nutzpflanzenvielfalt in gefahr

Transcription

nutzpflanzenvielfalt in gefahr
NUTZPFLANZENVIELFALT IN GEFAHR
WORUM ES GEHT UND WAS WIR TUN KÖNNEN
Gestreifte Aubergine
en
“
m
Rö
er
sa
la
Über Jahrtausende haben Menschen aus essbaren Wildpflanzen durch Auslese eine
Kulturpflanzen-Vielfalt geschaffen, angepasst an ihre Bedürfnisse, regionales Klima und Bodenverhältnisse. Weltweit wurden so circa 30.000 verschiedene
Pflanzenarten mit vielfältigen regionalen Sorten gezüchtet. Dieses reiche
Erbe ist in großer Gefahr: Seit 1900 sind weltweit schätzungsweise 75 Prozent aller Kulturpflanzensorten ausgestorben; in Europa sogar mehr als
90 Prozent! Im Zeitalter der industriellen Landwirtschaft sind es heute nur
noch 30 Pflanzenarten, die 95 Prozent des Welternährungsbedarfs decken. Von diesen werden nur wenige Sorten aus der Schatztruhe der Vielfalt angebaut. Welch eine Dramatik in Zahlen!
r
oh
t „Teufels
GRÜNDE FÜR DEN RÜCKGANG DER ARTEN- UND SORTENVIELFALT
Gründe für den Rückgang der Arten- und Sortenvielfalt
Industrielle Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen
Verdrängung regionaler Sorten durch moderne Sorten, die auf Einheitlichkeit und hohen Ertrag hin gezüchtet wurden (Hybridsorten)
Etagenzwiebel
(Allium cepa)
Saatgutverkehrs- und Sortenschutzgesetze in Deutschland sowie entsprechende Richtlinien
der EU erschweren den Handel und den Tausch von alten Hausgartensorten
Konzentration von Saatgut in Händen weniger großer Konzern. In Folge Rückgang der Zahl
selbstständiger mittelständischer Zuchtbetriebe in Deutschland und vielen anderen Ländern
Zulassung und Patentierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fördert Monopolstellung von Großkonzernen, die im Paket Saatgut, Dünger und Pestizide an die von ihnen
abhängigen Bauern verkaufen – mit jeder Zulassung von GVO wird sich dies noch zuspitzen!
Tomate „Roter Heinz“
Samenfeste Landsorten, die von
Bauern über Jahrhunderte selektiert
wurden und unseren Großeltern
noch vor 50 Jahren bekannt waren,
sind fast völlig aus den Gärten und
von den Feldern verschwunden. Der
Handel mit diesem nicht (mehr) auf
der EU – Sortenliste registriertem
Saatgut ist verboten. Immer mehr
samenfeste Sorten werden im EUSaatgutregister gestrichen. Ziel
Spargelerbse
BUND
FREUNDE DER ERDE
Spitzkohl
„Filderkraut
aus Stuttgarter
Region
Grünkohl
„Ostfriesische Palme“
des Vereins zur Erhaltung der
Nutzpflanzenvielfalt (VEN) ist
es, den Sortenschwund von Kulturpflanzen zu stoppen. Deshalb
erhalten die Mitglieder des VEN
alte Sorten für Vereinszwecke.
Das breite Sortenspektrum der
vernachlässigten Sorten ist nicht
nur geschmacklich reichhaltig,
sondern aufgrund der vielfältigen genetischen Eigenschaften
möglicherweise widerstandsfähiger gegen künftige
Krankheiten oder ist trockenheits- und hitzetolerant.
Glücklicherweise tauchen noch ab und zu alte Landsorten auf, die privater Erhaltung über Generationen
entstammen. Doch wie lange noch? Es ist ein Wettlauf
mit der Zeit: denn auch in den am meisten entlegenen
Regionen Europas ist mittlerweile abgepacktes Einheits- und Hybridsaatgut erhältlich und verdrängt so
bäuerliche und gärtnerische Traditionen. Und dieser
Verlust von Vielfalt findet weltweit statt.
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 1 - Nutzpflanzenvielfalt in Gefahr Fotos: VEN (3), Sibylle Maurer-Wohlatz (4) Klaus Lang (2); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND
und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Hafer
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
„Schwarzer Schwede“
WILDTOMATEN UND ERSTE KULTURFORMEN
BIODIVERSITÄT VON NUTZPFLANZEN AM BEISPIEL VON TOMATEN
Gelbe Peruanische
il
W
Die Tomate gehört zur Familie der Nachtschattengewächse
(Solanaceen) und stammt ursprünglich aus der Andenregion
von Peru bis Ekuador. Ihre wilden Stammformen sind noch
heute in Südamerika verbreitet. Die Wildarten tragen teilweise besondere Resistenzen gegen die Pilzkrankheiten der
Kulturtomaten in sich, sind ganz besonders aromatisch und
an die Klimata unterschiedlicher, teilweise extremer Standorte angepasst. So können z.B. einige der murmelgroßen
Wildtomaten leichte Minusgrade überstehen.
Wildtomaten sind daher ein nicht bezahlbarer
kostbarer und vielfältiger genetischer Schatz
für neue Züchtungen, so auch die besonders salztolerante und wohlschmeckende dtoma
te a
us de
eif
n Anden - unr
L. Cheesmanii, eine Galapagos-Wildtomate.
Bauerntomate Honduras
Bolivianische
Obsttomate
Zapothekentomate
Angesichts dieser natürlichen genetischen Vielfalt ist es unverständlich, warum mit Hilfe einer Risikotechnologie, der Gentechnik, jetzt salztolerante
Gentomaten gezüchtet werden sollen, obwohl dies dank
klassischer Sortenzüchtung
durch Einkreuzen von Galapagos-Wildtomaten möglich wäre. Bereits Alexander
von Humboldt entdeckte und
beschrieb bei seinen Reisen
durch Südamerika Wildtomaten (Lycopersicum spec.).
Andenhorn
Reisetomate „Guatemala“
So ist bis heute eine nach
ihm benannte rote Wildsorte
„Humboldtii“ bekannt. Schon in vorkolumbianischer Zeit wurde die Tomate in vielfältigen
Formen und Farben züchterisch bearbeitet zum Kochen, Trocknen und zum Frischverzehr.
