die Verantwortlichkeiten für den Aufbau und die
Gestaltung der Kooperationsbeziehungen klar zu definieren.
Dieses Gremium besteht optimalerweise aus Kundenvertre­
tern und unabhängigen Spezialisten für das Management von
­Kooperationen. Es verantwortet die Benennung der konkreten
Aufgabengebiete sowie der dafür zu beauftragenden Dienst­
leister. Insbesondere ist auf dieser Ebene sicherzustellen, dass
sämtliche angeforderten Aufgabengebiete abgedeckt sind und
keine Fehl- oder Doppelleistungen entstehen.
Programmanagement übernimmt Gestaltungsaufgabe
Gestaltungsalternativen des Programmmanagements bestehen
zunächst in der eigenverantwortlichen Steuerung des Zusam­
menspiels sämtlicher Dienstleister durch den Kunden (MultiProvider-Management) oder in der Beauftragung eines Gene­
ralunternehmers, der weitere Subkontraktoren steuert. Das
Programmmanagement sollte sich jedoch auch bei der Wahl
eines Generalunternehmers ein Mitspracherecht bezüglich der
Beauftragung von Subunternehmen vorbehalten, um eine über­
greifende Sichtweise auf die gegebenen Herausforderungen zu
gewährleisten.
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Verantwortungen detail­
lierter zu definieren. In einem Fall möchte der Kunde bei Wis­
sensdienstleistungen die Verantwortung für alle Dienstleister
selber übernehmen, während er Infrastrukturdienstleistungen
an einen Generalunternehmer outsourct. In einem anderen Fall
entscheidet sich der Kunde dafür, das Providermanagement wäh­
rend der Architekturplanung selbst zu verantworten, der Betrieb
soll jedoch unter Verantwortung einer einzelnen Organisation
im Sinne eines Single Point of Contact für den Kunden stehen.
Darüber hinaus können Mischformen definiert werden, indem
der Kunde beispielsweise fachliche Details des Solution Designs
mit jedem einzelnen Lieferanten direkt erarbeiten möchte, ob­
wohl aus kommerzieller Sicht eine Generalunternehmerschaft
vereinbart wurde. Das Ergebnis dieser Überlegung besteht in
der fachlich und zeitlich abgestimmten Zuordnung von Aufga­
ben zu Providern.
Zur weiteren Detaillierung empfiehlt sich die Erarbeitung einer
RACI-Matrix, in der auf einer generischen Ebene für planende
und operative Prozesse festgehalten wird, welche Organisation
für die fachliche Ausführung (Responsible) und welche für die
Kostenträgerschaft (Accountable) verantwortlich ist und wel­
che Organisationen konsultiert (Consulted) beziehungsweise
informiert (Informed) werden soll. Insbesondere die Quellen
des fachlichen und organisationalen Wissens sind hierdurch für
jeden Beteiligten klar erkenntlich.
Kooperationsbeziehungen lassen sich in Lebenszyklusphasen
betrachten
Im Gegensatz zum Programmmanagement, dessen Zusammen­
setzung über eine längere Laufzeit konstant sein sollte, kann es
sinnvoll sein, die Beauftragung der für die detaillierte Planung
beziehungsweise den Betrieb der IT-Services verantwortlichen
Organisationen zeitlich zu befristen. Aus diesem Grund sollten
53
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
die Aufgaben im Sinne eines Lebenszyklus verstanden werden,
dessen Phasen jeweils unterschiedliche Vorgehensweisen bedingen. Für Kooperationsbeziehungen sind die Lebenszyklusphasen Initiierung, Betrieb, Reorganisation und Auflösung zu
betrachten.
ment gefragt, das weitere Vorgehen beziehungsweise die künftige Zusammensetzung und Aufgabenverteilung der Provider
aus Gesamtsicht zu definieren. Diese sind wiederum mit der
detaillierten Ausgestaltung der Vorgaben betreut.
Ist absehbar, dass die Ziele der Kooperation erreicht werden,
auch in einer anderen Zusammensetzung nicht mehr erreichbar sind oder sollten sonstige Gründe für eine Auflösung der
Beziehungen sprechen, ist die Auflösungsphase einzuleiten. Dabei sind durch das Programmmanagement, je nach künftigen
Aufgabenstellungen, Prozesse und Vertrags- beziehungsweise
Betriebsdokumente für Externe verständlich aufzubereiten und
die kommerzielle Entflechtung durchzuführen.
Während der Initiierungsphase stehen zunächst Aspekte der Erarbeitung einer auf die Vorgaben des Programmmanagements
aufbauenden Organisations- und Prozessgestaltung im Vordergrund. Daraus ist eine detaillierte Festlegung von Verantwortlichkeiten und Kommunikationsaspekten abzuleiten.
Die Betriebsphase konzentriert sich auf die Durchführung der
vorher festgelegten Aufgaben und auf deren Controlling sowie auf die stetige Durchführung von Prozessoptimierungen.
Hierbei ist laufend zu prüfen, ob entweder gravierende Abweichungen von der ursprünglichen Planung oder das Eintreten
zentraler, bei der Planung bereits berücksichtigter Aspekte eine
Neuplanung oder einen Wechsel im organisationalen Verantwortlichkeitsgefüge erfordern.
Ganzheitliche Betrachtung der kooperativen
Leistungserstellung schafft Transparenz
Für eine möglichst ganzheitliche Betrachtung der kooperativen Leistungserstellung sind zudem – ähnlich einer Balanced
Scorecard – in jeder Phase die finanzielle und die hierarchisch-­
organisationale Ebene sowie die Daten- und Leistungsebene zu
berücksichtigen. Für jede Ebene sind Messkriterien für die dafür
jeweils vereinbarten Aspekte festzulegen.
Analog zur Initiierungsphase ist in diesen Fällen im Rahmen
einer Reorganisationsphase zunächst das Programmmanage­
Abbildung 2: Gestaltungsrahmen des Programm- und Projektmanagements
Generalunternehmer
Gestaltungsrahmen des
Projektmanagements
Auflösung
Reorganisation
Betrieb
Initiierung
n
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Detecon Management Report • 2 / 2011
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54
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Quelle: Detecon
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Gestaltungsrahmen des
Programmmanagements
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Mischformen/
Sonstige
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Multi-ProviderManagement
Vielfalt hat Zukunft
Auf finanzieller Ebene sind monetäre Leistungsbeziehungen zu
bestimmen und Prozesse des Commercial Managements festzu­
legen. Organisationale Aspekte beziehen sich hingegen auf die
detailliertere Festlegung von Weisungsbefugnissen und Verant­
wortlichkeiten, die sich aus der übergreifend definierten RACIMatrix ableiten. Die Datenebene befasst sich mit der Vereinba­
rung von Datenflüssen, die die Qualität der Leistungserbringung
dokumentieren. Darunter fallen etwa SLAs, OLAs oder Repor­
ting-KPIs. Die inhaltliche Definition der Leistungserbringung
und der Leistungsverpflichtungen, etwa Beistellungsleistungen
des Kunden, wird auf der Leistungsebene vereinbart.
Die ganzheitliche Betrachtung sämtlicher Ebenen ermöglicht
eine größere Transparenz der Aufbau- und Ablauforganisation
für die beteiligten Stakeholder. Aus den Beziehungen zwischen
diesen Ebenen und der Interobjektkommunikation lassen sich
Grundlagen für die Übernahme oder Neuerstellung von fremd­
bezogenen Dienstleistungen sowie für deren Betrieb entwickeln.
