New York mal zwei
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New York mal zwei
Reisen HOHE EFFIZIENZ 14. OKTOBER 2012 Abheben Seite 85 Warum Websites mit Videos aus dem Cockpit Kultstatus haben Abschalten Seite 86 Warum Redaktor Faust ein Assistenzsystem für Nebellampen fordert OBERSTER KOCH Warum BMW Wert aufs Gewicht legt Florian Trento über chinesische Essgewohnheiten SEITE 86 SEITE 85 81 New York mal zwei Es gibt wenige Metropolen auf der Welt, in der jede Generation ihr Glück findet. Der Big Apple ist so eine Stadt. Er macht süchtig. Zwei Journalisten unterschiedlichen Alters zeigen ihr ganz persönliches New York Entdeckung der Langsamkeit: Stefanie Rigutto, 32, mit Mietvelo auf dem Times Square. Entdeckung eines Klassikers: Roger Anderegg, 68, verfällt der Grand Central Oyster Bar LESEN SIE DIE REPORTAGEN AB SEITE 82 ANZEIGE Das schönste Package kommt nicht im Geschenkpapier. Ready for Christmas at the Dolder Grand Wir stimmen Sie auf die Weihnachtszeit ein: 2 Übernachtungen inklusive Garden Breakfast, weihnachtliches 3-Gang-Menü im Garden Restaurant, Drink in der Bar, Eintritt zur Dolder Kunsteisbahn inklusive Schlittschuhmiete und ein Weihnachtsgeschenk, ab CHF 980.00 für 1 Person. Gültig vom 1. bis 23. Dezember 2012. Alle Frühbucher (bis 31. Oktober 2012) erhalten ausserdem bei Abreise einen Weihnachtsbaum geschenkt. The Dolder Grand Tel +41 44 456 60 00 www.thedoldergrand.com 173 Zimmer und Suiten, The Restaurant, Garden Restaurant, Bar, Spa auf 4’000 Quadratmetern The City Resort of Zurich since 1899 New YorkReisen 82 14. OKTOBER 2012 Starke Gerüche, knackige Surfer ... Von Newtown Creek nach Rockaway Beach: Auch beim siebten Besuch wird New York nicht langweilig Hipster-Szene: Rockaway Beach. Schöne Aussichten: Die «Verdauungseier» der Kläranlage Newtown Creek kann man besteigen, Surferparadies Rockaway Beach. Ankunft im gelobten Land: Museum auf Ellis Island Stress! Um ein Haar werde ich von einem Taxi gerammt New York produziert nicht nur viel Dreckwasser, auch die Luftverschmutzung zählt weltweit zu den höchsten. Bürgermeister Michael Bloomberg will dies ändern und hat nach Hybridbussen nun auch ein Bike-Sharing-System angeschoben, wie es Paris schon lange kennt. Der Start musste allerdings vom August dieses Jahres auf März 2013 verschoben werden. Das Problem: Wo stellt man die Velostationen hin? Trotzdem, der Wille ist da: Ein paar Velowege sind bereits gebaut. Ich miete mir im Battery Park ein Velo und fahre auf einem abgetrennten sicheren «Greenway» – der Boden ist grün bemalt – den Fluss entlang. Dann alles die 1. Avenue hinauf. Der Asphalt ist noch ganz schwarz, die Markierung glänzt, und Velo-Lichtsignale gibt es auch. Der Weg gefällt Skateboardern und chinesischen Töff-Kurieren ebenfalls. Ich kurve durch das East Village, vorbei an der UNO bis nach Midtown. Es ist eine Freude! Bei der 50. Strasse jedoch ist Schluss – jetzt beginnt das Chaos. Unachtsame Autofahrer, Trucks, Baustellen. Selbstmord! Um ein Haar werde ich von einem Taxi gerammt. Erst auf dem Broadway wartet erneut ein Greenway. Und so fahre ich erleichtert, noch am Leben zu sein, ganz freiwillig zu den Leuchtreklamen des Times Square. Ich habe so Spass daran, New York auf dem Velo zu erkunden, Die Reise wurde unterstützt von Swiss International Air Lines Apollo Theater, Nuyorican Poets Cafe NEW JERSEY NEW YORK LITTLE ITALY K LP AR TRA CEN DS ON RIV ER Apollo Theater, Harlem HU Die Scheisse der New Yorker – excuse