Indigene Kulturformen der Tomate (Lycopersicum esculentum) von Peru über Mittelamerika
bis in die südliche USA sind in Form, Farbe, Geschmack und Konsistenz faszinierend vielfältig; wie hier am Beispiel von Bauerntomaten aus Guatemala, Bolivien, Honduras, Peru,
Argentinien und Mexiko zu sehen ist.
Wildtomate
Galapagos Cheesmanii
BUND
FREUNDE DER ERDE
Argentinische Wildtomate
Peruanischer Beutel
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 2 - Wildtomaten und erste Kulturformen Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (10), eine historische Abbildung: Botanischer Garten Berlin; Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Wildtomate
Columbianum
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
TOMATEN ALS BOTSCHAFTER
DER KULTURPFLANZENVIELFALT
VIELFALT FÜR AUGE UND GAUMEN
Die bei der Eroberung Südamerikas vorgefundenen Kulturtomaten der dortigen indigenen Bevölkerung (Lypersicon esculentum) wurden Mitte des 15. Jahrhunderts nach Portugal
und Spanien gebracht: Erste Namensgebungen wie „Pomo
d´Oro“ lassen trotz der natürlichen genetischen Vielfalt vermuten, dass unter ihnen auch gelbe Sorten waren. Die mitgebrachten Sorten wurden
in Europa lange Zeit nur zur Zierde in fürstlichen und botanischen Gärten als „Pomme
Fleischtomate Usbekistan
Mammoth German Gold
d`Amour“ - als Liebesapfel - gehalten. Erst im
18. Jh. wurden sie in Italien gegessen und in
Deutschland erst nach 1900 verbreitet. Erst die stark beworbene, in Deutschland gezüchtete und 1906 auf den
Markt gebrachte Sorte Lukullus, schaffte den Durchbruch im Handel. Heute zählen Tomaten zum beliebtesten
Gemüse
der Deutschen und sind aufgrund ihrer Inhaltsstoffe sehr gesund.
An
e
denhorn-Blüt
Die weltweite züchterische Bearbeitung von Tomaten hat cremefarbene, hell- bis zitronengelbe, goldgelbe, orange, scharlachrote, rosa, violette bis braunrote und im Reifezustand grüne und mehrfarbig gestreifte Tomaten hervorgebracht, die sich auch in Formen, Größe und vor allem in ihrem Geschmack stark unterscheiden. Bis in die 1990er Jahre
waren bei uns fast ausschließlich rote, runde Einheitstomaten im Handel erhältlich. Dies ändert sich zunehmend.
Kleine Gelbe
Irakische Herzförmige
Old German
Grüne Trauben
Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Erhaltung vom Aussterben bedrohter
alter und seltener Sorten ein. Ziel ist, die Freude vieler Menschen am Thema „Vielfalt von gärtnerischen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen“ im eigenen Garten zu wecken und zur eigenen Saatvermehrung zu motivieren. Nur so kann wieder ein
fast schon verloren geglaubtes Wissen lebendig weitergereicht werden. Vielleicht interessieren auch Sie sich dafür, ehrenamtlich an der Sortenerhaltung dieses Kulturgutes und seiner (Wieder-) Ausbreitung mit zu wirken. Er werden stets Paten für
Tomaten und andere Arten gesucht: Mehr unter www.nutzpflanzenvielfalt.de
Schwarzer Maure
BUND
FREUNDE DER ERDE
Guernsey Island
Russische Schwarze
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 3 - Tomaten als Botschafter der Kulturpflanzenvielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (11); Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND
und Ursula Reinhard, VEN; Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
CHILIS – SCHARFE VIELFALT
VON DER WILDEN ZUR DOMESTIZIERTEN SORTENVIELFALT
G
Rad der domestizierten Arten: C. annum L., C.
Die rund 30 bekannten Paprika-Wildarten der Gattung Capsicum
frutescens L. C. chinense Jacp., Ca. baccatum
var pendulum und C. pubescens
L. sind in Süd- und Mittelamerika beheimatet. Bereits in präkolumbianischer Zeit wurden fünf Arten kultiviert. Wie Kartoffel, Tomate
und Tabak stammen auch Paprika aus der neuen Welt und gehören
zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceen). Ihre Früchte
sind - botanisch betrachtet - Beeren. In kolonialer Zeit wurden sie in
warme Regionen Asiens und Afrikas gebracht, wo sich ein weiteres
Zentrum der Vielfalt entwickelt hat. Alle Arten können unter entsprechenden Kulturbedingungen mehrjährig gezogen werden und wachVielfalt der Wildchilis
sen als verholzende Halbsträucher. In unseren Breiten erfolgt die in Beeren – und Blütenform
Kultur meist einjährig. Bäuerliche und gärtnerische Auslese brachte
eine immense Farben- und Formenvielfalt hervor, lange bevor eine gezielte Züchtung erfolgte. Unterschieden
n - Capsicum annu
Tepi
um
werden die scharfen, meist etwas kleineren und dünnfleischigeren Chili und die milden, oft größeren und
va
r.
dickfleischigeren süßen und Gemüse-Paprikas. Die Schärfe der Früchte hängt von ihrem Capsaicingehalt
ab und wird in 10 Schärfegrade unterteilt. Die höchste Capsaicin-Konzentration weisen die hellen Samenleisten auf. Bei vielen scharfen Sorten ist die Spitze mild. Scharfe und milde Früchte kommen unregelmäßig bei allen kultivierten Arten vor.
lab
ulum
risc
Die Art Capsicum annuum ist sehr variabel. Zu ihr gehören unsere milden Gemüsepaprika ebenso wie südeuropäische Peperonis, Peperoncinis und Chilis. Die Blüten der Art sind weiß, selten auch violett und
haben bläuliche Staubblätter. Die Früchte stehen einzeln oder in Gruppen
aufrecht oder sie hängen. C. annuum wird meist einjährig kultiviert. Einige
Sorten sind in Mitteleuropa freilandtauglich und werden als Farb-, Heil- und
Zierpflanze verwendet. Die wilde Ausgangssippe dieser Art ist var. glabriusculum. Sie ist auch als Chiltepin, Tepin oder Vogelchili bekannt. Sie hat
kleine, meist aufrecht stehende, leuchtend rot oder selten gelb gefärbte,
sehr scharfe Früchte, die gerne von Vögeln gefressen werden, wodurch
der Samen verbreitet wird.