Aus den genannten Aspekten lässt sich die folgende Vorgehens­
weise ableiten: Zunächst ist durch das Programmmanagement
festzulegen, in welcher Phase welche organisationale Konfigura­
tion mit welchen Providern gewählt wird. In der Abbildung 2
ist dies beispielhaft dargestellt. So wird etwa in der Initiierungs­
phase ein Multi-Provider-Management und in der Betriebs­
phase eine Generalunternehmerschaft als sinnvoll erachtet. Das
Projektmanagement der Provider konkretisiert im Anschluss
­daran für jede Aufgabe die Vorgaben des Programmmanage­
ments für die einzelnen Ebenen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die kooperative
Erstellung von IT-Dienstleistungen eine Optimierung der ITKosten unter Berücksichtigung der Gegenläufigkeit von Eco­
nomies of Scale und Koordinationskosten erlaubt. Sie stellt
die Beteiligten jedoch vor große organisatorische Herausforde­
rungen. Es wurden unterschiedliche Aspekte der Organisation
des Fremdbezugs von IT-Services vorgestellt und diskutiert. Die
gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Komplexität solcher Pro­
jekte steuerbar zu machen und damit das Heben der Kosten­
senkungspotenziale zu ermöglichen.
Dr. Nico Albrecht studierte Betriebswirtschaft und promovierte anschließend
an der Universität Münster. Seit Oktober 2010 arbeitet er für Detecon in Trans­
formationsprojekten.
Nico.Albrecht@detecon.com
Dr. Susanne Sonntag ist seit August 2007 für Detecon tätig. Ihre Beratungs­
schwerpunkte liegen im IT-Interimsmanagement und Coaching im Bereich
Anforderungsmanagement, ICT Controlling und Program Management.
Susanne.Sonntag@detecon.com
55
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
Dr. Andreas Schieder, Dr. Arne Chrestin, Burin Itsarachai
Viele Wege
führen nach Rom
Die Migration zur nächsten Generation der Mobilfunknetze
Als das Rom der Mobilfunkwelt stellt sich derzeit für viele Mobilfunk­
netzbetreiber die sogenannte 4. Generation (4G) der Mobilfunknetze dar.
Mit den Leistungsversprechen dieser neuen Generation lassen sich Kunden
anlocken. Ein Ausweg für den stetig steigenden Hunger nach Übertragungskapazität wird damit ebenfalls in Aussicht gestellt. Kein Wunder also, dass
viele Betreiber sich beeilen, den Weg in Richtung 4G zu beschreiten.
56
Detecon Management Report • 2 / 2011
Viele Wege führen nach Rom
egibt man sich auf eine Reise, so muss man sich über zwei
B
Dinge im Klaren sein. Die erste Frage gilt dem Ziel der R
­ eise.
Rom ist groß und man verliert sich leicht, wenn man keine
genauere Zielvorstellung hat. Überträgt man dies in den tech­
nischen Kontext der Mobilfunknetze, so heißt das, die am b­ esten
geeignete 4G-Technologie zu identifizieren. Die zweite Frage
betrifft den zu wählenden Weg, der für verschiedene R
­ eisende
unterschiedlich sein kann. Während einige der Bequemlichkeit
oder Sicherheit den Vorzug geben, kommt es für andere nur
auf die Schnelligkeit an. Auch für Netzbetreiber gibt es keinen
einheitlichen Reiseplan. Abhängig von ihrem Startpunkt und
verschiedenen, vom Marktumfeld abhängigen Faktoren sind
unterschiedliche Wege möglich, die mehr oder weniger direkt
in Rom enden.
Wenn wir das Ziel „Rom“ nun als das nonplusultra an Lebens­
qualität betrachten, so behauptet natürlich jeder gerne von sich,
dort bereits angekommen zu sein. Ähnlich verhalten sich im
Moment einige Mobilnetzbetreiber bezüglich 4G und es gibt
teilweise hitzige Diskussionen, ob es sich tatsächlich um Rom
oder doch eher um einen nicht ganz so glamourösen Vorort
handelt. Seit 2008 vermarktet der Netzbetreiber Sprint N
­ extel
beispielsweise sein drahtloses Breitband-Datenangebot in den
USA unter dem Slogan „das erste und einzige drahtlose 4G
eines nationalen Betreibers“. Im letzten Jahr zog Sprint ­Nextels
Konkurrent Verizon nach und kündigte für den Dezember „das
größte und fortschrittlichste 4G-Netz der Welt“ an. Der Netz­
betreiber T-Mobile wirbt in den USA seit kurzem ebenfalls mit
4G und betreibt nach eigener Aussage bereits jetzt „Amerikas
größtes 4G-Netz“. Das interessante ist, dass sich bei den drei
Netzbetreibern jeweils andere Technologien im Einsatz fin­
den. Die von T-Mobile eingesetzte Technologie etwa wird von
vielen als der 3G-Welt zugehörig angesehen. Der vierte der
großen Mobilnetzbetreiber in Amerika, AT&T, beeilte sich zu
versichern, dass sie eine zu T-Mobile identische Technologie
einsetzen, auch wenn sie sie nicht – fälschlicherweise – als 4G
deklarieren. Andere wiesen darauf hin, dass nach dem Verständ­
nis der International Telecommunication Union ITU, einem
international anerkannten Gremium, auch Sprint Nextel und
Verizon Wireless die Bezeichnung 4G nicht zu Recht verwen­
den. Das verwirrende Spiel mit dem Begriff 4G ist also zu einem
wichtigen Instrument der Marketing-Abteilungen geworden.
Zwar bezieht sich unser Beispiel auf den nordamerikanischen
Markt, die drei von den genannten Netzbetreibern eingesetz­
tenTechnologien werden aber gemeinhin als Kandidaten für die
nächste Mobilfunkgeneration angesehen.
WiMAX steht für „Worldwide Interoperability for
Microwave Access“. Long Term Evolution (LTE) ist die
­Bezeichnung für die als Nach­folger der 3G UMTS Tech­
nologie entwickelte Zugangstechnik. Beide S­ysteme,
LTE und WiMAX, weisen große Ähnlichkeiten auf,
­unterscheiden sich aber deutlich von UMTS. High Speed
Packet Access (HSPA) ist aus UMTS hervorgegangen und
kann mit diesem parallel im gleichen Frequenzbereich
eingesetzt werden. Es wird von der 3GPP kontinuierlich
weiterentwickelt und erreicht in der als HSPA+ bekannten
Ausbaustufe ähnliche Leistungswerte wie die gegen­
wärtigen Varianten von WiMAX und LTE.
Was sind echte 4G-Mobilfunknetze?
Um festzustellen, ob sich ein Ziel schon in Rom befindet,
müssen wir uns auf die Stadtgrenzen einigen. Bezüglich der
Beurteilung, ob eine Technologie tatsächlich den Anspruch er­
füllt, einen echten Generationswechsel darzustellen, entspricht
dies den für die Generation anzulegenden Kriterien. Welcher
Maßstab dabei sinnvoll ist, wurde bereits in einem früheren
Artikel diskutiert*. Eine ganze Reihe von Netzbetreibern und
Technologieher­stellern hat sich bereits vor einigen Jahren in
der „Next Generation Mobile Networks Alliance“ zusammen­
getan, um sich gemeinsam Gedanken über die Anforderungen
an die M
­ obilfunknetze der Zukunft zu machen – etwa für die
­effiziente Unterstützung von Anwendungen wie Online-Spie­
len, Videos oder Multimedia Kommunikation. Die ITU, die
bereits den Maßstab für die dritte Mobilfunkgeneration lieferte,
definierte einen detaillierten Katalog von Kriterien, die eine 4GTechnologie erfüllen müsse. Diese Vorgaben werden weder von
der aktuellen WiMAX-Variante erfüllt noch von LTE. In diesem
Sinne haben die Kritiker recht, die behaupten, dass bisher kein
Netzbetreiber echtes 4G anbiete. Die von der ITU definierten
Kriterien können erst die Nachfolgeversionen Wireless MAN
Advanced sowie LTE Advanced einhalten, deren Standardisie­
rung derzeit noch abgeschlossen wird. Allerdings wird die Errei­
chung der von der ITU geforderten Datenraten bis zu ein Gbps
auf absehbare Zeit höchstens in Feldversuchen möglich sein, da
kein Netzbetreiber über ein hinreichend großes Frequenzspek­
trum verfügt. Letztlich ist die nächste Generation dadurch cha­
rakterisiert, dass sie für die möglichst effiziente Übermittlung
von Daten optimiert ist und eine Vielzahl datenbasierter Dien­
ste und Anwendungen unterstützt, die vorwiegend von den
immer zahlreicheren Smartphones, Tablet PCs, Laptops und
* Siehe DMR 4/2007, Mobile Breitbandnetzte – was kommt da noch?,
Dr. H.-P. Petry/Dr. W. Knospe.