my language! – ist Jim Pynns Leben. Er leitet die grösste Kläranlage der Stadt und ist ein leidenschaftlicher Fan von dreckigem Wasser. «Es verrät mir viel über das Leben in Manhattan», sagt der 58-Jährige. Werktags um etwa 9.30 Uhr registriere er jeweils eine Zunahme aus der Gegend um die Wall Street. «Die Banker kommen um diese Zeit ins Büro und gehen als Erstes auf die Toilette», sagt er grinsend. In den 80ern seien seine Filter voll gewesen mit Tausenden von Crackampullen, heute jedoch ärgerten ihn die Sojasprossen von den illegalen Plantagen in Chinatown, welche die Filter verstopften. Es mag seltsam erscheinen, als Touristin in New York eine Kläranlage zu besuchen. Ich war in den letzten zehn Jahren sechsmal hier – und jedes Mal fragte ich mich, wo eigentlich all der Dreck dieser Riesenstadt hingeht. New York hat 14 Kläranlagen. Nach Newtown Creek – es liegt in einer Industriezone in Greenpoint, Brooklyn – gelangt das Abwasser von über einer Million Menschen. Berühmt ist die Anlage wegen der «Digester Eggs», der Verdauungseier: Riesige, eierförmige Stahltanks, die den Klärschlamm verdicken. Sie werden nachts blau beleuchtet und sind fast schon eine Sehenswürdigkeit von New York, na ja, zumindest von Brooklyn. Einmal pro Monat führt Jim Pynn durch seine Anlage; heute sind 40 Personen gekommen. Während des Vortrags wird er unterbrochen: «Es ist 10.03 Uhr», sagt einer. Heute ist 9/11. Pynn fordert uns zu einer Schweigeminute auf und erzählt, dass drei seiner Freunde bei den Anschlägen ums Leben gekommen seien. Seine Stimme bricht, Tränen steigen ihm in die Augen. Wir Besucher schauen uns peinlich berührt an. Pynn sagt: «Thank you!», und spricht weiter über Mikroorganismen. Schliesslich fahren wir mit einem Lift auf die Spitze der Eier. Manhattan grüsst in der Morgensonne, doch die Aussicht muss man sich verdienen: Es stinkt wie in einem Kompostkübel. Beim siebten Mal in New York verspürt man nicht mehr das Bedürfnis, über den Times Square zu spazieren (ich tu es dann doch, Sie werden sehen ...). Die üblichen Sehenswürdigkeiten lasse ich links liegen – wobei, da wäre noch die eine, die schon lange auf der Liste steht, für die ich aber nie Zeit hatte (ein typisches NYCSyndrom): Ellis Island. Zwölf Millionen Immigranten wurden zwischen 1892 und 1924 über die Insel am südlichen Zipfel von Manhattan geschleust. Hier wollte ich schon immer mal Ahnenforschung betreiben: Am Computerterminal gebe ich meinen Namen ein. Kostet sieben Dollar. Der Computer spuckt tatsächlich zwölf Personen mit dem Namen Rigutto aus, vier Erwachsene, acht Kinder, die damals aus Italien eingereist sind. Sie waren arm, denn die Reichen mussten nicht durch Ellis Island, sie wurden auf den Schiffen abgefertigt. Nach der Landung liefen sie eine dass ich weiter nach Brooklyn radle und von dort alles nach Coney Island und dann nach Rockaway Beach. Der Mordsritt dauert drei Stunden. Da waren die Ramones schlauer: «It’s not hard, not far to reach, we can hitch a ride to Rockaway Beach», sangen sie 1977. Es ist der längste Stadtstrand der USA, und die Promenade entwickelt sich gerade zur neuen Bedford Avenue, die Hipster-Strasse von Williamsburg. Es sind die Anti-Hamptons: Hier sitzen Künstlertypen, die einen Chorizo Taco verdrücken, den Saft von den Fingern lecken und alles mit einem Wassermelonensaft herunterspülen. Surfer werfen sich in die Wellen – sie waren die Ersten, die hierherkamen, bereits vor 2005, als Surfen noch illegal