Black Beauty –
Aromatische milde Gemüsepaprika
Laterna de foc –
Lokalsort aus dem Kosovo
Capsicum annuum convar. Longum
Turuncy Spiral
Kulturvielfalt
für Augen und
Gaumen in Farbe, Form, Aroma
und Schärfe
BUND
FREUNDE DER ERDE
„Dschuljinska Schipka
Sarit Gat
Beschrieben wurde für Capsicum annuum eine Form mit runden und eine mit
eher spitzen Früchten: Die convar. fasciculatum bringt ein Bündel meist aufrecht stehender, dekorativer Früchte hervor, wie bei der italienischen Sorte
„Laterna de foc“. Die conv. grossum hat höchstens 20 cm lange und 12 cm
breite, kugelige bis platt gedrückte, ei-, kegel- oder würfelförmige Früchte, deren Spitze wie bei Gemüsepaprika eingedrückt ist. Die conv. longum hat bis
zu 25 cm lange und 6 cm breite, zugespitzte Früchte. Sorten vom CayenneTyp haben längliche Früchte mit spitzem Ende wie bei vielen Peperonis. Dazu
gehören vielfältige, südeuropäische Lokalsorten wie „Elefant Chili“, „Dschuljinska Schipka“, „Sarit Gat“ oder „Turuncy Spiral“. Doch wie lange wird es möglich sein, diese Regionalvielfalt zu erhalten, wenn nur noch Einheitssaatgut im
Supermarkt angeboten wird?
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 4 - Chilis - Scharfe Vielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (7) Boris Reinsch (3);
Text: Dr. Thomas Gladis und Boris Reinsch; Redaktion: Sibylle Maurer-Wohlatz;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
CHILIS – VIELFALT DER AROMEN
BIODIVERSITÄT DOMESTIZIERTER CHILIS IN SÜD- UND MITTELAMERIKA
Im südamerikanischen Hochland und den Hochebenen Mexikos wird die relativ kälteresistente Capsicum pubescens kultiviert. Sie hat behaarte und angenehm duftende Sprossen und Blätter und bildet dort mehrjährige Bäumchen
aus. Gut zu erkennen ist diese „Baumchili“ an ihren
hübschen blauvioletten, selten weißlichen Blüten
und Staubblättern. Die dickfleischigen,
breiten Früchte trugen ihr den Namen
„Apfel“ ein: in Mexiko „Manzano“, in
Peru „Rocoto“ und in Bolivien „Locoto“. Die Früchte sind sehr aromatisch
und höllenscharf mit schwarojo
r
no
Blüte der Manza
zen Samen. Das Fruchtfleisch ist gelb,
Gelber Manzano von den Zapothek-Indios
orange oder rot bis rotbraun gefärbt.
Chilivielfalt im Public Market Center
in Seattle (USA)
Die Art Capsicum chinense hat sehr vielfältige
Ausprägungen und stammt wahrscheinlich ursprünglich aus klimatisch wärmeren Regionen
Perus und Brasiliens. Die Blüten sind blass
gelblich oder grünlich. Der Kelch der reifen
Frucht hat oft eine ringförmige Einschnürung,
die ihr ein glöckchenähnliches Aussehen verleiht. Die Früchte sind weniger fleischig und
Capsicum chinense Jacp. Kuba:
weiß, gelb, orange, rot oder braun gefärbt. Zu
Eine typische milde Aji Dulce
mit köstlichem Aroma
Formenvielfalt der Capsicum chinense Jacq.
dieser Art gehören extrem scharfe Sorten wie
die „Habanero“-Gruppe oder die asiatische
„Naga Morich“, aber auch die milden, verführerisch aromatischen Sorten der „Aji-Dulce“- Gruppe.
Die Art Capsicum frutescens ist
ebenfalls eine Wärme liebende Art.
Sie hat grünlich-weiße Kronblätter,
deren Zipfel leicht zurückgeschlagen sind. Die Blütenstiele stehen aufrecht und sind gerade gestreckt. Die Blütenknospen bilden
zum Stiel ein „Pfeifenköpfchen“,
weshalb auch die reifen, gelb oder
rot gefärbten Früchte etwas schief
angesetzt wirken. Bekannt ist die
Sorte „Tabasco“ und die nach ihr
benannte scharfe Sauce.
Formenvielfalt der Capsicum Baccatum
va pendulum (Willd.) Eshbaugh
BUND
FREUNDE DER ERDE
Dedo de moca aus Brasilien
Bolivia wild – Wilde Capsicum
baccatum var. baccatum
aus Bolivien
Capsicum Frutescens L. aus Asien
Die Art Capsicum baccatum weist innen an der Basis der weißen Blütenblätter grünliche oder
gelbe bis hellbraune Flecke auf. Die Art hat zwei Ausprägungen (Varietäten) mit unterschiedlichen Wuchsformen. So hat var. baccatum kleine, meist aufrecht stehende, das Laub überragende Beeren und var. pendulum größere, hinsichtlich ihres Aromas und der Farbe variablere,
meist hängende Früchte. Sie können rot, orange oder gelb gefärbt sein. Scharfe, sehr dankbare Sorten wie „Dedo de Moca“ blühen und fruchten später, lassen sich bei uns auf der Fensterbank erfolgreich ausreifen und überwintern. Einige Sorten gedeihen auch im Freiland.
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 5 - Chilis - Vielfalt der Aromen Fotos: Marco Budinis (1), Sibylle Maurer-Wohlatz (3), Boris Reinsch (3), Jan-Hendrik Ohlendorf (1);
Text: Dr. Thomas Gladis und Boris Reinsch; Redaktion: Sibylle Maurer-Wohlatz;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
KARTOFFELVIELFALT
KNOLLEN FÜR DIE WELTBEVÖLKERUNG
Die Uno hat in 2008 das „Jahr der Kartoffel“ ausgerufen, um damit auf
die Bedeutung der Knolle (Solanum tuberosum) für die globale Ernährungssicherheit hinzuweisen. Die Kartoffel ist viertwichtigstes Grundnahrungsmittel und könnte in Zukunft eine viel größere Rolle bei der Bekämpfung des
Hungers in der Welt spielen.