57
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
Netbooks mit Mobilfunkzugang unterstützt werden. Tatsäch­
lich entsprechen also alle drei genannten Technologien diesem
Verständnis der nächsten Mobilfunkgeneration, 4G.
Long Term Evolution gehört die Zukunft
Da nun die Stadtgrenzen von Rom hinreichend festgelegt sind,
können sich die Reisenden Gedanken zu ihrem Zielort innerhalb
der Stadt machen. Mittlerweile hat sich LTE als das b­ evorzugte
Ziel für die Mehrheit der Mobilnetzbetreiber ­etabliert. Dies
war aber durchaus nicht immer so eindeutig absehbar. Als das
erste kommerzielle LTE Netz Ende 2009 an den Start ging,
war ­WiMAX bereits seit einigen Jahren verfügbar. Zu Beginn
­seiner Standardisierung durch die IEEE wurde es als Bedrohung
für die Telekommunikations- (TK) ­
Industrie angesehen, da
ein eher mit der IT-Industrie verbundenes Standardisierungs­
gremium in den Gefilden der TK-Industrie zu wildern begann.
Die Entwicklung eines breitbandigen Systems für die Übertra­
gung von Daten war bis zu dem Zeitpunkt von der TK Industrie
und ­ihrem Standardisierungsgremium 3GPP nicht mit voller
Kraft vorangetrieben worden. So begann die Standardisierung
von LTE als direkte Antwort auf WiMAX. Wodurch gelang es
nun LTE trotz des späteren Starts seine inzwischen weitgehend
anerkannte Dominanz zu erreichen?
Der Wettkampf um die Positionierung als 4G-Technologie der
Wahl ist nur vordergründig von einzelnen Kenngrößen wie ma­
ximalen Datenraten beeinflusst. Viel wichtiger für Netzbetreiber
ist der Rückhalt der Technologie in der Industrie und das jewei­
lige Gesamt-Systemkonzept, das heißt der Umfang der archi­
tektonischen Ausarbeitung des Standards. Hier unterscheiden
sich die beiden Technologien in maßgeblicher Weise. Parallel zu
LTE wurde eine vollständige Netzarchitektur inklusive Mobili­
tätsmanagement, Authentifizierungs-, Autorisierungs- und Ab­
rechnungsverfahren sowie Dienstgütesteuerung spezifiziert. Der
ursprüngliche von der IEEE veröffentlichte WiMAX-Standard
war auf die Spezifikation der Luftschnittstelle beschränkt und
beinhaltete diese Funktionen nicht. Sie wurden erst in späteren
Versionen nachgereicht oder von verbundenen Initiativen wie
dem WiMAX-Forum zugeliefert. Auch wurde WiMAX ohne
Vorkehrungen für die Kooperationen mit bereits existierenden
Funkstandards und Systemen spezifiziert, wie sie bei LTE vorge­
sehen sind. Da so eine schrittweise Migration möglich wird und
Investitionen lokal begrenzt vorgenommen werden können, ist
LTE zur ersten Wahl für die Betreiber existierender GSM- und
UMTS-, aber auch von cdma Netzen geworden. Damit ist Wi­
MAX mittlerweile nur noch eine Alternative für Netzbetreiber,
die eine komplett neue Netzinfrastruktur quasi auf der grünen
Wiese ausrollen wollen. Für einen solchen kompletten Netzauf­
58
Detecon Management Report • 2 / 2011
bau muss sich natürlich auch ein positives Geschäftsmodell er­
geben. Dies funktioniert aber in der Regel nur lokal begrenzt, so
dass großflächige WiMAX-Netze aller Voraussicht nach selten
bleiben werden. Allgemein wird WiMAX nur noch eine Rolle
als räumlich begrenzter Ersatz für leitungsgebundene Anbin­
dungen an das Internet zugesprochen, mit begrenzter Mobilität
innerhalb des Abdeckungsbereiches.
In der bisherigen Betrachtung haben wir die dritte der ange­
sprochenen Technologien, HSPA+, noch nicht weiter betrach­
tet. HSPA+ ist eine direkte Weiterentwicklung von UMTS und
bietet daher auch ein vollständiges Systemkonzept. Es fehlen
allerdings einige Möglichkeiten der Integration mit anderen
Zugangstechnologien, die LTE bietet, so dass HSPA+ nur von
Betreibern der GSM / GPRS / UMTS Technologiefamilie der
3GPP eingesetzt wird. Für diese Betreiber kann HSPA+ noch
für längere Zeit eine gangbare Zwischenlösung darstellen. Da
HSPA+ im selben Frequenzspektrum wie die 3G-Technologien
eingesetzt wird, ist das für Datenübertragung verfügbare Spek­
trum allerdings limitiert. Für LTE dagegen werden derzeit in
vielen Ländern neue und teilweise großzügig dimensionierte
Spektralbereiche verfügbar gemacht, wie etwa das ehemals für
analoges terrestrisches Fernsehen genutzte Spektrum („Digitale
Dividende“). Schließlich werden die Vorteile durch die konzep­
tionelle Neugestaltung von LTE überwiegen, so dass langfristig
auch für diese Betreiber kein Weg an LTE vorbeiführt.
Die Wahl des Weges
Nachdem das Ziel des Weges also für die Netzbetreiber weit­
gehend feststeht, bleibt die Frage nach dem Weg dorthin zu
klären. Einen Überblick der möglichen Wege stellt Abbildung
1 dar. Wir unterscheiden hierbei vier Startpunkte für unseren
Weg nach Rom:
1. Netzbetreiber ohne existierende Infrastruktur, die ein reines
Datennetz anbieten wollen, werden den kürzesten Weg nach
Rom wählen und LTE- oder WiMAX-Netze aufbauen. Für
diesen eher seltenen Startpunkt sprechen wir WiMAX noch
immer Chancen zu, aber aufgrund des erwarteten stärkere
Marktwachstums von LTE wird auch für diese Netzbetreiber
LTE durch Skalenvorteile immer attraktiver werden. Einige
existierende WiMAX-Netzbetreiber denken inzwischen über
­
einen mittelfristigen Übergang zu LTE nach.
Ist zusätzlich Sprachunterstützung und eine umfangreiches
Portfolio von Endgeräten erforderlich, so kommt derzeit als
­erster Schritt auf unserem Weg am ehesten eine UMTS/HSPA+
Kombination in Frage.
Viele Wege führen nach Rom
4. Ähnlich sieht es für Netzbetreiber mit einem bereits existie­
renden UMTS-Netz aus. Für sie ist allerdings der Zwischen­
schritt über HSPA+ oft einfacher zu bewerkstelligen, da ledig­
lich eine Umrüstung existierender Netzelemente erforderlich
ist. Die Entscheidung für oder gegen die direkte Einführung
von LTE unter Auslassung des HSPA+ Zwischenschritts oder
wann der Übergang erfolgt wird innerhalb eines Netzes regional
unterschiedlich ausfallen.