war. Alles, was man hört, ist das Kreischen der Möwen, das Rauschen der Wellen, das Säuseln des Windes. Sind wir noch in New York? Zurück in der Lower East Side nehme ich die Hausschlüssel hervor. Ich habe mir ein Zimmer über das Onlineportal Airbnb.com gebucht; es vermittelt Privatunterkünfte. Hotelzimmer in New York sind unglaublich teuer – bei Lauren, meiner Gastgeberin, zahle ich 80 Dollar pro Nacht. Sie ist 28 Jahre alt und hat in Yale russische Literatur studiert. Die Miete ihrer Miniwohnung beträgt 3000 Dollar. Sie sagt: «Es gibt wohl keine andere Stadt, wo Paare schon nach vier Monaten zusammenziehen. Die Miete ist einfach zu hoch.» Es ist wie in einer WG: Wir teilen uns Bad, Küche, Stube. Auf meinem Nachttisch steht eine Dose mit grünen Ohrstöpseln. Morgens um drei Uhr weiss ich, warum: donnernde Trucks, Müllmänner, Ausgehvolk. «The city that never sleeps» – genau deshalb werde ich ihr treu bleiben. Treppe in die Registrierungshalle hinauf; die Ärzte wollten schauen, ob sie fit waren. Danach klappte man ihnen das Augenlid nach hinten, um sie auf eine Bindehautentzündung zu untersuchen. Meine Ahnen durften einreisen, wie ich der Kopie des Registrierbuches entnehme. Was wohl aus ihnen geworden ist? Ethel Barrymore Theater LaGuardia Flughafen Grand Central Oyster Bar Kläranlage Newtown Creek CHINATOWN 9/11 Memorial GREENPOINT Nuyorican Poets Cafe LOWER EAST SIDE SoZ Candrian FOTO: LAIF VON STEFANIE RIGUTTO (TEXT) UND KATJA HEINEMANN (FOTOS) ELLIS ISLAND UP P ER B AY PRO SPE CT PAR K BROOKLYN AND CONEY ISL LO WER B AY 2 km ROCKAWAY BEACH ATLANTIK Bombastische Betriebsamkeit: 9/11 Memorial, Kung-Fu-Training in Chinatown, Ruhepause in Little Italy, Empire State Building ... und brennende Füsse Wer in Manhattan eine Heimat sucht, muss viel laufen und wird fündig in Little Italy und Chinatown VON ROGER ANDEREGG (TEXT) UND KATJA HEINEMANN (FOTOS) Zeitig am Morgen die Stadtrundfahrt auf dem Doppeldeckerbus. Dann auf dem Ausflugsboot hinüber nach Ellis Island, wo sie einst ankamen, die Glückssucher aus aller Welt. Anstehen vor dem 9/11 Memorial, vormals Ground Zero genannt, heute eine würdige Gedenkstätte mit riesigen Wasserbecken. Dann als Kontrast die laute, eitle Aufgeregtheit auf dem Times Square. Und schliesslich, im Abendlicht, der Blick vom Empire State Building auf diese ganze bombastische Betriebsamkeit. Gerade wenn der Mensch so überschüttet wird mit optischen, akustischen und emotionalen Eindrücken, braucht er dringend einen Ort, an dem er sich zu Hause fühlt. Der Erste, der mir hilft, mich einzuordnen in die Millionenstadt, ist Angelo, Kellner im Ristorante Grotta Azzurra in Little Italy. Er serviert mir jeden Morgen das «Breakfast Special» mit Speck und drei Spiegeleiern «sunnyside up», das mir helfen wird, den Tag mindestens physisch zu bewältigen. Bei den Italos habe ich mich schon immer wohlgefühlt. Nur: In Little Italy, dessen Pizzaioli vorwiegend aus Südamerika stammen, ist kaum ein Italiener zu finden, und falls noch einer da ist, will er keiner sein. «Sehe ich vielleicht aus wie ein Italiener?», schnödet Angelo, und ich begreife: Würde ich das jetzt bestätigen, wäre es für ihn eine Beleidigung. «I am an American – ich bin Amerikaner», sagt er sehr bestimmt. Doch schon im angrenzenden Quartier ist alles ganz anders. Hier geht Little Italy nahtlos in Chinatown über. Zwischen Kisten und Schachteln mit frischem Obst und Gemüse und den Körben und Kübeln des Fischhändlers führt eine Kellertreppe in