Schon vor 8000 Jahren wurde
die Kartoffel von den Ureinwohnern Südamerikas in den peruanisch-bolivianischen Anden
um den Titikakasee in Höhen
bis zu 4300 m kultiviert. Neben
den Wildarten sind in Süd- und
Mittelamerika mehr als 3000
traditionelle Kartoffelsorten bekannt. Von diesen gibt es ungezählte Landsorten,
die nur von einzelnen Familien angebaut werden, über Jahrhunderte selektiert
wurden und den regionalen Bedingungen angepasst sind. Diese unglaubliche
Sortenvielfalt ist durch den Anbau moderner Einheitssorten und den Verlust des
Wissens traditioneller Anbaumethoden vom Aussterben bedroht.
of
fel
Deshalb wird in Projekten wie dem „Potato Park“ – einem ZusamKultursorten--Vielfalt in den Anden
menschluss von sieben Quechua-Dörfern im Hochland von Peru der einmalige Schatz von mehr als 600 Kartoffelsorten dieser Region
geschützt. Außerdem widersetzen sich dort die Bauern der Patentierbarkeit von Arten und Sorten durch Saat-Konzerne. Die Region
um Cuzco in Peru gilt als Urheimat der Wild- und erster Kulturkartoffeln. Deshalb hat die Regierung von Cusco den
Anbau gentechnisch veränderter Kartoffeln verboten, um die einmalige Vielfalt und damit die
indigene Kultur zu bewahren.
Hochlandkartoffeln aus dem Gebiet des Äquat
r
Ka
tte
tors gedeihen in unseren gemäßigten Zonen
Blüte einer La Ra
schwer. Daher sind die europäischen Kulturkartoffeln aus einer Kreuzung peruanischer mit chilenischen Sorten hervorgegangen, die den längeren Sommern in Chiles Zonen angepasst
und so für den Anbau in Europa geeignet sind. Die ersten Kartoffeln wurden in Gran Canaria um 1550 angepflanzt und von
dorther nach Europa gebracht. Belegt ist, dass Kartoffeln 1576 in einem Krankenhaus in Sevilla als Nahrung gereicht wurden.
Friedrich II. zwang während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) mit dem „Kartoffelbefehl“ die Bauern zum Anbau der
gesunden Knolle, die so in Deutschland Grundnahrungsmittel wurde. Seit dieser Zeit wurde auch bei uns eine Kartoffelvielfalt
gezüchtet, von der nur wenige Sorten bis heute überlebt haben.
Hier werden einige Sorten vorgestellt, die nicht mehr im Handel sind. Sie werden von der IPK Gatersleben, der staatlichen
Genbank, als genetische Ressource bewahrt. Um ihre Erhaltung widmen sich auch engagierte Vereine, Biobauern und
Privatpersonen.
BUND
FREUNDE DER ERDE
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 6 - Kartoffelvielfalt Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (7), Biohof Ellenberg (1), FAO 2008 „Esposición de la papas „ - Laufleiste (3)
CIP (3) Centro International de la Papa: mehr unter www.cipotato.org
und auf der kostenlos zu erhaltenden CD „Das grüne Gold der Inkas wie die Kartoffel in Zeiten des Klimawandels die Ernährung sichern kann.“
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 2008 - publikationen@bundesregierung.de
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
LINDA DIE KÖNIGIN
EINE KARTOFFEL MACHT GESCHICHTE
So sieht es das europäische Saatgutgesetz vor: Damit eine Sorte zugelassen
wird, muss vom Züchter die Zulassung beantragt und Qualitätsprüfungen
durchlaufen werden, bis sie vom Bundessortenamt zugelassen wird. Der
Züchter lässt dann die Sorte patentieren und genießt damit 30 Jahre
Sortenschutz. Danach läuft ein Patent aus und darf lizenzfrei nachgebaut
werden. Sorteninhaberin der Linda war die Firma Europlant GmbH, die für
Linda-Saatkartoffeln und den Nachbau Lizenzgebühren von den Bauern
erhält. Kurz vor Ablauffrist hat Europlant das Patent zurückgezogen und
damit versucht, die beliebte Kartoffel aus dem Verkehr zu ziehen,
denn eine neue, angeblich bessere Sorte der Firma soll Linda
ersetzen. Dies löste einen Proteststurm von Verbrauchern
und Landwirten aus, denn Linda ist überaus beliebt, schmeckt
hervorragend und ist für den Bioanbau sehr gut geeignet.
Öffentliche Straßenverkaufs-Aktionen
des Vereins „Rettet die Linda“ wie sie
vielerorts in Norddeutschland durchgeführt
worden sind - offensichtlich mit Erfolg!
Linda
Beschlagnahmung von Saatkartoffeln auf dem
Biohof Ellenberg, heftige öffentliche Diskussionen in
allen Medien, vorübergehende Schonfrist durch das
Bundessortenamt. All dies hat Europlant nicht dazu
bewegt, das Patent „normal“ auslaufen zu lassen.
Darauf hin beantragte der Linda-Freundeskreis
und der Landwirt Klaus Ellenberg die
Neuzulassung in mehreren EULändern. In 2009 erfolgte in Schottland
die Wiederzulassung zur Freude aller
Linda-Fans.
Linda wird auf den Feldern des Bio-Betriebes
der Familie Ellenberg geerntet
Dieses skurrile Kartoffelmännchen war ein Zufallsprodukt beim Privatanbau für den eigenen
Verzehr: Wirklich Zufall? oder Botschafter für „Rettet die LINDA“ und Symbol dafür, dass es
kein privates Patent auf Leben dauerhaft geben darf!
Linda Herkunftsland Estland. Zulassung 1974, Reifezeit
mittelfrüh, Knolle oval, Schalenfarbe gelb, Fleischfarbe
hellgelb, Augentiefe mittel, Knollenschale glatt, Vewendungszweck Speisekartoffel, Kochtyp vorwiegend festkochend.
Linda hat einen aromatischen, feinen Geschmack. So
ist sie als festkochende, gefüllte Knolle heiß geliebt. Sie
hat unterdurchschnittliche Ertragsleistungen bei einem
hohen Anteil kleiner Knollen. Allerdings weist sie dafür
meistens geringe innere und äußere Mängel auf.
Resistent gegen Kartoffelkrebs.
Anfällig für Kartoffelschorf, Kartoffelvirus X,
Kartoffelnematoden.