4G-Netzbetreiber bieten ihren Kunden bisher nur ­Modem-artige
Geräte, die zum Beispiel angeschlossenen ­Laptops eine Inter­
netverbindung ermöglichen. Die heute ­populären Smartphones
wie iPhone, Blackberry oder die verschiedenen Android-Model­
le unterstützen keines der angesprochenen 4G-Verfahren. Eben­
so sieht es bisher bei den sich schnell verbreitenden Tablet PCs
aus. Seit kurzem hat Sprint Nextel ein Android Smartphone mit
WiMAX-Unterstützung im Programm und es gibt eine kleine
Zahl von LTE-fähigen Mobiltelefonen der oberen Preiskate­
gorie. Um das Interesse seiner Kunden befriedigen zu können,
muss das Spektrum der Endgeräte auch für Netzbetreiber ein
ausschlaggebender Indikator sowohl für die Wahl des Weges als
auch für den geeigneten Zeitpunkt der Einführung von 4GTechnologie sein. Zwar wird sich das 4G-Produktspektrum lau­
fend erweitern, die Modell-Auswahl wird aber an die bei 3G
bei weitem nicht heranreichen und für längere Zeit vorwiegend
den High-End Markt bedienen. Dies kann gegen die Über­
springung von 3G in weniger entwickelten Märkten sprechen.
Umgekehrt können sich große Netzbetreiber, die mit den End­
geräteherstellern exklusive M
­ odelle vereinbaren, dadurch einen
Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Damit die Kunden des Netzbetreibers die Reise nach Rom mit­
machen, ist die Verfügbarkeit von attraktiven Endgeräten ent­
scheidend, die zu dem gewählten Weg passen. Während es eine
unübersehbare Vielfalt von 3G und HSPA fähigen Endgeräten
in allen Preislagen und mit verschiedenster Ausstattung gibt, ist
die Auswahl bei HSPA+, LTE und WiMAX bisher gering. Viele
Die Zeitdauer bis zur Zielerreichung ist aber nicht nur von der
Endgeräte-Verfügbarkeit bestimmt. Die Netzbetreiber werden
4G zunächst in geografisch eng begrenzten Gebieten einführen,
während weite Bereiche weiterhin über 2G- oder 3G-Netze ver­
sorgt werden. Wie schnell die Ausbreitung erfolgt, hängt neben
dem jeweiligen Marktpotenzial für mobile Breitbanddienste
2. Existiert bereits ein Netz, das nicht zur 3GPP-Familie gehört
und sollen an Abdeckungsgrenzen Übergänge zwischen dem 4G
und dem existierenden Zugangsnetz ermöglicht werden, so wird
dies am ehesten durch LTE ermöglicht.
3. Für einen bisher reinen GSM/GPRS Anbieter besteht die
Möglichkeit, 3G zu überspringen und direkt LTE für mobile
Datendienste einzuführen oder den Zwischenschritt über 3G
und HSPA+ zu wählen. Der Zwischenschritt bringt die Kosten
einer weiteren Technologieeinführung mit sich, hat aber den
Vorteil der Verfügbarkeit eines umfangreichen Portfolios von
Endgeräten zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Abbildung 1: Welche Wege führen zum Ziel?
Ausgangsnetz
Zwischenstufe
Endzustand
UMTS/HSPA
HSPA+
GSM/GPRS
Nicht 3GPP
(z.B. CDMA)
Kein Netz
LTE
UMTS (Sprache)/HSPA+
WiMAX
4G Migration
Quelle: Detecon
59
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
auch von regulatorischen Anforderungen, Frequenzverfügbarkeit oder der Wettbewerbssituation ab. Dies bedeutet, dass viele
Betreiber Netze verschiedener Generationen für die absehbare
Zukunft parallel betreiben werden und hierfür eine möglichst
wirtschaftliche Lösung finden müssen.
Reiseplanung
Auf einer Reise treten immer wieder unvorhergesehene oder
unterschätzte Herausforderungen auf. Umso wichtiger ist es
daher, vorhersehbare Herausforderungen frühzeitig durch angemessene Planung zu berücksichtigen. Bei der Einführung der
4G-Technologie entspricht die Wegplanung der Migrationsstrategie des Netzbetreibers. Diese muss alle Ebenen der Netzarchitektur berücksichtigen, von den Endgeräten der Kunden
über das Radio-Zugangsnetz bis zur Anwendungsebene (siehe
Abbildung 2). Die aufkommenden Fragestellungen betreffen
beispielsweise die Erweiterung der Transportkapazität, Überleitung von Diensten und Anwendungen oder Konsolidierung der
Teilnehmerdaten und Netzelemente. Im Folgenden nennen wir
einige besonders kritische Aspekte, zu denen sich Netzbetreiber
im Vorfeld einer 4G-Migration Gedanken machen sollten.
Die Tatsache, dass mit LTE ein durchgehend IP-basiertes Konzept mit flacher Netzhierarchie Einzug in Mobilfunknetze hält,
hat neben der erwünschten Effizienzsteigerung weitere wesentliche Auswirkungen. Netzbetreiber müssen sich völlig neue Gedanken über die Sicherheitsanforderungen an ihr Netz machen.
Sie befinden sich nun in einer Situation, die sie anfällig für die
gleichen Attacken macht, die bereits seit langem im Internet
immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Der Einsatz von Firewalls, Verschlüsselung, Authentifizierung und die strikte Trennung von Nutzer-, Kontroll- und Managementverkehr muss
über das ganze Netz hinweg sorgfältig geplant werden. Dabei
werden Angriffe nicht unbedingt nur von Endgeräten aus geführt. Die Vielzahl der LTE-Basisstationen kann der Netzbetreiber kaum vollständig physikalisch sichern. Ein Angreifer
könnte sich Zugang zu einer unzureichend gesicherten Basis-
Internet;
Zusatzdienste
Internet: Integrierte
IP-Datenplattform
Leistungsgebunden
und paketotientiert
Rein paketotientiert
TDM, ATM
IP
2G/3G
2G/3G/4G
Endgerät
Radio
Transport
Steuerung
Anwendung
Abbildung 2: Wegplanung: Migrationsstrategie eines Netzbetreibers
Quelle: Detecon
60
Detecon Management Report • 2 / 2011
Viele Wege führen nach Rom
station verschaffen und von dort aus versuchen, ins Netz einzu­
dringen. Eine Beschränkung und Absicherung des Netzzugriffs
über die Basisstation ist daher unabdingbar. Ebenfalls mit der
Einführung des IP basierten Konzepts verknüpft ist das Thema
IPv6. Die Vergabe der letzten verfügbaren IPv4 Adressblöcke
Anfang Februar 2011 erhielt weite Aufmerksamkeit. In einem
LTE-Netz benötigt jedes erreichbare Endgerät mindestens eine
IP-Adresse – auch wenn es momentan nicht selbst kommuni­
ziert. Zwar gibt es Zwischenlösungen, auf mittlere Sicht wird
aber der Übergang zu IPv6 unvermeidbar sein. Eine weitere
Herausforderung für Betreiber mobiler Breitbandnetze besteht
in der Gefahr, zum reinen Datentransporteur herabgestuft zu
werden, der lediglich den Zugang zu höherwertigen Diensten
über das Internet herstellt. Als mögliches Gegenmittel bietet
sich eine „Policy and Charging Control“ (PCC) Lösung an.
Damit können Netzbetreiber Anwendungen und Nutzern nach
detaillierten Anforderungen unterschiedliche Transportgüten
zugestehen und darüber unterschiedliche Nutzerverhalten dif­
ferenzierter berücksichtigen.
Ein weiterer zu klärender Aspekt ist die Abwicklung von Sprach­
telefonie nach der Einführung von 4G. Für HSPA+ sind durch
den Zusammenhang mit 3G keine besonderen Maßnahmen er­
forderlich. Sowohl LTE als auch WiMAX arbeiten aber rein pa­
ketorientiert. Sprache wurde von Anfang an als einer von vielen
IP Diensten betrachtet, dessen spezielle Anforderungen ledig­
lich über die Steuerung der zur Verfügung gestellten Dienstgüte
berücksichtigt werden. Die WiMAX-Standardisierung befasst
sich darüber hinaus nicht mit Sprache. Für LTE ist in der Stan­
dardisierung die Realisierung des Sprachdienstes basierend auf
Voice over IP (VoIP) und gesteuert vom „IP Multimedia Subsy­
stem“ (IMS) vorgesehen. Obwohl das IMS-Konzept bereits vor
etwa zehn Jahren entwickelt wurde, hat es sich bisher in Mobil­
funknetzen nicht durchsetzen können und eine Sprachlösung
für LTE über IMS ist kommerziell noch nicht verfügbar. Als
Übergangslösung ist der Rückfall auf den Sprachdienst eines 2G
oder 3G Netzes vorgesehen (Circuit Switched Fall Back; CSFB).