den Salon von Zheng, der Fuss- und Rückenmassagen anbietet und Akupunktur. Die Menschen sind am Einkaufen, alle wuseln durcheinander und bleiben auf einen kurzen Schwatz stehen, und wenn ich hier jemanden frage, ob er nun Chinese sei oder Amerikaner, schaut er mich wortlos an. Er spricht gar kein Englisch. Im Columbus Park, gleich um die Ecke, wird klar, dass ich eher in China bin denn in Amerika. An langen Tischen sitzen unter Sonnenschirmen Frauen und Männer, meist nach Geschlecht getrennt, und beugen sich über Karten und Würfel. Alle folgen konzentriert dem Spiel, und ein guter Zug provoziert beifälliges Raunen. Oben im Pavillon bewegen sich wie in einem Schattentheater zwei Gestalten beim Tai-Chi, und unter den Bäumen fiedelt eine Rentnerband auf archaischen Instrumenten. Grösster Bahnhof, grösste Weinkarte, die besten Austern Das ist New York mit seinem Völkergemisch, New York, der Schmelztiegel. Alle sind unterwegs, alle sind in Eile, und alle scheinen vollauf damit beschäftigt, den amerikanischen Traum, die Blitzkarriere vom Tellerwäscher zum Multimillionär, zu vollziehen, den nationalen Mythos einer Gesellschaft, in der jeder es schaffen kann. «Wenn du es hier schaffst, schaffst du es überall», trällert Frank Sinatra in meinen Ohren. Und die, die es geschafft haben, die zeigen es dann auch. Die besten Tipps für New York City Anreise Swiss fliegt nicht nur nonstop ab Zürich zum Flughafen JFK, sondern seit März auch nach Newark. Der Flughafen auf der Jersey-Seite ist kleiner als JFK, die Wege kürzer. Und beim Anflug abends um 20.30 Uhr hat man eine tolle Sicht auf Manhattan, von Ground Zero ragen zwei Lichtkegel in den schwarzen Nachthimmel. Ab ca. 700 Franken, www. swiss.com. Weitere Direktverbindungen nach New York gibt es mit American Airlines und United. Die Tipps von Stefanie Rigutto q Rockaway Taco, Beach 96th Street, Rockaway Beach, www.rockawaytaco.com q The Fat Radish, Lower East Side: hervorragendes Lokal mit Fokus auf Radieschen, www.thefatradishnyc.com q Ellis Island: Abfahrt ab Battery Park mit Statue Cruises, Fahrt u. Eintritt ca. 17 Dollar, www.statuecruises.com, www.ellisisland.org q Digester Eggs Tour, Newtown Creek: Monatliche Gratis-Führung, Anmeldung erforderlich: http://www.nyc.gov/html/dep/ html/environmental_education/ newtown_visitors_center.shtml q App: Unverzichtbar ist die kostenfreie NYC Subway Map (von mxData): Nicht nur hat man den ganzen Metro-Plan auf dem iPhone, man kann auch den schnellsten Weg berechnen. q Airbnb.com: Vermittler von günstigen Privatunterkünften, mittlerweile sind weltweit über 200 000 Schlafplätze online. q Velofahren: Bike Sharing, www.citibikenyc.com (ab Frühling 2013); Velomiete, www.bike androll.com (diverse Standorte); Velokarte, www.nycbikemaps.com und www.nyc.gov/html/dot/ downloads/pdf/2012_nyc-cyclingmap.pdf (Karte 2012 zum Ausdrucken – angenehm fahrbar in Manhattan sind nur die «Greenways») Die Tipps von Roger Anderegg q Stadtrundfahrt mit Gray Line. Das 48-Stunden-Ticket zu 54 USDollar berechtigt zu vier verschiedenen Rundfahrten. www.newyorksightseeing.com q New York City Pass: Sechs Eintritte in Museen und für andere Sehenswürdigkeiten im Zeitraum von neun Tagen; 89 US-Dollar, www.citypass.com q Grand Central Oyster Bar: Bestehen Sie darauf, dass Austern, Fisch und Meeresfrüchte ohne Saucen, nur mit Zitrone serviert werden. Beeindruckende Weinkarte! www.oysterbarny.com q Nuyorican Poets Cafe: PoetrySlam jeweils Fr, 22 Uhr, und Mi, 21 