Dies alles war teuer und unnötig, denn Linda hat fast
30 Jahre den Praxistest bestanden. Weniger im Rampenlicht steht der äußerst
problematische Anbau der
gentechnisch veränderten,
besonders stärkehaltigen
Industriekartoffelsorte „Amflora“ der Firma BASF.
Der Anbau wurde zu „wissenschaftlichen“ Zwecken – eigentlich zur Saatgutvermehrung – 2009 in Deutschland genehmigt.
Eine kommerzielle Zulassung ist bei der EU beantragt. Der Haken: Die Gentech-Kartoffel enthält als Marker ein Resistenz-Gen
gegen das Antibiotikum Kanamycin. Nicht nur die Weltgesundheitsorganisation befürchtet, dass mit der Zulassung solcher
Sorten die Verbreitung von Resistenz-Genen gegen wichtige Antibiotika für die Menschheit unabsehbare Folgen haben kann:
In der Medizin werden sie zur Bekämpfung von Tuberkulose und anderen schweren Krankheiten eingesetzt. Die Alternative:
Besonders stärkehaltige Industriekartoffeln können über züchterische Auslese aus dem natürlichen genetischen Schatz konventionell gezüchtet werden.
BUND
FREUNDE DER ERDE
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 7 - Linda die Königin Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (2), Biohof Ellenberg (4);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
e
lüt
in B
VON EMMER UND EINKORN
ÄLTESTE EURASISCHE GETREIDEARTEN MIT ZUKUNFTSCHANCEN
Emmer (Triticum dicoccum) und Einkorn (Triticum momococcum)
sind die ältesten kultivierten Getreidearten unserer Kulturkreise. Emmer ist eine bespelzte Weizenart, die vor 10.000
Jahren durch Kreuzung von Wildgras (T. dicoccoides) und
Einkorn entstanden ist. Das eiweiß- und mineralstoffreiche
Ac
s)
ke
Getreide wurde bereits in Assyrien als rote, weiße und dunali
r-R
r eg
itter
sporn (Consolida
kelbraune Sorte angebaut und war Grundnahrung römischer
Legionäre. Noch heute ist Emmer in Mittelitalien eine regionale Spezialität. In den letzten 100 Jahren wurde es jedoch durch moderne Weizensorten
verdrängt und hat eher zufällig überlebt. Vereine und Biolandwirte haben dieses
gesunde alte Getreide wieder entdeckt und Reste der ehemaligen Vielfalt durch
vermehrten Anbau gerettet, die oft nur noch in Genbanken erhalten wurde.
Zuchtstamm eines
freidreschenden
Einkorns mit längeren Grannen
aber noch sehr
gedrungener
Ähre.
Einkornfeld
Einkorn
Schwarzer Emmer
Ein Erfolg der Lobbyarbeit für alte Kulturpflanzenarten und deren regionale Sorten
ist, dass 1992 beim Umweltgipfel in Rio
de Janeiro eine internationale Übereinkunft zur biologischen Vielfalt verabschiedet wurde mit einem Aktionsplan zum Erhalt pflanzengenetischer Ressourcen, zu
denen das Kulturerbe der NutzpflanzenVieltfalt gehört. 1998 hat sich auch die
EU der Förderung dieser seltenen regionalen Getreidesorten angenommen, so-
dass für den Anbau von Emmer und Einkorn den Landwirten dieselben Prämien wie für
konventionelle Getreidesorten gezahlt werden können. Einkorn wurde bereits vor 12.000
Jahren aus dem (Ur)Wildeinkorn (Triticum boecticum) domestiziert und hat sich vom Ursprungsgebiet des Euphrat und Tigris in der heutigen Türkei ab ca. 7.600 v. Chr. in Europa und Kleinasien verbreitet. In einigen Gebieten Süd- und Osteuropas hat sich Einkorn
als Breigrundlage, Schweinefutter oder aufgrund seines feinen elastischen Strohs zum
Flechten von Bienenkörben erhalten. Das fast verschwundene EinEinkorn-Zuchtstamm
mit kräftigem Braunton im Reifezustand
korn wurde auf der Suche nach gesunden, ursprünglichen Getreidesorten in den Anfängen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise wiederentdeckt. Eine für die Züchtung besondere interessante
spelzenfreie Variante wurde in den 1960er Jahren in Taschkent und
Daghestan angebaut. Emmer hat im Vergleich zu anderen Weizenarten einen hohen Anteil ungesättigter Aminosäuren, Carotonoide
und Eiweiße. Sein Aroma ist nussig, er gilt als glutenarm.
Einkorn-Zuchtstamm
mit rot verfärbenden Spelzen zu Beginn
der Reifezeit
So erklärt sich die
zunehmende Wertschätzung dieser Getreideart durch Verbraucher, Bäcker und
Bio-Landwirte, die zu
einer Renaissance des Anbaus in Europa geführt hat.
In Niedersachsen werden verschiedene Einkorn-Sorten durch den biologisch-dynamischen Getreidesaatgut-Betrieb Darzau erhalten, züchterisch entwickelt
und an unser Klima angepasst. Mehr Informationen
zu Einkorn unter http://www.einkorn.de
Wildeinkorn
BUND
FREUNDE DER ERDE
Einkorn
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 8 - Von Emmer und Einkorn Fotos: VEN (1), Sibylle Maurer-Wohlatz (1), Boris Reinsch (2) Karl Joseph Müller (5) Klaus Lang (1);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Karl Joseph Müller;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
ES MUSS NICHT IMMER SPINAT SEIN
VON GUTEM HEINRICH, FUCHSSCHWANZ, BAUMSPINAT & ROTEM MEIER
Zierde mit essbaren Blättern.
Grüner Fuchsschwanz
(Amaranthus caudatus).
Roter Fuchsschwanz
(Amaranthus caudatus).
Quinoa (Chenopodium quinoa) und vor allem Fuchsschwanz-Amarant (A. caudatus) wurde von den Azteken, Inkas und Mayas magische
Kräfte zugesprochen. Der
Amarant-Anbau wurde deshalb von den spanischen
Eroberern bei Todesstrafe
verboten. So hat sich diese
R ot
e F uc
hsschwanzblüte
wertvolle Kulturpflanze nur in
entlegenen Gebieten erhalten
und erst spät wieder ausbreiten können.