Dies geht natürlich nur, wenn dem Betreiber ein solches Netz
zur Verfügung steht. Für CSFB sind sowohl Änderungen an
Netzelementen des 2G- oder 3G-Netzes notwendig, als auch
ein dafür vorbereitetes Endgerät. In ersten Analysen zeigte sich,
dass der Gesprächsaufbau erheblich länger dauert als in 2Goder 3G-Netzen. Erschwerend kommt hinzu, dass datenbasierte
Sprachzusatzdienste, beispielsweise Präsenzinformationen oder
Bildaustausch, in Verbindung mit CSFB nicht möglich sind.
Solange LTE als reiner Datendienst vermarktet wird, mag die
fehlende Sprachunterstützung verschmerzbar sein. Netzbetrei­
ber müssen sich jedoch darüber klar sein, dass sie nach wie vor
den größten Teil ihrer Umsätze über Sprachtelefonie generie­
ren und dass die Verfügbarkeit von LTE die Abwanderung von
Sprachverkehr zu Internet basierten VoIP-Anbietern begünstigt.
Eine rein abwartende Haltung ist daher nicht angebracht.
Beste Reiseroute nach Rom mit individueller Ausgestaltung:
LTE
Die Diskussion um die technologische Vorherrschaft im Um­
feld der 4. Generation der Mobilfunknetze hat in letzter Zeit
eine gewisse Klarheit gewonnen. Das Rom der Mobilfunknetze,
das heißt das anvisierte Entwicklungsziel ist für die meisten eta­
blierten Netzbetreiber LTE. Die Verbreitung von WiMAX wird
zwar ebenfalls zunehmen, es wird aber mittelfristig durch LTE
überholt werden und eher ein Nischendasein führen. HSPA+
wird in vielen Fällen noch für längere Zeit eine gangbare Zwi­
schenlösung darstellen, die eine allzu rasche Ausbreitung von
LTE begrenzen wird, insbesondere so lange LTE nur von we­
nigen populären Endgeräten unterstützt wird. Der beste Weg
zur Einführung von LTE muss von den Netzbetreibern jeweils
individuell identifiziert werden. Längerfristig führt kein Weg an
LTE vorbei, um das steigende Datenvolumen in Mobilfunk­
netzen effizient bewältigen zu können.
Dr. Andreas Schieder ist Managing Consultant im Bereich Mobilfunkarchitek­
tur und Dienste innerhalb der Competence Practice Communication Techno­
logy. Er ist seit mehr als 15 Jahren in der Weiterentwicklung moderner Kom­
munikationsnetze zur Verbesserung der Effizienz und Nutzerfreundlichkeit
involviert. Bevor er 2008 als Technologieberater zur Detecon kam, war er in der
Entwicklung, Standardisierung und Forschung tätig. Sein Schwerpunkt als Be­
rater liegt in der Architekturentwicklung für Next Generation Mobile Networks
und der Entwicklung von Migrationsstrategien für Mobilfunknetze.
Andreas.Schieder@detecon.com
Dr. Arne Chrestin ist Managing Consultant für Mobilfunkarchitektur und
Dienste. Seine Beratungsschwerpunkte sind Technologiestrategien für Mobil­
netzbetreiber sowie Architekturentwicklung und Implementierung von Next
Generation Mobile Networks. Seine Beratungserfahrung umfasst Mobilnetzbe­
treiber in Europa, dem Mittleren Osten, Afrika und Asien in unterschiedlichen
Marktsituationen. Bevor er 2003 zu Detecon kam, war er für einen Hersteller
von Telekommunikationsinfrastruktur im Bereich Architekturplanung und
-entwicklung tätig.
Arne.Chrestin@detecon.com
Burin Itsarachai ist Corenetzwerkexperte für Mobile Packet Core. Er ist im Be­
reich Corenetzplanung der Deutsche Telekom Netzproduktion GbmH tätig.
Seine Schwerpunkte sind Designs- und Planungsaufgaben im Bereich Evolved
Packet Core (EPC) und Einführung neuer Technologien im Umfeld von Next
Generation Mobile Networks. Ausserdem kümmert er sich um die strategische
Ausrichtung der Corenetzelemente und Ausbaustrategie für das Packet Switched
Corenetz. Früher war er als Senior Consultant im Bereich Mobilfunkarchitektur
und Dienste bei Detecon Asia Pacific tätig.
61
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
Yasmin Narielvala, Christoph Caspritz
Die Kraft der kleinen Teile
Technologische Fragmentierung als Treiber eines
vielschichtigen und innovativen Marktes
Entgegen Aristoteles Postulat „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ gibt
es Szenarien, in denen einzelne Teile von Unternehmen oder ­Märkten in fragmentierter Form einen größeren Wert darstellen als das Ganze. Dies ist in der Welt der
technologischen Innovationen der Fall, wo die Fragmentierung eine Vielfalt fördert,
die Innovationen vorantreibt und dadurch homogene und ins Stocken geratene M
­ ärkte
wiederbelebt und am Ende tatsächlich mehr Wert generiert als zuvor.
62
Detecon Management Report • 2 / 2011
Die Kraft der kleinen Teile
F
ragmentierung bezieht sich auf eine spezielle Markt­
umgebung. Ein fragmentierter Markt entwickelt sich, wenn
sich aus einem zuvor homogenen Markt ein neues Segment mit
unabhängigen und einzigartigen Bedürfnissen, Anforderungen
und Präferenzen herausbildet. In der Regel wird dies durch eine
neue Nachfragepräferenzen oder durch eine Änderung des An­
gebots gesteuert. Ein neues Fragment könnte sich zum Beispiel
aufgrund der Entwicklung neuer Technologien oder Dienste
oder durch geänderte Kundenpräferenzen herausbilden. Frag­
mente sind wie Puzzle-Teile, keines gleicht dem anderen, jedes
für sich ist einzigartig. Jedes Fragment hat seinen eigenen, auf
sich zugeschnittenen Platz und unverwechselbare Präferenzen.
Vielfalt ist das natürliche Resultat – und gleichzeitig ebenfalls
ein Treiber – eines fragmentierten Marktes. Die Vielfalt der
unterschiedlichen Nutzer, die in jedem neuen Fragment eines
Marktes entstehen, erzeugen Möglichkeiten zur Entwicklung
neuer Geschäftsmodelle und neuer innovativer Technologien.
Ein fragmentierter Markt, der vielschichtige Bedürfnisse schafft,
wirkt den sogenannten Economies of Scale entgegen und kann
für etablierte und traditionelle Anbieter durchaus Nachteile
haben. Doch auch wenn der Preis der Fragmentierung für die
bestehenden Marktteilnehmer hoch sein mag, kann die damit
verbundene Vielfalt letztendlich einzigartige Vorteile für Inno­
vationen bieten. Es schafft ein Umfeld, in dem ganze Lösungen
überdacht und neu erfunden werden können und das den Tech­
nologen und Entwicklern ein völlig freies Experimentierfeld
und das Ausprobieren neuer Methoden – frei von bestehenden
Zwängen – ermöglicht. Wie der Open Source-Autor Ryan Paul
anmerkt, „bringt Vielfalt den Endnutzern Wahlfreiheit und er­
möglicht es ihnen, Lösungen zu finden, die optimaler auf ihre
Bedürfnisse und Anforderungen zugeschnitten sind“.