Uhr, www.nuyorican.org q Ethel Barrymore Theater: Musical «Chaplin», www.newyorkcitytheatre.com q Apollo Theater: Amateur Night jeweils Mittwoch, 19.30 Uhr, www. apollotheater.org q Night Court im Criminal Court Building, 100 Centre Street/Ecke Hogan Street, Montag bis Freitag ab 18 Uhr in den Sälen 129 + 130 q Lesetipp: Bettina Winterfeld: «New York – Eine Stadt in Biographien». Zwanzig Weltberühmte, deren Leben und Werk eng mit NY verbunden ist, von Truman Capote bis Sarah Jessica Parker. Merian Porträts, 176 S., 29.50 Fr. Allg. Infos www.nycgo.com New York, mitunter auch die Hauptstadt der Welt genannt, ist die Stadt der Superlative: Macy’s – das grösste Kaufhaus der Welt. Die Fifth Avenue – der teuerste Boulevard auf Erden. Der Grand Central Terminal – der grösste Bahnhof der Welt. Und in der legendären Oyster Bar im Untergeschoss die besten Austern und die grösste Weinkarte. Ein besonderes Schauspiel ist das Nachtgericht ab 18 Uhr Selbst die Hauptstadt der Welt lässt sich gut zu Fuss erkunden. Nun ja, in kleinräumigen Etappen natürlich. Greenwich Village zum Beispiel mit dem Backsteingroove und den grünen Alleen oder Soho mit seinen todschicken Boutiquen und coolen Galerien. Wer sich langsam bewegt, sieht mehr – und entdeckt im Vorbeigehen manche Trouvaille. Im Nuyorican Poets Cafe gibt es zweimal wöchentlich einen Poetry-Slam. Da wird mit der Sprache gespielt, mit der Sprache der Heimat und mit der Sprache als Heimat. Fast alle, die hier auftreten, sind nicht amerikanischer Muttersprache. Das sieht man, und das hört man. Ihr gemeinsames Thema ist die sprachliche und kulturelle Assimilation, über deren Tücken und Fallen herzlich gelacht wird. Um den Times Square reiht sich Theater an Theater, und die meisten spielen Musicals. Gibt es eine amerikanischere Kunstgattung als das Musical? Die neue Produktion «Chaplin» im Barrymore Theater, die vor kurzem erst Premiere hatte, verbindet eine sanft sentimentale Geschichte mit raffinierten Bühneneffekten. Auch Charlie Chaplin war ja ein Immigrant – bevor er als vermeintlicher Kommunist in die Schweiz emigrierte. Im Apollo Theater in Harlem, einer Institution mit langer Geschichte, begeht man jeden Mittwoch die Amateur Night, auch das eine durch und durch amerikanische Veranstaltung. Auch sie steht für Immigration, Integration und den amerikanischen Traum. Die Glücklichen sind in ihrer Karriere eine Runde weiter, die Pechvögel werden mit Pfiffen und Buhrufen brutal exekutiert. Der amerikanische Traum geht eben nicht für alle in Erfüllung. Auch das sieht besser, wer sich langsam bewegt. Nicht weit von der Wallstreet sitzt die OccupyBewegung vor der Trinity-Kirche, und vor einem Luxusrestaurant angelt ein Greis im Mülleimer nach PET-Flaschen und Aludosen. Vor dem Night Court stehen allabendlich Gestrauchelte: Diebe und Dealer, Betrüger, Streithähne und Schläger, die mit einem demütigen Geständnis dem Gefängnis zu entgehen hoffen. Weil nach Gesetz jeder Inhaftierte innerhalb von 24 Stunden dem Richter vorgeführt werden muss, tagt das Nachtgericht ab 18 Uhr – öffentlich. «Wie geht es dir heute, my friend?», begrüsst mich Angelo im Grotta Azzurra am dritten Tag. Und vor der Kellertreppe zu seinem Salon steht Zheng, der chinesische Masseur, und findet, meine Körperhaltung verrate Stress. Was ich jetzt dringend bräuchte, sei eine Rückenmassage. Da weiss ich: Ich habe es geschafft – in New York anzukommen. Die Reise wurde unterstützt von Swiss International Air Lines