Die hier vorgestellten Pflanzen gehören alle den Familien der weltweit
verbreiteten Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae) oder Gänsefußgewächse (Chenopodiaceaen) an. Zur letzteren Familie gehört
auch der uns vertraute Spinat. Der Name „Amaranthus“ stammt aus
dem Griechischen und kann mit „unsterblich“ oder „nicht welkend“
übersetzt werden. Möglicherweise verweist dies auf die getreideähnlichen Körner vieler Sorten dieses „Pseudogetreides“, die hochwertiges Eiweiß, ungesättigte Fettsäuren und wertvolle Spurenelemente enthalten. Die namensgebende Gattung Amaranthus ist mit
zahlreichen Arten und Sorten in der Neuen Welt verbreitet. Archäologische Samenfunde sind bis zu 9000 Jahre alt. Auch am Ganges
wurde vor 4500 Jahren bereits Fuchsschwanz-Amarant angebaut.
Quinoa
aus den
Anden
Amaranth der Hopis „Hopi Red Dye“ (Amaranthus cruentus L.),
der auch zum Färben von Lebensmitteln benutzt wird.
Quinoa aus der Familie der Gänsefußgewächse hingegen ist bis heute Grundnahrungsmittel mit einer Vielzahl seiner mehr als
2000 Unterarten und Sorten.
Die rote Gartenmelde (Atriplex hortensis L.) ist eine wohlschmeckende Kulturform der wilden südeuropäischen Melde,
die bereits von den Römern angebaut und von diesen nach
Mitteleuropa gebracht wurde.
Seit der Steinzeit wurde der Gute Heinrich (Chenopodium
bonus-henricus) bei uns genutzt. Heute steht die Wildpflanze
auf der roten Liste. Wildsammlungen sind verboten.
Die Blätter sollten erst später am Tag geerntet werden, da die Nitratwerte dann
wie bei allen Stickstoff liebenden Pflanzen geringer sind. Die Blätter können spinatähnlich zubereitet werden. Vor allem
Meldegewächse können im reiferen Zustand mehr Saponine und Oxalsäure
enthalten. Durch Abgießen des Kochwassers werden diese reduziert.
BUND
FREUNDE DER ERDE
Hier werden wieder entdeckte und zugleich
uralte Spinatpflanzen vorgestellt, die sowohl
zum Nutzen als auch zur Zierde jeden Garten
bereichern. Gegessen werden vornehmlich
die jungen, zarten Blätter.
Erdbeerspinat (Blitum virgatum L.) erstmals
von Carolus Clusius in 1601 erwähnt und
wahrscheinlich aus Amerika eingeführt.
Baumspinat
(Chenopodium
giganteum)
indischer
Herkunft,
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 9 - Es muß nicht immer Spinat sein Fotos: VEN (2), Sibylle Maurer-Wohlatz (7), Davert GmbH (1);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz, BUND und Ursula Reinhard, VEN;
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Der Rote Meier, eine seit 1900 durch den
Spinat verdrängte, bei uns seit Jahrhunderten bekannte Sorte, deren junge Blätter und Triebspitzen wie Spinat zubereitet
werden.
Projektförderung aus Erträgen von
BINGO!
Die Umweltlotterie
URSPRUNG DES MAIS
TRADITIONELLE MAISKULTUR - MENSCHEN AUS MAIS
h
n
ln
nwurze
Pfl
a n ze
Kr
on e
Mais ist ein einjähriges Gras. Es entstand vor 9000 Jahren durch Mutationen
aus dem bis zu 3m hohem Wildgras Teosinte (Zea mays ssp.parviglumis
(Iltis & Doebley)). Bis
heute wachsen Teosinten wild in Lateinamerika. Sie gehören zur Art
Zea mays und parvigMännliche Maisblüte
Weibliche Maisblüte
lumis bezeichnet die
Unterart, wodurch sich
die Verwandtschaft und leichte Kreuzbarkeit von Mais mit Teosinten erklärt.
Der Stängel des Mais kann bis zu fünf Zentimeter dick und bis zu sieben
Metern hoch werden; es sitzen weibliche und männliche Blüten an einer
Pflanze. Auch wenn sich Mais wesentlich selber befruchten kann, ist eine
Fremdbestäubung durch Wind möglich. Der Pollen kann bei starkem Wind
kilometerweit fliegen. Damit besteht die Gefahr der Kontamination alter
Landsorten durch gentechnisch veränderten Mais oder durch MaishybriHuldigung des Mais auf einem Wandbild (Chiapas - Mexiko)
den. So ist die Kulturvielfalt, die in der Neuen Welt seit Jahrtausenden und
in Europa seit fast 500 Jahren an Boden und Klima angepasst gezüchtet
wurde, akut bedroht!
Farben des Mais entsprachen den unterschiedlichen Farben der
Der Name „Mays“ bedeuHaut. Mais-Fruchtbarkeitsgötter standen als Idole in jeder Hütte.
tet in der Sprache der
An jedem Maisfeld wachte ein Gott. Bis heute hat der heilige Mais
alten Völker Ameri„Santo grasia nal“ in den indigenen Kulturen Mexikos eine tiefe
kas soviel wie „das
e lf
e
Bedeutung. Noch immer dienen Maiskolben als Opfergaben. Die
en
unser
Leben
Erhaloh
h
de r
r
Standfestigkeit de
guten Maisgeister vertreiben die bösen am Kinder- und Krankentende“. Mais gab ihbett. Das heilige Ritual der archaischen Milpa-Kultur ist Teil ihrer
nen Nahrung im Überfluss
Identität und bildet die Ernährungsbasis ihrer Völker.