Forschungsergebnisse aus Biologie und Soziologie
Das Konzept der Fragmentierung und die damit verbundenen
Auswirkungen sind im Bereich der Biologie und Soziologie ein
viel diskutiertes Thema. In diesen beiden Fachbereichen ist man
zu der Feststellung gelangt, dass sich Fragmentierung größten­
teils negativ auswirkt.
In der Biologie hat die Fragmentierung des Ökosystems eine
negative Auswirkung auf die Vielfalt und Fortdauer der Popula­
tion, und zwar unmittelbar wie auch langfristig.1 Das heißt, die
Fragmentierung des Lebensraums verursacht Bedingungen wie
Isolation, die die Vielfalt der Arten mindert und im Endeffekt
die Gesamtheit der Arten reduziert.
Aus soziologischer Sicht definiert sich eine fragmentierte
­Gesellschaft durch die Vielfalt von Kultur, Nationalität, ­Rasse,
­Sprache, Beruf, Religion und Einkommen, aber auch von feh­
lenden oder unterwickelten Verbindungen zwischen Gesell­
schaft und den Mitgliedern der verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppierungen. Es wird argumentiert, dass eine hohe soziale
Fragmentierung aufgrund unzureichender Entwicklungspolitik
und mangelnder Versorgung mit öffentlichen Gütern negative
Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum haben kann.2
Ein Grund dafür ist, dass in heterogenen Gesellschaften die Ge­
fahr des Wettbewerbs innerhalb der Interessengruppen in Bezug
auf die Versorgung mit öffentlichen Gütern zu nachteiligen öf­
fentlichen Entscheidungen führt.3
In beiden Bereichen kann die Fragmentierung und die damit
einhergehende Vielfalt verheerende Auswirkungen haben. Inte­
ressant in diesem Zusammenhang ist, dass die Vielfalt im Tier­
reich wie auch in der menschlichen Population durch Fragmen­
tierung unterdrückt wird. Und im Gegenzug führt ein Mangel
an Vielfalt zu ungünstigeren Ergebnissen. Die Starken über­
leben, aber ihre Macht ist begrenzt und reduziert.
Übertrag auf die Marktsituation
Im Folgenden beleuchten wir diese Argumentation im Hinblick
auf die Wirtschaftstheorie. Im Bereich der Wirtschaftswissen­
schaften könnte Fragmentierung ebenfalls als Komponente
betrachtet werden, die sich nachteilig auf etablierte Marktteil­
nehmer auswirkt. Da Fragmentierung allerdings auch gesät­
tigte Märkte aufbrechen kann, hat sie umgekehrt gleichzeitig
einen positiven Effekt. In einem gesättigten Markt tritt häufig
ein dominantes Unternehmen auf, das Produkte und Dienst­
leistungen anbietet, die für eine große Käufergruppe zufrie­
1 Soulé, (1986); Noss und Copperrider, (1994); Tilman et al., (1994)
2 Easterly und Levine (1997)
3 Okediji (2011)
63
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
denstellend sind. Und damit dies so bleibt, wird sich dieses
dominante Unternehmen nicht entscheidend ändern. E
­ inflüsse
wie kumulatives Lernen und „scale-intensive“ Produktions­
methoden generieren Profitabilität, führen aber ebenfalls zu
­einer ­Marktkonzentration.4 Eine solche Konstellation macht es
neuen Marktteilnehmern häufig unmöglich, in einen direkten
Wettbewerb mit den etablierten Marktteilnehmern zu treten.
Neue Teilnehmer verfügen weder über die Bekanntheit und
Reputation noch über die Ressourcen, um es direkt mit dem
etablierten Marktführer in seinem angestammten Gebiet auf­
zunehmen.
Im Fall eines neu fragmentierten Marktes erfolgt der Marktein­
tritt etablierter Firmen typischerweise zögerlich, weil sie manch­
mal das Potenzial einer neuen Chance nicht erkennen und beim
Eindringen in ein neues Fragment häufig das Risiko der Kan­
nibalisierung fürchten. Der Spielraum, den dieses neue Frag­
ment daher ermöglicht, bietet Unternehmen die Chance, neue
Technologien, Produkte oder Dienstleistungen in einer Weise
anzubieten, die von den starken Teilnehmer höchstwahrschein­
lich zum großen Teil unbehelligt bleibt. Laut Definition über­
schneiden sich die Präferenzen der Kunden in diesem neuen
Fragment nicht mit den Präferenzen des bestehenden Marktes.
Diese nachfrage- und marktgesteuerte Fragmentierung ermög­
licht neuen Wettbewerb und lässt Unternehmen den Spielraum,
zu wachsen und mehr Kunden für dieses neue Fragment zu ge­
winnen.
Beispiel „Facebook-Gegenbewegung“als neues Marktfragment
Der dominante soziale Netzwerk-Player Facebook hat den Aus­
tausch eines Übermaßes an persönlichen Informationen mit
Scharen von Freunden zur Norm gemacht.5 Durch seinen of­
fenen Plattform-Ansatz hat sich Facebook in Windeseile an die
Spitze der Sozialhierarchie katapultiert und sämtliche Wettbe­
werber hinweggefegt. Zahlreiche soziale „Me-too“-Plattformen
sind bei ihrem fehlgeschlagenen Versuch, Facebooks massen­
haften Social Connector-Ansatz zu kopieren, auf der Stre­
cke geblieben – oder erinnern Sie sich noch an Orkut? Doch
in den vergangenen Monaten haben Nutzer, die ein soziales,
aber mehr persönliches Erlebnis haben wollten, so etwas wie
eine Facebook-Gegenbewegung initiiert. Eine kleine Zahl von
Nutzern hat auf Facebook Zweitkonten eingerichtet, die bis zu
einem gewissen Grad anonymisiert und „kontrollierbar“ sind,
das heißt nur einer kleinen Anzahl an „Freunden“ zugänglich
4 Malerba, Nelson, Orsenigo and Winter (2007)
5 Cain Miller (2010)
6 Dunbar (1992)
64
Detecon Management Report • 2 / 2011
sind. Andere Nutzer hingegen haben die Plattform vollständig
verlassen und kritisieren den mangelhaften Durchblick in Bezug
auf den echten Social Graph.
Die Entwicklung eines neuen Marktfragments – die „Ich-willsozialen-Kontakt-aber-nur-mit-echten Freunden-Bewegung“ –
wird ganz eindeutig von einer Vielfalt von Personen und sozialen
Verhaltensmustern gesteuert. Und die Einführung dieses Frag­
ments führt zwangsläufig zu einer Vielfalt von Chancen für Ent­
wickler wie zum Beispiel den ehemaligen Facebook-Mitarbeiter
Dave Morin, der aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, um
sein eigenes Unternehmen namens Path zu gründen. Die Inten­
tion von Path ist, den Nutzern den Aufbau eines engen sozialen
Netzwerks mit Personen zu ermöglichen, mit denen sie ebenfalls
in der realen Welt befreundet sind. In den Sozialwissenschaften
geht man davon aus, dass die maximale Anzahl an Personen, mit
denen man stabile Beziehungen aufrechterhalten kann, bei zirka
150 liegt.6 Ausgehend davon, wie viele Leute man zu einer Ge­
burtstagsparty einladen würde – laut Dave Morin 40 bis 60 –,
hat Path beschlossen, diese Zahl auf 50 zu begrenzen. Der von
Path verfolgte Ansatz ermöglicht es Nutzern, sich mit wenigen
statt mit vielen Personen sozial zu vernetzen und zu kommuni­
zieren und dabei gleichzeitig den Vorteil einer größeren Kon­
trolle über ihre Kommunikation zu haben.
Die anfänglichen Adoptionsraten haben bereits gezeigt, dass
Path dank des von ihm unterstützten neuen vielschichtigen
Marktfragments über das Potenzial verfügt, sich im Wettbewerb
des sozialen Netzwerkmarktes zu behaupten. Es besteht durch­
aus die Chance, dass das Unternehmen lange genug überlebt,
um Wachstum und Profitabilität zu generieren, was ihm jedoch
im direkten Wettbewerb mit Facebook, LinkedIn, Foursquare
und anderen sozialen Netzwerken eher nicht gelingen würde.