und wurde von ihnen sorgsam beIn Meso- und Südamerika wurde unter den
hütet. Sie begleiteten Aussaat und
verschiedensten Klima- und BodenverhältnisErnte mit religiösen Zeremonien
sen über Jahrtausende hinweg eine unglaubund Opfern für die Götter. Die Menliche Vielfalt von Maisvarietäten zur Herstelschen waren sich der gegenseitigen
lung von Getränken, Tortillas, Breien, Grützen
Abhängigkeit der göttlichen Natur
und Gemüsen in allen Farben entwickelt:
und der Pflege des Mais durch den
weiße, gelbe, orangefarbene, rote, grüMenschen bewusst. So bezeichnen
In der aztekischen Mythologie ist Cen- ne, blaue, lilafarbene, tiefschwarze bis hin
sich die Mayas selber als „Menschen
téotl ein Gott des Mais, centli heißt maíz
und teotl, Gott. Der oberste Mais- und zu- zu bunten Varietäten. Die Kolbengröße des
aus Mais“. In ihrem Schöpfungsmygleich Regengott heißt Tlaloc. Die Quelle
ist der Rios-Codex aus dem 16.Jh.; eine
thos wird erzählt, dass zwei Brüder im
der wenigen Schriften, die nicht von der Mais hat sich seit den Anfängen erstaunlich
spanischen Inquisition vernichtet wurde.
vergrößert: Die Kolben erreichen ein VielChicomecoatl, die Frau des
Urwald ein Feld rodeten und darauf Maisgöttin
Maigottes mit einem Doppelmaiskolben
in
der
einen
Hand
für
den
Fruchtfaches
der 6000 Jahre alten, nur zwei Zentimeter langen MaisMais anbauten, aus dem sie die ersten barkeitszauber. Die Skulptur steht im
kolben, die in Oaxaca von Archäologen gefunden wurden.
Menschen erschufen. Die vielfältigen Völkerkundemuseum Berlin.
Bohnen (links) ranken
sich um den Mais.
Heutige Milpa-Kultur in Chiche, Guatemala, im Vordergrund sind Stangenbohnen, die sich um den Mais
ranken, zu sehen. Es fehlt jedoch bereits die Vielfalt
der Kulturpflanzen, die früher in einer Milpa angebaut
wurde.
BUND
FREUNDE DER ERDE
Traditionelle Anbaumethode ist bis heute die Milpa-Kultur. Milpa heisst auf Nahuatl,
der Sprache der Azteken, Maisfeld. Mais wird traditionell in Mischkultur mit Bohnen angebaut, die sich an den Stängeln hochranken und Kürbissen, die mit ihren
Blättern den Boden schützen sowie einer Vielzahl von Kulturpflanzen wie Chili,
Amarant, Süßkartoffel, Tomatillo und Epazote für Tee. Bei dieser erfolgreichen
Kultur unterstützen sich die Pflanzen gegenseitig bei der Abwehr von Schädlingen und führen sich Nährstoffe zu. Jahrtausendelang haben sich die Menschen
nicht nur in Mexiko regional, unabhängig und vielfältig versorgt und ernährt. Noch immer wird
nach dem „Gold der Inkas“ gejagt und der unschätzbare Wert ihres wahren Erbes verkannt!
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 10 - Ursprung des Mais Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (5),Boris Reinsch (1), Fabian Hanneforth (1), Steeve Hirse (1),
Rios Codex 'Centéotle' (1);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium)
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de; www.anhalonium.com
BÄUERLICHE MAISVIELFALT UND KULTUR
DURCH VERLUST ALTER SORTEN UND GENTECHNIK BEDROHT
untain
Indigene und alte europäische Maisvarietäten sind bis heute eine genetische Schatztruhe für den Anbau von widerstandsfähigem Mais für die regionale Versorgung mit gesunden Lebensmitteln! Die traditionellen Landsorten wurden nie patentiert. Sie sind Ergebnis gärtnerischer Arbeit
vieler Generationen zum Wohl der Gemeinschaft ohne monopolistische Individualinteressen. Sie sind Kulturerbe der Menschheit.
ic
Mo
Mexiko ist als Kulturzentrum des Mais durch die Internationale Konvention zur Biologischen Vielfalt von1992 geschützt. Lange war der Anbau
von gentechnisch verändertem Mais in Mexiko verboten. Die Bauern produzieren vielerorts Mais noch traditionell. Wie lange noch? Die steigende
Nachfrage nach Bio-Diesel und damit
Maismischung
Einfuhr von industriellem Saatgut bedroht die alten Maisressourcen. Ebenso verdrängen US-Importe von Billigmais für
die Ernährung die bodenständigen, mexikanischen Sorten vom Markt, die sich die
ärmeren Menschen in den Städten nicht mehr leisten können. So wird das Zentrum
der Maisvielfalt zum Importland für Mais! Doch allein in Mexiko gibt es mehr als
60 traditionelle Landsorten mit Tausenden lokaler Varietäten. 2009 hat die mexikanische Regierung den „Versuchsanbau“ von gentechnisch veränderten Mais in dem
so genannten „Monsanto-Gesetz“ erlaubt. Monsanto ist weltweit der größte ProduAn eine bemerkenswerte regionale Maisvarietät aus
dem Ötztal, die noch vor wenigen Jahrzehnten in
zent von gentechnisch verändertem Maissaatgut. Unglaublich, dass mexikanische
1000 bis 1500m Höhe angebaut worden war,
erinnern heute nur noch die schönen, großen Kolben
Bauern wegen des angeblich „illegalen“ Anbaus von gentechnisch verändertem
in einem alten Bauernhaus.
Mais von den Behörden verfolgt werden, weil sie unwissentlich aus den USA eingeführtes, verunreinigtes Saatgut ausgesät haben. Die Bauern werden nun zur Zahlung von Lizenzgebühren gezwungen! Dahinter stehen finanzielle Interessen: Vier Konzerne beherrschen den weltweiten Maissaatgut-Handel zu 80 Prozent!
nt
ed
ibl
We
he
ai
Blü
te von P
Fraise Rouge - Poppmissorten
In Europa sind viele regionale Maisvarietäten vor allem im Osten
gehören zu den ältesten
Painted Mountain
Kultursorten überhaupt
Divinität
und Süden, in den Alpen und in Süddeutschland angebaut wor(Mehlmais)
den. Diese sind inzwischen kaum noch zu finden. Der Sortenschwund geht weiter, denn auch in Europa haben die industrielle Landwirtschaft und der Bio-Diesel-Boom einen gigantischen
Zuwachs von Maishybriden mit sich gebracht. In den Monokulturen und auf Böden, wo Jahr für Jahr Mais angebaut wird, breiten sich schnell Kultur-Schädlinge aus. Statt behutsamer Kulturfolge, wie sie noch bis in die Neuzeit praktiziert wurde, um
Oaxan Green (Zahnmais)
deren Ausbreitung kurz zu halten, wird heute maßlos Chemie
aus Mexiko
eingesetzt und gentechnisch veränderter Mais als Lösung aller
Probleme gepriesen. Die Folgen sind Bodenerosion, Vergiftung auch von Nützlingen und die Anreicherung des Grundwassers
mit Nitraten und Giften sowie das Aussterben von Tieren und Pflanzen. Doch es gibt Alternativen solange die alten Maissorten
noch lebendig erhalten werden.