Somit kann ein fragmentierter Markt als Inkubator für neue
Ideen, Produkte und Services dienen. Während sich dies in
gewisser Weise negativ auf den etablierten Marktteilnehmer
auswirkt, ist die Auswirkung für den gesamten Markt positiv.
Neue Technologien haben die Möglichkeit, sich in kleinen
Fragmenten, in denen sie vor dem direkten Wettbewerb mit
dominanten Playern geschützt sind, herauszubilden und zu
verbreiten. Natürlich ist der Erfolg nicht garantiert und nicht
jede Idee setzt sich durch, bevor Ressourcen und Gelder versiegt
sind. Doch ohne markt- oder technologiegesteuerte Fragmen­
tierung wäre die Chance wesentlich geringer.
Die Kraft der kleinen Teile
Fragmentierung muss jedoch nicht ausschließlich ­marktgesteuert
sein. Eine angebotsorientierte oder technologiegesteuerte Frag­
mentierung tritt ein, wenn eine neue revolutionäre Technologie
auf den Markt kommt. Dies kann auch dann eintreten, wenn
die neue Technologie nicht so leistungsstark wie die existierende
Technologie ist. Solange die neuen Fähigkeiten oder Eigenschaf­
ten die Technologie eigenständig machen, hat sie die Chance,
erfolgreich zu sein.
Smartphone-Markt als Beispiel für fragmentierte
Technologien
Ein gutes Beispiel für eine technologische Fragmentierung ist
der Smartphone-Markt. Bis 2007 haben etablierte Mobiltele­
fonhersteller wie Nokia, Motorola, RIM oder Palm den Markt
mit Smartphones beliefert. Als Apple im zweiten Quartal 2007
sein iPhone einführte und damit neue Standards für Nutzung
und mobilen Internetzugang setzte, war das die Geburtsstunde
eines neuen Marktfragments. Interessanterweise fehlten dem
iPhone bestimmte Mainstream-Funktionen wie 3G-Support,
aber dafür konnte es bahnbrechende Technologien wie Touch­
screens und Vertriebsmethoden wie den AppStore aufweisen.
Erst 2008 mit der Einführung des iPhone 3G wurde der 3GSupport nachgebessert. Das hielt die Kunden jedoch nicht
davon ab, innerhalb des dritten und vierten Quartals 2007
mehr als eine Million iPhones zu erwerben. Das iPhone war
eine disruptive Technologie, die ein neues technologiegesteu­
ertes Fragment entstehen ließ. Dieses Fragment löste auf dem
Smartphone-Markt in Windeseile einen Mitläufereffekt aus, der
dazu führte, dass Leute sich in Richtung iPhone orientierten
Abbildung: Smartphone-Lieferungen aufgeschlüsselt nach Betriebssystemen (2009 bis 2015)
Mio.
1.200
1.200
= Android
1.100
1.100
= BlackBerry
= iOS
1.000
= Symbian
900
900
= Windows Phone
800
= Andere
700
660
600
500
450
400
295
300
200
170
100
0
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Jahr
Quelle: Berg Insight 2011
65
Detecon Management Report • 2 / 2011
Technology
und Apple auf diesem Markt eine Führungsrolle ermöglichten.
­Etablierte Mobiltelefonanbieter wie Nokia taten sich schwer
mit einer angemessenen Antwort. Sie sträubten sich, ihre be­
stehende Technologie aufzugeben und erkannten nicht schnell
genug die Stärke des Fragments, das Apple entwickelt hatte.
Im Fall von Nokia dauerte es bis 2011, bis das Unternehmen
das Eingehen einer Partnerschaft mit Microsoft zur Nutzung
­deren Windows 7 Phone OS verkündete und damit eine Allianz
schmiedete, die von Analysten und Experten nicht unbedingt
als erfolgversprechend eingestuft wird.
Abgesehen von der anfänglichen Spaltung der existierenden
Teilnehmer war das neue Fragment auch für andere attraktiv,
darin zu investierten. 2008 brachte Google Android OS auf
den Markt, das in Zusammenarbeit mit anderen BranchenOEMs und Mobilfunkbetreibern entwickelt worden war. Der
Entwicklungsansatz des Android-Betriebssystems unterscheidet
sich erheblich von Apples iOS-Lösung – das Design zeichnet
sich durch Vielfältigkeit und durch die Vielfalt der unterschied­
lichen Geräte und Anwendungen aus, die von der Plattform
unterstützt werden. Ein derart „offener“ Ansatz führte anfäng­
lich zu Eintrittsbarrieren und einer größeren Marktkomplexität.
Das Android-Umfeld mit seinen vielfältigen und fragmentierten
Angeboten für unterschiedliche Handsets, unterschiedlichen
Software-Versionen und unterschiedlichen Marktplätzen für
Anwendungen war für viele Kunden und Entwickler zu Beginn
sicherlich verwirrend. Doch wie die Ergebnisse zeigen, vollzog
sich im Laufe der Zeit ein bemerkenswerter Wandel. Der Um­
satz der mit dem Android-OS ausgestatteten Geräte ist stän­
dig gestiegen und steigt in der Tat schneller als der des Apple
iPhones. Die Zahl der auf dem Android-Markt angebotenen
Anwendungen steigt ebenfalls rasant und der Android-Markt­
platz verzeichnet für die 100 Top-Anwendungen die geringsten
Preisnachlässe.7 Der „offene Ansatz“ zur Adressierung eines frag­
mentierten und vielfältigen Marktplatzes dient als Inkubator für
weiteres Wachstum.
Die offene Plattform bietet Integrationspotenzial
Die Entwicklung der Märkte von sogenannten „Walled
­Gardens“ zu offenen Plattformen zur Handhabung der Kom­
plexität unterschiedlicher und vielfältiger Kundenbedürfnisse
ist kein N
­ ovum auf dem Mobilfunkmarkt. Und der Mobil­
funkmarkt ist gewiss nicht der letzte innerhalb der Technologie­
7 Distimo (2011)
66
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branche, bei dem sich diese Entwicklung vollziehen wird. Auch
auf dem TV-Markt vollzieht sich zurzeit ein bahnbrechender
Wandel hin zu einem offeneren Ansatz. Das Phänomen der
offenen Plattform ist deshalb so erfolgreich, weil es fragmen­
tübergreifend auf die Bedürfnisse einer großen Anzahl an Nut­
zern mit vielen unterschiedlichen Präferenzen eingeht. Und dies
erfolgt für die Teilnehmer, die das als Strategie nutzen, auf eine
sehr intelligente Art und Weise.
Android, Facebook und Salesforce sind dafür klassische Bei­
spiele. All diese Unternehmen operieren in sich schnell wan­
delnden Branchen, in denen sich permanent neue Fragmente
herausbilden, die Chancen für Start-ups und alternative Teil­
nehmer erzeugen und es damit ermöglichen, dass diese mit
wettbewerbsfähigen Lösungen in den Markt eindringen, den
Angriff auf etablierte Teilnehmer starten und an Stärke gewin­
nen. Um diese Fragmentierung und die diversen Bedürfnisse
der unterschiedlichen Verbraucher sowie das vielfältige Potenzial
der Technologielösungen handhaben zu können, positionieren
sich diese Teilnehmer als offene Plattformen. Sie unterstützen
die Vielfalt und sind bestrebt, den unterschiedlichen Typen von
Nutzern, Anwendungen und Geräten gerecht zu werden. Nicht
nur Mobiltelefone und Tablets sind mit dem Android-OS aus­
gerüstet, sondern jetzt auch Kameras und Skibrillen (manche
Leute wollen einfach wissen, wo ihre Freunde gerade Ski fahren;
es handelt sich in der Tat um einen sehr vielfältigen Markt!). Im
Gegensatz zur herkömmlichen Methode, aufkommende Frag­
mente und Technologien abzuwehren oder zu ignorieren, ver­
suchen diese Player, innovative Lösungen, die unterschiedliche
Marktfragmente unterstützen, durch Integration in ihre eigenen
Plattformen zu festigen. Sie nutzen einen Plattform-Ansatz, um
Innovationen voranzutreiben, „steuern“ den Innovationsfluss
aber gleichzeitig über eine Wertschöpfungskette, um Teil des
Ganzen zu bleiben.