Argentinischer weißblauer,
roter und schwarzer
Andenmais
Sanguine Pop Mais
BUND
FREUNDE DER ERDE
Paiute, eine alte bunte Zuckermaisvarietät
Rio Lucio (Mehlmais), ein frühe, leuchtend blaue Sorte mit großen schönen
Kolben, ca. 2m hoch wachsend.
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 11 - Bäuerliche Maisvielfalt und Kultur Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (8), Boris Reinsch (2), Anhalonium (3);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium)
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Andiner schwarzer
Morada (Mehlmais)
DIE ALTERNATIVE:
ERHALTUNG ALTER KULTURSORTEN, KONVENTIONELLE
RESISTENZZÜCHTUNG UND LANDWIRTSCHAFT OHNE GENTECHNIK
ch
aon
)
Viele Sorten aus der Neuen Welt und alte europäische Maissorten
werden heute vom Maiskeimklub erhalten, einem Projekt zur Erhaltung und Entwicklung von Maisvarietäten für den
biologischen Anbau. Es werden Erhalter für bedrohte Maisvarietäten gesucht, denn nur durch
Sc
Anbau ist auf Dauer eine Bewahrung unseres
a
hw
albe
io m
nschwanz (Papil
Maiskulturerbes möglich, selbst wenn fachgerecht gelagerte Maiskörner noch viele Jahre keimfähig sind. Sehr zu empfehlen ist die informative Seite zu Maisanbau
und Maisvielfalt www.anhalonium.de. Bantammais aus der Aktion
für gentechnikfreie Regionen ist ein Zuckermais, der von gentechnisch kritisch eingestellten Menschen angebaut wird, um Schädigungen der eigenen Sorte in Nähe von Flächen mit gentechnisch
verändertem Mais nachweisen zu können. In Zusammenarbeit mit
„Painted Mountain“ ist eine dankbare Mehl- und Stärkemaisvarietät, die auch in Deutschland gut
wächst, sehr niedrig bleibt (1m), einen ungewöhnlich schnellen Ertrag bringt und für farbliche
der Bantam-Aktion sollen nun Anbauflächen der alten, bedrohten
Überraschungen sorgt.
Maissorten im Rahmen der Meldung gentechnikfreier Maisflächen
in das bundesweite Register mit aufgenommen werden unter www.bantam-mais.de. Die Kulturvielfalt alter Sorten ist nämlich vor allem
durch „Nichtanbau“ vom Aussterben akut bedroht. Es reichen einige Pflanzen im Garten, um ein
paar schöne Kolben zu erhalten, die in den folgenden Jahren in größerer Menge oder von mehr Menschen vermehrt werden. Außerdem macht es Freude, die Pflanzen wachsen zu sehen und sich von
den interessanten Kolben überraschen zu lassen. Es sollte jedoch stets nah
beieinander nur
eine Sorte; bzw. früh und spät blühende Sorten miteinander angebaut
werden.
Golden Bantam ist ein
Süßmais. Die Kolben in
der Milchreife werden in
Wasser gekocht oder
gegrillt.
Maisanbau in Mischkultur im Garten
mit Bohnen, Zucchinis und Kräutern
Sizilianischer Polentamais
Wurzelschäden durch
Maiswurzelbohrer
Anders als bei GV-Mais, wo in der Regel nur ein Gen verändert wird, um den Kulturschädling abwehren, verfügen mexikanische Resistenzsorten über einen ganzen Genpool zum Schutz der Pflanze gegen den Maiswurzelbohrer. So kann der Schädling diese Maiskulturen nicht dauerhaft ernsthaft schädigen. Diese natürlichen
Anlagen, die in der klassischen Züchtung zum Einsatz kommen, sind wirksamer und schonender als die Methoden der Gentechnik. Nützlinge, die im und am Mais leben, werden so
nicht geschädigt und es kommen keine oder deutlich weniger Insektizide
Rio Lucio - Maiskörner
zum Einsatz. Deshalb stellt die klassische züchterische Entwicklung von
Maissorten eine Alternative zur Gentechnik dar. Genmaniven des Kul- Sanguine-Pop - Popmais
pulierter Mais, der sog. BT-Mais, produziert in der Pflanze,
turschädlings
auch im Pollen, permanent das Insektengift
Rotweiße
Hopimaiskörner
Maiszünsler abtöten. Ein weiBacillus thuringiensis (Bt). Laut Angaben
teres Gen vermittelt der Maisdes Herstellers, dem Chepflanze eine Herbizidresistenz, was den ho- Weiße Hopimaiskörner
miekonzern Monsanto, soll
hen Spritzmitteleinsatz gegen Wildkräuter im
es nur die LarRote Abruzzenmaiskörner
Feld ermöglicht. Beides bedroht unsere heimische Artenvielfalt, Wildpflanzen ebenso wie Tiere. Durch
Weißbunte argentinische
das BT-Gift in Pflanze und Pollen sind insbesondere Insekten, die im Zweiki- Maiskörner
lometerradius um und an Maisfeldern ihren Lebensraum haben stark gefährdet. Dazu gehören u.a. Schmetterlinge wie der Schwalbenschwanz, Wasserlebewesen wie
Köcherfliegenlarven sowie nützliche, räuberische Insekten wie Zweipunktmarienkäfer.
BUND
FREUNDE DER ERDE
„Nutzpflanzenvielfalt“; Tafel 12 - Die Alternative Fotos: Sibylle Maurer-Wohlatz (14), Karsten Lange (1) Saatenunion (2);
Redaktion und Text: Sibylle Maurer- Wohlatz und Martin Häfeli (Anhalonium)
Layout: Ingrid Ohlendorf
Das Copyright an den Fotos unterliegt dem jeweiligen Fotografen.
www.bund-hannover.de
Rote argentinische
Maiskörner
Morada-Mais zur Herstellung
von Chicha-Getränken in Peru
und Bolivien