Mögliche Entwicklungen eines fragmentierten Marktes
Die künftige Entwicklung eines fragmentierten Marktes kann
in unterschiedliche Richtungen führen und hängt davon ab,
welche Auswirkung die neue Technologie oder der neue Ser­
vice auf den bestehenden Markt hat. Im Fall der disruptiven
Technologie wird die neue Technologie die alte ersetzen und je­
der Lieferant, der den Übergang nicht schafft, wird in kürzester
Zeit vom Markt gefegt werden. Aus dem Fragment entsteht
Die Kraft der kleinen Teile
ein neuer Markt, allerdings nur solange, bis die nächste Frag­
mentierung eintritt. Diesen Konsolidierungs- und Fragmentie­
rungszyklus kann man in vielen Branchen immer wieder beo­
bachten – insbesondere in der Hightech-Branche, die durch die
rasche Entwicklung neuer Produkte und Technologien ständig
in ­Bewegung ist.
Bei einem alternativen nicht-disruptiven Szenario könnte das
Fragment als eigenständiges Segment oder Nische koexistieren.
Derartige Lösungen tendieren dazu, Mainstream-Dienste zu
kopieren und sie für Nischenmärkte maßzuschneiden, wobei
speziell auf die Bedürfnisse oder Anforderungen einer Minder­
heitengruppe abgestellt wird. Obgleich viele Start-ups und neue
Marktteilnehmersicht gezielt auf diesen Bereich konzentrieren,
ist der Innovationsgrad insgesamt im Allgemeinen wesentlich
niedriger als im vorstehenden Fall.
Adner, Ron, (2002) Strat. Mgmt. J., 23: 667–688, When are Technologies
­disruptive? A demand-based view of the Emergence of Competition
Cain Miller, Claire (2010) New York Times, Start-Up Plans a More Personal Social
Network 15.11.2010
Distimo Report (2011), Full Year 2010
Dunbar, R.I.M. (1992). „Neocortex size as a constraint on group size in primates“.
Journal of Human Evolution 22 (6): 469–493
Easterly, William and Ross Levine, (1997) Quarterly Journal of Economics 12(4):
1203-50. „Africa’s Growth Tragedy: Policies and Ethnic Divisions,“
Noss, R.F. and Copperrider, A.Y. (1994) Saving Nature’s Legacy. Washington, DC:
Island Press
Malbera, Franco; Nelson, Richard; Orsenigo, Luigi; Winter, Sidney (2007) J Evol
Econ 17:371–399; Demand, innovation, and the dynamics of market structure: The
role of experimental users and diverse preferences
Okediji, Tade O., (2011).“Social fragmentation and economic growth: evidence
from developing countries,“ Journal of Institutional Economics, Cambridge University Press, vol. 7(01), pages 77-104, March.
Soulé, M.E., ed. (1986) Conservation Biology: The Science of Scarcity and ­Diversity.
Sunderland, MA: Sinauer Associates
Tilman, D., May, R.M., Lehman, C.L. and Nowak, M.A. (1994): Habitat
­destruction and the extinction debt. Nature, 371: 65–66.
Blühende Landschaften in Aussicht
Während fragmentierte Ökosysteme die Vielfalt im Tierreich
unterdrücken, führt Fragmentierung in der Hightech-Branche
zu einer Vielfalt, die Vorteile und Chancen mit sich bringt. Für
etablierte Marktteilnehmer können sich zwar negative Auswir­
kungen ergeben – das gilt insbesondere im Zusammenhang mit
der Entstehung von disruptiven Technologien –, aber der Markt
insgesamt kann von einer solchen Entwicklung rasch profitie­
ren. Für innovative Technologien und Dienste bestehen ausrei­
chende Entfaltungsmöglichkeiten, die Wachstum ermöglichen
und den Markt neu beleben. Aber auch für Incumbents gibt es
Mittel und Wege, die sicherstellen, dass „der Stärkere überlebt“.
Ein offener Plattform-Ansatz ermöglicht starken Anbietern
beides: Dominanz aufgrund der Größenordnung (Economies
of Scale) und Integration der aus der Vielfalt resultierenden
Innovation. Sie können blühende Landschaften entwickeln, in
denen unterschiedlichste Bedürfnisse Hand in Hand mit einem
Massenmarkt-Ansatz gehen. Und auf diese Weise können sie die
Kraft der kleinen Teile zur Entwicklung eines sehr wertvollen
Ganzen nutzen.
Yasmin Narielvala ist als Director bei Detecon, Inc. tätig und verantwortlich für
die Bewertung führender strategischer Technologien für Telco-Unternehmen,
Scouting und Bewertung neuer Technologien, Services und Produkte und un­
terstützt die Entwicklung von Technologie-, Geschäfts- und Produktstrategien.
Sie hat einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und einen Bache­
lor-Abschluss in Ingenieurwissenschaften.
Yasmin.Narielvala@detecon.com
Christoph Caspritz arbeitet als Consultant im Bereich Strategic Technologies
bei Detecon. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit sind New Media und
IPTV-Projekte sowie Innovationsmanagement.
Christoph.Caspritz@detecon.com
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Detecon Management Report • 2 / 2011
Detecon publiziert !
Detecon publiziert !
Cultural Agility
Accessing the Dynamics of Crowd Computing
Das vorliegende Detecon Opinion Paper diskutiert die technischen und kulturellen Aspekte einer
unternehmensweiten Einführung von Enterprise 2.0.
eBooks
Die (R)evolution des Buchmarktes!?
Basierend auf den Erfahrungen bei der Entwicklung, Launch und Betrieb eines Internet eBook
Shops stellt dieses Opinion Paper wesentliche Entwicklungen auf dem Buchmarkt dar und zeigt
auf, wie Unternehmen das Konzept der „Networked Reading Experience“ nutzen können, um
sich erfolgreich auf diesem lukrativen (e)Buchmarkt zu positionieren.
The Last Train for the Telco Operator Community
Telcos Get Together NOW!
Interoperabilität wird ein kritischer Erfolgsfaktor für die nächste Generation von Telekommuni­
kationsdienstleistungen bleiben und sollte wieder in den Fokus der Telekommunikationsunter­
nehmen rücken. Das vorliegende Papier stellt die erforderlichen Schritte für Telcos dar, um an
den Erfolg der Vergangenheit anzuknüpfen.
IT-Organisation 2015 – Fit für die Zukunft.
Facelift oder Modellwechsel?
Detecon skizziert in diesem Executive Briefing die wesentlichen Strukturelemente für die zukünf­
tige IT-Organisation in Form eines ‚Blueprints IT-Organisation 2015‘.
Über weitere wichtige Themen aus dem ICT-Umfeld können Sie sich in unseren
aktuellen Veröffentlichungen informieren. Alle Detecon-Publi­
­
kationen finden Sie
­unter www.detecon.com und www.detecon-dmr.com
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Detecon Management Report • 2 / 2011
www.detecon-dmr.com
DMR
Das Magazin für Management und Technologie
ESSAY:
Menschen
sind Mosaike
Detecon Management Report - 2 / 2011
Detecon Management Report - 2 / 2011
Kulturelle Vielfalt als Chance
Sascha Hellmann
High Involvement garantiert
Erfolgreiche Kundenansprache im Auto via Internet
Ein Kessel Buntes
Aktives Diversity Management entscheidet den War for Talents
Viele Wege führen nach Rom
Die Migration zur nächsten Generation der Mobilfunknetze
Detecon
Management
Report
2 / 2011